Auswirkung aeroben Trainings auf die kognitive Leistung von PatientInnen mit seniler Demenz vom Alzheimertyp Zweite Bachelorarbeit verfasst von: GERDA POSCH 0910463048 Jahrgang 2009 Sommersemester 2012 Erstbetreuerin: Angelika Kaulfersch, Msc Zweitbetreuer Helmut Wandschneider FH JOANNEUM Graz Studiengang Physiotherapie Abstract Einleitung: Derzeit leiden rund 100 000 ÖsterreicherInnen an Demenzen. Die senile Demenz vom Alzheimertyp (SDAT) macht rund 60-80% davon aus. Jährlich wird eine Milliarde Euro für die Versorgung der PatientInnen ausgegeben. Demenzen sind eine Hauptursache der Pflegebedürftigkeit ältere Menschen. In dieser Arbeit soll geklärt werden, ob aerobes Ausdauertraining einen positiven Effekt auf senile Demenz vom Alzheimertyp (SDAT) hat. Hauptteil: Das Gehirn von SDAT PatientInnen zeigt große pathologische Veränderungen. Es ist atrophiert und schlechter durchblutet. Die Risikofaktoren reichen von genetischer Vorbelastung über Hyperonie bis hin zu Bewegungsmangel. Die SDAT greift das Langzeitgedächtnis an. Die Diagnosestellung wird mit bildgebenden Verfahren, Gesprächen und neuropsychologischen Tests durchgeführt. Am häufigsten wird die Mini-Mental-StateExamination (MMSE) verwendet. Mit Hilfe der Retrogenese Theorie lassen sich SDAT PatientInnen adäquat und menschlich behandeln. Sie definiert sich als Prozess, bei dem sich die Kindheitsentwicklung umkehrt. Das Ausdauertraining wird in jeder Studie unterschiedlich durchgeführt. Es erfolgt allerdings immer eine Aufteilung in Aufwärmphase, Hauptteil und Cool-Down-Phase. Serotonin ist als Neurotransmitter verantwortlich für die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen im Gehirn, in welches es durch Ausdauertraining rascher und leichter gelangen kann. Exekutive Funktionen, psychologische Symptome, Verhaltensweisen und allgemeine Kognition von PatientInnen mit SDAT können durch Ausdauertraining verbessert werden. Die Hirnatrophie verringert sich und die Durchblutung wird gesteigert. Diskussion: Die MMSE ist kein neuropsychologischer Test. Es gibt andere Verfahren, um SDAT zu diagnostizieren. Sie trifft auch – im Gegensatz zur Retrogenese Theorie keine Aussage über die Hilfe und Betreuung, die PatientInnen benötigen. Trotzdem verwenden die hier angeführten Studien die MMSE und nicht die Theorie der Retrogenese. Da es keine Richtlinien für das Training und für das Studiendesign gibt, ist es schwierig, die Ergebnisse zu vergleichen. Dazu kommt, dass auch das Trainingsprogramm oft nicht genau beschrieben wird und viele Studien eine zu geringe ProbandInnenanzahl haben. Es bedarf wohl noch mehr Forschung, um den Zusammenhang zwischen Risikofaktoren für Gefäßerkrankungen und der Entstehung von SDAT zu verstehen. Conclusio: Ausdauertraining wirkt sich positiv auf SDAT aus. Es müssen allerdings noch mehr Studien gemacht werden, um die Ergebnisse genauer beleuchten zu können. 332 Wörter Schlüsselwörter: Physiotherapie, SDAT, Ausdauertraining, Kognition Abstract Introduction: Currently about 100 000 Austrians suffer from dementia. About 60-80% of these have senile dementia of Alzheimer type (SDAT). The amount of one billion euros is spent yearly for the care of these patients. Dementia is a main reason for the care dependency of older people. The purpose of this bachelor thesis is to identify if aerobe endurance training has a positive effect on SDAT. Main part: The brain of SDAT Patients shows massive pathological changes. It is atrophied and presents poor blood flow. The risk factors range from genetic loading to hypertonia and physical inactivity. SDAT attacks the long-term memory. Diagnostic tools include imaging procedures, diagnostic interviews and neuropsychological tests, while the Mini-Mental-State-Examination is most frequently used. The retrogenesis theory provides the possibility for appropriate and humane treatment of SDAT patients. It defines itself as a process in which the normal development from child to adult is reversed. Endurance training differs in current literature, however, the general structure of warmup, main part and cool-down is present in every study reviewed in this paper. Serotonin is a neurotransmitter and as such is responsible for the transmission of signals between nerve cells in the brain. Endurance training can improve executive functions, psychological symptoms, behaviour and overall cognition of SDAT patients, as the brain atrophy can be decreased and blood flow can be improved. Discussion: The MMSE is not a neuropsychological test. Furthermore, the MMSE is unable to determine the help and care needed by the patient. This can however be evaluated by the retrogenesis theory. The literature fails to provide guidelines for training and the study design varies greatly, which makes comparing the literature difficult. Further shortcomings of contemporary literature are the insufficient description of the training program performed and a low number of subjects tested. In order to understand the association between risk factors for vessel diseases and the development of SDAT, further research is required. Conclusion: Endurance training has positive effects on SDAT. However, more studies are needed for better examination of the results. 337 Words Key Words: physiotherapy, SDAT, endurance training, cognition Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ........................................................................................................................... 1 2. Definitionen ........................................................................................................................ 2 2.1. Senile Demenz vom Alzheimertyp........................................................................ 2 2.2. Risikofaktoren für senile Demenz vom Alzheimertyp ............................................ 2 2.3. Gedächtnis ........................................................................................................... 3 2.4. Episodisches Gedächtnis ..................................................................................... 5 2.5. Semantisches Gedächtnis.................................................................................... 5 3. Diagnose von seniler Demenz vom Alzheimertyp ............................................................... 5 3.1. Mini-Mental-State-Examination ............................................................................ 6 4. Retrogenese Theorie .......................................................................................................... 7 5. Trainingsmethoden............................................................................................................. 8 6. Neurotransmitter............................................................................................................... 10 6.1. Serotonin ........................................................................................................... 11 6.2. Serotonin und Bewegung ................................................................................... 11 7. Auswirkungen des Trainings auf die senile Demenz vom Alzheimertyp ............................ 12 7.1. Kognitive Funktionen.......................................................................................... 12 7.2. Hirnatrophie ....................................................................................................... 13 7.3. Durchblutung des Gehirns.................................................................................. 