Powered by Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustriebw.de/de/fachbeitrag/dossier/gesundheitlichepraevention-durch-bessere-diagnostik/ Gesundheitliche Prävention durch bessere Diagnostik „Gesundheit kann nicht allein durch klassische Ansätze der Krankenbehandlung, der Rehabilitation und der Pflege erhalten werden. Vielmehr soll gesundheitliche Prävention Erkrankungen nach Möglichkeit vermeiden und die Gesundheit erhalten. Prävention zielt darauf, umfassend gesundheitliche Risiken und Schäden zu verhindern, weniger wahrscheinlich zu machen oder ihren Eintritt zu verzögern.“ (Erklärung der Bundesregierung. Drucksache 17/845 des Deutschen Bundestages, 26.02.2010) „Vorbeugen ist besser als Heilen.“ Dieses sprichwörtliche Prinzip wird von den Vertretern der medizinischen Wissenschaft, der praktizierenden Medizin, Politik und der Kostenträgern immer wieder hervorgehoben. Häufig läuft das auf - durchaus vernünftige, aber doch fast selbstverständliche - Ratschläge hinaus wie gesundes Essen, nicht rauchen, viel Bewegung und Sport usw. Um mit Prävention gezielt auf die Bedrohung durch schwere Krankheiten antworten zu können, ist allerdings eine verlässliche Diagnostik Voraussetzung. Bei der Vielfalt von diagnostischen Verfahren, die in Baden-Württemberg zur Krankheitsprävention zum Einsatz kommen, kann dieses Dossier nicht annähernd einen Überblick geben. Es soll aber einen Einblick in das Thema bieten, indem es einige besonders aktuelle Entwicklungen und markante Projekte vorstellt, Zukunftsperspektiven aufzeigt und Probleme diskutiert. Die Spannweite der diagnostischen Methoden umfasst dabei die konventionelle Labormedizin, histologische und zytologische Screenings, molekularbiologische und gentechnologische Hochdurchsatz-Verfahren und Sequenzierungen ebenso wie die Hightech-Apparatemedizin. Gerade die Verbindung dieser unterschiedlichen Methoden ist für die moderne präventive Medizin besonders charakteristisch. Krebsvorsorge und -früherkennung Ein überzeugendes Beispiel für die Bedeutung der Diagnostik zur Krankheitsvorbeugung liefert die Entdeckung des Magenbakteriums Heliocobacter pylori durch Barry Marshall und Robin Warren. Sie konnten nicht nur durch Selbstversuche nachweisen, dass H. pylori Gastritis und Magengeschwüre hervorruft, die mit Antibiotika therapierbar sind, sondern wiesen auch den Weg zur Prävention dieser Erkrankungen. Dafür wurden sie 2005 mit dem Nobelpreis geehrt. Seither hat sich das Bakterium auch als Hauptverursacher des Magenkrebses erwiesen, und Ärzte empfehlen beim Nachweis einer Helicobacter-Infektion die einfache und zumeist 1 lebenslang wirksame medikamentöse „Eradikation“ (Abtötung) des Erregers. Koloskopie © Deutsche Krebsgesellschaft Ein effektive klassische Krebsvorsorgeuntersuchung ist die Koloskopie (Dickdarmspiegelung), die zwar schmerzfrei, aber unangenehm ist und nur von einem geringen Teil der Bevölkerung in Anspruch genommen wird, obwohl Dickdarmkrebs die zweithäufigste Krebstodesursache in Deutschland ist und die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten der Vorsorgeuntersuchung übernehmen. Diagnostiziert man bei der Koloskopie Polypen in der Darmschleimhaut, so werden diese als mögliche Krebsvorläufer (Präkanzerosen) entfernt. Wären sich die Wissenschaftler einig, dass es sich dabei tatsächlich um Präkanzerosen handelt, müsste man eigentlich statt von Krebsvorsorge von Krebsfrüherkennung sprechen. Die Grenzen sind fließend, und wiewohl die Unterscheidung für den Onkologen wichtig ist, erscheint sie vom Standpunkt des Patienten aus semantisch. Für ihn zählt ja allein, dass Vorsorge getroffen wird, um die schwerwiegende, womöglich terminale Krebskrankheit zu vermeiden. Auch bei dem erfolgreichsten Krebstest aller Zeiten, dem Pap-Test, geht es um die Früherkennung von Vorläuferstufen des Gebärmutterhalskrebses zu einem Zeitpunkt, bevor es zu einem invasiven Tumorwachstum gekommen ist. Da der einfache Pap-Test relativ fehleranfällig ist, hat die Firma mtm laboratories inzwischen weitaus präzisere molekulardiagnostische Methoden zum Nachweis von Präkanzerosen des Gebärmutterhalskrebses auf den Markt gebracht. Die Brustkrebsdiagnostik wird durch moderne Ultraschallverfahren deutlich verbessert. Wie mehrere Studien belegen, lassen sich damit Mammakarzinome früher erkennen als durch Tasten und Röntgenuntersuchungen allein. Durch neue technologische Entwicklungen wie dreidimensionale