SWR2 Musikstunde

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SWR 2 Musikstunde mit Christian Schruff
Mittwoch, 08.05.2013
„Same, same, but different! - dasselbe in Grün Bearbeitungen“ (3)
Noch ganz ohne Radio, Schallplatte oder CD, ohne Musik-Streaming im
Internet haben sich Beethovens Werke schnell verbreitet. Das Medium
waren Bearbeitungen für allerlei kammermusikalische Besetzungen.
Manchmal riefen sie den Ärger des Komponisten hervor, manchmal aber
hat er sie auch selbst gemacht oder zumindest autorisiert. Beethoven
wurde also auch „per Arrangement“ zum Heroen...
Musik 1:
Track 3
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 3 Es- Dur op. 55 „Eroica“
Arr. Für Klavierquartett von Ferdinand Ries
3. Satz: Menuetto. Scherzo
Mozart Piano Quartett
MDG, 643 1454-2, LC06768
5:40
Das Mozart Piano Quartett mit Paul Rivinius am Klavier, Mark Gothoni,
Geige, Hartmut Rohde, Bratsche und Peter Hörr, Cello,mit dem 3. Satz,
Menuett. Scherzo, aus Ludwig van Beethovens „Eroica“, der Sinfonie Nr. 3
Es-Dur.
Beethoven für zu Hause, die „Eroica“ zum Selbermachen – genau das bot
ein Arrangement wie dieses dem Musik-Liebhaber der Beethovenzeit.
Hausmusik war en vogue. Und Gelegenheiten, ein Werk wie die „Eroica“
„live“ mit Orchester im Konzert zu hören, waren noch selten. Diverse
Bearbeitungen waren also der Weg, auf dem neue Werke oft zuerst ans
Ohr drangen.
Heute werden Sie in der SWR 2 Musikstunde also Beethoven in
ungewohnter Klanggestalt hören, aber auch Musik von Schubert, die aus
ganz verschiedenen Motiven heraus neu arrangiert worden ist.
Die Klavierquartettversion der „Eroica“ hat übrigens nicht Beethoven
selbst gemacht, sondern sein Schüler und enger Freund Ferdinand Ries.
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Mitunter erkennt man schnell, was da bearbeitet worden ist, manchmal
aber klingen die Bearbeitungen so selbstverständlich, dass man wie
blockiert ist und das Original gar nicht errät.
Der Franzose Pierre-August-Louis Blondeau hatte sich intensiv mit den
Meistern der Wiener Klassik befasst, mit Haydn und Beethoven ganz
besonders. Von Beethoven hat Blondeau 12 Klaviersonaten für
Streichquartett bearbeitet.
Blondeau war rund zehn Jahre jünger als Beethoven, er war Geiger, RomPreisträger des Pariser Konservatoriums und in späteren Jahren
Orchestermusiker in Paris. Seine Umarbeitungen von Beethovens ersten
Klaviersonaten, Opus 2, für Streichquartett zeigen ein feines Gespür
sowohl für die Anlage der Klaviersonaten als auch für die Möglichkeiten
des Streichquartetts. Denn was bei Beethoven auf den zweihändigen
Klaviersatz verteilt ist, das gestalten im Quartett vier Spieler.
Blondeau hat daraus „konzertante“ Quartette gemacht. Sie waren damals
Mode in Paris. Im C-Dur Quartett, nach Beethovens Klaviersonate op. 2,
Nr. 3, ist besonders der erste Satz ein brillantes Virtuosenstück.
Beethoven ganz neu beleuchtet vom Quatuor ad fontes.
Musik 2
CD Track 5
Pierre-August-Louis Blondeau
Streichquartett Nr. 2 C-Dur
Nach Beethovens Klaviersonate op. 2, Nr. 3
1. Satz: Allegro con brio
Quatuor ad fontes
ALPHA, 072, LC
9:26
Absage
Ad fontes – zu den Quellen! Die Idee zu dieser SWR 2 Musikstunde ist mir
durch die Lektüre des Romans von Vikram Seth „Verwandte Stimmen“
(„An Equal Music“) gekommen. Dessen Protagonist ist Geiger in einem
englischen Quartetts und er stößt durch Zufall auf ein Streichquintett in cMoll von Ludwig van Beethoven, op. 104. Es ist eine Bearbeitung des cMoll- Klaviertrios op. 1, Nr. 3. Das wiederum war immer das Lieblings–
stück der Freundin des Protagonisten, der Freundin, von der er inzwischen
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längst getrennt ist. Nun macht er sich auf die Suche nach dem Quintett,
nach einer Aufnahme davon und auch nach der Freundin.
