Beispiel eines Lehrbuchtextes Sek-II: Römische Antike Geschichte

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Lehrerfortbildung Saarbrücken 2016 „Geschichte besser verstehen“
Beispiel eines Lehrbuchtextes Sek-II: Römische Antike
Geschichte und Geschehen 2012
Das Lehrwerk „Geschichte und Geschehen – Oberstufe / Gesamtband“ versteht sich als semesterübergreifendes Lehrbuch ohne Bindung an bestimmte Bundesländer. Der Gesamtband mit 624 Seiten
enthält kanonische Themen aller vier Semester; eine Zusatz-CD-Rom bringt ergänzende Themen wie
etwa „Das Osmanische Reich in der Frühen Neuzeit“ oder „Die Revolution von 1918/19 in Bremen“,
um regionalspezifische Lehrplananforderungen mit abzudecken. Die darstellenden Autorentexte werden als „Grundwissen“ qualifiziert. Es folgt den z.T. recht umfänglichen Kapiteln ein Materialteil u.a.
mit Quellen und Arbeitsaufträgen unterschiedlicher Reichweite und Anforderungsniveaus.
Der folgende Auszug stellt die römische Frühgeschichte und Republik bis zu den Bürgerkriegen des 1.
Jahrhunderts v. Chr. dar. Er umfasst etwa 3/5 des Gesamttextes, der die Zeiten Caesars, der Monarchie sowie der Spätantike bis zum Ende Westroms darstellt.
1.2 Rom: im Spannungsfeld von Peripherie und Zentrum
Mythische Gründung und Sendungsbewusstsein
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Die Römer selbst datierten Ereignisse in der Geschichte und in ihrer eigenen Gegenwart entweder durch Angabe
der amtierenden beiden Konsuln oder in Jahren "nach Gründung der Stadt". Die mythische Gründung Roms
durch Romulus, einen Sohn des Kriegsgottes Mars und Nachkommen des Trojaners Aeneas, der selbst wiederum
ein Sohn der Göttin Venus war, setzten sie dabei auf das Jahr 753 v. Chr. fest. Aus der durch die Abkunft von
Aeneas und Romulus gleichsam göttlich legitimierten Gründungsgeschichte ihrer Stadt leiteten sie ein ganz
eigenes Sendungsbewusstsein ab: Rom schien vor diesem Hintergrund durch göttlichen Beschluss dazu ausersehen, aus einfachen Verhältnissen zur Weltherrschaft aufzusteigen und diese dann bis ans Ende allerTage innezuhaben
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Vom Dorf zum Weltreich
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Diese aus der rückschauenden Betrachtung vorgenommene Geschichtsausdeutung schien sich durch den Lauf der Dinge zu bewahrheiten. So war das römische Gemeinwesen, das aus einer kleinen Siedlung an einer Tiberfurt hervorgegangen war, allmählich aus verschiedenen Siedlungskernen und unter Einbeziehung unter- schiedlicher ethnischer Gruppen zusammengewachsen. Das spiegelt
sich bis in die republikanische Epoche hinein an den rechtlich, wirtschaftlich und
gesellschaftlich sehr unterschiedlich gestellten Teilen der Bevölkerung wider.
Hier stand den adligen Patriziern und den durch ein bestimmtes Vermögen ausgewiesenen Rittern die breite Masse der stadtrömischen Unterschicht gegenüber.