14 8. Diskussion ........................................................................................................................ 14 8.1. Auflistung der wichtigsten Literatur..................................................................... 14 8.2. Kritische Betrachtung der Literatur ..................................................................... 18 9. Conclusio ......................................................................................................................... 23 10. Literaturverzeichnis Anhang 1: Mini-Mental-State-Examination Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Auflistung der wichtigsten Literatur ...................................................................... 15 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:Hirnatrophie bei seniler Demenz vom Alzheimertyp .......................................... 2 Abbildung 2:Einteilung des Langzeitgedächtnisses .............................................................. 4 Abbildung 3: Bedürfnisse demenzkranker Personen nach der Retrogenese Theorie ........... 8 Abbildung 4: Synaptischer Spalt ........................................................................................... 11 1. Einleitung Als Alois Alzheimer im Jahr 1907 die nach ihm benannte Demenz entdeckte, glaubte er noch, dass es sich um eine seltene Erkrankung handle. Durch die Zunahme der Lebenserwartung, vor allem in den Industrieländern, wurde sie allerdings zur Krankheit des Jahrhunderts (Maier, 2002). Laut der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft (o.D.) leiden derzeit rund 100 000 ÖsterreicherInnen an Demenzen. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl vermutlich auf 230 000 ansteigen. Die senile Demenz vom Alzheimertyp (SDAT) macht 60-80% davon aus. Jährlich wird eine Milliarde Euro für die Versorgung von Demenzerkrankten ausgegeben. Damit sind Demenzen eine der Hauptursachen, warum ältere Menschen pflegebedürftig werden (Maier, 2002). Erfolgte die Diagnose von seniler Demenz vom Alzheimertyp (SDAT) früher noch in Form eines Ausschlussverfahrens von in Frage kommenden Erkrankungen, kann man sie heute gezielt und sicher feststellen. (Maier, 2002). Bei der SDAT ist die Prävalenz abhängig vom Alter. Bei Menschen im Alter von unter 60 Jahren beträgt sie 0,04%, zwischen 60 und 70 Jahren 1%, von 80 bis 84 Jahren 9% und ab 95 Jahren 40-50%. Des Weiteren haben Frauen ein Erkrankungsrisiko, das 2030% höher ist als bei Männern (Berlit, 2001) Durch eine sorgfältige Diagnose wird die Basis für eine Vielzahl von Therapien gelegt. Die Behandlung von SDAT beschränkt sich nicht ausschließlich auf die Einnahme von Medikamenten. Auch psychologische Behandlungsverfahren sind ein wichtiger Teil der Therapie. Durch einen gut geplanten und auf Angehörige und PatientInnen abgestimmten Behandlungsablauf können die Symptome der Demenz und deren Verlauf positiv beeinflusst werden. Dadurch kann meist eine spätere Heimeinweisung erreicht werden (Maier, 2002). Die SDAT hat eine Vielzahl an Ursachen, weshalb es sich bei dieser Demenzform um ein multifaktorielles Geschehen handelt (Maier, 2002). In dieser Arbeit soll geklärt werden, ob aerobes Ausdauertraining einen positiven Effekt auf SDAT hat. Sollte dies der Fall sein, würde es sich um eine kosteneffiziente und leicht durchzuführende Maßnahme handeln, um die eigene Leistungsfähigkeit von PatientInnen über einen längeren Zeitraum zu erhalten. Zusätzlich könnte sie zu einer späteren Heimeinweisung führen, wodurch die Kosten für das Gesundheitssystem reduziert würden. Seite 1 2. Definitionen 2.1. Senile Demenz vom Alzheimertyp Die SDAT zeigt in der Pathogenese eine diffuse Hirnatrophie (wie in Abbildung 1 zu sehen ist). Am stärksten ausgeprägt ist die Abnahme der kortikalen Synapsendichte frontal und temporobasal. Durch die Degeneration des Nucleus basalis Meynert kommt es zu einem cholinergen Defizit der Kortexregionen, die für die Kognition relevant sind. Außerdem bilden sich Ablagerungen, so genannte β-amiolyde Plaques, die zur Folge haben, dass Neurone ihre Funktion verlieren und untergehen (Berlit, 2001). Abb.1: Hirnatrophie bei seniler Demenz vom Alzheimertyp Anmerkung: Aus "(Alzheimer) Demenz- eine Krankheit verstehen" von S. Weber, 2008, S. 12. Das Gehirn ist bei älteren PatientInnen mit SDAT von großen pathologischen Veränderungen gekennzeichnet. Außerhalb der Neurone im Gehirn bilden sich β-amiolyde Plaques und neurofibrilläre Stränge, die die Neurone zerstören. Dadurch verliert das Gehirn funktionierende Nervenzellen, Synapsen und Neurotransmitter. Es atrophiert, wodurch es zu einer Verringerung der Durchblutung und des Stoffwechsel kommt (Yu & Kolanowski, 2009). 2.2. Risikofaktoren für senile Demenz vom Alzheimertyp Maier (2002) teilt die Risikofaktoren in drei Gruppen ein: gesichert, wahrscheinlich und unwahrscheinlich. Zu den gesicherten Risikofaktoren zählen für Meier (2002) Alter, Vorkommen von SDAT in der Familie und Trisomie 21. Seite 2 Es wurde bisher nur ein Gen beschrieben, welches das Risiko, an SDAT zu erkranken, erhöht. Das so genannte Apolipoprotein E (ApoE), genauer gesagt das e4-Allel. Unter den Personen, die nachweislich an Morbus Alzheimer erkrankt sind, tragen 65% ein e4-Allel, wovon 12-15% homozygot (mischerbig in Bezug auf dieses Allel) sind. Wie Apolipoprotein (ApoE) zu der Entstehung von SDAT beiträgt, ist ungeklärt. Es wird vermutet, dass es die Bildung der β-amiolyden Plaques fördert (Dal-Bianco, 2008). Das Vorhandensein des ApoE-e4-Allels führt allerdings nicht zwangsläufig zum Ausbrechen der Erkrankung und eine direkte Vererbung von SDAT ist äußerst selten (Dal-Bianco, 2008). Als wahrscheinliche Risikofaktoren führt Maier (2002) Schädel-Hirn-Verletzungen, Depressionen, die Parkinson´sche Krankheit, Trisomie 21 in der Familiengeschichte und Schilddrüsenunterfunktion an. Des Weiteren deuten Studien darauf hin, dass Personen mit geringer Schulbildung und niedrigem Intelligenzquotienten häufiger an SDAT erkranken. Es gibt hierfür zwei Erklärungsmodelle: Erstens könnten Menschen mit höherer Schulbildung, verbunden mit lebenslangem Lernen, ihr Gehirn besser trainiert haben und deshalb über mehr geistige Reserven verfügen, um einen Ausbruch der Krankheit hinauszuzögern. Zweitens könnte ein höheres Bildungsniveau einen gesünderen Lebensstil bewirkt und dadurch zu einer Vermeidung von anderen Risikofaktoren geführt haben (Maier, 2002). Ein weiterer wahrscheinlicher Risikofaktor ist körperliche Inaktivität (Maier, 2002). Als unwahrscheinliche Risikofaktoren gelten Rotwein, Stress, Pestizide, Herbizide und Hypertonie (Maier, 2002). Für Dal-Bianco (2008) gilt Hypertonie sehr wohl als Risikofaktor, da Erkrankungen die zu Arteriosklerose führen auch Demenzen begünstigen. Als die größten Risiken neben Bluthochdruck werden von ihm auch noch Diabetes Mellitus, Nikotin Abusus und Hyperlipidämie genannt. Die Vermeidung dieser Erkrankungen, sei es durch den Lebensstil oder durch Medikamente, wirkt präventiv auf die Entstehung von SDAT und hat als Nebenwirkung auch noch einen positiven Effekt auf die Gefäße. 