Gletscher – ohne Zukunft? Klima Die globale Klimaerwärmung bringt das Eis der Alpengletscher zum Schmelzen © W. Zängl/GöF/Greenpeace Mer de Glace (Eismeer) hieß der französische Gletscher in Chamonix 1916 zu Recht. © S. Hamberger/GöF/Greenpeace Der untere Teil des Schweizer Rhonegletschers besteht heute nur noch aus Geröll und Fels. B 116 1 © Falk Heller/argum/Greenpeace Greenpeace-Protest auf dem PasterzeGletscher gegen internationale Ölkonzerne, die mit rücksichtsloser Energiepolitik den Klimawandel beschleunigen. Gletscher sind das Fieberthermometer der Erde: Dokumentation Gletscherschwund Der Vergleich historischer Aufnahmen mit aktuellen Fotos zeigt das Schmelzen der Gletscher wie im Zeitraffer. Wie auf den historischen Vorlagen werden die aktuellen Gletscher in den Spätsommermonaten fotografiert, wenn der Schnee abgetaut ist und die eigentliche Ausbreitung der Gletscher deutlich sichtbar wird. Unter gleichem Blickwinkel und mit ähnlicher Aufnahmetechnik zeigen diese Bildvergleiche auf eindringliche Weise den bestürzenden Gletscherschwund. Sylvia Hamberger und Wolfgang Zängl von der Gesellschaft für ökologische Forschung arbeiten seit 1999 an einer Fotodokumentation des Gletscherrückzugs in den Alpen. Zu sehen sind die Fotos im Münchner Alpinen Museum. © A. Heddergott/SV-Bilderdienst © W.Zängl/GöF/Greenpeace Alle historischen Gletschervergleiche © Sammlung der Gesellschaft für ökologische Forschung (GöF) Titel: Ochsentalergletscher, Silvretta, Österreich (1912 und heute) Als Folge der globalen Klimaerwärmung sind dramatische Rückzüge beispielsweise der Alpengletscher erkennbar. Doch der vom Menschen verursachte Klimawandel schreitet stetig weiter voran. Zehn Jahre nach dem Weltgipfel von Rio 1992 ist das Abkommen von Kyoto immer noch nicht in Kraft. Die ohnehin mageren Klimaziele wurden in langwierigen und zähen Verhandlungen wieder eingedampft – ein „Kyoto light“. Der IPCC (Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderung), ein von der UN beauftragtes Gremium von über 1000 Klimaforschern, rechnet in diesem Jahrhundert mit einer Erwärmung um 1,4 bis 5,8 Grad Celsius. Der Meeresspiegel wird danach um 8 bis 88 Zentimeter ansteigen. tiert die Auswirkungen des Klimawandels: Im letzten Jahrhundert ist beispielsweise der Bering-Gletscher um 130 Quadratkilometer geschmolzen. 1997, ANTARKTIS: Greenpeace-Aktivisten nehmen SchmelzwasserProben eines Gletschers in der Weddel See. © K. Schuetz/Greenpeace 1997, ARKTIS: Greenpeace dokumen- © S. Morgan/Greenpeace © D. Beltra/Greenpeace Sylvia Hamberger und Wolfgang Zängl bauten das größte Gletscherarchiv mit Hunderten von historischen Vergleichen auf. AUSWIRKUNGEN DER GLETSCHERSCHMELZE: Seit Beginn der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1980 verloren allein die Alpengletscher etwa ein Drittel ihrer Fläche und die Hälfte ihrer Masse. Seit 1980 sind nach wissenschaftlichen Schätzungen weitere 20 bis 30 Prozent des Eisvolumens abgetaut. Ein nicht zu übersehendes Alarmsignal! Gletscher sind lebenswichtige Trinkwasserspeicher. Auch große europäische Flüsse wie Rhone und Rhein entspringen in Gletscherregionen. Durch das stark abschmelzende Gletschereis steigen die Flusspegel. Ist das Eis in den Gebirgsregionen abgetaut, droht Wassermangel. Das Schmelzen der Gletscher verändert Wasserverfügbarkeit und -haushalt großer Landstriche. Die alpine Pflanzenwelt reagiert sehr empfindlich auf Umwelt- und Klimaveränderungen. Ein Viertel der 400 nur in den Bergwald: Allgäu, 1994 Alpen vorkommenden (endemischen) Pflanzenarten ist durch die Klimaerwärmung vom Aussterben bedroht. Der Bergwald ist im Dauerstress. © S. Hamberger/GöF, M. Schickhofer/Greenpeace Trinkwasser in Gefahr Bergwald im Dauerstress Trinkwasser: Hohe Tauern, 1994 © D. Beltra/Greenpeace; H. Blohm/Masterfile Wolfgang Zängl: „Das abschmelzende Gletschereis ist auch ein Synonym für das Leben auf der Erde, ein Symbol für Zeit: Die verschwundenen Eiskristalle sind wie der Sand in der Sanduhr.