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Auswirkung aeroben Trainings auf die
kognitive Leistung von PatientInnen mit
seniler Demenz vom Alzheimertyp
Zweite Bachelorarbeit
verfasst von:
GERDA POSCH
0910463048
Jahrgang 2009
Sommersemester 2012
Erstbetreuerin:
Angelika Kaulfersch, Msc
Zweitbetreuer
Helmut Wandschneider
FH JOANNEUM Graz
Studiengang Physiotherapie
Abstract
Einleitung: Derzeit leiden rund 100 000 ÖsterreicherInnen an Demenzen. Die senile
Demenz vom Alzheimertyp (SDAT) macht rund 60-80% davon aus. Jährlich wird eine
Milliarde Euro für die Versorgung der PatientInnen ausgegeben. Demenzen sind eine
Hauptursache der Pflegebedürftigkeit ältere Menschen.
In dieser Arbeit soll geklärt werden, ob aerobes Ausdauertraining einen positiven Effekt
auf senile Demenz vom Alzheimertyp (SDAT) hat.
Hauptteil:
Das
Gehirn
von
SDAT
PatientInnen
zeigt
große
pathologische
Veränderungen. Es ist atrophiert und schlechter durchblutet. Die Risikofaktoren reichen
von genetischer Vorbelastung über Hyperonie bis hin zu Bewegungsmangel. Die SDAT
greift das Langzeitgedächtnis an.
Die
Diagnosestellung
wird
mit
bildgebenden
Verfahren,
Gesprächen
und
neuropsychologischen Tests durchgeführt. Am häufigsten wird die Mini-Mental-StateExamination (MMSE) verwendet.
Mit Hilfe der Retrogenese Theorie lassen sich SDAT PatientInnen adäquat und
menschlich
behandeln.
Sie
definiert
sich
als
Prozess,
bei
dem
sich
die
Kindheitsentwicklung umkehrt.
Das Ausdauertraining wird in jeder Studie unterschiedlich durchgeführt. Es erfolgt
allerdings immer eine Aufteilung in Aufwärmphase, Hauptteil und Cool-Down-Phase.
Serotonin ist als Neurotransmitter verantwortlich für die Signalübertragung zwischen
den Nervenzellen im Gehirn, in welches es durch Ausdauertraining rascher und leichter
gelangen kann.
Exekutive Funktionen, psychologische Symptome, Verhaltensweisen und allgemeine
Kognition von PatientInnen mit SDAT können durch Ausdauertraining verbessert
werden. Die Hirnatrophie verringert sich und die Durchblutung wird gesteigert.
Diskussion: Die MMSE ist kein neuropsychologischer Test. Es gibt andere Verfahren,
um SDAT zu diagnostizieren. Sie trifft auch – im Gegensatz zur Retrogenese Theorie keine Aussage über die Hilfe und Betreuung, die PatientInnen benötigen. Trotzdem
verwenden die hier angeführten Studien die MMSE und nicht die Theorie der
Retrogenese.
Da es keine Richtlinien für das Training und für das Studiendesign gibt, ist es
schwierig,
die
Ergebnisse
zu
vergleichen.
Dazu
kommt,
dass
auch
das
Trainingsprogramm oft nicht genau beschrieben wird und viele Studien eine zu geringe
ProbandInnenanzahl haben.
Es bedarf wohl noch mehr Forschung, um den Zusammenhang zwischen
Risikofaktoren für Gefäßerkrankungen und der Entstehung von SDAT zu verstehen.
Conclusio: Ausdauertraining wirkt sich positiv auf SDAT aus. Es müssen allerdings
noch mehr Studien gemacht werden, um die Ergebnisse genauer beleuchten zu
können.
332 Wörter
Schlüsselwörter: Physiotherapie, SDAT, Ausdauertraining, Kognition
Abstract
Introduction: Currently about 100 000 Austrians suffer from dementia. About 60-80%
of these have senile dementia of Alzheimer type (SDAT). The amount of one billion
euros is spent yearly for the care of these patients. Dementia is a main reason for the
care dependency of older people.
The purpose of this bachelor thesis is to identify if aerobe endurance training has a
positive effect on SDAT.
Main part: The brain of SDAT Patients shows massive pathological changes. It is
atrophied and presents poor blood flow. The risk factors range from genetic loading to
hypertonia and physical inactivity. SDAT attacks the long-term memory.
Diagnostic
tools
include
imaging
procedures,
diagnostic
interviews
and
neuropsychological tests, while the Mini-Mental-State-Examination is most frequently
used.
The retrogenesis theory provides the possibility for appropriate and humane treatment
of SDAT patients. It defines itself as a process in which the normal development from
child to adult is reversed.
Endurance training differs in current literature, however, the general structure of warmup, main part and cool-down is present in every study reviewed in this paper.
Serotonin is a neurotransmitter and as such is responsible for the transmission of
signals between nerve cells in the brain.
Endurance training can improve executive functions, psychological symptoms,
behaviour and overall cognition of SDAT patients, as the brain atrophy can be
decreased and blood flow can be improved.
Discussion: The MMSE is not a neuropsychological test. Furthermore, the MMSE is
unable to determine the help and care needed by the patient. This can however be
evaluated by the retrogenesis theory.
The literature fails to provide guidelines for training and the study design varies greatly,
which makes comparing the literature difficult. Further shortcomings of contemporary
literature are the insufficient description of the training program performed and a low
number of subjects tested.
In order to understand the association between risk factors for vessel diseases and the
development of SDAT, further research is required.
Conclusion: Endurance training has positive effects on SDAT. However, more studies
are needed for better examination of the results.
337 Words
Key Words: physiotherapy, SDAT, endurance training, cognition
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ........................................................................................................................... 1
2. Definitionen ........................................................................................................................ 2
2.1. Senile Demenz vom Alzheimertyp........................................................................ 2
2.2. Risikofaktoren für senile Demenz vom Alzheimertyp ............................................ 2
2.3. Gedächtnis ........................................................................................................... 3
2.4. Episodisches Gedächtnis ..................................................................................... 5
2.5. Semantisches Gedächtnis.................................................................................... 5
3. Diagnose von seniler Demenz vom Alzheimertyp ............................................................... 5
3.1. Mini-Mental-State-Examination ............................................................................ 6
4. Retrogenese Theorie .......................................................................................................... 7
5. Trainingsmethoden............................................................................................................. 8
6. Neurotransmitter............................................................................................................... 10
6.1. Serotonin ........................................................................................................... 11
6.2. Serotonin und Bewegung ................................................................................... 11
7. Auswirkungen des Trainings auf die senile Demenz vom Alzheimertyp ............................ 12
7.1. Kognitive Funktionen.......................................................................................... 12
7.2. Hirnatrophie ....................................................................................................... 13
7.3. Durchblutung des Gehirns.................................................................................. 14
8. Diskussion ........................................................................................................................ 14
8.1. Auflistung der wichtigsten Literatur..................................................................... 14
8.2. Kritische Betrachtung der Literatur ..................................................................... 18
9. Conclusio ......................................................................................................................... 23
10. Literaturverzeichnis
Anhang 1: Mini-Mental-State-Examination
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Auflistung der wichtigsten Literatur ...................................................................... 15
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:Hirnatrophie bei seniler Demenz vom Alzheimertyp .......................................... 2
Abbildung 2:Einteilung des Langzeitgedächtnisses .............................................................. 4
Abbildung 3: Bedürfnisse demenzkranker Personen nach der Retrogenese Theorie ........... 8
Abbildung 4: Synaptischer Spalt ........................................................................................... 11
1. Einleitung
Als Alois Alzheimer im Jahr 1907 die nach ihm benannte Demenz entdeckte, glaubte er
noch, dass es sich um eine seltene Erkrankung handle. Durch die Zunahme der
Lebenserwartung, vor allem in den Industrieländern, wurde sie allerdings zur Krankheit
des Jahrhunderts (Maier, 2002).
Laut der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft (o.D.) leiden derzeit rund 100 000
ÖsterreicherInnen an Demenzen. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl vermutlich auf
230 000 ansteigen. Die senile Demenz vom Alzheimertyp (SDAT) macht 60-80%
davon aus. Jährlich wird eine Milliarde Euro für die Versorgung von Demenzerkrankten
ausgegeben. Damit sind Demenzen eine der Hauptursachen, warum ältere Menschen
pflegebedürftig werden (Maier, 2002).
