MEDIZIN ZUR FORTBILDUNG Ulrich VVeddingl Heinrich Konrad Geiss 2 LorenzThilma Wolfgang Stremmell Candida-Besiedlung und Befall des Gastrointestinaltrakts Nahezu im gesamten Gastrointestinaltrakt sind Candida-Spezies nachzuweisen. Candida-positive Rachenabstriche, Magen- oder Dünndarmsaft-Aspirate oder Stuhlkulturen stellen in der Regel keinen pathologischen Befund dar, sondern spiegeln eine kommensale Besiedlung wider. Gewichtiger ist der Nachweis von Candida in Biopsien. Vorherrschender Keim ist D ie Einteilung der Pilze in Dermatophyten, Hefen und Schimmelpilze (DHS-System) hat sich in der in medizinischen Mykologie in Mitteleuropa als praktikabel erwiesen. Im Gegensatz zu den Dermatophyten, die fast ausschließlich Krankheiten der verhornenden Haut und deren Anhangsgebilde hervorrufen, spielen die Erreger der Hefe- und Schimmelpilzgruppe eine zunehmend wichtige Rolle als Verursacher — meist opportunistischer Infektion — oberflächlicher, lokal invasiver und systemischer Mykosen. Sproßoder Hefepilze sind Eukaryonten. Sie vermehren sich durch Sprossung (Sproßpilze) oder Knospung. Dabei stülpt sich eine Tochterzelle aus der Mutterzelle aus, wächst zur Größe der Mutterzelle heran und bricht dann ab. Der humanmedizinisch wichtigste Vertreter aus dieser Gruppe ist die Gattung Candida. Von deren mehr als 200 verschiedenen Arten sind bisher weniger als zehn Prozent als Krankheitserreger beim Menschen beschrieben. Candida spp. kommen ubiquitär vor und sind bei vielen Menschen als Kommensalen der Schleimhäute des Gastrointestinaltrakts (GI-Trakt) nachweisbar. Von dort ausgehend können sie nahezu jedes Organ des menschlichen Körpers befallen und endogene Candidosen hervorrufen. In den letzten Jahren sind allerdings auch immer häufiger exogene Candidainfektionen, vor allem nosokomialen Ursprungs, beschrieben worden. Pathologische Kriterien unterscheiden drei Formen von Candidosen (30): Candida albicans. Trotz hoher Konzentrationen von CandidaSpezies im Gastrointestinaltrakt kommt es unter normalen Umständen nicht zu einer Infektion. Nur in seltenen Fällen, meist im Rahmen erheblicher Immunsuppression unterschiedlicher Ursachen, kann ausgehend von diesem natürlichen Reservoir eine Candidamykose (Candidose) entstehen. 1. Die oberflächlichen Candidosen (zum Beispiel Soor, englisch thrush) sind die häufigsten Candidamykosen. Sie sind begrenzt auf Haut oder Schleimhäute. Die typischen oberflächlichen weißen Beläge erscheinen samtartig, die angrenzenden Schleimhäute in der Regel rot und leicht geschwollen. 2. Die lokal invasiven Candidosen treten meist aus Ulzera im Gastrointestinal-, Respirations- oder Urogenital-Trakt in Erscheinung. 3. Systemische oder disseminierte Candidosen sind definiert durch intraparenchymatöse Candida-Absiedelungen oder als Candida-Sepsis. In die Gruppe oberflächlicher Candidosen ist auch die seltene chronische mukokutane Candidiasis zu zählen, bei der es als oft einzigem auffälligen Symptom eines zugrundeliegenden, oft angeborenen T-Zelldefekts zu persistierenden oder rezidivierenden oberflächlichen Candidosen kommt (26). Wichtig ist, von der Existenz dieser Erkrankung zu wissen und andere bahnende Ursachen der Candidose auszuschließen. Bei den systemischen oder disseminierten Candidosen ist bezüglich der primären Infektionsquelle, der Organverteilung und der Größe der Herde zwischen neutropenischen und nicht neutropeMedizinische Universitätsklinik IV Schwerpunkt Gastroenterologie, Infektionskrankheiten und Vergiftungen (Arztlicher Direktor: Prof. Dr. W. Stremmel) der Universität Heidelberg 2 Hygiene Institut (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. H.