“ Sylvia Hamberger: „Die Fotodokumentation des Gletscherrückgangs in den letzten wilden Landschaften Mitteleuropas hat mich tief berührt. Wir dokumentieren, wie das, was mich zunehmend fasziniert, verschwindet.“ Internationalen Klimagipfels in Buenos Aires macht Greenpeace auf dem Piz Buin-Gletscher auf die Gefahren der Klimaerwärmung aufmerksam. 1999, USA: Erkundungstour mit der Arctic Sunrise im Juli: Auch für die Walrösser wird das Eis vor der amerikanischen Küste dünn. © N.Cobbing/Greenpeace 1998, ÖSTERREICH: Zu der Zeit des © D. Beltra/Greenpeace Mit dem Eis schwinden in der Arktis die Lebensgrundlagen für die Eisbären. Dämme gegen Gerölllawinen Taut der Permafrost, rutschen die Hänge. bedrohen die Dörfer. Statt gegen die Ursache vorzugehen, muss kurzfristiger Schutz her: Dämme und Verbaumaßnahmen kosten Milliardenbeträge und sollen Täler und Infrastruktur schützen. Schneelawinen nehmen zu Die Anzahl der winterlichen Starkniederschläge hat sich deutlich erhöht. Vor allem kühl-feuchte Luft aus dem Nordwesten lässt die Schneedecke anwachsen. Ganze Hänge müssen mit einer Lawinenverbauung für den Schutz vor den Gerölllawinenverbauung: Pontresina, Engadin, 2003 gigantischen Schneemassen sorgen. © S. Hamberger/GöF/Greenpeace Schneelawinenverbauung: St. Anton am Arlberg, 1998 © W. Zängl/GöF/Greenpeace Felsstürze, Schutt- und Gerölllawinen camp gegen die Ausbeutung der arktischen Ölquellen durch das BP-Northstar Projekt. 2001, PATAGONIEN: Greenpeace protestiert über dem südargentinischen Gletscher "Perito Moreno" gegen die Staaten, die das KyotoProtokoll nicht unterzeichnen. © C. Aslund/Greenpeace 2000, Arktis: Protest- © M. Molinari/Greenpeace Die Inuit, Ureinwohner der Nordpolargebiete, kündigten im Dezember 2003 eine Aufsehen erregende Klage an. Danach will ihre Interessenvertretung, die „Inuit Circumpolar Conference“, die USA der Menschenrechtsverletzung bezichtigen. Der Hintergrund: Rapide schrumpfendes Meereseis gefährdet die Population der Eisbären in der Arktis. Mit dem Eis auf den Nordmeeren verschwinden auch die Jagdgründe der Inuit. Der Permafrost-Boden taut auf. Schlammlawinen bedrohen die Häuser der Einwohner. Das Wetter schlägt Kapriolen, Jahreszeiten verschieben sich. Jahrhunderte altes Naturwissen von Eis- und Wetterverhältnissen, das den Inuit das Überleben ermöglichte, verliert an Gültigkeit. Traditionelle Lebensweise und kulturelle Identität der Inuit sind durch den Klimawandel akut bedroht. Denn während US-Präsident George W. Bush alle Anstrengungen gegen die Klimaerwärmung boykottiert, schmilzt das Eis an den Polen in immer schnellerem Tempo. Karsten Smid, Umweltingenieur und Klimaexperte bei Greenpeace Tipps zum Weiterlesen Gletscherschmelze – powered by Esso & Co. Zängl/Hamberger: Gletscher im Treibhaus. Eine fotografische Zeitreise in die alpine Eiswelt. Tecklenborg Verlag, April 2004 Wer trägt die Hauptverantwortung für den sich rapide vollziehenden © M. Kunze/Greenpeace Gletscherschwund? Allein 40 Prozent der 23 Milliarden Tonnen CO2, die