Er erinnert sich, dass Julia vor allem die Moll-Variation im 2. Satz liebte,
die stille Melancholie von Cello und Geige. Hier zunächst der Trio-Satz ab
dieser Variation im Original – es spielen Daniel Barenboim, Klavier,
Pinchas Zuckerman, Violine, und Jacqueline du Pré, Cello.
Musik 3
CD II / Track 2 ab 4:51 – Ende
Ludwig van Beethoven
Klaviertrio c-Moll op. 1, Nr. 3
2. Andante cantabile con variazioni
Daniel Barenboim Klavier
Pinchas Zuckerman, Violine
Jacqueline du Pré, Cello
EMI, 5 74447 2, LC006646
3:52
Absage
Wie klingt nun dieser Satz für Klavier, Geige und Cello, wenn man ihn auf
5 Streichinstrumente verteilt, auf zwei Geigen, zwei Bratschen und ein
Cello?
Man könnte es ganz mechanisch machen: eine Geige und das Cello spielen
die Originalstimmen aus dem Klaviertrio. Die andere Geige und die beiden
Bratschen teilen sich den Klavierpart. Doch dann fehlt eigentlich der
Klavierbass und die beiden Geigen kommen sich ins Gehege.
Genau das war passiert, als ein auf der Geige dilettierender Beamter am
Wiener Gerichtshof Beethovens Trio op. 1, Nr. 3 für Streichquintett
umgeschrieben hatte. Er wollte es bestenfalls im Freundeskreis
musizieren, schlimmstenfalls wollte er Geld verdienen mit diesem
Arrangement.
Immerhin bat dieser Herr Kaufmann Beethoven um einen kritischen Blick
auf sein Werk und um Korrekturen. Beethoven erkannte schnell: hier ist
mit Korrekturen nichts zu retten und ging selbst ans Werk. So kam es,
dass Beethoven das c-Moll-Trio zum Streichquintett umgeschrieben hat
und sogar als sein op. 104 drucken ließ.
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Musik 4
9931945
Track 6
9:39
Ludwig van Beethoven
Streichquintett c-Moll op. 104 (nach dem Trio op. 1, Nr. 3)
2. Andante cantabile con variazioni
Fine Arts Quartet mit Gil Sharon, 2. Viola
NAXOS, 8.572221, LC05537
Absage
Beethoven hat dem Ganzen übrigens auf seinem Manuskript einen sehr
lustigen Titel gegeben, der viel sagt darüber, was er von solchen
Bearbeitungen gehalten hat:
„Bearbeitetes terzett zu einem 3stimmigen quintett von Hr: Gutwillen u.
aus dem Schein von 5 stimmen zu wirklichen 5 Stimmen an Tageslicht
gebracht, wie auch aus größter Miserabilität zu einigem Ansehen erhoben
von Hr: Wohlwollen. Die ursprüngliche 5stimmige quintett partitur ist den
Untergöttern als feierliches Brandopfer dargebracht worden.“
Beethoven hielt also nicht viel von solchen Arrangements, hat sich einige
Male sogar mit Zeitungsannoncen dagegen gewehrt. Er sah allerdings
auch kaum eine echte Möglichkeit, solche Umarbeitungen zu verhindern.
So schrieb Beethoven in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“:
„Das Übersetzen ist überhaupt eine Sache, wogegen sich heutzutage (in
unserem furchtbaren Zeitalter – der Übersetzungen) ein Autor nur
umsonst sträuben würde; aber man kann wenigstens mit Recht verlangen,
daß die Verleger es auf dem Titelblatt anzeigen, damit die Ehre des Autors
nicht geschmälert und das Publikum nicht hintergangen werde.“
Und
Sie?
Fühlen
Sie
sich
bei
der
folgenden
Beethoven-Musik
hintergangen? Wieder ein Quintettt, bei dem Sie vielleicht erst einmal
grübeln werden: Das kenne ich! Aber, was ist dass noch gleich?
Musik 5
Track 6
Anfang bis 5:00 >
5:00
Ludwig van Beethoven
Quintett A-Dur
Nach der „Kreutzer“-Sonate arrangiert von Ferdinand Ries
1. Adagio sostenuto – Presto (bis zum Beginn der Expositionswiederholung)
L’Archibudelli
6
SONY, SK 48076, LC06868
Haben Sie’s erkannt?