-G. Sonntag) der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg A-3470 (42) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 49, 8. Dezember 1995 nischen Patienten zu unterscheiden. Bei ersteren ist immer der Gastrointestinaltrakt mitbefallen. Dieser ist wohl Keimreservoir der Infektion. Bei letzteren ist die Ursache oft ein besiedelter zentraler Venenkatheter, eine Kontamination von Infusionslösungen oder ausgedehnte, besonders abdominalchirurgische Eingriffe (42, 48). Nachfolgend soll über die physiologische Besiedlung sowie die oberflächlichen und lokalinvasiven Candidosen des GI-Trakts berichtet werden. Virulenzfaktoren von Candida albicans Für das Auftreten von Candidosen sind nicht nur Faktoren seitens des Wirtsorganismus, sondern auch Virulenzfaktoren des Erregers von Bedeutung. Es werden unterschiedliche Gruppen von Virulenzfaktoren beschrieben (38), deren Gewichtung in Abhängigkeit von dem betroffenen Gewebe und von der Abwehrlage des Wirts variiert. Hyphenbildung: Hyphenformen, besonders sogenannte Keimschläuche, adhärieren schneller und sind besonders invasiv. Wechsel des Phänotyps (Switching): Fähigkeit zur Änderung des Phä- notyps, die mit veränderter Expression von Virulenzfaktoren einhergeht. Oberflächenfaktoren: Für die Adhäsion, welche Voraussetzung oder erster Schritt einer Infektion ist, sind unterschiedliche Mechanismen, wie Protein-Protein-Interaktionen, lektinähnliche Adhäsion, sekretorische Aspartyl-Proteinasen, beschrieben. > MEDIZIN ZUR FORTBILDUNG Anni21111M1 Tabelle I Virulenzfaktoren und Krankheitsstadien von C. albicans* Krankheitsstadium beteiligte Virulenzfaktoren Stadium 1 Adhäsion und Kolonisation von Epithelien Adhäsine Hydrophobizität Hyphenbildung Stadium 2 Epithelpenetration lytische Enzyme Hyphenbildung Thigmotropismus Stadium 3 Gefäßinvasion und Dissemination lytische Enzyme Thigmotropismus molekulares Mimikry Stadium 4 Endotheladhäsion und Gewebepenetration Adhäsine Hyphenbildung lytische Enzyme * Nach Odds FC: Candida Species and Virulence, ASM News 1994; 60: 313-318 Molekulares Mimikry: Durch Fibrinogen-bindende Liganden können Hefezellen Thrombozyten binden und sind für die Wirtabwehr nicht mehr erkennbar. Lytische Enzyme: Proteinasen, Phospholipasen, Lipasen und Phosphomonoesterasen fördern durch lokale Wirkung die Adhäsion und Penetration in das Wirtsgewebe. Weitere Virulenzfaktoren sind die Oberflächenhy- drophobizität und der Thigmotropismus, die schnelle Generationszeit und die geringen Nährstoffansprüche. Diagnostik von Candidosen Das klinische Bild der Candidosen ist nicht pathognomonisch. Es bedarf daher zusätzlicher diagnostischer Verfahren. 1 Die meisten kulturellen wie serologiDiagnostische Möglichkeit zum direkten Keimnachschen Befunde weis bei Candidosen* sind für sich geLokalisation Methode: nommen nicht ausreichend für die Mundhöhle Rachenspülwasser definitive Diagno- Grampräparat, Kultur se einer invasiven Abstrich oder systemischen - Grampräparat, Kultur , Candidose. Nur Bürstenabstrich Ösophagus der histologische - Grampräparat, Kultur Nachweis in BiopBiopsie sien und die wie- Histologie derholte Isolierung in Blutkulturen Magen und Duodenum Magensaftaspiration sind alleinig bewei- Grampräparat, Kultur send für eine systeBiopsie mische Candidose. - Histologie Besonders schwieDünndarm Dünndarmsaftaspiration rig ist die Beurtei- Grampräparat, Kultur lung von CandidaNachweisen im GIDickdarm Stuhl Trakt. Während - Grampräparat, Kultur der ErregernachBiopsie - Histologie weis in Rachenabstrichen oder in * In Abhängigkeit von der Lokalisation im GI-Trakt Bürstenabstrichen A-3472 (44) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 49, 8. Dezember 1995 aus dem Ösophagus bei entsprechendem klinischen Bild meist ausreichend für die Diagnose einer oberflächlichen Candidose ist, kann eine lokal invasive Candidose letztlich nur histologisch gesichert werden. Tabelle 2 stellt die diagnostischen Möglichkeiten in den verschiedenen Abschnitten des GI-Trakts dar. Kulturelle Untersuchungen sollten immer zumindest semiquantitative Angaben der Keimzahl enthalten. Eine genaue Keimdifferenzierung und ein Antimykogramm ist in der Regel nur dann