Dokument_46

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Evolution früher Faktoren der Segmentierungskaskade:
Funktionelle Untersuchungen in
Bruchidius, Tribolium und Oncopeltus
Der Naturwissenschaftlichen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
zur
Erlangung des Doktorgrades Dr. rer. nat.
vorgelegt von
Irene Schnellhammer
aus Fürth
Als Dissertation genehmigt
von der Naturwissenschaftlichen Fakultät
der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg
Tag der mündlichen Prüfung: 5.7.2012
Vorsitzender der Promotionskommission: Prof. Dr. Fink
Erstberichterstatter: PD Dr. Michael Schoppmeier
Zweitberichterstatter: Prof. Dr. Frasch
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
VII
Summary
IX
Abbildungsverzeichnis
X
Tabellenverzeichnis
XII
Abkürzungen
XIII
Allgemeine Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Segmentierung in Drosophila . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Kurzkeim- und Langkeimentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
Segmentierung in anderen Insektenspezies . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
Übersicht der Projekte und Modellorganismen . . . . . . . . . . . . . . . .
7
I. Kapitel: hunchback in Bruchidius obtectus
8
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
Die Funktion von Hunchback in Langkeim-Insekten . . . . . . . . . . . . .
10
Die Funktion von Hunchback in Kurzkeim-Insekten . . . . . . . . . . . . .
12
Ziele dieses Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
Material & Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
Bruchidius obtectus: Haltung und Zucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
Die Separierung verschiedener Entwicklungsstadien . . . . . . . . . . . . .
16
Unterscheidung zwischen Männchen & Weibchen . . . . . . . . . . . . . .
17
Fixierung der Bruchidius-Embryonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
Klonierung von Bruchidius hunchback und paired . . . . . . . . . . . . . .
18
III
Inhaltsverzeichnis
In-situ-Hybridisierung von Bruchidius-Embryonen . . . . . . . . . . . . .
19
Parentale RNAi in Bruchidius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
Ovarpräparation von Bruchidius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Das Bruchidius Hunchback-Ortholog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Die Expression von maternalem hunchback im Bruchidius-Ovar . . . . . .
24
Die Expression von Bruchidius hunchback im Laufe der Embryogenese . .
25
hb-RNAi in Bruchidius resultiert in einem starken Gapgen-Phänotyp . . . .
29
Die Expression des Paarregelgens paired im B.o Wildtyp . . . . . . . . . .
31
Die Expression von B.o. paired in B.o. hb-RNAi-Embryonen . . . . . . . .
34
Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
Kanonische Gapgen Funktion von B.o. hb in der anterioren Musterbildung .
36
B.o. hunchback ist wichtig für die posteriore Musterbildung . . . . . . . . .
37
Bruchidius und Tribolium Hunchback, ein Vergleich . . . . . . . . . . . . .
38
Die Hunchback-Funktion ist in Langkeimern konserviert . . . . . . . . . .
39
II. Kapitel: Das Mex-3/Cad System
41
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Funktion und Ursprung von Bicoid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Regulationsmöglichkeiten von Caudal außerhalb Drosophila . . . . . . . .
44
Ziele dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
Material & Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
Oncopeltus fasciatus: Haltung und Zucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
Die Separierung verschiedener Entwicklungsstadien . . . . . . . . . . . . .
48
Die Unterscheidung Männchen/Weibchen in Oncopeltus . . . . . . . . . .
49
Fixierung der Oncopeltus-Embryonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
Klonierung von mex-3, caudal und zen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
In-situ-Hybridisierung von Oncopeltus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
Parentale RNAi in Oncopeltus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
Die Caudal- und Mex-3-Orthologe in Bruchidius und Oncopeltus . . . . . .
53
Posteriore Expression von B.o. caudal während der Embryogenese . . . . .
54
IV
Inhaltsverzeichnis
B.o. cad spielt eine wichtige Rolle in der Embryonalentwicklung . . . . . .
55
Bruchidius zen wird dorsal im Ei exprimiert . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
Expression von Bruchidius mex-3 während der Embryogenese . . . . . . .
58
Bruchidius mex-3-RNAi beeinträchtigt die Segmentierung . . . . . . . . .
60
Posteriore Expression von O.f. caudal während der Embryogenese . . . . .
62
O.f. cad-RNAi führt zu einem frühzeitigen Abbruch der Segmentierung . .
64
Die Analyse des Markergens engrailed nach Oncopeltus cad-RNAi . . . .
65
Die Expression von mex-3 in der Oncopeltus-Embryogenese . . . . . . . .
65
O.f. mex-3 ist wichtig für die anteriore u. posteriore Musterbildung . . . . .
67
Die Expression von engrailed nach mex-3-RNAi in Oncopeltus . . . . . . .
71
Die Expression von even-skipped nach mex-3-RNAi in Oncopeltus . . . . .
71
caudal-Expression nach mex-3-RNAi in Bruchidius u. Oncopeltus . . . . .
75
Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
Wichtige Rolle für caudal in der Bruchidius- u. Oncopeltus-Embryogenese
76
Die Funktion von mex-3 im Rahmen der Oncopeltus-Embryogenese . . . .
79
B.o. mex-3 wird für die Anlage thorakaler u. abd. Segmente benötigt . . . .
81
Ist das Mex-3/Caudal System innerhalb der Insekten konserviert? . . . . . .
85
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium
85
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
Rolle der Gapgene in der frühen Embryonalentwicklung von Drosophila . .
86
Gapgen-Homologe in der frühen Embryonalentwicklung von Tribolium . .
87
Die Expression und Funktion von mlpt in Tribolium . . . . . . . . . . . . .
89
Die mlpt-Peptide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
Die Interaktion von Polished-rice/Tarsaless und Shavenbaby in Drosophila .
93
Ziele dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
Material & Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
Tribolium castaneum: Haltung und Zucht . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
Etablierung des mille-pattes-Überexpressionssystems . . . . . . . . . . . .
97
Durchführung des Hitzeschocks zur Aktivierung der mlpt-Überexpression .
103
Nachweis der mlpt-Überexpression nach dem Hitzeschock via ISH . . . . .
104
V
Inhaltsverzeichnis
mlpt-RNAi in einer mlpt-Überexpressionslinie . . . . . . . . . . . . . . . .
104
Die Klonierung des Transkriptionsfaktors shavenbaby . . . . . . . . . . . .
105
Pupale Injektion von dsRNA in Tribolium (Posnien et al., 2009) . . . . . .
105
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
Etablierung des mlpt-Überexpressionssystems in Tribolium . . . . . . . . .
107
Ektopische Expression von mlpt in transgenen mlpt-Linien nach Hitzeschock 107
Die Überexpression von mlpt hat keine offensichtlichen phänotypischen Auswirkungen auf larvale Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
Der mlpt-RNAi Effekt kann durch mlpt-Überexpression in den hsp68-mlptLinien nicht gemildert werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111
Die Expression von shavenbaby in Tribolium . . . . . . . . . . . . . . . .
112
Vergleich zwischen svb- und mlpt-Expression in Tribolium . . . . . . . . .
115
Die Funktion von T.c. svb während der Embryogenese . . . . . . . . . . .
117
Die Analyse von Markergenen nach parentaler svb-RNAi . . . . . . . . . .
119
Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123
Ektopische Expression von T.c. mlpt hat keine phänotypischen Auswirkungen 123
mlpt-Überexpression mildert nicht den RNAi-Phänotyp . . . . . . . . . . .
124
Die Expressionsmuster von T.c. mlpt und T.c. svb unterscheiden sich . . . .
125
svb-RNAi resultiert in ähnlichem Gapgen-Phänotyp wie mlpt-RNAi . . . .
127
Der Einfluss von Svb auf die Regulation anderer Segmentierungsgene . . .
128
Der Einfluss von Svb auf das Segmentpolaritätsgen gooseberry . . . . . . .
130
Shavenbaby - ein neues Gapgen in Tribolium? . . . . . . . . . . . . . . . .
130
Ausblick: Die Funktion von mlpt in Bruchidius obtectus . . . . . . . . . .
132
Anhang
133
Literaturverzeichnis
142
Erklärung
158
Danksagung
159
VI
Zusammenfassung
Die Segmentierung der Taufliege Drosophila melanogaster wird von einer hierarchischen
Genkaskade gesteuert. Ein Großteil der dabei beteiligten Gene spielt auch eine wichtige
Rolle in der Embryogenese phylogentisch weit entfernter Insekten. Jedoch lassen sich nicht
alle Erkenntnisse, die aus der Untersuchung der Drosophila-Embryogenese gewonnen wurden, auf die Embryonalentwicklung anderer Insektenspezies übertragen, da Drosophila in
vielfacher Hinsicht einen abgeleiteten Entwicklungstyp repräsentiert. Die Untersuchung verschiedener Insekten-Modellorganismen dient dazu, alternative Strategien der Embryonalentwicklung zu verstehen und allgemein gültige Prinzipien der Insektenentwicklung abzuleiten.
Im Rahmen dieser Arbeit habe ich das Gapgen hunchback im Langkeimkäfer Bruchidius obtectus untersucht (Projekt 1). Durch in-situ-Hybridisierung, Generierung von Knockdown Phänotypen sowie der Analyse des Paarregelgens paired in B.o. hb-RNAi-Embryonen
bestätigte sich, dass die Gapgen-Funktion von hunchback an den Entwicklungsmodus der
Langkeimentwicklung gekoppelt ist, in Bruchidius also eher der hb-Funktion in Drosophila
entspricht als der in Kurzkeiminsekten wie Tribolium.
Während hunchback-Homologe in allen bisher untersuchten Insekten gefunden werden
konnten, ist Bicoid, das auch für die Repression von Caudal im anterioren Bereich der
Fliegen-Embryonen notwendig ist, auf die cyclorrhaphen Fliegen beschränkt. In Tribolium
wurde gezeigt, dass das KH-Domänen-Protein Mex-3 die Translation von caudal reprimiert.
Meine Analyse der Funktion von Mex-3 im Käfer Bruchidius obtectus und in der Wanze Oncopeltus fasciatus (Projekt 2) zeigte, dass mex-3 auch für die Segmentierung dieser Spezies
wichtig ist, dies also wohl den ursprünglichen Mechanismus der Caudal-Repression darstellen dürfte.
Schließlich habe ich noch das atypische Gapgen mille-pattes im Kurzkeimer Tribolium
untersucht, das für mehrere kleine Peptide codiert (Projekt 3). Das mille-pattes-Homolog
polished-rice spielt in der Drosophila-Segmentierung keine Rolle und repräsentiert daher
möglicherweise eine Kurzkeim-spezifische Musterbildungsfunktion. Da die Funktionsweise der Mille-pattes-Peptide in Tribolium unbekannt war, habe ich zunächst transgene mlptLinien hergestellt, bei denen durch Hitzeaktivierung mlpt zu bestimmten Zeitpunkten der
Embryonalentwicklung überexprimiert werden konnte. Leider zeigte jedoch die Überexpres-
VII
Zusammenfassung
sion von mille-pattes alleine keine phänotypischen Auswirkungen, weshalb die Vermutung
nahe lag, dass die Mlpt-Funktion an einen lokalisiert exprimierten Effektor gebunden ist. In
Drosophila ist das der Transkriptionsfaktor shavenbaby und ich konnte für T.c. shavenbaby zeigen, dass dieser mit mlpt koexprimiert wird und sein Knockdown zu mlpt-ähnlichen
Phänotypen führt.
VIII
Summary
Segmentation in Drosophila melanogaster is regulated by a hierarchical gene cascade. Most
of the genes involved also play important roles during embryogenesis of other insect species.
However, many aspects of Drosophila embryogenesis are highly derived, i.e. not all findings
in this species also apply to other insect taxa. Thus, the investigation of other insect model
organisms is necessary in order to identify different strategies of embryonic development
and to understand general principles behind diverse modes of insect development.
I investigated the Drosophila homolog hunchback in the long-germ beetle Bruchidius
obtectus (project 1). In-situ Hybridisation, larval RNAi phenotypes and expression analysis
of the pair-rule gene paired in B.o. hb-RNAi knockdown embryos, showed that the gap gene
function of B.o. hunchback is more similiar to that of distantly related long-germ Drosophila
rather than with the more closely related short-germ Tribolium.
Hunchback homologs can be found in all insects studied so far. By contrast, Bicoid which is also responsible for the repression of the gene caudal in the anterior part of the
embryo - is restricted to the cyclorrhaphan flies. In Tribolium the KH-domain protein Mex-3
represses caudal translation. My analysis of mex-3 in the beetle Bruchidius obtectus and in
the bug Oncopeltus fasciatus (project 2) showed that mex-3 is necessary also for the segmentation process in these species, which supports the idea that Mex-3 represents the ancestral
mode of caudal repression in insects. Finally, I investigated the atypical gap gene mille-pattes
in the short-germ beetle Tribolium (project 3). mille-pattes codes several small peptides and
is in Drosophila not necessary for the segmentation process. Thus, Mille-pattes peptides
might represent a feature specific to short-germ segmentation, but their function in Tribolium was unclear. I generated transgenic lines where mlpt can be overexpressed via activation
from a heat-shock promoter. However, after heat-shock no phenotypes could be observed at
the cuticle level. This could indicate that the function of Mlpt is connected to a spatially regulated effector protein, which would restrict the effect of overexpressing mlpt alone. Based
on work in Drosophila, a candidate interacting gene was the transcription factor shavenbaby. I showed that T.c. shavenbaby is coexpressed with mlpt, and that its knockdown results
in RNAi effects very similar to those of mlpt RNAi. This indicates that Shavenbaby also in
Tribolium segmentation is the likely target gene of Mlpt peptides.
IX
Abbildungsverzeichnis
1
Übersicht der Embryonalentwicklung in Drosophila . . . . . . . . . .
2
2
Individualentwicklung von Oncopeltus, Bruchidius u. Tribolium . .
9
3
Morphologische Unterschiede männlicher u. weiblicher Bruchidien
17
4
Alignment von HB-Orthologen verschiedener Arthropoden . . . . .
23
5
Bruchidius hb wird maternal im Ovar exprimiert . . . . . . . . . . .
25
6
Die Embryonalentwicklung von Bruchidius . . . . . . . . . . . . . . .
26
7
Die Expression von Bruchidius hb während der Embryogenese . . .
28
8
Segmentverlust nach Bruchidius hunchback RNAi . . . . . . . . . .
30
9
Alignment der konservierten Domänen von Paired-Homologen . . .
32
10
Expression von Bruchidius paired im Wildtyp . . . . . . . . . . . . .
33
11
Expression des Paarregelgens paired in Bruchidius nach hb-RNAi .
35
12
Allgemeine phylogenetische Übersicht der Bilateria . . . . . . . . .
45
13
Unterscheidung von Männchen und Weibchen in Oncopeltus . . .
49
14
Alignment der funktionellen Domänen von Caudal bzw. Mex-3 . .
54
15
Expression von caudal in Bruchidius . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
16
Vergleich von Hoechst gefärbten WT und B.o. cad -RNAi-Embryonen 56
17
Die Expression von Bruchidius zen im Blastoderm . . . . . . . . . .
58
18
Die Expression von mex-3 in der Bruchidius-Embryogenese . . . .
59
19
Beeinträchtigung der Segmentierung nach B.o. mex-3 -RNAi . . .
61
20
Übersicht der Oncopeltus-Embryogenese . . . . . . . . . . . . . . . .
63
21
Posteriore caudal -Expression in Oncopeltus . . . . . . . . . . . . . .
63
22
Posteriore Segmentierungsstörung in Oncopeltus nach cad -RNAi .
66
23
O.f. cad -RNAi führt zur Störung der posterioren Invagination . . .
67
24
Die Expression von mex-3 in der Oncopeltus-Embryogenese . . . .
68
25
Phänotypische Reihe nach mex-3 -RNAi in Oncopeltus . . . . . . .
70
X
Abbildungsverzeichnis
26
Beeinträchtigung der posterioren Entwicklung nach O.f. mex-3 -RNAi 72
27
even-skipped -Expression im O.f. WT und nach mex-3 -RNAi . . . .
74
28
Vergleich der Funktion von mex-3 in Bruchidius und Tribolium . .
84
29
Vergleich der Gapgen-Expression zwischen Drosophila u. Tribolium
89
30
Struktur der polycistronischen Tribolium mlpt-RNA . . . . . . . . .
91
31
Zusammenfassung der Dentikelbildung in Drosophila . . . . . . . .
95
32
Übersicht der Klonierungsstrategie von mlpt in den piggyBac Vektor 98
33
mlpt-Überexpression nach Aktivierung des hsp86-mlpt Konstrukts
34
mlpt-Überexpression hat keine Auswirkungen auf Kutikula-Phänotyp111
35
Die Expression von svb in der Embryogenese von Tribolium . . . .
114
36
Doppel-ISH von T.c. gooseberry und T.c. svb . . . . . . . . . . . .
115
37
Vergleich der T.c. mlpt- und T.c. svb-Expressionsdomänen . . . . .
116
38
svb-RNAi-Phänotypen nach parentaler RNAi . . . . . . . . . . . . .
119
39
Tribolium giant-Expression im Wildtyp und nach svb-RNAi . . . . .
121
40
Kernfärbung und gsb-Färbung in svb-RNAi Embryonen . . . . . . .
122
41
Gapgenexpression in Tribolium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
131
42
pSLfa[Tc’hsp5’3’UTR]fa u. pBac[3xP3-DsRedaf] . . . . . . . . . . .
140
43
pBac[3xP3-DsRedTc’hsp5’-mlpt-hsp3’] . . . . . . . . . . . . . . . . .
141
XI
109
Tabellenverzeichnis
1
Degenerierte Primer für das Bruchidius hb-Projekt . . . . . . . . .
19
2
Verteilung der Phänotypen nach Bruchidius hb-RNAi (c=3 µg/µl)
30
3
Primer für das Mex-3/Cad-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
4
Verteilung der Phänotypen nach B.o. mex-3 -RNAi (c=300 ng/µl)
62
5
Verteilung der Phänotypen nach O.f. caudal -RNAi (c=3 µg/µl) . .
65
6
Verteilung der O.f. mex-3 -RNAi Phänotypen (c=2 µg/µl) . . . . .
69
7
Entwicklungsdauer von Tribolium bei unterschiedlichen Temperaturen 97
8
Primer für die Klonierung von T.c. shavenbaby . . . . . . . . . . . .
105
9
Embryonalen Injektion zur Generierung der hsp68-mlpt-Linien . . .
107
10
Verteilung des Stummelbeinphänotyps in der hsp68-mlpt-Linie 8 .
110
11
Auswirkungen der mlpt-Überexpression auf den mlpt-RNAi-Effekt
112
12
Verteilung der svb-RNAi Phänotypen (c=2 µg/µl). . . . . . . . . .
118
XII
Abkürzungen
A
abdominales Segment
Abd A
Abdominal A
Ag
Auge
Ant
Antenne
Antp
Antennapedia
B.o.
Bruchidius obtectus
bw
backward
cad
caudal
Dfd
Deformed
en
engrailed
eve
even-skipped
fw
forward
gsb
gooseberry
hb
hunchback
Ic
interkalares Segment
ISH
in-situ-Hybridisierung
Lb
Labium
Lbr
Labrum
mex-3
muscle-excess 3
Md
Mandibel
mlpt
mille-pattes
Mx
Maxille
ORF
Open Reading Frame
O.f.
Oncopeltus fasciatus
pal-1
posterior alae in males
XIII
Abkürzungen
prd
paired
PCR
Polymerase Chain Reaction
pri
polished-rice
RT
Raumtemperatur
SB
San Bernadino
Scr
Sex combs reduced
svb
shavenbaby
T
thorakales Segment
T.c.
Tribolium castaneum
Ubx
Ultrabithorax
WT
Wildtyp
XIV
Allgemeine Einleitung
Allgemeine Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit drei verschiedenen Themenschwerpunkten, die
in unterschiedlichen Kapiteln vorgestellt werden. Alle bearbeiteten Projekte verbindet die
Fragestellung, wie Segmentierung auf molekularer Ebene im Zuge der Embryonalentwicklung in verschiedenen Insekten funktioniert und welche allgemeingültigen Prinzipien sich
für die Embryogenese der Insekten daraus ableiten lassen.
Segmentierung in Drosophila
Unter Segmentierung versteht man die Unterteilung eines Organismus entlang der anterioren-posterioren Achse in sich wiederholende strukturelle Einheiten. Sie ist vermutlich eine
Anpassung an die Notwendigkeit, physiologische Prozesse in größeren Vielzellern besser zu
koordinieren (Couso, 2009). Die Vorgänge welche nötig sind, dass aus einem befruchteten
Insektenei eine segmentierte Larve entstehen kann, sind am besten in der Fruchtfliege Drosophila melanogaster (Ordnung: Diptera) verstanden. Sie sollen im Folgenden sowohl unter
dem morphologischen als auch molekularen Gesichtspunkt beschrieben werden.
Auf morphologischer Ebene finden zunächst im Zentrum des befruchteten DrosophilaEies zahlreiche Kernteilungen statt (Abb.1: A). Der Großteil der Zellkerne wandert an die
Peripherie des Eies und bildet das Blastoderm aus. Zu diesem frühen Zeitpunkt sind die
Zellkerne von keiner Zellmembran umgeben (Hartenstein, 1993). Die noch im Eiinneren
verbleibenden Kerne werden polyploid und unterstützen als sogenannte Vitellophagen die
Ernährung des zukünftigen Embryos (Callaini et al., 1990).
Wenn die Kerne des Blastoderms schließlich mit Zellmembranen umgeben werden, und
somit das Stadium des zellularisierten Blastoderms erreicht ist, sind bei einer Temperatur von
25 °C , seit der Befruchtung des Eies gerade mal drei Stunden vergangen. Daran schließt sich
die Ausbildung des Keimrudiments auf der ventralen Eiseite entlang der anterior-posterioren
Achse an, das im Zuge der Keimstreifstreckung nach dorsal-anterior auswächst. Der gestreckte Keimstreif verkürzt sich erneut, die lateralen Seiten des Embryos beginnen zu wachsen und abschließend wird der restliche Dotter internalisiert, während sich die lateralen Seiten auf der dorsalen Seite des Embryos schließen. Somit ist nach Ablauf von 13 Stunden die
larvale Grundgestalt ausgebildet und nach einer Entwicklung von insgesamt 24 Stunden ist
die Drosophila-Larve schlüpfbereit (Foe et al., 1993; Hartenstein, 1993).
1
Allgemeine Einleitung
Was passiert nun im Zuge dieser morphologischen Entwicklung auf molekularer Ebene?
Eine sogenannte hierarchische Genkaskade (Abb.1: B) führt zur Aktivierung verschiedener
Transkriptionsfaktoren und ist für die Segmentierung in Drosophila verantwortlich (RiveraPomar und Jäckle, 1996). Die ersten Schritte werden bereits im Rahmen der Oogenese eingeleitet, wenn die sich entwickelnde Oocyte ihre initiale Polarität erhält, die beispielsweise
festlegt, wo im Ei sich der Kopf bilden wird (Roth und Lynch, 2009). Diese ersten Schritte
beinhalten die Lokalisierung von maternaler bicoid-mRNA am Cytoskelett des anterioren
Eipols (Berleth et al., 1988) und am posterioren Ende die Positionierung von nanos-mRNA
via Oskar (Ephrussi et al, 1991). Neben diesen lokalisierten, maternalen mRNAs gibt es auch
homogen verteilte mRNA im Ei, wie das z.B. für maternales hunchback und caudal gezeigt
werden konnte (Tautz et al., 1987; Mlodzik und Gehring, 1987).
Abb. 1: Übersicht der Embryonalentwicklung in Drosophila
A) Die morphologische Zusammenfassung skizziert, wie sich aufgrund mehrerer Kernteilungen aus
der Zygote, über das Kernscharstadium, das einschichtige Blastoderm bildet. Nach der Ausbildung
der Zellmembranen um die Zellkerne, formt sich das Keimrudiment, das im Zuge der Keimstreifstreckung zunächst nach dorsal anterior auswächst (roter Pfeil) und schließlich im Keimstreifrückzug wieder verkürzt wird (roter Pfeil). Parallel dazu strecken sich die lateralen Seitenwände nach
dorsal (grüne Pfeile) und wachsen dort zusammen (nach Foe et al., 1993; Hartenstein; 1993). B)
An der Spitze der hierarchischen Segmentierungskaskade von Drosophila stehen die maternalen
Effektgene, welche die Gapgene von anterior nach posterior aktivieren. Die Paarregelgene werden noch vor der Zellularisierung des Blastoderms exprimiert, die Segmentpolaritätsgene danach,
während der Keimstreifstreckung (nach Gilbert, 2006).
2
Allgemeine Einleitung
Nach der Befruchtung und Eiablage löst sich die lokalisierte bicoid-mRNA vom anterioren
Pol und bildet an der Peripherie des Eies einen von anterior nach posterior verlaufenden Gradienten, der sich nach der Translation auf der Proteinebene widerspiegelt (Lipshitz, 2009).
Am posterioren Pol wird die lokalisierte nanos-mRNA ebenfalls translatiert und ein zum
Bicoid-Gradienten gegenläufiger Nanos-Protein-Gradient bildet sich aus (Gavis und Lehmann, 1992). Die Translation von maternalem hunchback wird von Nanos am posterioren
Eipol reprimiert (Wreden et al., 1997), weshalb sich die Hunchback-Expression zunächst
auf den anterioren Bereich des Eies beschränkt. Am anterioren Eipol ist Bicoid für die translationale Repression von caudal zuständig, sodass von posterior nach anterior ein CaudalProtein-Gradient entsteht (Mlodzik und Gehring, 1987). Zusammengefasst basiert die initiale
Musterbildung in Drosophila aus verschiedenen, gegenläufigen Proteinexpressionsdomänen,
welche nun die nächste Stufe der Segmentierungskaskade regulieren, die zygotischen Gapgene (Driever und Nüsslein-Volhard, 1988).
Gapgene wie beispielsweise hunchback, Krüppel, knirps und giant werden entlang der
anterioren-posterioren Achse in breite, sich teilweise überlappende Bereiche exprimiert (Jäckle et al., 1986, Rivera-Pomar et al., 1995). Die Klassifizierung eines Gens als Gapgen bezieht
sich zum einen auf die Deletion mehrerer aneinander grenzender Segmente nach dem Verlust dieses Gens und zum anderen, auf seine Eigenschaft die Expression der nachgeschalteten
Paarregelgene zu steuern (Hülskamp und Tautz, 1991).
Paarregelgene wie even-skipped (Frasch et al., 1987), fushi-tarazu (Hafen et al., 1984)
und paired (Gutjahr et al., 1993) werden ebenfalls im Drosophila-Blastoderm aktiviert, und
spiegeln durch ihre Expression zum ersten Mal im Laufe der Entwicklung die Unterteilung
des Embryos in sich wiederholende Einheiten wider, da sie in sieben aufeinander folgenden Streifen exprimiert sind. Diese primären Paarregelgene werden durch eine verschiedene
Kombination der Transkriptionsfaktoren von maternalen Genen und Gapgenen gesteuert.
Ein gut untersuchtes System stellt dabei die Regulierung des zweiten even-skipped-Streifens
dar. Für die Aktivierung der Expression ist die Bindung von Bicoid und Hunchback im Promotor Bereich notwendig; für die Ausbildung der anterioren und posterioren Grenzen des
Streifens, eine Repression durch die zusätzliche Bindung der Transkriptionsfaktoren Krüppel und Giant (Small et al., 1992). Während der Keimstreifstreckung aktivieren die Paarregelgene die Transkription der Segmentpolaritätsgene u.a. engrailed (Kornberg, 1981) und
wingless (Heuvel et al., 1989), die für die Ausbildung und Aufrechterhaltung der vierzehn
3
Allgemeine Einleitung
Segmentgrenzen benötigt werden. Als letzter Schritt ist die Festlegung der Segmentidentität
wichtig, welche durch die Hoxgene realisiert wird (Lewis, 1978).
Die Drosophila-Segmentierungskaskade zeigt anschaulich, dass eine hierarchische Genaktivierung für die Gliederung des Embryos notwendig ist. Sie ist unidirektional, das heißt,
dass die Gene die oben in der Segmentierungskaskade stehen meistens eine aktivierende
oder reprimierende Wirkung auf alle nachfolgenden Gene haben, umgekehrt ist jedoch keine
Regulierung möglich (Rivera-Pomar und Jäckle, 1996). Hingegen ist eine starke Interaktion
der Gene auf den jeweiligen Segmentierungsebenen untereinander vorhanden (Vincent und
Lawrence, 1994; Sanchez und Thieffry, 2003; Jäger et al., 2004).
Kurzkeim- und Langkeimentwicklung
Die soeben beschriebene Segmentierungskaskade von Drosophila im Rahmen der Embryonalentwicklung ist nicht repräsentativ für die Entwicklung aller Insekten. Drosophila gehört
zu den sogenannten Langkeimern, was bedeutet, dass bereits im Blastoderm Kopf, Thorax
und abdominale Segmente mehr oder weniger gleichzeitig angelegt werden (Akam, 1987;
Davis und Patel, 2002).
Im Gegensatz dazu steht die Kurzkeimentwicklung welche beinhaltet, dass bis zum Ende
des syncytialen Blastoderms nur die anteriorsten Segmente, also Kopf und meistens thorakale Segmente angelegt worden sind, während alle bis dahin noch fehlenden Segmente nach
der Gastrulation sequentiell aus einer posterioren Wachstumszone in zellulärer Umgebung
gebildet werden (Davis und Patel, 2002). Folglich muss in Kurzkeimern die Segmentierung,
vor allem für die der posterioren Segmente, einem anderen Mechanismus unterliegen (Liu
und Kaufman, 2005; Choe et al., 2006), als dem aus Drosophila bekannten, der als Grundlage
die freie Diffusion von Transkriptionsfaktoren im syncytialen Blastoderm besitzt (Hülskamp
und Tautz, 1991; Liu und Kaufman, 2005). Die Kurzkeimentwicklung wird als der ursprüngliche Segmentierungsmechanismus angesehen, da alle hemimetabolen Insekten die Kurzkeimentwicklung durchlaufen und die Segmentierung mittels der Langkeimentwicklung auf die
später entstandenen holometabolen Insekten beschränkt ist (Patel et al., 1994). Da in den holometabolen Insektenordnungen wie Hemiptera, Coleoptera und Lepidoptera sowohl Kurzals auch Langkeimer beschrieben worden sind, wird angenommen, dass die Langkeimentwicklung mehrmals unabhängig voneinander entstanden ist (Davis und Patel, 2002; Savard
et al., 2006).
4
Allgemeine Einleitung
Segmentierung in anderen Insektenspezies
Nach der Entschlüsselung der grundlegenden Segmentierungsmechanismen in Drosophila,
ging man verstärkt dazu über, Drosophila-Orthologe der Segmentierung auch in anderen
Insektenarten zu untersuchen (Peel et al., 2005; Rosenberg et al., 2009; Lynch et al., 2012).
Für alle großen Gruppen der holometabolen Insekten gibt es mittlerweile mindestens
einen sehr gut untersuchten Vertreter, wie z.B. Nasonia vitripennis (Hymenoptera), Tribolium castaneum (Coleoptera), Bombyx mori (Lepidoptera) und alternativ zu Drosophila für die
Dipteren, Megaselia abdita oder Episyrphus balteatus (Werren und Loehlin, 2009; Klingler,
2004; Terenius et al., 2010; Stauber et al., 2000; Lemke et al., 2010). Auch unter den hemimetabolen Insekten sind Modellorganismen wie Oncopeltus fasciatus (Hemiptera) oder
Gryllus bimaculatus (Orthoptera) bereits etabliert (Liu und Kaufman, 2004; Mito und Noji,
2006). Anhand einiger Beispiele soll veranschaulicht werden, dass die Orthologe der Drosophila-Segmentierungskaskade in diesen Spezies teilweise in ihrer Expression und Funktion
zu Drosophila identisch sind – trotz einer größeren phylogenetischen Distanz – dass aber
auch zum Teil gravierende Unterschiede bestehen können (Peel et al., 2005).
Die für die Segmentidentiät wichtigen Hoxgene, sind innerhalb der Insekten stark konserviert (Hughes und Kaufman, 2002). Auch Segmentierungsgene wie engrailed und wingless
fungieren außerhalb Drosophila als Segmentpolaritätsgene was zahlreiche Studien in Gryllus
(Niwa et al., 1997; Miyawaki et al., 2004), Oncopeltus (Liu und Kaufman, 2004; Angelini
und Kaufman, 2005), Nasonia (Pultz et al., 1999), Tribolium (Brown et al., 1994; Nagy und
Carroll, 1994) und Manduca (Kraft und Jäckle, 1994; Saenko et al., 2010) belegen.
Auf der Ebene der Paarregelgene machen sich jedoch bereits einige Unterschiede in den
verschiedenen Insektenspezies bemerkbar. In den holometabolen Organismen kommen hierbei die unterschiedlichen Segmentierungsmodi – sprich Kurz- und Langkeimentwicklung –
zum Tragen. In Drosophila und im Käfer Bruchidius werden sieben bzw. sechs even-skippedStreifen gleichzeitig im syncytialen Blastoderm gebildet. Später, im Zuge der Ausbildung
des Keimrudiments wird eve in beiden Organismen segmental exprimiert (Frasch et al., 1987;
Schnellhammer, Diplomarbeit). Im Kurzkeimkäfer Tribolium sind bis zum Ende des blastodermalen Stadiums nur die ersten drei even-skipped-Streifen vorhanden, während die noch
fehlenden nach der Gastrulation, aus der Wachstumszone heraus gebildet werden (Patel et al.,
1994). Zwar ist die Funktion von Tribolium eve als Paarregelgen konserviert, jedoch ist auf-
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Allgemeine Einleitung
grund des unterschiedlichen Segmentierungsmodus, ein zeitlicher Unterschied hinsichtlich
des Expressionsmusters zu beobachten. In der hemimetabolen Wanze Oncopeltus fasciatus,
ebenfalls ein Kurzkeimer, wird im Blastoderm zunächst eine breite eve-Expressionsdomäne
angelegt, aus der anschließend sechs eve-Streifen hervorgehen (Liu und Kaufman, 2005a).
Auf den ersten Blick erscheint dies widersprüchlich, da im Oncopeltus-Blastoderm die Segmentierung nur bis einschließlich T3 stattfindet, aber es stellte sich heraus, dass Oncopeltus
eve nicht als Paarregelgen fungiert, sondern eine frühe Funktion als Gapgen und eine spätere
als Segmentpolaritätsgen inne hat (Liu und Kaufman, 2005a).
Bei der Untersuchung der Gapgen-Homologen erkannte man, dass auch in dieser Genklasse gewisse Unterschiede bezüglich der Funktion in den verschiedenen Insektenspezies
bestehen können. In Drosophila wird Krüppel im Bereich der zukünftigen thorakalen und
der ersten fünf abdominalen Segmente im Blastoderm exprimiert (Knipple et al., 1985). Bei
Krüppel-Mutanten kann eine Deletion der Segmente von T1 bis einschließlich der anterioren
Grenze von A5 beobachtet werden (Wieschaus et al., 1984). In den Kurzkeimern Tribolium
und Oncopeltus ist die Krüppel-Expressionsdomäne kleiner und erstreckt sich ausschließlich
über die drei thorakalen Segmente (Liu und Kaufman, 2004; Cerny et al., 2005). Was die
Funktion betrifft, resultiert Krüppel-RNAi in Oncopeltus in dem aus Drosophila bekannten
Gapphänotyp, welcher die Deletion des zweiten thorakalen Segments bis einschließlich des
vierten abdominalen Segments beinhaltet (Liu und Kaufman, 2004). In Tribolium hingegen
ist der Krüppel-RNAi Effekt im anterioren Bereich des Embryos eine homeotische Transformation thorakaler Segmente hin zu gnathaler Identität, welche mit einer starken posterioren
Verkürzung der Embryonen einhergeht (Cerny et al., 2005). Die beobachtete homeotische
Transformation im thorakalen Bereich von Tribolium-Embryonen nach Krüppel-RNAi erklärt sich dadurch, dass Krüppel einen regulatorischen Einfluss auf die homeotischen Gene
Dfd, Scr und Ubx ausübt (Cerny et al., 2005). Auch in Drosophila konnte eine Regulation
der Hoxgene durch Krüppel gezeigt werden (Harding und Levine, 1988), allerdings werden
mögliche homeotische Transformationen in Drosophila Krüppel-Mutanten, von den bereits
oben beschriebenen Deletionen überdeckt (Wieschaus et al., 1984; Preiss et al., 1985).
Ähnlich liegt der Fall in dem aus Drosophila bekannten Gapgen hunchback, das in Drosophila in einer breiten von anterior nach posterior verlaufenden Domäne exprimiert wird
und dessen Verlust bei den stärksten Phänotypen in der Deletion gnathaler, thorakaler und
abdominaler Segmente resultiert (Lehmann und Nüsslein-Volhard, 1987, Tautz und Pfeifle,
6
Allgemeine Einleitung
1989; Wu et al., 2001). Hier scheint die Funktion in Abhängigkeit des Segmentierungsmodus konserviert zu sein. Im Langkeimer Nasonia wird hunchback ebenfalls in einer breiten,
anterioren Domäne exprimiert (Pultz et al., 2005). Ein Verlust von Nasonia hunchback führt
zu einem kanonischen Gapphänotyp, so dass alle Kopfsegmente - bis auf das Labrum - sowie
ein Großteil der abdominalen Segmente nicht angelegt werden (Pultz et al., 1999).
In den Kurzkeimern Tribolium und Oncopeltus ist hunchback jeweils anterior in einer Domäne exprimiert, welche die Kopfanlagen umspannt, sowie in der posterioren Wachstumszone (Wolff et al., 1995; Liu und Kaufman, 2003). hunchback-RNAi führt in beiden Organismen nicht zu dem aus Langkeimern bekannten kanonischen Gapphänotyp, sondern zu einer
Transformation thorakaler in abdominale Strukturen, ebenfalls aufgrund einer Fehlregulation der Hoxgene, sowie einer drastischen Verkürzung der Embryonen (Liu und Kaufman,
2003; Marques-Souza et al., 2008). Das bekannteste Beispiel, dass die Segmentierung in
Drosophila nicht repräsentativ für die frühe Musterbildung in Insekten ist, stellt Bicoid dar.
Bicoid ist einerseits bedeutend für die Aktivierung der Transkription von Segmentierungsgenen und zum anderen für die translationale Repression von caudal-mRNA im anterioren
Bereich der Fliegenembryonen (Ephrussi und St Johnston, 2004). Jedoch ist Bicoid erst unmittelbar vor der Radiation der cyclorrhaphen Fliegen aus einer Duplikation des Hox-3-Gens
hervorgegangen (Stauber et al., 1999) und deswegen neben Drosophila, auf die höheren Dipteren wie beispielsweise Episyrphus und Megaselia beschränkt (Lemke et al., 2010; Stauber
et al., 2000). Was die Regulation von caudal außerhalb der cyclorrhaphen Fliegen angeht,
konnte gezeigt werden, dass im Käfer Tribolium das KH-Domänen-Protein Mex-3 die caudal-Translation inhibiert. In der frühen Musterbildung von Drosophila spielt mex-3 jedoch
keine Rolle (Schoppmeier et al., 2009).
Die soeben aufgeführten einzelnen Beispiele sollen zeigen, dass das Drosophila-System
nicht auf die Entwicklung aller Insekten anwendbar ist. Ein langfristiges Ziel ist es herauszufinden, welche allgemeingültigen Prinzipien hinter der Segmentierung von Insekten
stehen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den bereits erwähnten, unterschiedlichen
Segmentierungsmechanismen von Kurzkeimern und Langkeimern. Mit der Aufklärung der
grundlegenden Mechanismen der Kurz- und der Langkeimentwicklung, wäre es dann ebenfalls möglich zu untersuchen, welche Änderungen des genetischen Netzwerks im Laufe der
Evolution stattgefunden haben, um aus einem Kurzkeimentwicklungsmodus einen Langkeimentwicklungsmodus zu entwickeln (Liu und Kaufman, 2005b).
7
Allgemeine Einleitung
Übersicht der Projekte und Modellorganismen
Im Rahmen dieser Doktorarbeit wurden drei unterschiedliche Fragestellungen bearbeitet:
Bisherige Daten deuten darauf hin, dass die Funktion von hunchback an den Entwicklungsmodus gekoppelt ist, da wie bereits erläutert, in Langkeimern wie Nasonia und Drosophila, hunchback als klassisches Gapgen fungiert (Pultz et al., 2005; Lehmann und NüssleinVolhard, 1987; Tautz und Pfeifle, 1989), während in den Kurzkeimern Oncopeltus und Tribolium, hunchback bei der Festlegung der Segmentidentität eine dominante Rolle spielt und die
Generierung der abdominalen Segmente dirigiert (Liu und Kaufman, 2003; Marques-Souza
et al., 2008).
Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Untersuchung der Expression und Funktion des Gapgens hunchback im Langkeimkäfer Bruchidius (Abb.2: B). Aufgrund der nahen phylogenetischen Verwandtschaft zum Kurzkeimkäfer Tribolium, soll damit die Frage
beantwortet werden, ob die hunchback-Funktion tatsächlich an den Entwicklungsmodus gekoppelt ist oder ob die aus Tribolium bekannte hunchback-Funktion typisch für die Ordnung
der Käfer ist.
Der zweite Teil der Arbeit widmet sich der Fragestellung, ob das in Tribolium gefundene Mex-3/Cad System innerhalb der Insekten konserviert ist und somit, im Gegensatz zum
Bicoid/Cad System, den ursprünglichen Mechanismus der caudal-Repression der Insekten
darstellt (Schoppmeier et al., 2009). Als Modellsysteme dienen hierfür der Käfer Bruchidius
obtectus und die Wanze Oncopeltus fasciatus (Abb.2: A).
Schließlich soll auch die Wirkungsweise des neu entdeckten Gapgens mille-pattes in Tribolium (Abb.2: C) untersucht werden (Savard et al., 2006), das in der frühen DrosophilaSegmentierung keine Rolle spielt und somit einen Beitrag zum weiteren Verständnis der
Kurzkeimsegmentierung in Tribolium liefern könnte.
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Allgemeine Einleitung
Abb. 2: Individualentwicklung von Oncopeltus, Bruchidius u. Tribolium
Die Eier von A) Oncopeltus fasciatus, B) Bruchidius obtectus und C) Tribolium castaneum. Während die hemimetabole Entwicklung in Oncopeltus auf einer Aneinanderreihung nymphaler Stadien
beruht (D, G), durchläuft Bruchidius im Rahmen der holometabolen Entwicklung verschiedene
larvale Stadien E) die in einer Puppenform resultieren H). Das gleiche gilt für Tribolium: Die larvale Phase F) grenzt an ein Puppenstadium an I). J), K) und L) zeigen die adulte Morphologie
der jeweiligen Spezies.
