For tbildung Therapie Evidence Based Medicine Therapeutisches Drug Monitoring von Psychopharmaka Im klinischen Alltag der Psychopharmakotherapie wird der Arzt täglich mit der Notwendigkeit der Therapieoptimierung konfrontiert. Patienten klagen über mangelnde Wirkung der eingenommenen Medikamente oder über Nebenwirkungen, obwohl die Dosis entsprechend den Vorschriften der Hersteller und den Erfahrungen des Arztes bestimmt wurde. Die Krux: Patienten mit gleicher Erkrankung und gleichen Symptomen reagieren häufig auf das gleiche Medikament qualitativ und quantitativ verschieden. D Tab. 1: Fallbezogene Indikationen für TDM von Psychopharmaka — Verdacht auf Nichteinnahme der verordneten Medikamente — Kein oder ungenügendes Ansprechen trotz klinisch üblicher Dosis — Ausgeprägte Nebenwirkungen trotz klinisch üblicher Dosis — Verdacht auf Arzneimittelinteraktionen — Kombinationsbehandlung mit einem Medikament mit bekanntem pharmakokinetischen Interaktionspotenzial — Rezidiv unter Erhaltungsdosis — Bekannte pharmakogenetische Besonderheiten — Kinder und Jugendliche — Alterspatienten über 60 Jahre — Forensische Indikationen 52 ie Gründe für die unterschiedlich starke Wirkung eines Medikaments bei Patienten mit derselben Erkrankung sind individuell unterschiedliche Gegebenheiten in der Pharmakokinetik und -dynamik. Die interindividuelle Variabilität im therapeutischen Ansprechen ist für die Behandlung psychiatrischer Erkrankungen problematisch, weil für die meisten Pharmakotherapien erst nach einer Latenz von Wochen bis Monaten erkennbar ist, ob z. B. eine antipsychotische, antidepressive oder phasenprophylaktische Wirkung erreicht worden ist. Wird bei der Ersteinstellung nicht das geeignete Medikament in der „richtigen“ Dosis für den jeweiligen Patienten gewählt, verlängert sich somit die Leidenszeit und es steigen die Behandlungskosten. Die Problematik des individuell unterschiedlichen Therapieansprechens lässt sich zu einem Teil überwinden. Zur Erfassung der pharmakodynamischen Individualität eines Patienten gibt es bei der Behandlung psychiatrischer Störungen derzeit nur die klinische Beobachtung. Es fehlen objektive Kriterien, aus denen sich das pharmakodynamisch individuelle Ansprechen auf eine Psychopharmakotherapie vorhersagen lässt. Die pharmakokinetische Individualität eines Patienten ist jedoch durch therapeutisches Drug Monitoring (TDM) darstellbar – oft auch Blut- oder Plasmaspiegel- untersuchung genannt. Durch TDM von Psychopharmaka werden die Konzentrationen der Muttersubstanz und gegebenenfalls pharmakologisch aktiver Metaboliten im Blut bestimmt und der Patient anschließend auf Wirkkonzentrationen eingestellt, unter denen mit therapeutischem Ansprechen zu rechnen ist und Nebenwirkungen so weit wie möglich vermieden werden. In der Praxis werden die meisten psychiatrischen Patienten allerdings ohne Unterstützung durch TDM behandelt. Es ist ein wachsendes Interesse von Psychiatern an TDM zu beobachten in einer Zeit, in der die finanziellen Ressourcen für die Krankenversorgung abnehmen, aber Patienten, Krankenkassen und Politik eine gleichbleibende oder gar verbesserte Qualität der Versorgung fordern. Fünf Schritte des TDM TDM ist ein Verfahren, mit dem man die Effizienz einer Psychopharmakotherapie steigern und Kosten einsparen kann. „EBM“ ist zum einen die Abkürzung für „evidenzbasierte Medizin“, zum anderen für „einheitlicher Bewertungsmaßstab“. Unter Berücksichtigung beider Gesichtspunkte haben wir versucht, den medizinischen und ökonomischen Nutzen des TDM von Psychopharmaka darzustellen. Effizienz und Kosten einer therapeutischen Maßnahme werden durch EBM eingeschätzt. NeuroTransmitter 11·2000 Qualifiziertes TDM bedeutet nicht nur die Messung eines Wertes, sondern