Sonographie und Farb-Doppler-Sonographie werden die Möglichkeiten der Ultraschalldiagnostik, bei der der Patient nicht durch Strahlung belastet wird, bedeutend erweitert, zum Beispiel im Bereich der Pränataldiagnostik. Früherkennung ist natürlich bei allen ernsthaften Krankheiten ein wichtiges Ziel zur Verhinderung gesundheitlicher Schäden. Bei Krebs kann es eine Frage von Leben oder Sterben sein, ob man den Tumor frühzeitig diagnostiziert; das heißt in den meisten Fällen, bevor er Metastasen bildet. Das Fehlen verlässlicher Erkennungsmerkmale ist ein Hauptgrund für die hohen Mortalitätsraten bei manchen Krebsarten wie zum Beispiel Lungenkrebs oder Leberkrebs. Von der 2007 vom Deutschen Krebsforschungszentrum gestarteten Lungenkrebs- 2 Hepatitis-C-Viren. Elektronenmikroskopisches Bild, Negative Staining. © DKFZ Früherkennungsstudie LUSI erhofft man sich eine verbesserte Diagnostik durch MehrschichtComputertomographie . Für den meist tödlich verlaufenden Leberzellkrebs (hepatozelluläres Karzinom) sind bessere Diagnose und Prävention gegenwärtig nur für jenen Anteil in Sicht, der mit einer Infektion durch das Hepatitis-C- Virus (HCV) in Verbindung gebracht wird. Gegen HCV, das eine schleichende, chronische Infektion, Leberzirrhose und schließlich Leberkrebs auslösen kann, gibt es verlässliche diagnostische Tests und in der Frühphase der Infektion auch medikamentöse Behandlung. Gentests zur Identifizierung von Risikofaktoren Für die erfolgreiche Behandlung einer HCV-Infektion kann eine Genotypisierung des Virus notwendig sein, da unterschiedliche Genvarianten unterschiedlich gefährlich sind und unterschiedlich auf Therapien ansprechen. Gentests sind für die Diagnose mancher Krankheiten, besonders im Bereich der Onkologie, inzwischen unerlässlich. Eine personalisierte Medizin, die ja die Medizin der Zukunft sein soll, ist ohne Gen- oder Genom-Tests kaum vorstellbar. Auf Sequenzier- und Arraytechnologien spezialisierte Biotech-Unternehmen wie die Tübinger CeGaT GmbH bieten genetische Diagnostik für komplexe Krankheiten an. Während diese Dienstleistungen in Deutschland durch das Gendiagnostikgesetz strikt reguliert sind, hat es vor allem in den USA und Großbritannien geradezu eine Flut an - teilweise höchst unseriösen Gentest-Anbietern gegeben; diesem Missbrauch will man jetzt auch in diesen Ländern durch Regulierung und Kontrolle begegnen. In vielen Fällen - besonders bei sogenannten Volkskrankheiten wie Herz-KreislaufErkrankungen, Diabetes, Stoffwechselkrankheiten, Osteoporose - sind herkömmliche diagnostische Verfahren den neuen Gentests an Aussagekraft jedoch überlegen. Das gilt besonders, wenn unterschiedlich gewonnene Parameter - Blut-Laborwerte, molekulare Marker, bildgebende Verfahren etc. - kritisch abgewogen in die Diagnose einfließen. Nicht nur Universitätskliniken, sondern auch private Institute und Unternehmen wie das IPM in Freiburg oder die BioLabs GmbH in Ulm machen sich derartige Ansätze zu Nutze. Unter Federführung 3 Menschlicher Chromosomensatz © Universitätsklinikum Heidelberg des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Helmholtz Zentrums München wurde jetzt die größte medizinische Studie, die es in Deutschland je gegeben hat, die sogenannte Helmholtz-Kohortenstudie, initiiert, um eine Vielzahl solcher Parameter über lange Zeiträume zu untersuchen. Damit sollen Risikofaktoren für die großen Volkskrankheiten identifiziert und neue Wege zu ihrer Prävention aufgezeigt werden. Dossier 30.08.2010 Dr. Ernst Jarasch © BIOPRO Baden-Württemberg GmbH Weitere Artikel in diesem Dossier 4 Weitere Artikel in diesem Dossier 30.05.2016 Der dunkle Fleck des Mikrokosmos 23.05.2016 Pilzinfektion der Lunge: Bessere Diagnostik mit antikörperbasierter Bildgebung 09.05.2016 FlexiTel – Mikrosensoren für den Gewebe-Check 03.03.2016 Liquid Biopsy – Hoffnungsträger für die Krebs-Diagnostik? 11.01.2016 Studie zeigt Zusammenhang zwischen Gen-Aktivität im Darm und Übergewicht 02.12.2015 Diabetes: Gibt es eine fetale Programmierung für Zuckerkrankheit? 28.09.2015 Brustkrebs: Wenige Milliliter Urin als Früherkennungs-Werkzeug 02.06.2014 micro-biolytics GmbH - Industrielle Anwendungen der AquaSpec™Technologie 29.11.2013 QIAGEN Lake Constance: Ein „Plattenspieler“ für die schnelle Diagnose 22.11.2010 Prävention von Darmkrebs durch Koloskopie 22.09.2010 Gesunde, die neue Kundschaft für Ärzte 21.09.2010 Die Nationale Kohortenstudie 30.08.2010 5