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I. Kapitel: hunchback in Bruchidius obtectus
Einleitung
Das folgende Kapitel hat als Themenschwerpunkt die Analyse der Funktion des aus Drosophila bekannten Gapgens hunchback in Bruchidius obtectus. Hunchback ist innerhalb der
Metazoen konserviert und wurde in zahlreichen Organismen sehr genau untersucht: Von
Anneliden und Nematoden, über diverse Insektenarten bis hin zu den Wirbeltieren. Seine
Funktion bei der Ausbildung extraembryonaler Membranen sowie der Spezifizierung des
zentralen Nervensystems scheint zwischen den Lophotrochozoa und den Ecdysozoa konserviert zu sein (Pinnell et al., 2006). Das Säuger Homolog von Hunchback heißt Ikaros und
ist in der Hämatopoese (Georgopoulos et al., 1994) sowie der Unterdrückung von Tumoren
involviert (Mullighan et al., 2008). Speziell innerhalb der Gruppe der Insekten spielt hunchback eine zentrale Rolle in der Segmentierung, welche im Folgenden an einigen Beispielen
dargestellt werden soll.
Die Funktion von Hunchback in Langkeim-Insekten
Hunchback ist ein Zinkfinger-Transkriptionsfaktor (Tautz et al., 1987) und wurde ursprünglich während des Drosophila-Screens Anfang der 80 iger Jahren entdeckt (Nüsslein-Volhard
und Wieschaus, 1980). Die Expression von hunchback-RNA ist zunächst maternalen Ursprungs (Schröder et al., 1988) und im frühen Embryo ubiquitär nachweisbar (Tautz und
Pfeifle, 1989). Auf Proteinebene bildet sich eine von anterior nach posterior verlaufende Expressionsdomäne aus, da die posteriore Translation von hunchback durch den Nanos/Pumilio-Komplex reprimiert wird (Irish et al., 1989; Wreden et al., 1997).
Die zygotische Transkription von Hunchback findet zum einen durch die Aktivierung
von Bicoid statt (Struhl et al., 1989, Driever et al., 1989), zum anderen ist Hunchback in
der Lage seine eigene Transkription autoregulatorisch zu aktivieren (Simpson-Brose et al.,
10
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Einleitung
1994). Auch konnte der Einfluss von Hunchback auf weitere Gapgene wie Krüppel und
knirps (Hülskamp et al., 1990), Paarregelgene (Small et al., 1992; Rivera-Pomar und Jäckle,
1996), Segmentpolaritätsgene (Zuo et al., 1990) und Hoxgene (Harding und Levine, 1988)
gezeigt werden, so dass Hunchback auf alle Ebenen der Drosophila-Segmentierungskaskade
wirkt. Im Zuge der fortschreitenden Embryogenese wird die breite anteriore Expressionsdomäne durch einen schmaleren Streifen ersetzt, welcher die Region des Parasegments 4 abdeckt und auch am posterioren Eipol findet nun eine hb-Expression statt (Tautz und Pfeifle,
1989; Wu et al., 2001).
In Abhängigkeit davon, welche hb-Allele betroffen sind, können unterschiedliche Effekte
nach dem Verlust beobachtet werden (Hülskamp et al., 1994). In schwachen Drosophila hbMutanten wurde eine Transformation von Segmenten beschrieben (Lehmann und NüssleinVolhard, 1987), was durch die Missexpression der Hoxgene Antp und Ubx erklärt wird (Harding und Levine, 1988). Dieser homeotische Effekt wird in stärkeren Phänotypen überdeckt,
da sich bei einem Verlust von maternalem und zygotischem hunchback Larven entwickeln,
denen das Labium und thorakale Segmente fehlen. Zusätzlich können am posterioren Ende
Fusionen zwischen dem siebten und achten abdominalen Segment beobachtet werden (Lehmann und Nüsslein-Volhard, 1987). Diese Segmentdeletionen sind auf eine frühe Störung
der Expression der Paarregelgene zurückzuführen, da beispielsweise paired anterior statt in
Streifen, in einer breiten Domäne exprimiert wird und posterior der siebte paired-Streifen
vollständig fehlt (Gutjahr et al., 1993).
Ein ähnliches Bild für die Expression und Funktion von hunchback zeichnet sich in Megaselia abdita ab, ebenfalls eine Vertreterin der cyclorrhaphen Fliegen wie Drosophila. Eine
zunächst ubiquitäre hb-Expression im Ei wird von einer breiten anterioren und einer schmaleren posterioren Expressionsdomäne abgelöst. Nach hb-RNAi weisen die Larven Deletionen in den gnathalen, thorakalen und den Segmenten A1-A3 sowie dem achten abdominalen
Segment auf (Stauber et al., 2000).
Welche Funktion erfüllt hunchback nun außerhalb der Dipteren? In der Schlupfwespe
Nasonia vitripennis (Hymenoptera), ein Langkeimer, wird hunchback ebenfalls maternal exprimiert und eine gleichmäßige hb-Expression ist in frühen Embryonalstadien zu finden. Im
Blastodermstadium erscheinen ebenfalls eine breite anteriore Expressionsdomäne sowie eine schmale posteriore Domäne. Zu diesem Zeitpunkt kann HB-Protein nur im anterioren
Bereich des Embryos nachgewiesen werden, im posterioren Bereich findet - ebenfalls wie
11
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Einleitung
in Drosophila - eine hb-Repression auf translationaler Ebene durch Nanos statt (Pultz et al.,
2005; Lynch und Desplan, 2010). Der Verlust von maternalem und zygotischem hunchback
führt zu drastischeren Phänotypen als das in Drosophila der Fall ist. Für Nasonia wurde
beschrieben, dass alle anterioren Strukturen, bis auf das Labrum, sowie Pro-, Meso- und
Metathorax, die abdominalen Segmente A7/A8 und die posterioren Strukturen fehlen (Pultz
et al., 2005).
Unterstützt werden diese Befunde auf molekularer Ebene durch die fehlende Expression des Segmentpolaritätsgens engrailed im anterioren Bereich von hb-mutanten NasoniaEmbryonen (Pultz et al., 1999). Eine Erklärung für den schwächeren Effekt von hunchback
auf die Drosophila-Embryogenese ist, dass Bicoid - welches ausschließlich in der Gruppe der
cyclorrhaphen Fliegen vorkommt (Stauber et al., 1999) - einen Teil der anterioren Musterbildungsfunktion von hunchback übernommen hat, da ein Knockout von Drosophila bicoid
und hunchback in einem identischen Deletionsmuster wie in Nasonia hb-Mutanten resultiert
(Pultz et al., 2005).
Zusammengefasst handelt es sich bei dem hunchback-Phänotyp in den eben beschriebenen Langkeiminsekten um einen typischen kanonischen Gapphänotyp, da die Expressionsdomänen auf RNA- und Proteinebene mit der Deletion aneinandergrenzender Segmente auf
Kutikulaebene zusammen fallen.
Die Funktion von Hunchback in Kurzkeim-Insekten
Zwar spielt hunchback auch in der Segmentierung der Kurzkeim-Insekten eine wichtige Rolle, jedoch unterscheidet diese sich von der soeben skizzierten Funktion in den LangkeimInsekten: Maternales hb-Transkript kann auch in Tribolium nachgewiesen werden, genau
wie eine frühe anteriore und eine posteriore Domäne (Wolff et al., 1995; Wolff et al., 1998).
Allerdings ist die anteriore Expressionsdomäne in Tribolium nicht homolog zu derjenigen
von Langkeim-Insekten, da im anterioren Bereich von Tribolium kein embryonales Gewebe angelegt wird, sondern die extraembryonale Serosa (Falciani et al., 1996). Die posteriore
Expressionsdomäne splittet sich im Zuge der Embryogenese auf und wird in zwei breiten
Domänen im Keimrudiment exprimiert, welche die Region des Gnathums sowie des ersten
thorakalen Segments abdecken. Während der Keimstreifstreckung wird hunchback in der
posterioren Wachstumszone von Tribolium, sowie in einem neuronalen Muster exprimiert
(Wolff et al., 1995; Wolff et al., 1998). In starken hb-RNAi-Phänotypen wird eine Transfor12
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Einleitung
mation von gnathalen und thorakalen Segmenten hin zu abdominaler Identität beschrieben.
Dieser Transformationsphänotyp ist zusätzlich von der sukzessiven Deletion posteriorer Segmente begleitet. Dementsprechend findet man in solchen Embryonen keinen Verlust der anterioren Paarregelexpressionsmuster wie paired oder even-skipped, dafür ist die Expression
der Hoxgene Antp, Ubx und Abd A nach anterior verschoben (Marques-Souza et al., 2008).
In diesem Falle liegt also eine Kombination aus einem anterioren Transformationsphänotyp
mit einer posterioren Deletion vor.
Dass dieser anterior vor der Expressionsdomäne beobachtete Transformationsphänotyp
charakteristisch für die Funktion von hunchback in Kurzkeimern ist, spiegelt sich auch in
den Studien zur hb-Expression und -Funktion in den Insekten Oncopeltus und Gryllus wider
(Liu und Kaufman, 2004, Mito et al., 2005).
Die zunächst homogene Expression von Oncopeltus hb wird mit der Ausbildung des Blastoderms auf eine zentrale Expressionsdomäne beschränkt, welche mit der Region der zukünftigen Mandibeln, Maxillen sowie des Labiums zusammen fällt. Noch im Blastodermstadium
verschwindet diese Domäne wieder und im jungen Keimstreif ist keine anteriore hunchbackExpression mehr vorhanden, jedoch tritt im Bereich der posterioren Wachstumszone eine
neue Expressionsdomäne auf.
Die nach parentaler hb-RNAi erhaltenen Phänotypen sind denen von Tribolium sehr ähnlich. Es wurde eine Transformation der gnathalen und thorakalen Segmente hin zu abdominaler Identität beobachtet, die von einer Expansion des Hoxgens Abd A hervorgerufen
wird. Zusätzlich tritt in stärkeren Phänotypen eine Verkürzung des Abdomens auf (Liu und
Kaufman, 2004).
Von Gryllus ist bekannt, dass hunchback im Blastoderm in einem Streifen exprimiert wird,
welcher sich vom mandibulären bis zum labialen Segment erstreckt und während der Keimstreifstreckung tritt eine posteriore Expression in der Wachstumszone auf (Mito et al., 2005).
Die funktionale Analyse mittels RNAi resultiert ebenfalls in einer homeotischen Transformation der gnathalen und der thorakalen Segmente hin zu abdominaler Identität und auch
in Gryllus hb-RNAi-Embryonen sind posteriore Verkürzungen zu finden. Das Markergen
even-skipped wird in den transformierten anterioren Segmenten wie im Wildtyp exprimiert,
allerdings ist eine Verschiebung des Hoxgens Abd A vom ersten abdominalen Segment nach
anterior in hb-RNAi-Embryonen zu beobachten (Mito et al., 2005). Auch die Expressionsdaten für die Orthopteren Schistocera und Locusta legen eine ähnliche Funktion von hunch13
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Einleitung
back nahe - eine schwache Expression in den Kopflappen und gnathalen Segmenten bis einschließlich dem ersten thorakalen Segment - wobei für diese beiden Organismen noch keine
funktionellen Analysen vorhanden sind (Patel et al., 2001).
Zusammenfassend für die Rolle von hunchback in der Kurzkeimentwicklung ergibt sich
somit das Bild eines nicht kanonischen Gapgens. Statt Segmentdeletionen im Bereich der
anterioren hb-Expression, wie das in den Langkeim-Insekten beschrieben worden ist, kommt
es in starken hb-Phänotypen von Kurzkeiminsekten, lediglich zu Segmenttransformationen,
die sich zudem über die ursprüngliche Expressionsdomänen hinaus erstrecken sowie zur
Deletion eines Großteils der abdominalen Segmente (Marques-Souza et al., 2008).
Ziele dieses Projekts
Für die Beschreibung der hunchback-Funktion in Kurz- und Langkeimorganismen wurde
in den oberen Abschnitten eine kleine Auswahl an untersuchten Modellorganismen vorgestellt welche zeigt, dass die Funktion dieses Gapgens bereits recht gut verstanden ist. Nun
stellt sich die Frage, welche zusätzlichen Erkenntnisse die Untersuchung von hunchback im
Bohnenkäfer Bruchidius obtectus noch bringen kann.
Die in den oberen Abschnitten beschriebene Hunchback-Funktion in verschiedenen Kurzund Langkeimern verdeutlicht, dass Hunchback wahrscheinlich in Abhängigkeit des Segmentierungsmodus eine unterschiedliche Funktion in der frühen Embryonalentwicklung erfüllt (Marques-Souza et al., 2008). Obwohl Nasonia (Hymenoptera) und Drosophila (Diptera) phylogenetisch weit auseinander liegen (Wiegmann et al., 2009) und den Segmentierungsmechanismus der Langkeimentwicklung vermutlich konvergent ausgebildet haben,
ist die Hunchback-Funktion konserviert (Pultz et al., 2005; Lehmann und Nüsslein-Volhard,
1987). Innerhalb der Coleopteren, die phylogenetisch zwischen den Hymenopteren und Dipteren stehen (Savard et al., 2006), ist der Mechanismus der Langkeimentwicklung wahrscheinlich ebenfalls unabhängig entwickelt worden. Eine Analyse der Hunchback-Funktion
im Langkeimkäfer Bruchidius obtectus kann dazu beitragen zu verstehen, in wieweit es eine
gemeinsame Segmentierungsstrategie von Langkeiminsekten gibt.
Zudem eröffnet sich zum ersten Mal die Möglichkeit, die hb-Funktion innerhalb der Coleopteren, zwischen Kurz- und Langkeimentwicklung zu vergleichen, da diese im KurzkeimKäfer Tribolium bereits gut untersucht ist (Wolff et al., 1995; Wolff et al., 1998; MarquesSouza et al., 2008). Durch die Klonierung, sowie Analyse der Expression und Funktion von
14
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Einleitung
Bruchidius hb soll geklärt werden, ob hunchback im Rahmen der Langkeimentwicklung von
Bruchidius ebenfalls als kanonisches Gapgen wirkt, wie in den bis dato untersuchten anderen
Langkeiminsekten aus verschiedenen Insektenordnungen, oder doch als nicht kanonisches
Gapgen wie das im Kurzkeim-Käfer Tribolium gezeigt werden konnte (Marques-Souza et
al., 2008).
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I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Material & Methoden
Material & Methoden
Die Liste an verwendeten Puffern und Lösungen ist im Anhang A zu finden. Die Bruchidius obtectus Population wurde seit den 80-iger Jahren von dem mittlerweile emeritierten
Prof. Dr. Jürgen Büning in Erlangen aufrechterhalten und mir für meine Experimente zur
Verfügung gestellt.
Bruchidius obtectus: Haltung und Zucht
Die Haltung und Zucht basiert auf den Beschreibungen von Emil Jung (Jung, 1965) und Jürgen Büning (Büning, 1980). Eine ausführlichere Zusammenfassung ist in meiner Diplomarbeit nachzulesen (Schnellhammer, 2007).
Nahrung: Die Bohnenkäfer werden in Plastikkästen (10 cm x 10 cm x 6 cm) auf angefeuchteten Wachtelbohnen (Palatina, Mühle der Pfalz) gezogen. Die L1-Larven fressen sich
durch die Schale in die Bohne und bleiben über sämtliche larvale und pupale Stadien hinweg in derselben. Nach Beendigung der Metamorphose schlüpfen die adulten Käfer aus der
Bohne und leben ohne weitere Nahrungsaufnahme noch ca. 3 Wochen.
Temperatur: Die Aufzucht der Bohnenkäfer vom Ei bis zum adulten Tier findet im Inkubator bei 32 °C statt und ist nach 4 Wochen abgeschlossen. Für die Eiablage werden die Tiere
in einen Inkubator auf 25 °C gestellt. Die Embryogenese ist bei dieser Temperatur nach 5
Tagen beendet.
Luftfeuchtigkeit: Während die adulten Käfer relativ unempfindlich auf die Luftfeuchtigkeit reagieren, ist es bei dem initialen Zuchtansatz sehr wichtig, die Wachtelbohnen anzufeuchten (ein paar Tropfen Wasser genügen) bevor die Eier darauf gegeben werden, damit
die Larven sich leichter in die Bohnen hineinfressen können.
Die Separierung verschiedener Entwicklungsstadien
Eier: Zur Gewinnung von Eiern, werden einige Wachtelbohnen und etwa 200 Käfer in
eine verschließbare Plastikbox gegeben, die unten mit einem Netz der Maschenweite 1 x 1
mm abgeschlossen wird. Die Bohnenkäfer werden durch den Geruch der Wachtelbohnen zur
16
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Material & Methoden
Eiablage stimuliert und legen die Eier neben diesen ab. Die Eier fallen durch das Netz auf
ein ausgelegtes farbiges Papier und können mit einem Pinsel aufgesammelt werden.
Puppen: Die Puppen werden aus Bohnen herausgeschnitten, die aus einer 3 Wochen alten
Aufzuchtbox entnommen sind. Ob eine Bohne von Puppen besetzt ist oder nicht lässt sich
gut an der Schale erkennen, da diese transparente Stellen aufweist, unter denen die Puppen
unmittelbar zu finden sind. Meistens genügt es die Schale an diesen Stellen abzuziehen und
die Puppen fallen aus der Bohne. Andernfalls muss mit einem Pinsel nachgeholfen werden.
Adulte Käfer: Für die Zusammenstellung einer Ablagebox zur Eigewinnung müssen die
Käfer von den Bohnen aus den Anzuchtboxen getrennt werden. Dazu eignet sich ein herkömmliches Küchensieb mit einer Maschenweite von 2 x 2 mm, groß genug, dass die Käfer
in eine bereit gestellte Schüssel fallen und die Bohnen zurückgehalten werden können.
Unterscheidung zwischen Männchen u. Weibchen
Für pupale und adulte RNAi sowie die Präparation von Ovaren aus adulten Käfern ist die
Unterscheidung von männlichen und weiblichen Bruchidien nötig. Die Geschlechter können im Puppenstadium anhand der posterior gelegenen Genitalpapillen leicht unterschieden
werden:
Die Genitalpapillen der Weibchen sind rundlich und zeigen drei kleine Erhebungen, die Genitalpapillen der Männchen sind eher langgestreckt (Abb. 3: A).
Abb. 3: Morphologische Unterschiede männlicher u. weiblicher Bruchidien
A) Weibliche Puppe. Der Pfeil markiert die Lage der Genitalpapillen. Die unterschiedliche Form
bei Weibchen und Männchen ist schematisch dargestellt. B) Bruchidius Männchen. Der Pfeil weist
auf die schmale Stelle am letzten Hinterleibssegment. Die Skizze verdeutlicht die unterschiedliche
Breite des letzten Segments anhand derer die Geschlechter unterschieden werden können.
17
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Material & Methoden
Die adulten Käfer kann man anhand der Größe, Weibchen sind meistens etwas größer als
Männchen, sowie der Form des letzten Hinterleibssegments unterscheiden. Die Hinterleibssegmente der Weibchen sind alle ungefähr gleich breit, während bei Männchen das letzte
Hinterleibssegment deutlich schmaler ist (Abb. 3: B).
Fixierung der Bruchidius-Embryonen
Dechorionisieren: Bruchidius-Eier werden von der Ablagebox gesammelt, in ein Schraubsiebchen der Maschenweite 200 µm gegeben und für 60 min in 100% Klorix (DanKlorix)
gestellt. Nach Ablauf dieser Zeit hat sich von einem Großteil der Eier das Chorion aufgelöst und die Eier werden mit Leitungswasser gründlich gewaschen um Klorix-Rückstände zu
entfernen.
Fixierung: Die Bruchidius-Embryonen werden mit einem feinen Pinsel in ein Szintillationsgläschen gegeben, das 6 ml Heptan, 2 ml PEMS sowie 300 µl Formaldehyd (37%) enthält
und mindestens für eine Stunde auf einen Schüttler gespannt.
Devitellinisierung: Da die Devitellinisierung der Eier bei Bruchidius nicht mit einem osmotischen Methanolschock erreicht werden kann, ist es nötig die Eier einzeln von Hand mit
feinen Minutiennadeln zu schälen. Dazu werden die Eier aus dem Fixierungsgläschen in ein
Blockschälchen mit PBT transferiert. Die Vitellinhülle lässt sich gut erkennen, da sie unter
dem Binokular glänzend wirkt, während devitellinisierte Eier matt schimmern. Am leichtesten lässt sich diese Hülle entfernen wenn man das Ei zwischen den Minutiennadeln leicht
quetscht, so dass ein Riss entsteht der dann mit den Nadeln vergrößert werden kann. Ist die
Vitellinhülle entfernt, kann das Ei in ein Eppendorf-Röhrchen mit 50% Methanol überführt
werden. Bevor die Embryonen für unbestimmte Zeit auf - 20 °C gelagert werden, werden sie
in 100% Methanol überführt.
Klonierung von Bruchidius hunchback und paired
Zunächst wurde ein Bruchidius hb-Fragment kloniert um die Expression und Funktion des
Gens zu untersuchen. Zur exakteren Auswertung der Phänotypen war es notwenig ein weiteres Segmentierungsgen, das Paarregelgen paired, zu klonieren. Die Isolierung von Bruchidius-RNA aus 0-24 bzw. 24-48 h alten Embryonen erfolgte mit dem Trizol Reagenz von
18
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Material & Methoden
Invitrogen und die Herstellung von Bruchidius-cDNA mit dem Superscript II RT Kit (Invitrogen). Anschließend wurden die gewünschten DNA-Fragmente durch PCR mit den in
Tabelle 1 aufgeführten Primern isoliert. Bei den verwendeten Primern handelt es sich um
degenerierte Primer, da das Bruchidius-Genom noch nicht sequenziert ist. Die Primer sind
von Metabion.
Die 5’ und 3’ Enden der erhaltenen DNA-Fragmente werden mit Hilfe der T4-DNAPolymerase (NEB) aufgefüllt und durch den Einsatz der Polynukleotidkinase (NEB) phosphoryliert. Nach einer Aufreinigung durch Gelextraktion (Min Elute Extraction Kit, Qiagen) findet die Ligation in den pBluescriptvektor durch die Verwendung der T4-DNA-Ligase
(NEB) statt.
Nach der Transformation des Vektors in den E.coli-Stamm TOP 10 One Shot wird durch
Colony-PCR ein geeigneter Klon ausgewählt. Die Sequenzierung wird von der Firma Seqlab
(Göttingen) übernommen. Insgesamt wurde bei allen Schritten gemäß den Herstellerangaben
verfahren. Die Sequenzen finden sich unter Anhang B.
Tab. 1: Degenerierte Primer für das Bruchidius hb-Projekt
Primername
Sequenz 5’-3’
Tm
Länge
B.o. fw hb 1
B.o. bw hb 1
AAC TAC AAT CTG AGC ATC TG
CCC ATR TGD ATN GTR TAC AT
(54 °C) 840 bp
(54 °C)
B.o. fw prd 1
B.o. bw prd 1
CAR TAY AAR MGN GAR AAY CC
TCN CKN GTR TAD ATR TCN GG
(55 °C) 311 bp
(57 °C)
In-situ-Hybridisierung von Bruchidius-Embryonen
Das Protokoll ist eine Kombination aus einem Parhyale- und dem Glomeris-in-situ-Protokoll
(Rehm et al., 2009, Prpic und Tautz, 2003). Die benötigten Lösungen sind in Anhang A
festgehalten, die Synthese der Dig-gelabelten Sonden erfolgt nach Standardprotokoll.
Tag 1:
1. Die in Methanol aufgewahrten devitellinisierten Embryonen werden schrittweise in
PBT überführt.
2. PBT wird durch eine Detergenzlösung ersetzt und die Embryonen darin für 20 Minuten
gewaschen.
19
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Material & Methoden
3. Im Anschluss erfolgt 4 x Waschen mit PBT.
4. PBT entfernen und 500 µl Bruchidius-Hyb-B zugeben und für 5 min bei 55 °C inkubieren.
5. Die Bruchidius-Hyb-B Lösung durch 500 µl Bruchidius-Hyb-A Lösung ersetzen und
für 3 Stunden bei 55 °C inkubieren.
6. Soviel Bruchidius-Hyb-A Lösung entfernen, dass die Embryonen gerade noch bedeckt
sind und 3 - 5 µl Sonde zu pipettieren und über Nacht bei 55 °C inkubieren.
Tag 2:
7. Bruchidius-Hyb-A Lösung entfernen, mit 500 µl Bruchidius-Hyb-B Lösung ersetzen
und für 10 min bei 55 °C inkubieren.
8. Erneut mit 500 µl Bruchidius-Hyb-B Lösung waschen und für 30 min bei 55 °C inkubieren.
9. 75% Bruchidius-Hyb-B und 25% 2x SSC, für 15 min bei 55 °C waschen.
10. 50% Bruchidius-Hyb-B und 50% 2x SSC, für 15 min bei 55 °C waschen.
11. 25% Bruchidius-Hyb-B und 75% 2x SSC, für 15 min bei 55 °C waschen.
12. 2 x mit 2x SSC, für 15 min bei 55 °C waschen.
13. 2 x mit 0.2x SSC, für 30 min bei 55 °C waschen.
14. 50% 0.2x SSC und 50% PBT, für 15 min bei RT waschen.
15. 25% 0.2x SSC und 75% PBT, für 15 min bei RT waschen.
16. 2 x mit PBT für 15 min bei RT waschen.
17. Blocking Schritt: 200 µl BBR (2.5%) und 800 µl PBT für 2 Stunden bei RT.
18. Zugabe von Anti-DIG-AP Antikörper (Roche): 1:1000 und über Nacht bei 4 °C inkubieren.
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I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Material & Methoden
Tag 3:
19. 6 x mit PBT für jeweils 10 min waschen.
20. 4 x mit PBT für 30 min waschen.
21. 3 x mit Färbepuffer 1 für jeweils 5 min waschen.
22. Zum Färben auf 1 ml Färbepuffer 15 µl NBT/BCIP (Roche) zugeben.
23. Die Färbung durch mehrmaliges Waschen mit PBT abstoppen. Die Embryonen können mit Hoechst 33342 (Endkonzentration: c=2.5 µg/ml, Sigma Deisenhofen) gegen
gefärbt und bei 4 °C in PBT aufgehoben werden. Zur weiteren Auswertung mit dem
Mikroskop werden die Embryonen auf Objektträger in einen Tropfen 50% Glycerol
gebracht.
Parentale RNAi in Bruchidius
Die Synthese der Doppelstrang-RNA wird mit dem T7-Megaskript Kit (Ambion) durchgeführt, wobei nach Herstellerangaben verfahren wird. Im Wesentlichen läuft die Injektion von
weiblichen Bruchidius-Puppen und adulten Tieren so ab, wie in Kapitel 3 für Tribolium beschrieben. Ein Unterschied der bei der Injektion von Bruchidius-Puppen berücksichtigt werden muss ist, dass Bruchidius-Puppen voluminöser und weicher sind als Tribolium-Puppen.
Deswegen werden die Bruchidius-Puppen nicht auf einen Objektträger aufgeklebt, sondern
einzeln auf einen Knetgummisockel gelegt, mit dem Zeigefinger der linken Hand festgehalten und ein wenig gedrückt. Sobald sich die Kutikula spannt wird auf der ventralen Seite
lateral in das Abdomen injiziert. Durch die injizierte Flüssigkeit streckt sich die Puppe. Es
darf aber nur so viel injiziert werden, dass sich die am Bauch gefalteten Elytren nicht anheben, andernfalls ist die Überlebensrate extrem schlecht.
Nachdem die gewünschte Anzahl an Puppen injiziert worden ist, werden sie zusammen
mit Männchen und einigen Wachtelbohnen in ein verschließbares Fliegenröhrchen gegeben,
das mit einem Netz nach unten abschließt. Nach Ablauf von 4 Tagen ist die Metamorphose
der injizierten Puppen abgeschlossen und dann dauert es meistens nochmal 3-4 Tage bis die
erste Eiablage stattfindet.
21
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Material & Methoden
Wie für die Ablagebox beschrieben, fallen die Eier durch das Netz durch - in diesem Fall in
eine Petrischale - und können dann mit einem Pinsel aufgesammelt werden. Die Embryonen
reifen bis zum Erreichen des gewünschten Stadiums bei 25 °C nach und werden dann wie
oben beschrieben fixiert. Alternativ fertigt man nach Abschluss der Embryogenese Kutikulapräparate an. Dafür hat es sich bewährt die Eier ebenfalls 1 h in 100% Klorix zu geben, dann
mit Minutiennadeln die Eihüllenreste in PBT zu entfernen und schließlich die Larven mit
einem Pinsel in einen Tropfen Hoyers:Milchsäure (1:1) zu geben. Die Klärung der Präparate
findet im Inkubator bei 60 °C über Nacht statt.
Ovarpräparation von Bruchidius
Bruchidius-Weibchen werden in ein Blockschälchen mit PBT gegeben, dekapiert und mit
Hilfe zweier Uhrmacherpinzetten auf der ventralen Seite des Abdomens geöffnet. Die Ovarien werden auf Eis für 30 Minuten in 4% Formol und PBT fixiert. Anschließend werden
die Aktinhüllen der Ovarien mit Minutiennadeln entfernt und ein weiterer Fixierungsschritt
für 15 min erfolgt, ebenfalls in PBT das 4% Formol enthält. Die in-situ-Hybridisierung erfolgt nach dem Standard-Laborprotokoll (Bäumer et al., 2011; Tautz & Pfeifle, 1989), das
als einzige Abwandlung zur embryonalen ISH eine Ovar-Hybridisierungslösung sowie nach
erfolgter Hybridisierung Waschschritte mit einem MABT-Puffer vorsieht (Zusammensetzungen s.h. Anhang A).
22
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
Ergebnisse
In dem Kurzkeim-Käfer Tribolium wurde hunchback als nicht kanonisches Gapgen beschrieben (Marques-Souza et al., 2008), während in den Langkeim-Insekten Nasonia und Drosophila, hunchback als kanonisches Gapgen agiert (Pultz et al., 2005; Lehmann und NüssleinVolhard, 1987). Mit Bruchidius soll untersucht werden, welche Rolle hunchback in einem
Langkeim-Käfer spielt und somit die Frage beantwortet werden, ob die Funktion von hunchback an den Entwicklungsmodus gekoppelt ist.
Das Bruchidius Hunchback-Ortholog
Hunchback ist ein Zinkfinger Transkriptionsfaktor (Typ: C2H2), welcher in Drosophila aus
sechs Zinkfingerdomänen besteht, die in zwei N-terminale, vier mittelständige sowie zwei
C-terminale Zinkfinger eingeteilt werden (Tautz et al., 1987). Das klonierte Bruchidius hbFragment ist 840 bp lang und umfasst die mittleren Zinkfingerdomänen zwei, drei und vier.
Abb. 4: Alignment von HB-Orthologen verschiedener Arthropoden
Der Ausschnitt zeigt ein Alignment der mittleren Zinkfinger 2-4 von Bruchidius obtectus (B.o.),
Tribolium castaneum (T.c.: NP_001038093), Nasonia vitripennis (N.v.: NP_001128392), Drosophila melanogaster (D.m.: AAN13395) und dem Krebs Artemia franciscana (A.f.: CAJ20042).
23
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
Ein Sequenzvergleich (Abb. 4) der klonierten mittleren Bruchidius Hunchback-Zinkfingerdomänen mit den entsprechenden Sequenzen verschiedener Arthropoden zeigt, dass Bruchidius Hunchback sehr gut konserviert ist, da die Übereinstimmung der Sequenzen zwischen
Bruchidius und Drosophila ca. 78,7% und zwischen Bruchidius und Tribolium ebenfalls
78,7% beträgt.
Die Expression von maternalem hunchback im Bruchidius-Ovar
In allen bisher untersuchten Spezies wird hunchback zunächst maternal exprimiert: In Gryllus- und Oncopeltus-Ovaren wurde hunchback in den sich entwickelnden, noch unbefruchteten Eiern nachgewiesen (Mito et al., 2005; Liu und Kaufmann, 2003). Auch in Drosophila
und Tribolium kann kurz nach der Befruchtung des Eies, noch bevor die zygotische Genexpression aktiviert ist, hunchback bereits detektiert werden (Tautz und Pfeifle, 1989; Wolff et
al., 1995). Es ist deswegen sehr wahrscheinlich, dass Bruchidius hunchback ebenfalls maternal exprimiert wird.
Während Drosophila ein polytrophes Ovar besitzt, was bedeutet, dass 15 Nährzellen eine
Eizelle umgeben und im Zuge ihrer Reifung durch das Ovar mit wandern (Bastock und St
Johnston, 2008), bildet Bruchidius (Büning, 1978) - genau wie Tribolium (Trauner und Büning, 2007) - ein telotrophes Ovar aus. Die sich entwickelnden Eizellen grenzen nicht direkt
an die Nährzellen an, sondern stehen mit diesen über sogenannte Nährstränge in Verbindung,
da die Nährzellen während der gesamten Eizellreifung im Tropharium verbleiben.
B.o. hb-mRNA kann bereits in den Ovariolen nachgewiesen werden (Abb. 5). Im Tropharium ist eine starke hb-Expression im Zentrum zu finden, während die Spitze und der
posteriore Bereich nur ganz leicht gefärbt sind. Zieht man den Analogieschluss zu Tribolium
(Trauner und Büning, 2007) müssten sich im posterioren Teil des Trophariums somatisches
Gewebe sowie ganz junge Oocyten befinden. In den wachsenden Oocyten akkumuliert die
hb-RNA und ist ubiquitär in den Eiern verteilt. Die an den Oocytenseiten anliegenden somatischen Follikelzellen bleiben sowohl in jüngeren als auch älteren Stadien ungefärbt (Abb. 5:
A vergrößerter Ausschnitt, Pfeilköpfe), jedoch scheint hunchback in den Follikelzellen welche sich zwischen den einzelnen Eikammern befinden, exprimiert zu sein (Abb. 5: A, Sterne).
Dort ist die Expression vor allem zu Beginn der Oogenese sehr kräftig. B.o. hunchback wird
also ebenfalls maternal exprimiert und anschließend im heranreifende Ei deponiert.
24
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
Abb. 5: Bruchidius hb
wird maternal im Ovar
exprimiert
B.o. hb-Expression in einer
telotrophen Bruchidius Ovariole. A) B.o. hb wird im Zentrum des Trophariums und
in den wachsenden Oocyten
ubiquitär exprimiert. Die Vergrößerung verdeutlicht, dass
in den lateralen Follikelzellen keine Expression statt findet (Pfeilköpfe); hingegen ist
in den Follikelzellen zwischen
den Eikammern eine starke
Expression erkennbar (Sterne). A’) Kernfärbung der
gleichen Ovariole wie in A,
zur Darstellung der Morphologie.
Die Expression von Bruchidius hunchback im Laufe der Embryogenese
Um die B.o. hb-Expressionsdaten besser einordnen zu können, soll zunächst die BruchidiusEmbryogenese kurz zusammengefasst werden. Die frühe Embryonalentwicklung von Bruchidius ist durch zahlreiche mitotische Kernteilungen im Zentrum des Eies charakterisiert
(Jung, 1965; Schnellhammer Diplomarbeit, 2007).
Zu diesem Zeitpunkt sind die Kerne, die sogenannten Energiden, nur von Zytoplasma umgeben nicht jedoch von einer Zellmembran (Mazumdar und Mazumbar, 2002; Schowalter,
2006) (Abb. 6: A, B). Ein Großteil dieser Energiden wandert an den Rand des Eies (Abb. 6:
C), die im Zentrum des Eies verbleibenden Kerne polyploidisieren und sind als Vitellophagen an der Ernährung des zukünftigen Embryos beteiligt. Im jungen Blastoderm sind die an
der Peripherie des Eies befindlichen Zellkerne noch relativ weit voneinander getrennt (Abb.
6: D), durch weitere Mitosen werden sie jedoch immer dichter gepackt und am posterioren
Ende heben sich die Polzellen ab, die später für die Entwicklung der Keimbahn zuständig
sind (Abb. 6: E). Nach der Ausbildung der Zellmembranen wandern im differenzieren Blastoderm die meisten Zellen zur ventralen Eiseite und bilden das embryonale Gewebe, das
die gesamte Länge der anterior-posterioren Achse einnimmt. Auf der dorsalen Seite des Ei-
25
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
es bleiben weniger Zellen, dort entwickelt sich die Serosa, eine extraembryonale Membran
(Abb. 6: F). Die weitere Embryogenese von Bruchidius beinhaltet die Keimstreifstreckung,
während der sich das posteriore Ende des Embryos nach dorsal-anterior ausdehnt (Abb. 6:
G). Schließlich beginnt der Keimstreifrückzug (Abb. 6: H); der Embryo wird kompakter,
lateral wachsen die Seitenwände nach dorsal und der Rückenschluss findet statt (Abb. 6: I)
(Jung, 1965).
Abb. 6: Die Embryonalentwicklung von Bruchidius
Die Embryonen sind mit der anterioren Seite nach links orientiert. Der Messbalken spiegelt die
Länge 200 µm wider. A) Zygote. B) Kernscharstadium. C) Frühes Blastoderm. Ein Großteil der
Energiden wandert an die Peripherie des Eies. D) Die mitotischen Teilungen setzen sich fort, so
dass die Kerne im Blastoderm dichter gepackt sind. E) Am posterioren Pol sind die Vorläufer der
Keimbahn, die Polzellen zu erkennen (Pfeil). F) Die lateralen Seitenplatten fusionieren ventral
und bilden das Keimrudiment. G) Gestreckter Keimstreif, die Kopflappen, sowie Mandibeln und
Maxillen sind morphologisch gut zu erkennen. H) Keimstreifrückzug. Die Pfeilspitzen deuten
auf die Tracheenöffnungen. I) Embryo während des Rückenschlusses. An der dorsalen Seite ist
das Dorsalorgan (DO) zu erkennen, welches sich aus Resten der extraembryonalen Membranen
zusammen setzt (Aufnahmen aus Diplomarbeit Schnellhammer, 2007).
26
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
Bruchidius hunchback ist während der gesamten Embryogenese nachweisbar (Abb. 7). Bis
zum Stadium des frühen Blastoderms ist B.o. hb homogen im Ei verteilt und vermutlich noch
maternalen Ursprungs (Abb. 7: A, A’). Die erste distinkte Expression lässt sich in älteren,
blastodermalen Stadien ausmachen, da im posterioren Drittel des Eies keine hb-mRNA mehr
nachweisbar ist und B.o. hb eine breite anteriore Expressionsdomäne bildet (Abb. 7: B, B’).
Kurz vor Ende der Blastodermphase verschwindet die Expression von B.o. hb am anterioren
Eipol, so dass zu diesem Zeitpunkt B.o. hb ausschließlich in einem breiten Streifen in der
Mitte des Eies exprimiert wird (Abb. 7: C, C’).
Mit der Ausbildung des Keimrudiments entsteht neben der weiterhin vorhanden zentralen Expression eine zusätzliche hunchback-Expressionsdomäne an der posterioren Eispitze
(Abb. 7: D). Betrachtet man den Embryo von der dorsalen Seite sieht man, dass in der dort befindlichen extraembryonalen Membran kein hunchback exprimiert wird (Abb. 7: D’; Pfeil).
Im Keimrudiment schließlich, wird hunchback in drei Bereichen exprimiert; zum einen im
Kopfbereich sowie in einer breiten zentralen Domäne die wahrscheinlich thorakale Segmente überspannt und schließlich weiterhin am posterioren Ende des Keimstreifs (Abb. 7: E).
Während die beiden anterioren Expressionsbereiche im Zuge der Keimstreifstreckung verschwinden, bleibt die posteriore Expressionsdomäne die gesamte Keimstreifstreckung über
bestehen (Abb. 7: F).
Im vollständig elongierten Keimstreif beschränkt sich die B.o. hunchback-Expression auf
vermutlich neuronale Vorläuferzellen, welche sich im Kopfbereich und entlang der ventralen Mittellinie befinden (Abb. 7: G). Diese neuronale Expression bleibt auch während des
Rückenschlusses weiter bestehen (Abb. 7: H).
27
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
Abb. 7: Die Expression von Bruchidius hb während der Embryogenese
28
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
Die anteriore Seite der Embryonen zeigt nach links. A) Frühe, ubiquitäre Expression von hunchback. A’) Kernfärbung zur näheren Charakterisierung des Stadiums: frühes Blastoderm. B) Breite
anteriore hb-Expressionsdomäne. B’) Kernfärbung: spätes Blastoderm. C) Die initial breite anteriore hb-Domäne wird durch eine breite, zentrale Expressionsdomäne ersetzt. C’) Entwicklungsstadium: Spätes Blastoderm. D) Zusätzlich zur zentralen Expressionsdomäne tritt noch eine zweite
Domäne am posterioren Pol des Eies auf. Die dorsale Seite des Embryos ist ohne hb-Expression.
(Pfeil). D’) Gleiches Ei wie D, dieses Mal von dorsal. Der Bereich der dorsalen Serosa bleibt von
hunchback-Expression frei (Pfeil). E) Wachsender Keimstreif mit hb-Expression im Kopf, im thorakalen Bereich sowie in der posterioren Streckungszone. F) Keimstreifstreckung mit beginnender
neuronaler und posteriorer hb-Expression. G) Vollständig gestreckter Keimstreif. Die Expression
von hunchback beschränkt sich auf die Kopflappen und auf ein segmentales, neuronales Muster
(Pfeile weisen auf neuronale Expression). H) Fast vollständig entwickelter Embryo, mit beginnendem Rückenschluss, von ventral aufgenommen. Deutlich zu sehen ist die kräftige neuronale
Expression entlang der ventralen Mittellinie (Pfeil).
hb-RNAi in Bruchidius resultiert in einem starken Gapgen-Phänotyp
Durch Injektion von hb-dsRNA in weibliche Bruchidius-Puppen und die Analyse der daraus resultierenden Nachkommen ist es möglich, B.o. hunchback auf funktionaler Ebene zu
untersuchen. Zur Kontrolle wurden auch einige weibliche Bruchdius-Puppen lediglich mit
Wasser injiziert, in einem separaten Ansatz verpaart und ausgewertet.
Die Bruchidius-Wildtyp Larve (Abb. 8: A) ist ca. 600 µm lang. An den Kopf grenzen
drei thorakale Segmente sowie acht abdominale Segmente an. Thorakale und abdominale
Segmente sind ventral von Zähnchenbändern besetzt. Das erste thorakale Segment hat ein
breites Zähnchenband, das in kurzem Abstand von einem schmaleren gefolgt wird (Abb. 8:
A). An den Segmenten T2-A8 befindet sich jeweils nur ein ventrales Zähnchenband. Sowohl
das zweite thorakale Segment, als auch alle abdominalen Segmente bilden lateral Tracheenöffnungen aus. Alle Segmente des Rumpfes sind mit langen Haaren bewachsen (Abb. 8: A).