2.3. Gedächtnis Das Gedächtnis kann grob in drei Klassen eingeteilt werden: Kurzzeitgedächtnis, Arbeitsgedächtnis und Langzeitgedächtnis (Kaulfersch, 2010a). Das Langzeitgedächtnis wird weiters in zwei Untergruppen geteilt: das deklerative oder explizite Gedächtnis und das prozedurale oder implizite Gedächtnis. Das deklerative Gedächtnis speichert Fakten und Ereignisse. Es ermöglicht das bewusste Aufrufen von Erinnerungen und Informationen. Das deklerative Gedächtnis kann weiter in das Seite 3 episodische und semantische Gedächtnis unterteilt werden (Mastin, 2010a). Diese werden später ausführlicher beschrieben. Das prozedurale Gedächtnis ist meist unbewusst. Es enthält Informationen über Fähigkeiten und Fertigkeiten. So ermöglicht es uns zum Beispiel, verschiedene Objekte oder Körperteile zu bewegen. Auch das Fahrradfahren oder das Spielen eines Musikinstrumentes ist im impliziten Gedächtnis gespeichert. Das prozedurale Gedächtnis besteht aus sensomotorischem Verhalten, das so tief verankert ist, dass wir es nicht mehr bewusst wahrnehmen (Mastin, 2010b). In Abbildung 2 ist eine schematische Darstellung des Langzeitgedächtnisses zu sehen. Abb2: Einteilung des Langzeitgedächtnisses Die Demenz vom Alzheimertyp greift das deklerative Gedächtnis an. Zuerst kommt es zu einer Störung des episodischen und später zu einer Störung des semantischen Gedächtnisses. Da das implizite Gedächtnis nicht von der SDAT betroffen ist, lässt sich erklären warum PatientInnen sich zum Beispiel nicht mehr an die Namen von Familienmitgliedern und Freunden erinnern, aber trotzdem noch immer beim Schachspielen gewinnen. Die Namen werden, da es sich um biographische Informationen handelt, im episodischen Gedächtnis gespeichert, welches zuerst von der Krankheit beeinträchtigt wird. Das Schachspielen ist im prozeduralen Gedächtnis verankert. Es gehört zu den Fertigkeiten die sich der/die Patient/Patientin zeitlebens Seite 4 angeeignet hat. Er/sie hat es so oft wiederholt, dass die Spielzüge unbewusst ablaufen (Kaulfersch, 2010b). 2.4. episodisches Gedächtnis Das episodische Gedächtnis ist Teil des deklerativen Gedächtnisses. Es ist wichtig für ein angemessenes soziales Verhalten (Kaulfersch, 2010a). Das episodische Gedächtnis speichert sowohl Informationen über Erfahrungen und bestimmte Ereignisse als auch biographische Informationen. Die Erinnerungen werden mit Emotionen verknüpft, die mit der Information in Zusammenhang stehen (Mastin, 2010a). Die verschiedenen Elemente eines Ereignisses werden auf visuelle, olfaktorische und auditive Zonen des Gehirns verteilt. Im Hippocampus werden sie miteinander verbunden, um so ein genaues Bild des Ereignisses zu formen. Wenn die Erinnerung an dieses Ereignis oft abgerufen wird, können sich die einzelnen Elemente so stark miteinander verbinden, dass die Verknüpfung im Hippocampus nicht mehr notwendig ist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn man durch ein bestimmtes Musikstück an ein Ereignis erinnert wird (Mastin, 2010a). 2.5. semantisches Gedächtnis Das semantische Gedächtnis ist ebenfalls Teil des deklerativen Gedächtnisses. Es speichert Fakten, Wissen allgemein, Weltwissen, berufliche Kenntnisse, Geschichte, Politik, etc. Außerdem wird es benötigt, um die grundlegende Bedeutung von Wörtern und Begriffen zu verstehen (Kaulfersch, 2010a). Die Fakten werden unabhängig von sowohl persönlicher Erfahrung als auch zeitlichem und räumlichem Kontext gespeichert. Es kann aber sein, dass Erinnerungen, die ins semantische Gedächtnis gewandert sind, einmal mit persönlichen Informationen und Emotionen in Verbindung gestanden waren, jetzt allerdings nur mehr Fakten darstellen. (Mastin, 2010a). 3. Diagnose von seniler Demenz vom Alzheimertyp Bei der Frühdiagnose eignen sich Tests wie die Mini-Mental-State-Exemination (MMSE). Des Weiteren ist im MRT und CT eine globale Hirnatrophie (oft Seite 5 frontotemporal betont) zu erkennen. Auch durch ein EEG kann die Diagnose gestützt werden. Hier sieht man eine allgemeine Verlangsamung des Grundtonus (Berlit, 2001). Jede Untersuchung beginnt mit einem Gespräch. Dadurch versucht der Arzt festzustellen, ob es kognitive Beeinträchtigungen gibt. Sehr wichtig ist hier die Anwesenheit einer Person, die dem/der Patienten/Patientin sehr nahe steht, da sich PatientInnen häufig nicht eingestehen, ein Problem zu haben. Darum ist es essentiell, dass eine Vertrauensperson die Antworten des/der Betroffenen bestätigt. Der/die Informant/Informantin soll beim Gespräch mit dem Arzt aber auch aus einem zweiten Grund anwesend sein. Die meisten PatientInnen mit Demenzen drehen beim Beantworten der Fragen den Kopf zu der Vertrauensperson und erwarten Hilfe oder Bestätigung von ihnen. Das liefert dem Arzt einen weiteren Hinweis, dass eine Demenz vorliegt (Lundbeck Institut, o.D.). Informationen über Funktionsveränderungen im Gehirn liefert auch die PET (Positronenemissionstomographie). Sie zeigt Veränderungen des Sauerstoff- und Glucosestoffwechsels, sowie der zerebralen Durchblutung. Da dieses Gerät nur in einigen hochspezialisierten Instituten zur Verfügung steht, wird es hauptsächlich in der Forschung und nicht in der Diagnostik eingesetzt (Lundbeck Institute, o.D.). Um eine sichere Diagnose stellen zu können, ist eine ausführliche soziale, familiäre und medizinische Anamnese genauso erforderlich, wie eine vollständige körperliche Untersuchung. (Lundbeck Institute, o.D.). 3.1. Mini-Mental-State-Examination Die Mini-Mental-State-Examination (MMSE) ist weit verbreitet, da sie mit einer entsprechenden Schulung relativ praktisch für Ärzte anwendbar ist. Sie gilt als einer der Grundpfeiler bei der Beurteilung des kognitiven Verfalls (Lundbeck Institute, o.D.). Die MMSE ist ein neuropsychologischer Test, der zur Diagnose von Alzheimer Demenz herangezogen wird. Die Durchführung dauert zwischen 10 und 15 Minuten und umfasst 11 Funktionsbereiche: Orientierung, Merkfähigkeit, Sprache, Lesen, Schreiben, Rechnen, Praxis, Erkennen, räumliches Denken und Aufmerksamkeit. In jedem dieser Bereiche werden Punkte vergeben. Insgesamt können 30 Punkte erreicht werden. Je nach der Höhe der Punktanzahl wird die Schwere der Demenz gereiht. Eine leichte Demenz liegt vor, wenn der/die Patient/Patientin zwischen 18 und 24 Punkten erreicht hat. 10 und 17 Punkte bedeuten eine mittelgradige, unter 10 Punkten eine schwere Demenz (Berlit, 2001). Allerdings können die Ergebnisse des MMSE auch von anderen Faktoren als der Demenzerkrankung beeinflusst werden. Die Anzahl der erreichten Punkte hängt von Seite 6 Bildungsstand, Intelligenz, Ausdrucks- und Funktionsfähigkeit ab. Dadurch geschieht es, dass intelligente PatientInnen mit hohem Bildungsstand, die sich gut ausdrücken können und über starke Kompensationsmechanismen verfügen, bei leichten Demenzen einen normalen Score erreichen können. Auf der anderen Seite können Personen mit schlechten Voraussetzungen ohne vorliegende Erkrankung den Punktestand einer beginnenden Demenz zeigen. Weiters können auch Beeinträchtigungen des Hör-, Seh- und Bewegungsvermögens Einfluss auf die Testergebnisse nehmen (Lundbeck Institute, o.D.). Wegener (2003) betrachtet die MMSE ebenfalls kritisch. Er untersucht und diskutiert in seiner Arbeit die testmethodischen Kriterien. Für ihn bestehen - neben den bekannten Einwänden – zusätzliche Zweifel an der Objektivität des Tests. Seiner Meinung nach handelt es sich sogar um einen Missbrauch, wenn die MMSE als Test zur Entscheidung herangezogen wird, wie mit dem/der Patienten/Patientin umgegangen werden soll. 4. Retrogenese Theorie Die Theorie der Retrogenese ist von Barry Reisberg aufgestellt worden. Sie stellt einen neuen Denkansatz nicht nur zur Entstehung, sondern auch zur Behandlung der SDAT dar. Reisberg et al. (1999) definieren Retrogenese als einen Prozess, bei dem sich die Kindheitsentwicklung auf Grund von degenerativen Mechanismen umkehrt. Wenn die Theorie richtig angewandt und verstanden würde, könne sie dabei