Erfolgte die Diagnose von seniler Demenz vom Alzheimertyp (SDAT) früher noch in
Form eines Ausschlussverfahrens von in Frage kommenden Erkrankungen, kann man
sie heute gezielt und sicher feststellen. (Maier, 2002).
Bei der SDAT ist die Prävalenz abhängig vom Alter. Bei Menschen im Alter von unter
60 Jahren beträgt sie 0,04%, zwischen 60 und 70 Jahren 1%, von 80 bis 84 Jahren 9%
und ab 95 Jahren 40-50%. Des Weiteren haben Frauen ein Erkrankungsrisiko, das 2030% höher ist als bei Männern (Berlit, 2001)
Durch eine sorgfältige Diagnose wird die Basis für eine Vielzahl von Therapien gelegt.
Die Behandlung von SDAT beschränkt sich nicht ausschließlich auf die Einnahme von
Medikamenten. Auch psychologische Behandlungsverfahren sind ein wichtiger Teil der
Therapie. Durch einen gut geplanten und auf Angehörige und PatientInnen
abgestimmten Behandlungsablauf können die Symptome der Demenz und deren
Verlauf positiv beeinflusst werden. Dadurch kann meist eine spätere Heimeinweisung
erreicht werden (Maier, 2002).
Die SDAT hat eine Vielzahl an Ursachen, weshalb es sich bei dieser Demenzform um
ein multifaktorielles Geschehen handelt (Maier, 2002).
In dieser Arbeit soll geklärt werden, ob aerobes Ausdauertraining einen positiven Effekt
auf SDAT hat. Sollte dies der Fall sein, würde es sich um eine kosteneffiziente und
leicht durchzuführende Maßnahme handeln, um die eigene Leistungsfähigkeit von
PatientInnen über einen längeren Zeitraum zu erhalten. Zusätzlich könnte sie zu einer
späteren Heimeinweisung führen, wodurch die Kosten für das Gesundheitssystem
reduziert würden.
Seite 1
2. Definitionen
2.1. Senile Demenz vom Alzheimertyp
Die SDAT zeigt in der Pathogenese eine diffuse Hirnatrophie (wie in Abbildung 1 zu
sehen ist). Am stärksten ausgeprägt ist die Abnahme der kortikalen Synapsendichte
frontal und temporobasal. Durch die Degeneration des Nucleus basalis Meynert kommt
es zu einem cholinergen Defizit der Kortexregionen, die für die Kognition relevant sind.
Außerdem bilden sich Ablagerungen, so genannte β-amiolyde Plaques, die zur Folge
haben, dass Neurone ihre Funktion verlieren und untergehen (Berlit, 2001).
Abb.1: Hirnatrophie bei seniler Demenz vom Alzheimertyp
Anmerkung: Aus "(Alzheimer) Demenz- eine Krankheit verstehen" von S. Weber, 2008, S. 12.
Das Gehirn ist bei älteren PatientInnen mit SDAT von großen pathologischen
Veränderungen gekennzeichnet. Außerhalb der Neurone im Gehirn bilden sich
β-amiolyde Plaques und neurofibrilläre Stränge, die die Neurone zerstören. Dadurch
verliert das Gehirn funktionierende Nervenzellen, Synapsen und Neurotransmitter. Es
atrophiert, wodurch es zu einer Verringerung der Durchblutung und des Stoffwechsel
kommt (Yu & Kolanowski, 2009).
2.2. Risikofaktoren für senile Demenz vom Alzheimertyp
Maier (2002) teilt die Risikofaktoren in drei Gruppen ein: gesichert, wahrscheinlich und
unwahrscheinlich.
Zu den gesicherten Risikofaktoren zählen für Meier (2002) Alter, Vorkommen von
SDAT in der Familie und Trisomie 21.
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Es wurde bisher nur ein Gen beschrieben, welches das Risiko, an SDAT zu erkranken,
erhöht. Das so genannte Apolipoprotein E (ApoE), genauer gesagt das e4-Allel. Unter
den Personen, die nachweislich an Morbus Alzheimer erkrankt sind, tragen 65% ein
e4-Allel, wovon 12-15% homozygot (mischerbig in Bezug auf dieses Allel) sind. Wie
Apolipoprotein (ApoE) zu der Entstehung von SDAT beiträgt, ist ungeklärt. Es wird
vermutet, dass es die Bildung der β-amiolyden Plaques fördert (Dal-Bianco, 2008).
Das Vorhandensein des ApoE-e4-Allels führt allerdings nicht zwangsläufig zum
Ausbrechen der Erkrankung und eine direkte Vererbung von SDAT ist äußerst selten
(Dal-Bianco, 2008).
Als wahrscheinliche Risikofaktoren führt Maier (2002) Schädel-Hirn-Verletzungen,
Depressionen, die Parkinson´sche Krankheit, Trisomie 21 in der Familiengeschichte
und Schilddrüsenunterfunktion an. Des Weiteren deuten Studien darauf hin, dass
Personen mit geringer Schulbildung und niedrigem Intelligenzquotienten häufiger an
SDAT erkranken. Es gibt hierfür zwei Erklärungsmodelle: Erstens könnten Menschen
mit höherer Schulbildung, verbunden mit lebenslangem Lernen, ihr Gehirn besser
trainiert haben und deshalb über mehr geistige Reserven verfügen, um einen Ausbruch
der Krankheit hinauszuzögern. Zweitens könnte ein höheres Bildungsniveau einen
gesünderen Lebensstil bewirkt und dadurch zu einer Vermeidung von anderen
Risikofaktoren geführt haben (Maier, 2002).
Ein weiterer wahrscheinlicher Risikofaktor ist körperliche Inaktivität (Maier, 2002).
Als unwahrscheinliche Risikofaktoren gelten Rotwein, Stress, Pestizide, Herbizide und
Hypertonie (Maier, 2002).
Für Dal-Bianco (2008) gilt Hypertonie sehr wohl als Risikofaktor, da Erkrankungen die
zu Arteriosklerose führen auch Demenzen begünstigen. Als die größten Risiken neben
Bluthochdruck werden von ihm auch noch Diabetes Mellitus, Nikotin Abusus und
Hyperlipidämie genannt. Die Vermeidung dieser Erkrankungen, sei es durch den
Lebensstil oder durch Medikamente, wirkt präventiv auf die Entstehung von SDAT und
hat als Nebenwirkung auch noch einen positiven Effekt auf die Gefäße.
2.3. Gedächtnis
Das Gedächtnis kann grob in drei Klassen eingeteilt werden: Kurzzeitgedächtnis,
Arbeitsgedächtnis
und
Langzeitgedächtnis
(Kaulfersch,
2010a).
Das
Langzeitgedächtnis wird weiters in zwei Untergruppen geteilt: das deklerative oder
explizite Gedächtnis und das prozedurale oder implizite Gedächtnis. Das deklerative
Gedächtnis speichert Fakten und Ereignisse. Es ermöglicht das bewusste Aufrufen von
Erinnerungen und Informationen. Das deklerative Gedächtnis kann weiter in das
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episodische und semantische Gedächtnis unterteilt werden (Mastin, 2010a). Diese
werden später ausführlicher beschrieben.
Das prozedurale Gedächtnis ist meist unbewusst. Es enthält Informationen über
Fähigkeiten und Fertigkeiten. So ermöglicht es uns zum Beispiel, verschiedene
Objekte oder Körperteile zu bewegen. Auch das Fahrradfahren oder das Spielen eines
Musikinstrumentes ist im impliziten Gedächtnis gespeichert. Das prozedurale
Gedächtnis besteht aus sensomotorischem Verhalten, das so tief verankert ist, dass
wir es nicht mehr bewusst wahrnehmen (Mastin, 2010b).
In Abbildung 2 ist eine schematische Darstellung des Langzeitgedächtnisses zu sehen.