notwendig, wenn der Verdacht auf eine Systemcandidose besteht, da einige Candidaarten Primär- oder Sekundärresistenzen gegen bestimmte Antimykotika (Azolderivate) aufweisen. Die serologischen Verfahren, wie Antigen- und Antikörpernachweis, können ebenfalls nicht sicher zwischen Besiedlung (Kolonisation) und Befall (Infekt) unterscheiden; zudem sind die derzeit verfügbaren Tests häufig von unbefriedigender Sensitivität und Spezifität. Die geringe Sensitivität der Antigentests beruht auf der schnellen Elimination der im Kreislauf zirkulierenden Mannoprotein-Immunkomplexe. Von der Vielzahl der verfügbaren Antikörpertests sind lediglich der indirekte CandidaHämagglutinations-Test (CHAT) und verschiedene Candida-ELISA als Routinemethoden sinnvoll. Ein erhöhter IgM-Anti-Candida-Titer deutet auf eine frische Candida-Infektion hin. Eine Erhöhung der IgG-Antikörper läßt eine noch bestehende oder durchgemachte Infektion vermuten. Die ausbleibende Antikörperantwort bei Patienten mit Immundefekt schränkt den diagnostischen Wert serologischer Tests ein. Letztlich dürfen serologische Tests nur zusammen mit dem kulturellen und bioptischen Nachweis sowie dem klinischen Bild bewerten werden. Candida im Gastrointestinaltrakt Bei der intestinalen Mykoflora muß man unterscheiden zwischen passageren, kommensalen und primär pathogenen Mikroorganismen (34). Die passagere Mykoflora wird mit der MEDIZIN ZUR FORTBILDUNG Nahrung aufgenommen und ohne weiteren Einfluß für den Organismus wieder eliminiert. Die kommensale Mykoflora ist ein Bestandteil der intestinalen mikrobiologischen Flora. Ihr Stellenwert in der Homöostase dieses Systems ist noch nicht bekannt. Es handelt sich bei den Besiedlern des GI-Trakts meist um Candida-Arten, die bei normaler Immunabwehr für den Wirt keine schädigende Wirkung besitzen. Der Übergang zur pathologischen Mykoflora ist fließend. Unter bestimmten Umständen kann von kommensalen Besiedlern eine Infektion ausgehen. Ursache ist meist ein lokaler oder systemischer Immundefekt. Im folgenden wird auf die einzelnen Abschnitte des GI-Trakts eingegangen (16). Candida in der Mundhöhle Besiedlung: Die Angaben zur Häufigkeit des Nachweises variieren zwischen verschiedenen Studien erheblich, abhängig von der Technik, die zur Probengewinnung eingesetzt wird, der Lokalisation der Probenentnahme und dem untersuchten Kollektiv. Der Nachweis in Rachenspülwas- ser ermöglicht eine Quantifizierung, er ist sensitiver als die Abstrichuntersuchung. Insgesamt ist davon auszugehen, daß bei einem Drittel der Gesunden Candida spp. in der Mundhöhle nachweisbar sind, bei Patienten liegt die Rate höher. Details gibt Tabelle 3 wieder. Bei quantitativen Untersuchungen ließen sich Candida spp. bei Gesunden in einer Menge von 300 bis 500 Kolonien bildenden Einheiten (KBE)/ml Speichel nachweisen (6). Befall: Die Mundhöhle gehört zu den häufigsten Manifestationen einer lokalen Candidose, ohne daß Krankheitszeichen vorliegen müssen. Eine orale Candidose kann unter verschiedenen klinischen Bildern in Erscheinung treten (10). Die bekannteste ist der Soor, eine pseudomembranöse Candidose, bei der gelblich-weiße, mäßig festhaftende Beläge zu sehen sind (21). Gehäuft ist ein Auftreten bei immunsupprimierend wirkenden Grunderkrankungen oder bei einer immunsuppressiven Therapie. Das klinische Bild ist typisch, aber nicht pathognomonisch, so daß die Diagnose durch Abstrichuntersuchungen gesichert werden sollte. Die häufigste Form der oralen Candidose ist nicht Tabelle 3 Nachweishäufigkeit von Hefen und Candida albicans in Abhängigkeit von der Lokalisation im GI-Trakt und den verwendeten Kulturtechniken* Hefen (%) Mittel== C. albicans Mittek** (`)/0) (%) (`)/o) Lokalisation/ Kollektiv Technik zur Probengewinnung Mundhöhle/ Gesunde 2,0-69,1 16,9 Abstrich, Rachenspülwasser, 25,0-71,3 41,1 39,4-50,0 46,8 Imprint-Kultur 1,9-41,6 4,3-62,3 16,3 29,5 Mundhöhle/ Patienten 12,7-76,2 42,1 