helfen, Menschen mit SDAT adäquat und menschlich zu behandeln (Reisberg et al., 1999). Höhere Funktionen, die erst im späteren Leben erworben wurden, gehen als erstes verloren. Der Verlust von bestimmten Funktionen entspricht bestimmten Entwicklungsstadien des Menschen. Wenn das Entwicklungsstadium der PatentInnen richtig eingeschätzt wird, kann es den Angehörigen wichtige Informationen über die benötigte Unterstützung geben (Maier, 2002). In Abbildung 3 sind die sieben Stadien der Retrogenese und die benötigte Betreuung der PatientInnen angeführt. Seite 7 Abb.3.: Bedürfnisse demenzkranker Personen nach der Retrogenese Theorie Anmerkung: Aus "(Alzheimer) Demenz- eine Krankheit verstehen" von S. Weber, 2008, S. 29. FAST= Functional Assesment Stating 5. Trainingsmethoden Es gibt einige Risikofaktoren für Herz-Kreislaufkrankheiten und Insult, die mit Demenz in Zusammenhang gebracht werden. Darum hatten Heyn, Abreu und Ottenbacher (2004) die Hypothese aufgestellt, dass Trainingsprogramme zur Vorbeugung und Therapie von Herzkrankheiten auch eine positive Wirkung auf SDAT haben müssten. Sie machten ein Review von 30 Studien und verglichen die Ergebnisse. Die durchschnittliche Trainingsdauer betrug 23 Wochen, 3,6 Stunden pro Woche und 45 Minuten pro Einheit. Die meisten Studien hatten Gehen als Grundlage für das Trainingsprogramm festgelegt. Burns et al. (2008) wollten wissen, ob eine verbesserte kardiale Fitness zu einer verringerten Hirnatrophie und einer verbesserten kognitiven Leistungsfähigkeit bei PatientInnen mit SDAT führt. Als Standardmesswert wurde der maximale VO2 während eines genormten Laufbandtrainings gemessen. Yu und Kolanowski (2009) merken an, dass es keine klinischen Richtlinien für den Aufbau eines aeroben Trainingsprogrammes für Erwachsene mit der Demenz vom Alzheimertyp gibt. Darum haben sie ihr eigenes überwachtes und angeleitetes aerobes Trainingsprotokoll, das ohne Risiko an Personen mit milder bis moderater Demenz angewendet werden kann, entworfen. Die Autoren regen dazu an, ältere Personen vor Trainingsbeginn untersuchen zu lassen, um die Sicherheit der PatientInnen zu gewährleisten und um festzustellen, ob eine Teilnahme am Training überhaupt möglich ist. Seite 8 Ein sehr guter Weg, um aerobes Training bei älteren Personen zu fördern, ist die Verwendung des Liegefahrrads. Dieses Rad bietet komfortable Rückenunterstützung, fördert die Ausnützung des vollen ROM (Range of Motion, größte mögliche Gelenksbeweglichkeit) und den Gebrauch von großen Muskelgruppen an der unteren Extremität. Außerdem setzt die Benützung keine Erfahrung im Rad fahren voraus. Für das Training mit PatientInnen die an SDAT leiden, bietet das Liegefahrrad noch den weiteren Vorteil, dass die Radfahrbewegung das implizite Gedächtnis, welches bis zu den letzten Stadien der Krankheit intakt bleibt, benutzt. Damit kann es nach geringen Instruktionen auch von Personen benutzt werden, die noch nie mit dem Fahrrad gefahren sind (Yu & Kolanowski, 2009). Das Trainingsprogramm das von Yu und Kolanowski (2009) entwickelt worden ist, gliedert sich in drei Bereiche auf: Zuerst erfolgt eine Aufwärmphase von fünf Minuten, bestehend aus Dehnübungen und Gehen am Stand in lockerem Tempo. Danach folgt der Hauptteil. Hier müssen die PatientInnen für 10-30 Minuten mit dem Liegefahrrad bei moderater Intensität (60-65% der maximalen Herzfrequenz) fahren. Um die maximale Herzfrequenz zu erfahren, wird eine Formel herangezogen (220Lebensalter=maximale Herzfrequzenz). Zu Beginn fährt der/die Proband/Probandin ohne Widerstand am Liegefahrrad. Der/die Trainer/Trainerin erhöht anschließend alle zwei bis fünf Minuten den Widerstand stufenweise, bis 60-65% der maximalen Herzfrequenz erreicht sind oder der/die Proband/Probandin einen höheren Widerstand nicht mehr toleriert. Zum Abschluss gibt es 10 Minuten Cool-Down mit leichtem Ausfahren und Dehnungsübungen. In der Studie wurde das Trainingsprogramm drei Mal pro Woche über zwei Monate durchgeführt. Palleschi et al. (1996) führten ein dreimonatiges Trainingsprogramm an Ergometern durch, wobei sich die ProbandInnen zu Beginn und am Ende der drei Monate den gleichen Tests unterziehen mussten. Das Training wurde ebenfalls drei Mal pro Woche durchgeführt. Während die PatientInnen am Ergometer fuhren, wurde die Herzfrequenz überwacht. Die ProbandInnen sollten bei 70% ihrer maximalen Pulsfrequenz 20 Minuten lang fahren. Zu Beginn fuhren die PatientInnen zwei Minuten mit einer Belastung von fünf Watt. Danach wurde der Widerstand um jeweils 10 Watt pro Minute erhöht, bis die erforderliche Herzfrequenz erreicht war (Palleschi et al., 1996). Das Trainingsprogramm von Kemoun et al. (2010) unterscheidet sich von den anderen hier vorgestellten Programmen. Sie wollten nicht nur den Effekt auf die kognitive Leistung, sondern auch auf die Gehleistung und das Gleichgewicht beurteilen. Das Trainingsprogramm dauerte 19 Wochen, wobei die ersten und letzten zwei Wochen für Seite 9 verschiedene Tests reserviert waren. Trainiert wurde drei Mal pro Woche für jeweils eine Stunde. Jede Einheit bestand aus 10 Minuten Aufwärmen, einem 40 Minuten langen Hauptteil und einem 10-minütigen Cool-Down. In den ersten zwei Wochen wurden die PatientInnen mit Gelenksmobilisationen und Muskelstimulationen auf das Training vorbereitet. In den nächsten 13 Wochen wurde ein Trainingsprogramm, basierend auf Gehen, Gleichgewicht und Ausdauer absolviert. Eine Einheit pro Woche wurde für Gehen und die Verbesserung der Gehparameter verwendet. Die zweite Einheit zielte auf die Verbesserung der Ausdauer, durch Ergometertraining der oberen und unteren Extremitäten, ab. Die letzte Einheit bestand aus einer Kombination von Gehen, Ausdauer und Gleichgewichtstraining (z.B. Tanzen). Diese Einheit diente vor allem dazu, die Motivation zu erhalten und wurde daher immer unterhaltsam gestaltet (Kemoun et al., 2010). 6. Neurotransmitter Im menschlichen Gehirn gibt es 100 Milliarden Nervenzellen, die ständig miteinander in Verbindung stehen. Die Übertragung der Informationen geschieht auf zwei verschiedene Arten. Einerseits können die Informationen durch elektrische Impulse, andererseits durch verschiedene biochemische Moleküle, welche Neurotransmitter genannt werden, übertragen werden (Kraft, 2007). Neurotransmitter sind chemische Substanzen und als solche verantwortlich für die Signalübertragung zwischen den einzelnen Nervenzellen. Je nach Art des Botenstoffes haben sie depolariesiernede (erregende) oder hyperpolarisierende (hemmende) Wirkungen. Ein ausgeglichenes Verhältnis der Antagonisten ist wichtig für das Gleichgewicht des Systems. Das Zusammenspiel der Neurotransmitter hat großen Einfluss auf unsere Stimmung, Leistungsfähigkeit, Kreativität, unser Konzentrationsvermögen, Durchhaltevermögen und Gedächtnis. Sie werden in der Nervenzelle gebildet und bei Reizung von dieser ausgeschüttet. Die Substanz erzielt sofort nach Ausschüttung einen Effekt an der Zielnervenzelle, wobei die Wirkung durch einen Antagonisten gehemmt werden muss. (Kugler, o.D.). Gespeichert werden die Neurotransmitter in Vesikeln in den präsynaptischen Nervenendungen. Durch ein Aktionspotential öffnen sich die Vesikel und der chemische Botenstoff wird in den synaptischen Spalt freigesetzt. Von dort wandert er zur nächsten Nervenzelle, wie in Abbildung 4 zu sehen ist (Kraft, 2007). Seite 10 Abb.4: Synaptischer Spalt Anmerkung: Aus "Neurotransmitter: Eilboten im Gehirn" von U. Kraft, 2007. 