Werte haben ihren Preis Hans Mendl „Wert“ einer der unaufgeklärtesten Begriffe in der Pädagogik Werte: Leitvorstellungen, die ein wünschenswertes und allgemein akzeptiertes Ziel bezeichnen und so das ethische Handeln bestimmen. A. Entmythologisierung der Werte-Diskussion Entgegen dem feststellbaren Werteverlust in unserer Gesellschaft, besonders bei Jugendlichen, müssen an Schulen verstärkt Werte vermittelt werden. Entmythologisierung I „Katastrophentheorien des Jugendalters“ Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Inschrift auf einer babylonischen Tontafel ca. 1000 v. Chr. Entmythologisierung I Shell-Studie 2010 - Wiederaufstieg der Sekundärtugenden seit den 90er Jahren - persönliche Bindungen: immer wichtiger (Familie, Partnerschaft, Freundschaft) - eigenverantwortlich leben [zusammen mit …] - Leistung und Genuss: auf höherem Niveau als bei anderen Kohorten! „Für Lehrer, Ausbilder und Arbeitgeber, die zumeist dem klassischen Moralschema anhängen, ist es sicher nicht einfach, mit dieser Eigenart der heutigen Jugend umzugehen“ (Shell 2010, 199) - gesundheitsbewusst leben - sinkende Toleranz (?) Entmythologisierung I Entmythologisierung I Entmythologisierung II Schule als (ethische) Feuerwehr der Nation Entmythologisierung II Entmythologisierung III Vermittler von Fachwissen Werte-Vermittler Moderator von intensiven ethischen Diskussionsrunden Lebens-Prozess-Begleiter Vertreter des kirchlichen Lehramtes (missio!) Lernpartner der Schüler Sozialarbeiter authentischer Zeuge gelebten Christentums …… …… Entmythologisierung III Konzepte der Moralerziehung - romantische Erziehungsphilosophie - technologische Erziehungsphilosophie - progressive Erziehungsphilosophie (Diskurs-, Handlungsethik) Entmythologisierung III Nachahmungslernen Entmythologisierung III Moralisch lernen durch Belehrung „Gute-Samariter-Experiment“ John M. Darley und C. Daniel Bateson (1973) Entmythologisierung III B. Ziele ethischer Bildung Moral Ethik Inbegriff von Werten und Normen Reflexion von moralischem Verhalten Rücksicht nehmen Ziele von Moralerziehung Zielfindung Materiale Ethik Prozessregeln formaler Ethik 1. Partnerschaft, Ehe – z.B. Treue, Liebe, Achtung moralisch urteils- und entscheidungsfähig werden 2. Zwischenmenschliche Beziehung – z.B. Diakonie, Umgang im Alltag 3. Arbeits- und Berufsmoral – z.B. Zuverlässigkeit, Unbestechlichkeit 4. Öffentlich-politische Moral – z.B. Gemeinsinn, Zivilcourage 5. Umweltmoral 6. Ethik der Wissenschaften Ziele von Moralerziehung Sachstrukturen erfassen, Sachanalysen mit Wertund Sinnfragen verknüpfen über ethische Fragen kommunizieren lernen zum ethischen Handeln angeregt werden Bildung ist Selbstbildung Ziele von Moralerziehung Pädagoge pais ago – ich führe ein Kind Herakles und sein alter Lehrer Linos Ziele von Moralerziehung Schulgang Jesu (Frauenkirche Nürnberg) C. Wege ethischer Bildung Franz E. Weinert Erwerb von intelligentem Wissen Erwerb von lebenspraktischem Anwendungswissen Variable Formen der direkten Instruktion Formen des situierten Lernens: Projektarbeit, Gruppenunterricht, Teamarbeit, kreatives Üben Erwerb von Strategien des Lernens-Lernens Methoden des selbständigen Lernens, offenen Unterrichts Erwerb von Handlungs- und Wertorientierungen variables Instrumentarium erkenntnis- und erlebnisintensiver Methoden, Schulkultur, Vorbild, Reflexionsklima nach: Franz E. Weinert, Neue Unterrichtskonzepte zwischen gesellschaftlichen Notwendigkeiten, pädagogischen Visionen und psychologischen Möglichkeiten, in: Wissen und Werte für die Welt von morgen. Dokumentation zum Bildungskongress des Bayerischen Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst, München 1998, 101-125. Diskurs Handeln und Praxis Eltern- und LehrerVorbild Schulkultur und Wertgemeinschaft Wege der Werteerziehung Lernen an Dilemmageschichten 1. Ethik lernen – thematisch im Unterricht 1. Ethik lernen – thematisch im Unterricht 1. Ethik lernen – thematisch im Unterricht Mohamed-Karikaturen Sie fahren am Sonntag schnell in die Schule, um noch Arbeitsblätter für den nächsten Schultag zu kopieren. Vom Kopierraum aus sehen Sie, wie zwei Schüler – einer ist türkischer Abstammung, der andere Ministrant in ihrer Pfarrei – an die Mauer der Fahrradhalle gerade ihr Werk mit den Spraydosen vollendet haben und sich aus dem Staub machen: „Rache vür Mohammet und Jesus“. Am nächsten Tag frägt der Schulleiter nach, ob jemand etwas Auffälliges gesehen hat. Sie wissen, dass der eine „Täter“ (der Ihnen wegen seiner auch sonstigen Zivilcourage eigentlich recht sympathisch ist!) bereits mehrere Zusammenstöße mit dem Schulleiter hatte und evtl. die