Dieses Gemeinwesen, das als res publica („öffentliche Sache“) bezeichnet wurde
und das sich nach außen unter dem Monogramm SPQR (Senatus Populusque
Romanus – „Senat und Volk von Rom“) als eine Einheit von Adel und Volk
(Plebejern) darstellte, stieg nach Kriegen mit Latinern, Etruskern und anderen
italischen Stämmen zunächst zur Herrschaft über Mittelitalien auf. Im Folgenden machte es besiegte Gegner zu Verbündeten und errichtete durch die Vergabe
abgestuften römischen Bürgerrechts für einige dieser Verbündeten ein relativ
stabiles System der Herrschaftssicherung. Nachdem die Römer bei ihrer Expansion im Norden mit den keltischen Stämmen der Po-Ebene und im Süden der
italischen Halbinsel mit Griechen und Karthagern aneinandergeraten waren,
bekam diese Expansion neue Dimensionen und gewann eine andere Qualität. So
griffen die Römer immer weiter über die italische Halbinsel hinaus auf andere
Regionen aus. Nach dem 1. Punischen Krieg (264-241 v. Chr.) wurde Sizilien
erste römische Provinz, nach dem 2. Punischen Krieg (218-201 v. Chr.), in dem
sich Rom nach bitteren Niederlagen gegen den karthagischen Feldherrn Hannibal am
Ende nur mit äußerster Mühe durchsetzen konnte, kamen Besitzungen auf der Iberischen Halbinsel hinzu, und nach dem 3. Punischen Krieg (149-146 v. Chr.), der mit der
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Zerstörung Karthagos endete, griff man schließlich nach Nordafrika und ungefähr zur
selben Zeit auch in den griechischen Osten aus. Am Ende dieser Entwicklung, die sich
aus der rückschauenden Perspektive sicher geradliniger darstellt, als sie es 40 in Wirklichkeit war, und die Rom manches Mal an den Rand des Scheiterns führte, beherrschte
die Stadt am Tiber nahezu den gesamten Mittelmeerraum. Das Mittelmeer selbst war
aus römischer Perspektive zu „unserem Meer“ (lat. mare nostrum) geworden. Rom sah
sich nun als Zentrum der Welt.
Heeresreform und Heeresklientel
Die Ausweitung des Erfahrungs- und des Aktionsraumes der römischen Politik und Kriegsführung blieben nicht
ohne Rückwirkungen auf die Verhältnisse in Rom selbst. So vollzog sich durch die Heeresreform unter Marius
(104 v. Chr.) der Schritt vom Bauern- und Bürgerheer der Stadtgemeinde zur Berufsarmee, die jetzt auch für
längere Zeit und in größerer Entfernung von den heimischen Äckern eingesetzt werden konnte. Und da die Soldaten nach geleistetem Kriegsdienst auf die Versorgung durch ihren Feldherrn angewiesen waren, entstand auf
diese Weise eine sehr enge persönlich Bindung zwischen beiden: Die hierdurch etablierte Form der Heeresklientel sollte späteren Usurpatoren ein wichtiges Instrument zur Errichtung persönlicher Herrschaft bieten und spielte
nicht zuletzt bei der Begründung des Prinzipats unter Augustus eine wichtige Rolle
Neue Provinzverwaltung
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Hinzu kam die Notwendigkeit, das neu erworbene Reich mit den Mitteln des republikanisch verfassten Stadtstaates zu beherrschen und möglichst effektiv zu ver-walten. Zentrale Leitungsfunktionen wurden hierbei von gewesenen Konsuln und 6 Prätoren wahrgenommen, die auf diese Weise über die Verwaltung der Provinzen aus den
dortigen Ressourcen ihre Aufwendungen für die Amtsbewerbung refinanzieren konnten. Um hierbei entstehende
Härten und die ungerechtfertigte Ausbeutung der Provinzen zu vermeiden, gab es das Instrument der Repetunden-Klage (lat. repetere = zurückfordern), durch die ein Beamter nach Ablauf seiner Dienstzeit in Rom wegen
unrechtmäßiger Bereicherung angeklagt werden konnte.
Militärischer Erfolg und moralischer Verfall
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Schließlich stellte der massive Zufluss von Geld, Werten und Sklaven aus den eroberten Gebieten die überkommene, auf Ausgleich zwischen den Bevölkerungsgruppen ausgerichtete Sozialordnung Roms auf eine ernsthafte
Probe. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich stiegen sprunghaft an, die ganz realen Möglichkeiten des
sozialen Auf-, vor allem aber des Abstieges führten zu einer zunehmenden Verunsicherung in der Bevölkerung.