Abb2: Einteilung des Langzeitgedächtnisses
Die Demenz vom Alzheimertyp greift das deklerative Gedächtnis an. Zuerst kommt es
zu einer Störung des episodischen und später zu einer Störung des semantischen
Gedächtnisses. Da das implizite Gedächtnis nicht von der SDAT betroffen ist, lässt
sich erklären warum PatientInnen sich zum Beispiel nicht mehr an die Namen von
Familienmitgliedern und Freunden erinnern, aber trotzdem noch immer beim
Schachspielen gewinnen. Die Namen werden, da es sich um biographische
Informationen handelt, im episodischen Gedächtnis gespeichert, welches zuerst von
der Krankheit beeinträchtigt wird. Das Schachspielen ist im prozeduralen Gedächtnis
verankert. Es gehört zu den Fertigkeiten die sich der/die Patient/Patientin zeitlebens
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angeeignet hat. Er/sie hat es so oft wiederholt, dass die Spielzüge unbewusst ablaufen
(Kaulfersch, 2010b).
2.4. episodisches Gedächtnis
Das episodische Gedächtnis ist Teil des deklerativen Gedächtnisses. Es ist wichtig für
ein angemessenes soziales Verhalten (Kaulfersch, 2010a).
Das episodische Gedächtnis speichert sowohl Informationen über Erfahrungen und
bestimmte Ereignisse als auch biographische Informationen. Die Erinnerungen werden
mit Emotionen verknüpft, die mit der Information in Zusammenhang stehen (Mastin,
2010a).
Die verschiedenen Elemente eines Ereignisses werden auf visuelle, olfaktorische und
auditive Zonen des Gehirns verteilt. Im Hippocampus werden sie miteinander
verbunden, um so ein genaues Bild des Ereignisses zu formen. Wenn die Erinnerung
an dieses Ereignis oft abgerufen wird, können sich die einzelnen Elemente so stark
miteinander verbinden, dass die Verknüpfung im Hippocampus nicht mehr notwendig
ist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn man durch ein bestimmtes Musikstück an ein
Ereignis erinnert wird (Mastin, 2010a).
2.5. semantisches Gedächtnis
Das semantische Gedächtnis ist ebenfalls Teil des deklerativen Gedächtnisses. Es
speichert Fakten, Wissen allgemein, Weltwissen, berufliche Kenntnisse, Geschichte,
Politik, etc. Außerdem wird es benötigt, um die grundlegende Bedeutung von Wörtern
und Begriffen zu verstehen (Kaulfersch, 2010a).
Die Fakten werden unabhängig von sowohl persönlicher Erfahrung als auch zeitlichem
und räumlichem Kontext gespeichert. Es kann aber sein, dass Erinnerungen, die ins
semantische Gedächtnis gewandert sind, einmal mit persönlichen Informationen und
Emotionen in Verbindung gestanden waren, jetzt allerdings nur mehr Fakten darstellen.
(Mastin, 2010a).
3. Diagnose von seniler Demenz vom Alzheimertyp
Bei der Frühdiagnose eignen sich Tests wie die Mini-Mental-State-Exemination
(MMSE). Des Weiteren ist im MRT und CT eine globale Hirnatrophie (oft
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frontotemporal betont) zu erkennen. Auch durch ein EEG kann die Diagnose gestützt
werden. Hier sieht man eine allgemeine Verlangsamung des Grundtonus (Berlit, 2001).
Jede Untersuchung beginnt mit einem Gespräch. Dadurch versucht der Arzt
festzustellen, ob es kognitive Beeinträchtigungen gibt. Sehr wichtig ist hier die
Anwesenheit einer Person, die dem/der Patienten/Patientin sehr nahe steht, da sich
PatientInnen häufig nicht eingestehen, ein Problem zu haben. Darum ist es essentiell,
dass eine Vertrauensperson die Antworten des/der Betroffenen bestätigt. Der/die
Informant/Informantin soll beim Gespräch mit dem Arzt aber auch aus einem zweiten
Grund anwesend sein. Die meisten PatientInnen mit Demenzen drehen beim
Beantworten der Fragen den Kopf zu der Vertrauensperson und erwarten Hilfe oder
Bestätigung von ihnen. Das liefert dem Arzt einen weiteren Hinweis, dass eine Demenz
vorliegt (Lundbeck Institut, o.D.).
Informationen über Funktionsveränderungen im Gehirn liefert auch die PET
(Positronenemissionstomographie). Sie zeigt Veränderungen des Sauerstoff- und
Glucosestoffwechsels, sowie der zerebralen Durchblutung. Da dieses Gerät nur in
einigen hochspezialisierten Instituten zur Verfügung steht, wird es hauptsächlich in der
Forschung und nicht in der Diagnostik eingesetzt (Lundbeck Institute, o.D.).
Um eine sichere Diagnose stellen zu können, ist eine ausführliche soziale, familiäre
und medizinische Anamnese genauso erforderlich, wie eine vollständige körperliche
Untersuchung. (Lundbeck Institute, o.D.).
3.1. Mini-Mental-State-Examination
Die Mini-Mental-State-Examination (MMSE) ist weit verbreitet, da sie mit einer
entsprechenden Schulung relativ praktisch für Ärzte anwendbar ist. Sie gilt als einer
der Grundpfeiler bei der Beurteilung des kognitiven Verfalls (Lundbeck Institute, o.D.).
Die MMSE ist ein neuropsychologischer Test, der zur Diagnose von Alzheimer
Demenz herangezogen wird. Die Durchführung dauert zwischen 10 und 15 Minuten
und umfasst 11 Funktionsbereiche: Orientierung, Merkfähigkeit, Sprache, Lesen,
Schreiben, Rechnen, Praxis, Erkennen, räumliches Denken und Aufmerksamkeit. In
jedem dieser Bereiche werden Punkte vergeben. Insgesamt können 30 Punkte erreicht
werden. Je nach der Höhe der Punktanzahl wird die Schwere der Demenz gereiht.
Eine leichte Demenz liegt vor, wenn der/die Patient/Patientin zwischen 18 und 24
Punkten erreicht hat. 10 und 17 Punkte bedeuten eine mittelgradige, unter 10 Punkten
eine schwere Demenz (Berlit, 2001).
Allerdings können die Ergebnisse des MMSE auch von anderen Faktoren als der
Demenzerkrankung beeinflusst werden. Die Anzahl der erreichten Punkte hängt von
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Bildungsstand, Intelligenz, Ausdrucks- und Funktionsfähigkeit ab. Dadurch geschieht
es, dass intelligente PatientInnen mit hohem Bildungsstand, die sich gut ausdrücken
können und über starke Kompensationsmechanismen verfügen, bei leichten
Demenzen einen normalen Score erreichen können. Auf der anderen Seite können
Personen mit schlechten Voraussetzungen ohne vorliegende Erkrankung den
Punktestand
einer
beginnenden
Demenz
zeigen.
Weiters
können
auch
Beeinträchtigungen des Hör-, Seh- und Bewegungsvermögens Einfluss auf die
Testergebnisse nehmen (Lundbeck Institute, o.D.).
Wegener (2003) betrachtet die MMSE ebenfalls kritisch. Er untersucht und diskutiert in
seiner Arbeit die testmethodischen Kriterien. Für ihn bestehen - neben den bekannten
Einwänden – zusätzliche Zweifel an der Objektivität des Tests. Seiner Meinung nach
handelt es sich sogar um einen Missbrauch, wenn die MMSE als Test zur
Entscheidung herangezogen wird, wie mit dem/der Patienten/Patientin umgegangen
werden soll.
4. Retrogenese Theorie
Die Theorie der Retrogenese ist von Barry Reisberg aufgestellt worden. Sie stellt einen
neuen Denkansatz nicht nur zur Entstehung, sondern auch zur Behandlung der SDAT
dar. Reisberg et al. (1999) definieren Retrogenese als einen Prozess, bei dem sich die
Kindheitsentwicklung auf Grund von degenerativen Mechanismen umkehrt. Wenn die
Theorie richtig angewandt und verstanden würde, könne sie dabei helfen, Menschen
mit SDAT adäquat und menschlich zu behandeln (Reisberg et al., 1999).
Höhere Funktionen, die erst im späteren Leben erworben wurden, gehen als erstes
verloren.
Der
Verlust
von
bestimmten
Funktionen
entspricht
bestimmten
Entwicklungsstadien des Menschen. Wenn das Entwicklungsstadium der PatentInnen
richtig eingeschätzt wird, kann es den Angehörigen wichtige Informationen über die
benötigte Unterstützung geben (Maier, 2002).