Abstrich, Rachenspülwasser, 35,0-75,0 52,3 34,0-66,0 Imprint-Kultur 6,0-69,6 15,4-42,0 43,4-60,0 35,9 33,5 Magen und Duodenum Endoskopie, Sonden 15,4-87,9 49,2 21,2-58,6 36,5 Jejunum und Ileum Endoskopie, Sonden 4,0-84,6 48,4 0-55,0 35,7 Kolon/ Gesunde Stuhlkultur, rektaler Abstrich 8,0-60,0 26,1 8,0-20,0 15,0 Kolon/ Kranke Stuhlkultur, rektaler Abstrich 5-82,1 33,7 1,0-53,1 26,4 In die Bewertung flossen mehrere Studien ein, bei der Berechnung der Mittelwerte wurde der Größe der untersuchten Kollektive der eingeflossenen Studien Rechnung getragen *. Nach Odds F: Candida and candidosis, 1988. der Soor, sondern eine chronische atrophische Candidose, die mit dem Tragen von Zahnprothesen assoziiert ist. Typischerweise ist eine Rötung und ödematöse Schwellung der Teile des Gaumens zu sehen, die mit der Prothese in Berührung kommen. Die Inzidenz wird mit 24 bis 60 Prozent aller Gebißträger angegeben. Die Patienten sind meist asymptomatisch. Die anguläre Cheilitis, die mit Erythemata und Fissuren des Mundwinkels einhergeht, hat häufig eine orale Candidose zur Ursache, jedoch sind auch andere Keime als infektiöses Agens beschrieben. Weitere Formen sind die akute atrophische und die chronisch hyperplastische Candidose. Erstere wird als mögliche Folge einer akuten pseudomembranösen Candidose betrachtet. Letztere wird auch als Candida-Leukoplakie (10) bezeichnet. Wichtig ist die Abgrenzung gegen andere Leukoplakieformen, die möglicherweise nur mit Candida spp. superinfiziert sind. Als Komplikationen sind eine Ausbreitung in die Trachea oder den Ösophagus und eine hämatogene Aussaat beschrieben. Candida im Ösophagus Besiedlung: Es gibt sehr wenige Daten zur Besiedlung des Ösophagus mit Candida spp. Eine epidemiologische Studie konnte C. albicans-Kolonien bei 23 Prozent der Untersuchten finden. Ein Zusammenhang zwischen dem Nachweis von C. albicans und dem Auftreten gutartiger Erkrankungen des Ösophagus bestand nicht (2). Bei elf Prozent der Patienten, die makroskopisch eine unauffällige Ösophagoskopie hatten, zeigten die Bürstenabstriche, als die empfindlichste Nachweismethode (53), im Nativpräparat oder in der Kultur Candida spp. (50). Befall: Klinisch manifestieren sich die Ösophagus-Candidosen in Form folgender Beschwerden: Dysphagie, retrosternale Schmerzen, Odynophagie, Übelkeit, Erbrechen (53). In manchen Fällen besteht Fieber. Der Oropharynx muß nicht mitbefallen sein. Diagnostische Methode der Wahl ist die Endoskopie. Sie ermöglicht es, sowohl einen Bürstenabstrich für die direkte Diagnostik im Nativpräparat und in der Kultur als auch eine Biopsie Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 49, 8. Dezember 1995 (47) A-3475 ZUR FORTBILDUNG für die histologische Diagnosesicherung zu entnehmen. Eine lokal invasive Candidose kann nach dem makroskopischen Aspekt und dem kulturellen Nachweis im Bürstenabstrich nur vermutet werden, gesichert wird sie histologisch. Nach Scott et al. bestätigte die histologische Untersuchung nur in 44 Prozent der Fälle den endoskopisch-makroskopischen, auf Grund des Vorliegens weißer Plaques geäußerten Verdacht einer Candidose des Ösophagus (45). Makroskopisch imponieren gelblich-weißliche Plaques, meist auf entzündlicher Umgebungsreaktion, aber auch Ulzera und Stenosen. Lokalisiert sind Ösophaguscandidasen meist im unteren Drittel der Speiseröhre. Sie sind gewöhnlich am Kardia-Magen-Übergang scharf abgegrenzt. Mögliche Differentialdiagnosen sind HSV-, CMV- oder bakterielle Infektionen sowie eine Refluxkrankheit (43). Bei AIDS-Patienten mit einem Candida-Befall des Rachens und Dysphagie findet sich nahezu immer ein Befall des Ösophagus (4). Als insgesamt selten auftretende Komplikationen sind paraösophageale Abszedierungen, die Ausbildung hämorrhagisch-nekrotisierender Areale der Ösophagussschleimhaut und die Bildung aorto-ösophagealer Fisteln beschrieben. Candida im Magen und Duodenum Besiedlung: Größere