In der unteren Hälfte des Bruchidius-Kopfes (Abb. 8: A’) sind die auffallendsten Strukturen die stark autofluoreszierenden Mandibeln. Darunter liegen die paarigen Maxillen und
das unpaare Labium. Oberhalb der Mandibeln befindet sich das Labrum, sowie die kleinen
Antennen, zwischen denen zwei lange, prominente Kopfborsten auffallen (Abb. 8: A’, Sternchen). hb-RNAi in Bruchidius resultiert in einem drastischen Phänotyp, dessen Häufigkeit
bei 58,7% liegt (Tabelle 2). Dieser Phänotyp (Abb. 8: B) beinhaltet die Deletion der Kopf
und thorakalen Segmente, sowie einen Großteil der abdominalen Segmente. Die Segmentdeletionen bewirken, dass die hb-RNAi-B.o. Larven mit ca. 300 µm Länge kürzer als
29
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
Tab. 2: Verteilung der Phänotypen nach Bruchidius hb-RNAi (c=3 µg/µl)
Phänotyp
WT
hb-RNAi Phänotyp
unentwickelt
hb-dsRNA 11 (17,5%)
37 (58,7%)
15 (23,8%)
Kontrolle
0
13 (28,9%)
32 (71,1%)
Abb. 8: Segmentverlust nach Bruchidius hunchback RNAi
A) WT Kutikulapräparat von Bruchidius. Die hell leuchtenden Strukturen am Kopf sind die Mandibeln. An drei thorakale Segmente mit jeweils einem Beinpaar, schließen sich acht abdominale
Segmente an. Thorakale und abdominale Segmente sind jeweils mit einem ventral liegenden Zähnchenband besetzt. Tracheenöffnungen liegen lateral an T2, sowie allen abdominalen Segmenten.
A’) Frontale Ansicht der Bruchidius Kopfstrukturen (Diplomarbeit, Schnellhammer 2007). Die
Sternchen markieren zwei prominente Kopfborsten, daneben sitzen die kurzen Antennen. Das
Labrum befindet sich mittig zwischen den paarigen Mandibeln. Unter den Mandibeln liegen die
Maxillen und das Labium. B) hb-RNAi-Bruchidius Phänotyp: Die Kopfstrukturen fehlen bis auf
das Labrum völlig. Die thorakalen Segmente sind nicht angelegt, an der anteriorsten Seite befinden sich noch ein paar übrige Zähnchenbandreste, die evtl. zu den thorakalen Segmenten gehören
könnten. Entlang der anterioren-posterioren Achse sind noch vier stark unstrukturierte Zähnchenbänder erkennbar (weiße Pfeile). B’) Vergrößerte Ansicht der anterioren Seite von A. Bis auf die
zwei Kopfborsten (Sternchen) und das Labrum fehlen alle restlichen Kopfstrukturen.
30
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
die Wildtyp-Larven sind. An der anterioren Seite des Embryos erkennt man noch Reste von
Zähnchenbänder, an welche im Schnitt meistens noch vier abdominalen Zähnchenbänder angrenzen (Abb. 8: B, Pfeile), deren Morphologie stark beeinträchtigt ist und auch ihre Identität
kann nicht mehr eindeutig zugeordnet werden. Die genauere Analyse der in den hb-RNAiKutikulas erkennbaren anterioren Struktur ergab, dass es sich dabei um die Insektenoberlippe
- das Labrum - handelt (Abb. 8: B’). Die über dem Labrum befindlichen langen Borsten sind
noch entwickelt (Abb. 8: B’, Sternchen), ansonsten fehlen sowohl Antennen als auch alle übrigen Mundwerkzeuge. Der Bruchidius hunchback-RNAi Phänotyp sieht genau so aus wie
der hb-mutante-Phänotyp in Nasonia vitripennis bei dem ebenfalls nur das Labrum sowie
einige wenige abdominale Segmente entwickelt sind (Pultz et al., 2005).
Die Expression des Paarregelgens paired im B.o Wildtyp
Um zu untersuchen, ob die nach hb-RNAi resultierenden Phänotypen in Bruchidius auf einen
frühen Defekt im Rahmen der Embryogenese zurückzuführen sind, wurde ein 311 bp langes
Fragment des Drosophila-Orthologs paired kloniert. Drosophila paired codiert einen Transkriptionsfaktor, welcher aus einer Paired-Box besteht und einer weiter C-terminal gelegenen
Homeodomäne (Bopp et al., 1986; Jun und Desplan, 1996). Diese funktionalen Domänen
sind gut konserviert, da die Sequenzidentität (Abb. 9) der Paired-Box zwischen Tribolium
und Bruchidius bei 97% und zwischen Bruchidius und Drosophila bei 71% liegt; die der
Homeodomäne zwischen Tribolium und Bruchidius sogar bei 100% und zwischen Bruchidius und Drosophila mit 86% ebenfalls sehr stark konserviert ist.
D.m. paired ist ein Paarregelgen und wird initial in Form einer anterioren Kappe im Blastoderm exprimiert (Gutjahr et al., 1993). Anschließend erfolgt die Expression eines breiten
anterioren Streifens, aus welchem die Streifen eins und zwei hervorgehen. Dahinter bilden
sich mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung aus zwei initial ebenfalls breit angelegte Expressionsdomänen, die Streifen drei und vier sowie fünf bis sieben aus. Mit Erreichen des
zellulären Blastoderms erscheint am posterioren Ende ein achter Expressionsstreifen und
es splitten sich die Streifen zwei bis sieben auf, indem die Expression in der Mitte des jeweiligen Streifens herunter reguliert wird, so dass paired nun in einem segmentalen Muster
exprimiert ist (Kilchherr et al., 1986; Gutjahr et al., 1993).
31
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
Abb. 9: Alignment der konservierten Domänen von Paired-Homologen
Der erste konservierte Abschnitt stellt die Paired Box dar (schwarzer Balken); der zweite konservierte Bereich die Homeodomäne (schwarzer Balken) von Nasonia vitripennis (N.v.: ACT79975),
Drosophila melanogaster (D.m.: NP_523556), Tribolium castaneum (T.c.: XP_966652) und Bruchidius obtectus.
Die früheste paired-Expression in Bruchidius findet im Präblastoderm statt, wenn sich an
der posterioren Eiseite die Polzellen deutlich abheben (Abb. 10: A’, Pfeil). An der anterioren
Seite des Eies bildet sich ein schmaler Streifen der sich von den beiden lateralen Seiten über
die ventrale Seite erstreckt (Abb. 10: A). Kurze Zeit später erscheinen zeitgleich nach dem
ersten Expressionsstreifen, drei zusätzlich breite Streifen, die sich über das Zentrum des Eies
erstrecken (Abb. 10: B, B’). Unmittelbar nach dem Auftreten der primären paired-Streifen
splitten diese sich in sekundäre Streifen auf, scheinbar durch die Herunterregulierung der
paired-Expression im Zentrum des jeweiligen initialen breiten Streifens (Abb. 10: B, Pfeil).
Mit dem Erreichen des Keimrudiments ist paired segmental in allen gnathalen, thorakalen
und abdominalen Segmenten exprimiert (Abb. 10: C, C’).
32
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
Abb. 10: Expression von Bruchidius paired im Wildtyp
Die anteriore Seite der Embryonen zeigt nach links, die dorsale Seite, sofern nicht anders angegeben, nach oben. A) Die erste detektierbare prd-Expression findet im späten Blastoderm statt
(Pfeil zeigt auf die posterioren Polzellen) und umfasst einen anterioren Streifen der wahrscheinlich mit der Region der zukünftigen Mandibeln zusammen fällt. A’) Hoechstfärbung des gleichen
Stadiums mit deutlich sichtbaren Polzellen (Pfeil). B) Die Streifen zwei bis vier treten zeitgleich
auf und fangen an sich in sekundäre Streifen aufzusplitten, kurz nachdem die Polzellen wieder in
das Innere des Embryos verlagert worden sind. B’) Hoechstfärbung. C) Im Keimrudiment findet
eine segmentale Expression in den Mandibeln sowie Maxillen statt und setzt sich über die thorakalen bis zu den bereits vorhandenen abdominalen Segmenten fort. C’) In der Kernfärbung des
gleichen Stadiums kann man gut zwischen der dorsalen Serosa (S) und dem embryonalen Gewebe
unterscheiden. D) Im gestreckten Keimstreif bleibt die Kopfexpression in den Mandibeln bestehen,
die segmentalen Streifen sind verschwunden und nur noch im letzten, dem achten abdominalen
Segment, ist eine prd-Expression zu finden. D’) Selber Embryo wie D, von ventral fotographiert.
33
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
In allen bisher beschriebenen Stadien ist die paired-Expression auf die embryonalen Anlagen
beschränkt, die dorsal gelegene Serosa bleibt stets frei von Expression (Abb. 10: C, S). Im
gestreckten Keimstreif bleibt nur die Expression in den Mandibeln und im achten abdominalen Segment bestehen. Alle anderen Streifen verschwinden gleichzeitig (Abb. 10: D, D’).
Insgesamt deutet die Expression von Bruchidius paired darauf hin, dass wie für Drosophila
beschrieben (Gutjahr et al., 1993), Bruchidius paired im Blastodermstadium die Funktion
eines Paarregelgens inne hat und später im Keimrudiment als Segmentpolaritätsgen wirkt.
Die Expression von B.o. paired in B.o. hb-RNAi-Embryonen
Bruchidius hunchback-RNAi wirkt sich auf die Expression von Bruchidius paired sowohl in
frühen als auch späteren Entwicklungsstadien aus: Im Blastoderm findet die Ausbildung des
ersten paired-Streifens nicht statt. Lediglich eine breite diffuse Expression kann beobachtet
werden, welche sich vom posterioren Eipol bis in das vordere Drittel des Eies erstreckt (Abb.
11: A, A’, Pfeil).
In einem etwas älteren Blastodermstadium sind drei breite paired-Expressionsdomänen
ausgebildet, allerdings sind sie nur rudimentär angelegt (Abb. 11: B, B’). Zwar scheint sich
das Keimrudiment ventral noch entwickeln zu können, jedoch findet eine deutliche Keimstreifstreckung in hb-RNAi-Embryonen nicht statt. Dies wird ersichtlich durch die stark verkürzten Embryonen bei denen trotzdem noch morphologisch zwischen einem Kopfbereich
und abdominalen Strukturen unterschieden werden (Abb. 11: C’, Pfeil). Allerdings ist in
diesem Stadium weder in den gnathalen und thorakalen Segmenten, noch posterior eine paired-Expression zu finden (Abb. 11: C).
Diese Befunde bestätigen, dass der auf Kutikulaebene gefundene Phänotyp nach Bruchidius hunchback-RNAi, welcher in dem kompletten Verlust von Kopf und dem Großteil der
abdominalen Segmente basiert, tatsächlich auf Segmentdeletionen und der Störungen der
frühen Musterbildung zurückzuführen ist.
34
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Ergebnisse
Abb. 11: Expression des Paarregelgens paired in Bruchidius nach hb-RNAi
Die anteriore Seite der Embryonen ist nach links orientiert. A) Nach hb-RNAi ist im Blastoderm
eine schwache leicht verwaschene paired-Expression vorhanden. A’) Kernfärbung mit Hoechst.
B) In einem etwas älteren Stadium sind vier rudimentäre paired-Streifen vorhanden, die allerdings nach anterior verschoben sind. B’) Kernfärbung mit Hoechst. C) Nach dem Erreichen des
Keimrudimentstadiums ist keine paired-Expression mehr zu detektieren. C’) Die Keimstreifstreckung fehlt vollständig, jedoch können mittels Kernfärbung Rudimente von Kopfstrukturen und
der abdominale Bereich voneinander unterschieden werden (Pfeile).
35
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Diskussion
Diskussion
Durch die Adaption von Standardmethoden, welche in anderen Modellorganismen zur Untersuchung der Embryonalentwicklung Verwendung finden, an den Langkeimer Bruchidius
obtectus, steht nun dem Kurzkeimer Tribolium bezüglich der frühen Embryonalentwicklung
ein interessanter Vergleichsorganismus zur Seite. Die Analyse des Gapgens hunchback in
Bruchdius zeigt bereits anschaulich wie groß die Unterschiede der Segmentierung zwischen
zwei Spezies innerhalb einer Ordnung aufgrund ihrer verschiedenen Entwicklungsmodi sein
können.
Kanonische Gapgen Funktion von B.o. hb in der anterioren Musterbildung
Initial wird Bruchidius hunchback maternal im Ei deponiert (Abb. 5: A). Im frühen Blastoderm ist B.o. hb homogen im Ei verteilt und wird kurze Zeit später in einer breiten anterioren
Domäne exprimiert (Abb. 7: A, B). Auch im Keimrudiment besteht die anteriore Expression
fort, welche sich von den Kopflappen bis ins anteriore Abdomen hinein zieht (Abb. 7: E).
Parentale hb-RNAi in Bruchidius resultiert in einem sehr starken anterioren und posterioren Segmentierungsphänotyp (Abb. 8), welcher mit dem beschriebenen Phänotyp aus
Nasonia mutanten hunchback-Embryonen nahezu identisch ist (Pultz et al., 1999, Pultz et
al., 2005). Anterior fehlen die Antennen, Mundwerkzeuge sowie die thorakalen Segmente (Abb. 8: B’). Als einzige anteriore Struktur, sowohl in Nasonia als auch in Bruchidius,
ist das Labrum noch entwickelt. Das Labrum stellt die anteriorste Kopfstruktur dar, wobei
es sich vermutlich um nicht segmentales anteriores Gewebe handelt (Posnien et al., 2009).
Aus Drosophila ist bekannt, dass der sowohl anterior als auch posterior im Ei aktivierte
Torso-Signalweg im anterioren Bereich u.a. für die Entwicklung des Labrums zuständig ist
(Klingler et al., 1988). Es konnte auch gezeigt werden, dass der Torso-Signalweg eine Repression von hunchback am vorderen Eipol bewirkt, was für die Entwicklung des Labrums
nötig ist (Janody et al., 2000). Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass sich diese anteriore Struktur nach Bruchidius hunchback-RNAi normal entwickelt, da im Wildtyp die Ausbildung des Labrums nur in Abwesenheit von hunchback stattfinden kann. Eine Funktion
von Torso im anterioren und posterioren Bereich des Tribolium-Eies konnte bereits gezeigt
werden (Schoppmeier und Schröder, 2005), so dass die Möglichkeit besteht, dass der Torso-
36
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Diskussion
Signalweg auch in Bruchidius konserviert und an der Repression von hunchback im Wildtyp
beteiligt ist. Während es sich in dem beobachteten anterioren Phänotyp in Tribolium um
eine Transformation von gnathalen und thorakalen Segmenten hin zu abdominaler Identität
handelt (Marques-Souza et al., 2008), sind die anterioren Entwicklungsdefekte in Bruchidius
tatsächlich auf den Verlust von Segmenten zurückzuführen, was sich auf der Ebene des untersuchten Paarregelgens B.o. paired widerspiegelt. Der erste anteriore paired-Streifen wird in
Bruchidius hb-RNAi-Embryonen nicht ausgebildet; weiter posterior gelegene Streifen treten
nur rudimentär und mit einer anterioren Verschiebung auf (Abb. 11: B). Im Keimrudiment
ist schließlich überhaupt keine paired-Expression mehr nachweisbar (Abb. 11: C).
Insgesamt erfüllt damit hunchback in Bruchidius die Funktion eines kanonischen Gapgens: breite Expressionsdomänen, welche deckungsgleich mit aneinander grenzenden Segmentdeletionen nach einem Knockdown von hunchback sind.
B.o. hunchback ist wichtig für die posteriore Musterbildung
Im stärksten Kutikulaphänotyp nach hunchback-RNAi sind neben dem Labrum nur noch vier
ventrale Zähnchenbänder als distinkte Strukturen erkennbar (Abb. 8: B). Die Identität kann
man mangels morphologischer Merkmale nicht eindeutig zuordnen, doch ist es anzunehmen,
dass es sich dabei um die abdominalen Segmente A3 bis einschließlich A6 handelt, da im
Wildtyp die letzten Segmente der Bruchidius-Larve posterior deutlich schmaler werden, was
in den B.o. hb-RNAi Kutikulas nicht beobachtet werden kann. Somit würden die posteriorsten Segmente A7 und A8 fehlen. Dies wäre konsistent mit der Beobachtung, dass hunchback
im Keimrudiment an der posterioren Spitze und im gestreckten Keimstreif am posterioren
Ende in einem schmalen Streifen exprimiert wird.
Diese zusätzliche abdominale Funktion von hunchback ist ebenfalls aus Drosophila bekannt. Ist zunächst noch die Reprimierung von maternalem hunchback via dem Nos/Pum
Komplex nötig (Irish et al., 1989; Wreden et al., 1997), wird die spätere posteriore Regulierung von hunchback durch den Torso-Signalweg durchgeführt, welcher in diesem Fall im Gegensatz zur anterioren Eiseite - durch die Aktivierung der Gapgene des terminalen
Systems tailless und huckebein (Brönner und Jäckle, 1991), die Expression von posteriorem
hunchback steuert. Hunchback wiederum erfüllt an dieser Stelle eine Funktion als sogenanntes sekundäres Gapgen (Margolis et al., 1995). Fehlende posteriore hunchback-Aktivität bewirkt in schwachen Phänotypen die Fusion des siebten und achten abdominalen Segments;
37
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Diskussion
in stärkeren Phänotypen die Deletion der selbigen sowie den partiellen Verlust der posterioren Filzkörper (Lehmann und Nüsslein-Volhard, 1987). In Nasonia trifft man auf die gleiche
Situation. Eine später im Blastoderm auftretende posteriore Expressionsdomäne, die für die
Spezifizierung der posteriorsten Segmente nötig ist (Pultz et al., 2005).
Aus den bisher verfügbaren Bruchidius-Daten geht also hervor, dass auch die posteriore
hunchback-Funktion zwischen den verschiedenen Langkeiminsekten konserviert ist.
Bruchidius und Tribolium Hunchback, ein Vergleich
Obwohl Bruchidius und Tribolium beide der Ordnung Coleoptera zugehören, spiegelt sich
diese Verwandtschaft weder in den Expressionsmustern noch in den funktionalen Daten von
hunchback wider. Während in Bruchidius eine anteriore Kopfexpression und eine Expression in den thorakalen Segmenten auftreten, beschränkt sich die anteriore Expressionsdomäne
von Tribolium hunchback auf die Serosa (Wolff et al., 1995). Die Expression von Tribolium hunchback im Gnathum und T1 lässt sich zwar teilweise mit der Bruchidius-Expression
vergleichen, welche sich vom Kopf bis wahrscheinlich A2 hinzieht, allerdings ist die Funktion von Hunchback in diesem Bereich unterschiedlich, was sich auf phänotypischer Ebene
widerspiegelt.
Nach Bruchidius hunchback-RNAi fehlen sämtliche Kopfstrukturen (Abb. 8: B), bis auf
das Labrum, während nach Tribolium hunchback-RNAi die Entwicklung von Labrum, Antennen und Mandibeln unbeeinflusst bleibt (Marques-Souza et al., 2008). In Bruchidius ist
hunchback nötig, dass das Paarregelgen paired exprimiert wird, da in hb-RNAi-Embryonen
die Expression dieses Gens stark gestört ist, was mit dem Fehlen der Kopf, Thorax und einem
Großteil der abdominalen Segmente korreliert (Abb. 11).
In Tribolium sind die fehlenden gnathalen und thorakalen Segmente jedoch auf einen anderen Effekt zurückzuführen, da nach hb-RNAi in Tribolium sowohl die anterioren Streifen
der Paarregelgene even-skipped als auch runt wie im Wildtyp exprimiert werden, was ein
Hinweis darauf ist, dass die gnathalen und thorakalen Segmente in Tribolium initial angelegt
werden (Marques-Souza et al., 2008). Jedoch zeigte die Analyse der Hoxgenexpression nach
T.c. hb-RNAi, dass eine anterioren Verschiebung der Expression von Antp, Abd A und Ubx,
welche im WT nur in den abdominalen Segmenten koexprimiert werden, stattfindet so dass
die gnathalen und thorakalen Segmente eine falsche Identität entwickeln (Marques-Souza et
al., 2008).
38
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Diskussion
Auch die posteriore Funktion von hunchback in beiden Käfern ist unterschiedlich. Zwar
resultiert der RNAi-Effekt in beiden Organismen in abdominalen Störungen der Musterbildung und auf den ersten Blick sind diese posterioren Phänotypen ähnlich, allerdings ist der
Effekt in Tribolium deutlich stärker als in Bruchidius und auf eine Störung der Wachstumszone sowie einen damit verbundenen vorzeitigen Segmentierungsabbruch zurückzuführen
(Marques-Souza et al., 2008). Ein gegenteiliger Effekt kann durch die Überexpression von
hunchback in Tribolium erzielt werden, da dieser in einer einer zusätzlichen Anzahl an abdominalen Segmenten resultiert (Distler und Klingler, in Vorbereitung). Aufgrund der Langkeimentwicklung ist in Bruchidius eine posteriore Wachstumszone nicht existent und aus
Drosophila weiß man, dass eine posteriore ektopische Expression von hunchback zu der
Deletion von abdominalen Segmenten führt (Irish et al, 1989), so dass die Ursache für das
Fehlen der posterioren Segmente in Bruchidius wahrscheinlich eine andere ist als in Tribolium.
Die Hunchback-Funktion ist in Langkeimern konserviert
Der Vergleich der frühen Embryonalentwicklung verschiedener Langkeiminsekten wie Drosophila und Episyrphus aus der Ordnung der Dipteren, oder den Hymenopteren Nasonia und
Apis zeigt, dass die frühen genetischen Interaktionen für die Segmentierung der anteriorenposterioren Achse teilweise sehr unterschiedlich sind, auch bei der Zugehörigkeit zur gleichen Insektenordnung (Lemke und Schmidt-Ott, 2009; Wilson und Dearden, 2011).
Ein großer Unterschied beim Vergleich der Langkeimentwicklung zwischen Dipteren und
Hymenopteren ist die Bicoid, welches in der anterioren Musterbildung bei den Dipteren eine
prominente Rolle spielt, während in den Hymenopteren Nasonia und Apis aufgrund des Fehlens von Bicoid (Stauber et al., 1999), vor allem otd-1 und hb maßgeblich an der anterioren
Segmentierung beteiligt sind (Lynch et al., 2006; Wilson und Dearden, 2011). Doch auch
der Vergleich der Segmentierung zwischen den näher verwandten Arten Nasonia und Apis
bringt Unterschiede zu Tage. Beispielsweise wirkt Nasonia otd-1 vermutlich reprimierend
auf caudal, während in Apis gezeigt werden konnte, dass otd-1 eindeutig aktivierend auf
die caudal-Expression wirkt (Lynch et al., 2006; Wilson und Dearden, 2011). Ein anderes
Beispiel ist das Gapgen giant: Nasonia giant-mRNA ist zunächst maternalen Ursprungs und
bildet einen von anterior nach posterior verlaufenden Gradienten aus, welcher die Expression weitere Gapgene reguliert. Später wird Nasonia giant auch zygotisch exprimiert durch
39
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Diskussion
die Aktivierung von Hunchback (Brent et al., 2007). In Apis hingegen wird das Gapgen giant ausschließlich durch Hunchback zygotisch aktiviert (Wilson und Dearden, 2011). Eine
Begründung für diese Unterschiede ist, dass es sich vor allem bei den frühen Vorgängen der
Segmentierung um sehr schnell evolvierende Prozesse handelt (Kalinka et al., 2010).
Neben den soeben exemplarisch aufgeführten Unterschieden gibt es auch Gemeinsamkeiten bezüglich der frühen Segmentierung. Schon die früheren Untersuchungen des Gapgens
hunchback in den Langkeimern Nasonia, Drosophila, Megaselia etc. zeigten, dass die Funktion von hunchback in der Segmentierung dieser Langkeimer konserviert ist (Lehmann und
Nüsslein-Volhard, 1987; Pultz et al., 1999; Pultz et al., 2005; Stauber et al., 2000). Mit Bruchidius ein Vertreter der Langkeimer aus der Ordnung der Coleoptera, konnte nun in einer
weiteren holometabolen Insektenordnung gezeigt werden, dass hunchback sowohl in der Expression als auch seiner Funktion stark konserviert ist. Damit ist man bei der Entschlüsselung
gemeinsamer Prinzipien der Langkeimentwicklung einen kleinen Schritt weiter und es wäre
interessant zu wissen, wie groß die Übereinstimmung der Expression und Funktion weiterer
Gene der frühen Segmentierungskaskade in Bruchidius im Vergleich zu den anderen Langkeiminsekten ist.
Durch das Verständnis ob und inwieweit es eine gemeinsame Strategie der Langkeimentwicklung gibt, könnte auch die Frage neu diskutiert werden welcher Entwicklungsmodus
an der Basis der holometabolen Insekten steht: In Anbetracht der Tatsache, dass alle hemimetabolen Insektenordnungen den Modus der Kurzkeimentwicklung für die Segmentierung
nutzen und in den später entstandenen holometabolen Insekten sowohl Kurz- als auch Langkeimentwicklung existiert, ist die Vermutung dass der ursprüngliche Segmentierungsmodus
der holometabolen Insekten die Kurzkeimentwicklung ist, während die Langkeimentwicklung konvergent in den Hymenopteren, Coleopteren, Lepidopteren und Dipteren entstanden
ist (Davis und Patel, 2002; Peel, 2008). Obwohl es sich bei den Ergebnissen bezüglich der
Expression und Funktion von Bruchidius hunchback um einen ersten Datenpunkt handelt, ist
doch die Ähnlichkeit zur Funktion und Expression von Nasonia hunchback, Apis hunchback
und Episyrphus hunchback erstaunlich (Pultz et al., 2005; Stauber et al., 2000; Wilson und
Dearden, 2011).
In Abhängigkeit davon in welchem Umfang weitere Gemeinsamkeiten der frühen Segmentierung innerhalb der Langkeiminsekten gefunden werden können, zieht dies die Frage
nach sich ob nicht auch an der Basis der holometabolen Insekten die Langkeimentwicklung
40
I. Kapitel: Bruchidius hunchback - Diskussion
stehen könnte und die Kurzkeimentwicklung innerhalb der holometabolen Insekten sekundär
erneut entstanden ist. Um jedoch eine zufriedenstellende Antwort zu finden, müsste die frühe Segmentierung von Bruchidius weiter untersucht werden um zusätzliche Parallelen oder
auch Unterschiede zum Langkeimmodus anderer Insekten finden zu können. Zudem ist die
Untersuchung weiterer Segmentierungsstrategien in verschiedenen holometaboler Kurzkeiminsekten - neben Tribolium - nötig um die Möglichkeit der sekundären Kurzkeimentwicklung zu bestätigen oder auszuschließen.
41
II. Kapitel: Das Mex-3/Cad System
Einleitung
Das Mex-3/Cad System soll neben dem im vorigen Kapitel bereits vorgestellten Bohnenkäfer Bruchidius, auch in der Wanze Oncopeltus fasciatus untersucht werden. Zunächst wird
erläutert was es mit dem Mex-3/Cad System auf sich hat, wobei den Ausgangspunkt für die
Fragestellung erneut Drosophila bildet.
Funktion und Ursprung von Bicoid
Bicoid nimmt in der Drosophila-Segmentierung eine zentrale Stellung ein, da es maßgeblich in die anteriorer Musterbildung involviert ist (Ephrussi und St Johnston, 2004). Die
Nachkommen von bicoid-mutanten Fliegenweibchen bilden keinen Kopf und keine thorakalen Strukturen aus, stattdessen entstehen Embryonen mit zusätzlichen posterioren Strukturen
am eigentlich anterioren Pol (Frohnhöfer und Nüsslein-Volhard, 1986). bicoid-mRNA wird
noch während der Oogenese im heranreifenden Ei deponiert, indem ein Komplex aus den
Proteinen Dynein und Swallow, bicoid-mRNA an das anteriore Mikrotubuliskelett der Zelle verankert (Schnorrer et al., 2000). Nach der Befruchtung und der Eiablage löst sich ein
Teil der lokalisierten bicoid-mRNA und bildet an der Peripherie des Eies einen von anterior
nach posterior verlaufenden Gradienten aus (Spirov et al., 2009), der schließlich in einen
Proteingradienten übersetzt wird (Driever und Nüsslein-Volhard, 1988a).
Bicoid ist ein Homeodomänenprotein (Gehring, 1987) und erfüllt zwei Aufgaben: Zum
einen wirkt es als Morphogen und Transkriptionsregulator durch die konzentrationsabhängige Regulierung nachgeschalteter Genen, so dass deren Aktivierung - entsprechend der erhaltenen Positionsinformation - von anterior nach posterior möglich ist (Driever und NüssleinVolhard, 1989). Beispielsweise benötigen anterior exprimierte Gapgene wie orthodenticle für die Transkriptionsaktivierung eine hohe Konzentration des Bicoid-Proteins (Finkel-
42
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Einleitung
stein und Perrimon, 1990), während weiter posterior exprimierte Gapgene wie Krüppel oder
knirps nur durch geringe Bicoid-Konzentrationen aktiviert werden müssen (Hülskamp und
Tautz, 1991; Rivera-Pomar et al., 1995).
Die zweite Aufgabe von Bicoid ist die eines Translationsinhibitors. Dies beinhaltet die
Bindung von Bicoid in der 3’ UTR der caudal-mRNA (Rivera-Pomar et al., 1996a), welche
homogen im frühen Embryo verteilt ist (Mlodzik et al., 1985). In Folge dessen wird das Protein dEHP rekrutiert, das eine Interaktion mit der am 3’ Ende der mRNA befindlichen Kappe
vermittelt (Cho et al., 2005). Durch diese Bindung ist es nicht mehr möglich caudal-mRNA
im anterioren Bereich des Embryos zu translatieren, weswegen sich die caudal-Translation
ausschließlich im posterioren Teil des Embryos abspielt und dort die Gapgene der posterioren Gruppe aktivieren kann (Mcdonald and Struhl, 1986; Rivera-Pomar et al., 1995). Diese
strikte translationale Repression von Drosophila caudal im anterioren Bereich des Embryos
ist für die frühe Musterbildung sehr wichtig, da eine Überexpression von Drosophila caudal
in Embryonen resultiert, die eine gestörte Kopfinvolution sowie zahlreiche Segmentfusionen
entlang der a-p Achse aufweisen. In den stärksten Phänotypen tritt sogar der vollständige
Verlust der Kopf- und thorakalen Segmente auf (Frohnhöfer und Nüsslein-Volhard, 1986;
Mlodzik et al., 1990).
Neben Drosophila wurde Bicoid noch in den cyclorrhaphen Fliegen Megaselia, Platypeza, Lonchoptera sowie Episyrphus gefunden und ist dort ebenfalls an der Aktivierung der
Gapgene hunchback, otd und Krüppel beteiligt (Stauber et al., 1999; Lemke et al., 2008;
Lemke et al., 2010). In Episyrphus wurde gezeigt, dass sich nach bicoid-RNAi die caudalExpression nicht mehr auf den posterioren Bereich des Embryos beschränkt sondern caudal
ubiquitär im Ei exprimiert wird, so dass auch hier Bicoid als translationaler Repressor von
caudal fungiert (Lemke und Schmidt-Ott, 2009; Lemke et al., 2010). Obwohl Bicoid diese
wichtige Funktion in der anterioren Musterbildung innerhalb der cyclorrhaphen Fliegen inne
hat (McGregor, 2005), blieb die Suche nach Bicoid-Homologen in anderen Insektenordnungen wie Coleoptera (Brown et al., 2001) oder Hymenoptera (Lynch et al., 2006) erfolglos
und selbst innerhalb der Dipteren konnte außerhalb der cyclorrhaphen Fliegen kein BicoidHomolog gefunden werden (Stauber et al., 2001). Der Grund dafür ist der Zeitpunkt der
Entstehung von Bicoid, welcher unmittelbar vor der Entstehung der cyclorrhaphen Fliegen
liegt: In ursprünglichen Insekten wie dem Ofenfischchen Thermobia domestica liegt innerhalb des Hoxclusters das Hox-3-Gen. Es ist wie ein typisches Hoxgen für die Festlegung der
43
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Einleitung
Segmentidentität zuständig, wird aber zusätzlich auch in den extraembryonalen Membranen
exprimiert (Hughes et al., 2004). Die Vermutung ist, dass dieses homeotische Hox-3-Gen im
Laufe der Evolution seine homeotische Funktion gänzlich verloren hat, direkt in das Gen
zerknüllt übergangen ist und nur noch für die Spezifizierung der extraembryonalen Membran zuständig ist (Hughes et al., 2004). Durch eine spätere Duplikation des Gens zerknüllt
unmittelbar vor der Radiation der cyclorrhaphen Fliegen entstand schließlich das Gen bicoid
das somit auf diese Gruppe beschränkt ist (Stauber et al., 2002). Die Frage ist nun, wie die
Caudal-Regulation - ohne Bicoid - in anderen Organismen durchgeführt wird.
Regulationsmöglichkeiten von Caudal außerhalb Drosophila
Im Gegensatz zu Bicoid, ist Caudal innerhalb der Bilateria sehr gut konserviert. In allen
bisher untersuchten Gruppen von Mollusken (Le Gouar et al., 2003) über Nematoden (Draper
et al., 1996) und Arthropoden (Schulz et al., 1998; Copf et al., 2004; Shinmyo et al., 2005;
Olesnicky et al., 2006; Stauber et al., 2008 ) bis hin zu Vertebraten (Marom et al., 1997;
Pillemer et al., 1998), ist Caudal an der posteriore Musterbildung beteiligt (Abb. 12). Im
Folgenden soll anhand des Nematoden C.elegans und einigen Beispielen aus dem Reich der
Insekten Bicoid unabhängige Möglichkeiten der Caudal-Regulation aufgezeigt werden.
Das C.elegans-Homolog von D.m. caudal heißt pal-1 und seine Regulation findet - wie
das Bicoid/Caudal System in Drosophila - auch auf translationaler Ebene statt (Draper et al.,
1996). Die frühe Entwicklung von C. elegans basiert auf holoblastischen Furchungen, wobei
auf die befruchtete Eizelle ein zwei Zell-Stadium, dann ein vier Zell-Stadium etc. folgen.
Die einzelnen Zellen werden Blastomere genannt (Rose and Kemphues, 1998). Während
C.elegans pal-1-mRNA in allen vier Blastomeren verteilt ist, ist Pal-1-Protein nur in den
zwei posterioren Blastomeren nachweisbar. Ein KH-Domänen Protein (Siomi et al., 1993)
namens Mex-3 ist für die Repression des C.elegans Homologs von Caudal in den anterioren Blastomeren des frühen Embryos zuständig. In mex-3-mutanten C.elegans-Embryonen
findet eine Expansion von Pal-1 in die anterioren Blastomeren statt und es kommt statt zur
Ausbildung einer pharyngalen Zelllinie zur Ausbildung von Muskeln (mex-3 = muscle excess), welche sich im Wildtyp nur auf die posterioren embryonalen Bereiche beschränken
(Draper et al., 1996).
44
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Einleitung
Abb. 12: Allgemeine phylogenetische Übersicht der
Bilateria
Darstellung der phylogenetischen Beziehungen zwischen
den Bilateria (nach Gilbert,
2006). Hervorgehoben sind
die Tierstämme, in welchen
eine konservierte Funktion
von caudal in der posterioren
Musterbildung bereits nachgewiesen wurde.
Die Expression von C.elegans Pal-1 ist also wichtig für die Festlegung der Identiät der posterioren Blastomeren (Hunter und Kenyon, 1996). Auch innerhalb der Insekten ist die Funktion von caudal in der posteriore Musterbildung konserviert. Im Langkeiminsekt Nasonia
vitripennis konnte gezeigt werden, dass caudal bereits im Rahmen der Oogenese posterior
im Ei deponiert wird. Von dort ausgehend bildet sich nach der Eiablage ein von posterior
nach anterior verlaufender cad-mRNA-Gradient aus, welcher wahrscheinlich allein auf die
posteriore Lokalisierung der cad-mRNA zurückzuführen ist (Olesnicky et al., 2006). Diese
These wird von dem Befund gestützt, dass die frühe Entwicklung in Nasonia sehr stark von
der Lokalisierung maternaler mRNAs abhängt wie beispielsweise otd- oder giant-mRNA,
welche ebenfalls durch die Fixierung am Cytoskelett der Eipole Gradienten bilden können
(Lynch et al., 2006; Brent et al., 2007). Trotzdem ist nicht auszuschließen, dass ein weiterer
Faktor im anterioren Bereich für die Repression der Nasonia caudal-mRNA zuständig ist.
Interessanterweise zeigt die funktionale Analyse von cad in Nasonia, dass caudal in der
posterioren Segmentierung eine etwas größere Rolle spielt als das in Drosophila der Fall ist.
Der Knockdown sowohl von maternalem als auch zygotischem caudal durch parentale RNAi
resultiert in Embryonen die früh sterben und keine Kutikula ausbildeten. Nur die Injektion
niedrigste Konzentrationen an cad-dsRNA ermöglicht die Erstellung einer phänotypischen
Serie die zeigt, dass nach cad-RNAi Nasonia-Embryonen einen Segmentierungsabbruch ab
45
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Einleitung
T3 aufweisen. In Drosophila hingegen setzt die Störung der posterioren Segmentierung erst
ab dem zweiten abdominalen Segment ein (Olesnicky et al., 2006; Mcdonald und Struhl,
1986). Die Expression und Funktion von caudal wurde auch in den Kurzkeiminsekten Gryllus bimaculatus und Tribolium castaneum untersucht (Shinmyo et al., 2005; Copf et al.,
2004). Aufgrund der posterioren Ausbildung des Keimrudiments in diesen Insekten wäre ein
von anterior verlaufender Morphogengradient bei der Musterung des embryonalen Gewebes
nicht sinnvoll, da dieser am posterioren Eipol nicht mehr ausreichend Information vermitteln
würde, weshalb vermutet wird, dass die Musterbildung in Kurzkeiminsekten mit nur einem
Gradienten auskommen könnte. Dieser würde dementsprechend von posterior nach anterior
verlaufen (Rosenberg et al., 2009). Caudal wäre dafür ein geeigneter Kandidat, ob es jedoch
- analog zu Bicoid (Ephrussi und St Johnston, 2004) - eine Morphogenfunktion inne haben kann ist umstritten, da aus Drosophila bekannt ist, dass Caudal zwar einen Gradienten
ausbildet, aber die Aktivierung der Zielgene nicht von der Caudal-Konzentration abhängt,
sondern nur von der An- oder Abwesenheit von Caudal (Mcdonald und Struhl, 1986).
In Gryllus bimaculatus wird Caudal eine Eigenschaft als Morphogen zugeschrieben, weil
beispielsweise nach cad-RNAi das Zielgen hunchback in einer weiter posterior gelegenen
Domäne exprimiert wird. Auch ist die Funktion von caudal in Gryllus ausgeprägter als in
Drosophila, da starke cad-RNAi-Phänotypen keine Kutikula ausbilden und schwächere Phänotypen eine Deletion von gnathalen, thorakalen und abdominalen Segmenten aufweisen
(Shinmyo et al., 2005).
Tribolium caudal ist zunächst ubiquitär im Ei exprimiert. Im Blastoderm beschränkt sich
dann die Expression auf den posterioren Bereich des Eies, wo sich das embryonale Gewebe
entwickelt (Schulz et al., 1998; Copf et al., 2004). Im Gegensatz zu Gryllus werden jedoch
die Zielgene von Caudal in Tribolium nicht konzentrationsabhängig aktiviert (Schoppmeier et al., 2009). cad-RNAi in Tribolium resultiert ebenfalls in Embryonen, deren gesamte
posteriore Entwicklung - bis auf den anterioren Kopfbereich gestört ist. Vor kurzem konnte
nachgewiesen werden, dass das aus C.elegans bereits bekannte KH-Domänen-Protein Mex3 (Draper et al., 1996) auch in Tribolium für die Repression der caudal-Translation zuständig ist, in dem es an der 3’ UTR der cad-mRNA bindet (Schoppmeier et al., 2009). Wird
mex-3 durch RNAi herunter reguliert, fehlen in schwächeren Phänotypen das Labrum und
die Antennen während in den stärksten Phänotypen der gesamte Kopf der Tribolium-Larven
nicht entwickelt ist. Die Analyse weiterer Segmentierungsgene wie wingless (Nagy und Car46
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Einleitung
roll, 1994) und even-skipped (Brown et al., 1997) in Tribolium mex-3-RNAi-Embryonen
ergab, dass im Blastoderm der im Wildtyp im anterioren Kopfbereich exprimierte winglessStreifen fehlt und von den normalerweise drei even-skipped-Streifen im Blastoderm nur der
am posterioren Pol gelegene, vollständig ausgebildet wird. Diese Ergebnisse belegen, dass
der Kopfdefekt nach mex-3-RNAi auf eine frühe Beeinträchtigung der anterioren Segmentierung zurückzuführen ist (Schoppmeier et al., 2009).
Der Grund dafür ist, dass nach mex-3-RNAi die posteriore Caudal-Expression im Vergleich zum Wildtyp nach anterior verschoben ist, so dass nun Caudal auch in dem Bereich
der Kopfanlagen zu detektieren ist (Schoppmeier et al., 2009). Der anteriore Bereich, dort
wo sich die Serosa bilden wird (van der Zee et al., 2005), bleibt jedoch nach mex-3-RNAi
weiterhin von Caudal-Expression frei. Es zeigte sich, dass Zen-2 dort für die Repression von
Caudal verantwortlich ist, denn nach zen-2-RNAi kann Caudal auch im anterioren Bereich
des Eies nachgewiesen werden (Schoppmeier et al., 2009). Da wie bereits oben beschrieben, zen-2 aus dem Hox-3-Gen hervorgegangen ist (Hughes et al., 2004) und aufgrund der
Duplikation von zen-2, bicoid entstanden ist (Stauber et al., 1999), welches in Drosophila
die caudal-Translation im anterioren Bereich des Eies unterdrückt, geht die Vermutung dahin, dass die ursprüngliche Funktion von Hox-3 in der Repression der caudal-Translation lag
(Schoppmeier et al., 2009).