In Abbildung 3 sind die sieben Stadien der Retrogenese und die benötigte Betreuung
der PatientInnen angeführt.
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Abb.3.: Bedürfnisse demenzkranker Personen nach der Retrogenese Theorie
Anmerkung: Aus "(Alzheimer) Demenz- eine Krankheit verstehen" von S. Weber, 2008, S. 29.
FAST= Functional Assesment Stating
5. Trainingsmethoden
Es gibt einige Risikofaktoren für Herz-Kreislaufkrankheiten und Insult, die mit Demenz
in Zusammenhang gebracht werden. Darum hatten Heyn, Abreu und Ottenbacher
(2004) die Hypothese aufgestellt, dass Trainingsprogramme zur Vorbeugung und
Therapie von Herzkrankheiten auch eine positive Wirkung auf SDAT haben müssten.
Sie machten ein Review von 30 Studien und verglichen die Ergebnisse. Die
durchschnittliche Trainingsdauer betrug 23 Wochen, 3,6 Stunden pro Woche und 45
Minuten pro Einheit. Die meisten Studien hatten Gehen als Grundlage für das
Trainingsprogramm festgelegt.
Burns et al. (2008) wollten wissen, ob eine verbesserte kardiale Fitness zu einer
verringerten Hirnatrophie und einer verbesserten kognitiven Leistungsfähigkeit bei
PatientInnen mit SDAT führt. Als Standardmesswert wurde der maximale VO2 während
eines genormten Laufbandtrainings gemessen.
Yu und Kolanowski (2009) merken an, dass es keine klinischen Richtlinien für den
Aufbau eines aeroben Trainingsprogrammes für Erwachsene mit der Demenz vom
Alzheimertyp gibt. Darum haben sie ihr eigenes überwachtes und angeleitetes aerobes
Trainingsprotokoll, das ohne Risiko an Personen mit milder bis moderater Demenz
angewendet werden kann, entworfen. Die Autoren regen dazu an, ältere Personen vor
Trainingsbeginn untersuchen zu lassen, um die Sicherheit der PatientInnen zu
gewährleisten und um festzustellen, ob eine Teilnahme am Training überhaupt möglich
ist.
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Ein sehr guter Weg, um aerobes Training bei älteren Personen zu fördern, ist die
Verwendung des Liegefahrrads. Dieses Rad bietet komfortable Rückenunterstützung,
fördert die Ausnützung des vollen ROM (Range of Motion, größte mögliche
Gelenksbeweglichkeit) und den Gebrauch von großen Muskelgruppen an der unteren
Extremität. Außerdem setzt die Benützung keine Erfahrung im Rad fahren voraus. Für
das Training mit PatientInnen die an SDAT leiden, bietet das Liegefahrrad noch den
weiteren Vorteil, dass die Radfahrbewegung das implizite Gedächtnis, welches bis zu
den letzten Stadien der Krankheit intakt bleibt, benutzt. Damit kann es nach geringen
Instruktionen auch von Personen benutzt werden, die noch nie mit dem Fahrrad
gefahren sind (Yu & Kolanowski, 2009).
Das Trainingsprogramm das von Yu und Kolanowski (2009) entwickelt worden ist,
gliedert sich in drei Bereiche auf: Zuerst erfolgt eine Aufwärmphase von fünf Minuten,
bestehend aus Dehnübungen und Gehen am Stand in lockerem Tempo. Danach folgt
der Hauptteil. Hier müssen die PatientInnen für 10-30 Minuten mit dem Liegefahrrad
bei moderater Intensität (60-65% der maximalen Herzfrequenz) fahren. Um die
maximale Herzfrequenz zu erfahren, wird eine Formel herangezogen (220Lebensalter=maximale Herzfrequzenz). Zu Beginn fährt der/die Proband/Probandin
ohne Widerstand am Liegefahrrad. Der/die Trainer/Trainerin erhöht anschließend alle
zwei bis fünf Minuten den Widerstand stufenweise, bis 60-65% der maximalen
Herzfrequenz erreicht sind oder der/die Proband/Probandin einen höheren Widerstand
nicht mehr toleriert. Zum Abschluss gibt es 10 Minuten Cool-Down mit leichtem
Ausfahren und Dehnungsübungen.
In der Studie wurde das Trainingsprogramm drei Mal pro Woche über zwei Monate
durchgeführt.
Palleschi et al. (1996) führten ein dreimonatiges Trainingsprogramm an Ergometern
durch, wobei sich die ProbandInnen zu Beginn und am Ende der drei Monate den
gleichen Tests unterziehen mussten.
Das Training wurde ebenfalls drei Mal pro Woche durchgeführt. Während die
PatientInnen am Ergometer fuhren, wurde die Herzfrequenz überwacht. Die
ProbandInnen sollten bei 70% ihrer maximalen Pulsfrequenz 20 Minuten lang fahren.
Zu Beginn fuhren die PatientInnen zwei Minuten mit einer Belastung von fünf Watt.
Danach wurde der Widerstand um jeweils 10 Watt pro Minute erhöht, bis die
erforderliche Herzfrequenz erreicht war (Palleschi et al., 1996).
Das Trainingsprogramm von Kemoun et al. (2010) unterscheidet sich von den anderen
hier vorgestellten Programmen. Sie wollten nicht nur den Effekt auf die kognitive
Leistung, sondern auch auf die Gehleistung und das Gleichgewicht beurteilen. Das
Trainingsprogramm dauerte 19 Wochen, wobei die ersten und letzten zwei Wochen für
Seite 9
verschiedene Tests reserviert waren. Trainiert wurde drei Mal pro Woche für jeweils
eine Stunde. Jede Einheit bestand aus 10 Minuten Aufwärmen, einem 40 Minuten
langen Hauptteil und einem 10-minütigen Cool-Down. In den ersten zwei Wochen
wurden die PatientInnen mit Gelenksmobilisationen und Muskelstimulationen auf das
Training vorbereitet. In den nächsten 13 Wochen wurde ein Trainingsprogramm,
basierend auf Gehen, Gleichgewicht und Ausdauer absolviert.
Eine Einheit pro Woche wurde für Gehen und die Verbesserung der Gehparameter
verwendet. Die zweite Einheit zielte auf die Verbesserung der Ausdauer, durch
Ergometertraining der oberen und unteren Extremitäten, ab. Die letzte Einheit bestand
aus einer Kombination von Gehen, Ausdauer und Gleichgewichtstraining (z.B.
Tanzen). Diese Einheit diente vor allem dazu, die Motivation zu erhalten und wurde
daher immer unterhaltsam gestaltet (Kemoun et al., 2010).
6. Neurotransmitter
Im menschlichen Gehirn gibt es 100 Milliarden Nervenzellen, die ständig miteinander in
Verbindung stehen. Die Übertragung der Informationen geschieht auf
zwei
verschiedene Arten. Einerseits können die Informationen durch elektrische Impulse,
andererseits durch verschiedene biochemische Moleküle, welche Neurotransmitter
genannt werden, übertragen werden (Kraft, 2007).
Neurotransmitter sind chemische Substanzen und als solche verantwortlich für die
Signalübertragung zwischen den einzelnen Nervenzellen. Je nach Art des Botenstoffes
haben sie depolariesiernede (erregende) oder hyperpolarisierende (hemmende)
Wirkungen. Ein ausgeglichenes Verhältnis der Antagonisten ist wichtig für das
Gleichgewicht des Systems. Das Zusammenspiel der Neurotransmitter hat großen
Einfluss
auf
unsere
Stimmung,
Leistungsfähigkeit,
Kreativität,
unser
Konzentrationsvermögen, Durchhaltevermögen und Gedächtnis. Sie werden in der
Nervenzelle gebildet und bei Reizung von dieser ausgeschüttet. Die Substanz erzielt
sofort nach Ausschüttung einen Effekt an der Zielnervenzelle, wobei die Wirkung
durch einen Antagonisten gehemmt werden muss. (Kugler, o.D.).