jährlich die Atmosphäre belasten, entstehen bei der Verbrennung von Öl. Statt weiter Öl ins Feuer zu gießen, müssen globale Energiekonzerne end- Mojib Latif: Hitzerekorde und Jahrhundertflut, Heyne, 2003 lich Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen. Denn die Klimaerwärmung bricht nicht unerwartet über uns herein wie ein Vulkanaus- Greenpeace-Report (Österreich): Klimawandel und Lawinen – Risiken und Trends im Alpenraum, Juli 2001 bruch oder ein Erdbeben. Für die Klimaerwärmung gibt es Verantwortliche, die Jahr für Jahr Milliarden am Verkauf von Benzin und Öl verdienen und möglichen Alternativen bewusst die Unter- www.gletscherarchiv.de www.greenpeace.de/klima stützung verweigern. Deshalb muss bei der Beseitigung der Schäden das Verursacherprinzip gelten. Weitsichtige Ölmanager wissen wie Klimapolitiker: Es ist billiger, vorsorglich in den Klimaschutz Impressum und in erneuerbare Energien zu investieren, als zukünftig ständig © J. Kuesters/Greenpeace Folgeschäden der Klimaerwärmung zu bezahlen. Schutz der Alpengletscher beginnt mit dem Klimaschutz. Esso-Raffinerie in Ingolstadt: Der Ölmulti ist allein für den Ausstoß von 5 Prozent der weltweiten CO 2 -Emissionen verantwortlich. GreenpeaceForderungen: M A C H E N WELTWEITE WENDE IN DER ENERGIEPOLITIK: Klimaspuren: Greenpeace sucht Zeitzeugen der Gletscherschmelze S I E M I T Ölkonzerne müssen stärker in erneuerSteinschläge nach dem Auftauen des Permafrostes, extreme Gletscherveränderungen und oft unüberwindbare Randspalten machen heute das Begehen von Routen unmöglich, die seit 150 Jahren zum klassischen Bergsteiger-Repertoire gehören. Das Kartenmaterial ist veraltet, immer wieder berichten erfahrene Alpinisten von Änderungen der Gletscher innerhalb weniger Jahrzehnte. Die weiteren Aussichten sind, nicht nur für Bergsteiger, katastrophal. Machen Sie mit. Schicken Sie uns Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Gletscherrückgang in den Alpen. Eine Auswahl Ihrer Zusendungen werden wir in einer Ausstellung veröffentlichen. bare Energien investieren. Die Autoindustrie muss Energiespar autos auf den Markt bringen. KLIMASCHONENDER LEBENSSTIL JEDES EINZELNEN: Kaufen Sie Produkte aus der Region. Steigen Sie auf öffentliche Verkehrs mittel oder das Fahrrad um. Wechseln Sie zu Öko-Stromanbietern, 2002, NORWEGEN: Greenpeacerin vergleicht ein Foto des BlomstrandbreenGletschers von 1928 mit der aktuellen Situation. © D. Beltra/Greenpeace z.B. Greenpeace energy e.G. 2004, CHILE: Greenpeace ist im Januar nochmals mit der Arctic Sunrise auf Tour, um den Gletscherschwund in Patagonien und Chile zu dokumentieren. Greenpeace Deutschland Große Elbstr. 39, 22767 Hamburg Tel.: 040 - 306 18 - 0 Politische Vertretung Berlin Marienstr. 19-20 10117 Berlin Tel.: 030 - 30 88 99 - 0 Greenpeace in Zentralund Osteuropa Siebenbrunnengasse 44 A-1050 Wien Tel.: + 43 - 1 - 545 45 80 Greenpeace Schweiz Heinrichstrasse 147 8031 Zürich Tel.: + 41 -1- 447 41 41 Email: [email protected] Internet: www.greenpeace.de V.i.S.d.P.: Karsten Smid; Stand: 04/2004; Gestaltung: Angela Dobrick; gedruckt auf 100% Recyclingpapier Druck: Druckzentrum Harry Jung, Am Sophienhof 9, 24941 Flensburg Greenpeace lebt vom Mitmachen Wenn Sie mehr über die Arbeit von Greenpeace wissen möchten, schreiben Sie uns oder rufen Sie uns an. Über die zahlreichen Möglichkeiten, unsere Kampagnen zu unterstützen, etwa durch Mitarbeit in den regionalen Gruppen oder als Fördermitglied, informieren wir Sie gern: Tel.: 040/306 18-0