Ziele dieser Arbeit
In Anbetracht der Tatsache, dass das Mex-3/Cad System sowohl im Nematoden C.elegans
als auch innerhalb der Insekten in Tribolium castaneum während der frühen Embryonalentwicklung eine wichtige Rolle spielt, stellt sich die Frage in wie weit dieser Mechanismus bei den Ecdysozoa und evtl. sogar innerhalb der Bilateria konserviert ist (Draper et al.,
1996; Schoppmeier et al., 2009). Zunächst soll im Rahmen dieses Projekts die Frage geklärt werden, ob das Mex-3/Cad System innerhalb der Insekten konserviert ist. Dazu werden
die Orthologe von mex-3 und caudal zum einen in Bruchidius obtectus untersucht, bei dem
aufgrund der nahen phylogenetischen Verwandtschaft zu Tribolium - beide der Ordnung Coleoptera zugehörig - das Mex-3/Cad System konserviert sein könnte. Gesetzt den Fall, dass
das Mex-3/Caudal System eine spezifische Anpassung von Kurzkeimern darstellt, werden
ebenfalls die Homologe von mex-3 und caudal in der hemimetabolen Wanze Oncopeltus
fasciatus analysiert, welche den gleichen Segmentierungsmodus wie Tribolium aufweist.
47
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Material & Methoden
Material & Methoden
Im Rahmen dieses Projekts wurde ebenfalls mit dem im vorangegangenen Kapitel vorgestellten Bohnenkäfer Bruchidius obtectus gearbeitet. Die verwendeten Methoden wurden darin
bereits näher beschrieben. Neu hingegen ist der Modellorganismus Oncopeltus fasciatus,
eine in der Natur an Pflanzen saugende Wanze, deren Handhabung im Folgenden zusammengefasst wird. Der Zuchtansatz wurde von Kristen Panfilio aus Köln bereit gestellt.
Oncopeltus fasciatus: Haltung und Zucht
Die Haltung von Oncopeltus fasciatus gestaltet sich als unkompliziert und die Population
vermehrt sich sehr schnell.
Nahrung: Oncopeltus fasciatus wird in verschließbaren Plastikboxen (15 cm x 15 cm x
12 cm) gehalten. Für eine ausreichende Luftzufuhr haben die Plastikboxen am Deckel eine
Öffnung, die mit einem engmaschigen Netz verklebt ist. Der Boden der Box ist mit einem
Papiertuch ausgelegt, so dass sich die Wanzen verstecken können. Der Austausch dieses
Papiertuchs erleichtert auch eine regelmäßige Säuberung, da damit ein großer Teil des Wanzenkots entfernt wird. Ein kleines Petrischälchen mit Sonnenblumenkernen (Seeberger) dient
als Nahrungsquelle. Zum Trinken reicht ein kleiner, mit Wasser gefüllter Erlenmeyerkolben,
wobei ein zusammengefaltetes Papiertuch als Docht dient. Andernfalls fallen die Wanzen in
den Wasserbehälter und ertrinken. Für die Eiablage wird ein Wattebausch aus Baumwolle
zugegeben. Dieser wird sofern keine Eier benötigt werden, alle 3-4 Tage entfernt und eingefroren wodurch die Zuchtgröße halbwegs konstant bleibt.
Temperatur: Die Wanzenzuchtboxen werden in einen Inkubator auf 25 °C gestellt. Vom
Ei bis zur Nymphe dauert es 6-7 Tage, bis zum adulten geschlechtsreifen Tier 4-5 Wochen.
Pflege: Die Zuchtkäfige werden im regelmäßigen Abstand von 2-3 Wochen komplett gesäubert, da sie von den Tieren stark verunreinigt werden. Dabei entfernt man auch Exuvien
und tote Tiere.
48
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Material & Methoden
Die Separierung verschiedener Entwicklungsstadien
Eier: Oncopeltus fasciatus legt seine Eier in die ausgelegte Watte. Die Eier sind knapp 2
mm lang. Junge Eier sind eher gelblich; mit zunehmendem Altern werden sie orange und
schließlich dunkelrot. Dadurch heben sie sich immer gut von der weißen Watte ab und können mit einer Minutiennadel vorsichtig von dieser abgelöst werden.
Nymphen und adulte Wanzen: Für die Durchführung von RNAi-Experimenten werden
die Nymphen aus den Anzuchtboxen entnommen. Es werden die ältesten nymphalen Stadien
genommen, in Männchen und Weibchen sortiert (Unterscheidung, siehe weiter unten) und
separat in Anzuchtboxen gehalten, bis sich die letzte Häutung zum adulten Tier vollzogen
hat.
Die Unterscheidung Männchen/Weibchen in Oncopeltus
Männchen und Weibchen können anhand ihrer ventralen Musterung an den abdominalen
Segmenten voneinander unterschieden werden. Oncopeltus-Weibchen bilden sowohl am vorletzten als auch am letzten abdominalen Segment als Nymphen einen schwarzen Fleck aus,
während sie als adulte Tiere ventral einen breiten Strich, gefolgt von zwei großen schwarzen
Flecken ausbilden. Oncopeltus-Männchen haben als Nymphen einen schwarzen Fleck am
letzten Hinterleibssegment, als adulte Tiere ventral zwei durchgehende Streifen (Abb. 13: A,
B). Tendenziell sind die Weibchen sowohl im letzten Nymphenstadium als auch als adulte
Tiere etwas größer als die Männchen.
Abb. 13: Unterscheidung von Männchen und Weibchen in Oncopeltus
49
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Material & Methoden
A) Ventrale Ansicht einer männlichen Nymphe. Posterior ist der schwarze Fleck erkennbar (Pfeil
und nebenstehende Skizze). Weibchen haben posterior zwei schwarze Flecken (s.h. Skizze). B)
Ventrale Ansicht eines adulten Weibchens mit charakteristischer ventraler Zeichnung. Rechts
daneben, Skizzen der Musterung im Vergleich Männchen/Weibchen.
Fixierung der Oncopeltus-Embryonen
Initiale Hitzefixierung: Nachdem die Oncopeltus-Eier aus der Watte abgesammelt worden sind, werden sie in ein Szintillationsgläschen mit Wasser gegeben. Dieses Gläschen
stellt man mit samt den Eiern für exakt 2 min in einen kleinen Topf mit kochendem Wasser. Anschließend werden mit einem Pinsel die auf der Wasseroberfläche schwimmenden
Eier aufgenommen und in ein Fixierungsgläschen mit dem Standard Fixierungsansatz (2 ml
PEMS, 6 ml Heptan, 300 µl Formol (37%)) überführt. Dieser Ansatz kommt dann zum Fixieren für 20 Minuten auf einen Schüttler. Diese Fixierungszeit sollte nach Möglichkeit nicht
überschritten werden, weil sonst das Chorion und die Vitellinhülle sehr fest werden und die
weitere Bearbeitung zeitaufwendiger wird.
Dechorionisierung und Devitellinisierung: Die mittlerweile an fixierten Eier werden in
ein Salznäpfchen mit 100% Methanol transferiert. Nach ungefähr 5 Minuten ist ein Großteil
der Eihüllen durch das eindringende Methanol geplatzt. Die Entfernung der Eihüllenreste
erfolgt mit zwei Minutiennadeln unter dem Binokular.
Finale Fixierung: Auf diese Art gehäutete Eier kommen erneut in ein Fixierungsgläschen
und werden noch einmal nachfixiert, dieses Mal für 45 Minuten. Danach können die Eier in
100% Methanol bei -20 °C aufbewahrt werden.
Klonierung von mex-3, caudal und zen
Da beide Organismen zum Bearbeitungszeitpunkt noch nicht sequenziert worden waren,
wurden erneut degenerierte Primer erstellt. Einzige Ausnahme ist Oncopeltus caudal: Vor
einigen Monaten wurde für diesen Organismus ein maternales Transkriptom erstellt und mir
wurde die exakte O.f. caudal-Sequenz von dem Bioinformatiker Ho-Ryun Chung zur Verfügung gestellt. Die Primer sind von Metabion. Die Herstellung von Oncopeltus-cDNA und
Bruchidius-cDNA, sowie die einzelnen Klonierungsschritte richten sich nach den Standardmethoden, die bereits in Material & Methoden des ersten Kapitels skizziert wurden. Onco-
50
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Material & Methoden
peltus zen wurde nicht kloniert, da bereits bekannt ist, dass es in der frühen Segmentierung
keine Rolle spielt (Panfilio et al., 2006). Die Sequenzen finden sich unter Anhang B.
Tab. 3: Primer für das Mex-3/Cad-Projekt
Primer
Sequenz 5’-3’
Tm
Länge
O.f. fw mex-3
O.f. bw mex-3
GAR CAY GTN GCN GAR ATH GT
ATR TAN GTR TGN GTY TGR TGY TG
(58 °C)
(60 °C)
930 bp
O.f. fw cad
O.f. bw cad
ACC ATC TGG AAC AGC CCG TGC
GAG GCG AGC TCC GAT TTT CGC C
(65 °C) 283 bp
(68 °C)
B.o. fw mex-3 CAR AAY ATG ACN GAR TGY GTN CC (63 °C) 1035 bp
B.o. bw mex-3 CAT NGC DAT RTG NGC YTC DAT YTC (64 °C)
B.o. fw cad
B.o. bw cad
CAR WSN CAR CCN AAY CC
YTT NCK NCK RTT YTG RAA CC
(54 °C) 189 bp
(56 °C)
B.o. fw zen
B.o. bw zen
TNA RYT NGA RAA RGA RTT YC
YTT NCK NCK RTT YTG RAA CC
(52 °C)
(56 °C)
115 bp
In-situ-Hybridisierung von Oncopeltus
Das Protokoll stammt von Ariel Chipman. Die dafür benötigten Lösungen sind im Anhang A
zusammengefasst. Die Herstellung der DIG-markierten Sonden richtet sich nach Standardmethoden. Die engrailed- und even-skipped-Klone von Oncopeltus wurden von Paul Liu zur
Verfügung gestellt.
Tag 1:
1. Die in 100% igem Methanol befindlichen Embryonen schrittweise in PBT überführen:
25%, 50%, 75%, 100%.
2. 3 x in 100% PBT waschen.
3. In 1 ml O.f Hyb-Puffer für 4 h (!!) bei 60 °C im Wasserbad prähybridisieren.
4. Hyb-Puffer auf 500 µl reduzieren und 3-5 µl Sonde zugeben.
5. Über Nacht bei 60 °C im Wasserbad hybridisieren.
51
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Material & Methoden
Tag 2:
6. 30 min in 1 ml frischen, vorgewärmten Hyb-Puffer waschen (60 °C).
7. 2 x 15 min in 1 ml Hyb-Puffer waschen (60 °C).
8. 1 x 15 min in 2x SSC Lösung inkubieren (60 °C).
9. 3 x 12 min in 0.2x SSC Lösung waschen (60 °C).
10. Bei RT 3 x 5 min in PBT waschen; für 2 h blocken (200 µl BBR (2.5%)/800 µl PBT).
11. Zugabe von 1 µl Anti-Dig AP Fab (Roche). Über Nacht bei 4 °C im Kühlschrank
stehen lassen.
Tag 3:
12. 5 x 20 min in PBT bei RT waschen.
13. 2 x 5 min in Färbepuffer 1 waschen und mit 15 µg/µl NBT/BCIP Färbung entwickeln.
Nach dem Abschluss der Färbereaktion, 3-4 Mal in PBT waschen und mit Hoechst
(1:20) gegen färben.
Parentale RNAi in Oncopeltus
Die verwendete Doppel-Strang-RNA wurde mit dem T7-Megaskript Kit (Ambion) synthetisiert. Nachdem die wie oben beschrieben vorsortierten weiblichen Nymphen ihre finale Häutung zum adulten Tier abgeschlossen haben, werden sie nach Standardprotokoll injiziert. Es
hat sich bewährt die Tiere in durchsichtige Küchenfolie einzuwickeln, da sie dadurch völlig
regungslos sind. Man dreht die Tiere auf die dorsale Seite und reißt mit einer Pinzette ein
kleines Loch in die Folie, so dass man mit der Injektionsnadel lateral zwischen die hinteren
abdominalen Segmente einstechen kann. Das injizierte Volumen an dsRNA beträgt soviel,
dass sich das Abdomen der Wanze leicht streckt. Das Anfärben der dsRNA mit grüner Lebensmittelfarbe hilft zu erkennen, ob die Injektion erfolgreich war, da diese sich sehr gut vom
orangen Abdomen abhebt. Nachdem das entsprechende Tier injiziert ist, wird es zusammen
mit einem Männchen in ein Fliegenröhrchen mit ausreichend Wasser, Sonnenblumenkerne
und Baumwollwatte gesetzt. Bis zur ersten Eiablage dauert es rund fünf Tage.
52
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Ergebnisse
Das in der Einleitung vorgestellte Mex-3/Cad System soll nun in zwei anderen Insekten,
Bruchidius und Oncopeltus, untersucht werden. Dazu wurden zunächst aus diesen Organismen jeweils mex-3 und caudal kloniert. Anschließend fand die Analyse der Expression und
Funktion der Gene statt, welche im Folgenden für die beiden Modellorganismen separat dargestellt wird.
Die Caudal- und Mex-3-Orthologe in Bruchidius und Oncopeltus
Drosophila caudal codiert ein Homeodomänenprotein, welches als Transkriptionsfaktor im
Rahmen der frühen Embryogenese fungiert (Mlodzik et al., 1985). Der klonierte Bereich des
caudal-Homologs für Oncopeltus beträgt 283 bp, der für Bruchidius 189 bp. Vergleicht man
die Aminosäurensequenzen der Caudal-Homeodomäne zwischen den beiden Organismen
(Abb. 14: A), zeigt sich, dass Bruchidius und Tribolium Caudal eine Sequenzähnlichkeit von
84% aufweisen und die Übereinstimmung von Bruchidius und Oncopeltus Caudal sogar 86%
beträgt.
Sowohl für Oncopeltus als auch für Bruchidius wurde mit Hilfe von degenerierten Primern jeweils ein mex-3-Fragment kloniert (B.o. mex-3: 1035 bp; O.f. mex-3: 930 bp), das
die beiden beschriebenen KH-Domänen umspannt (Draper et al., 1996). KH-Domänen bestehen aus ca. 50 Aminosäuren und sind dafür bekannt RNA binden zu können (Siomi et al.,
1994; Pagano et al., 2009). Ein Ausschnitt des Alignments auf Proteinebene zeigt die erste
KH-Domäne von verschiedenen Spezies (Abb. 14: B). Zwischen Bruchidius und Tribolium
beträgt die Übereinstimmung der Aminosäuresequenz 100%, bei der zweiten KH-Domäne
unterscheiden sie sich nur in einem einzigen Aminosäureaustausch (nicht gezeigt). Auch ist
Sequenzähnlichkeit zwischen Bruchidius und Oncopeltus sehr hoch. Ist in der ersten KHDomäne ein Aminosäureaustausch zu verzeichnen, sind es in der zweiten KH-Domäne vier
(nicht gezeigt). Die erste und zweite KH-Domäne sind durch eine kurze Aminosäuresequenz
verbunden (Abb. 14: B, blau unterstrichen), welche zwischen den verschiedenen Organismen
ebenfalls stark konserviert ist, so dass davon auszugehen ist, dass es sich bei den klonierten
Bruchidius und Oncopeltus Sequenzen tatsächlich um mex-3-Homologe von Tribolium bzw.
C.elegans handelt.
53
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Abb. 14: Alignment der funktionellen Domänen von Caudal bzw. Mex-3
A) Alignment der Caudal-Homeodomäne von O.f. (Oncopeltus fasciatus), B.o. (Bruchidius obtectus), T.c. (Tribolium castaneum; NP_001034498.1) und D.m. (Drosophila melanogaster ;
AAF53923.1). B) Alignment der ersten Mex-3 KH-Domäne von Bruchidius u. Oncopeltus.
Schwarz unterlegt ist die erste KH-Domäne; der Bereich zwischen erster und zweiter KH Domäne,
blau. Der Vergleich der Aminosäuresequenz von T.c. (Tribolium castaneum; NP_001137201.1),
B.o. (Bruchidius obtectus), O.f. (Oncopeltus fasciatus) sowie C.e. (Caenorhabditis elegans;
AAC47313.1) stellt die konservierte Sequenzidentität der KH-Domäne dar.
Posteriore Expression von B.o. caudal während der Embryogenese
B.o caudal wird im Blastoderm (Abb. 15: A’) in einer breiten Domäne exprimiert, die sich
von der posterioren Eispitze bis in den anterioren Bereich des Eies erstreckt, so dass die
caudal-Expressionsdomäne ca. 75% des Eies umfasst. Es scheint dabei so, dass am posterioren Pol die Expression deutlich stärker ausgeprägt ist und nach anterior hin graduell abfällt
54
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
(Abb. 15: A). Im Zuge der Keimstreifbildung wird die caudal-Expression auf einen schmalen
Streifen am posterioren Ende des Embryos begrenzt (Abb. 15: B), welcher dort während der
gesamten Keimstreifstreckung in gleicher Intensität und Ausdehnung bestehen bleibt (Abb.
15: C) und wahrscheinlich an der Entwicklung der Hinterdarmanlagen beteiligt ist, wie das
ebenfalls in Drosophila gezeigt werden konnte (Wu und Lengyel, 1998).
Abb. 15: Expression von caudal in Bruchidius
Die anteriore Seite der Embryonen zeigt nach links. A) Im Blastoderm Stadium wird B.o. cad
in einer breiten, posterioren Domäne exprimiert. A’) Hoechstfärbung zur Charakterisierung des
Stadiums. B) Im jungen Keimstreif beschränkt sich die Expression auf eine schmale Bande im
hinteren Bereich des Embryos. C) Dieser distinkte Expressionsbereich bleibt während der gesamten
Keimstreifstreckung bestehen.
B.o. caudal spielt eine wichtige Rolle in der frühen Embryonalentwicklung
Die Analyse der Expression lässt bereits vermuten, dass Bruchidius caudal eine zentrale
Funktion in der Segmentierung inne hat, was die B.o. caudal-RNAi-Experimente widerspiegeln. Es wurden unterschiedliche Konzentrationen an caudal Doppelstrang-RNA in weibliche Puppen injiziert, doch selbst bei sehr niedrigen Konzentrationen wie 100 ng/µl entwickeln B.o. cad-RNAi-Embryonen keine Kutikula, so dass keine phänotypische Reihe erstellt
werden kann.
55
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Abb. 16: Vergleich von Hoechst gefärbten WT und B.o. cad -RNAi-Embryonen
Die anteriore Seite der Embryonen ist nach links orientiert. Es wird die Entwicklung des Wildtyps,
mit Embryonen nach parentaler cad-RNAi verglichen. A), B) zeigen ein früheres und ein späteres
Blastoderm-Stadium im Wildtyp. Im Vergleich dazu unterscheiden sich cad-RNAi-Embryonen zu
diesen Entwicklungszeitpunkten nicht (A’, B’). Mit dem Beginn der Zellkondensation an der
ventralen Seite zur Ausbildung des Keimrudiments (C, Pfeile) werden die ersten Unterschiede zu
cad-RNAi-Embryonen sichtbar, da hier eine Zellbewegung nach posterior stattfindet (C’, Pfeile).
Das gestreckte Keimstreifstadium D) (weißer Balken markiert die Kopflappen) wird nach cadRNAi nicht erreicht. Am posterioren Pol kommt es zu einer Ansammlung von Gewebe wobei es sich
um Ansätze von Kopfstrukturen handeln könnte (D’, weißer Balken). Die Bruchidius-WT-Bilder
sind aus meiner Diplomarbeit entnommen (Diplomarbeit, Schnellhammer 2007).
56
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Jedoch konnte durch Kernfärbung der embryonalen Entwicklungsstadien nach B.o. cadRNAi die Beeinträchtigung der frühen Musterbildung dokumentiert werden. Laufen die anfänglichen Kernteilungen bis zum Erreichen des Blastodermstadiums noch regelmäßig und
wie im Wildtyp ab (Abb. 16: A bis B’), werden die ersten Defekte bei der Ausbildung des
Keimrudiments sichtbar. Normalerweise wandert der Großteil der Zellen in Richtung ventral
und bildet dort die embryonalen Strukturen aus. Auf der dorsalen Seite sind weniger Zellkerne, welche die Anlage der extraembryonalen Membran darstellen (Abb. 16: C, S). Nach
caudal-RNAi kann anstatt einer koordinierten Zellbewegung auf die ventrale Seite (Abb. 16:
C, Pfeile) eine Verdichtung der Zellen am posterioren Pol beobachtet werden (Abb. 16: C’,
Pfeile). Aufgrund dessen wird das Stadium des gestreckten Keimstreifs (Abb. 16: D) nicht
erreicht, sondern es bildet sich schließlich ein Geweberest aus. Dieser befindet sich in der
posterioren Eispitze, durchläuft keine Keimstreifstreckung und stellt vermutlich Reste von
Kopfstrukturen dar (Abb. 16: D’).
Zusammengefasst zeigen sowohl die Expressionsdaten als auch die funktionalen Daten
von Bruchidius caudal, dass caudal in der Embryonalentwicklung dieses Langkeimkäfers
eine wichtige Rolle spielt. Nun stellt sich die Frage nach der caudal-Regulation und welchen
Einfluss Bruchidius zen und mex-3 darauf haben.
Bruchidius zen wird dorsal im Ei exprimiert
In Tribolium ist zen-2 im anterioren Drittel des Eies exprimiert. In diesem Bereich entwickelt
sich die Serosa, eine extraembryonale Membran (Van der Zee et al., 2005). Zen-2 ist in
die anteriore Caudal-Repression involviert, da ein Knockdown von zen-2 via RNAi in einer
Expansion von Caudal in diese Region resultiert (Schoppmeier et al., 2009).
In Bruchidius wurde auch ein zen-Ortholog gefunden und es stellte sich heraus, dass Bruchidius zen ebenfalls sehr früh exprimiert ist. Im Gegensatz zu Tribolium wird B.o zen in
einer engen distinkten Domäne die sich über die dorsale Seite des ganzen Embryo erstreckt
exprimiert (Abb. 17: A, A’) und ist vermutlich an der Initiation der dorsalen Serosaanalge
beteiligt, wie das bereits für andere Insekten gezeigt werden konnte (Rushlow et al., 1987;
Van der Zee et al., 2005). Da sich im Langkeiminsekt Bruchidius die Serosa vor allem auf der
dorsalen Seite entwickelt, ist nicht anzunehmen dass eine Repression von Caudal durch Zen
entlang der anterioren-posterioren Achse eine Rolle spielt, wie das in Tribolium der Fall ist
(Schoppmeier et al., 2009). zen-RNAi in Bruchidius resultiert in Larven, welche eine Trans57
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
formation des ersten abdominalen Segments in ein thorakales Segment aufweisen (nicht gezeigt). Dies scheint aber ein Off-Target Effekt zu sein, da nur ein sehr kleiner Ausschnitt der
zen-Homeodomäne kloniert worden ist und durch RNAi wahrscheinlich ein anderes Hoxgen
herunterreguliert wurde. Da die vermutliche Funktion von zen in der Entwicklung der Serosa
im Zusammenhang mit dem gestellten Thema nicht von Interesse war, wurde davon abgesehen ein längeres zen-Fragment zu klonieren um somit einen spezifischen RNAi-Effekt zu
erzielen.
Abb. 17: Die Expression von Bruchidius zen
im Blastoderm
Die anteriore Seite des Embryos zeigt nach links;
die dorsale Seite des Eies zeigt zum Betrachter.
A) Bruchidius zen kann im Blastoderm auf der
dorsalen Eiseite in einem schmalen Streifen detektiert werden, der mit der zukünftigen Serosaanlage zusammen fällt. A’) Hoechstfärbung zur
Charakterisierung des Stadiums: Blastoderm.
Expression von Bruchidius mex-3 während der Embryogenese
Bruchidius mex-3 wird während der gesamten Embryonalentwicklung hindurch in einem
dynamischen Muster exprimiert: Im Kernschar-Stadium, wenn die Kernteilungen sich noch
auf das Zentrum des Eies beschränken, ist eine leichte anteriore Expression von B.o. mex-3
zu finden, die sich bis zur Hälfte des Eies erstreckt (Abb. 18: A, A’). Da zu diesem Zeitpunkt
noch keine zygotische Transkription stattfindet, könnte es sich um eine maternale Expression
von B.o. mex-3 handeln. Mit der Ausbildung des frühen Blastoderm Stadiums breitet sich
mex-3 über das ganze Ei hinweg aus (Abb. 18: B, B’) und wird erst nach der Wanderung der
zukünftigen embryonalen Zellen auf die ventrale Seite des Eies in einem schmalen anterioren
58
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Abb. 18: Die Expression von mex-3 in der Bruchidius-Embryogenese
59
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Dargestellt ist die Expression von mex-3 in verschiedenen Bruchidius-Entwicklungsstadien. A’-D’
zeigen Hoechst-Färbungen zur näheren Charakterisierung des Stadiums. Noch während der ersten
Kernteilungen kann eine schwache anteriore Expressionsdomäne von mex-3 in Bruchidius beobachtet werden (A, A’), die sich im frühen Blastoderm über das gesamte Ei ausbreitet (B, B’). Mit
der Ausbildung der ventralen Keimanlage ist eine definierte anteriore Expressionsdomäne zu sehen
(C, C’). Diese wird in einem jungen Keimstreif von einer in Ansätzen segmentalen Musterung
begleitet (D, D’), die auch in älteren Stadien bestehen bleibt und von einer posterioren Expression
begleitet wird (E). Im gestreckten Keimband ist eine kräftige Expression in den Kopflappen und
entlang der ventralen Mittellinie zu finden (F). Während des Rückenschlusses bleibt die Expression im Kopf bestehen (G) und auch eine schwache Expression in den ventralen Zellklustern ist
vorhanden (H).
Bereich des Embryos exprimiert, der mit den Kopfanlagen zusammenfällt (Abb. 18: C, C’).
Diese anteriore Kopfdomäne wird in einem älteren Stadium von einer fast segmental erscheinenden posterioren Expressionsdomäne begleitet (Abb. 18: D, D’, E). Die extraembryonale
Membran, die dorsal gelegene Serosa (S), welche anhand der weiter voneinander liegenden
Zellkernen leicht ausgemacht werden kann und der kleine Teil der Serosa, die an der vordersten Eispitze gelegen ist, bleiben in allen Stadien frei von der mex-3-Expression (Abb.
18: C, D). Im gestreckten Keimstreif ist die Kopfexpression weiterhin präsent und entlang
der ventralen Mittellinie entsteht eine durchgehende Expression von mex-3, die mit der Ausbildung neuronalen Zellen zusammen fallen könnte (Abb. 18: F). Mit dem Einsetzen des
Rückenschlusses bleibt die ventrale neuronale Expression erhalten und auch die Expression
im Kopfbereich ist weiterhin detektierbar (Abb. 18: G, H).
Bruchidius mex-3-RNAi beeinträchtigt die Segmentierung
Die Funktion von mex-3 in der Bruchidius-Embryogenese wurde mittels parentaler RNAi
untersucht. Es konnte eine phänotypische Reihe erstellt werden, die in Abb. 19 dargestellt
ist. Die ventrale Ansicht der Wildtyplarve zeigt die stark autofluoreszierenden Mandibeln
im Kopfbereich, drei thorakale und acht abdominale Segmente (Abb. 19: A). In schwachen
mex-3-RNAi-Phänotypen der Kategorie I (Abb. 19: B) findet man Deletionen im Bereich der
ersten abdominalen Segmenten, sowie eine Störung der Musterung im posterioren Bereich
(Pfeil). In stärkeren Phänotypen der Kategorie II (Abb. 19: C) sind die thorakalen Segmente
T2 und T3 nur noch partiell vorhanden und die gesamte abdominale Segmentierung ist beeinträchtigt, da nur noch Reste von Zähnchenbändern zu erkennen sind. Schließlich ist im
stärksten Phänotyp der Kategorie III (Abb. 19: D) lediglich der Kopf vollständig entwickelt
60
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
und einzelne Beine von T1 und T2 sind vorhanden, ansonsten ist die gesamte Segmentierung
gestört. Bei diesem Versuch war die Penetranz der erhaltenen Phänotypen relativ gering (Tabelle 4), da der Anteil an mex-3-RNAi-Phänotypen bei 15,5% lag. Um auszuschließen, dass
mex-3-RNAi in einer verminderten Eiablage oder einer erhöhten frühen Letalität der Embryonen resultiert, weswegen ein großer Teil der Phänotypen auf Kutikulaebene nicht analysiert werden kann, wurden alle gelegten Eier nach mex-3-RNAi gezählt und ausgewertet, wie
viele Embryonen sich noch entwickeln konnten. Von insgesamt 437 Eiern blieben 102 Eier
unentwickelt, was bedeutet dass diese Eier nur aus der Eihülle und Dotterresten bestanden.
Insgesamt entspricht das einem Hintergrund an defekten Eiern von ca. 23,3%. Der Hintergrund an defekten Eiern in Bruchidius und Tribolium liegt auch in Wildtypablagen meist
zwischen 20 und 30%. Dies zeigt, dass nach mex-3-RNAi in Bruchidius weder die Oogenese
beeinträchtigt ist, noch eine erhöhte frühe Letalität der Embryonen festgestellt werden kann.
Abb. 19: Beeinträchtigung der Segmentierung nach B.o. mex-3 -RNAi
Alle Kutikulapräparate zeigen die ventrale Ansicht der Larven. Der Messbalken stellt die Länge
100 µm dar. A) Bruchidius Wildtyp Larve, bestehend aus Kopf, den thorakalen Segmenten und
den acht abdominalen Segmenten, mit den charakteristischen Zähnchenbändern. B) Schwacher
Phänotyp der Kategorie I, Deletionen im zentralen Bereich der Larve sowie eine Störung in der
posterioren Musterbildung bei A8 (Pfeil). C) Stärkere Phänotypen zeigen eine zunehmende Deletion posteriorer Segmente, während der stärkste Phänotyp der Kategorie III nur noch aus einem
intakten Kopf sowie Rudimenten der ersten zwei thorakalen Segmente besteht (D).
61
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Tab. 4: Verteilung der Phänotypen nach B.o. mex-3 -RNAi (c=300 ng/µl)
Phänotyp
WT
I
II
III
unentwickelt
mex-3 -dsRNA 58 (55.7%)
9 (8.7%)
6 (5.8%)
1 (1%)
30 (28.4%)
Kontrolle
0
0
0
10 (29.4%)
24 (70.6%)
Eine Möglichkeit die Penetranz zu erhöhen wäre, ein weiteres Fragment zu klonieren, welches andere Bereiche der mex-3-Sequenz umspannt, was sich aber im Rahmen dieser Arbeit nicht durchführen ließ, da keine funktionierenden degenerierten Primer anhand von
Konsensus-Sequenzen außerhalb der stark konservierten KH-Domänen designed werden
konnten. Was die Gründe für die geringe Anzahl an Phänotypen im Rahmen der Bruchidius
mex-3-RNAi-Experimente sein könnte wird in der Diskussion näher erörtert.
Posteriore Expression von O. f. caudal während der Embryogenese
Die Oncopeltus-Embryogenese beginnt ebenfalls mit einem Kernscharstadium bei dem sich
die Kernteilungen auf das Zentrum des Eies beschränken (Butt, 1949; Liu und Kaufman,
2004). Daran schließt sich ein Blastodermstadium an. Die Bildung des Keimrudiments verläuft etwas anders als bei Bruchidius, da in Oncopeltus die sogenannten lateralen Seitenplatten, welche durch eine Verdichtung der Zellkerne entlang der anterioren-posterioren Achse
entstehen (Abb. 20: A, gestrichelte Linie), nicht auf der ventralen Seite fusionieren, sondern
nach posterior wandern, dort fusionieren und in den Dotter eintauchen (Abb. 20: B). Durch
diesen Vorgang, Anatrepsis genannt, liegt der Kopf des Embryos nun auf der posterioren
Seite des Eies und der abdominale Bereich ist zur anterioren Eispitze hin orientiert (Abb. 20:
C). Nach der Keimstreifstreckung erfolgt eine Rotation des Embryos (Abb. 20: D), welche
als Katatrepsis bezeichnet wird (Panfilio et al., 2006), so dass gegen Ende der Embryogenese
der Embryo wieder mit dem Kopf zur anterioren Eiseite zeigt (Butt, 1949; Liu und Kaufman,
2004).
Oncopeltus caudal wird im Blastoderm (Abb. 21: A’) relativ schwach und in einer breiten Domäne exprimiert (Abb. 21: A). Nur in der anterioren Eispitze ist caudal nicht aktiv.
Während des Keimstreifwachstums wird O.f. cad durchgehend an der posterioren Spitze des
Keimstreifs in einer schmalen Bande exprimiert (Abb. 21: B, C).
62
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Abb. 20: Übersicht der Oncopeltus-Embryogenese
Alle Bilder sind so ausgerichtet, dass die anteriore Eiseite nach links zeigt. Bei A und D handelt
es sich um eine Kernfärbung mit Hoechst, bei B und C um eine mex-3 in-situ-Färbung, wobei der
Fokus auf den embryonalen Anlagen liegt. A) Laterale Ansicht eines Blastoderms mit beginnender
Seitenplattenbildung, welche durch die gestrichelte Linie hervorgehoben ist. B) Dorsale Ansicht
der posterior in den Dotter einwandernden lateralen Seitenplatten (Pfeile deuten die Bewegungsrichtung der Einwanderung an). Die Kopflappen (KL) wandern zum Schluss ein, so dass in C) der
Embryo mit dem Kopf zur posterioren Eiseite hin orientiert ist. D) Gegen Ende der Embryogenese
dreht sich der Embryo erneut, relativ zur Eiachse, so dass der Kopf wieder nach anterior zeigt.
Abb. 21: Posteriore caudal -Expression in Oncopeltus
63
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
A) Im Blastoderm ist caudal schwach von posterior nach anterior bis zum ersten Viertel der
Eispitze exprimiert. A’) Die Hoechst Färbung des gleichen Embryos wie A, zeigt das noch undifferenzierte Blastoderm. Während der Keimstreifstreckung ist caudal durchgehend in der posterioren
Wachstumszone am äußersten Ende des Embryos detektierbar. B) zeigt einen jüngeren Keimstreif,
C) einen etwas älteren mit beginnender Extremitätenbildung. Während der Keimstreifstreckung
wird caudal in der posterioren Wachstumszone exprimiert.
Dieser Bereich des Embryos stellt die Wachstumszone dar, aus welcher der Kurzkeimer Oncopeltus alle abdominalen Segmente heraus bildet (Liu und Kaufman, 2005a), so dass Oncopeltus caudal während der gesamten Embryogenese eine wichtige Rolle in der Wachstumszone zu spielen scheint.
O.f. cad-RNAi führt zu einem frühzeitigen Abbruch der Segmentierung
Zeigen bereits die in-situ-Hybridisierungen von Oncopeltus caudal, dass die Funktion von
caudal in der posterioren Musterbildung vermutlich auch im Kurzkeimer Oncopeltus konserviert ist, untermauern cad-RNAi-Experimente dies zusätzlich. Als Kontrolle wurden parallel
Oncopeltus-Weibchen statt mit Doppelstrang-RNA mit Wasser injiziert. Alle daraus resultierenden Nachkommen entwickelten sich wie im Wildtyp und schlüpften nach Ablauf von
einer Woche (25 °C) aus den Eiern (Tabelle 5).
Die Präparation einer Oncopeltus-Wildtyp-Kutikula (Abb. 22: A) zeigt deutlich die stechend saugenden Mundwerkzeuge der Wanze. Im Inneren des Kopfes befinden sich, wie
zu zwei Fadenrollen aufgewickelt, die Mandibeln und Maxillen welche nach Abschluss der
Entwicklung nach außen verlagert und vom langen rüsselförmigen Labium eingeschlossen
werden. An die thorakalen Segmente mit den langgliedrigen Beinen schließen sich acht abdominale Segmente an. Nach parentaler cad-RNAi stellt sich mit zunehmender Stärke der
Phänotypen eine posteriore Verkürzung ein. Die Phänotypen können in zwei Kategorien eingeteilt werden, welche ungefähr gleich häufig auftreten (Tabelle 5). Phänotypen der Kategorie I (Abb. 22: B) bilden zwar einen intakten Kopf und Thorax aus, haben aber eine verringerte Anzahl an abdominalen Segmenten. Im gezeigten Beispiel wären dies nur noch A1
und A2. In den stärksten Phänotypen der Kategorie II (Abb. 22: C) bricht die Segmentierung
nach der Anlage der anteriorsten Kopfstrukturen, welche Antennen und Augen beinhalten,
komplett ab. Der Anteil an unentwickelten Eier, die nur aus der Eihülle und Dotterresten
bestehen, liegt nach cad-RNAi in Oncopeltus bei ca. 1,6% (Tabelle 5).
64
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Tab. 5: Verteilung der Phänotypen nach O.f. caudal -RNAi (c=3 µg/µl)
Phänotyp
WT
I
II
unentwickelt
cad -dsRNA
24 (4,73%)
206 (40,63%)
269 (53,1%)
8 (1,6%)
Kontrolle
207 (100%)
0
0
0)
Die Analyse des Markergens engrailed nach Oncopeltus cad-RNAi
Um die auf Kutikulaebene erhaltenen Phänotypen weiter zu analysieren wurde die Expression von engrailed nach caudal-RNAi in Oncopeltus untersucht. Im Wildtyp wird engrailed
in Oncopeltus als Segmentpolaritätsgen exprimiert (Liu und Kaufman, 2004), was bedeutet dass in jedem Segment, beginnend von den Antennen über die gnathalen bis hin zu den
abdominalen Segmenten, engrailed exprimiert ist (Abb. 22: D).
In schwächeren cad-RNAi-Phänotypen ist die Expression in den Segmenten, von den
Antennen beginnend bis hin zu A1 vorhanden, wirkt aber bereits etwas ungeordnet und
die Streifen in den jeweiligen Segmenthälften scheinen nicht exakt aneinander anzugrenzen (Abb. 22: E). Noch drastischer ist die Situation in den stärksten Phänotypen (Abb. 22:
F): Zwar ist das Expressionsmuster von engrailed in den Antennen bis hin zum interkalaren
Segment intakt, allerdings wird in weiter posterior gelegenen Segmenten die Expression nur
noch rudimentär angelegt und keine durchgehenden Streifen sind mehr zu beobachten.
Ein weiterer früher Effekt der nach cad-RNAi beobachtet werden kann ist, dass der Embryo nicht mehr an der posterioren Seite des Eies in den Dotter eintaucht (Abb. 23: A, Pfeil),
sondern an einer beliebigen Stelle im hinteren Bereich des Eies. Im gezeigten Beispiel ist
es die dorsale Eiseite, aber auch das Eintauchen an den lateralen Seiten wurde beobachtet
(nicht gezeigt). Die Folge davon ist, dass der Embryo nicht mehr richtig auswachsen kann
und eine stark verkrümmte Form annimmt (Abb. 23: B, Pfeil). Die funktionale Analyse von
Oncopeltus caudal zeigt, dass caudal sowohl für die Ausbildung gnathaler und thorakaler
Strukturen, die Positionierung des Keimbandes während der Invagination und in der posterioren Wachstumszone für die geordnete Bildung neuer Segmente verantwortlich ist.
65
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Abb. 22: Posteriore Segmentierungsstörung in Oncopeltus nach cad -RNAi
Gezeigt werden Kutikulapräparationen und die engrailed-Expression nach cad-RNAi. A) Wildtyp Kutikula von Oncopeltus. Am Kopf fallen die stechend-saugenden Mundwerkzeuge auf (Md,
Mx und Lb), am Thorax drei lange Beinpaare an die acht abdominale Segmente angrenzen. B)
Schwacher cad-RNAi-Phänotyp der Kategorie I. Die Kopfstrukturen sind normal entwickelt, das
Abdomen umfasst hingegen nur noch zwei abdominale Segmente. C) Sehr starker cad-RNAi Effekt
der Kategorie II. Die gesamte posteriore Entwicklung ist gestört, lediglich die anteriorsten Strukturen wie Antennen und Augen sind erkennbar. Den Abbruch der Segmentierung spiegelt auch
eine Färbung mit dem Segmentpolaritätsgen engrailed wider, welches im Wildtyp in regelmäßigen
Streifen von den Antennen beginnend, über das interkalare Segment, den Anlagen der gnathalen
und thorakalen sowie den abdominalen Segmenten exprimiert wird (D). In einem schwächeren
Phänotyp der ebenfalls in die Kategorie I der phänotypischen Serie eingeordnet werden kann,
ist die initiale engrailed-Färbung von den antennalen Segmenten bis zum ersten abdominalen
Segment zwar vorhanden, wirkt aber unregelmäßig und bricht nach dem A1-Streifen ab (E). In
stärkeren Phänotypen ist nur noch die engrailed-Musterung in den anterioren Strukturen korrekt
(Ant, Ag und Ic) ansonsten ist sie nur noch rudimentär vorhanden (F).
66
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Abb. 23: O.f. cad -RNAi führt zur Störung der
posterioren Invagination
Dargestellt sind engrailed in-situ-Hybridisierungen
nach O.f. cad-RNAi. Die Streifen sind bereits alle mit
dem Keimrudiment in das Ei invaginiert und deswegen
nicht zu sehen. Im Wildtyp (A) findet die Invagination
des Keimrudiments an der posterioren Eispitze statt
(Pfeil) und der Keimstreif streckt sich nach anterior.
Nach cad-RNAi hingegen (B) kommt es häufig vor,
dass der Embryo an einer beliebigen Stelle in das Ei
hinein taucht (Pfeil) und daraufhin ungeordnet und
faltig in den Dotter hineinwächst.
Die Expression von mex-3 in der Oncopeltus-Embryogenese
Nachdem im vorherigen Abschnitt die Bedeutung von Oncopeltus caudal in der Embryogenese untersucht worden ist, soll nun der Einfluss von mex-3 auf die Oncopeltus-Entwicklung
näher analysiert werden. Im Kernscharstadium sowie früh im Blastoderm wird Oncopeltus
mex-3 nicht exprimiert (nicht gezeigt). Mit der Ausbildung des späten Blastoderms (Abb. 24:
A’), welches aus einer anterioren und dorsalen Serosaanlage sowie zwei lateralen Seitenplatten besteht, wird mex-3 in einem breiten von posterior nach anterior verlaufenden Bereich exprimiert (Abb. 24: A); nur die anteriore und dorsale Serosaanlage bleibt frei von Expression
(Abb. 24: B). Sobald der Embryo anfängt in den Dotter einzutauchen wird mex-3 entlang des
Keimrudiments exprimiert, vor allem anterior, im zukünftigen Kopfbereich (Abb. 24: C, D).