Untersuchungen zur Häufigkeit des Nachweises von Hefen im Magen und Duodenum geben Werte zwischen 15,4 bis 87,9 Prozent, im Mittel 49,2 Prozent an. C. albicans ist in 21 ,2 bis 58,6 Prozent, im Mittel 36,5 Prozent, nachweisbar (37). Unterschiedliche Techniken zur Gewinnung der Proben zeigten keine ausgeprägten Unterschiede der Sensitivität. Candida spp. sind magensaftresistent (3 , 36). Ihr Nachweis im Magensaft hat wenig diagnostische Bedeutung. Zwischen einer ortständigen Besiedlung und einer Verschleppung aus der Mundhöhle kann in der Regel nicht unterschieden werden (51). Befall: Es liegen nur sporadische Berichte von Fällen, bei denen es ohne vorbestehende Immunsuppression Tabelle 4 Mögliche Risikofaktoren für eine Candidose des GI-Traktes .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... .... Immunsuppressive Therapie (erhöhte Mykoserate bei Transplantierten) (5) Angeborene und erworbene Immunschwächen (erhöhte Mykoserate bei AIDS) Langfristige Antibiotikatherapie (44, 24) Stoffwechselerkrankungen (erhöhte Mykoserate bei Diabetikern) Maligne Tumoren, besonders bärnatologische Neoplasien Steroidtherapie Zentralliegende Zugänge Hochkalorische parenterale Ernährungen Operationen, besonders nach ausgedehnten abdominelle Eingriffen (27) Verbrennungen Durchbrechung der Haut- und Schleimhautbarriere Gewebeschädigung durch bakterielle Infektionen Nierenversagen zu einer Candidose des Magens kam, vor (32). Ein charakteristisches Beschwerdebild existiert nicht. Beschrieben sind abdominelle Schmerzen, Erbrechen, Hämatemesis und Gewichtsverlust. Oft sind die Patienten jedoch beschwerdefrei. Häufig wird die Diagnose erst post mortem gestellt. Zur Diagnosestellung ist eine Gastroskopie mit der Entnahme von Biopsien erforderlich. Makroskopisch ist das Bild einer gastralen Candidose vielfältig. Es kann sowohl ein diffuser als auch ein fokaler Befall der Mukosa imponieren (33). In der Regel erfolgt jedoch eine soorähnliche Besiedlung präexistenter Läsionen wie Ulzera, exulzierender Karzinome und Lymphome. Die Häufigkeit dieses sekundären Befalls wird mit 0,7 bis 1,5 Prozent angegeben (39 , 45). Ob der Candida-Nachweis in Ulzera Einfluß auf die Heilung hat, wird widersprüchlich diskutiert (13, 35). Bei einem kulturellen Nachweis von Candida spp. liegt die Rate positiver Befunde ähnlich hoch wie bei der Bestimmung aus Magensaftaspiraten (19). Auch bei ehe- A-3476 (48) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 49, 8. Dezember 1995 mischen Verletzungen oder unter zytostatischer Therapie sind CandidaInfektionen des Magens beschrieben (25). Als Komplikationen einer gastralen Candidose wurden massive Blutungen, auf Grund von Gefäßarosionen, berichtet (40). Candida im Jejunum und Ileum Besiedlung: Auch Jejunum und Ileum beherbergen häufig eine kommensale Mykoflora. In größeren Untersuchungen zur Häufigkeit des Nachweises von Hefen im Jejunum und Ileum liegen die Zahlen zwischen 4,0 bis 84,6 Prozent, im Mittel 48,4 Prozent, und für C. albicans zwischen 0 bis 55 Prozent, im Mittel 35,7 Prozent (37). Die Zahlen wurden meist bei gesunden Probanden erhoben. Die Proben wurden über Dünndarmsonden gewonnen. Zur direkten Besiedlung der Mukosa des Dünndarms bei Gesunden liegen keine Zahlen vor. Befall: Eine solitäre Candidose des Jejunums oder des Ileums stellt eine Rarität dar (22, 29). Im Rahmen disseminierter gastrointestinaler und systemischer Candidasen sind jedoch auch diese Abschnitte des Darms involviert. Candida im Colon Die physiologische Colonflora: Schon unmittelbar post parturn beginnt die Besiedlung des Colons mit Keimen. Dabei ist die individuelle Zusammensetzung des Keimspektrums abhängig von der Art der Entbindung, dem Modus der Ernährung und der unmittelbaren Umgebung des Kindes (28, 47). Das in der Stuhlkultur nachweisbare Keimspektrum und das zahlenmäßige Verhältnis der Keime spiegeln nur die Befunde im Darmlumen, nicht an der