auch: eine adäquate Anforderung, eine Blutentnahme zur richtigen Zeit, eine qualifizierte Befundung des Messwertes und eine Umsetzung in der Therapie. Anforderung: Wenn ein Arzt eine TDM-Untersuchung anfordert, dann gibt es dafür einen Grund, den er angeben sollte. Denn in der Psychopharmakotherapie werden die meisten TDMUntersuchungen nicht als Routineuntersuchung, sondern fallbezogen angefordert (Tab. 1). Die Angabe des Bestimmungsgrundes im Anforderungsschein ist insbesondere für die Befundung des Ergebnisses notwendig. Des weiteren sollte der Anforderungsschein Angaben zur Medikation (Dosis, Dosierungszeitpunkte, Begleitmedikamente), zur Psychopathologie, zum Therapieeffekt und zu Nebenwirkungen enthalten. Blutentnahme: Bei TDM von Psychopharmaka werden Talspiegel unter Steady-State-Bedingungen gemessen. Daher erfolgt die Blutentnahme fünf bis sieben Tage nach Einleitung einer stabilen Tagesdosis, vor Einnahme der Morgendosis. Entnommen werden üblicherweise 5–10 ml Vollblut, aus dem Serum oder Plasma hergestellt wird. Analyse: Im wichtigsten Entscheidungsbereich sollten die Fehler der angewandten Methode 10 % nicht überschreiten. Äquivalenzwerte, die durch immunologische Verfahren zustande kommen, sind für das TDM von Psychopharmaka wenig brauchbar. Das Labor sollte die Proben innerhalb von ein bis zwei Tagen nach Eintreffen analysieren und das Ergebnis dem behandelnden Arzt mitteilen. Bewertung: Ein Sachkundiger, der über fundierte psychopharmakologische und pharmakokinetische Kenntnisse verfügt, sollte den Messwert befunden. Der behandelnde Arzt sollte konkrete Hinweise für die Therapieoptimierung erhalten. Dies ist allerdings nur möglich, wenn im Anforderungsschein die notwendigen Informationen enthalten sind. Im Einzelfall kann die persönliche Kontaktaufnahme mit dem behandelnden Arzt erforderlich sein. Umsetzung: Für die Therapieentscheidung ist das klinische Bild führend. Es wird nicht der Blutspiegel, sondern NeuroTransmitter 11·2000 der Patient behandelt. Ob eine im Befund mitgeteilte Empfehlung für die Therapieoptimierung sinnvoll ist, entscheidet daher der behandelnde Arzt. EBM – Evidenzbasierte Medizin Die Anwendung von evidenzbasierter Medizin verlangt Kenntnisse über den Stand der biomedizinischen Forschung und eigene klinische Erfahrung, um beurteilen zu können, ob die externe Evidenz auf den zu behandelnden Patienten anwendbar ist. Evidenzbasierte Medizin schlägt daher eine Brücke von der wissenschaftlichen zur praktischen Medizin (Tab. 2). Es wurden in den letzten Jahren Institutionen und Arbeitsgruppen gebildet, die damit begonnen haben, den medizi- nischen Nutzen therapeutischer Verfahren nach diesem aufwendigen Procedere auszuwerten. Die bekannteste Einrichtung ist die Cochrane Collaboration, deren Arbeit über das Internet eingesehen werden kann: http://www.cochrane.de/ deutsch. Routinemäßiges TDM Für Phasenprophylaktika, trizyklische Antidepressiva, Clozapin und einige hochpotente Neuroleptika gibt es ausreichende Evidenz für den Einsatz von TDM als Routinemethode. Diese Aussage basiert auf einer Bewertung von Blutspiegel-Wirkungs-Studien. Es fehlen kontrollierte Studien, die den Nutzen von routinemäßig durchgeführtem TDM prospektiv untersucht haben. Die Tab. 2: Der Weg zu evidenzbasierter Medizin Die Anwendung von evidenzbasierter Medizin erfolgt in vier Schritten: 1. Formulierung einer beantwortbaren klinischen Frage 2. Suche nach der besten Evidenz 3. Kritische Bewertung der Evidenz 4. Praktische Anwendung der Information Der aufwendigste Schritt dieser Folge ist die Suche nach der besten Evidenz. Er erfordert eine kritische Sichtung der Literatur nach festgelegten Regeln. Als Ergebnis der Auswertungen wird die Qualität einer Maßnahme mit I bis III