6.1. Serotonin Serotonin zählt wie Amino Acetylcholin, Noradrenalin, Dopamin, GABA, Histamin, Adrenalin und verschiedene Aminosäuren zu den klassischen Neurotransmittern. Die Vorstufe von Serotonin (die Aminosäure Tryptophan) gelangt über Transportkanäle durch die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn. Dort bindet es sich an Serotoninrezeptoren. Es sind zurzeit 14 verschiedene Serotoninrezeptoren bekannt. Die Funktionen von Serotonin sind sehr vielfältig und beeinflussen unter anderem Schmerzempfindung, Bewegungssteuerung, Schlaf, Regulation der Hormonausschüttung und Gedächtnis (Kugler, o.D.). Ein ausreichend hoher Serotonin-Spiegel vermittelt auch das Gefühl der Zufriedenheit, Ausgeglichenheit und des Sattseins (Kraft, 2007). Da von Seratonin fast alle zentralneurologisch gesteuerten Funktionen beeinflusst werden, ist erklärbar, warum es bei vielen psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen, wie zum Beispiel SDAT, eine Rolle spielt (Kubesch, 2005). 6.2. Serotonin und Bewegung Durch Ausdauertraining ab 30 Minuten kann das Tryptophan, die Vorstufe von Serotonin, leichter die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Grund dafür ist, dass verzweigtkettige Aminosäuren, die mit dem Tryptophan um den Eintritt ins Gehirn konkurrieren, durch Bewegung vermehrt von der Muskulatur aufgenommen werden, wodurch die Transportkanäle für die Serotoninvorstufe frei bleiben. Weiters gibt es einige Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass durch Ausdauerleistung die Synthetisierung von Serotonin und dadurch auch die Ausschüttung des Seite 11 Neurotransmitters gesteigert wird. Ein erhöhter Serotoninspiegel führt zu einer höheren Dichte an Serotoninrezeptoren (Kubesch, 2005). Da direkte Neurotransmittermessungen aus ethischen Gründen nicht an Menschen durchgeführt werden, stammen die meisten Informationen aus Studien mit Tierexperimenten (Kubesch, 2005) 7. Auswirkungen des Trainings auf senile Demenz vom Alzheimertyp 7.1. Kognitive Funktionen Yu und Kolanowski (2009) führten verschiedene Tests durch, um die kognitiven Funktionen messen zu können: Stroop für exekutive Funktionen, CUSPAD (Columbia University Scale for Psychopathology in Alzheimer´s Disease), um psychologische Symptome und das Verhalten der PatientInnen mit SDAT zu erfassen, MMSE für die globale Kognition, IADL (Instrumental Activitys of daily living), um das Ausführen der wichtigsten Funktionen im Alltag messen zu können und PSMS (Physical Self Maintenance Scale) für die Basisaufgaben im Alltag. Am Ende des einmonatigen Trainings mussten die zwei ProbandInnen die Tests wiederholen. Es zeigte sich, dass es nur bei Stroop und CUSPAD eine Verbesserung bei den PatientInnen gab. Alle anderen Messwerte verschlechterten sich bei beiden ProbandenInnen. Bemerkenswert ist allerdings, dass der Stroop Test zu Beginn des Trainings keinen Ausgangswert ergab, da keiner der ProbandInnen die Aufgabenstellung verstand und dadurch nicht durchführen konnte. Durch ein einmonatiges Ausdauertraining konnten die exekutiven Funktionen, die psychologischen Symptome und das Verhalten verbessert werden (Yu & Kolanowski, 2009). Palleschi et al. (1996) bedienten sich einiger neuropsychologischer Tests, um die kognitive Leistung ihrer ProbandInnen vor Beginn des Trainingsprogrammes festzustellen. Die Autoren beurteilten die Aufmerksamkeit, die Art und Vielfalt der verwendeten Wörter in einem Gespräch und die MMSE. Nach dem drei Monate langen Ausdauertraining wurden alle Tests wiederholt, wobei Verbesserungen in allen neuropsychologischen Tests festgestellt werden konnten. Im Gegensatz zu Yu und Kolanowski fanden Palleschi et al. (1996) also auch einen höheren Wert der MMSE nach dem Training. Seite 12 Die Studie von Kemoun et al. (2010) verglich die Ergebnisse einer Versuchs- mit einer Kontrollgruppe. Die Versuchsgruppe absolvierte ein Trainingsprogramm über 19 Wochen, die Kontrollgruppe nicht. Vor Beginn des Trainings mussten die ProbandInnen aller zwei Gruppen den French ERFC (Rapid Evaluation of Cognitive Function) absolvieren. Dieser Test besteht aus 12 Untergruppen und bietet so eine umfassende Analyse der kognitiven Funktionen. Bei der ersten Testung war die Versuchsgruppe um 1,52 Punkte schlechter als die Kontrollgruppe. Dies stellte aber keinen signifikanten Unterschied dar. Nach dem 19-wöchigen Training wurde der Test wiederholt. Diesmal lag die Versuchsgruppe um 7,15 Punkte über der Kontrollgruppe. Das Ergebnis der Versuchsgruppe hatte sich im Vergleich signifikant verbessert, da ihre Punktezahl um 3,57 angestiegen war, während sich die Punkteanzahl der Kontrollgruppe im gleichen Zeitraum sogar um 5,1 Punkte verschlechtert hatte (Kemoun et al. 2010). Heyn, Abreu und Ottenbacher (2004) wählten für ihr Review 30 Studien mit insgesamt 2020 ProbandInnen aus. In jeder Studie gab es eine Trainings- und eine Kontrollgruppe. Die Daten wurden von den Autoren gesammelt und zusammengefasst. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Trainingsgruppen eine größere Verbesserung in kognitiven Funktionen und in Verhaltensweisen zeigten als die ProbandInnen der Kontrollgruppen. Burns et al. (2008) testeten den Zusammenhang zwischen maximalen VO2, globalen kognitiven Funktionen und Ergebnissen der MMSE. Bei PatientInnen in frühen Stadien der SDAT konnte kein Zusammenhang zwischen den oben genannten Punkten festgestellt werden. In der Kontrollgruppe zeigte sich allerdings, dass ProbandenInnen mit einem verbesserten Fitnesslevel auch bessere globale kognitive Funktionen besaßen. 7.2. Hirnatrophie In ihrem Review schreiben Yu und Kolanowski (2009), dass bei Studien an Tieren und Menschen Bewegung zu Verbesserungen in Struktur und Funktion des Gehirns führen. Personen die aerobes Training betrieben hatten, zeigten nach ihrem Tod bei einer Autopsie weniger Verslust an Hirnmasse als Personen, die keinen Sport betrieben hatten. Dies galt sowohl für Gesunde als auch für Menschen mit organischen Hirnstörungen. Koppelte man Bewegung mit Gedächtnistraining, fand man eine vergrößerte graue Substanz im Hippocampus. In der Studie von Burns et al. (2008) zeigten alle ProbandInnen mit diagnostizierter SDAT eine feststellbare Hirnatrophie. Die Hypothese der Studie lautete, dass eine Seite 13 verbesserte kardiale Fitness mit weniger Hirnatrophie und besserer kognitiver Leistung bei PatientInnen mit SDAT verbunden ist. Tatsächlich fanden die Autoren einen Zusammenhang zwischen maximalen VO2, Hirnatrophie und Kognition. Bei PatientInnen in frühen Stadien der SDAT hatte Training einen positiven Effekt auf die graue und die weiße Substanz im Hirn. Höherer Fitnesslevel führte zu mehr Hirnvolumen. Kardiale Fitness mäßigt Hirnatrophie auf Grund von SDAT. Diese Aussage wird durch Tierversuche unterstützt. Durch körperliche Aktivität wird das Überleben der Neurone im Hirn verbessert, die Durchblutung gesteigert und das Wachstum von Hirnarealen, die wichtig für das Gedächtnis sind, angeregt (Burns et al., 2008). 7.3. Durchblutung des Gehirns Wie oben schon erwähnt, zählen für Dal-Bianco (2008) Erkrankungen, die zu Arteriosklerose führen, und damit die Durchblutung verschlechtern, zu den Risikofaktoren für die Entstehung von SDAT. Laut Maier (2002) sieht man bei 15% der an SDAT erkrankten Personen Gefäßveränderungen im Gehirn. Aerobes Training führt zu einer vermehrten Gefäßbildung im Gehirn und dadurch zu einer verbesserten Durchblutung (Yu & Kolanowski, 2009). Burns et al. (2008) kommen zu dem Schluss, dass eine verbesserte Fitness durch erhöhte physische Aktivität zu einer vermehrten Durchblutung des Gehirns führt. 