Darmwand wider (18). Der Rückschluß von Stuhlkulturbefunden auf die Verhältnisse an der Darmwand ist daher kritisch zu betrachten. Besiedlung: Die Angaben, ·bei wie vielen Gesunden oder Erkrankten Candida spp. im Stuhl nachweisbar sind, schwanken erheblich. In größeren Untersuchungen sind bei MEDIZIN ZUR FORTBILDUNG 8,0 bis 60,0 Prozent der Gesunden, im Mittel 26,1 Prozent, Hefen und C. albicans bei 8,0 bis 20,0 Prozent, im Mittel 15,0 Prozent, nachzuweisen (6). Candida spp. können bei Übergewichtigen, Kranken und Hospitalisierten häufiger nachgewiesen werden (12, 46). Je länger die Patienten hospitalisiert sind, desto häufiger werden Candida spp. im Stuhl festgestellt (31). Quantitative Untersuchungen zeigen 1 000 oder weniger Kolonien bildende Einheiten (KBE)/g Stuhl. Befall: Eine mögliche Pathogenität von Candida spp. im Colon wird sehr widersprüchlich diskutiert (17). Auf Grund der weit verbreiteten kommensalen Besiedlung und der nur endoskopisch zu asservierenden Proben von der Darmwand direkt, die eine Candidose des Colons histologisch sichern könnten, wird versucht, durch die Quantifizierung der im Stuhl nachgewiesenen Candida spp. Aussagen treffen zu können. Danach gelten Keimzahlen von (34): > 106 Pilzzellen/g Stuhl als pathognomonisch für Dickdarmmykosen, 104 bis 106 Pilzzellen/g Stuhl als mykoseverdächtiger, kontrollbedürftiger Befund, < 104 Pilzzellen/g Stuhl als kommensale Mykoflora des Dickdarms. Diese Daten können unseres Erachtens nur als zusätzliche Befunde zur Klinik des Patienten gewertet werden. Größere Studien zur Aussagekraft stehen derzeit noch aus. Auch eine Vorschädigung der Colonschleimhaut durch Kolitiden prädisponiert nicht zu Colonmykosen (20). In der Literatur gibt es immer wieder Fallberichte und wenige Fälle umfassende Beschreibungen von durch Candida spp. verursachter Diarrhö. Die Patienten haben in der Regel über Wochen bis Monate bestehende, häufige, weiche Stühle oder wäßrige Durchfälle ohne Blut- oder Schleimbeimengungen. Oft kommt es zu acht bis zehn Stühlen/die (1, 23). Oft sind die Patienten alt, mangelernährt, kritisch krank oder hinfällig, haben eine lange Hospitalisierung hinter sich und sind antibiotisch oder chemotherapeutisch vorbehandelt. Bei oraler Gabe von Nystatin bessert sich die Diarrhö meist binnen zwei bis vier Tagen (14). Neuere Berichte lassen vermu- ten, daß Candida spp. als Ursache Antibiotika-assoziierter Diarrhöen eine größere Rolle spielen könnten (8). Therapie der Candidosen des Verdauungstrakts Liegt eine oberflächliche Candidose vor, läßt sich folgendes Therapieschema empfehlen: Nystatin oder Amphotericin B oral (Dosierung dreimal 500 000 bis 1 000 000 IE Nystatin/die, zweimal 100 bis 200 Milligramm Amphotericin B/die). Die Therapie sollte zehn Tage nach Sistieren der Symptome abgesetzt werden. Ist nach zehn Tagen keine Besserung erreicht, so muß auf ein anderes Medikament umgestellt oder die Diagnose in Zweifel gezogen werden. Beide Substanzen werden nicht resorbiert und entfalten ihre Wirkung im Darmlumen. Es liegen Darreichungsformen als magensaftresistente Dragees vor. Bei lokal invasiven Formen ist die orale Gabe von Ketonazol oder Fluconazol zu empfehlen. Bei nachgewiesenen Systemmykosen ist Amphotericin B i. v. das Mittel der Wahl. Es liegen erste Studien vor, die bei nicht neutropenischen Patienten eine vergleichbare Erfolgsrate unter der Therapie mit Fluconazol belegen (42). Der Vorteil der Fluconazol-Therapie liegt vor allem in der geringen Nebenwirkungsrate. Das Wirkungsspektrum von Fluconazol ist aber deutlich schmaler (keine Wirksamkeit gegen Schimmelpilze) als jenes von Amphotericin B. Zudem besteht bei einigen Candida-Arten (zum Beispiel C. krusei) eine primäre Resistenz. Erste Berichte deuten auf die Entwicklung sekundärer Resistenzen gegen Fluconazol hin. Das Candida-Syndrom Ist der Magen-Darmtrakt von Pilzen befallen? Handelt es sich dabei um Pilze, die schon