beurteilt. I Evidenz aufgrund mindestens einer adäquat randomisierten kontrollierten Studie II-1 Evidenz aufgrund einer kontrollierten nicht randomisierten Studie mit adäquatem Design II-2 Evidenz aufgrund von Kohortenstudien oder Fall-Kontrollstudien mit adäquatem Design II-3 Evidenz aufgrund von Vergleichsstudien, die Populationen in verschiedenen Zeitabschnitten, an verschiedenen Orten mit oder ohne Intervention vergleichen III Meinungen von respektierten Experten, gemäß klinischer Erfahrung, beschreibender Studien oder Berichten von Experten Ob eine Intervention zu empfehlen ist oder nicht, wird mit A bis E klassifiziert: A Gute Evidenz, eine Maßnahme zu empfehlen B Ausreichende Evidenz, eine Maßnahme zu empfehlen C Ungenügende Evidenz, eine Maßnahme zu empfehlen oder nicht zu empfehlen. Aufgrund bestimmter Gegebenheiten kann eine Maßnahme gerechtfertigt sein. D Ausreichende Evidenz, eine Maßnahme nicht zu empfehlen E Gute Evidenz, eine Maßnahme nicht zu empfehlen 53 For tbildung Therapie bisherigen TDM-Studien wurden für die einzelnen Psychopharmaka analog zu den Regeln der evidenzbasierten Medizin bewertet. In Tabelle 3 sind die Psychopharmaka, für die TDM sinnvoll ist oder aus theoretischer Sicht sinnvoll sein kann, aufgeführt und bewertet. Für eine fundierte Bewertung des klinischen Nutzens von TDM in der Psychiatrie muss die Datenlage für die meisten Substanzen verbessert werden. Tab. 3: Therapeutische Bereiche von Psychopharmaka und medizinischer Nutzen von TDM entsprechend den Kriterien der evidenzbasierten Medizin Halbwertszeit [h] Serumspiegel bei wirksamen Dosen* Anwendung als Routineuntersuchung*** sinnvoll Antidepressiva Amitriptylin 21± 5 100– 220 ng/ml** Citalopram 30 50– 130 ng/ml ungeklärt, ob sinnvoll Clomipramin 16– 60 175– 450 ng/ml** sinnvoll Desipramin 22±5 100–150 ng/ml sinnvoll Doxepin 17± 6 20– 150 ng/ml** wahrscheinlich sinnvoll Fluoxetin 48– 144 100– 400 ng/ml** ungeklärt, ob sinnvoll Fluvoxamin 8–19 20–300 ng/ml ungeklärt, ob sinnvoll Imipramin 18± 7 175– 350 ng/ml** sinnvoll Maprotilin 20–58 125–200 ng/ml wahrscheinlich sinnvoll ungeklärt, ob sinnvoll Mianserin 8–19 15–70 ng/ml Mirtazapin 20– 40 10– 80 ng/ml ungeklärt, ob sinnvoll Moclobemid 2– 7 300– 1.000 ng/ml ungeklärt, ob sinnvoll Nefazodon 2– 4 100– 600 ng/ml ungeklärt, ob sinnvoll Nortriptylin 31± 13 70– 170 ng/ml sinnvoll Paroxetin 17± 8 40– 120 ng/ml ungeklärt, ob sinnvoll Reboxetin 13 10–100 ng/ml ungeklärt, ob sinnvoll Sertralin 26 20– 50 ng/ml ungeklärt, ob sinnvoll Trimipramin 23±3 150–350 ng/ml** wahrscheinlich sinnvoll Venlafaxin 5 – 11 200– 400 ng/ml** wahrscheinlich sinnvoll Viloxazin 3 20– 500 ng/ml ungeklärt, ob sinnvoll Amisulprid 15–20 150–400 ng/ml ungeklärt, ob sinnvoll Chlorpromazin 23– 37 30– 100 ng/ml sinnvoll Clozapin 12– 16 350– 600 ng/ml sinnvoll Flupentixol 20–40 über 2 ng/ml wahrscheinlich sinnvoll Fallbezogenes TDM Es gibt zahlreiche fallbezogene Indikationen für TDM als objektives Verfahren zur Erfassung individueller pharmakokinetischer Eigenschaften eines Patienten. Individuell variable Faktoren wie Compliance, Resorption, Transport, Metabolisierung und Ausscheidung führen zu interindividuell hoch variablen Wirkstoffkonzentrationen. Schon die schlechtere Compliance psychiatrischer Patienten rechtfertigt TDM häufig einzusetzen. EBM – einheitlicher Bewertungsmaßstab Niedergelassene Ärzte rechnen erbrachte Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabes ab. Dieser auf Bundesebene vereinbarte Maßstab legt die im Rahmen der Antipsychotika Haloperidol 12– 36 5– 15 ng/ml sinnvoll Levomepromazin 24 15– 60 ng/ml wahrscheinlich sinnvoll Olanzapin 27–39 10–45 ng/ml wahrscheinlich sinnvoll Perazin 35 100– 230 ng/ml wahrscheinlich sinnvoll Perphenazin 8–12 0,6–2,4 