Gespeichert werden die Neurotransmitter in Vesikeln in den präsynaptischen
Nervenendungen. Durch ein Aktionspotential öffnen sich die Vesikel und der
chemische Botenstoff wird in den synaptischen Spalt freigesetzt. Von dort wandert er
zur nächsten Nervenzelle, wie in Abbildung 4 zu sehen ist (Kraft, 2007).
Seite 10
Abb.4: Synaptischer Spalt
Anmerkung: Aus "Neurotransmitter: Eilboten im Gehirn" von U. Kraft, 2007.
6.1. Serotonin
Serotonin zählt wie Amino Acetylcholin, Noradrenalin, Dopamin, GABA, Histamin,
Adrenalin und verschiedene Aminosäuren zu den klassischen Neurotransmittern. Die
Vorstufe von Serotonin (die Aminosäure Tryptophan) gelangt über Transportkanäle
durch die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn. Dort bindet es sich an Serotoninrezeptoren.
Es sind zurzeit 14 verschiedene Serotoninrezeptoren bekannt. Die Funktionen von
Serotonin sind sehr vielfältig und beeinflussen unter anderem Schmerzempfindung,
Bewegungssteuerung, Schlaf, Regulation der Hormonausschüttung und Gedächtnis
(Kugler, o.D.).
Ein ausreichend hoher Serotonin-Spiegel vermittelt auch das Gefühl der Zufriedenheit,
Ausgeglichenheit und des Sattseins (Kraft, 2007).
Da von Seratonin fast alle zentralneurologisch gesteuerten Funktionen beeinflusst
werden, ist erklärbar, warum es bei vielen psychiatrischen und neurologischen
Erkrankungen, wie zum Beispiel SDAT, eine Rolle spielt (Kubesch, 2005).
6.2. Serotonin und Bewegung
Durch Ausdauertraining ab 30 Minuten kann das Tryptophan, die Vorstufe von
Serotonin, leichter die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Grund dafür ist, dass
verzweigtkettige Aminosäuren, die mit dem Tryptophan um den Eintritt ins Gehirn
konkurrieren, durch Bewegung vermehrt von der Muskulatur aufgenommen werden,
wodurch die Transportkanäle für die Serotoninvorstufe frei bleiben. Weiters gibt es
einige Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass durch Ausdauerleistung die
Synthetisierung
von
Serotonin
und
dadurch
auch
die
Ausschüttung
des
Seite 11
Neurotransmitters gesteigert wird. Ein erhöhter Serotoninspiegel führt zu einer höheren
Dichte an Serotoninrezeptoren (Kubesch, 2005).
Da direkte Neurotransmittermessungen aus ethischen Gründen nicht an Menschen
durchgeführt
werden,
stammen die meisten
Informationen
aus
Studien mit
Tierexperimenten (Kubesch, 2005)
7. Auswirkungen des Trainings auf senile Demenz vom Alzheimertyp
7.1. Kognitive Funktionen
Yu und Kolanowski (2009) führten verschiedene Tests durch, um die kognitiven
Funktionen messen zu können: Stroop für exekutive Funktionen, CUSPAD (Columbia
University Scale for Psychopathology in Alzheimer´s Disease), um psychologische
Symptome und das Verhalten der PatientInnen mit SDAT zu erfassen, MMSE für die
globale Kognition, IADL (Instrumental Activitys of daily living), um das Ausführen der
wichtigsten Funktionen im Alltag messen zu können und PSMS (Physical Self
Maintenance Scale) für die Basisaufgaben im Alltag. Am Ende des einmonatigen
Trainings mussten die zwei ProbandInnen die Tests wiederholen. Es zeigte sich, dass
es nur bei Stroop und CUSPAD eine Verbesserung bei den PatientInnen gab. Alle
anderen Messwerte verschlechterten sich bei beiden ProbandenInnen. Bemerkenswert
ist allerdings, dass der Stroop Test zu Beginn des Trainings keinen Ausgangswert
ergab, da keiner der ProbandInnen die Aufgabenstellung verstand und dadurch nicht
durchführen konnte.
Durch ein einmonatiges Ausdauertraining konnten die exekutiven Funktionen, die
psychologischen Symptome und das Verhalten verbessert werden (Yu & Kolanowski,
2009).
Palleschi et al. (1996) bedienten sich einiger neuropsychologischer Tests, um die
kognitive Leistung ihrer ProbandInnen vor Beginn des Trainingsprogrammes
festzustellen. Die Autoren beurteilten die Aufmerksamkeit, die Art und Vielfalt der
verwendeten Wörter in einem Gespräch und die MMSE. Nach dem drei Monate langen
Ausdauertraining wurden alle Tests wiederholt, wobei Verbesserungen in allen
neuropsychologischen Tests festgestellt werden konnten. Im Gegensatz zu Yu und
Kolanowski fanden Palleschi et al. (1996) also auch einen höheren Wert der MMSE
nach dem Training.
Seite 12
Die Studie von Kemoun et al. (2010) verglich die Ergebnisse einer Versuchs- mit einer
Kontrollgruppe. Die Versuchsgruppe absolvierte ein Trainingsprogramm über 19
Wochen, die Kontrollgruppe nicht. Vor Beginn des Trainings mussten die
ProbandInnen aller zwei Gruppen den French ERFC (Rapid Evaluation of Cognitive
Function) absolvieren. Dieser Test besteht aus 12 Untergruppen und bietet so eine
umfassende Analyse der kognitiven Funktionen. Bei der ersten Testung war die
Versuchsgruppe um 1,52 Punkte schlechter als die Kontrollgruppe. Dies stellte aber
keinen signifikanten Unterschied dar. Nach dem 19-wöchigen Training wurde der Test
wiederholt. Diesmal lag die Versuchsgruppe um 7,15 Punkte über der Kontrollgruppe.
Das Ergebnis der Versuchsgruppe hatte sich im Vergleich signifikant verbessert, da
ihre Punktezahl um 3,57 angestiegen war, während sich die Punkteanzahl der
Kontrollgruppe im gleichen Zeitraum sogar um 5,1 Punkte verschlechtert hatte
(Kemoun et al. 2010).
Heyn, Abreu und Ottenbacher (2004) wählten für ihr Review 30 Studien mit insgesamt
2020 ProbandInnen aus. In jeder Studie gab es eine Trainings- und eine
Kontrollgruppe. Die Daten wurden von den Autoren gesammelt und zusammengefasst.
Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Trainingsgruppen eine größere Verbesserung in
kognitiven Funktionen und in Verhaltensweisen zeigten als die ProbandInnen der
Kontrollgruppen.
Burns et al. (2008) testeten den Zusammenhang zwischen maximalen VO2, globalen
kognitiven Funktionen und Ergebnissen der MMSE. Bei PatientInnen in frühen Stadien
der SDAT konnte kein Zusammenhang zwischen den oben genannten Punkten
festgestellt werden. In der Kontrollgruppe zeigte sich allerdings, dass ProbandenInnen
mit einem verbesserten Fitnesslevel auch bessere globale kognitive Funktionen
besaßen.
7.2. Hirnatrophie
In ihrem Review schreiben Yu und Kolanowski (2009), dass bei Studien an Tieren und
Menschen Bewegung zu Verbesserungen in Struktur und Funktion des Gehirns führen.
Personen die aerobes Training betrieben hatten, zeigten nach ihrem Tod bei einer
Autopsie weniger Verslust an Hirnmasse als Personen, die keinen Sport betrieben
hatten. Dies galt sowohl für Gesunde als auch für Menschen mit organischen
Hirnstörungen. Koppelte man Bewegung mit Gedächtnistraining, fand man eine
vergrößerte graue Substanz im Hippocampus.
In der Studie von Burns et al. (2008) zeigten alle ProbandInnen mit diagnostizierter
SDAT eine feststellbare Hirnatrophie. Die Hypothese der Studie lautete, dass eine
Seite 13
verbesserte kardiale Fitness mit weniger Hirnatrophie und besserer kognitiver Leistung
bei PatientInnen mit SDAT verbunden ist. Tatsächlich fanden die Autoren einen
Zusammenhang
zwischen
maximalen
VO2,
Hirnatrophie
und
Kognition.
Bei
PatientInnen in frühen Stadien der SDAT hatte Training einen positiven Effekt auf die
graue und die weiße Substanz im Hirn. Höherer Fitnesslevel führte zu mehr
Hirnvolumen.