in unserer Umgebung überall präsent sind und die nun auch noch unsere Verdauungsorgane befallen und von dort, wo sie kaum nachweisbar und schwierig zu therapieren sind und selbst wie die Made im Speck wohnen können, das Ökosystem unseres Darms zerstören, unser Immunsystem schwächen und unser Wohlbefinden beeinträchtigen? Sind diese Spezies für Symptome wie Diarrhö, Obstipation, Meteorismus, abdominelle Mißempfindungen, perianalen Juckreiz, menstruelle Beschwerden, Müdigkeit, Leistungsschwäche, Konzentrationsstörungen, Depressionen und anderes verantwortlich? In diesem Sinne lauten viele Schlagzeilen, die durch die Laienmedien gehen. Ähnliche Schlagzeilen waren Anfang bis Mitte der 80er Jahre in der amerikanischen Presse zu lesen. Zwei vielgelesene Bücher postulierten einen Zusammenhang zwischen einem mukokutanen CandidaBefall und allgemeinen abdominellen sowie systemischen Beschwerden (42, 43). Durch verschiedene Faktoren wie antibiotische Therapie, Kortikosteroide, Einnahme oraler Östrogene, kohlenhydrat- oder pilzreiche Ernährung komme es zu einer Störung der symbiontischen bakteriellen Darmflora, so die Autoren. Die dadurch entstehende ökologische Nische in der Besiedlung des Darms werde durch die Pilze genutzt, es komme zu einer Überbesiedlung des Darms besonders mit Pilzen der Gattung Candida. Die Candidose und die ständig notwendige Aktivierung des Immunsystems führten dann zu multiplen Symptomen wie Diarrhö, Obstipation, Meteorismus, Tenesmen, Müdigkeit, Depression und vieles mehr und zu einer allgemeinen Abwehrschwäche der Pilzbefallenen. Schon 1986 wurde die Amerikanische Akademie für Allergologie und Immunologie dadurch zu einer Äußerung veranlaßt, die dieses Konzept als „spekulativ und unbewiesen" ansah, die Diagnose, Labortests und Behandlung des Candida-Syndroms als experimentell betrachtete und nur die Betreuung in kontrollierten Studien nach entsprechender Einwilligung empfahl (11). Mittlerweile finden sich auch auf dem deutschen Buchmarkt entsprechende Veröffentlichungen. Es wird die These aufgestellt, ohne dies allerdings durch kontrollierte Studien belegen zu können, daß ein Nachweis von Pilzen, besonders Candida spp., im Stuhl einen pathologischen Befund darstelle und eine Eliminationsbehandlung durchgeführt werden sol- Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 49, 8. Dezember 1995 (51) A-3477 MEDIZIN ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT le. Diese Therapie habe sich aus mehreren Schritten zusammenzusetzen: 0 Der eigentlichen antimykotischen Therapie, CD einer an Kohlenhydraten armen Diät, da die Pilze ausschließlich Kohlenhydrate zur eigenen Ernährung und Vermehrung verstoffwechseln, und © einer probiotischen Therapie, da die symbiotische Darmflora durch die Pilzbesiedlung des GI-Trakts dysbiotisch gestört sei. Es sind seither jedoch keine neuen Studien erschienen, welche die Existenz eines Candida-Syndroms wahrscheinlicher und glaubwürdiger machen und eine Therapie sinnvoll erscheinen lassen (15). Im Gegenteil: Ein entsprechendes Krankheitsbild läßt sich weder auf Grund einer entsprechenden Symptomschilderung definieren (41), noch gibt es klinische Untersuchungsergebnisse oder Laborbefunde, die dies ermöglichen. Bisher konnte kein Zusammenhang zwischen positiven Candida-Kulturen des Stuhls und systemischen Be- schwerden wie abdominellen Spannungen, Übelkeit, Durchfällen, Verstopfung, Vergeßlichkeit, Konzentrationsstörungen, Depression und Lethargie festgestellt werden. Selbst die Annahme der Richtigkeit dieser Vermutungen und die Durchführung einer antimykotischen Therapie konnten in einer randomisierten, doppelblind angelegten Cross-over-Studie keine über den Plazeboeffekt hinausgehende Wirksamkeit einer antimykotischen Therapie zeigen (9). Somit entbehrt das „Candida-Syndrom" derzeit einer auf fundierten Studien basierenden diagnostischen wie therapeutischen Grundlage. Damit ist jenen