ng/ml sinnvoll Quetiapin 7 300– 460 ng/ml ungeklärt, ob sinnvoll Risperidon 3± 1 20– 60 ng/ml** ungeklärt, ob sinnvoll Sulpirid 8 200–1000 ng/ml ungeklärt, ob sinnvoll Zotepin 14– 16 12– 120 ng/ ml ungeklärt, ob sinnvoll 22± 8 0,5– 0,8 mM notwendig Phasenprophylaktika Lithium Carbamazepin 15± 5 6– 12 µg/ml** sinnvoll Valproinsäure 14± 3 50– 100 µg/ml sinnvoll Donepezil 70 30–75 ng/ ml ungeklärt, ob sinnvoll Tacrin 2–4 1–30 ng/ml wahrscheinlich sinnvoll Antidementiva Medikamente zur Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen Acamprosat 13 unklar ungeklärt, ob sinnvoll Methadon 24–48 150–200 ng/ ml ungeklärt, ob sinnvoll 54 * Angegeben sind Serum- bzw. Plasmaspiegel, die im Steady-State unter Normdosen eingestellt werden und bei denen ein Therapieansprechen zu erwarten ist. Bei manchen Akutbehandlungen werden höhere Konzentrationen eingestellt. ** Summe der Konzentrationen Muttersubstanz plus aktive(r) Metabolit(e) *** Der Nutzen der Anwendung von TDM als Routineuntersuchung wurde wie folgt bewertet: Notwendig = Ein therapeutisch wirksamer Bereich wurde nachgewiesen. Mit TDM ist eine verbesserte Wirksamkeit und ein vermindertes Risiko im Auftreten von Intoxikationen belegt. Sinnvoll = Ein therapeutisch wirksamer Bereich wurde nachgewiesen. Bei Einstellung eines Patienten auf den Spiegelbereich kann mit Therapieansprechen gerechnet werden. Wahrscheinlich sinnvoll = In der Literatur weisen Einzelfallberichte oder Einzeluntersuchungen an kleinen Fallzahlen auf einen sinnvollen Einsatz von TDM hin. Ungeklärt, ob sinnvoll = Es fehlen Angaben in der Literatur, aus dem sich eine Anwendung von TDM als Routineuntersuchung ableiten lässt. Eine fallbezogene Anwendung kann sinnvoll sein. NeuroTransmitter 11·2000 gesetzlichen Krankenversicherung abrechnungsfähigen vertragsärztlichen Leistungen fest und führt eine relative Bewertung dieser Leistungen nach Punkten durch. Die seit dem 1.7.1999 gültige Laborreform brachte ein neues Vergütungssystem für Laborleistungen. Hiernach wird die Gesamtvergütung der Laborleistungen in einen ärztlichen und analytischen Honoraranteil gesplittet. Der ärztliche Honoraranteil setzt sich aus der Laborgrundgebühr (EBM-Nr. 3450) und dem Wirtschaftlichkeitsbonus zusammen, wobei für Nervenärzte keine Laborgrundgebühr vorgesehen ist. Der zunächst für alle Behandlungsfälle vergütete Wirtschaftlichkeitsbonus verringert sich dagegen bei Überschreiten der Laborbudgets (O I./O II. und O III.) um die Höhe der Überschreitungen. Einsparpotenziale durch TDM werden übersehen TDM-Untersuchungen sind O III.-Leistungen. Eine TDM-Untersuchung (EBM-Nr. 4116) wird nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab mit 30 DM vergütet. In der Regel sorgt das Labor für die Logistik des Probenversandes, einschließlich der Bereitstellung von Verpackungsmaterial, Probenentnahmeröhrchen und der Ergebnismitteilung und wird dafür bezahlt. Versucht man die durchschnittliche Vergütung für eine Blutentnahme unter Berücksichtigung des organisatorischen Aufwandes im Rahmen von TDM abzuschätzen, ergibt sich ein zu vernachlässigender Betrag. Zudem läuft der niedergelassene Arzt Gefahr seinen Wirtschaftlichkeitsbonus zu verlieren, wenn er Blutspiegelbestimmungen von Psychopharmaka anfordert. Der Nervenarzt kann im Regelfall mit ihnen unmittelbar keinen Verdienst erwirtschaften. Entsprechend der Konzeption der Spitzenverbände der Krankenkassen ist vor allem vorgesehen, einen „Anreiz für kostengünstige Problemlösungen“ zu schaffen. Auf den ersten Blick erhöht TDM die Kosten, das mögliche Einsparpotenzial durch den Einsatz von TDM wird übersehen. Der ökonomische Nutzen von TDM ist bisher für die Anwendung von Psychopharmaka nur in den USA nachgewiesen. Daten für Deutschland