Das auf den ethisch-moralischen Normen der traditionalen römischen Gesellschaft basierende soziale Miteinander wurde zu einem egoistischen Gegeneinander, vor allem innerhalb der gesellschaftlichen Führungsschicht
(Nobilität). Neben der Gliederung in Plebs, Ritterstand und Nobilität gab es im politischen System Roms aber
auch die Unterscheidung in Optimaten (lat. optimi = „die Besten“) und Popularen (lat. populus = „das Volk“).
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Diese unter- schieden sich dadurch, wie sie ihre Politik durchzusetzen versuchten: So sahen die Optimaten vor
allem den Senat als ihr Aktionsfeld an, während die Popularen über die Volksversammlung Politik zu machen
versuchten. Der gesellschaftliche Konsens stand zunehmend infrage, ernsthafte Verwerfungen mit zum Teil
bürgerkriegsähnlichen Konflikten waren die Folge. Gesellschaftlich und wirtschaftlich brauchte es Zeit, sich in
die neue Rolle als Zentrum eines Großreiches einzufinden
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Das römische Gemeinwesen (res publica libera)
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Der machtpolitische Aufstieg
Roms bildete den Hintergrund
für einen grundlegen- den Umbruch in der politischen Organisation des Gemeinwesens um die
Wende vom 6. zum 5. Jahrhundert v. Chr. Das nach der Vertreibung des etruskischen Königs
Lucius Tarquinius Superbus (des
„Hochmütigen“) etablierte republikanisch-aristokratische
Gemeinwesen wurde in der Folgezeit weiter ausgestaltet. So
erhielten die Plebejer gegenüber
der adligen Oberschicht und
ihren Organen immer mehr
Rechte eingeräumt. Die Schaffung des Volkstribunats als einer
spezifisch plebejischen Magistratur und die schriftliche Fixierung
der Zwölf-Tafel-Gesetze um die
Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr.
gehören ebenso in diesen Zusammenhang wie die Öffnung
der Ämterlaufbahn für die Angehörigen der Plebs
Die römische Mischverfassung
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Krise und Bürgerkrieg
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Das vor allem vom Gedanken der adligen Gleichheit und vom Konsens innerhalb der Oberschicht getragene
politische System des römischen Gemeinwesens stieß Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. an seine Grenzen. Immer
öfter drohten Politiker durch die Häufung, die Fortschreibung und den Missbrauch von Ämtern die ungeschriebenen Gesetze der römischen Republik aus den Angeln zu heben. Besaß das politische System zunächst noch
genügend Kraft, um entsprechenden Usurpationsversuchen erfolgreich entgegenzuwirken, so schwang sich der
Politiker und Feldherr Sulla gegen alle Widerstände 82 v. Chr. gewaltsam zum Diktator auf. Er griff im innenpolitischen Machtkampf auch auf das Mittel der Proskriptionen (lat. proscribere = „für vogelfrei erklären“) zurück. Es wurden „schwarze Listen“ mit den Namen aus Sicht der Herrschenden und ihrer Anhänger unliebsamer
Zeitgenossen aufgestellt und öffentlich ausgehängt. Wessen Name auf einer solchen Liste erschien, der galt als
vogelfrei; er durfte straffrei umgebracht werden; sein Vermögen fiel an den, der die Tat vollbrachte. Diese politischen Säuberungen stellten indes erst den Auftakt zu einem Zeitalter der Bürgerkriege und der Gewalt dar.
[…..]
Quellenangabe: Geschichte und Geschehen – Oberstufe / Gesamtband, Stuttgart/Leipzig (Klett) 2012, S.28-32
Beobachtungsaufträge:
Aufg. 1: Voraborientierung für Schüler:
Welche Hilfen bieten Text- und Seitengestaltung für ein erstes, orientierendes Überfliegen? Gibt es
einen erkennbaren Advance Organizer, dem der Text dann folgt?
Aufg. 2: Sprachliche Hürden in der Lexik:
Welche Wörter sind für durchschnittliche (oder auch ganz konkrete) Oberstufenschüler vermutlich
unverständlich?