8. Diskussion 8.1. Auflistung der wichtigsten Literatur Im Folgenden ist die wichtigste Literatur, die in dieser Arbeit verwendet wurde, aufgelistet. Seite 14 Tabelle 1 Auflistung der wichtigsten Literatur Jahr Autor Titel Methode 2007 Berlit, P. Basiswissen Sachbuch Neurologie Neurologie; Kapitel geeigneter Test zur über SDAT Ergebnis über Die MMSE ist ein und Frühdiagnose Diagnose 2008 Burns, J. M., Cardiorespiratory H. über SDAT. den Erhöhte and Zusammenhang kardiale steht im Brain Atrophy in zwischen kardialer Zusammenhang mit Cronk, B. B., Fitness Anderson, Studie von S., Early Alzheimer’s Fitness, Fitness verringerter Donnelly, J. Disease Hirnatrophie und Hirnatrophie in E., Thomas, globaler Kognition PatientInnen mit G. P., in PateintInnen mit SDAT. Harsha A., SDAT. Brooks, W. M. & Swerdlow, R. H.. 2004 Heyn, P., The of Review Effects von Training erhöht die Abreu, B. C. Exercise Training Studien, um Fitness, & ob und on Elderly festzustellen, Ottenbacher, Persons K. J. With Training Cognitive kognitiven einen Funktionen und positiven Effekt auf beeinflusst das Impairment and PatientInnen Dementia: A SDAT hat. Meta-Analysis physischen mit Verhalten PatientInnen von mit SDAT positiv. Seite 15 2010 Kemoun, G., Effects of a Trainingsprogramm Durch das Training Thibaud, M., Physical Training mit drei Einheiten kann Roumagne, Programme on zu je 60 Minuten Verfall N., Carette, Cognitive kognitive verlangsamt pro Woche über 19 und die Gangqualität and Wochen. Je eine verbessert werden. P., Albinet, Function C., Walking Toussaint, Efficiency Einheit für in Gangleistung, Persons Ausdauer L., Paccalin, Elderly der M. & Dugué, with Dementia Kombination B. Gehen, und aus Gleichgewicht und Ausdauer. 38 ProbandInnen in 2 Gruppen: Trainingsgruppe (20 ProbandInnen), Kontrollgruppe (18 ProbandInnen) 2002 Maier, K. F. Sachbuch Alzheimer Demenz. und über SDAT Rat SDAT. Hilfe ist Krankheit für die des Jahrhunderts. Angehörige 1996 Palleschi, L., Effect of Aerobic Ausdauertraining, Aerobes Vetta, F., De Training on the drei Mal pro Woche Ausdauertraining Gennaro, E., Cognitive Idone, G., Performance Sottosanti, G., mindestens Elderly W. Marigliano, of Minuten über drei Verbesserung Patients Monate; Gianni, with & Dementia 25 kann eine signifikante Senile männliche der 15 kognitiven Funktionen hervorrufen. of Probanden Alzheimer Type V. Seite 16 1996 Palleschi, L., Effect of Aerobic Ausdauertraining, Aerobes Vetta, F., De Training on the drei Mal pro Woche Ausdauertraining Gennaro, E., Cognitive Idone, G., Performance Sottosanti, G., mindestens Elderly W. of Minuten über drei Verbesserung Patients Monate; Gianni, with der 15 kognitiven Funktionen Senile männliche & Dementia Marigliano, 25 kann eine signifikante hervorrufen. of Probanden Alzheimer Type V. 1999 Reisberg, B., Retrogenesis: Wissenschaftlicher Franssen, E. clinical, Artikel H., über M., pathologic Theorie Monteiro, I., mechanisms in Boksay, I., brain Souren, L. Alzheimer’s and E. Retrogenese die Theorie ist ein neues Hasan, physiologic, and Retrogenese S. Die aging, Modell, um PatientInnen mit SDAT richtig zu und zu betreuen therapieren. M., other dementing Kenowsky, processes S., Auer, S. R., Elahi, S. & Kluger, A. 2009 Yu, F. & Facilitating Aerobes Verbesserung Kolanowski, Aerobic Exercise Ausdauertraining, A. Training in Older drei Adults Mal der exekutiven 25-45 Funktionen, der with Minuten pro Woche psychologischen Alzheimer’s über zwei Monate; Symptome und des Disease zwei ProbandInnen Verhaltens. (75-jähriger und Mann 86-jährige Frau) Seite 17 2005 Kubesch, S. Das Bewegte Auswirkungen von Durch Gehirn. Bewegung Exekutive Neurotransmitter Funktionen auf Ausdauertraining gelangt und im Gehirn. Serotonin leichter in das Gehirn. körperliche Aktivität 2003 Wegener B. Zur Diskussion: Kritische Die MMSE ist kein Kritische Beleuchtung Anmerkungen MMSE zur der neuropsychologischer Test, obwohl sie als Anwendung solcher verwendet des Mini-Mental- wird. Es gibt bessere Status-Tests Methoden, um SDAT zu diagnostizieren. 2008 Dal-Bianco, Alzheimer: Artikel über P. Risikofaktoren Auswirkung der Risikofaktoren und Genetik Genetik und Erkrankungen, die zu Risikofaktoren die Die größten sind für Arteriosklerose SDAT. führen. Es gibt nur ein Gen, Risiko das das erhöht, an SDAT zu erkranken. Im Folgenden werden einige Aspekte der oben genannten Literatur genauer beschrieben und zum Teil auch kritisch hinterfragt. 8.2. Kritische Beleuchtung der Literatur Besonders hervorzuheben sind die Ergebnisse von Kemoun et al. (2010). Sie fanden heraus, dass sich die kognitiven Funktionen der Versuchsgruppe nach dem Training geringfügig verbessert hatten, wobei sich die Kontrollgruppe gleichzeitig verschlechterte. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass durch Training die kognitiven Funktionen von SDAT PatientInnen zwar nicht großartig gesteigert werden können, aber der Verfall durchaus verlangsamt werden kann. Seite 18 Wie oben bereits erwähnt, stellt die MMSE einen Grundpfeiler zur Beurteilung des kognitiven Verfalls dar. Sie ist in psychologischen Kreisen sehr beliebt, da sie - ähnlich den üblichen klinischen Befragungstechniken – schnell durchführbar ist und eine scheinbar leichte Ablesbarkeit der Diagnose ermöglicht (Wegener, 2003). Berlit (2001) bezeichnet sie als neuropsychologischen Test. Dem widerspricht Wegener (2003). In seiner Arbeit über die kritische Betrachtung der MMSE zeigt er auf, dass die Bezeichnung Test (im deutschen Sprachraum) oder Examination (im englischen Wortgebrauch) irreführend ist. Die MMSE ist demnach kein neuropsychologischer Test und erfüllt auch nur zum Teil testtheoretische Kriterien. Im Handbuch zur Verwendung der MMSE wird sie abwechselnd als Skala und als Test bezeichnet (Wegener, 2003). Wegener (2003) betrachtet das ganze Handbuch zur MMSE sehr kritisch. Er schreibt, dass es oftmals keine Angaben zur Größe der Stichproben gibt, das Alter der ProbandInnen nicht angegeben wird, die Mittelwerte willkürlich gewählt zu sein scheinen und verschiedene Studien auf verschiedene Werte kommen. Die Genauigkeit der MMSE bei beginnenden Demenzen ist in Frage zu stellen. Zudem ist es erstaunlich, dass verschiedene Demenzen nicht voneinander unterschieden werden können (Wegener, 2003). Das Lundbeck Institute (o.D.) merkt an, dass das Bildungsniveau der PatientenInnen Einfluss auf das Testergebnis nimmt. Wegener (2003) kritisiert die Bewertung von Minderbegabten. Es wird lediglich unterschieden, ob jemand länger als acht Jahre zur Schule gegangen ist oder nicht. „Dass es sich hierbei um keine angemessene Methode handelt, dürfte nach PISA evident sein“ (Wegener, 2003, S.156). Weitere Kritikpunkte, die Wegener (2003) anspricht, sind die Auswertung der Aufgaben und die Scoreverteilung. So fragt er sich, ob beispielsweise das rückwärts Zählen oder das rückwärts Buchstabieren (in Aufgabe 3) gleichwertig sind. Für die MMSE gibt es keine klaren Richtlinien dafür, welche anderen Erkrankungen und Medikationen ausgeschlossen sein müssen und welche Rolle die Psyche und Emotionen spielen. Gerade weil es keine Vorgaben für das Umfeld während des Tests gibt, spielen diese Faktoren eine große Rolle. Ältere Menschen können sich oftmals nicht gut an neue Umgebungen anpassen und reagieren verwirrt und unschlüssig (Wegener, 2003). Der Autor geht sogar so weit, zu sagen, dass ohne Vorgaben für das Setting des Tests der Eindruck entsteht, dass mit der MMSE nur untersucht wird, was der Arzt ohnehin schon im Vorhinein