Im Zuge der Keimstreifstreckung ist mex-3 in den Kopflappen sowie im posterioren Bereich
des Embryos zu finden. Auch eine beginnende vermutlich neuronale Expression entlang der
ventralen Mittellinie tritt auf (Abb. 24: E). Im vollständig elongierten Keimstreif (Abb. 24:
F) besteht die Kopfexpression und die neuronale Expression fort. Zusätzlich treten an den
Extremitäten distinkte Banden auf und auch an der posteriorsten Spitze des Keimbandes sind
zwei kleine Expressionsbereiche erkennbar. Während der abschließenden Keimstreifverkürzung (Abb. 24: G) wird die Expression von mex-3 in den Antennen besonders deutlich und
auch die Expression in den Beinen besteht fort.
67
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Abb. 24: Die Expression von mex-3 in der Oncopeltus-Embryogenese
A) Im späten Blastoderm ist eine breite Expression von mex-3 erkennbar. A’) Hoechstfärbung von
A. B) Dorsale Ansicht: Nur die anteriore und dorsale Serosaanlagen (S) bleiben frei von Expression. C) Mit dem Fortschreiten der Keimbandinvagination beschränkt sich die mex-3 -Expression
auf die lateralen Seitenplatten und den zukünftigen Kopfbereich (Pfeil). D) Ist der Embryo fast
vollständig in den Dotter eingetaucht, ist mex-3 weiterhin im anterioren Kopfgewebe aktiv. E)
Im sich streckenden Keimstreif ist eine etwas stärkere Kopfexpression und abdominal eine mex-3 Domäne erkennbar. Auch entlang der ventralen Mittellinie wird mex-3 exprimiert (Pfeil). F) Im
vollständig gestreckten Keimstreif bleibt die Kopfexpression erhalten, in den Appendices tritt eine
Expression auf (kleine Pfeile), die neuronale mex-3 -Expression wird kräftiger und an der posteriorsten Spitze des Embryos sind zwei kleine Expressionsdomänen erkennbar (unterstrichen). G)
Während der Keimstreifverkürzung bleibt die Expression in den Beinen bestehen und mex-3 wird
in den distalen Antennenbereichen exprimiert (Pfeil).
68
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
O.f. mex-3 ist wichtig für die anteriore u. posteriore Musterbildung
Die funktionale Analyse von O.f. mex-3 via parentale RNAi resultiert in einer Reihe von
Phänotypen, die anhand ihrer Ausprägung in vier verschiedene Kategorien eingeteilt worden
sind (Tabelle 6). Im Vergleich zum Wildtyp (Abb. 25: A) fallen in schwachen mex-3-RNAiPhänotypen der Kategorie I (Abb. 25: B) deutlich die fehlenden Mandibeln und Maxillen
auf. Ansonsten scheint die Entwicklung normal verlaufen zu sein. Stärkere Kopfdefekte der
Kategorie II beinhalten eine Verkürzung der Antennen; Augen, Mandibeln und Maxillen
fehlen ebenfalls (Abb. 25: C).
Neben den deutlich sichtbaren Kopfdefekten treten aber auch Embryonen auf, bei denen die anteriore Musterbildung vollständig funktioniert hat. Jedoch führt ein frühzeitiger
Segmentierungsabbruch nach der Ausbildung von T3 zu einer drastischen Verkürzung der
Embryonen (Abb. 25: D). Schließlich gibt es noch Phänotypen der Kategorie IV, die beide
Merkmale sprich eine Störung der anterioren Musterbildung sowie einen posterioren Segmentierungsdefekt in Kombination aufweisen (Abb. 25: E).
Insgesamt lässt sich der mex-3-RNAi-Phänotyp in Oncopeltus durch zwei Merkmale beschreiben; zum einen liegt eine Störung der anterioren Musterung und zum anderen eine
Fehlentwicklung der posterioren Segmentierung vor. Beide Effekte sollen nun anhand von
Markergenexpressionen näher analysiert werden.
Tab. 6: Verteilung der O.f. mex-3 -RNAi Phänotypen (c=2 µg/µl)
Phänotyp
WT
I
II
III
IV
n.e.
mex-3-dsRNA
61(43,7%)
18(12,9%)
19(13,5%)
25(17,8%)
17(12,4%)
0
Kontrolle
139(100%)
0
0
0
0
0
69
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Abb. 25: Phänotypische Reihe nach mex-3 -RNAi in Oncopeltus
A) WT Kutikula. B) Schwacher mex-3 -RNAi Phänotyp der Kategorie I. Mandibeln und Maxillen
fehlen. C) In stärkeren Phänotypen der Kategorie II ist die Kopfmusterbildung stärker beeinträchtigt. Von den Antennen sind nur noch ein paar Borsten erkennbar. Augen, Labrum, Mandibeln
und Maxillen fehlen. Ab dem Labium scheint die Entwicklung normal zu verlaufen. D) mex-3 RNAi Phänotyp bei dem die Kopfentwicklung wie im Wildtyp verlaufen ist. Ein vorzeitiger Segmentierungsabbruch führte lediglich zur Ausbildung der Segmente bis einschließlich T3. E) Eine
Kombination aus fehlenden anterioren Strukturen wie Antennen, Augen, Mandibeln und Maxillen
sowie Kompaktierung des Abdomens (Doppelpfeil).
70
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Die Expression von engrailed nach mex-3-RNAi in Oncopeltus
Im Oncopeltus Wildtyp-Blastoderm werden sechs engrailed-Streifen angelegt (Liu u. Kaufman, 2004). Diese wachsen durch die posteriore Invagination koordiniert in das Eiinnere
hinein, so dass im invaginierten Keimrudiment sechs engrailed-Streifen präsent sind, welche
die Segmente von den Mandibeln bis einschließlich des dritten thorakalen Segments repräsentieren (Abb. 26: A). Im Anschluss daran beginnt die für Kurzkeimer typische schrittweise
ablaufende Segmentierung aus der posterioren Wachstumszone heraus. Diese führt schließlich zur Ausbildung von zehn abdominalen engrailed-Streifen im gestreckten Keimstreif
(Abb. 26: E).
Nach mex-3-RNAi werden wie im Wildtyp sechs engrailed-Streifen im Keimrudiment exprimiert, allerdings ist das Keimrudiment im Vergleich zum Wildtyp verkürzt und Fusionen
einzelner engrailed-Streifen können beobachtet werden wie beispielsweise zwischen dem
labialen und ersten thorakalen Segment (Abb. 26: B, Pfeil) oder dem ersten thorakalen und
zweiten thorakalen Segment (Abb. 26: C, Pfeil). In stärkeren mex-3-RNAi-Phänotypen sind
die engrailed-Streifen immer noch angelegt, jedoch nur rudimentär und die lateralen Seitenplatten scheinen ungleichmäßig in den Dotter eingewachsen zu sein, da die linke und rechte
Hälfte des Embryos nicht exakt zusammenpasst, was in einer relativen Verschiebung der engrailed-Streifen zueinander resultiert (Abb. 26: D). In mex-3-RNAi-Embryonen die bereits
das Stadium des gestreckten Keimstreifs erreicht haben, kann die Beobachtung gemacht werden, dass das dritte thorakale Segment fehlt, die weiter posterior liegenden Segmente zwar
alle angelegt werden, allerdings ist das Abdomen viel schmaler und gekrümmter als in der
Wildtypsituation (Abb. 26: F). Vergleicht man die Gestalt des Kopfes jüngerer und älterer
Embryonen erkennt man, dass zwar im mex-3-RNAi-Embryo das Kopfgewebe noch vorhanden ist, aber reduzierter und ungeordneter wirkt als im Wildtyp (Abb. 26: D, F; schwarzer
Balken). Dies ist nicht auf einen Präparationsartefakt zurückzuführen sondern ebenfalls eine Ausprägung des mex-3-RNAi-Phänotyps. Um den anterioren Effekt näher zu analysieren
wurde eine even-skipped in-situ-Hybridisierung durchgeführt und frühe Stadien noch vor der
Keimstreifinvagination näher analysiert.
71
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Abb. 26: Beeinträchtigung der posterioren Entwicklung nach O.f. mex-3 -RNAi
Die en-Expression im Wildtyp wird mit der en-Expression in mex-3 -RNAi-Embryonen verglichen.
A) Frei präpariertes Keimrudiment kurz nach der Invagination in den Dotter. Alle sechs im Blastoderm angelegten en-Streifen sind mit dem embryonalen Gewebe in das Innere des Eies verlagert
worden und repräsentieren die Segmente von den Mandibeln bis hin zum dritten thorakalen Segment. B) Vergleichbares Stadium wie unter A, allerdings nach mex-3 -RNAi. Es ist zu erkennen,
dass das Keimrudiment kürzer ist als das vergleichbare Wildtypstadium, das labiale und erste thorakale Segmente fusioniert zu sein scheinen (Pfeil) und das dritte thorakale Segment nur partiell
angelegt worden ist. C) Keimrudiment nach mex-3 -RNAi mit einer Fusion von T1 und T2 (Pfeil).
D) Starker mex-3 -RNAi Phänotyp. Zwar werden alle sechs engrailed-Streifen ausgebildet, allerdings nur rudimentär und die Fusion der lateralen Seitenplatten scheint asymmetrisch verlaufen
zu sein. Das anteriore Kopfgewebe ist stark reduziert (schwarzer Balken). E) Wildtyp engrailedFärbung in einem vollständig elongierten Keimstreif. F) Vergleichbares Stadium wie E, nur nach
mex-3 -RNAi. Es fällt auf, dass sowohl das Kopfgewebe unstrukturiert wirkt, ein Segmentierungsdefekt nach T2 vorhanden ist und die restlichen abdominalen Segmente angelegt werden. Jedoch
ist die morphologische Gestalt des Keimstreifes stark gestört.
72
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Die Expression von even-skipped nach mex-3-RNAi in Oncopeltus
even-skipped erfüllt in Oncopeltus nicht die Funktion eines Paarregelgens wie das aus anderen Organismen bekannt ist, sondern wirkt als Segmentpolaritätsgen (Liu und Kaufman,
2005). Die initiale eve-Expression besteht aus einer breiten von posterior nach anterior verlaufenden Domäne, die sich bis ins vordere Drittel des Eies erstreckt. An der anterioren
Grenze beginnt sich dann der erste anteriore Streifen abzuspalten (Liu und Kaufman, 2005)
(Abb. 27: A, A’). Anschließend formen sich nacheinander die verbleibenden fünf Streifen,
so dass am Ende des Blastodermstadiums sechs even-skipped-Streifen vorhanden sind (Abb.
27: B, B’). Diese repräsentieren die Segmente welche die Mandibeln, Maxillen und Labium
sowie die ersten drei thorakalen Segmente umspannen.
Nach mex-3-RNAi ist das regelmäßige Streifenmuster beeinträchtigt. Die ersten zwei eveStreifen scheinen enger aneinander zu grenzen, was auch damit zusammen hängen mag,
dass die Streifen selbst breiter und verwaschener sind als in der Wildtyp-Expression (Abb.
27: C, C’). Es konnten auch mex-3-RNAi-Embryonen gefunden werden, bei denen eve vom
mandibulären Segment bis hin zum dritten thorakalen Segment exprimiert wird, allerdings
sind die Streifen in ihrer Ausprägung deutlich reduziert (Abb. 27: D, D’).
Die stärkste Veränderung die gefunden werden konnte war eine Reduktion der Streifenanzahl von sechs auf vier eve-Streifen. Dass bereits Streifen in das Ei eingewandert sind
kann ausgeschlossen werden, da keine posteriore Invagination sichtbar ist. Aufgrund der
posterioren Lage des ersten eve-Streifens kann man vermuten, dass die zwei vorhergehenden eve-Streifen, welche die Mandibeln und Maxillen kennzeichnen, fehlen (Abb. 27: E, E’).
Auch die dazugehörige Kernfärbung zeigt, dass im anterioren Bereich des Eies die Anlage
des embryonalen Gewebes reduziert ist und aufgrund des großen Zellkernabstands in dieser
Region vermutlich die Serosa expandiert ist (Abb. 27: E’).
73
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
Abb. 27: even-skipped -Expression im O.f. WT und nach mex-3 -RNAi
74
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Ergebnisse
A-E zeigt die even-skipped-Expression nach mex-3 -RNAi, A’-E’ die entsprechenden Stadien mit
Hoechstfärbung. A) Früheste Expression von even-skipped im WT Blastoderm. Die Pfeilköpfe
markieren den Beginn der ersten bereits sichtbaren Streifenbildung. A’) Hoechstfärbung, Blastoderm. B) Ausbildung aller sechs even-skipped-Streifen, posterior ist der Beginn der Invagination
zu sehen. B’) Blastoderm mit Kernfärbung. C) mex-3 -RNAi-Embryo, die Platzierung der Streifen wirkt ungeordneter als im Wildtyp und auch der Streifenabstand (Doppelpfeil) sowie die
Streifenbreite ist verwaschener (Pfeilkopf). C’) Gleicher Embryo mit Kernfärbung. D) Stärkerer
mex-3 -RNAi Phänotyp: Die Ausbildung der even-skipped-Streifen ist noch stärker beeinträchtigt, da einzelne Streifen fast nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. D’) Hoechstfärbung
des Blastoderms mit beginnender Invagination. E) mex-3 -RNAi-Embryo mit nur vier angelegten
eve-Streifen. Eine bereits beginnende Einwanderung der Streifen kann ausgeschlossen werden, da
keine posteriore Invagination zu sehen ist. E’) Die Kernfärbung des gleichen Embryos zeigt eine
expandierte Serosa, gekennzeichnet durch einen größeren Zellkernabstand an der anterioren Seite
des Eies (beschriebener Bereich ist mit weißem Balken unterlegt).
caudal-Expression nach mex-3-RNAi in Bruchidius u. Oncopeltus
Da in Tribolium gezeigt werden konnte, dass sich die Caudal-Proteinexpressionsdomäne
nach mex-3-RNAi nach anterior verschiebt und somit von einem regulatorischen Einfluss von
Mex-3 auf caudal ausgegangen werden kann (Schoppmeier et al., 2009), sollte sofern das
Mex-3/Cad System in Bruchidius und Oncopeltus konserviert ist, nach mex-3-RNAi ebenfalls ein Effekt auf die Caudal-Expression zu sehen sein.
In Bruchidius konnte der direkte Zusammenhang zwischen den beobachteten Phänotypen
und einer möglichen Expansion von Caudal nicht untersucht werden. Zum einen kreuzreagierte der Tribolium-Antikörper gegen Caudal in Bruchidius nicht und zum anderen stellte
sich das Problem, dass die Phänotypenfrequenz nach mex-3-RNAi sehr gering war (s.h. auch
Diskussion).
Auch in Oncopeltus kreuzreagierte der Tribolium-Caudal-Antikörper nicht, was auch damit zusammenhängen könnte, dass die Oncopeltus-Embryonen Hitze fixiert werden. Zahlreiche Versuche die Fixierung der Embryonen ohne Hitzeschritt durchzuführen, brachten nicht
den gewünschten Erfolg, da die Morphologie durch das Devitellinisieren der Eier mit der
Hand immer sehr stark beeinträchtigt wurde. Deswegen wurde alternativ eine caudal in-situHybridisierung in Oncopeltus mex-3-RNAi-Embryonen durchgeführt. Jedoch konnte weder
in frühen noch in späteren embryonalen Stadien eine Veränderung der caudal-Expression im
Vergleich zum Wildtyp beobachtet werden (nicht gezeigt).
75
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Diskussion
Diskussion
Die Regulation von Caudal auf translationaler Ebene durch bicoid in Drosophila ist sehr gut
untersucht und spielt in der frühen Embryonalentwicklung eine entscheidende Rolle (RiveraPomar et al., 1996a; Ephrussi und St Johnston; 2004; Cho et al., 2005). bicoid gibt es allerdings nur in der Gruppe der cyclorrhaphen Fliegen (Stauber et al., 2002; Lemke et al., 2008),
während caudal-Homologe in allen bisher untersuchten Bilateria gefunden wurden und eine
Funktion in der posterioren Musterbildung inne haben (Lall und Patel, 2001; Copf et al.,
2004).
Aus dem Stamm der Nematoden ist von C.elegans bekannt, dass das KH-DomänenProtein Mex-3 die Translation von caudal-mRNA inhibiert (Draper et al., 1996). Vor einigen
Jahren konnte auch innerhalb der Insekten, im Mehlkäfer Tribolium castaneum, gezeigt werden, dass mex-3 in der frühen anterioren Musterbildung eine Rolle spielt, indem es die Translation von caudal-mRNA im Bereich der zukünftigen Kopfanlagen reprimiert (Schoppmeier
et al., 2009). Mit der Untersuchung der Gene mex-3 und caudal im holometabolen Käfer
Bruchidius obtectus und der hemimetabolen Wanze Oncopeltus fasciatus soll die Frage beantwortet werden, inwieweit das im Käfer Tribolium verwendete Mex-3/Cad-System auch in
anderen Insektenspezies konserviert ist.
Wichtige Rolle für caudal in der Bruchidius- u. Oncopeltus-Embryogenese
Sowohl im Langkeimer Bruchidius als auch im Kurzkeimer Oncopeltus wird caudal in einer
breiten Domäne im Blastoderm exprimiert. Während in Bruchidius die caudal-Expression
von posterior nach anterior hin schwächer wird (Abb. 15: A), ist im Oncopeltus-Blastoderm
die Expression homogen und nur die anteriore Eispitze, wo sich die Serosaanlage entwickelt
(Butt, 1947), bleibt frei von caudal-Expression (Abb. 21: A).
Nach cad-RNAi in Bruchidius verläuft die frühe Embryogenese noch bis zum Stadium
des frühen Blastoderms, dann aber scheint die Ausbildung des Keimrudiments beeinträchtigt
zu sein, da die Zellen anstatt auf die ventrale Seite zu wandern, eher eine Ansammlung auf
der posterioren Seite zeigen, was nach einiger Zeit zum Abbruch der Embryonalentwicklung
führte (Abb. 16).
Insgesamt ist die Funktion von caudal in Bruchidius deutlich stärker als die beschriebene
Funktion von caudal in Drosophila, da sich in Drosophila auch in Abwesenheit von caudal
76
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Diskussion
Kopf, Thorax und ansatzweise abdominale Strukturen ausbilden können (Macdonale und
Struhl, 1986).
Hingegen sind in Episyrphus, Nasonia, Tribolium und Gryllus ähnlich starke Phänotypen
nach cad-RNAi beobachtet worden, wie sie in Bruchidius auftreten: die meisten Embryonen entwickeln keine Kutikula und nur vereinzelte Embryonen zeigen Reste der anterioren
Kopfstrukturen (Lemke und Schmidt-Ott, 2009; Olesnicky et al., 2006; Copf et al., 2004;
Shinmyo et al., 2005). Eine mögliche Erklärung für die schwächere Funktion von caudal
bei der anterioren-posterioren Musterbildung in Drosophila könnte darin liegen, dass bicoid im anterioren Bereich des Embryos die Aktivierung von Gapgenen übernommen hat, die
in Nasonia und Gryllus noch von Caudal reguliert werden. Beispielsweise wird das Gapgen Krüppel in Drosophila von Bicoid aktiviert, während die Krüppel-Expression sowohl
in Nasonia (Olesnicky et al., 2006), als auch in Gryllus (Shinmyo et al., 2005) von Caudal
aktiviert wird. Somit besitzt vermutlich auch Bruchidius caudal einen stärken Einfluss auf
die Regulation der Gapgene als das in Drosophila der Fall ist.
Nach cad-RNAi in Oncopeltus entwickeln selbst die stärksten Phänotypen auf Kutikulaebene noch Antennen, Augen und anteriores Kopfgewebe (Abb. 22: C). caudal wurde bereits in einem anderen hemimetabolen Kurzkeimer untersucht, nämlich Gryllus bimaculatus
(Ordnung: Ensifera). Trotz der nahen phylogenetischen Verwandtschaft besteht ein scheinbarer Unterschied zwischen diesen beiden Organismen hinsichtlich der caudal-Funktion, da
für Gryllus beschrieben worden ist, dass der Großteil der Embryonen nach cad-RNAi keine
Kutikula mehr ausbildet (Shinmyo et al., 2005). Dies war in Oncopeltus nicht der Fall, da
nur bei ca. 2% der Embryonen keine Kutikulapräparate angefertigt werden konnten (Tabelle
5). Eine Möglichkeit ist, dass die Sekretion von Kutikula in Oncopeltus weniger störanfällig
ist als in Gryllus, so dass die verbleibenden anterioren Reste in Oncopeltus meistens präpariert werden können. Die Analyse des Gryllus cad-RNAi-Effekts mittels wg-ISH unterstützt
diese Theorie, da dort 45% der untersuchten Embryonen nur noch die anteriorsten Kopfstrukturen aufwiesen (Shinmyo et al., 2005), was nahezu deckungsgleich mit den von mir
erzielten Resultaten auf Kutikulaebene in Oncopeltus ist (Tabelle 5).
Eine weitere Gemeinsamkeit hinsichtlich der frühen Caudal-Funktion zwischen Bruchidius und Oncopeltus besteht auch bei der Ausbildung des Keimrudimens. Wie bereits erwähnt
bildet sich bei Bruchidius nach cad-RNAi das Keimrudiment nicht mehr an der ventralen
Seite aus, sondern eher an der posterioren Eispitze (Abb. 16: C’, D’). Ein ähnliches Phä77
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Diskussion
nomen kann bei Oncopeltus beobachtet werden. Anstatt dass die lateralen Seitenplatten an
der posterioren Eispitze fusionieren und dann in den Dotter eintauchen, findet die Fusion an
einer beliebigen Stelle im Ei statt und das Keimrudiment taucht an einer falschen Stelle in
den Dotter ein (Abb. 23). Somit scheint bei beiden Organsimen, Caudal die Richtung für die
korrekte Zellwanderung zur Ausbildung des embryonalen Gewebes vorzugeben.
Neben der Funktion von Caudal im Blastoderm tritt während der Keimstreifstreckung in
beiden Organismen eine posteriore Expressionsdomäne auf (Abb. 15: B, C; Abb. 21: B, C),
die jedoch aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungsmodi keine analoge Funktion besitzt. Die im Keimstreif von Bruchidius später auftretende Domäne der caudal-Expression
ist vermutlich für die Ausbildung der Hinterdarmanlage zuständig, wie das bereits für Drosophila herausgefunden worden ist (Wu und Lengyel, 1998). Caudal aktiviert dort zum einen
die Zielgene forkhead sowie wingless und ist zugleich für die Invagination der Darmanlage zuständig, was die Expression von folded gastrulation widerspiegelt (Wu und Lengyel,
1998).
Die posteriore Expressionsdomäne (Abb. 21: B, C) während der Keimstreifstreckung in
Oncopeltus deutet darauf hin, dass caudal in der dort befindlichen Kurzkeim-spezifischen
Wachstumszone benötigt wird, was sich auch auf funktionaler Ebene zeigt. caudal-RNAi
in Oncopeltus resultiert nämlich auch in cad-RNAi-Embryonen, welche die BlastodermPhase ohne größere Entwicklungsstörung durchlaufen und erst im Bereich des Abdomens
Segmentierungsdefekte aufweisen (Abb. 22: B). Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen wäre, dass eine geringe Menge an caudal-mRNA noch vorhanden und ausreichend
für die blastodermale Musterbildung ist, aber nicht mehr für die Funktion von caudal in
der posterioren Wachstumszone aus der die abdominalen Segmente generiert werden. Die
posteriore Funktion von caudal in der Wachstumszone wurde beispielsweise auch für den
Kurzkeimer Tribolium beschrieben (Copf et al., 2004) und selbst in Vertebraten spielen die
caudal-Homologe cdx1, cdx2 und cdx4 in der posterioren Musterbildung eine Schlüsselrolle
(Lohnes, 2003).
Dass Oncopeltus caudal ebenfalls für die Spezifizierung der Hinterdarmanlage benötigt
wird ist wahrscheinlich, jedoch konnte diesbezüglich keine gesonderte Expression während
der Keimstreifstreckung beobachtet werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass die
frühe, blastodermale Funktion von caudal unabhängig vom Entwicklungsmodus konserviert
ist. Alle Segmente die im Blastoderm definiert werden (in Bruchidius wären das Kopf, thora78
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Diskussion
kale und abdominale Segmente; in Oncopeltus nur Kopf und thorakale Segmente) benötigen
während ihrer Entwicklung im Blastoderm ein gewisses Level an cad. Anders verhält es sich
mit der späteren Funktion von caudal während der Keimstreifstreckung. Im Langkeimer
Bruchidius ist diese posteriore caudal-Domäne nicht für die weitere Bildung abdominaler
Segmente zuständig und daher vermutlich an der der Spezifizierung des hinteren Darmsystems beteiligt, während in Oncopeltus, caudal eine zusätzliche Kurzkeimspezifische Funktion in der Wachstumszone inne hat, so dass weitere abdominale Segmente gebildet werden
können.
Die Funktion von mex-3 im Rahmen der Oncopeltus-Embryogenese
Oncopeltus mex-3 wird früh im Blastoderm in einer breiten Domäne exprimiert (Abb. 24:
A). Später kann mex-3 im Bereich der zukünftigen Kopflappen und entlang der lateralen
Seitenplatten nachgewiesen werden (Abb. 24: C). Die Expression in den Kopflappen besteht
während der Keimstreifstreckung fort, entlang der ventralen Mittellinie wird mex-3 in einem
neuronalen Muster exprimiert und am posterioren Ende des Keimstreifs ist eine breite mex3-Expressionsdomäne zu beobachten (Abb. 24: E).
Der Knockdown von mex-3 durch RNAi in Oncopeltus führt einerseits zu Deletionen im
anterioren Bereich, die in stärkeren Phänotypen fast im vollständigen Verlust des Kopfes
auf Kutikulaebene resultieren (Abb. 25: B, C) und andererseits zur Beeinträchtigung der
abdominalen Musterbildung, was zu einer drastischen Verkürzung der Nymphen führt (Abb.
25: D). Die Expressionsdaten und funktionalen Daten von Oncopeltus mex-3 zeigen, dass
O.f. mex-3 sowohl in der anterioren als auch in der posterioren Segmentierung eine wichtige
Rolle spielt.
Oncopeltus mex-3 in der anterioren Segmentierung: Ursächlich für die anterioren Deletionen ist eine frühe Störung der Segmentierung: Die mandibulären bis thorakalen engrailed-Streifen, welche bereits im Oncopeltus-Blastoderm spezifiziert werden (Liu und Kaufman, 2004), sind nach mex-3-RNAi entweder schwächer exprimiert oder partiell reduziert
(Abb. 26). Auch die even-skipped-Expression im Blastoderm von Oncopeltus mex-3-RNAiEmbryonen ist beeinträchtigt, da teilweise keine distinkten even-skipped-Streifen mehr gebildet werden und in stärkeren Phänotypen fehlt die even-skipped-Expression in den mandibulären und maxillären Bereichen des Blastoderms vollständig (Abb. 27: C, D, E). Zu-
79
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Diskussion
dem ist das anteriore Kopfgewebe reduziert, was sich im blastodermalen Stadium durch eine
deutliche Expansion der Serosa darstellt (Abb. 27: E’) und in den Keimstreifpräparaten als
verkleinerte Kopfstrukturen (Abb. 26).
Die beobachten Kopfdefekte in Oncopeltus gleichen den beschriebenen mex-3-RNAiPhänotypen in Tribolium. In Tribolium konnte ebenfalls gezeigt werden, dass die Anzahl
der eve-Streifen in mex-3-RNAi-Embryonen im Blastoderm reduziert ist und dass ein Grund
dafür die anteriore Expansion der Caudal-Expression ist (Schoppmeier et al., 2009). Die
Analyse der caudal-mRNA-Expression nach mex-3-RNAi in Oncopeltus ergab, dass caudal
sowohl im Blastoderm als auch während der Keimstreifstreckung wie im Wildtyp exprimiert wird. Da jedoch Tribolium Mex-3 auf der Ebene der Translation wirkt, indem es an
caudal-mRNA bindet und die Translation verhindert (Schoppmeier et al., 2009), könnte es
durchaus sein, dass eine Expansion von Caudal nur auf Proteinebene nachgewiesen werden
kann, was aber aufgrund des Fehlens eines funktionierenden Antikörpers im Rahmen dieser
Arbeit nicht möglich war.
Aus Xenopus ist bekannt, dass ein Knockdown von Mex-3B unter anderem zur Reduktion
der Expression von otx2 führt (Takada et al., 2009), das ein Säugerhomolog von otd ist (Simeone et al, 1993). Diese reduzierte Expression von otx2 in Xenopus ist vermutlich auf eine
Derepression posteriorer Signale zurückzuführen und wirkt sich auf phänotypischer Ebene
dahingehend aus, dass Xenopus-Embryonen mit verkleinerten Augen entstehen (Takada et
al., 2009). In zahlreichen Insekten wie Nasonia, Drosophila oder Episyrphus spielt otd1 eine
wichtige Rolle in der anterioren Segmentierung und führt bei einem Verlust zu fehlenden
Kopfsegmenten (Lynch et al., 2006; Finkelstein und Perrimon, 1990; Lemke und SchmidtOtt, 2009). Kürzlich wurde die Expression und Funktion von Genen welche bei der anterioren Segmentierung in Drosophila eine zentrale Rolle spielen auch in Oncopeltus untersucht
(Birkan et al., 2011). Beispielsweise resultieren collier, crocodile oder cap ’n’ collar nach
RNAi in relativ schwachen Kopfphänotypen. Einzig Oncopeltus otd führte zu einem starken
Phänotyp, der in dem Verlust von Antennen, Augen und gnathalen Strukturen besteht (Birkan et al., 2011). Also ein vergleichbarer Phänotyp, der auch nach O.f mex-3-RNAi auftritt,
so dass wie in Xenopus, eine vermutlich indirekten Regulation von O.f. otd durch O.f. mex-3
bestehen könnte. Durch den Knockdown von O.f. mex-3 könnte es zu einer Expansion der
posterioren Signale - möglicherweise Caudal - kommen, so dass otd nicht mehr exprimiert
wird und die Aktivierung wichtiger Gene der anteriore Musterbildung unterbleibt.
80
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Diskussion
Oncopeltus mex-3 in der posterioren Segmentierung: Die Analyse des Segmentpolaritätsgens engrailed nach mex-3-RNAi ergab, dass bei einem Teil der mex-3-RNAi-Embryonen
die sechs Segmente, also mandibuläres bis einschließlich drittes thorakales Segment im Blastoderm angelegt worden sind, auch die Invagination in den Dotter findet statt, allerdings ist
in den daraus entstehenden Keimstreifen im Bereich der thorakalen Segmentanlagen und in
der Wachstumszone häufig eine Gewebsdeformation zu sehen (Abb. 26: B, D). Letzteres
scheint die Generierung der Segmente aus der Wachstumszone heraus zu beeinträchtigen, da
es entweder zu einem frühen Segmentierungsabbruch kommt oder aber sich abdominale Segmente bilden, jedoch deutlich schmaler als im Wildtyp sind und eher an einen fadenförmigen
Fortsatz erinnern (Abb. 26: F). Dies führt dann schließlich zu drastischen Verkürzungen auf
Kutikulaebene.
Auch hier könnte ein mögliches Mex-3/Caudal System zum Tragen kommen. In Tribolium konnte gezeigt werden (Schoppmeier, persönliche Mitteilung), dass nach mex-3-RNAi
die im Bereich der posterioren Wachstumszone befindliche Caudal-Expressionsdomäne expandiert und folglich die koordinierte posteriore Segmentierung gestört ist.
Zudem besteht die Möglichkeit dass O.f. mex-3 bei der Bildung abdominaler Segmente unabhängig von Caudal agiert. Einen Hinweis dafür wie mex-3 posterior wirken könnte,
liefert erneut die Untersuchung zur Funktion von Mex-3B im Frosch Xenopus (Takada et
al., 2009). Dort konnte gezeigt werden, dass die Überexpression von mex-3 in verkürzten
Embryonen resultiert, was mit einer Interaktion von Mex-3B und dem FGF-Signalweg zusammenhängt. Mex-3B bindet an die mRNA einzelner Komponenten des FGF-Signalwegs,
wie sdc2 sowie ets1b und führt zu deren Destabilisierung, weswegen die Zelle weniger sensitiv auf das ihr zugedachte Signal reagiert (Takada et al., 2009).
Im Kurzkeimer Tribolium wird in der posterioren Wachstumszone ebenfalls Fgf8 exprimiert (Beermann und Schröder, 2008), so dass hier eine mögliche Interaktion von Mex-3
mit dem Fgf8-Signalweg konserviert sein könnte. Über Fgf-Signalwege in Oncopeltus ist
bis jetzt noch nichts bekannt, aber möglicherweise handelt es sich bei den posterioren Verkürzungen in Oncopeltus ebenfalls um eine Fehlregulation des FGF-Signalwegs nach mex3-RNAi. Insgesamt deuten die Oncopeltus mex-3-Daten sowohl bezüglich der anterioren, als
auch der posterioren Musterbildung darauf hin, dass die Funktion von mex-3 zwischen den
beiden Kurzkeimern Oncopeltus und Tribolium konserviert sein könnte, wobei eine direkte
Interaktion von Oncopeltus Mex-3 mit caudal spekulativ bleibt.
81
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Diskussion
B.o. mex-3 wird für die Anlage thorakaler u. abdominaler Segmente benötigt
B.o. mex-3 wird während der gesamten Embryogenese exprimiert (Abb. 18). Die früheste Expression von mex-3 in einer breiten anterioren Domäne ist wahrscheinlich maternalen
Ursprungs, während dem sich differenzierenden Blastoderm ist mex-3 in den zukünftigen
Kopflappen detektierbar, an die sich posterior eine segmentale Expression anschließt (Abb.
18: A, B, C). Im Zuge der Keimstreifstreckung und dem abschließend erfolgenden Rückenschluss ist mex-3 in einem neuronalen Muster in den Kopflappen und entlang der ventralen
Mittellinie zu finden (Abb. 18: F). Nach parentaler mex-3-RNAi weisen die Embryonen Segmentierungsstörungen in Form von Deletionen im Bereich der thorakalen und abdominalen
Segmente auf. Daraus resultieren stark verkürzten Larven, bei denen nur noch der Kopf wie
im Wildtyp entwickelt ist (Abb. 19).
Als problematisch bei der Analyse der Funktion von Bruchidius mex-3 stellte sich die geringe Penetranz der Phänotypen nach mex-3-RNAi heraus (Tabelle 4). Dafür gibt es mehrere
mögliche Erklärungen. Für die Ordnung Lepidoptera ist bekannt, dass die RNAi-Effizienz,
ohne offensichtliche Gründe, zwischen den verschiedenen Spezies stark variieren kann (Terenius et al., 2011). Die Versuche an Bruchidius ergaben, dass RNAi im Bohnenkäfer zwar
funktioniert, jedoch die Effizienz schlechter ist als in Tribolium. Eine weitere Möglichkeit für
die Schwierigkeit mex-3-RNAi-Phänotypen zu generieren könnte sein, dass mex-3 in Bruchidius ebenfalls einen effizienten, autoregulatorischen Feedback Loop bildet, wie das für
Xenopus mex-3b gezeigt worden ist: In der 3’ UTR Region von Xenopus mex-3b kann Mex3b Protein binden und somit die Translation seiner eigenen mRNA inhibieren (Takada et al.,
2009). Die Folge ist, dass die Injektion von mex-3-Morpholinos in Xenopus-Embryonen in
einem erhöhten Level an endogener mex-3-mRNA resultiert.
Die Generierung von Phänotypen durch sehr geringe Konzentrationen an dsRNA (300600 ng/µl) schließen einen Off-Target Effekt vermutlich aus (Terenius et al., 2011), weswegen die gefunden Phänotypen durchaus die Funktion von mex-3-RNAi in Bruchidius repräsentieren könnten. Die B.o. mex-3-RNAi-Phänotypen sind auf den ersten Blick überraschend, da sich lediglich die Kopfsegmente wie im Wildtyp entwickeln, wohingen in T.c.
mex-3-RNAi Phänotypen die Kopfsegmente die stärksten Entwicklungsdefekte aufweisen
(Schoppmeier et al., 2009). Diese scheinbare widersprüchliche Funktion von mex-3 in den
beiden Käferspezies lässt sich jedoch mit den Anlageplänen der beiden Käfer erklären: Im
82
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Diskussion
Langkeimer Bruchidius ist der Großteil der Segmentanlagen proportional im Blastoderm
repräsentiert, welcher den gesamten Raum entlang der a-p Achse einnimmt (Abb. 17: A).
Im Kurzkeimer Tribolium hingegen, wird im anterioren Bereich des Eies extraembryonales
Gewebe gebildet, die Kopfanlagen befinden sich in der Mitte des Eies und posterior davon
die ersten thorakalen Segmente, sowie die Wachstumszone (Abb. 17: B). In Bruchidius wird
mex-3 sowohl im Kernscharstadium als auch mit der Ausbildung des differenzierten Blastoderms entlang der a-p Achse exprimiert (Abb. 17: C), im differenzierten Blastoderm von
Tribolium lediglich im zentralen Bereich des Eies, welcher mit den Kopfanlagen zusammen
fällt (Abb. 17: D). Gesetzt den Fall, dass die Funktion der zentralen mex-3-Expression in Tribolium und Bruchidius konserviert ist, betreffen die mex-3-RNAi Phänotypen unterschiedliche embryonale Anlagen: die Kopfstrukturen in Tribolium, in Bruchidius eher thorakale und
abdominale Segmente (Abb. 17: E, F).
Somit sind ist die Funktion von mex-3 in beiden Käferspezies vermutlich konserviert,
auch wenn es auf den ersten Blick auf phänotypischer Ebene nicht so erscheint. Ursächlich für die Segmentdeletionen in Tribolium ist u.a. die anteriore Expansion der CaudalExpressionsdomäne im Blastoderm (Schoppmeier et al., 2009). Aufgrund der niedrigeren
Penetranz der Bruchidius mex-3-RNAi Phänotypen konnte ein ähnlicher Effekt auf die Bruchidius Caudal-Regulation nicht gezeigt werden. Jedoch liegt die Vermutung nahe, dass Bruchidius Mex-3 ebenfalls Caudal regulieren kann, da nach mex-3-RNAi Segmentdeletionen
im zentralen Bereich des Eies beobachtet werden wie in Tribolium. Somit könnte in beiden
Käfer-Spezies, das Mex-3/Cad System konserviert sein, obwohl auf phänotypischer Ebene
ein unterschiedlicher Effekt zu sehen ist, der jedoch auf die verschiedenen Anlagepläne zurückgeführt werden kann. Neben der Regulation von Caudal könnte mex-3 sowohl in Tribolium als auch Bruchidius noch zusätzliche ebenfalls konservierte Funktionen im Blastoderm
haben und für die direkte oder indirekte Regulation weiterer früher Musterbildungsgene verantwortlich sein, wie das auch für Oncopeltus mex-3 diskutiert wurde, was aber mangels
weiterer Daten noch offen ist.
83
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Diskussion
Abb. 28: Vergleich der Funktion von mex-3 in Bruchidius und Tribolium
A, C, E: mex-3 in Bruchidius; B, D, F: mex-3 in Tribolium (nach Schoppmeier et al., 2009) A)
Der frühe Anlageplan von Bruchidius im Blastoderm; ein Großteil der Segmente ist bereits im
Blastoderm spezifiziert. C) mex-3 wird über den gesamten Embryo hinweg in einem segmentalen
Muster exprimiert. Die zentrale Region, welche später auch einen RNAi-Effekt wiederspiegelt, ist
unterstrichen. E) Die gestrichelte Linie schließlich markiert die deletierte Region auf Kutikulaebene
im stärksten Bruchidius mex-3 -RNAi-Phänotyp. B) Als Kurzkeimer sind im Tribolium-Blastoderm
nur die Kopf und ein Teil der Thoraxsegmente angelegt, die fehlenden Segmente bilden sich nach
der Gastrulation aus der Wachstumszone (WZ). D) Im Vergleich zu Bruchidius zeigt mex-3 in
Tribolium eine breite Domäne, welche sich über den Bereich der zukünftigen Kopfanlagen spannt.
F) Die gestrichelte Linie markiert die fehlenden Kopfstrukturen nach mex-3 -RNAi in Tribolium.
84
II. Kapitel: Mex-3/Cad System - Diskussion
Ist das Mex-3/Caudal System innerhalb der Insekten konserviert?
Die momentane Datenlage deutet darauf hin, dass die Regulation von Caudal durch Mex3 im Blastoderm zwischen Tribolium, Bruchidius und Oncopeltus konserviert sein könnte.
Der Vergleich der Phänotypen nach mex-3-RNAi von Tribolium und Oncopeltus zeigt, dass
in Kurzkeiminsekten die anterioren Strukturen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt sind, während im Langkeimkäfer Bruchidius eher thorakale und abdominale Strukturen betroffen sind.
Ist die Repression von Caudal durch Mex-3 konserviert, besteht auf phänotypischer Ebene
ein Unterschied, der mit dem unterschiedlichen segmentalen Anageplan im Blastoderm von
Kurz- und Langkeimern zu erklären sein könnte. Insgesamt scheint mex-3 für die Segmentierung eine wichtige Rolle zu spielen, welche aber im Laufe der Evolution in Drosophila
verloren gegangen ist, da in Drosophila keine frühe Funktion von mex-3 vorhanden ist. Lediglich in späteren Entwicklungsstadien ist eine neuronale Expression von Drosophila mex-3
zu sehen (Schoppmeier et al., 2009), wie das auch in Tribolium (Schoppmeier et al., 2009),
Bruchidius und Oncopeltus gezeigt werden konnte, so dass eine späte Funktion von mex-3
in der Neurogenese konserviert zu sein scheint.
Ausblick
Die Analyse von mex-3 in Bruchidius und Oncopeltus zeigte, dass mex-3 ein wichtiges Gen
der anteriore Musterbildung ist. Da in Drosophila mex-3 keine Rolle in der Segmentierung
spielt (Schoppmeier et al., 2009), ist es für die Fragestellung von Interesse, welche Mechanismen außerhalb des Drosophila-Paradigmas in der Embryonalentwicklung konserviert
sind. Bei der weiteren Bearbeitung des Projekts wäre zunächst wichtig, Spezies-spezifische
Caudal-Antikörper zu generieren um einen möglichen Effekt auf die Caudal-Translation
nachweisen zu können und zu beweisen dass die beobachteten Phänotypen auf eine Derepression von Caudal zurückzuführen sind. Ein weiterer interessanter Gesichtspunkt ist, dass
abhängig vom Anlageplan bzw. vom Modus der Segmentierung unterschiedliche, embryonale Strukturen betroffen sind. Während im Langkeimer Bruchidius Deletionen im thorakalen
und abdominalen Bereich zu beobachtet werden können, fehlen in Tribolium und Oncopeltus
vor allem die Kopfsegmente und die aus der posterioren Wachstumszone entstehenen abdominalen Segmente nach mex-3-RNAi. Die Analyse von mex-3 in anderen Langkeim- sowie
Kurzkeiminsekten würde zeigen, in wie weit sich diese Theorie verallgemeinern lässt.