Es war Beethovens „Kreutzer“-Sonate, der Anfang, in der Quintettfassung
wieder von Beethovens Freund und Schüler Ferdinand Ries. Eingespielt
hat diese – wie ich finde, sehr gelungene – Bearbeitung das Ensemble
„L’Archibudelli“.
Die Kreutzer-Sonate ist in jüngerer Zeit auch zum quasi Violinkonzert
bearbeitet worden – von der Geigerin Antje Weithaas. Was mich zur
nächsten und letzten Beethoven-Bearbeitung in dieser SWR 2 Musikstunde
bringt.
Stellen Sie sich vor, auf Ihrem Teller liegt ein wunderbares Gericht zum
Verzehr bereit. Schon der Anblick weckt Ihren Appetit, Sie wissen genau,
wie das schmecken wird, was da vor ihnen liegt. Dann der erste Biss und
– es schmeckt ganz anders als erwartet. So ähnlich wird es Ihnen jetzt
gehen.
Musik 6
Track 4
ab 5:33 ausblenden 5:40
Ludwig van Beethoven:
Klavierkonzert D-Dur op. 61 nach dem Violinkonzert.
1. Allegro, ma non troppo (Anfang)
Ronald Brautigam, Klavier
Symphonieorchester Norrköping
Ltg: Andrew Parrott
BIS, SACD 1693, LC03240
Knapp drei Minuten dauert die Vorfreude auf den Einsatz der Solo-Geige
im Violinkonzert von Beethoven – und dann das: ein Klavier anstelle der
Geige.
Diese Fassung hat Beethoven selbst angefertigt und zwar auf Bitten des in
London lebenden Komponisten, Klaviervirtuosen und Verlegers Muzio
Clementi. Der brachte 1808 beide Versionen des Beethoven-Violinkonzerts
heraus, die Geigenfassung und die Klavierfassung. Deren Anfang haben
Sie gerade gehört mit einem der führende Beethoven-Pianisten unserer
Zeit, dem Niederländer Ronald Brautigam. Andrew Parrott dirigierte das
Symphonieorchester Norrköping.
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Beethoven hat sich dieser beiden Versionen nicht geschämt. Im Gegenteil:
Als sein guter Freund Stephan von Breuning im April 1808 Julie von Vering
heiratete, da schenkte er dem Paar diese beiden Versionen. Die Braut war
nämlich Pianistin, der Bräutigam Geiger...
Heute ist es ja durchaus wieder üblich geworden, dass sich Solisten
Konzerte für ihr Instrument umschreiben lassen – von solchen Versionen
werden Sie am Freitag einige Beispiele hören. Und auch der neue Trend,
Werke „recomposed“ auf den Markt zu bringen, wird dann eine Rolle
spielen in der SWR 2 Musikstunde.
Man kann die Musiker ja auch verstehen, für deren Instrumente nur
wenige Solo-Konzerte existieren oder nur Konzerte von Komponisten der
zweiten oder dritten Garde.
Und dann gibt es noch den Fall, dass ein Komponist einem Instrument
durchaus zugetan war, aber nicht ein Konzert hinterlassen hat. Schubert
und das Klavier ist so ein Fall. Wie schön wäre es doch, wenn Franz
Schubert ein Klavierkonzert geschrieben hätte, haben sicher schon viele
Pianisten gedacht. Hat er aber nicht. Oder doch?
Zumindest gibt es ein Adagio und Rondo F-Dur für Klavierquartett. In
dessen drei Streicherstimmen finden sich Eintragungen, dass die Streicher
an manchen Stellen Solo spielen soll, an anderen Tutti. In diesem
Klavierquartett für Heinrich Grob hat Schubert also möglicherweise die
konzertante Aufführung mit Streichorchester vorgesehen. Und tatsächlich
behandelt er das Klavier im Rondo auch durchgängig als brillantes SoloInstrument.
Der Pianist Sebastian Knauer hat eine Fassung erarbeitet, bei der er dem
Streichorchester noch eine Kontrabassstimme hinzugefügt hat – aus
klanglichen Gründen. In dieser Fassung hat er das Stück mit dem
Ensemble Resonanz auch eingespielt. Und mit einem solchen Rondo
könnte ein Klavierkonzert von Schubert durchaus zu Ende gehen.
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Musik 7
Track 9
Puffer auf Ende
(8:36)
Franz Schubert
Adagio und Rondo concertante F-Dur, D 487
Arr. Für Streichorchester von Sebastian Knauer
2. Rondo
Sebastian Knauer, Klavier
Ensemble Resonanz
BERLIN CLASSICS, 0016162, LC06203
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