Schule verlassen müsste, falls … Wert-Erziehung … in Geschichte, Sozialkunde, Erdkunde … im Deutschunterricht … im Fremdsprachenunterricht … in Wirtschaftslehre … in Biologie, Chemie, Physik … in Mathematik 1. Ethik lernen – thematisch im Unterricht Werte-Erziehung im Mathematikunterricht Klasse 7: Prozentrechnung und Rauchen – Der Wert der Prozentrechnung zur Abschätzung der Vorteile und Risiken des Rauchens Klasse 8/9: Mitgliederbeitrag im Sportverein – verschiedene Interessen führen zu verschiedenen Ergebnissen „Ein Sportverein hat 3500 Mitglieder, davon 2000 Jugendliche. Diesen zahlten bisher 3 € Monatsbeitrag, die Erwachsenen 4 €. Die gesamten Beitragseinnahmen müssen auf 24.500 € monatlich erhöht werden. Wie sollen die Beiträge neu festgelegt werden? „Aus der Präsentation der verschiedenen Lösungsansätze entwickelte sich eine angeregte Diskussion, die in der Frage gipfelte: Was ist gerecht?“ in: Ladenthin / Rekus 94-98 1. Ethik lernen – thematisch im Unterricht Grenzen der Diskursethik „Keine moralische Stimulierung zu höherer Stufe ohne Stimulierung moralischer Handlung“ (F. Oser) 1. Ethik lernen – im Unterricht Diskurs Handeln und Praxis Eltern- und LehrerVorbild Schulkultur und Wertgemeinschaft Wege der Werteerziehung „Werte werden nicht durch Appelle, sondern durch Erfahrungen gelernt. Dabei spielen die Gefühle eine entscheidende Rolle, weil sie unabdingbar mit sozialen Erfahrungen verbunden sind.“ (D. Zilleßen) 2. Ethik lernen – durch Handeln Sozial-Erfahrung („Compassion“) 2. Ethik lernen – durch Handeln Sozialprojekte – Projekt „Compassion“ 2. Ethik lernen – durch Handeln 2. Ethik lernen – durch Handeln „Die Hauptschule Bad Griesbach hat seit 1. Januar auf Anregung von Rainer Kirschner eine Patenschaft für das Kinderhaus in der peruanischen Stadt Ayacucho übernommen.“ Toni Gschrei, Niederbayerische Schule 6 / Oktober 2010, 2 Diskurs Handeln und Praxis Eltern- und LehrerVorbild Schulkultur und Wertgemeinschaft Wege der Werteerziehung 3. Das Eltern- und Lehrervorbild Lehrervorbild angemessenes Sozialverhalten angemessenes emotionales Verhalten kognitive Leistung planvolles Handeln / Problemlösen W. Edelmann, Lernpsychologie 3. Das Eltern- und Lehrervorbild Diskurs Handeln und Praxis Eltern- und LehrerVorbild Schulkultur und Wertgemeinschaft Wege der Werteerziehung Erwerb von Wertorientierungen • durch Erleben einer Wertgemeinschaft (Schulkultur, Klassengeist, Lehrervorbild, Gemeinschaftserfahrungen) • wird begünstigt durch motivationalen Lerntransfer • wird nicht gefördert durch spezielle Unterrichtsmethoden, sondern durch lebendige Schulkultur (Franz E. Weinert) Bildungsziele nach Weinert, aus: Andreas Helmke, Unterrichtsqualität erfassen, bewerten, verbessern, Seelze 2003, 25 Verhaltens-Codes Rituale Inhalte Dress-Codes Schulkultur Vereinbarungen Komplementarität 4. Ethik lernen ProzessModalitäten – die Schulkultur 2010 Verhaltens-Codes 2011 Rituale Inhalte Dress-Codes 2012 2013 Schulkultur 2014 Vereinbarungen Komplementarität 4. Ethik lernen ProzessModalitäten … 2035 – die Schulkultur Diskurs Handeln und Praxis Eltern- und LehrerVorbild Schulkultur und Wertgemeinschaft Diskurs Handeln und Praxis Vorbild Schulkultur Um ein Kind richtig zu erziehen, braucht man ein ganzes Dorf. (afrikanisches Sprichwort) Operationalisierung der Wertediskussion - Ausbildung der Schulleiter (Moderatoren) - Fortbildung der Kollegien - Implementierung der konkreten Werte-Bildungs-Elemente in Schulprogramme (regelmäßige Reflexion des Leitbilds und der Schulkultur, Compassion-Modelle, Streitschlichter-Programme, kollegiale Begleitung, ….) - Konkretisierung in Fachlehrpläne - Systemebene: Institutionell verankerte Freiräume für Fragen der Schulkultur - Lehrerbildung (Studium, zweite Phase, Lehrerfortbildung) progressive Kritik: Erfahrungsferne Schule als „Haus des Lernens und Lebens“ lebensnahes vs. lebensfernes Lernen wertkonservative Kritik: Erziehungsdefizite Schule als Ort der Bildung und Erziehung ethisches Lernen vs. ausschließlich wissensorientiertes Lernen bildungsbürgerliche und wirtschaftliche Kritik: Bildungsdefizite Selbstbeschränkung von Schule auf ihre Kernaufgabe: Effizienter Unterricht Basale Bildung vs. Sozialpädagogisierung von Schule Werte haben ihren Preis … Zeit Geld gemeinsame Anstrengung Überzeugungsarbeit persönliches Engagement … lassen wir sie uns etwas kosten! Christliches Menschenbild Person, Würde, Freiheit, Verantwortung Schulkultur Lernkultur Weltethos ausgehandelt erkennbar je neu bestimmt profiliert subjektorientiert anspruchsvoll solidarisch gerecht verantwortlich BildungsSoziale Elite Spirituelle Humanitäre