85
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium
Einleitung
Das letzte Kapitel ist einem mittlerweile sehr gut etablierten Modellorganismus gewidmet,
nämlich dem Reismehlkäfer Tribolium castaneum (Klingler, 2004). Nach Drosophila melanogaster ist wohl seine Embryogenese innerhalb der Insekten, die am besten untersuchte.
Trotzdem gibt es zahlreiche offene Fragen, etwa auf dem Gebiet der Segmentierung (Rosenberg et al., 2008) die daher rühren, dass es sich bei Tribolium um einen Kurzkeimer handelt
(Tautz et al., 1994; Davis und Patel, 2002). Während in Drosophila alle Segmentanlagen
bereits im Blastoderm vorhanden und in einer syncytialen Umgebung entstehen können, bilden sich in Tribolium die meisten posterioren Segmente nach der Gastrulation, in zellulärer
Umgebung, aus einer so genannten Wachstumszone heraus (Liu und Kaufmann, 2005). Die
meisten Gene der hierarchischen Segmentierungskaskade von Drosophila (Akam, 1987; Ingham, 1988; Rivera-Pomar und Jäckle, 1996), wurden auch in Tribolium untersucht. Dabei
stellte sich heraus, dass für die in Drosophila maßgeblich an der initialen Regionalisierung
des Embryos beteiligten Gapgene (Niessing et al., 1997) zwar Homologe in Tribolium gefunden werden konnten, die Funktion der Gapgene in Tribolium aber keinesfalls denen von
Drosophila entspricht (s.u.).
Rolle der Gapgene in der frühen Embryonalentwicklung von Drosophila
Die Gapgene wurden initial in dem berühmten Drosophila-Screen von Nüsslein-Volhardt
und ihren Mitarbeitern entdeckt (Nüsslein-Volhard und Wieschaus, 1980). Sie bekamen ihren Namen daher, dass Drosophila-Larven, die eine Mutation in einem Gapgen aufweisen, in
ihrer Segmentierung stark beeinträchtigt sind, da mehrere aneinander unmittelbar angrenzende Segmente nicht ausgebildet werden. Gapgene sind die ersten zygotisch exprimierten Gene
während der Embryonalentwicklung und codieren Transkriptionsfaktoren (Jäger, 2011).
86
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Einleitung
Für die Kopfmusterung sind vor allem hunchback (Lehmann und Nüsslein-Volhard, 1987),
buttonhead (Wimmer et al., 1995), empty spiracles (Walldorf und Gehring, 1992) sowie
orthodenticle (Finkelstein und Perrimon, 1990) zuständig, während die thorakale und abdominale Musterbildung stark von den Gapgenen hunchback (Lehmann und Nüsslein-Volhard,
1987; Wu et al., 2001), Krüppel (Gaul und Jäckle, 1987; Jäckle et al., 1988), knirps (Nauber et al., 1988) und giant (Petschek et al., 1986; Mohler et al., 1989) abhängt. Terminale
Strukturen unterliegen der Musterung von tailless und huckebein (Weigel et al., 1990).
Die Expression der Gapgene wird auf verschiedenen Ebenen beeinflusst: Zum einen werden sie durch die maternalen Gene reguliert (Struhl et al., 1989), zum anderen ist eine wichtige Eigenschaft der Gapgene, dass sie ihre Expression gegenseitig regulieren können (Surkova et al., 2009; Papatsenko und Levine, 2011). Die über das ganze Blastoderm hinweg
überlappend exprimierten Gapgene (Abb. 29: A) können dann wiederum direkt Paarregelgene (Carroll and Vavra, 1989), Segmentpolaritätsgene (Gutjahr et al., 1993) und Hoxgene
(Harding and Levine, 1988) regulieren und spielen somit eine große Rolle für Metamerisierung und Segmentidentität.
Gapgen-Homologe in der frühen Embryonalentwicklung von Tribolium
Lässt sich die gerade vorgestellte Segmentierungskaskade von Drosophila auf den Kurzkeimkäfer Tribolium übertragen? Es konnte gezeigt werden, dass auch in Tribolium maternale Gene an der Aktivierung der ersten zygotischen Gene involviert sind (Wolff et al., 1998;
Schoppmeier und Schröder 2005). Überraschenderweise hat sich aber durch die Untersuchung der Gapgen-Homologe in Tribolium herausgestellt, dass sie bei der Segmentierung
keinen so großen Einfluss auf die Entstehung der Segmente, sondern vielmehr eine verstärke
Rolle in der Festlegung der Segmentidentität spielen.
Die Aktivierung von Paarregelgenen durch die Gapgene - sowohl im anterioren Kopfbereich, als auch im Rumpf - spielt in Tribolium möglicherweise eine untergeordnete Rolle
(Bucher und Klingler, 2004; Cerny et al., 2008; Marques-Souza et al., 2008). Vor allem bei
der Segmentierung des Abdomens ist die Meinung verbreitet, dass sich die Paarregelgene
in einem ”pair-rule circuit” selbst aktivieren und die Gapgene bezüglich der Paarregelexpression eher eine permissive Rolle übernehmen, denn eine instruktive (Choe et al., 2005).
Andererseits konnte gezeigt werden, dass die Gapgene einen sehr großen Einfluss auf die Expression der homeotischen Gene nehmen und somit für die Segmentidentität eine wichtige
87
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Einleitung
Rolle spielen (Bucher und Klingler, 2004; Cerny et al., 2008; Marques-Souza et al., 2008).
Dass die Expression und die Funktion von Gapgen Homologen zwischen den beiden Arten
oft nicht konserviert ist, sollen folgende Beispiele kurz beleuchten. Empty spiracles, buttonhead und orthodenticle, die in Drosophila als wichtige Gapgene für die Kopfmusterung
identifiziert werden konnten (Walldorf und Gehring, 1992; Wimmer et al., 1995; Finkelstein
und Perrimon, 1990), werden in Tribolium zwar ebenfalls anterior aktiviert, allerdings in viel
schmaleren Domänen und auch nicht überlappend wie in Drosophila.
Auch die funktionalen Analysen zeigen, dass T.c. empty spiracles lediglich für die Spezifizierung des posterioren Ocellensegments sowie des antennalen Segments zuständig ist
(Schinko et al., 2008). Für Tribolium buttonhead konnte keine Funktion gefunden werden,
hingegen scheint die späte Funktion von otd-1, bezüglich der Ausbildung der okkularen und
antennalen Segmente in Tribolium und Drosophila konserviert zu sein. (Schinko et al., 2008).
Die anterioren Expressionsdomänen von T.c. hunchback, T.c. Krüppel, und T.c. giant sind
hinsichtlich ihrer Funktion nicht konserviert. Der Verlust dieser Gapgene führt zu Transformationen anteriorer Segmente. Die initialen Segmentanlagen werden aber normal gebildet,
was sich in der weitgehend korrekten Ausbildung der Paarregel- bzw. Segmentpolaritätsstreifen widerspiegelt. Insgesamt führt der Knockdown dieser Gene in Tribolium meist nicht
zu Lücken im Segmentmuster wie in Drosophila (Bucher und Klingler, 2004; Cerny et al.,
2008; Marques-Souza et al., 2008), vielmehr kommt es zum Abbruch der Segmentierung im
Thorax oder Abdomen.
Einzig für T.c. knirps konnte eine Deletion benachbarter Segmente - Antennen und Mandibeln - gefunden werden (Cerny et al., 2008), ein Phänotyp der sogar stärker ist als in
Drosophila (Gonzalez-Gaitan et al., 1994). Das für die Aktivierung des terminalen Systems
wichtige Gapgen tailless in Drosophila, wird in Tribolium zwar in einem kurzen Zeitfenster
posterior exprimiert, hat aber offenbar keinen Einfluss auf die Expression weiterer Segmentierungsgene.
Der Unterschied in der Gapgen-Expression und -Funktion zwischen Drosophila und Tribolium setzt sich auch in der thorakalen und abdominalen Musterbildung fort. Vergleicht
man die Expressionsdomänen der untersuchten abdominalen Gapgene von Drosophila mit
den bekannten Expressionsdomänen in Tribolium fällt auf (Abb. 29: A, B), dass ab dem zweiten abdominalen Segment in Tribolium keine Expression von Gapgenen mehr nachgewiesen
wurde. Lediglich hunchback wird später in der Wachstumszone aktiv (Marques-Souza et
88
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Einleitung
al., 2008, Wolff et al., 1995). Daraus ergeben sich nun zwei mögliche Hypothesen. Zum
einen könnte es sein, dass die abdominale Musterbildung in Tribolium, ebenso wie die anteriore Musterbildung, ohne wesentlichen Einfluss der Gapgene abläuft. Zum anderen ist es
denkbar, dass für die posteriore Musterung in Tribolium Kurzkeim-spezifische Gapgene eine
Rolle spielen, die nicht von der Drosophila-Situation her abgeleitet werden können (Cerny
et al., 2008). Ein solches Kurzkeim-spezifische Gapgen könnte das von Savard et al., (Savard
et al., 2006) identifizierte Gen mille-pattes sein.
Abb. 29: Vergleich der Gapgen-Expression zwischen Drosophila u. Tribolium
A) Die Graphik zeigt die Expression von fünf Gapgenen (tailless, giant, knirps, Krüppel und
hunchback) während der Drosophila-Embryogenese entlang der a-p Achse. Es soll veranschaulicht
werden, dass alle Segmente im Embryo von verschiedenen, teilweise auch stark überlappenden
Gapgen-Expressionsdomänen überspannt werden (nach Cerny et al., 2008). B) Der Segmentanlageplan von Tribolium. Am posterioren Ende befindet sich die Wachstumszone (WZ), aus der die
noch fehlenden abdominalen Segmente gebildet werden. Während im anterioren Bereich bis zum
zweiten abdominalen Segment Gapgen-Expressionen nachgewiesen werden konnten, ist ab dem
dritten abdominalen Segment (grau unterlegter Bereich) keine Expression von Gapgenen bekannt.
Einen Teil der Musterbildung in diesem Bereich wird möglicherweise von dem Gen mille-pattes
(schwarzer Balken) übernommen, welches aus der frühen Drosophila-Embryogenese nicht bekannt
ist (nach Cerny et al., 2008; Savard et al., 2006).
89
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Einleitung
Die Expression und Funktion von mlpt in Tribolium
mille-pattes (mlpt) wurde im Rahmen eines EST Screens identifiziert (Savard, 2004). Die
weitere Charakterisierung und Analyse des Gens fand wenig später statt (Savard et al., 2006)
und soll im Folgenden kurz zusammengefasst werden. mille-pattes wird bereits im Blastoderm exprimiert. Die früheste Expressionsdomäne überspannt die zukünftigen Kopflappen;
später im differenzierten Blastoderm ist mlpt in einer weiteren Domäne am posterioren Pol
des Embryos zu finden. Im Laufe der Keimstreifstreckung bleibt mlpt in einer verkleinerten
anterioren Domäne exprimiert, die mit der posterioren Grenze des mandibulären Segments
zusammen fällt, sowie einer zentralen Expressionsdomäne die sich vom zweiten thorakalen
bis zum dritten abdominalen Segment hin zieht. Eine dritte Expressionsdomäne tritt später
wieder im Bereich der Wachstumszone auf. Schließlich wird mlpt in einer vierten Domäne im siebten abdominalen Segment exprimiert. Zudem konnte gezeigt werden, dass mlpt
in neuronalen Zellclustern sowohl in den Kopflappen als auch im gesamten thorakalen und
abdominalen Bereich aktiviert wird. Schließlich ist auch eine deutliche Expression in den
Gelenken der zukünftigen Extremitäten auszumachen (Savard et al., 2006).
Parentale RNAi-Experimente zeigen, dass nach einem Knockdown von mlpt zum einen
die Segmentidentität von Tribolium stark gestört ist, da ein Großteil der abdominalen Segmente eine thorakale Identität annimmt und Larven mit bis zu zehn Beinpaaren entstehen.
Auch konnte eine posteriore Verkürzung der Larven beobachtet werden, was nahe legt, dass
mlpt in irgendeiner Weise Einfluss auf die Wachstumszone in Tribolium nimmt. Diese beiden
Befunde, also die Transformation von Segmenten, sowie die Deletion abdominaler Segmente, sind Indizien dafür, dass mlpt sich wie ein Tribolium-typisches Gapgen verhält. Untermauert wurde diese Erkenntnis noch von der Entdeckung, dass mlpt in der Lage ist, andere
Gapgene zu regulieren; beispielsweise kann in mlpt-RNAi Embryonen die posteriore giantDomäne nicht mehr ausgebildet werden und die Krüppel-Expression expandiert in posteriore Bereiche des Embryos. Umgekehrt haben auch andere Gapgene Einfluss auf die mlptExpression. In giant-RNAi Embryonen ist die zentrale mlpt-Expressionsdomäne viel stärker
ausgeprägt und nach anterior verschoben (Savard et al., 2006). Schon die Tatsache, dass mlpt
aus der frühen Drosophila-Entwicklung nicht bekannt ist und offenbar eine kurzkeimspezifische Musterbildungsfunktion inne hat, macht es hoch interessant. Hinzu kommt noch, dass
mlpt keinen Transkriptionsfaktor codiert, sondern mehrere Polypeptide.
90
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Einleitung
Die mlpt-Peptide
mlpt codiert für eine polycistronische mRNA, welche wiederum für drei kleine Peptide codiert, die als ORF1A (10 Aminosäuren), ORF2A (12 Aminosäuren) und ORF3A (15 Aminosäuren) bezeichnet werden. Allen drei ORFs ist gemein, dass sie das gleiche Konsensusmotiv - LDPTGLY - enthalten (Abb. 30). Ein von Savard et al., (2006) beschriebener ORF1B,
der ebenfalls auf der mRNA liegen soll, wurde in späteren Studien als wahrscheinlich nicht
funktionell diskutiert (Galindo et al., 2007).
Abb. 30: Struktur der polycistronischen T.c. mlpt-RNA
Die codierende Region umfasst
598 bp und enthält 3 ORFs die
translatiert werden (mod. Abb.
nach Savard et al., 2006 und Galindo et al., 2007).
Die ORFA Mlpt-Peptide sind erstaunlich gut konserviert und konnten neben Tribolium in
anderen holometabolen Insekten wie Drosophila und Bombyx, sowie in hemimetabolen Insekten wie Aphis oder Locusta, aber auch in Crustaceen wie Daphnia nachgewiesen werden.
Die Anzahl der ORFA Paralogen zwischen den verschiedenen Spezies variiert allerdings. Es
wird angenommen, dass ursprünglich zwei ORFA Paraloge vorlagen - wie das bei Daphnia
der Fall ist - und dass daraus im Laufe der Evolution bis zu 11 Paraloge entstanden sind, wie
im Seidenspinner Bombyx mori (Lepidoptera) (Galindo et al., 2007).
Mille-pattes ist nicht nur als potentielles neues Gapgen in Tribolium interessant, sondern
auch wegen seiner ungewöhnlichen Genstruktur, da es polycistronisch organisiert ist und
sehr kleine Peptide codiert (Savard et al., 2006). Polycistronische mRNA, das heißt die Anordnung mehrerer Open Reading Frames auf einer mRNA, wie zum Beispiel das Lac-Operon
in E. coli (Jacob und Monod, 1961), ist vor allem in Prokaryoten eine häufig genutzte Art der
Genregulation. In Eukaryoten ist dies eher die Ausnahme, da die Translation bei Eukaryoten
vorsieht, dass die 40S Ribosomenuntereinheit am 5’ Ende der mRNA bindet und bis zum
ersten, auf der mRNA vorhanden Startcodon vorwandert. Unterstützt wird die RibsomenmRNA Bindung durch einen Initiationsfaktor, der sowohl mit dem Ribosom, als auch mit
91
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Einleitung
der 5’ mRNA Cap in Wechselwirkung tritt (Kozak, 1999; Pestova et al., 2001). Interne Ribosomen Bindestellen wie sie für Prokaryoten beschrieben wurden und es Ribosomen ermöglichen, weiter 3’ gelegene ORFs zu translatieren, werden in Eukaryoten noch diskutiert
(Gilbert, 2010). Es gibt zwar Beispiele von bicistronischen mRNAs in denen ein kurzer ORF
einem langen ORF vorangeht (z.B. Insulin im Hühnchen; Mansilla et al., 2005), allerdings
dient dieser kurze ORF eher einer Translationsinhibition für den längeren ORF. Dieser kann
dann z.B. durch alternatives Splicen aktiviert werden, welches den kleinen 5’ ORF entfernt
und dann eine effizientere Translation des längeren ORF ermöglicht (Kozak, 2005, Mansilla et al., 2005). Alternatives Splicen ist auch das Mittel der Wahl um aus polycistronischen
mRNAs - die immerhin 25% des C.elegans Genoms codieren - monocistronische mRNA zu
prozessieren. Diese wird dann auf konventionellem Weg translatiert (Lawrence, 2002; Evans
und Blumenthal, 2000).
Dass alle drei ORFAs in Tribolium translatiert werden ist bis jetzt zwar nur eine Vermutung, allerdings konnte für die ORFAs in Drosophila anhand von GFP Markierungen der
einzelnen ORFs gezeigt werden, dass in der Tat alle ORFs translatiert werden (Galindo et al.,
2007; Kondo et al., 2007). Ein Analogieschluss zur Tribolium Situation ist deshalb durchaus
zulässig. Ein Unterschied zwischen den einzelnen ORFs in Drosophila betrifft die Translationseffizienz: ORFs, die näher am 5’ Ende der mRNA lokalisiert sind, werden offenbar
mit einer höheren Effizienz translatiert als diejenigen, welche sich näher am 3’ Ende befinden (Galindo et al., 2007). Aus dieser Erkenntnis resultiert auch die Vermutung, dass die
Mlpt-Peptide mit Hilfe eines Reinitiationsmechanismus translatiert werden. Dieser bewirkt,
dass nach der Translation des ersten Peptides die 40S Untereinheit des Ribosoms nicht von
der mRNA abfällt, sondern bis zum nächsten Startcodon weiterwandert und sich dort der
Translationskomplex von neuem aufbaut (Kozak 2005). Die Voraussetzung dass es sich bei
den vorangegangenen Transkripten um kleine ORFs handelt, ist bei mlpt erfüllt und auch
die Tatsache, dass die Effizienz der Translation zum 3’ Ende hin abnimmt, passt zu diesem
Modell (Galindo et al., 2007).
Eine weitere interessante Eigenschaft der Mlpt-Peptide liegt in ihrer Größe begründet und
der damit verbundenen Frage, auf welcher Ebene sie in die Embryonalentwicklung von Tribolium eingreifen. Kleine Peptide sind aus anderen biologischen Kontexten bekannt und gut
untersucht. Ein Beispiel wären Neuropeptide, die 50 AS lang sind und durch Modifikation
großer Vorläuferproteine im Golgiapparat prozessiert und schließlich aus den Nervenzellen
92
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Einleitung
sezerniert werden. Neuropeptide sind sowohl in Vertebraten als auch Invertebraten gefunden
worden und dienen vor allem der Zellkommunikation (Penzlin, 7. Auflage, 2005; Burbach,
2011). Ein Beispiel dafür, dass kleine Peptide auch zur Zelldifferenzierung beitragen, sind
die Kopf- und Fuss-Aktivatoren in Hydra. Die Bildung der Kopf-Fuß-Achse hängt von der
Präsenz dieser kleinen Peptide ab, die wahrscheinlich eine ursprüngliche Form von ZellSignalwegen darstellen. Das Peptid Hym-323 wird in allen epithelialen Zellen außer Kopf
und Fuss exprimiert, und ist nach seiner Freisetzung aus diesen Zellen in der Lage, die Bildung eines Hydra-Fußes zu steuern (Bosch und Fujisawa, 2001). Abschließend sei noch
erwähnt, dass kleine Peptide auch in der Arabidopsis-Forschung immer mehr in den Fokus
geraten, da auch hier gezeigt werden konnte, dass sie einen wichtigen Einfluss auf Zellkommunikation und Differenzierung nehmen (Matsubayashi, 2011). Nun stellt sich die Frage,
wie mlpt in Tribolium seine Funktion als Gapgen erfüllt. Eine mögliche Schlüsselrolle könnte dabei ein Gen namens shavenbaby spielen, das in Drosophila durch das ein mlpt-Homolog
- polished rice alias tarsaless - reguliert wird.
Die Interaktion von Polished-rice/Tarsaless und Shavenbaby in Drosophila
Ein Drosophila-Embryo hat auf der ventralen Seite Trichome, zähnchenartige Fortsätze der
Epidermiszellen, die durch Aktinbündel am apikalen Pol ausgestülpt werden (Kondo et al.,
2007; Delon et al., 2003). Diese Dentikel sind in der anterioren Hälfte der Segmente lokalisiert (Abb. 31: A, B) und bestehen aus sechs bis sieben aneinander grenzenden Reihen; die
posteriore Hälfte der Segmente trägt nackte Kutikula (Herth und Sander, 1972; Vogel, 1977).
Dieses Muster zieht sich vom thorakalen über den gesamten abdominalen Bereich des Drosophila-Embryos hinweg. Die ventralen Zähnchenbänder dienen vor allem der Fortbewegung der Drosophila-Larve. Auf der dorsalen Seite befinden sich ebenfalls in regelmäßigen
Abständen Trichome, welche nicht als Dentikel, sondern als Haare bezeichnet werden.
Die Funktion von shavenbaby: Shavenbaby, welches für einen Zinkfinger Transkriptionsfaktor codiert (Mével-Ninio et al., 1991), wurde im Zusammenhang mit der TrichomBildung in Drosophila intensiv untersucht und es stellte sich heraus, dass es eine Schlüsselrolle in der Trichomdifferenzierung einnimmt (Delon und Payre, 2004; Chanut-Delalande
et al., 2006). Shavenbaby ist segmental exprimiert (Garfinkel et al., 1994) und wird vom
DER-Signalweg aktiviert (DER =Drosophila-EGF-Receptor) (Payre, 2004; O´Kefee et al.,
93
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Einleitung
1997). Dies führt zur Bildung der Trichome im anterioren Abschnitt des Segments, während
der Wg-Signalweg die Expression von Shavenbaby reprimiert (Noordermeer et al., 1992),
was in den nackten Kutikulaabschnitten im posterioren Bereich eines Segments resultiert
(Abb. 31: D). Shavenbaby ist an der Transkriptionsaktivierung zahlreicher anderen Gene
wie shavenoid oder minature beteiligt, die für die Morphologie der Trichome entscheidend
sind (Chanut-Delalande et al., 2006). Das Ausschalten von Shavenbaby führt zum vollständigen Verlust der Dentikel, während ein Ausfall der Zielgene von Shavenbaby lediglich zu
verschiedenen morphologischen Veränderungen derselben führt (Chanut-Delalande et al.,
2006).
Die Funktion von polished-rice/tarsaless: Eine andere Mutation die in einer Störung der
Trichombildung resultiert, ist auf das Gen polished-rice (pri) (Kondo et al. 2007) zurückzuführen, das mlpt Homolog in Drosophila. Polished-rice wurde im Zusammenhang mit der
Beinentwicklung identifiziert (Galindo et al., 2007). Es wird früh in den Beinimaginalscheiben exprimiert und spielt eine Rolle bei der Ausbildung der tarsalen Segmente (deswegen
ist in der Literatur auch der Name tarsal-less zu finden). Nicht nur die Bildung der tarsalen
Glieder, sondern auch die Entwicklung der Gelenke zwischen den einzelnen, tarsalen Beinabschnitten ist auf die pri-Aktivität zurückzuführen (Pueyo und Couso, 2011). Zudem ist es
wichtig für die Ausbildung des Tracheennetzwerks (Kondo et al., 2007). Im folgenden Abschnitt soll jedoch näher auf den Epidermisphänotyp von pri-Mutanten eingegangen werden,
der dem von svb-Mutanten gleicht.
Das Zusammenspiel von Shavenbaby und Polished-rice: Es wurde untersucht, ob pri
und svb möglicherweise in der Trichommusterbildung interagieren (Kondo et al., 2010). Die
segmentalen Expressionsdomänen von polished-rice stimmen mit denen von shavenbaby genau überein. Allerdings konnte in shavenbaby-Mutanten keine Änderung der Expression von
polished-rice festgestellt werden, und auch in pri-Mutanten ist shavenbaby weiterhin wildtypisch exprimiert; lediglich die Zielgene von Shavenbaby wurden nicht mehr exprimiert
(Kondo et al., 2007). Daraus wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass Polished-Rice und
Shavenbaby irgendwie parallel wirken müssen. Von Shavenbaby war bekannt, dass das Gen
mehrere Isoformen codiert (Garfinkel et al., 1992, Garfinkel et al., 1994). Nämlich Shavenbaby welches die längste Isoform ist, gefolgt von OvoA das einen verkürzten N-Terminus
94
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Einleitung
hat und schließlich OvoB das die kürzeste Isoform darstellt (Abb. 31: C).
Abb. 31: Zusammenfassung der Dentikelbildung in Drosophila
A) Ventro-laterale Ansicht einer Drosophila-Larve. Der Kopf zeigt nach links. Die ventralen Zähnchenbänder sind unterstrichen. B) Schemazeichnung der ventralen Epidermis (modifiziert nach
Chanut-Delalande et al., 2006). Sechs bis sieben Reihen von Trichom-bildenden Zellen werden von
epidermalen Zellen ohne Trichome gefolgt. C) Schematische Darstellung der Shavenbaby/Ovo
Isoformen (modifiziert nach Kondo et al., 2010). Die Isoformen unterscheiden sich in der unterschiedlichen Länge der N-terminalen Domäne. Eine dort befindliche Repressordomäne (rot)
ist für die Transkriptionsinhibition zuständig. D) Zusammenfassung der im fortlaufenden Text
beschriebenen genetischen Interaktionen zur Aktivierung der Trichombildung (modifiziert nach
Chanut-Delalande et al., 2006 und Kondo et al., 2010).
OvoA und OvoB werden normalerweise nur in der Keimbahn des Embryos exprimiert und
sind dort für die Differenzierung der Polzellen hin zu den weiblichen Keimbahn von großer
Bedeutung (Garfinkel et al., 1992; Garfinkel et al., 1994). Die ektopische Expression von
OvoA führt zu einer Repression der Dentikelmusterung, wohingegen die ektopische Expression der kürzesten Isoform - OvoB - zur zusätzlichen Bildung von Trichomen beiträgt
(Kondo et al., 2010). Die Schlussfolgerung ist, dass die Länge des Ovo/Shavenbaby-Proteins
dafür verantwortlich ist, ob es eine aktivierende oder eine reprimierende Wirkung auf die
Zielgenexpression hat (Kondo et al., 2010; Andrews et al., 2000). Durch eine Reihe von Ver95
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Einleitung
suchen konnte gezeigt werden, dass Polished-Rice-Peptide die inaktive, reprimierende Form
von Shavenbaby - wahrscheinlich durch die Aktivierung einer Protease - in die aktivierende
Form umwandeln können, indem das initial lange Shavenbaby-Protein posttranslational am
N-Terminus gekürzt wird und so durch den Wegfall einer Repressordomäne zu einem Transkriptionsaktivator wird. Es ist also die direkte oder indirekte Interaktion von Pri-Peptiden
und Shavenbaby-Protein nötig, um die Aktivierung der Dentikelbildung zu erreichen (Kondo et al., 2010). Die Aktivierung von Shavenbaby durch Pri-Peptide konnte kurze Zeit später
auch im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Entwicklung der tarsalen Gelenke nachgewiesen werden (Pueye und Couso, 2011), allerdings scheint die Pri-abhängige Tracheenentwicklung ohne die Anwesenheit von Shavenbaby abzulaufen (Kondo et al., 2010), so dass
es noch weitere, bis her unbekannte Interaktionspartner von Pri geben muss.
Ziele dieser Arbeit
Obwohl mlpt in Tribolium initial entdeckt worden ist (Savard et al., 2006) und sein beschriebener Gapgenphänotyp für das Verständnis der Segmentierung eines Kurzkeimers von großer
Bedeutung sein könnte, gibt es bis jetzt noch kein Modell, wie mlpt als Nichttranskriptionsfaktor in Tribolium Einfluss auf die Segmentierung nimmt. Im Rahmen dieses Teilprojekts
sollte zum einen herausgefunden werden, wie eine Überexpression von mlpt die TriboliumEntwicklung beeinflusst. Dazu wurde das vor kurzem in Tribolium etablierte HitzeschockÜberexpressionssystem verwendet (Berghammer et al. 1999; Lorenzen et al., 2003). mlpt
sollte mit dem Hitzeschockpromotor hsp68 gekoppelt in den Transformationsvektor piggyBac kloniert und in die Keimbahn von Tribolium verbracht werden. Durch die Aktivierung
des Hitzeschockpromotors kann dann eine mlpt-Überexpression in den Embryonen dieser
transgenen Linien hervorgerufen werden. Nach Abschluss der Embryogenese sollten dann
die phänotypische Effekte der mlpt-Überexpression untersucht werden.
Ein weiteres Ziel dieser Arbeit ist es den Mechanismus zu entschlüsseln, wie mlpt als
Nicht-Transkriptionsfaktor die Expression von anderen Gapgenen beeinflussen kann. Ein
mögliches Ziel der mlpt-Funktion ist der aus Drosophila bekannte Transkriptionsfaktor Shavenbaby, auf den die Drosophila-Homologen der Mlpt-Peptide einen regulatorischen Einfluss haben (Kondo et al., 2010). Dieser Transkriptionsfaktor sollte kloniert und sowohl seine
Expression durch in-situ-Hybridisierung (Tautz und Pfeifle, 1989), und die seine Funktion
mittels parentaler RNAi (Bucher et al., 2002) näher untersucht werden.
96
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Material & Methoden
Material & Methoden
Eine ausführliche Liste der verwendeten Puffer und Lösungen befindet sich in Anhang A.
Die Experimente werden an zwei Käferstämmen durchgeführt: Tribolium castaneum San
Bernadino und Tribolium castaneum vermillionwhite (Lorenzen et al., 2002). Da sie sich in
der Haltung und Zucht nicht unterscheiden, wird im Folgenden die Mehlkäferhaltung im
Allgemeinen kurz zusammen gefasst.
Tribolium castaneum: Haltung und Zucht
Nahrung: Die Mehlkäfer befinden sich in verschließbaren Plastikboxen (15 cm x 15 cm x
12 cm) in einem Mehl (doppelgriffiges Rosenmehl, Typ 405, Wiener Griessler)/Hefegemisch
(Bierhefepulver, Cenovis). Pro kg Mehl werden 50 g Hefe zugesetzt sowie 0.3 g Fumidil, um
Pilzentwicklung zu vermeiden.
Temperatur: Die Generationszeit kann durch die Haltung der Käfer bei 25 °C bzw. 32 °C
beeinflusst werden.
Tab. 7: Entwicklungsdauer von Tribolium bei unterschiedlichen Temperaturen
Temperatur
25 °C
32 °C
Embryonalentwicklung
Larvale Stadien
Puppenstadium
Gesamte Entwicklungsdauer
(nach Sokoloff, Vol.2, Seite 70)
6.8 d
31.2 d
10.2 d
48 d
2.9 d
14.6 d
4.6 d
22 d
Luftfeuchtigkeit: 45-50%.
Separierung verschiedener Entwicklungsstadien: Um Käfer, Puppen, Eier und Mehl
voneinander zu trennen, kommen verschiedene Siebsätze zum Einsatz. Siebe (Analysesiebe, Retsch) mit einer Maschenweite von 700 µm dienen zum Absammeln von Käfer oder
Puppen; Siebe mit einer Maschenweite von 300 µm zur Gewinnung der Eier.
97
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Material & Methoden
Etablierung des mille-pattes-Überexpressionssystems
Die Erstellung eines mille-pattes-Überexpressionssystems untergliedert sich in drei verschiedene Arbeitsschritte (Herstellung des Vektors, embryonale Injektion sowie Etablierung der
transgenen Linien), die im Folgenden dargestellt werden.
Herstellung des Mille-pattes Überexpressionsvektors: Ausgangsmaterial ist ein pBluescript-Vektor, der die gesamte, kodierende Region des T.c. mlpt Gens (616 bp) enthält (Accession: AM269505.1) und freundlicherweise von J. Savard zur Verfügung gestellt wurde
(Savard et al., 2006). Um mille-pattes während verschiedener, embryonaler Entwicklungsstadien überexprimieren zu können, wird das mlpt Gen zunächst mit dem Hitzeschockpromotor
hsp68 versehen und schließlich in einen piggyBac Transformationsvektor kloniert (Horn und
Wimmer, 2000). Die Vektorkarten der verwendeten Plasmide befinden sich im Anhang C.
Abb. 32: Übersicht der Klonierungsstrategie von mlpt in den piggyBac Vektor
98
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Material & Methoden
Die Klonierung des mlpt-Gens erfolgt in 3 Schritten. Zunächst wurden mittels PCR an das 5’und das 3’-Ende Restriktionsschnittstellen angefügt, sodass eine direktionale Klonierung in den
Hitzeschockvektor pSLfa stattfinden kann, aus dem das gesamte Konstrukt (Promotor, 5’UTR,
mlpt-cDNA, 3’UTR) dann in den Transformationsvektor piggyBac subkloniert wurde.
I. Einfügen von Restriktionsschnittstellen an die 5’- und 3’-Enden des mlpt-Gens im
pBluescriptvektor:
Da die mlpt-cDNA gerichtet in verschiedene Vektoren kloniert werden sollte, war es nötig
sie am 5’- und 3’-Ende mit Restriktionsschnittstellen zu versehen. Alle verwendeten Primer
sind von der Firma Metabion.
PCR mit mlpt-Fusionsprimern
fw Primer (fw1-mlpt-Not1-Xba1):
5’-GCT CTA GAG CGG CCG CTA AAT TCC CAG CGC GAG TCG TGC CAA GTT
ATG TCA GGT CTC G-3’ (Tm=62 °C)
bw Primer (bw1-mlpt-AsiS1-Xho1):
5’-CCC CTC GAG GCG ATC GCA TTT TAT TCA TTT CCA AG-3’
(Tm=42 °C)
Reaktionsansatz: 3 µl Phusion HF Reaktionspuffer (5x, Finnzymes), 3 µl dNTPs (2mM, Peqlab), 1.5 µl fw Primer (20 µM, Metabion), 1.5 µl bw Primer (20 µM, Metabion), 0.5 µl
Taq-Phusion DNA Polymerase (2 U/µl, Finnzymes), 2 µl Template (mlpt-pBluescript; 50 ng/
µl), 18.5 µl Wasser.
PCR-Programm: 98 °C/2 min; (98 °C/30s, 40 °C/45s, 72 °C/60s) x 30; 72 °C/7 min.
Zur Entfernung von Primern, Oligonukleotiden etc. aus dem PCR Ansatz wird anschließend
eine Gelextraktion mit dem Min Elute Gel Extraction Kit 50 (Qiagen) durchgeführt (nach den
Herstellerangaben). Da das Schneiden von endständigen Restriktionsschnittstellen sich als
ineffizient erwiesen hatte, wird das modifizierte mlpt-Gen (mlpt-mod) erneut in pBluescript
kloniert. Die Klonierung erfolgt nach Standardprotokoll (vgl. auch Kapitel I, Material &
Methoden).
99
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Material & Methoden
II. Restriktionsverdau des aufgereinigten mlpt-mod pBluescript Vektors sowie des pSLfa[Tc’hsp5’3’UTR]fa Vektors:
Doppelverdau des mlpt-mod pBluescript Vektors:
1 µl Xba1 (20.000 U/ml, NEB), 1 µl Xho1 (20.000 U/ml, NEB), 3 µg mlpt-mod pBluescript
Vektor, 5 µl NEB Puffer 4, 0.5 µl BSA (10 mg/ml), mit Wasser auf 50 µl auffüllen.
Trippelverdau des pSLfa[Tc’hsp5’3’UTR]fa Vektors:
1 µl Xba1 (20.000 U/ml, NEB), 1 µl Xho1 (20.000 U/ml NEB), 1 µl Not1 HF (20.000 U/ml,
NEB), 3 µg pSLfa[Tc’hsp5’3’UTR]fa Vektor, 5 µl NEB Puffer 4, mit Wasser auf 50 µl auffüllen.
Beide Ansätze werden über Nacht bei 37 °C inkubiert und schließlich bei 65 °C inaktiviert.
Durch eine abschließende Gelextraktion mit dem Min Elute Gel Extraction Kit (Qiagen)
isoliert man das ca. 632 bp lange mlpt-mod Gen, sowie das 4236 bp lange Backbone des
Hitzeschockvektors.
III. Ligation des mlpt-mod-Gens mit pSLfa[Tc’hsp5’3’UTR]fa:
Für die spätere Aktivierung des mlpt-Gens durch Hitzeschockpromotoren, ligiert man den
geschnittenen pSLfa[Tc’hsp5’3’UTR]fa Vektor mit dem ebenfalls geschnittenen mlpt-mod
Gen. Zur Optimierung der Ligationseffizienz, hat es sich bewährt, die Mengenverhältnisse
von Fragment und Vektor nach folgender Formel zu berechnen:
MasseFragment (ng) = 5 x Masse Vektor x Länge Fragment (bp)/Länge Vektor (bp)
Daraus resultiert folgender Ligationsansatz: 300 ng pSLfa[Tc’hsp5’3’UTR]fa Vektor, 48 ng
mlpt-mod Fragment, 4 µl Ligationspuffer (NEB), 1 µl T4 DNA-Ligase (400 U/µl, NEB), mit
Wasser auf 20 µl auffüllen. Die Ligation findet über Nacht bei 16 °C statt. Nach Transformation elektrokompetenter Bakterien (TOP 10) nach Standardprotokoll (vgl. auch Kapitel I,
Material & Methoden) und der Auswahl eines pSLfa[Tc’hsp5’-mlpt-mod-3’UTR]fa positiven Klons findet erneut eine Anreicherung des Vektors und eine abschließende Aufreinigung
mit dem Qiafilter Plasmid Midi Kit (Qiagen) statt.
100
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Material & Methoden
IV. Verdau pSLfa[Tc’hsp5’-mlpt-mod-3’UTR]fa und pBac[3xP3-DsRedaf]:
Doppelverdau des pSLfa[Tc’hsp5’-mlpt-mod-3’UTR]fa Vektors:
1 µl AscS1 (10.000 U/ml, NEB), 1 µl Fse (8.000 U/ml NEB), 3 µg Vektor, 5 µl NEB-Puffer
4, 0.5 µl BSA (100 mg/ml), mit Wasser auf 50 µl auffüllen.
Doppelverdau des pBac[3xP3-DsRedaf] Transformationsvektors:
Der pBac[3xP3-DsRedaf] Transformationsvektor wurde von Tobias Merkel zur Verfügung
gestellt (Tobias Merkel, Masterarbeit 2010).
1 µl AscS1 (10.000 U/ml, NEB), 1 µl Fse (8.000 U/ml, NEB), 3 µg Vektor, 5 µl NEB-Puffer
4, 0.5 µl BSA (100 mg/ml), mit Wasser auf 50 µl auffüllen.
Beide Ansätze werden eine Stunde bei 37 °C verdaut. Den Abschluss bildet eine 20 minütige Hitzeinaktivierung der Enzyme bei 65 °C. Das gewünschte hsp5’-mlpt-mod-3’UTR
Fragment ist 1709 bp lang, das pBac[3xP3-DsRedaf] 6423 bp. Mittels einer Gelextraktion
mit dem Qiagenkit werden die beiden Fragmente isoliert.
V. Ligation des hsp5’-mlpt-mod-3’UTR Fragments mit dem pBac[3xP3-DsRedaf] backbone:
Die Ligation wird genauso angesetzt, wie bereits ausführlicher unter III. beschrieben:
100 ng geschnittenes pBac[3xP3-DsRedaf] backbone, 150 ng hsp5’-mlpt-mod-3’UTR Fragment, 4 µl Ligationspuffer (NEB), 1 µl T4 DNA-Ligase (400 U/µl, NEB), mit Wasser auf 20
µl auffüllen.
Für 16 Stunden bei 16 Grad ligieren. Schließlich erfolgt die Transformation von E.colis,
TOP 10 One Shot. Mit einer ausgewählten Kolonie wird eine Anreicherung des pBac[3xP3DsRedTc’hsp5’-mlpt-mod-hsp3’] Plasmids und eine Aufreinigung mit dem Qiafilter Plasmid Midi Kit (Qiagen) durchgeführt.
101
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Material & Methoden
VI. Sequenzierung und Verifizierung des neuen pBac[3xP3-DsRedTc’hsp5’-mlpt-modhsp3’] Vektors:
2 Sequenzieransätze wurden zur Firma Seqlab nach Göttingen geschickt. Einmal wurde mit
dem bereits unter Abschnitt I vorgestellten bw Primer (bw1-mlpt-AsiS1-Xho1) sequenziert
um zu kontrollieren, ob sich tatsächlich das mlpt-Gen im Vektor befindet. Die zweite Sequenzierung fand mit folgendem Sequenzierprimer (Metabion) statt, der von der piggyBac
L-Site aus startet und von Jutta Distler zur Verfügung gestellt wurde.
Seqprim: 5’ - GCT TGT TGG TGA GGA TTC TG - 3’.
Beide Sequenzierergebnisse zeigten 100% Übereinstimmung mit dem mlpt-Gen und der anschließenden Hitzeschockpromotor 5’ UTR bzw. mit der piggyBac L Site, so dass von einer
erfolgreichen Fertigstellung des Konstrukts ausgegangen werden kann.
Embryonale Injektion des Mille-pattes Überexpressionsvektors: Das Protokoll der embryonalen Injektion richtet sich im Wesentlichen nach Berghammer et al., (2009). Der Vollständigkeit halber wird ein kurzer Überblick über den Versuchsablauf gegeben.
Für diesen Versuch wird der Tribolium vermillionwhite Stamm verwendet. vermillion codiert eine Tryptophan Oxygenase, die bei der Pigmentierung der Augen eine Rolle spielt. Käfer des vermillionwhite Stammes haben deshalb - im Gegensatz zum San Bernadino Stamm weiße, unpigmentierte Augen (Lorenzen et al., 2002). Die fehlende Pigmentierung erleichtert
im weiteren Versuchsablauf, die Detektion des rot fluoreszierenden Transformationsmarkers
dsRed, welcher an einen Augen-spezifischen 3xP3 Promotor gekoppelt ist. Somit ist eine
schnelle Unterscheidung von transformierten und nicht-transformierten Käfern möglich.