Kardiale Fitness mäßigt Hirnatrophie auf Grund von SDAT. Diese Aussage wird durch
Tierversuche unterstützt. Durch körperliche Aktivität wird das Überleben der Neurone
im Hirn verbessert, die Durchblutung gesteigert und das Wachstum von Hirnarealen,
die wichtig für das Gedächtnis sind, angeregt (Burns et al., 2008).
7.3. Durchblutung des Gehirns
Wie oben schon erwähnt, zählen für Dal-Bianco (2008) Erkrankungen, die zu
Arteriosklerose führen, und damit die Durchblutung verschlechtern, zu den
Risikofaktoren für die Entstehung von SDAT.
Laut Maier (2002) sieht man bei 15% der an SDAT erkrankten Personen
Gefäßveränderungen im Gehirn.
Aerobes Training führt zu einer vermehrten Gefäßbildung im Gehirn und dadurch zu
einer verbesserten Durchblutung (Yu & Kolanowski, 2009). Burns et al. (2008) kommen
zu dem Schluss, dass eine verbesserte Fitness durch erhöhte physische Aktivität zu
einer vermehrten Durchblutung des Gehirns führt.
8. Diskussion
8.1. Auflistung der wichtigsten Literatur
Im Folgenden ist die wichtigste Literatur, die in dieser Arbeit verwendet wurde,
aufgelistet.
Seite 14
Tabelle 1
Auflistung der wichtigsten Literatur
Jahr
Autor
Titel
Methode
2007
Berlit, P.
Basiswissen
Sachbuch
Neurologie
Neurologie; Kapitel geeigneter Test zur
über
SDAT
Ergebnis
über Die MMSE ist ein
und Frühdiagnose
Diagnose
2008
Burns, J. M., Cardiorespiratory
H.
über
SDAT.
den Erhöhte
and Zusammenhang
kardiale
steht
im
Brain Atrophy in zwischen kardialer Zusammenhang
mit
Cronk, B. B., Fitness
Anderson,
Studie
von
S., Early Alzheimer’s Fitness,
Fitness
verringerter
Donnelly, J. Disease
Hirnatrophie
und Hirnatrophie
in
E., Thomas,
globaler Kognition PatientInnen
mit
G.
P.,
in PateintInnen mit SDAT.
Harsha
A.,
SDAT.
Brooks,
W.
M.
&
Swerdlow,
R. H..
2004
Heyn,
P., The
of Review
Effects
von Training erhöht die
Abreu, B. C. Exercise Training Studien,
um Fitness,
&
ob und
on
Elderly festzustellen,
Ottenbacher, Persons
K. J.
With Training
Cognitive
kognitiven
einen Funktionen
und
positiven Effekt auf beeinflusst
das
Impairment
and PatientInnen
Dementia:
A SDAT hat.
Meta-Analysis
physischen
mit Verhalten
PatientInnen
von
mit
SDAT positiv.
Seite 15
2010
Kemoun, G., Effects
of
a Trainingsprogramm
Durch das Training
Thibaud, M., Physical Training mit drei Einheiten kann
Roumagne,
Programme
on zu je 60 Minuten Verfall
N., Carette, Cognitive
kognitive
verlangsamt
pro Woche über 19 und die Gangqualität
and Wochen. Je eine verbessert werden.
P.,
Albinet, Function
C.,
Walking
Toussaint,
Efficiency
Einheit
für
in Gangleistung,
Persons Ausdauer
L., Paccalin, Elderly
der
M. & Dugué, with Dementia
Kombination
B.
Gehen,
und
aus
Gleichgewicht und
Ausdauer.
38
ProbandInnen in 2
Gruppen:
Trainingsgruppe
(20 ProbandInnen),
Kontrollgruppe (18
ProbandInnen)
2002
Maier, K. F.
Sachbuch
Alzheimer
Demenz.
und
über SDAT
Rat SDAT.
Hilfe
ist
Krankheit
für
die
des
Jahrhunderts.
Angehörige
1996
Palleschi, L., Effect of Aerobic Ausdauertraining,
Aerobes
Vetta, F., De Training on the drei Mal pro Woche Ausdauertraining
Gennaro, E., Cognitive
Idone,
G., Performance
Sottosanti,
G.,
mindestens
Elderly
W.
Marigliano,
of Minuten über drei Verbesserung
Patients Monate;
Gianni, with
& Dementia
25 kann eine signifikante
Senile männliche
der
15 kognitiven Funktionen
hervorrufen.
of Probanden
Alzheimer Type
V.
Seite 16
1996
Palleschi, L., Effect of Aerobic Ausdauertraining,
Aerobes
Vetta, F., De Training on the drei Mal pro Woche Ausdauertraining
Gennaro, E., Cognitive
Idone,
G., Performance
Sottosanti,
G.,
mindestens
Elderly
W.
of Minuten über drei Verbesserung
Patients Monate;
Gianni, with
der
15 kognitiven Funktionen
Senile männliche
& Dementia
Marigliano,
25 kann eine signifikante
hervorrufen.
of Probanden
Alzheimer Type
V.
1999
Reisberg, B., Retrogenesis:
Wissenschaftlicher
Franssen, E. clinical,
Artikel
H.,
über
M., pathologic
Theorie
Monteiro, I., mechanisms
in
Boksay,
I., brain
Souren,
L. Alzheimer’s and
E.
Retrogenese
die Theorie ist ein neues
Hasan, physiologic, and Retrogenese
S.
Die
aging,
Modell,
um
PatientInnen
mit
SDAT
richtig
zu
und
zu
betreuen
therapieren.
M., other dementing
Kenowsky,
processes
S., Auer, S.
R., Elahi, S.
& Kluger, A.
2009
Yu,
F.
& Facilitating
Aerobes
Verbesserung
Kolanowski,
Aerobic Exercise Ausdauertraining,
A.
Training in Older drei
Adults
Mal
der
exekutiven
25-45 Funktionen,
der
with Minuten pro Woche psychologischen
Alzheimer’s
über zwei Monate; Symptome und des
Disease
zwei ProbandInnen Verhaltens.
(75-jähriger
und
Mann
86-jährige
Frau)
Seite 17
2005
Kubesch, S.
Das
Bewegte Auswirkungen von Durch
Gehirn.
Bewegung
Exekutive
Neurotransmitter
Funktionen
auf Ausdauertraining
gelangt
und im Gehirn.
Serotonin
leichter in das Gehirn.
körperliche
Aktivität
2003
Wegener B.
Zur
Diskussion: Kritische
Die MMSE ist kein
Kritische
Beleuchtung
Anmerkungen
MMSE
zur
der neuropsychologischer
Test, obwohl sie als
Anwendung
solcher
verwendet
des Mini-Mental-
wird. Es gibt bessere
Status-Tests
Methoden, um SDAT
zu diagnostizieren.
2008
Dal-Bianco,
Alzheimer:
Artikel
über
P.
Risikofaktoren
Auswirkung
der Risikofaktoren
und Genetik
Genetik
und Erkrankungen, die zu
Risikofaktoren
die Die
größten
sind
für Arteriosklerose
SDAT.
führen. Es gibt nur
ein Gen,
Risiko
das das
erhöht,
an
SDAT zu erkranken.
Im Folgenden werden einige Aspekte der oben genannten Literatur genauer
beschrieben und zum Teil auch kritisch hinterfragt.
8.2. Kritische Beleuchtung der Literatur
Besonders hervorzuheben sind die Ergebnisse von Kemoun et al. (2010). Sie fanden
heraus, dass sich die kognitiven Funktionen der Versuchsgruppe nach dem Training
geringfügig
verbessert
hatten,
wobei
sich
die
Kontrollgruppe
gleichzeitig
verschlechterte. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass durch Training die
kognitiven Funktionen von SDAT PatientInnen zwar nicht großartig gesteigert werden
können, aber der Verfall durchaus verlangsamt werden kann.