Patienten, die unter Beschwerden leiden, wie sie im obigen Abschnitt aufgeführt sind, und die häufig mit dem Ausdruck „funktionell" belegt werden, jedoch noch nicht geholfen. Was kann ihnen statt dessen angeboten werden? Leider ist unser positives Wissen, was die Genese solcher Beschwerden anbelangt und welche Therapien zu einer Besserung führen, immer noch sehr gering. Die Autonomie des Patienten: Ethnische Unterschiede Im Lauf der vergangenen dreißig bis vierzig Jahre hat sich in den westlichen Ländern ein Konsens gebildet, daß der Patient einen Anspruch darauf hat, vom Arzt über Diagnose und Prognose eines Leidens informiert zu werden und daß er selbst über die angebotene Behandlung zu entscheiden hat — in Rechtsprechung und Gesetz ist das weithin schon festgelegt. Daß die Realität nicht überall damit harmoniert, zeigt eine Untersuchung aus dem recht multikulturell besiedelten südlichen Kalifornien. Dort wurden Angehörige (über 65 Jahre alt) von vier ethnischen Gruppen befragt, ob der Arzt dem Patienten eine infauste Krebsdiagnose mitteilen und wer über lebensverlängernde Behandlungen entscheiden soll. Befragt wurden jeweils 200 EuroAmerikaner (also Weiße), Schwarze sowie Amerikaner mexikanischer und koreanischer Abstammung. Von den befragten Weißen meinten 87 Prozent, von den Schwarzen 88 Prozent, daß der Patient die Krebsdiagnose erfahren sollte; bei den eingewanderten Mexikanern waren es 65 Prozent, bei den Befragten koreanischer Abkunft nur 47 Prozent. Die infauste Prognose wollten 69 Prozent der Weißen, 63 Prozent der Schwarzen, aber nur 48 Prozent der eingewanderten Mexikaner und 35 Prozent der Koreaner erfahren. Von den Weißen wollten 65 Prozent, von den Schwarzen 60 Prozent, von den eingewanderten Mexikanern 41 Prozent und von den Koreanern nur 28 Prozent über die Behandlung entscheiden. Bei den beiden Gruppen der Mexikaner und der Koreaner tritt an die Stelle des Patienten als zu Informierender und als Entscheidungsbefugter in weit höherem Ausmaß als bei den anderen die Familie. Dabei spielt es innerhalb der einzelnen Gruppen nur eine geringe Rolle, wie weit der Befragte sich in einer höheren sozialen Gruppierung befindet, eine höhere A-3478 (52) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 49, 8. Dezember 1995 So bleibt dem betreuenden Arzt nach Ausschluß organischer Ursachen oft nicht viel mehr, als mit dem Patienten individuelle Faktoren zu finden, die zu einer Erleichterung des Beschwerdebildes beitragen, und ihn der Gewißheit zu versichern, daß diesen Störungen des Befindens keine schwerwiegende Erkrankung zugrunde liegt. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärzteb11995; 92: A-3470-3478 [Heft 49] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser. Anschrift für die Verfasser: Dr. med. Ulrich Wedding Medizinische Universitätsklinik IV Universität Heidelberg Bergheimer Straße 58 69115 Heidelberg Bildung besitzt oder schon länger in den USA lebt. Lediglich beim Lebensalter lassen sich in den Gruppen der eingewanderten Mexikaner und der Koreaner Unterschiede feststellen: Bei den jüngeren sind die „westlichen" Werte etwas öfter angenommen worden. Die Autoren folgern, daß das Bestehen auf den modernen Auffassungen zur Patientenautonomie bei ethnischen Gruppen, die andere kulturelle Hintergründe haben, eine neue Form des ärztlichen „Paternalismus" sein kann. Ärzte müßten bei der Behandlung von Patienten, die aus anderen Kulturkreisen kommen, deren Werte berücksichtigen und sich beispielsweise darauf einstellen, daß die Familie der Ansprechpartner ist, nicht unbedingt der Patient selbst. bt Blackhall LJ, Murphy ST, Frank F, Michel V, Azen S: Ethnicity and Attitudes Toward Patient Autonomy. JAMA 1995; 274: 820-825. Dr. Leslie J Blackhall, Division of General Internal Medicine, Unit 1, Room 8803, Los Angeles County and University of Southern California Hospital, 2025 Zonal Ave, Los Angeles, CA 90033, USA