Der vermillionwhite Stamm wird für einige Tage von 25 °C auf 32 °C gestellt, so dass sich
die Tiere an die Temperatur adaptieren können. Am Tag der Injektion werden jeweils 1h Gelege gemacht, die dann für eine weitere Stunde bei 25 °C nachreifen. Diese Eier transferiert
man in ein Schraubsiebchen mit einer Maschenweite von 200 µm und wäscht sie gründlich
mit ca. 1l Leitungswasser, das Zimmertemperatur hat um Mehlreste zu entfernen. Schließlich
werden die Eier unter dem Binokular mit Hilfe eines feinen Pinsels (Leonardy, 0) auf einem
Objektträger (Roth) aufgereiht. Dabei ist zu beachten, dass die posteriore Eiseite (schmale,
spitze Seite) stets zur Längskante des Objektträgers zeigt.
102
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Material & Methoden
Die Injektion der aufgereihten Käfereier findet unter dem Mikroskop auf der posterioren
Seite statt. Die Injektionslösung setzt sich wie folgt zusammen: 500 ng/µl des Transformationsvektors (pBac[3xP3-DsRedTc’hsp5’-mlpt-mod-hsp3’]), 350 ng/µl Helperplasmid (codiert die Transposase), 10% Phenolrot (Sigma), mit Wasser auf ein Gesamtvolumen von 40
µl auffüllen.
Um zu verhindern dass später kleinen Partikel die Injektionsnadel (Borosilikat Glasnadel,
World Precision Instruments) verstopfen, wird dieser Ansatz kurz zentrifugiert und beim
Befüllen der Nadel darauf geachtet, die Lösung von der Mitte des Eppendorfröhrchens aufzunehmen. Die Nadel mit der Injektionslösung spannt man in einen Mikromanipulator ein.
Da die Glasnadel an der Spitze durch den Schmelzprozess zugeklebt ist, ist es wichtig, sie
an der Kante des Objektträgers vorsichtig zu brechen. Anschließend werden die unter dem
Mikroskop befindlichen Embryonen auf dem Objektträger an der Nadelspitze vorbeigeführt.
Die Nadel wird bei jedem Embryo in die posteriore Seite eingestochen und so lange Injektionslösung reingedrückt, bis sich der Embryo leicht rot färbt. Sind alle Embryonen auf
diese Art und Weise injiziert, werden sie mit samt dem Objektträger auf eine flache Schale
gelegt und in einer feuchten Kammer (21 cm x 15 cm x 15 cm, 100 ml Wasser mit 15%
NaCL Lösung) für 3-4 Tage bei 32 °C gelagert. Danach wird die Schlupfrate bestimmt, die
geschlüpften Larven auf Mehl gegeben und bis zum Erreichen des pupalen Stadiums erneut
bei 32 °C gehalten. Ist das pupale Stadium erreicht, werden Einzelverpaarungen angesetzt.
Die aus dieser G0-Generation resultierenden Nachkommen (G1 Generation) sollten - bei erfolgreicher Transformation der Keimbahn der Elterntiere - das mlpt-Überexpressionsplasmid
in ihr Genom integriert haben.
Selektion und Etablierung transgener Mille-pattes Linien: Die G1 Generation der angesetzten Einzelkreuzungen untersucht man unter dem Fluoreszenzbinokular (Nikon SMZ
1500) mit dem dsRed Filter. Rotleuchtende Augen zeigen ein positives Transformationsereignis an, während das Fehlen der Fluoreszenz dahingehend zu interpretieren ist, dass keine
Insertion des mlpt-Überexpressionskonstrukts in die Keimbahn der Elterntiere stattgefunden hat. Die dsRed positiven Nachkommen der verschiedenen Einzelkreuzungen werden in
separate, verschließbare Röhrchen mit Mehl gegeben und im 4-6 Wochen Rhythmus nach
selektiert, so dass man langfristig gesehen stabile mlpt-Überexpressionslinien erhält.
103
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Material & Methoden
Durchführung des Hitzeschocks zur Aktivierung der mlpt-Überexpression
Zur Analyse der phänotypischen Auswirkungen einer erhöhten Konzentration der Mlpt Peptide, muss der endogene Hitzeschockpromotor am 5’ bzw. 3’ Ende des mlpt-Gens der transgenen Linien aktiviert werden. Dazu überführt man die Eier der zu analysierenden Linien
in verschließbare Szintillationsgläschen. Diese werden in einem Styroporschwimmer befestigt und für exakt 10 Minuten in ein Wasserbad (Haake S) mit einer Temperatur von 46 °C
gestellt. Nach Ablauf dieser Zeit kommen die Eier zum Nachreifen in den 32 °C Inkubator
(Schinko et al., 2010). 4 Tage später werden Kutikulapräparate angefertigt. Nach dem Entfernen von Mehl und Chorion durch 50% Danklorix (2 x 3 min), nimmt man die Embryonen
mit einem Pinsel auf und überführt sie in einen Tropfen Hoyers/Milchsäure (50% Hoyers
Medium/50% Milchsäure). Die Präparate werden über Nacht bei 60 °C geklärt und können aufgrund ihrere Autofluoreszenz am nächsten Tag mit Hilfe des Fluoreszenzmikroskops
(Zeiss, Axiophot) ausgewertet werden.
Nachweis der mlpt-Überexpression nach dem Hitzeschock via ISH
Die Aktivierung des mlpt-Überexpressionskonstrukt durch den Hitzeschock soll anhand einer in-situ-Hybridisierung überprüft werden. Für eine ausreichende Menge an Embryonen
hitzeschockt man über mehrere Tage hinweg 0-24h alte Embryonen. Nach jedem Hitzeschock reifen die Embryonen für 45 Minuten bei 32 °C nach. Dieser Zeitraum ist nötig,
damit das Hitzeschockkonstrukt exprimiert werden kann (Merkel, Masterarbeit 2010). Die
Fixierung der Embryonen, die Sondensynthese der DIG-markierten Sonden und in-situHybridisierung erfolgen gemäß Standardprotokollen.
mlpt-RNAi in einer mlpt-Überexpressionslinie
Es soll zudem ermittelt werden, ob der von Savard et al. (2006) beschriebene mlpt-Phänotyp
in Tribolium sich aufgrund der Überexpression der mlpt Linien nach einem Hitzeschock
kompensieren lässt. Dazu werden ca. 50 Weibchen aus einer Hitzeschocklinie aussortiert
und diese mit mlpt-dsRNA injiziert (ds-RNA Synthese: T7-Megaskript Kit (Ambion); Injektion: Bucher et al., 2002; Posnien et al., 2009). Alle injizierten Weibchen werden dann auf
Mehl bei 32 °C gehalten. Die Zeiträume der Eiablage betragen 0-8h bzw. 8-16h. Von den
Eiern einer jeweiligen Ablage werden 50% gehitzeschockt und dann zum Nachreifen für 4
104
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Material & Methoden
Tage auf 32 °C gestellt, während die anderen 50% nicht gehitzeschockt werden und ebenfalls
auf 32 °C gebracht werden. Nach Ablauf von 4 Tagen werden von beiden Ansätzen Kutikulapräparte angefertigt und die Phänotypen unter dem Fluoreszenzmikroskop ausgezählt.
Die Klonierung des Transkriptionsfaktors shavenbaby
Die Klonierung in den pBluescript-Vektor erfolgte nach Standardprotokoll (s.h. auch Material & Methoden, Kapitel I). Mit Hilfe von NCBI wird die Tribolium svb Sequenz (Accession: XM_969788.1) ermittelt und mit dem Programm Primer3 (Steve Rozen and Helen J.
Skaletsky, 2000) potentielle Primerpaare herausgesucht. Die einzelnen Zwischenschritte der
Klonierung sind in Material & Methoden des ersten Kapitels zusammengefasst und richten
sich nach Standardprotokollen. Die Sequenzen finden sich unter Anhang B.
Tab. 8: Primer für die Klonierung von T.c. shavenbaby
Primername
Sequenz 5’-3’
Tm
Länge
fw-svb-Primer AAT ACG CCC CTA TCG TAC CC (60 °C) 434 bp
bw-svb-Primer ACC CGA TTG AGA ATT TGT CG (56 °C)
Pupale Injektion von dsRNA in Tribolium (Posnien et al., 2009)
Um die Phänotypen von svb und mlpt miteinander zu vergleichen, werden pupale Injektionen
durchgeführt. Die Synthese von dsRNA erfolgt mit dem T7-Megaskript Kit von Ambion.
Beide Gene wurden mit einer Konzentration von 2 µg/µl bzw. 4 µg/µl injiziert. Für die pupale
Injektion werden weibliche Tribolium-Puppen aus dem San Bernadino Stamm aussortiert.
Man reiht sie an der Längskante eines Objektträgers so auf, dass die posterioren Enden der
Puppen zur Kante hin zeigen.
Die Puppen werden für die Injektion zunächst fixiert: Man zieht mit einem Kleber (Fixogum, Marabu) eine dünne Linie und schiebt die Puppen zügig mit einer Federstahlpinzette
in den Kleber. Dabei ist zu beachten, dass nur das letzte abdominale Segment in den Kleber
eintaucht. Wird die Puppe zu weit in den Kleber geschoben, besteht die Gefahr, dass beim
adulten Käfer der Hinterleib so stark verklebt ist, dass er nicht aus der letzten Puppenhülle
heraus kommt und verstirbt. Sind alle Puppen aufgereiht, wird mit Hilfe des Mikromanipulators die ds-RNA (Synthese erfolgte mit dem T7-Megaskript Kit (Ambion)) lateral ins Ab-
105
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Material & Methoden
domen injiziert. Es wird so viel Volumen injiziert, dass sich die Puppe leicht streckt und sich
die am Bauch gefalteten Elytren etwas anheben. Schließlich werden die Objektträger mit den
injizierten Puppen auf Mehl gelegt, die vorsortieren Puppen Männchen dazu gegeben und
bei 32 °C zu adulten Käfern hochgezogen. Mehrtägige Eiablagen (über das Wochenende)
werden für Kutikulapräparate verwendet, ansonsten finden Fixierungen von 0-24h alten und
24-28h alten Embryonen statt. Auf die fixierten mlpt- bzw. svb-RNAi-Embryonen werden
zur weiteren Analyse Einzel- und Doppel-ISHs gemacht, wobei die Fixierung der Tribolium-Embryonen sowie die ISH nach Standardprotoll (Tautz & Pfeifle, 1989) durchgeführt
wurde.
106
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
Ergebnisse
Etablierung des mlpt-Überexpressionssystems in Tribolium
Der im Rahmen des Projekts generierte Vektor pBac[3xP3-DsRedTc’hsp5’-mlpt-mod-hsp3’]
wird zusammen mit dem Helperplasmid, welches die piggyBac-Transposase codiert, durch
Injektion in den posterioren Pol von frisch abgelegten Eiern in die Keimbahn von Tribolium
eingebracht. Etwas 10% der überlebenden Embryonen/Larven wiesen Insertionen im Genom
der Urkeimzellen auf, die auf Nachkommen übertragen wurden, so dass stabile hsp68-mlptÜberexpressionslinien resultierten. Die Ergebnisse der embryonalen Injektion sind in Tabelle
9 zusammengefasst.
Tab. 9: Embryonalen Injektion zur Generierung der hsp68-mlpt-Linien
Injizierte Eier
Schlupfrate in %
Transgene Linien
340
8.7% (86 Larven)
8
Durch einen Hitzeschock sollte nun die Überexpression von mlpt in diesen acht transgenen
Linien (Benennung: hsp68-mlpt-Linie 1-8) ausgelöst werden und die Wirkung von ektopischem mlpt in Kutikulapräparaten bzw. mittels in-situ-Hybridisierung näher analysiert werden.
Ektopische Expression von mlpt in transgenen mlpt-Linien nach Hitzeschock
Der erste Schritt bei der Analyse der hsp68-mlpt-Linien war zu untersuchen, ob durch den
Hitzeschock tatsächlich Überexpression von mlpt induziert wurde, das Konstrukt also wie
geplant funktionierte. Dazu wurden 0-24h alte vermillionwhite - Embryonen und 0-24h alte
Embryonen der Hitzeschocklinien in parallelen Ansätzen gleichzeitig einem zehn minütigem Hitzeschock unterzogen, für 45 min zum Nachreifen gestellt, fixiert und für die mlpt
in-situ-Hybridisierung eingesetzt. Da der hsp68-Promotor nach seiner Aktivierung offenbar
in allen Geweben aktiv ist (Schinko et al., 2010), war die Erwartung, dass nach dem Hitzeschock der hsp68-mlpt-Embryonen mlpt-Transkript in allen Zellen nachweisbar wäre. Eine
Kontrolle mit vermillionwhite -Embryonen sollte ausschließen, dass evtl. auftretende Hintergrundfärbung mit einer mlpt-Überexpression verwechselt wird.
107
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
Abb. 33 zeigt die mlpt-Expression in hitzebehandelten vermillionwhite -Embryonen ab dem
Keimrudimentstadium, welche dem Muster entspricht, das von Savard et al., (2006) detailliert beschrieben wurde. Im Keimrudiment ist mlpt anterior in einem schmalen Streifen exprimiert, der sich (laut Savard et al.) mit der posterioren Grenze des mandibulären Segments
deckt. Eine zweite Domäne überlappt mit dem zweiten thorakalen Segment und erstreckt sich
etwa bis zum dritten abdominalen Segment (Abb. 33: A, B). Während die anteriore Expressionsdomäne verschwindet, streckt sich die posteriore Domäne zeitgleich mit dem wachsenden
Keimstreif, und eine weitere mlpt-Expressionsdomäne tritt im Bereich der Wachstumszone auf (Abb. 33: C). Während der beginnenden Keimstreif-Verkürzung verschwinden diese
mlpt-Domänen und das Gen wird nunmehr in einem neuronalen Muster ausgeprägt (Abb.
33: D).
Hitzebehandelte Embryonen aller acht hsp68-mlpt-Linien zeigen hingegen eine deutliche
Expression von mlpt im gesamten Embryo (Abb. 33: A’-E’). Bis zum Stadium des differenzierten Blastoderms ist allerdings keine ektopische Expression von mlpt feststellbar (nicht
gezeigt). Die früheste Detektion der Überexpression ist im Keimrudiment möglich (Abb. 33:
A’) und bleibt dann in allen Stadien der Keimstreifstreckung hindurch nachweisbar (Abb.
33: B’-D’). Die Hitzeschock-Expression ist jedoch nicht übermäßig stark, da die endogenen
Expressionsdomänen vor diesem Hintergrund weiterhin deutlich zu erkennen sind. Insgesamt zeigt dieses Experiment, dass das mlpt-Überexpressionskonstrukt funktional ist und
eine zeitlich definierte Überexpression der Mlpt-Peptide nach dem Blastodermstadium möglich ist. Der nächste Abschnitt widmet sich der Fragestellung wie sich die ektopische Expression von mlpt auf das phänotypische Erscheinungsbild der Tribolium-Larven auswirkt.
Die Überexpression von mlpt hat keine offensichtlichen phänotypischen Auswirkungen
auf larvale Strukturen
Parentale mlpt-RNAi in Tribolium resultiert in der homeotischen Transformation abdominaler Segmente zu thorakaler Identität und der Deletion abdominaler Segmente. Auch eine Verkürzung der Beine ist beschrieben. Dieser Phänotyp wurde jedoch nicht näher analysiert (Savard et al., 2006). Um die Funktion der Mlpt-Peptide während des Segmentierungsprozesses
besser verstehen zu können, sollten die Effekte der mlpt-Überexpression in allen acht hsp68mlpt-Linien auf Kutikulaebene untersucht werden. Nach der Induktion der Überexpression
mittels Hitzeschock, wurden die Embryonen bis zum Erreichen des larvalen Stadiums auf 32
108
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
Abb. 33: mlpt-Überexpression nach Aktivierung des hsp86-mlpt Konstrukts
mlpt in-situ-Hybridisierung während der Keimstreifstreckung in hitzebehandelten Embryonen des
vermillionwhite -Stammes (A-D) sowie vergleichbare Entwicklungstadien ebenfalls hitzebehandelter
Embryonen der hsp68-mlpt-Überexpressionslinien (A’-D’). Im Keimrudiment wird mlpt in vermillionwhite -Embryonen in einer schmalen anterioren Domäne exprimiert, sowie in einer breiteren
posterioren Domäne (A, B). Im weiteren Verlauf der Entwicklung verschwindet die anteriore Expressionsdomäne und wird durch ein neuronales Kopfmuster ersetzt (Pfeil) (C, D). Während mlpt
zunächst noch eine dritte Domäne in der posterioren Wachstumszone des Embryos bildet (C), ist
nach Beendigung der Keimstreifstreckung mlpt in einem ausschließlich neuronalen Muster (Pfeil)
aktiv. Im Vergleich dazu, ist mlpt in hsp68-mlpt-Linien nach dem Hitzeschock ubiquitär verteilt
(A’-D’).
109
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
°C gehalten, eingebettet und auf Kutikula-Phänotypen hin untersucht. Als Kontrolle dienten
erneut Embryonen des vermillionwhite -Stammes. Von den acht getesteten hsp68-mlpt-Linien
zeigten sieben Linien trotz Aktivierung des Hitzeschocks keinen spezifischen Phänotyp. Seltene phänotypische Defekte wie die Deletion thorakaler Segmente (Abb. 34: C, D), oder
fehlende Kopfanhänge sind auf Entwicklungsdefekte zurückzuführen, die durch den Hitzeschock während der frühen Embryogenese verursacht werden (Merkel, Masterarbeit 2010).
Lediglich eine Linie (Nr.8) zeigt einen spezifischen Phänotyp (Abb. 34: D). Diese Larven zeigen eine deutliche Reduktion aller drei Beinpaare auf: Nur Coxa und Trochanter sind
entwickelt, die restlichen Beinsegmente (Femur, Tibia und Tarsus) fehlen. Am posterioren
Ende fehlen außerdem die terminalen Strukturen, die so genannten Pygopodien. Eine genauere Untersuchung dieser Linie zeigt jedoch, dass dieser Phänotyp auch ohne Hitzeschock
auftritt (Tabelle 10) und zwar mit einer Häufigkeit von ca. 25%, die unabhängig von der
induzierten mlpt-Überexpression war. Da der Stummelbeinphänotyp stark an den für Distalless beschriebenen Phänotyp in Tribolium erinnert (Beermann et al., 2001), wurde ein Komplementationstest mit einer Distal-less/godzilla-Linie durchgeführt (Sa-8/god), die Martin
Klingler zur Verfügung stellte. Die Analyse der F1 Generation ergab, dass hier ebenfalls der
Stummelbeinphänotyp auftritt.
Das bedeutet, dass keine Komplementation stattgefunden hat und dass in der hsp68-mlptLinie 8 offenbar die Insertion des Konstrukts das Distal-less Gen inaktiviert hat. Zusammengefasst kann konstatiert werden, dass in allen untersuchten hsp68-mlpt-Linien die Überexpression von mlpt zu keiner phänotpyischen Ausprägung führt.
Tab. 10: Verteilung des Stummelbeinphänotyps in der hsp68-mlpt-Linie 8
Embryonen gesamt
WT-Embryonen
Stummelbeinphänotyp
Phänotypenhäufigkeit
mit Hitzeschock
ohne Hitzeschock
14
11
3
21.4%
37
29
8
21.6%
110
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
Abb. 34: mlpt-Überexpression hat keine Auswirkungen auf Kutikula-Phänotyp
A) Tribolium WT: Kopf, drei thorakale Segmente (T1-T3) sowie acht abdominale Segmente
(A1-A8) an welche eine terminalen Struktur - die sogenannten Pygopoden (Py) angrenzen. Im
Vergleich dazu zeigen C) und D) Embryonen nach dem Hitzeschock mit fehlenden thorakalen
Strukturen. D) Ein starker Beinphänotyp kann in einer hsp68-mlpt-Linie gezeigt werden. Die Beinentwicklung endet mit dem Trochanterring (Pfeil). Alle thorakalen Segmente und abdominalen
Segmente sind ausgebildet, lediglich die terminale Struktur fehlt.
Der mlpt-RNAi Effekt kann durch mlpt-Überexpression in den hsp68-mlpt-Linien nicht
gemildert werden
In früheren Arbeiten (Bucher und Klingler, 2004) konnte gezeigt werden, dass die Stärke
von RNAi-Phänotypen von der initialen Konzentration der injizierten Doppelstrang-RNA
abhängen kann: niedriger konzentrierte dsRNA führt zu schwächeren Phänotypen als höher
konzentrierte dsRNA.
Um herauszufinden ob die Hitze-induzierte Expression des mlpt-Transkripts überhaupt
funktionelle Peptide generiert, sollte getestet werden ob eine Überexpression von mlpt zu einer Abschwächung des mlpt-RNAi-Effekts führen kann, im Vergleich zu RNAi-Embryonen
bei denen keine Überexpression ausgelöst worden war. Es wurden ca. 30 adulte Käferweib-
111
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
chen der hsp68-mlpt-Linie Nr.2 mit 2 µg/µl mlpt-dsRNA injiziert. Von den Eiablagen wurden
jeweils 50% hitzebehandelt und mit den nicht hitzebehandelten Ablagen zur weiteren Entwicklung auf 32 °C gebracht. Nach Beendigung der Embryogenese wurden Kutikulapräparate angefertigt und auf zwei Kritierien hin untersucht: Zahl der Beinpaare und der Segmente
pro Larve (Tabelle 11).
Tab. 11: Auswirkungen der mlpt-Überexpression auf den mlpt-RNAi-Effekt
mlpt-RNAi-Embryonen
der hsp68-mlpt-Linie
Beinpaare*
thorakale und abdominale
Segmente*
Ohne HS (n=40)
Mit HS (n=47)
5.03 +/- 0.24
4.62 +/- 0.21
7.38 +/- 0.24
6.96 +/- 0.36
*angegeben sind jeweils Mittelwert sowie Standardabweichung
Die Tabelle zeigt, dass im Schnitt die Zahl der Beinpaare in mlpt-RNAi-Embryonen nach der
Aktivierung der mlpt-Überexpression durch den Hitzeschock geringer ist (4.62 Beinpaare),
als in der Kontrolle (5.03 Beinpaare), die nicht hitzebehandelt war. Allerdings ist der Unterschied wohl nicht signifikant. Ein marginaler Unterschied konnte auch in der Segmentanzahl
gefunden werden.
mlpt-RNAi-Embryonen die nicht hitzebehandelt wurden, bildeten im Schnitt 7.38 Segmente aus; dem gegenüber stehen 6.96 Segmente bei Embryonen, die einem Hitzeschock
unterzogen wurden. Aber auch hier waren die Unterschiede nicht signifikant, weswegen dieser Versuchsansatz nicht weiter verfolgt worden ist. Die nun folgenden Ergebnisse beziehen
sich auf einen potentiellen Mlpt-Interaktionspartner, den Transkriptionsfaktor Shavenbaby
(Kondo et al., 2010).
Die Expression von shavenbaby in Tribolium
In Drosophila sind viele Gene an der Ausbildung der Trichome beteiligt. Unter anderem das
T.c. mlpt Homolog polished-rice und der Transkriptionsfaktor shavenbaby. Für diesen Transkriptionsfaktor konnte kürzlich gezeigt werden, dass er normalerweise als Repressor, nach
proteolytischer Modifikation aber als Aktivator seiner Zielgene wirken kann. Der ”switch”
zwischen Repressor und Aktivator scheint von Polished-rice-Peptiden vermittelt zu werden
(Kondo et al., 2010). Da die Funktion von Mlpt-Peptiden in Tribolium bisher noch völlig
112
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
unverstanden ist, untersuchte ich, ob das in Drosophila gezeigte Zusammenspiel zwischen
Polished-rice und Shavenbaby auch in Tribolium zu finden ist. Dazu wurde ein Fragment des
shavenbaby-Homologs in Tribolium kloniert und zunächst die Expression mittels in-situHybridisierung näher charakterisiert.
Svb ist bereits früh in der Embryogenese, kurz nach der Ausbildung der Serosagrenze in
Tribolium exprimiert (Abb. 35: A’). Es bildet eine kappenförmige Expressionsdomäne am
posterioren Eipol (Abb. 35: A). Diese Expressionsdomäne bleibt während der posterioren
Invagination des Embryos bestehen und ist auch im frühen Keimrudiment zu beobachten
(Abb. 35: B), wobei die Expression in einem transversalen Streifen erhöht wird. Während
der Keimstreifstreckung dehnt sich die posteriore Domäne zunächst aus (Abb. 35: C) und
zieht sich schließlich auf eine definierte Region in der posterioren Wachstumszone zurück
(Abb. 35: D, E), wo sie zum Abschluss der Segmentierung einen schmalen Streifen im Telsonbereich ausbildet (Abb. 35: F).
Zu diesem dynamischen posterioren Expressionsmuster bildet sich anterior, im Bereich
der Kopflappen, ein neuronales Muster aus (Abb. 35: E, F, G). Dieses setzt sich im Zuge
der Keimstreifverkürzung (Abb. 35: E) in den thorakalen und abdominalen Segmenten in
einer Pünktchen förmigen Expression fort. Zusätzlich ist auch noch eine deutliche Expression von svb in den distalen Enden der zukünftigen Mundwerkzeuge und der Beine zu sehen
(Abb. 35: F, Sternchen). Um die posteriore Expressionsdomäne genauer charakterisieren zu
können, wurde eine Doppelfärbung mit svb und dem Segmentpolaritätsgen gooseberry (gsb)
durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Doppelfärbung sind in Abb. 36 zusammengestellt.
Während der posterioren Invagination ist svb hinter dem letzten gsb-Streifen exprimiert
(Abb. 36: A, A’): anschließend kommt es zu einer minimalen Überschneidung zwischen dem
dritten gsb-Streifen und der posterioren svb-Domäne (Abb. 36: B, C). Die svb-Expression ist
zu diesem Zeitpunkt bereits unmittelbar vor dem jüngsten gsb-Streifen zu detektieren, zieht
sich über selbigen hinweg und erstreckt sich bis zum Hinterende des Keimrudiments. Im
weiteren Verlauf der Segmentierung gibt es dann aber keinen Überlapp mehr zwischen den
gsb-Streifen und der svb-Expression, da diese sich auf den hinteren Teil der Wachstumszone
beschränkt (Abb. 36: D, E).
113
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
Abb. 35: Die Expression von svb in der Embryogenese von Tribolium
Die anteriore Seite der Embryonen zeigt stets nach links. A) Die früheste Detektion von svb ist
im differenzierten Blastoderm möglich (A’, Pfeil markiert Serosa - Embryogrenze). Svb wird dann
am posterioren Ende des Eies exprimiert, im Bereich der zukünftigen Wachstumszone, B) wo das
Gen auch im Keimrudiment aktiv bleibt. C) Im Zuge der fortschreitenden Keimstreifstreckung (D,
E) zieht sich die svb-Expression schließlich auf einen schmalen posterioren Streifen zurück (F).
Diese posteriore Expression in der Wachstumszone wird in älteren Stadien von einer neuronalen
Expression in den Kopflappen (E, F, G, Pfeilmarkierung) begleitet; während des Auswachsens der
Mundwerkzeuge und der Beine ist svb zudem an den distalen Enden dieser Appendizes nachweisbar
(F, Sternchen).
114
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
Abb. 36: Doppel-ISH von T.c. gooseberry und T.c. svb
Dargestellt ist eine Doppelfärbung der Expressionen von gooseberry (lila) und shavenbaby (orange). Während der Keimstreifinvagination ist svb hinter dem zuletzt gebildeten gsb-Streifen exprimiert (A, A’). B) Im Keimrudiment und im jungen Keimstreif (C) ist die svb-Expression
unmittelbar vor dem letzten gsb-Streifen zu beobachten und zieht sich vom letzten gsb-Streifen
bis über den gesamten posterioren Bereich des Embryos hin. D) Mit fortschreitender Entwicklung
erscheint zwischen dem jüngsten gsb-Streifen und der svb-Expression eine kleine Lücke. Nach dem
Abschluss der Segmentierung und der Ausprägung aller gsb-Streifen verschwindet die posteriore
svb-Domäne (E).
Vergleich zwischen svb- und mlpt-Expression in Tribolium
Da die Frage beantwortet werden soll, ob mlpt und shavenbaby während der Embryonalentwicklung in Tribolium interagieren können, sollen die bereits diskutierten Färbungen von
mlpt bzw. svb nochmals im direkten Vergleich gezeigt werden (Abb. 37). Es ist zu erkennen, dass mlpt und svb vom differenzierten Blastoderm beginnend bis hin zum gestreckten
Keimstreif in der posterioren Wachstumszone koexprimiert sind (Abb. 37: A-D’).
115
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
Abb. 37: Vergleich der T.c. mlpt- und T.c. svb-Expressionsdomänen
116
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
Die anteriore Seite der Embryonen zeigt nach links. A und A’ sind laterale Ansichten, ansonsten
wird die ventrale Seite der herauspräparierten Embryonen gezeigt. Die schwarzen Balken deuten
an, dass beide Gene in der gleichen Region exprimiert werden, die roten Balken signalisieren,
dass es für eine mlpt-Expressionsdomäne keine entsprechende svb-Expression gibt. Im Blastoderm
(A, A’) ist am posterioren Pol eine Überschneidung zwischen mlpt und svb zu beobachten. Im
Keimrudiment (B, B’) ist die posteriore Expression beider Gene fast deckungsgleich. Das gleiche
gilt während der Keimstreifstreckung (C, C’); dagegen hat die anteriore mlpt-Expression im
mandibulären Segment keine svb-Entsprechung. Auch in späteren Stadien bleiben beide Gene in
der Wachstumszone exprimiert (D, D’). Die breite zentrale mlpt-Expressionsdomäne (D) hat
jedoch keine svb-Entsprechung.
Auch die punktförmigen Expressionen in den Kopflappen ähneln sich (Abb. 37: D-E), ebenso wie die Muster, die später in den Extremitäten und in bestimmten (neuronalen?) Zellen
die in allen Segmenten auftreten (Abb. 37: E, E’). Es fällt aber auch auf, dass mlpt in einigen Bereichen während der Embryogenese von Tribolium exprimiert wird, die keine svb
Entsprechung haben. Schon früh in der Entwicklung (Abb. 37: A) hat die breite anteriore
mlpt-Expressionsdomäne die sich von der Serosagrenze bis zur Mitte des Keimrudiments
zieht, kein svb-Pendant (Abb. 37: A’).
Während der Streckung des Keimrudiments bildet lediglich mlpt eine mandibuläre Expressionsdomäne aus, die in svb gefärbten Embryonen ebenfalls nicht zu finden ist (Abb.
37: B-C’). Zeitgleich mit dem Erscheinen der neuralen Kopfexpression, ist in mlpt gefärbten Embryonen eine breite zentrale Expression zu finden, die in keinem Stadium der svb
gefärbten Embryonen vorhanden ist. Zusammengefasst kann man sagen, dass nur im posterioren Bereich, sowie evtl. in bestimmten neuronalen Vorläuferzellen eine Überschneidung
der Genexpressionen von mlpt und svb evident ist.
Die Funktion von T.c. svb während der Embryogenese
Der nun folgende Abschnitt widmet sich der Frage, welche Funktion shavenbaby in der Tribolium-Embryonalentwicklung hat. Die initialen pupalen Injektionen führten zu einer hohen
Letalität der Puppen. Fast 80% starben nach der Injektion. Dass es sich dabei um einen genspezifischen Effekt handelt, konnte mit der Kontrolle (Injektion von Wasser) gezeigt werden,
bei der alle injizierten Tiere überlebten. Ein technisches Problem mit der Injektion ist somit
wohl auszuschließen. Interessanterweise liegt die Überlebensrate von mit mlpt-dsRNA injizierten Puppen ebenfalls bei knapp 20%. Um einen möglichen Einfluss von svb-RNAi auf
die Metamorphose zu umgehen, war für die weitere Analyse der Genfunktion adulte RNAi
117
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
das Mittel der Wahl, also Injektion von dsRNA in adulte Weibchen. Injiziert wurde svbdsRNA in unterschiedlichen Konzentrationen (1 µg/µl - 4 µg/µl). Allerdings war dabei kein
Unterschied in der Stärke der resultierenden, larvalen Phänotypen zu finden, so dass für die
weiteren Experimente stets eine Konzentration von 2 µg/µl verwendet wurde.
Die phänotypischen Auswirkungen adulter svb-RNAi sind auf Abbildung 38 zusammengestellt. Dabei variierten die erhaltenen Phänotypen nur darin, wie viele abdominale Segmente in thorakale Segmente transformiert bzw. wie viele abdominale Segmente noch ausgebildet wurden. Im Vergleich zum WT (Abb. 38: A) bilden schwächere svb-RNAi Phänotypen (Kategorie I) vier ”thorakale” Segmente mit Beinpaaren aus (Abb. 38: B). Alle Beine
wirken gedrungener als das Wildtypbein und die Klaue ist verbreitert. An die Segmente mit
thorakalem Charakter schließen sich drei beinlose abdominale Segmente an. Die terminalen
Strukturen fehlen ganz. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass kein Rückenschluss stattfindet und
die Larven dorsal offen sind. Ein etwas stärkerer Phänotyp (Kategorie II) (Abb. 38: C) weist
fünf Beinpaare auf, wobei nicht alle zusätzlichen Beine voll ausgebildet sind. Oft sind sie
stark verkürzt. Diese Segmente haben auch Tracheenöffnungen, was bei thorakalen Segmenten des Wildtyps nur in T2 der Fall ist. An die transformierten Segmente schließen sich noch
zwei beinlose abdominale Segmente an. Auch hier findet kein Rückenschluss statt. Die Beine
sind im Vergleich zum Wildtyp deutlich verkürzt und erscheinen dicker, mit z.T. undeutlich
ausgebildeten Gelenken (Abb. 38: D-F). In solchen svb-RNAi-Embryonen sind zwar alle
Beinregionen Coxa, Trochanter, Femur, Tibiotarsus und Prätarsus ausgebildet, jedoch von
der Gesamtheit her verkürzt und mit Falten, die den distalen Podomergrenzen/Gelenken ähneln. Die folgende Tabelle spiegelt die Verteilung der Phänotypen in knapp 200 ausgezählten
svb-RNAi-Larven wider. Am häufigsten (zu fast 63%) sind die stärkeren Phänotypen der Kategorie II, während schwächer Phänotypen nur zu knapp 22% ausgebildet werden.
Tab. 12: Verteilung der svb-RNAi Phänotypen (c=2 µg/µl).
Phänotyp
WT
I
II
Kutikularest
Larven (%)
27 (14%)
43 (22%)
121 (63%)
1 (0.5%)
118
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
Abb. 38: svb-RNAi-Phänotypen nach parentaler RNAi
Die Wildtyp Larve von Tribolium (A), mit drei thorakalen Segmenten, acht abdominalen Segmenten und den terminalen Urogomphi. svb-RNAi-Phänotypen der Kategorie I (B) sind deutlich
kürzer als die Wildtyp-Larve. Die drei thorakalen Segmente werden von einem transformierten
Segment gefolgt (T4), das ebenfalls ein Beinpaar trägt. Schließlich werden noch drei abdominale
Segmente ausgebildet (Kennzeichnung der Tracheenöffnungen mit Sternchen). Bei diesen Larven findet kein Rückenschluss statt. Alle ausgebildeten Beine wirken im Vergleich zum Wildtyp
verdickt. In stärkeren Phänotypen der Kategorie II sind zwei abdominale Segmente partiell zu
thorakaler Identität transformiert (C). Den drei thorakalen Segmenten folgen zwei Segmente, die
zwar Tracheenöffnungen tragen (Kennzeichnung: Sternchen) - und damit potentiell abdominalen
Charakter aufweisen, jedoch ist zumindest entweder ein Beinstummel präsent, oder aber auch ein
ganzes Bein ausgebildet. Die Beine wirken dicker und krummer als im Wildtyp. Auch in diesen
Larven findet kein Rückenschluss statt. Schematische Zeichnung (Quelle: Johannes Scholten, Diplomarbeit) eines WT-Käferbeins (D), bestehend aus Coxa, Trochanter, Femur, Tibiotarsus und
Prätarsus. Ein WT-Käferbein ist in (E) und ein svb-RNAi Käferbein in (F) vergrößert dargestellt.
Alle Beinregionen können identifiziert werden, jedoch ist das Bein insgesamt kürzer und stämmiger
als im Wildtyp.
Die Analyse von Markergenen nach parentaler svb-RNAi
Savard et al., 2006 konnten zeigen, dass sich mlpt-RNAi auf die Expression von Gapgenen wie hunchback, Krüppel oder giant auswirkt. So wird beispielsweise die posteriore
hunchback-Domäne verzögert ausgebildet und die posteriore Krüppel-Expressionsgrenze
wird nicht definiert, so dass die Krüppel-Domäne in mlpt-RNAi Embryonen mehr Segmente
umfasst als in der Wildtyp-Situation. Für giant stellte sich heraus, dass zwar die anteriore
119
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
Kopfdomäne normal exprimiert wird, die posteriore Domäne im Keimstreif jedoch in allen
untersuchten Stadien fehlt (Savard et al., 2006). Mlpt-Peptide können also sowohl aktivierenden als auch reprimierenden Einfluss auf die Expression von Gapgenen haben. Gesetzt den
Fall, dass Mlpt-Peptide den Transkriptionsfaktor Shavenbaby in Tribolium aktivieren wäre
zu erwarten, dass nach svb-RNAi ähnliche Verschiebungen der Gapgenmuster auftreten, wie
das für mlpt gezeigt worden ist. Deswegen wurden Markergene wie hunchback, Krüppel und
giant nach svb-RNAi näher analysiert, ebenso wie das Paarregelgen even-skipped und das
schon oben erwähnte Segmentpolaritätsgen gooseberry. Trotz sorgfältiger Analysen konnte allerdings keine Veränderung der frühen Expressionsdomänen von hunchback, Krüppel
und even-skipped gefunden werden. Interessanterweise wurde jedoch ein Effekt auf die giant-Expression in svb-RNAi Embryonen gefunden. Im Wildtyp wird giant sowohl in einem
anterioren Kopfmuster, als auch in einer posterioren Domäne exprimiert, die sich im Keimrudiment in zwei Streifen aufspaltet (Abb. 39: A-C), von denen der posteriore etwas länger
persistiert (Abb. 39: E-G). Die anteriore Kopfdomäne hingegen ist bis in den gestreckten
Keimstreif hindurch präsent und wird in einem neuronalen Muster exprimiert (Bucher und
Klingler, 2004). In svb-RNAi Embryonen konnte früh in der Entwicklung, im Blastoderm
und im Keimrudiment, keine veränderte giant-Expression gefunden werden. Sowohl die
Kopfdomäne als auch die abdominale Expressionsdomäne wurde in allen untersuchten Embryonen korrekt angelegt. Erst während der Keimstreifstreckung fiel auf, dass die posteriore
Domäne vorzeitig verschwindet (Abb. 39: D) bzw. nur noch eine leichte, rudimentäre Expression am posterioren Ende vorzufinden ist (Abb. 39: F, Pfeil). Die anteriore Kopfdomäne
war in allen untersuchten svb-RNAi Stadien hindurch wie im Wildtyp exprimiert. Kernfärbungen im gestreckten Keimstreif zeigen deutlich die zusätzlich angelegten Beinpaare (Abb.
40: A-B’).
Mit Hilfe des Segmentpolaritätsgens gooseberry kann der Segmentierungsdefekt in älteren Keimstreifstadien sichtbar gemacht werden. Im Vergleich zum Wildtyp, der zehn abdominale gsb-Streifen zeigt (Abb. 40: C), sind in svb-RNAi Embryonen ein Segmentierungsdefekt je nach Phänotypstärke ab dem dritten abdominalen Segment zu beobachten. Zwar wird
noch eine größere Zahl von gsb-Streifen angelegt, allerdings in einem ungeordneten Muster.
Auch die Streckung des Keimstreifes ist beeinträchtigt, bzw. weist Gewebsverdickungen und
Verkrümmungen auf (Abb. 40: D, E). Diese Ergebnisse sind konsistent mit den oben gezeigten Kutikula-Phänotypen, bei denen die posterioren Segmente stark beeinträchtigt sind.
120
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
Abb. 39: Tribolium giant-Expression im Wildtyp und nach svb-RNAi
Die Embryonen sind in allen Bildern mit anterior nach links orientiert. A) Im differenzierten
Blastoderm wird giant im gesamten Keimrudiment und in der posterioren Einfaltung exprimiert.
Im Keimrudiment B) hebt sich deutlich die anteriore Expressionsdomäne in den Kopflappen ab
und am posterioren Ende ist ein breite Expressionsdomäne sichtbar, der ein etwas kräftigerer
Expressionsstreifen voran geht. Während der Keimstreifstreckung C) bleibt die Expression in den
Kopflappen bestehen und die posteriore Expression bildet zwei schmale, deutlich voneinander
abgegrenzte Streifen. Während die anteriore Kopfdomäne wie im Wildtyp gebildet wird, fehlt in
svb-RNAi Embryonen die posteriore Expressionsdomäne (D). Im Zuge der Keimstreifstreckung
(E) wird in Wildtyp Embryonen die posteriore giant-Domäne immer schmaler und ist unmittelbar
vor der Wachstumszone lokalisiert. F) zeigt einen svb-RNAi Embryo, der etwas älter ist als der
Wildtyp in E), und bei dem die posteriore giant-Domäne nur noch rudimentär ausgeprägt ist
(Pfeil).
121
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Ergebnisse
Abb. 40: Kernfärbung und gsb-Färbung in svb-RNAi Embryonen
Die Kernfärbung eines gestreckten Wildtyp-Embryos zeigt die Morphologie eines normalen Keimstreifes (A, A’); im Vergleich dazu erscheint ein svb-RNAi Embryo im vergleichbaren Stadium
deutlich kürzer und gedrungener (B, B’). Auffallend ist die gestörte abdominale Segmentierung
am posterioren Ende, die auch in einer Verdickung und Verkürzung des Keimstreifs im Abdomen
resultiert (B). Der vergrößerte Ausschnitt des thorakalen Bereiches (B’) zeigt die zusätzlichen
Beinanlagenpaare (T4 + T5), die in diesem Stadium wie die Beinknospen des Wildtyps aussehen.