weiß und mit der Untersuchung daher nur ein Beleg erbracht werden soll. Es stellt sich also die Frage, ob dieses Verfahren, als Standartuntersuchung, um PatientInnen auf SDAT zu testen, zulässig ist. Für Wegener (2003) ist es zumindest kritisch zu betrachten und die Verwendung der MMSE als Test missbräuchlich. Seite 19 Beim 42. Kongress für Allgemeinmedizin in Graz, im November 2011, gab Dr. med. Hans G. Lauchert im Rahmen seines Symposiums Hinweise darauf, dass bestimmte Apraxie Tests ebenfalls zur Diagnosestellung von SDAT herangezogen werden können. Diese Tests seien sogar besser geeignet als die MMSE. Leider konnte keine Literatur zu dieser Behauptung gefunden werden und Dr. med. Lauchert zu keiner Stellungnahme zu diesem Thema bereit. Durch die Retrogenese Theorie von Reisberg können Hilfe und Betreuungserfordernisse für Patient/Patientin gut abgelesen werden. Trotzdem findet sie in den hier verwendeten Studien kaum Beachtung. Es wird meist von den Ergebnissen der MMSE ausgegangen, welche einerseits - wie oben erwähnt zumindest fragwürdig sind, und andererseits keine Aussage darüber treffen, wie beeinträchtigt die Person in der Bewältigung ihres Alltags ist. Die meisten Autoren nehmen die Ergebnisse der MMSE als Ausgangspunkt für ihre Studien. Anschließend wird eine Intervention, hier in Form eines Trainingsprogramms, gesetzt und abschließend beurteilt, ob sich der Score dadurch verbessert hat. Im Grunde wird dadurch aber nur beurteilt, ob die globale Kognition besser oder schlechter geworden ist. Darüber, ob der/die Patient/Patientin besser im Alltag zu Recht kommt, kann keine Aussage getroffen werden. Sinnvoller wäre es, die Stadien der Retrogenese heranzuziehen und zu beurteilen, ob sich hier etwas verändern lässt. So kann nämlich beurteilt werden, ob PatientInnen mehr oder weniger Hilfe und Betreuung benötigen. Und nur dadurch kann festgestellt werden, ob sich ein finanzieller Nutzen für das Gesundheitssystem ergibt oder nicht. Yu und Kolanowski (2009) entwickelten ihr eigenes Trainingsprogramm, in dem die PatientInnen mit dem Liegefahrrad bei 60-65% der maximalen Herzfrequenz fahren mussten. Die Ermittlung der maximalen Herzfrequenz erfolgte durch eine Formel. Die Errechnung durch eine Formel kann allerdings niemals so genau sein wie die direkte Austestung der Einzelperson. Das Liegefahrrad, das Yu und Kolanowski (2009) als Trainingsgerät verwenden, beansprucht das implizite Gedächtnis, welches unbewusst abläuft und Fertigkeiten und Fähigkeiten speichert. Da dieses bis zum höchsten Stadium der Erkrankung intakt bleibt, können auch noch davon betroffene Personen das Fahrrad benützen. Yu und Kolanowski (2009) decken in ihrer Arbeit zwei große Kritikpunkte auf. Zum einen gibt es keine klinischen Richtlinien zum aeroben Ausdauertraining für PatientInnen mit SDAT, zum anderen gibt es nur äußerst dürftige Evidenzen über die Effekte von Ausdauertraining auf globale Kognition, ADL´s, psychologische Symptome und Verhalten. Die Autoren merken an, dass es wichtig ist, ein gut durchdachtes und getestetes Trainingsprogramm zu entwickeln, um Antworten auf die oben genannten Seite 20 Effekte zu bekommen. Die wenigen veröffentlichten Studien enthalten keine adäquaten Beschreibungen über den Ablauf des jeweiligen Trainingsprogramms. Yu und Kolanowski (2009) regen an, Messungen der oben genannten Punkte in das Trainingsprogramm aufzunehmen, um so die Effekte des aeroben Ausdauertrainings auf PateintInnen mit SDAT bewerten zu können. Ein gutes Beispiel für die inadäquate Beschreibung des Trainingsprogramms ist die Studie von Palleschi et al. (1996). In ihr wird zwar relativ genau angegeben, wie die Einheiten aufgebaut waren, wie lange sie dauerten und wie oft pro Woche sie durchgeführt wurden. Darüber, wie lange das Programm insgesamt dauerte, gibt es aber unterschiedliche Angaben. Im Abstract wird die Länge mit drei Monaten angegeben. Auch in der Beschreibung des Trainingsprogramms ist zunächst von drei Monaten die Rede. Danach wird aber angegeben, dass die PatientInnen bereits nach drei Wochen Trainingsprogramm verschiedene Tests wiederholen mussten. Auch im Titel einer Tabelle, in der die Ergebnisse der Tests aufgelistet sind, steht, dass das Trainingsprogramm drei Wochen gedauert hat. Es wird also genauso oft von drei Monaten wie von drei Wochen geredet. Sollte das Training tatsächlich nur drei Wochen gedauert haben, so ist es äußerst fragwürdig, ob es in dieser kurzen Zeit wirklich zu einer Veränderung der Testergebnisse kommen konnte. Ein Vorteil der Studie von Palleschi et al. (1996) ist allerdings die drei Wochen dauernde Ausschwemmungsphase für Medikamente. Erst danach wurden die relevanten Tests durchgeführt. Natürlich sind drei Wochen eine geringe Zeit, wenn die Medikamente schon lange zuvor eingenommen worden sind. Dennoch handelt es sich bei Palleschi et al. um die einzigen Autoren der hier verwendeten Studien, die überhaupt auf die Medikation der PatientInnen eingehen und versuchen, sie zu berücksichtigen. Burns et al. (2008) wollten untersuchen, ob eine verbesserte kardiale Fitness mit weniger Hirnatrophie und besserer kognitiver Leistung verbunden ist. Es wird genau beschrieben, wie die kardio-respiratorische Fitness festgestellt und mit welchen Tests und Skalen die physische Aktivität und die Fragilität der ProbandInnen bewertet worden ist. Allerdings gab es kein Trainingsprogramm, das die ProbandInnen durchführen mussten. Burns et al. (2008) verglichen die Werte von zwei Gruppen miteinander. Eine bestand aus 64 nicht an Demenz erkrankten Personen, die andere aus 57 ProbandInnen mit SDAT. Beide Gruppen mussten die gleichen Tests und Untersuchungen machen. Die Ergebnisse wurden im Anschluss miteinander verglichen. Als Conclusio schreiben die Autoren, dass eine Reduzierung der von SDAT verursachten Hirnatrophie im Zusammenhang mit verbesserter kardialer Fitness steht. Da kein Training durchgeführt wurde, um die Ausdauerleistung der ProbandInnen zu Seite 21 steigern, ist es fraglich, ob diese Aussage genauso übernommen werden kann. Sinnvoller wäre es wahrscheinlich gewesen, die Hirnatrophie und die kardiale Fitness der ProbandInnen beider Gruppen zu messen, danach ein Trainingsprogramm als Intervention zu setzten und anschließend die Untersuchungen zu wiederholen. Wenn die Aussage der Autoren danach noch immer bestätigen würde, könnte davon ausgegangen werden, dass eine bessere kardiale Fitness die Hirnatrophie auf Grund von SDAT verringerte. Ein weiteres Problem der Studien sind die ProbandInnenenzahlen. So führten beispielsweise Yu und Kolanowski (2009) eine Studie mit nur zwei PatientInnen durch. Sie hatten zunächst zehn ProbandInnen vorgesehen, doch zwei konnten die Aufnahmekriterien nicht erfüllen und sechs weitere hatten den gleichen Hausarzt, welcher keine Freigabe erteilte. Die Autoren schreiben, dass der Arzt nicht einwilligte, weil er nicht im Vorhinein über die Studie informiert worden war. So blieben Yu und Kolanowski (2009) nur zwei ProbandInnen über, ein 75 Jahre alter Mann und eine 89 Jahre alte Frau. Die Autoren kamen am Ende der Studie zu dem Schluss, dass Ausdauertraining das Potential hat, Symptome von SDAT zu mildern. Bei einer Untersuchung mit nur zwei ProbandInnen ist die Aussagekraft des Ergebnisses allerdings äußerst fragwürdig, sodass zu deren Bestätigung Studien mit mehr ProbandInnen durchgeführt werden müssten. Dies merken Yu und Kolanowski (2009) auch selbst in der Diskussion ihrer Studie an. Palleschi et al. (1999) hatten in ihrer Studie