fehlen. NeuroTransmitter 11·2000 Sparen durch Compliance-Kontrolle Gerade unter psychiatrischen Patienten ist Compliance ein häufig unterschätztes Problem. Je nach Definition kann man unter psychiatrischen Patienten von einer Non-Compliance von 20 % bis 80 % ausgehen. Ohne TDM sind diese Patienten kaum identifizierbar. Bei diesen Patienten ist im Verlauf der Erkrankung durch Rückfälle mit häufigeren Arztbesuchen, vermehrten Krankenhausaufenthalten und längerer Arbeitsunfähigkeit zu rechnen als bei Patienten, die unter TDM behandelt werden. Sparen durch Dosisanpassung Patienten, die auf eine medikamentöse Behandlung nicht ansprechen, weil sie das Pharmakon zu schnell abbauen, bleiben ohne TDM unerkannt. Sie gelten als therapieresistent, obwohl eine höhere als die übliche Dosierung die Beschwerden beseitigen oder lindern könnte. Es gibt auch Patienten, die schon bei minimalen Psychopharmakadosen aufgrund individueller Disposition oder durch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ausreichende Blutspiegel aufbauen. Unter üblichen Dosen entstehen sehr hohe Serumspiegel und zunehmend Nebenwirkungen. TDM kann Über- oder Unterdosierungen weitgehend vermeiden helfen. Das trägt nicht nur zur verbesserten Compliance bei, sondern reduziert auch Kosten für Maßnahmen, die zur Behandlung von Nebenwirkungen notwendig sind oder erspart zusätzliche Arztkonsultationen bzw. stationäre Aufenthalte. Auch der verzögerte Wirkungseintritt von Antidepressiva, Antipsychotika oder Phasenprophylaktika über Wochen oder manchmal Monate, lässt die medikamentöse Einstellung des Patienten auf seine individuell optimale Dosis oft zu einem zeitaufwendigen Prozess aus „Versuch und Irrtum“ werden. TDM bietet die Möglichkeit, anhand des Serumspiegels schon nach wenigen Tagen eine individuelle Dosisempfehlung zu geben. Damit können der Wirkungseintritt beschleunigt, die Krankheitsdauer verkürzt und die Kosten insgesamt reduziert werden. Die Umstellung eines Patienten auf ein kostengünstigeres Generikum kann Unsicherheit bezüglich einer vergleich- baren Bioverfügbakeit erzeugen. Der Einsatz von TDM lässt eine solche Umstellung unproblematisch werden. Fazit Das TDM bietet bisher kaum genutzte Einsparpotenziale. Ohne TDM notwendige stationäre Aufnahmen bzw. Verlängerungen von stationären Aufenthalten erzeugen Kosten zwischen 200 und 500 DM pro Tag. Darüber hinaus entstehen durch einen Tag Arbeitsunfähigkeit eines Patienten zwischen ca. 100 und 1.000 DM Verdienstausfall, die ihm Arbeitgeber bzw. Krankenkasse ersetzen. Der volkswirtschaftliche Schaden durch Produktivitätsausfall ist in der gleichen Größenordnung anzusiedeln. Demgegenüber sind die Kosten für eine Serumspiegelbestimmung eines Psychopharmakons (30 DM nach EBM) gering. Zukunftsaussichten Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat den gesetzlichen Auftrag, die vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich ihrer diagnostischen und therapeutischen Zweckmäßigkeit, ihrer medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit zu bewerten, insbesondere neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu überprüfen. Eine Aufnahme in den einheitlichen Bewertungsmaßstab als verordnungs- und abrechnungsfähige Leistung darf nur erfolgen, wenn eine Empfehlung des Bundesausschusses vorliegt. Letzterer entscheidet sicherlich anhand der Qualität vorliegender Studiendaten entsprechend dem Evidenzniveau (Evidenzstufen I, II, III). Somit wird das eine EBM zukünftig wachsende Bedeutung für das andere EBM haben. Literatur bei den Verfassern Prof. Dr. rer. nat. Christoph Hiemke Dr. med. Harald Weigmann Dr. rer. nat. Sebastian Härtter PD Dr. med. Klaus Mann Psychiatrische Klinik der Universität Mainz, Untere Zahlbacher Str. 8, 55101 Mainz 55