Aufg. 3: Sprachliche Hürden in der Syntax:
Obwohl man ganz generell von einer Dominanz der adligen Oberschicht ausgehen darf, erschien Rom Zeitgenossen am Ende als eine klassische Mischverfassung, in der monarchische, aristokratische und demokratische
Elemente in gleicher Weise 1 Platz hatten und sich gegenseitig im Gleichgewicht hielten: So stehen etwa die bei
den Konsuln als leitende Beamte für das monarchische, der Senat als Domäne der adligen Oberschicht für das
aristokratische und die Volksversammlung für das demokratische Element in diesem Gemeinwesen.
Welche Verstehenshürden entstehen vermutlich durch andere Elemente der Textgestaltung, z.B.
durch die Länge einzelner Sätze, durch das Fehlen von Konnektoren (z.B. Konjunktionen zum logischen Verbinden mehrerer Infos), durch eine zu hohe Informationsmenge?
Die moralische Verankerung der Herrschaft und das Klientelsystem
Welche Hilfen müsste eine Lehrkraft vorab erteilen, um Zeilen x-z als Stillarbeit oder vorbereitende
Hausaufgabe lesen lassen zu können?
Unabhängig davon spielten in der römischen Gesellschaft traditionell die Sitten und Bräuche derVorfahren und
die als vorbildlich herausgestrichenen Helden der frühen republikanischen Epoche eine kaum zu überschätzende
Rolle. Außerdem waren die führenden Vertreter der Oberschicht über das römische Klientelsystem eng mit den
ärmeren Bevölkerungsgruppen verbunden: Sie fungierten als Patrone vor Gericht und halfen in wirtschaftlichen
Notlagen. Dafür unterstützten die Klienten, die den Herren jeden morgen ihre Aufwartung machten, diese bei der
Bewerbung um Ämter mit ihrer Stimme.
Die Ämterlaufbahn
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mehrfach besetzt waren und auch nur auf Zeit vergeben wurden. So sollte durch gegenseitige Kontrolle Machtmissbrauch verhindert und durch die regelmäßige Neubesetzung von Ämtern die allzu starke Konzentration von
Macht und Amtsgewalt eng begrenzt werden. Überdies gab es die für die Sittenaufsicht zuständigen Zensoren
und - als spezielle Beamte der stadtrömischen Unterschicht - die Volkstribunen. Der Volkstribun galt als sakrosankt („unverletzlich“) und konnte so Angehörige der Plebs vor Willkürmaßnahmen römischer Beamter und
Angehöriger des Adels schützen. Außerdem verfügte er über ein Vetorecht (lat. veto = „ich verbiete“) gegenüber
Beschlüssen des Senats, In Notzeiten konnte zudem für bis zu sechs Monaten ein Diktator mit nahezu unumschränkten Vollmachten ernannt werden, dem allerdings noch ein Anführer der Reitertruppen (lat. magister
equitum) zur Seite stand. Als besondere Leistung galt es, wenn ein Mann als Erster im weiteren Kreis seiner
Familie das Konsulat erreicht und damit als sozialer Aufsteiger (lat. homo novus) Sitz und Stimme im Senat
erlangt hatte.
Aufg. 4: Nötige Vorentlastungen durch Lehrkraft:
Aufg. 5: Nötige Vorgaben für Ergebnissicherung:
Welche Vorgaben müssten Schüler erhalten, um eine sinnvolle Ergebnissicherung vornehmen zu
können?
Aufg. 6: Merkmale eines alternativen Textes:
Welche sprachlichen, inhaltlichen und/oder gestalterischen Elemente müsste ein alternativer Text
haben, damit ihn Oberstufenschüler ohne vorherige Einhilfe einer Lehrkraft lesen und verstehen
können?
Eine Voraussetzung dafür, das Amt des Konsuls zu erreichen, war die erfolgreiche Absolvierung der Ämterlaufbahn. Hier gab es für jedes der Ämter, die der Reihe nach durchlaufen werden mussten, ein vorgeschriebenes
Mindestalter. Für die Übernahme eines Amtes galten zwei zentrale Prinzipien: das der Annuität (lat. annus =
„Jahr“) und das der Kollegialität (lat. collega = „Amtsmitinhaber“). Das heißt, dass die höchsten Ämter jeweils
© F.S. 09/15
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