Seite 18
Wie oben bereits erwähnt, stellt die MMSE einen Grundpfeiler zur Beurteilung des
kognitiven Verfalls dar. Sie ist in psychologischen Kreisen sehr beliebt, da sie - ähnlich
den üblichen klinischen Befragungstechniken – schnell durchführbar ist und eine
scheinbar leichte Ablesbarkeit der Diagnose ermöglicht (Wegener, 2003). Berlit (2001)
bezeichnet sie als neuropsychologischen Test. Dem widerspricht Wegener (2003). In
seiner Arbeit über die kritische Betrachtung der MMSE zeigt er auf, dass die
Bezeichnung Test (im deutschen Sprachraum) oder Examination (im englischen
Wortgebrauch) irreführend ist. Die MMSE ist demnach kein neuropsychologischer Test
und erfüllt auch nur zum Teil testtheoretische Kriterien. Im Handbuch zur Verwendung
der MMSE wird sie abwechselnd als Skala und als Test bezeichnet (Wegener, 2003).
Wegener (2003) betrachtet das ganze Handbuch zur MMSE sehr kritisch. Er schreibt,
dass es oftmals keine Angaben zur Größe der Stichproben gibt, das Alter der
ProbandInnen nicht angegeben wird, die Mittelwerte willkürlich gewählt zu sein
scheinen und verschiedene Studien auf verschiedene Werte kommen.
Die Genauigkeit der MMSE bei beginnenden Demenzen ist in Frage zu stellen. Zudem
ist es erstaunlich, dass verschiedene Demenzen nicht voneinander unterschieden
werden können (Wegener, 2003).
Das Lundbeck Institute (o.D.) merkt an, dass das Bildungsniveau der PatientenInnen
Einfluss auf das Testergebnis nimmt. Wegener (2003) kritisiert die Bewertung von
Minderbegabten. Es wird lediglich unterschieden, ob jemand länger als acht Jahre zur
Schule gegangen ist oder nicht. „Dass es sich hierbei um keine angemessene Methode
handelt, dürfte nach PISA evident sein“ (Wegener, 2003, S.156).
Weitere Kritikpunkte, die Wegener (2003) anspricht, sind die Auswertung der Aufgaben
und die Scoreverteilung. So fragt er sich, ob beispielsweise das rückwärts Zählen oder
das rückwärts Buchstabieren (in Aufgabe 3) gleichwertig sind.
Für die MMSE gibt es keine klaren Richtlinien dafür, welche anderen Erkrankungen
und Medikationen ausgeschlossen sein müssen und welche Rolle die Psyche und
Emotionen spielen. Gerade weil es keine Vorgaben für das Umfeld während des Tests
gibt, spielen diese Faktoren eine große Rolle. Ältere Menschen können sich oftmals
nicht gut an neue Umgebungen anpassen und reagieren verwirrt und unschlüssig
(Wegener, 2003). Der Autor geht sogar so weit, zu sagen, dass ohne Vorgaben für das
Setting des Tests der Eindruck entsteht, dass mit der MMSE nur untersucht wird, was
der Arzt ohnehin schon im Vorhinein weiß und mit der Untersuchung daher nur ein
Beleg erbracht werden soll.
Es stellt sich also die Frage, ob dieses Verfahren, als Standartuntersuchung, um
PatientInnen auf SDAT zu testen, zulässig ist. Für Wegener (2003) ist es zumindest
kritisch zu betrachten und die Verwendung der MMSE als Test missbräuchlich.
Seite 19
Beim 42. Kongress für Allgemeinmedizin in Graz, im November 2011, gab Dr. med.
Hans G. Lauchert im Rahmen seines Symposiums Hinweise darauf, dass bestimmte
Apraxie Tests ebenfalls zur Diagnosestellung von SDAT herangezogen werden
können. Diese Tests seien sogar besser geeignet als die MMSE. Leider konnte keine
Literatur zu dieser Behauptung gefunden werden und Dr. med. Lauchert zu keiner
Stellungnahme zu diesem Thema bereit.
Durch
die
Retrogenese
Theorie
von
Reisberg
können
Hilfe
und
Betreuungserfordernisse für Patient/Patientin gut abgelesen werden. Trotzdem findet
sie in den hier verwendeten Studien kaum Beachtung. Es wird meist von den
Ergebnissen der MMSE ausgegangen, welche einerseits - wie oben erwähnt zumindest fragwürdig sind, und andererseits keine Aussage darüber treffen, wie
beeinträchtigt die Person in der Bewältigung ihres Alltags ist. Die meisten Autoren
nehmen die Ergebnisse der MMSE als Ausgangspunkt für ihre Studien. Anschließend
wird eine Intervention, hier in Form eines Trainingsprogramms, gesetzt und
abschließend beurteilt, ob sich der Score dadurch verbessert hat. Im Grunde wird
dadurch aber nur beurteilt, ob die globale Kognition besser oder schlechter geworden
ist. Darüber, ob der/die Patient/Patientin besser im Alltag zu Recht kommt, kann keine
Aussage getroffen werden. Sinnvoller wäre es, die Stadien der Retrogenese
heranzuziehen und zu beurteilen, ob sich hier etwas verändern lässt. So kann nämlich
beurteilt werden, ob PatientInnen mehr oder weniger Hilfe und Betreuung benötigen.
Und nur dadurch kann festgestellt werden, ob sich ein finanzieller Nutzen für das
Gesundheitssystem ergibt oder nicht.
Yu und Kolanowski (2009) entwickelten ihr eigenes Trainingsprogramm, in dem die
PatientInnen mit dem Liegefahrrad bei 60-65% der maximalen Herzfrequenz fahren
mussten. Die Ermittlung der maximalen Herzfrequenz erfolgte durch eine Formel. Die
Errechnung durch eine Formel kann allerdings niemals so genau sein wie die direkte
Austestung der Einzelperson.
Das Liegefahrrad, das Yu und Kolanowski (2009) als Trainingsgerät verwenden,
beansprucht das implizite Gedächtnis, welches unbewusst abläuft und Fertigkeiten und
Fähigkeiten speichert. Da dieses bis zum höchsten Stadium der Erkrankung intakt
bleibt, können auch noch davon betroffene Personen das Fahrrad benützen.
Yu und Kolanowski (2009) decken in ihrer Arbeit zwei große Kritikpunkte auf. Zum
einen gibt es keine klinischen Richtlinien zum aeroben Ausdauertraining für
PatientInnen mit SDAT, zum anderen gibt es nur äußerst dürftige Evidenzen über die
Effekte von Ausdauertraining auf globale Kognition, ADL´s, psychologische Symptome
und Verhalten. Die Autoren merken an, dass es wichtig ist, ein gut durchdachtes und
getestetes Trainingsprogramm zu entwickeln, um Antworten auf die oben genannten
Seite 20
Effekte zu bekommen. Die wenigen veröffentlichten Studien enthalten keine adäquaten
Beschreibungen über den Ablauf des jeweiligen Trainingsprogramms. Yu und
Kolanowski (2009) regen an, Messungen der oben genannten Punkte in das
Trainingsprogramm aufzunehmen, um so die Effekte des aeroben Ausdauertrainings
auf PateintInnen mit SDAT bewerten zu können.
Ein gutes Beispiel für die inadäquate Beschreibung des Trainingsprogramms ist die
Studie von Palleschi et al. (1996). In ihr wird zwar relativ genau angegeben, wie die
Einheiten aufgebaut waren, wie lange sie dauerten und wie oft pro Woche sie
durchgeführt wurden. Darüber, wie lange das Programm insgesamt dauerte, gibt es
aber unterschiedliche Angaben. Im Abstract wird die Länge mit drei Monaten
angegeben. Auch in der Beschreibung des Trainingsprogramms ist zunächst von drei
Monaten die Rede. Danach wird aber angegeben, dass die PatientInnen bereits nach
drei Wochen Trainingsprogramm verschiedene Tests wiederholen mussten. Auch im
Titel einer Tabelle, in der die Ergebnisse der Tests aufgelistet sind, steht, dass das
Trainingsprogramm drei Wochen gedauert hat. Es wird also genauso oft von drei
Monaten wie von drei Wochen geredet. Sollte das Training tatsächlich nur drei Wochen
gedauert haben, so ist es äußerst fragwürdig, ob es in dieser kurzen Zeit wirklich zu
einer Veränderung der Testergebnisse kommen konnte.