ebenfalls nur 15 Probanden. Auch das ist eine zu geringe Anzahl, um Schlüsse auf die Gesamtzahl der an SDAT erkrankten Personen zu ziehen. Ein anderer Kritikpunkt ist, dass ausschließlich männliche Probanden in der Studie mitwirkten. Es leiden aber auch viele Frauen an SDAT. Die Ergebnisse der Studie waren zwar durchaus positiv, können aber, wenn überhaupt, nur für Männer gelten, da die Intervention nicht an Frauen untersucht wurde. Wenn man bedenkt, dass laut Berlit (2007) Frauen ein 20-30-fach höheres Risiko haben an SDAT zu erkranken als Männer, macht es wenig Sinn, eine Studie über SDAT nur mit männlichen Probanden zu machen. Die einzigen Autoren, die eine ausreichend große Anzahl an ProbandInnen zur Verfügung hatten, sind Heyn, Abreu und Ottenbacher (2004). Sie untersuchten 30 verschiedene Studien mit insgesamt 2020 ProbandInnen. Daraus ergibt sich allerdings das Problem, dass Trainingsprogramme jede sowie Studie anders aufgebaut Einschlusskriterien für ist und ProbandInnen verschiedene und andere Widerbefundparameter angewendet wurden. Das macht es schwierig, die Studien miteinander zu vergleichen. Auch hier wäre ein einheitliches Studiendesign förderlich, Seite 22 um die Ergebnisse vergleichbar zu machen. Andererseits ist aber auch klar, dass die einzelnen Studien jeweils unterschiedliche Untersuchungsansätze beinhalten. Auch Kubesch (2005) schreibt, dass es schwierig ist, die Ergebnisse einzelner Studien, die sich mit dem Einfluss von körperlicher Aktivität auf den Serotoninspiegel beschäftigen, zu vergleichen. Es gibt keine einheitlichen Studiendesigns, Messmethoden, statistische Verfahren und Ausdauerbelastungen. Ebenso werden für die Tierversuche unterschiedliche Tierarten verwendet. Kubesch (2005) merkt an, dass die Stressoren, denen die Tiere ausgesetzt werden, einen ebenso großen Einfluss auf das Untersuchungsergebnis haben wie das Geschlecht der Versuchsobjekte. Ein direkter Vergleich der Studien kann somit auch hier nicht gemacht werden. Wichtig wäre es daher, standardisierte Testverfahren festzulegen. Diese sollten unter anderem genaue Angaben über Tierart, Messverfahren, Ausdauerbelastung usw. enthalten, um die Studien vergleichbar zu machen. Ein weiterer Punkt, der intensiver Forschung bedarf, ist der Zusammenhang zwischen Risikofaktoren für Gefäßerkrankungen und der Entstehung für SDAT. Dal-Bianco (2008) zählt Hypertonie, Diabetes Mellitus, Nikotin Abusus und Hyperlipidämie zu den Risikofaktoren für SDAT, da sie auch als Risiken für Arteriosklerose angesehen werden. Sie gelten aber auch als Faktoren, die Herz-Kreislauferkrankungen fördern. Es wäre also äußerst interessant zu untersuchen, wie sich Therapien, die ursprünglich für PatientInnen mit Herz-Kreislaufproblemen gedacht waren auf SDAT auswirken. Die Studie von Burns et al. (2008) geht bereits in diese Richtung. Sie untersucht den Zusammenhang zwischen kardialer Fitness und SDAT. Allerdings verwenden sie, wie vorhin schon erwähnt, kein Trainingsprogramm. Es wäre sinnvoll, klinische Richtlinien für das Training mit PatientInnen mit Herz-Kreislauferkrankungen auch als Vorlage für das Training mit an Demenz erkrankten Personen heranzuziehen. 9. Conclusio Ausdauertraining wirkt sich positiv auf das Leben von an seniler Demenz vom Alzheimertyp erkrankten Personen aus, da kognitive Leistungen verbessert werden können. Das Training fördert auch die Durchblutung des Gehirns und führt zusätzlich zu einer Verringerung der Hirnatrophie. Um die positiven Effekte genauer beleuchten zu können, sollten allerdings noch mehr Studien mit jeweils höheren Zahlen an ProbandInnen sowie einheitlichem Studiendesign durchgeführt werden. Wörter: 6412 Seite 23 10. Literaturverzeichnis Berlit, P. (2007). Basiswissen Neurologie. Heidelberg: Springer Medizin Verlag. Burns, J. M., Cronk, B. B., Anderson, H. S., Donnelly, J. E., Thomas, G. P., Harsha A., Brooks, W. M. & Swerdlow, R. H. (2008). Cardiorespiratory Fitness and Brain Atrophy in Early Alzheimer’s Disease. Neurology,71(3), 210-216. Dal-Bianco, P. (2008). Health Center: Alzheimer. Fakten. In Risikofaktoren und Vererbung. Download am 18.04.2012 von http://www.netdoktor.at/health_center/alzheimer/risikofaktoren.shtml Heyn, P., Abreu, B. C. & Ottenbacher, K. J. (2004). The Effects of Exercise Training on Elderly Persons With Cognitive Impairment and Dementia: A Meta-Analysis. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation, 85(October), 1694-1704. Kaulfersch, A. (2010a, Jänner). Physiotherapeutischer Prozess Nervensystem: Gedächtnis: Grundlagen, Diagnostik, Therapie. Vorlesung Physiotherapie Jahrgang 2009 Kaulfersch, A. (2010b, Jänner). Physiotherapeutischer Prozess Nervensystem: Degenerative Hirnerkrankungen- motorische und kognitive Störungen. Vorlesung Physiotherapie Jahrgang 2009 Kemoun, G., Thibaud, M., Roumagne, N., Carette, P., Albinet, C., Toussaint, L., Paccalin, M. & Dugué, B. (2010). Effects of a Physical Training Programme on Cognitive Function and Walking Efficiency in Elderly Persons with Dementia. Dementia and Geriatric Cognitive Disorders,29, 109-114 Kraft, U. (2007). Health Center: Gehirn & Nerven. In Neurotransmitter: Eilboten im Gehirn. Download am 11.04.2012 von http://www.netdoktor.at/health_center/gehirn/neurotransmitter.shtml Kubesch, S. (2005). Das Bewegte Gehirn. Exekutive Funktionen und körperliche Aktivität. Ulm: Medizinische Fakultät. Kugler, H. G. (o.D.). Orthomolekulare Medizin. In Neurotransmitter. Download am 11.04.2012 von http://www.angst- depressionen.com/Orthomolekulare_Medizin/Neurotransmitter/Neurotransmitter_Nerve nsystem.html Lundbeck Institute (o.D.). Erkrankungen des Gehirns. In Demenz. Download am 28.02.2012 von http://de.brainexplorer.org/dementia/Dementia_Diagnosis.shtml Maier, K. F., (2002). Alzheimer Demenz. Rat und Hilfe für Angehörige (1. Auflage). Leoben: Verlag des Österreichischen Kneippbundes. Mastin, L. (2010a). Types of Memory. Long-Term Memory. In Episodic & Semantic. Download am 18.04.2012 von http://www.human-memory.net/types_episodic.html Mastin, L. (2010b). Types of Memory. Long-Term Memory. In Declerative & Procedurale. Download am 18.04.2012 von http://www.human- memory.net/types_declarative.html Österreichische Alzheimergesellschaft (o.D.). Information. In Zahlen und Statistik. Download am 21.02.2012 von http://alzheimer.mcw-portal.com/index.php?id=46 Palleschi, L., Vetta, F., De Gennaro, E., Idone, G., Sottosanti, G., Gianni, W. & Marigliano, V. (1996). Effect of Aerobic Training on the Cognitive Performance of Elderly Patients with Senile Dementia of Alzheimer Type. Archives of Gerontology and Geriatrics,5, 47-50. Reisberg, B., Franssen, E. H., Hasan, S. M., Monteiro, I., Boksay, I., Souren, L. E. M., Kenowsky, S., Auer, S. R., Elahi, S. & Kluger, A. (1999). Retrogenesis: clinical, physiologic, and pathologic mechanisms in brain aging, Alzheimer’s and other dementing processes. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience,249(3),III/28-III/36 Weber, S. (2008). (Alzheimer) Demenz- eine Krankheit verstehen. Download am 23.04.2012 von http://www.integra.at/files/Mag.%20Sabine%20Weber%20- %20Demenz%20-%20eine%20Krankheit%20verstehen%20Teil%201.pdf Wegener B. (2003). Zur Diskussion: Kritische Anmerkungen zur Anwendung des MiniMental-Status-Tests. Zeitschrift für Gerontopsychologie & -psychiatrie, 16(4), 153-157. Yu, F. & Kolanowski, A. (2009). Facilitating Aerobic Exercise Training in Older Adults with Alzheimer’s Disease. Geriatric Nursing,30(4), 250-259. Anhang1: Mini-Mental-State-Examination