Ein Vorteil der Studie von Palleschi et al. (1996) ist allerdings die drei Wochen
dauernde Ausschwemmungsphase für Medikamente. Erst danach wurden die
relevanten Tests durchgeführt. Natürlich sind drei Wochen eine geringe Zeit, wenn die
Medikamente schon lange zuvor eingenommen worden sind. Dennoch handelt es sich
bei Palleschi et al. um die einzigen Autoren der hier verwendeten Studien, die
überhaupt auf die Medikation der PatientInnen eingehen und versuchen, sie zu
berücksichtigen.
Burns et al. (2008) wollten untersuchen, ob eine verbesserte kardiale Fitness mit
weniger Hirnatrophie und besserer kognitiver Leistung verbunden ist. Es wird genau
beschrieben, wie die kardio-respiratorische Fitness festgestellt und mit welchen Tests
und Skalen die physische Aktivität und die Fragilität der ProbandInnen bewertet
worden ist. Allerdings gab es kein Trainingsprogramm, das die ProbandInnen
durchführen mussten. Burns et al. (2008) verglichen die Werte von zwei Gruppen
miteinander. Eine bestand aus 64 nicht an Demenz erkrankten Personen, die andere
aus 57 ProbandInnen mit SDAT. Beide Gruppen mussten die gleichen Tests und
Untersuchungen machen. Die Ergebnisse wurden im Anschluss miteinander
verglichen. Als Conclusio schreiben die Autoren, dass eine Reduzierung der von SDAT
verursachten Hirnatrophie im Zusammenhang mit verbesserter kardialer Fitness steht.
Da kein Training durchgeführt wurde, um die Ausdauerleistung der ProbandInnen zu
Seite 21
steigern, ist es fraglich, ob diese Aussage genauso übernommen werden kann.
Sinnvoller wäre es wahrscheinlich gewesen, die Hirnatrophie und die kardiale Fitness
der ProbandInnen beider Gruppen zu messen, danach ein Trainingsprogramm als
Intervention zu setzten und anschließend die Untersuchungen zu wiederholen. Wenn
die Aussage der Autoren danach noch immer bestätigen würde, könnte davon
ausgegangen werden, dass eine bessere kardiale Fitness die Hirnatrophie auf Grund
von SDAT verringerte.
Ein weiteres Problem der Studien sind die ProbandInnenenzahlen. So führten
beispielsweise Yu und Kolanowski (2009) eine Studie mit nur zwei PatientInnen durch.
Sie hatten zunächst zehn ProbandInnen vorgesehen, doch zwei konnten die
Aufnahmekriterien nicht erfüllen und sechs weitere hatten den gleichen Hausarzt,
welcher keine Freigabe erteilte. Die Autoren schreiben, dass der Arzt nicht einwilligte,
weil er nicht im Vorhinein über die Studie informiert worden war. So blieben Yu und
Kolanowski (2009) nur zwei ProbandInnen über, ein 75 Jahre alter Mann und eine 89
Jahre alte Frau. Die Autoren kamen am Ende der Studie zu dem Schluss, dass
Ausdauertraining das Potential hat, Symptome von SDAT zu mildern. Bei einer
Untersuchung mit nur zwei ProbandInnen ist die Aussagekraft des Ergebnisses
allerdings äußerst fragwürdig, sodass zu deren Bestätigung Studien mit mehr
ProbandInnen durchgeführt werden müssten. Dies merken Yu und Kolanowski (2009)
auch selbst in der Diskussion ihrer Studie an.
Palleschi et al. (1999) hatten in ihrer Studie ebenfalls nur 15 Probanden. Auch das ist
eine zu geringe Anzahl, um Schlüsse auf die Gesamtzahl der an SDAT erkrankten
Personen zu ziehen. Ein anderer Kritikpunkt ist, dass ausschließlich männliche
Probanden in der Studie mitwirkten. Es leiden aber auch viele Frauen an SDAT. Die
Ergebnisse der Studie waren zwar durchaus positiv, können aber, wenn überhaupt, nur
für Männer gelten, da die Intervention nicht an Frauen untersucht wurde. Wenn man
bedenkt, dass laut Berlit (2007) Frauen ein 20-30-fach höheres Risiko haben an SDAT
zu erkranken als Männer, macht es wenig Sinn, eine Studie über SDAT nur mit
männlichen Probanden zu machen.
Die einzigen Autoren, die eine ausreichend große Anzahl an ProbandInnen zur
Verfügung hatten, sind Heyn, Abreu und Ottenbacher (2004). Sie untersuchten 30
verschiedene Studien mit insgesamt 2020 ProbandInnen. Daraus ergibt sich allerdings
das
Problem,
dass
Trainingsprogramme
jede
sowie
Studie
anders
aufgebaut
Einschlusskriterien
für
ist
und
ProbandInnen
verschiedene
und
andere
Widerbefundparameter angewendet wurden. Das macht es schwierig, die Studien
miteinander zu vergleichen. Auch hier wäre ein einheitliches Studiendesign förderlich,
Seite 22
um die Ergebnisse vergleichbar zu machen. Andererseits ist aber auch klar, dass die
einzelnen Studien jeweils unterschiedliche Untersuchungsansätze beinhalten.
Auch Kubesch (2005) schreibt, dass es schwierig ist, die Ergebnisse einzelner Studien,
die sich mit dem Einfluss von körperlicher Aktivität auf den Serotoninspiegel
beschäftigen,
zu
vergleichen.
Es
gibt
keine
einheitlichen
Studiendesigns,
Messmethoden, statistische Verfahren und Ausdauerbelastungen. Ebenso werden für
die Tierversuche unterschiedliche Tierarten verwendet. Kubesch (2005) merkt an, dass
die Stressoren, denen die Tiere ausgesetzt werden, einen ebenso großen Einfluss auf
das Untersuchungsergebnis haben wie das Geschlecht der Versuchsobjekte. Ein
direkter Vergleich der Studien kann somit auch hier nicht gemacht werden. Wichtig
wäre es daher, standardisierte Testverfahren festzulegen. Diese sollten unter anderem
genaue Angaben über Tierart, Messverfahren, Ausdauerbelastung usw. enthalten, um
die Studien vergleichbar zu machen.
Ein weiterer Punkt, der intensiver Forschung bedarf, ist der Zusammenhang zwischen
Risikofaktoren für Gefäßerkrankungen und der Entstehung für SDAT. Dal-Bianco
(2008) zählt Hypertonie, Diabetes Mellitus, Nikotin Abusus und Hyperlipidämie zu den
Risikofaktoren für SDAT, da sie auch als Risiken für Arteriosklerose angesehen
werden. Sie gelten aber auch als Faktoren, die Herz-Kreislauferkrankungen fördern. Es
wäre also äußerst interessant zu untersuchen, wie sich Therapien, die ursprünglich für
PatientInnen mit Herz-Kreislaufproblemen gedacht waren auf SDAT auswirken. Die
Studie von Burns et al. (2008) geht bereits in diese Richtung. Sie untersucht den
Zusammenhang zwischen kardialer Fitness und SDAT. Allerdings verwenden sie, wie
vorhin schon erwähnt, kein Trainingsprogramm. Es wäre sinnvoll, klinische Richtlinien
für das Training mit PatientInnen mit Herz-Kreislauferkrankungen auch als Vorlage für
das Training mit an Demenz erkrankten Personen heranzuziehen.
9. Conclusio
Ausdauertraining wirkt sich positiv auf das Leben von an seniler Demenz vom
Alzheimertyp erkrankten Personen aus, da kognitive Leistungen verbessert werden
können. Das Training fördert auch die Durchblutung des Gehirns und führt zusätzlich
zu einer Verringerung der Hirnatrophie. Um die positiven Effekte genauer beleuchten
zu können, sollten allerdings noch mehr Studien mit jeweils höheren Zahlen an
ProbandInnen sowie einheitlichem Studiendesign durchgeführt werden.
Wörter: 6412
Seite 23
10. Literaturverzeichnis
Berlit, P. (2007). Basiswissen Neurologie. Heidelberg: Springer Medizin Verlag.
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2009
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Degenerative Hirnerkrankungen- motorische und kognitive Störungen. Vorlesung
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18.04.2012
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memory.net/types_declarative.html
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Download am 21.02.2012 von http://alzheimer.mcw-portal.com/index.php?id=46
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Geriatric
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250-259.
Anhang1: Mini-Mental-State-Examination
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