Einen vollständig gestreckten Keimstreif, bei dem alle Segmentanlagen mit dem Segmentpolaritätsgen gsb gefärbt sind, zeigt Bild C. Es sind zehn abdominale Segmentanlagen sichtbar (später
fusionieren A9 und A10 mit den terminalen Strukturen, so dass die Tribolium-Larve nur über
acht abdominale Segmente verfügt). In svb-RNAi Embryonen ist die gsb-Expression bis in den
anterioren Bereich des Abdomens regelmäßig. Ab dem zweiten (D, Pfeilkopf) oder dritten abdominalen Segment (E) wird gsb zwar weiterhin exprimiert, aber die Streifen wirken versetzt und
ungleichmäßig. Jedoch scheint sich gegen Ende der Keimstreifstreckung wieder ein regelmäßiges
Muster zu entwickeln (E, Pfeil).
122
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Diskussion
Diskussion
Die ektopische Expression von T.c. mlpt hat keine phänotypischen Auswirkungen
In einer früheren Arbeit (Savard et al., 2006) konnte gezeigt werden, dass mlpt eine Gapgenähnliche Funktion in Tribolium ausübt. Ein Knockdown von mlpt via parentaler RNAi resultiert in der Transformation abdominaler Segmente hin zu thorakalen Segmenten, in einer
Deletion abdominaler Segmente, sowie in Störungen beim Rückenschluss und einer nicht
näher beschriebenen morphologischen Verkürzung der Beine. Im Rahmen dieses Projekts
sollte herausgefunden werden, wie sich eine Überexpression von mlpt auf die Embryogenese in Tribolium auswirkt. Durch Keimbahntransformation wurde ein zusätzliches mlpt-Gen
ins Tribolium-Genom eingebracht, das von einem Hitzeschockpromotor reguliert wird (Tabelle 9). Dadurch ist es möglich, die Transkription dieses Gens durch Temperaturerhöhung
in spezifischen embryonalen Stadien zu aktivieren.
Von Überexpressionsexperimenten mit dem Gapgen hunchback ist bekannt, dass Hitzeschock-induzierte ektopische Expression einen Phänotyp auslöst, der dem Phänotyp von
Knockdown Experimenten genau entgegengesetzt ist: während beim hunchback-Knockdown
thorakale zu abdominalen Segmenten transformiert - und zusätzlich abdominale Segmente
deletiert werden (Marques-Souza et al., 2008; Cerny, 2007), erhalten nach einer hb-Überexpression abdominale Segmente thorakale Identität und es werden zusätzlich abdominale
Segmente gebildet (Distler und Klingler, in Vorbereitung).
Entsprechende Effekte waren auch für die Überexpression von mlpt in Tribolium erwartet
worden: da ein Verlust von mlpt-Aktivität die Transformation von abdominalen Segmenten
zu thorakaler Identität und auch den Verlust von abdominalen Segmenten bewirkt, hätte die
ektopische Expression von mlpt eine Transformation von thorakalen Segmenten zu abdominalem Schicksal bewirken sollen und zudem wäre vielleicht auch hier mit der Entstehung
zusätzlicher abdominaler Segmente zu rechnen gewesen. Auch eine Veränderung der Beinmorphologie hätte man erwarten können. Allerdings konnte in allen allen sieben hsp68-mlpt
Hitzeschocklinien kein mlpt-spezifischer Effekt auf die larvalen Kutikulastrukturen ausgemacht werden. Bis auf leichte Defekte, die vom Hitzeschock selbst resultierten (und auch
in den Kontrollen auftreten), hatten die Larven Wildtyp-Morphologie (Abb.: 34). Dabei erscheint unwahrscheinlich, dass nicht das richtige Zeitfenster erwischt worden ist, da meist
123
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Diskussion
0-16h Ablagen bzw. 0-24h Ablagen hitzebehandelt wurden (weil die Stämme noch nicht genügend expandiert waren, wären bei kürzeren Zeiträumen nicht genügend Eier vorhanden
gewesen).
Da in-situ-Hybridisierung nach dem Hitzeschock zeigte, dass in der Tat mlpt überexprimiert worden ist, ist klar, dass das Konstrukt im Prinzip funktioniert (Abb.: 33 A’-D’).
Trotzdem können technische Probleme an diesem Punkt natürlich nicht hundertprozentig
ausgeschlossen werden. Vielleicht war die Stärke der Expression doch zu gering, oder vielleicht konnten die Mlpt-Peptide aus irgendwelchen Gründen nicht effizient translatiert werden. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die mlpt-Überexpression in gar keinem Phänotyp
resultiert.
Im Laufe dieses Projekts konnte eine andere Arbeitsgruppe (Kondo et al., 2010) zeigen,
dass mlpt in Drosophila seine Funktion indirekt über den Transkriptionsfaktor shavenbaby
ausübt. Die Präsenz von Mlpt bewirkt, dass Shavenbaby von einem Transkriptionsinhibitor
in einen Transkriptionsaktivator umgewandelt wird und so seine Zielgene aktivieren kann.
Gesetzt den Fall, dass die Funktion von Mlpt ebenfalls an ein Effektorprotein gekoppelt ist,
wäre in der Tat zu erwarten, dass die alleinige Überexpression von Mlpt keine phänotypische
Veränderung bewirkt. Nur die gleichzeitige Überexpression von Effektor und Mlpt zusammen würde dann einen zum RNAi-Knockdown komplementären Phänotyp produzieren.
mlpt-Überexpression mildert nicht den RNAi-Phänotyp
Eine weitere Idee die Funktionalität des hsp86-mlpt-Konstrukts zu testen, bestand darin, parentale RNAi in einer mlpt- Hitzeschocklinie durchzuführen und die Eier einer Ablage (0-8h
oder 8-16h) einem Hitzeschock zu unterziehen. Anschließend wurde die Phänotypenstärke
nach der Beendigung der Embryonalentwicklung mit der nicht Hitze-behandelten Kontrolle
verglichen (Tabelle 11). Die Erwartung war, dass aufgrund eines höheren Levels an mlptTranskript nach dem Hitzeschock in diesen Larven, eine Abschwächung des Phänotyps im
Vergleich zu den Kontrollembryonen einher geht. Die Stärke des RNAi-Effekts ist nämlich
unter anderem davon abhängig, wie hoch die injizierten Konzentrationen an dsRNA sind
(Bucher und Klingler, 2004), d.h. der Knockdown ist normalerweise nicht vollständig. Es
stellte sich in diesen Experimenten allerdings heraus, dass nur marginale Unterschiede in der
Beinpaaranzahl oder in der Segmentanzahl zwischen den beiden Versuchsansätzen bestand,
die wohl nicht signifikant waren. Dieses negative Ergebnis muss allerdings aus verschiede124
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Diskussion
nen Gründen noch als vorläufig betrachtet werden: zum einen waren die Eiablagen relativ
lange Intervalle - falls die Phänotyp-Rettung nur in einem sehr engen Zeitfenster möglich
sein sollte, würde ein evtl. signifikanter Unterschied in der Phänotypstärke unter Umständen
in der Masse nicht optimal behandelter Embryonen untergehen.
Zweitens geht aus der in-situ-Hybridisierung von gehitzeschockten mlpt-Embryonen hervor, dass die endogene mlpt-Expression deutlich stärker ist, als die mlpt-Expression, die
von dem Hitzeschock herrührt (Abb.: 33 A’-D’). Daher ist gut möglich, dass das Level des
nach RNAi verbliebenen Transkripts in den endogenen mlpt Expressionsdomänen nach Hitzeschock nicht signifikant ansteigt, so dass auch keine deutliche Abschwächung des mlptRNAi-Phänotyps erzielt werden kann.
Ein weiterer Ansatz der diese technischen Probleme umgehen würde, könnte darin bestehen, dass RNAi gegen die Sequenzen des endogenen mlpt-Gens gerichtet würde, die im
hsp68-mlpt-Konstrukt nicht vorhanden sind. So könnte man endogene 5’-UTR oder 3’-UTR
Sequenzen von mlpt in einem hsp68-mlpt-Konstrukt mit anderen 5’-UTRs bzw. 3’-UTRs
ersetzen. RNAi gegen endogene UTR-Sequenzen würde dann das Transgen nicht beeinträchtigen, da es in Tribolium offenbar kein ”spreading” des RNAi-Effektes auf benachbarte
Transkriptbereiche gibt (Arakane et al., 2005). Da sich der RNAi-Effekt damit nur auf endogene mlpt-mRNA auswirken würde, sollte die mit Hilfe eines Hitzeschocks überexprimierte
mlpt-mRNA mit veränderter UTR den Phänotyp aufheben bzw. deutlich abmildern. Da hierfür aber weitere transgene Konstrukte notwendig gewesen wären, für die im Rahmen dieser
Arbeit keine Zeit verblieb, konnte dieser Ansatz noch nicht verfolgt werden. Der nächste
Abschnitt wird sich nun mit der Frage beschäftigen, ob Shavenbaby auch in Tribolium der
Effektor der mlpt-Funktion ist.
Die Expressionsmuster von T.c. mlpt und T.c. svb unterscheiden sich
In Drosophila spielt die posttranslationale Modifikation von Shavenbaby sowohl für die Bildung der ventralen Dentikel (Kondo et al., 2010), als auch für die Ausbildung der tarsalen
Gelenke eine zentrale Rolle (Pueyo und Couso, 2011). Diese proteolytische Verkürzung des
N-Terminus, die durch Pri/Tal-Peptide vermittelt wird, schaltet die Funktion von Svb von
Transkriptionsinhibior zu Transkriptionsaktivator.
Allerdings scheint es auch noch andere Interaktionspartner von Pri/Tal Peptiden zugeben,
die bisher noch nicht bekannt sind. Beispielsweise sind Pri/Tal-Peptide in Drosophila für die
125
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Diskussion
Entstehung des Tracheennetzwerks erforderlich, obwohl Shavenbaby hier nicht exprimiert
ist (Kondo et al., 2010).
Dennoch war shavenbaby ein interessanter Kandidat für ein Zielgen der Mlpt-Peptide und
wurde deshalb kloniert. svb wird in Tribolium bereits ab dem differenzierten Blastoderm in
einer posterioren Domäne exprimiert (Abb. 35: A, A’). Eine Doppelfärbung mit dem Segmentpolaritätsgen gooseberry zeigte, dass die Expressionsdomäne zunächst mit dem jeweils
jüngsten segmentalen Streifen überlappt und sich von dort bis zur posterioren Spitze der
Wachstumszone erstreckt (Abb. 36). Ab der Entstehung des zweiten abdominalen Segments
ist die Expressionsdomäne dann ausschließlich auf die Wachstumszone beschränkt (Abb. 35:
B-E). Im gestreckten Keimstreif kommt es zu einer schmalen Expressionsdomäne unmittelbar vor der Wachstumszone (Abb. 35: F). Aufgrund dieses dynamischen Expressionsmusters
kann man bereits vermuten, dass auch svb in der Embryogenese von Tribolium eine wichtige
Rolle spielt.
Aber ist die Funktion von Shavenbaby tatsächlich an Mlpt gekoppelt? Eine Voraussetzung dafür wäre, dass Svb und Mlpt koexprimiert sind, oder zumindest in unmittelbarer
Nachbarschaft (falls die Mlpt-Peptide eine gewisse Distanz diffundieren können). Der Vergleich der Expressionsmuster der beiden Gene zeigt, dass sie in der Tat weitgehend überlappen, was eine Interaktion wie in Drosophila beschrieben, nahe legt (Abb. 37). Das gilt für
die posterioren, blastodermalen Domänen (Abb. 37: A, A’) und auch die Domänen in der
Wachstumszone überschneiden sich (Abb. 37: B-D’). Allerdings haben weder die anteriore, blastodermale noch die breite zentrale mlpt-Domäne im Keimstreif, eine Entsprechung
in der svb-Expression (Abb. 37: B, C, D). Zwar ist von klonalen Analysen aus Drosophila bekannt, dass Mlpt nicht-zellautonom agieren kann, d.h. die Mlpt-Peptide können über
mehrere Zellen hinweg diffundieren (Kondo et al., 2007), allerdings ist der Abstand der anterioren mlpt-Expressionsdomäne hin zur posterioren svb-Expression vermutlich zu groß, als
dass hier von einer Interaktion zwischen diesen beiden Domänen ausgegangen werden kann.
Allerdings hat die anteriore mlpt-Domäne laut Savard et al., 2006 auch gar keine Funktion,
da mlpt-RNAi Larven anterior normal differenzieren. Eine interessante Frage ist allerdings,
inwieweit die zentrale Domäne in sich streckenden Keimstreifen funktionell relevant ist.
Hier muss man aber berücksichtigen, dass in dieser Abbildung mRNAs verglichen werden
- es könnte durchaus sein, dass in den Zellen, die hier noch mlpt aber nicht mehr svb exprimieren, durchaus noch Svb-Protein vorhanden ist. Alternativ wäre auch denkbar, dass diese
126
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Diskussion
späte mlpt-Expression gar keine Funktion innehat. Anhand dieser Expressionsdaten kann
man also schließen, dass svb durchaus ein Interaktionspartner von Mlpt-Peptiden sein könnte, während Hinweise auf zusätzliche Interaktionspartner wie für Drosophila vermutet nicht
erkennbar sind.
svb-RNAi resultiert in einem ähnlichen Gapgen-Phänotyp wie mlpt-RNAi
Injektion von svb-dsRNA in Tribolium-Puppen führt zu einer sehr hohen Letalität, sodass für
die Ermittlung der svb-Funktion adulte RNAi verwendet wurde. Eine ähnlich hohe Letalität
injizierter Puppen konnte bei mlpt beobachtet werden. Dagegen war die Überlebensrate von
injizierten adulten Käfern bei beiden Genen nahezu 100%.
Der RNAi-Effekt von svb in Tribolium resultiert in der Transformation abdominaler Segmente hin zu Segmenten mit thorakaler Identität, sowie in einer starken Verkürzung der
Larven aufgrund der Deletion von abdominalen Segmenten (Abb. 38: B, C). Weitere phänotypische Veränderungen konnten in der Beinstruktur beobachtet werden. Zwar sind alle
Beinsegmente vorhanden, allerdings ist die Form der Klauen verändert, da sie im Vergleich
zum Wildtyp verkürzt sind (Abb. 38: E, F). Die übrigen, mehr proximal gelegenen Beinsegmente wirken gestaucht und die Kutikula erscheint zerknittert. Schließlich ist noch auf den
fehlerhaften Rückenschluss hinzuweisen, der in allen svb-RNAi-Larven zu finden ist.
Diese Defekte nach T.c. svb-RNAi ähneln damit weitgehend den von Savard et al., 2006
beobachten Phänotypen nach mlpt-RNAi. Allerdings gibt es deutlich quantitative Unterschiede zwischen svb-RNAi und mlpt-RNAi Phänotypen, da die Anzahl der transformierten
Segmente in mlpt-RNAi-Embryonen deutlich höher lag als in den svb-RNAi Tieren. Diese zeigten maximal die Transformation der ersten beiden abdominalen Segmenten hin zu
thorakaler Identität, während bei mlpt-RNAi Larven nahezu alle abdominalen Segmente zu
thorakaler Morphologie umgewandelt werden können. Als stärkster Phänotyp wurden mlptLarven beschrieben, die zehn Beinpaare ausbildeten (Savard et al., 2006). Dies impliziert,
dass diese Larven mindestens sieben der normalerweise zehn abdominalen Segmenten ausbilden; in svb-RNAi-Larven konnten maximal noch vier abdominale Segmente ausgemacht
werden.
Eine mögliche Interpretation dieser phänotypischen Unterschiede ist, dass der svb-RNAiEffekt quantitativ stärker ist, und dass daher aufgrund der drastisch verkürzten Larven weniger transformierbare abdominale Segmente verbleiben als dies in mlpt-Larven der Fall ist
127
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Diskussion
- auch wenn der Transformationsphänotyp in mlpt-RNAi Larven auf den ersten Blick spektakulärer wirkt als der bloße Verlust von Segmenten. Die These, dass der svb-RNAi Effekt
einfach quantitativ stärker ausfällt als der mlpt-RNAi Effekt wird noch untermauert durch die
Beobachtung, dass alle svb-RNAi Larven keinen Rückenschluss machen, während dies bei
mlpt-RNAi Larven zwar erwähnt wurde (Savard et al., 2006), in meinen eigenen Kontrollversuchen aber nur hin und wieder beobachtet werden konnte. Auch die Beinmorphologie
scheint in svb-RNAi-Larven stärker betroffen zu sein als in mlpt-RNAi Larven, bzw. eine
veränderte Beinstruktur nicht bei allen mlpt-RNAi-Larven beobachtet werden konnte.
Falls diese Interpretation stimmt, könnte der stärkste Phänotyp bei svb ein RNAi-Phänomen sein, d.h.vielleicht ist der Knockdown von svb mittels RNAi einfach effizienter. Alternativ ist aber auch denkbar, dass der Knockdown des Effektors Svb aus biochemischen
Gründen einen drastischeren Effekt hat, als ein Knockdown seines Aktivators Mlpt. So wäre
etwa denkbar, dass Mlpt-Peptide eine Protease aktivieren, die dann wiederum Svb aktiviert.
Wenn nun diese Protease eine gewisse Basis-Aktivität hätte, könnte dies erklären, weshalb
selbst eine vollständige mlpt-Inaktivierung nicht zu einer kompletten Svb-Inaktivierung führen würde, der mlpt-Phänotyp also zwangsläufig schwächer wäre.
Eine andere Möglichkeit wäre auch, dass die Phänotypen von mlpt und svb sich nicht nur
quantitativ sondern auch qualitativ unterscheiden; dies wäre etwa zu erwarten, falls mlpt noch
andere Zielpeptide außer Svb regulieren würde. In diesem Fall würde man allerdings eher
erwarten, dass der svb-RNAi-Phänotyp schwächer wäre, was unwahrscheinlich erscheint.
Eine weitere Möglichkeit ist ernster zu nehmen: es könnte sein, dass Svb nicht nur aktivierende Funktionen bei der Segmentierung ausübt (Funktion des aktivierten Peptids), sondern
zusätzlich auch als Inhibitor fungieren kann. Diese Funktion wäre dann mlpt-unabhängig,
was den stärkeren Phänotyp von svb-RNAi-Larven gut erklären könnte. Diese Option muss
daher bei der zukünftigen Analyse dieser beiden Gene im Auge behalten werden.
Der Einfluss von Svb auf die Regulation anderer Segmentierungsgene
Falls Svb tatsächlich ein Zielprotein der Mlpt-Aktivität ist, müssten die von Savard beobachteten Effekte auf die Gapgene Krüppel, hunchback und giant nach mlpt-RNAi (Savard
et al., 2006) in ähnlicher Form auch in svb-RNAi-Embryonen gefunden werden. Um einen
direkten Vergleich zu haben, wurden mlpt-RNAi- und svb-RNAi-Embryonen parallel gefärbt und untersucht. Frühe Effekte auf die Gapgenexpression im Blastoderm wurden für
128
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Diskussion
mlpt-RNAi-Embryonen nicht beschrieben und auch in svb-RNAi-Embryonen erschienen die
blastodermalen Gapgen-Expressionsmuster wie im Wildtyp. Diese Befunde sind deckungsgleich mit den Kutikula-Phänotypen, welche zeigen, dass Kopf- und thorakalen Strukturen
keinen RNAi-Effekt zeigen. Die blastodermale Gapgenexpression wird deswegen im Folgenden nicht weiter diskutiert, vielmehr liegt das Augenmerk auf der Expression der Gapgene
im Zuge der Keimstreifstreckung.
Krüppel wird im Wildtyp-Keimstreif in einer zentralen Domäne exprimiert, die sich vom
labialen Segment bis hin zum dritten thorakalen Segment erstreckt (Cerny et al., 2005). Diese breite Domäne expandiert in mlpt-RNAi-Embryonen nach posterior bis in die Wachstumszone hinein (Savard et al., 2006). Eine entsprechende Expansion von Krüppel in svbRNAi-Embryonen habe ich jedoch nicht beobachtet. Shavenbaby hat also offenbar keinen
regulatorischen Einfluss Krüppel.
Im Fall von hunchback erstreckt sich im Wildtyp-Keimrudiment eine Expressionsdomäne
von den Kopflappen bis hin zum dritten thorakalen Segment. Während der Keimstreifstreckung entsteht eine kräftige Expressionsdomäne in der posterioren Wachstumszone (Wolff
et al., 1995). Für mlpt-RNAi Embryonen wurde beschrieben, dass die Expressionsdomäne in
der posterioren Wachstumszone zwar vorhanden ist, aber zeitlich verzögert exprimiert wird
(Savard et al., 2006). Ein ähnlicher Effekt konnte in svb-RNAi-Embryonen von mir nicht
beobachtet werden. Die hunchback-Expression in der posterioren Wachstumszone scheint
zeitlich richtig exprimiert zu sein.
T.c. giant wird in Wildtyp-Keimstreifembryonen sowohl in einer anterioren, als auch in
zwei posterioren Domänen exprimiert. Die anteriore Domäne erstreckt sich von den Kopflappen bis zum maxillären Segment; der erste Streifen der posterioren Domäne umfasst das
dritte thorakale Segment und der zweite, das zweiten abdominalen Segment (Bucher und
Klingler, 2004). Für mlpt-RNAi Embryonen war bekannt, dass sich die anteriore Kopfdomäne normal ausbildet, die posterioren Domänen hingegen fehlten. Dasselbe konnte ich für svbRNAi-Embryonen beobachten (Abb.: 39). Die anteriore Domäne in den Kopflappen wurde
korrekt exprimiert, während die posterioren Streifen entweder nur rudimentär angelegt waren oder vollständig fehlten (Abb. 39: D, G). Bei der Weiterführung dieses Projekts sollten
die soeben diskutierten Versuche wiederholt werden, damit ausgeschlossen werden kann,
dass evtl. die für die in-situ-Färbungen verwendeten svb-RNAi-Phänotypen schwächer waren, als die auf Kutikula-Ebene untersuchten. Zusammenfassend sind die Ergebnisse bisher,
129
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Diskussion
dass Svb auf die Regulation von hunchback und Krüppel keinen Einfluss zu nehmen scheint,
hingegen für die posteriore Aktivierung der giant-Domäne benötigt wird.
Der Einfluss von Svb auf das Segmentpolaritätsgen gooseberry
Die Segmentierungsdefekte in der Kutikula von svb-RNAi-Larven werden schon in Keimstreif-Embryonen im Expressionsmuster von gooseberry abgebildet. Ab dem zweiten abdominalen Segment bilden die entstehenden Streifen ein ungeordnetes Muster (Abb. 40: D,
E). Das Fehlen der posterioren giant-Domäne könnte diese Muster-Störungen evtl. erklären.
Dies könnte ein weiterer Hinweis darauf sein, dass Gapgene in Tribolium eher eine permissive Funktion in der Wachstumszone ausüben, als eine instruktive (Marquez-Souza et al.,
2008; Choe et al., 2005). Ein ähnliches Resultat wurde auch nach giant-RNAi in Tribolium beschrieben (Bucher und Klingler, 2004). Als segmentaler Marker diente hier engrailed
(Brown et al. 1994) und Segmentierungsstörungen wurden vom ersten thorakalen bis zum
letzten abdominalen Segment beobachtet - wobei allerdings die thorakalen Entwicklungsstörungen im Zuge der Keimstreifstreckung kompensiert zu werden scheinen, so dass ältere
Embryonen nur noch im posterioren Bereich ein unregelmäßiges engrailed-Muster ausbilden (Bucher und Klingler, 2004) - ähnlich wie das von mir auch für gooseberry in svb-RNAi
Embryonen gefunden wurde.
Shavenbaby - ein neues Gapgen in Tribolium?
Die Analyse der Gapgene nach svb-RNAi ergab, dass svb zumindest einen Einfluss auf ein
Gapgen hat, giant. Gemäß der Definition für Gapgene in Tribolium, kann Shavenbaby damit
als neues Gapgen bezeichnet werden: der RNAi-Effekt beinhaltet anteriore Transformationen und posteriore Deletionen und zudem ist eine Interaktion mit einem anderen Gapgen
gezeigt worden. Nimmt man als Kritierium für Gapgene noch die molekulare Funktion als
Transkriptionsfaktor dazu, läuft Shavenbaby Mlpt gewissermaßen den Rang ab, so dass vielleicht eher svb das eigentliche neue Gapgen ist und nicht mlpt wie von Savard et al., postuliert. Deswegen kann das in der Einleitung bereits vorgestellte Gapgenmodell in Tribolium
weiter modifiziert werden, indem svb hinzugefügt wird (Abb. 41).
Allerdings konnte im Rahmen dieser Dissertation noch nicht geklärt werden, ob Svb auch
Paarregelgene reguliert (das ist allerdings sehr wahrscheinlich). Vor allem aber bleibt die Fra-
130
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Diskussion
ge noch unbeantwortet, ob die Aktivierung des Transkriptionsfaktors Svb durch kleine und
vermutlich durch den Zellverband diffundierende Peptide ein für Kurzkeim-Embryonen essentieller molekularer Mechanismus ist, oder eher eine Tribolium-spezifische Besonderheit.
Um diese Fragen zu klären, müssen nicht nur einige der hier begonnenen Experimente wiederholt und verfeinert werden, es werden wahrscheinlich auch neue methodische Ansätze,
etwa räumlich regulierte Missexpression, zur Anwendung gebracht werden müssen. Damit
könnte z.B. die Diffusionsreichweite der Mlpt-Peptide im Embryo gemessen werden, und es
könnte die Wirkung von Svb bzw. Mlpt auf jeden einzelnen abdominalen Paarregelstreifen
untersucht werden, ohne die Entwicklung insgesamt, v.a. die Keimstreifstreckung selbst, zu
beeinträchtigen.
Abb. 41: Gapgenexpression in Tribolium
Gezeigt ist der Segmentanlagenplan in Tribolium nach der Gastrulation. Für die Funktion von
mlpt ist svb nötig. Die eingezeichneten Expressionsdomänen spiegeln nur die örtliche Expression,
nicht aber die volle zeitliche Dynamik wider. So treten die posterioren Expressionsdomänen von
svb in Wirklichkeit erst auf, wenn die anteriore Domäne bereits wieder verschwunden ist (nach
Cerny et al., 2008; Savard et al., 2006).
131
III. Kapitel: mlpt und svb in Tribolium - Diskussion
Ausblick: Die Funktion von mlpt in Bruchidius obtectus
Für Drosophila konnte gezeigt werden, dass in Nullmutanten von tarsal-less ein Transgen,
das Bombyx mori tarsal-less exprimiert, die Mutation kompensieren kann, sodass die mutanten Drosophila-Larven wie Wildtyp aussehen (Galindo et al., 2007). Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Kernmotiv der mlpt ORFs in allen untersuchten Arten sehr gut konserviert ist. Interessant wäre es nun zu wissen, welche Funktion mlpt in Bruchidius hat. Es
wird angenommen, dass die Funktion von mlpt in der Aktivierung von Shavenbaby bei Bildung der Trichome in Drosophila eine Dipteren-spezifische Rekrutierung darstellt, und dass
die ursprüngliche Funktion von mlpt in der Steuerung der Beinentwicklung lag (Pueyo und
Couso, 2011). Bruchidius obtectus (Coleoptera) wäre ein geeignetes Modell, denn diese Larven haben im Gegensatz zu Tribolium ventrale Dentikel, welche möglicherweise ebenfalls
durch svb/mlpt-System gebildet werden könnten. Vor allem aber wäre es interessant zu sehen
ob dieses System wie in Tribolium auch in die Segmentierung von Bruchidius involviert ist,
also eine Konservierung zwischen den beiden Käferarten Bruchidius und Tribolium darstellt
oder ob es womöglich doch eine spezielle Adaption in der Wachstumszone des Kurzkeimkäfers Tribolium ist. In einem Quick- and Dirty Versuch wurde Tribolium mlpt-dsRNA in
Bruchidius injiziert und geschaut, ob ein Effekt auftritt. Es konnte beobachtet werden, dass
tatsächlich ein sehr milder Effekt auftritt: Die Dentikel sind weiterhin vorhanden, allerdings
konnte eine Fusion der Dentikelfelder auf der abdominalen, ventralen Seite beobachtet werden. Es scheint also, dass mlpt auch in die Segmentierung des Langkeimkäfers Bruchidius
involviert ist. Inwieweit dabei das svb/mlpt-System konserviert ist und ob es ebenfalls einen
Einfluss auf die Gapgene von Bruchidius hat, wäre ein weiterer Forschungsaspekt für die
Zukunft.
132
Anhang
Anhang A: Puffer und Lösungen
Alle Chemikalien stammen sofern nicht anders gekennzeichnet von der Firma Carl Roth
GmbH aus Karlsruhe.
B.o. Detergenzlösung
für 20 ml: 1% SDS, 0.5% Tween, 50mM
Tris-HCl (pH=7.5), 1mM EDTA (pH=8),
150mM NaCl, mit H2 O auf Endvolumen
auffüllen.
Färbepuffer 1 (ISH mit NBT/BCIP)
für 1 ml: 500 µl TrisHCl (1M, pH= 9.5),
250 µl MgCl2 (1M), 20 µl NaCl (5M), 5 µl
Tween (20%), mit H2 O auf Endvolumen
auffüllen.
Färbepuffer 2 (ISH mit INT/BCIP)
für 1 ml: 100 µl TrisHCL (1M, pH=9.5),
50 µl MgCl2 (1M), 20 µl NaCl, 5 µl
Tween (20%), mit H2 O auf Endvolumen
auffüllen.
Hyb-A (Bruchidius)
für 20 ml: 10 ml Formamid, 5 ml
20xSSC (pH=5.5 mit HCl), 400 µl Lachshoden DNA (10 mg/ml), 100 µl tRNA
(20mg/ml), 20 µl Heparin (50 mg/ml), mit
H2 O auf Endvolumen auffüllen.
Hyb-B (Bruchidius)
für 20 ml: 10 ml Formamid (Calbiochem), 5 ml 20xSSC (pH=5.5), mit H2 O
auf Endvolumen auffüllen.
B.o. Hyb-Ovar
für 50 ml: 25 ml Formamid, 12.5 ml SSC
(20x), 1 g SDS, 1 g BBR, 100 µl tRNA
(20 mg/ml), 20 µl Heparin (50 mg/ml),
250 mg Chaps, 500 µl Tween (20%), 500
µl EDTA (0.5 M, pH=7.5), mit H2 O auf
Endvolumen auffüllen.
133
Anhang
Ovar-Hyb(Wash)
50% Formamid, 2 x SSC, 1% SDS
5x MABT
für 1l: 58 g Maleinsäure, 32 g NaOH Pellets, 43.8 g NaCl pH= 7.5, auf 1l mit H2 O
auffüllen.
PBS (10x)
für 1l: 80 g NaCl, 2g KCl, 2 g KH2 PO4 ,
11.5 g Na2 HPO4 , mit H2 O auf 1 l auffüllen.
PEMS
0.1 M Pipes, 1 mM MgSO4 , 1 mM EDTA,
pH=6.9.
Anhang B: Sequenzen
B.o. paired
Proteinsequenz:
1 QYKRENPSIF SWEIRDRLVM EGICDRSTAP SVSAISRLLR GKGGDCDGDD
51 KSSENEGGSD CESEPGIPLK RKQRRSRTTF TAHQLDELEK AFERTQYPDI
101 YTR
DNA-Sequenz:
1 CAGTATAAGA GGGAGAACCC GTCAATTTTC AGTTGGGAGA TTAGGGACCG
51 ATTGGTGATG GAAGGCATCT GTGACAGGAG TACAGCCCCT AGCGTATCCG
101 CTATCTCTAG GTTGCTTAGA GGCAAAGGTG GCGACTGCGA CGGAGACGAT
151 AAATCCAGTG AAAACGAAGG AGGGTCTGAC TGCGAAAGTG AGCCGGGTAT
201 CCCGTTGAAG AGAAAGCAAC GACGATCCCG AACTACCTTC ACCGCTCACC
251 AGTTAGACGA GCTTGAAAAA GCATTCGAAC GTACTCAGTA TCCTGACATA
301 TACACCCGCG A
134
Anhang
B.o. hunchback
Proteinsequenz:
1 KHHLEYHLRN HTGSKPFSCT QCSYSCVNKS MLNSHLKSHS NIYQYRCSDC
51 SYATKYCHSL KLHLRKYGHK PAMVLNPDGT PNPLPIIDVY GTRRGPKLKS
101 QEQRPVEEQR SPQPEQVIPF PLNQFMLNAQ SQLPFAAFPF FAGFPGPLAN
151 TLLMQNLEKI ARERQSSVLN REEPQPVEKQ PQDEVLDLSK PEEPSQNRRV
201 PQQDDSSGDE EEDDTHTTMF SNVEMVENKE AKAKEEEMTN NNKEDFNCQF
251 CKISFGDLVL YTMHMGYHGY KDPFTCNMC
DNA-Sequenz:
1 CCGCACATGT TGCAAGTGAA TGGATCTTTG TAGCCGTGGT ACCCCATGTG
51 CATGGTGTAC AGCACGAGAT CACCAAAGCT AATTTTGCAG AACTGACAGT
101 TGAAATCTTC TTTATTGTTA TTCGTCATCT CCTCTTCTTT GGCTTTGGCT
151 TCTTTGTTTT CAACCATTTC CACATTGCTG AACATGGTTG TATGGGTATC
201 ATCTTCTTCT TCATCTCCTG AAGAGTCATC TTGTTGGGGC ACCCTTCTGT
251 TCTGGGACGG CTCTTCAGGT TTGCTGAGGT CTAGTACCTC GTCTTGGGGT
301 TGTTTCTCGA CTGGCTGTGG TTCTTCTCTA TTTAAAACTG AACTCTGCCT
351 TTCCCTTGCA ATTTTCTCCA GATTTTGCAT GAGCAAAGTG TTTGCTAGTG
401 GGCCAGGGAA TCCAGCAAAG AAGGGGAACG CGGCGAATGG TAGCTGGGAT
451 TGAGCATTCA ACATAAACTG ATTCAATGGG AACGGTATTA CTTGCTCGGG
501 TTGCGGACTT CTTTGCTCCT CTACTGGCCT TTGCTCTTGG CTCTTCAGTT
551 TTGGACCTCG CCTGGTACCA TAGACGTCTA TTATAGGTAA CGGATTTGGT
601 GTACCGTCTG GATTGAGCAC CATCGCTGGC TTGTGGCCGT ACTTGCGCAG
651 ATGAAGCTTC AACGAATGGC AGTACTTAGT GGCGTAACTA CAATCTGAGC
701 ATCTGTATTG GTATATGTTG GAGTGCGATT TCAGGTGGGA GTTCAACATA
751 GATTTGTTCA CACAAGAGTA ACTGCATTGG GTGCAACTGA ACGGTTTCGA
801 ACCGGTGTGG TTCCTCAGGT GATACTCCAG GTGATGCTT
135
Anhang
B.o. zen
Proteinsequenz:
1 EKEFHTNKYL CRPRRIQMAQ DLNLTERQIK IWFQNRRK
DNA-Sequenz:
1 CGAGAAGGAG TTCCACACTA ACAAGTACCT GTGCCGACCA AGACGTATCC
51 AAATGGCTCA AGACTTGAAT CTGACGGAAC GTCAGATCAA AATCTGGTTC
101 CAAAACCGTC GCAAG
B.o. caudal
Proteinsequenz:
1 QRQPNPGKTR TKDKYRVVYT DHQRIELEKE FTFNNKYITI RRKSELATNL
51 GLSERQIKIW FQNSRK
DNA-Sequenz:
1 CAAAGGCAGC CGAACCCTGG CAAGACCCGC ACCAAAGACA AGTACCGCGT
51 GGTATACACT GATCACCAAC GCATCGAACT GGAGAAAGAG TTCACCTTTA
101 ACAACAAATA CATCACGATT CGTCGCAAGT CGGAGCTGGC GACTAACCTA
151 GGACTCTCCG AACGCCAAAT CAAAATTTGG TTCCAGAACA GCCGCAAG
B.o. mex-3
Proteinsequenz:
1 QNMTECVPVP SSEHVAEIVG RQGCKIKALR AKTNTYIKTP VRGEEPVFVV
51 TGRKEDVAKA KREILSAAEH FSQIRASRKN NLAGLGSGAS TPPGPPANIP
101 GHVTIQVRVP YRVVGLVVGP KGATIKRIQH QTHTYIVTPS RDKEPVFEVT
151 GLPESVEAAR REIEAHIAMR TGNAAGGLNG LPPLDETDLI ASLYKSGFSS
201 ILNYMEPTGG QASVDTFPAM TSSTGSSGAF SSSGSCSSSS SSNGRDLGAI
251 WSGSDRDEGL GDSPTLFDTS AALSSIWTYP ASAGGANPAN AASVSAPTRP
301 SPSSSTSPAD SLLSSATKCL VCSDAKVTHA LVPCGHNFFC MECAN
136
Anhang
DNA-Sequenz:
1 CAGAACATGA CTGAGTGTGT GCCAGTGCCC AGTTCCGAGC ATGTGGCCGA
51 AATCGTCGGC AGACAAGGTT GCAAAATCAA GGCCCTGCGA GCGAAGACAA
101 ACACCTACAT CAAAACGCCA GTACGTGGAG AAGAACCAGT GTTCGTAGTG
151 ACAGGCCGCA AAGAGGATGT AGCCAAAGCG AAGAGGGAAA TCCTTTCCGC
201 GGCAGAACAC TTCTCACAGA TCAGAGCATC GCGCAAAAAT AATCTCGCAG
251 GTCTCGGTTC AGGCGCCAGC ACACCTCCAG GACCGCCCGC AAACATCCCC
301 GGTCACGTAA CCATTCAGGT TCGAGTCCCG TATCGCGTAG TAGGCCTGGT
351 AGTGGGACCC AAGGGTGCCA CGATCAAGAG GATCCAGCAC CAGACGCACA
401 CGTACATCGT CACACCTAGC AGGGACAAGG AACCAGTTTT CGAGGTGACC
451 GGACTCCCGG AGAGCGTTGA AGCAGCTCGC AGAGAGATCG AAGCCCACAT
501 CGCGATGCGT ACCGGCAACG CTGCCGGAGG ACTGAACGGC CTGCCCCCTT
551 TGGACGAAAC CGACTTGATC GCTTCTCTGT ACAAGTCGGG TTTTAGCTCA
601 ATCCTGAACT ACATGGAGCC GACGGGCGGT CAGGCCTCAG TGGACACCTT
651 TCCCGCCATG ACCTCGTCGA CGGGAAGCAG CGGCGCTTTT TCTAGCTCAG
701 GATCGTGCTC CAGCAGCTCC AGCAGTAACG GAAGAGATCT GGGCGCCATC
751 TGGAGCGGAA GCGACAGGGA TGAGGGACTT GGAGACTCGC CAACGCTATT
801 CGACACATCT GCCGCTTTGA GCAGCATCTG GACGTACCCC GCGTCCGCGG
851 GCGGTGCCAA CCCTGCCAAC GCGGCCTCAG TCTCCGCCCC AACGCGCCCC
901 TCCCCTTCCA GCAGCACCTC CCCTGCTGAT TCGTTGCTCA GCTCGGCCAC
951 CAAATGTCTG GTGTGCTCCG ATGCCAAGGT CACCCACGCA CTGGTGCCCT
1001 GCGGCCATAA CTTTTTTTGC ATGGAATGCG CCAACAG
137
Anhang
O.f. mex-3
Proteinsequenz:
1 EHVAEIVGRQ GCKIKSLRAK TNTYIKTPVR GEEPVFVVTG RKEDVAKAKK
51 EILSAADHFS QIRASRKNNL GGCGGLSPPG PPTNVPGNVT IQVRVPYRVV
101 GLVVGPKGAT IKRIQHQTHT YIVTPSRDKE PVFDVTGLPE HVEAARRDIE
151 AHIALRTGAG ALPGLIGSSG TTGIMDESHE IIASLCKSGL GSLFSSNSWL
201 DSLPSQTDTN MGFSSAFSAG SSGCSSASSS SSNSGRTGLG DLGSIWSMSL
251 DRDEGLGDSP SFETANASSS IWSFPTVTRP SPSSSASPTE SLSGAKRECV
301 VCCEREVTAA
DNA-Sequenz:
1 GAGCACGTTG CTGAGATCGT TGGACGCCAG GGATGCAAGA TTAAATCTCT
51 GAGAGCAAAA ACCAACACCT ACATCAAGAC ACCAGTCAGA GGAGAAGAGC
101 CTGTATTTGT GGTCACTGGC AGAAAGGAGG ATGTGGCCAA GGCCAAGAAA
151 GAGATTTTGT CAGCTGCTGA TCATTTTTCT CAGATTAGAG CTTCAAGGAA
201 AAATAATCTT GGCGGATGCG GTGGATTGTC ACCACCTGGG CCTCCCACAA
251 ATGTCCCAGG CAATGTCACT ATTCAAGTCC GAGTACCTTA TCGTGTGGTT
301 GGCCTTGTTG TTGGACCTAA AGGTGCTACT ATCAAAAGAA TTCAACACCA
351 GACTCATACA TACATTGTCA CACCCTCAAG AGATAAGGAA CCTGTGTTTG
401 ATGTTACCGG TCTTCCGGAA CATGTTGAAG CTGCTCGTCG TGATATTGAG
451 GCTCATATCG CATTAAGAAC AGGTGCTGGT GCTCTTCCAG GACTTATTGG
501 TTCAAGTGGT ACAACTGGCA TCATGGATGA AAGTCATGAG ATAATTGCTT
551 CACTCTGCAA GAGTGGACTT GGAAGTCTTT TTTCTTCTAA CTCTTGGCTG
601 GATTCTCTTC CATCGCAGAC TGACACTAAT ATGGGATTCT CTTCTGCATT
651 TAGTGCTGGG AGTTCCGGTT GCAGCTCAGC ATCATCGAGC TCCTCCAATT
701 CAGGCCGAAC CGGGCTTGGA GACTTGGGAT CCATCTGGAG TATGTCTTTG
751 GACAGAGATG AAGGCCTAGG TGACTCTCCT TCTTTCGAAA CAGCTAACGC
801 CTCTTCAAGC ATCTGGTCAT TTCCTACTGT GACCAGGCCA TCTCCATCCA
851 GTTCTGCTTC TCCTACAGAA TCCCTTAGTG GTGCCAAGAG AGAATGCGTT
901 GTTTGCTGTG AAAGAGAAGT CACGGCTGCT C
138
Anhang
O.f. caudal
Proteinsequenz:
1 HLEQPVHRVP QSRSPYEWMK KPSYQSHPTP GKTRTKDKYR VVYTDHQRLE
51 LEKEFHYSKY ITIRRKSELA
DNA-Sequenz:
1 ACCATCTGGA ACAGCCCGTG CATAGAGTGC CGCAGAGTAG GAGTCCTTAC
51 GAGTGGATGA AGAAACCCAG TTACCAGTCA CACCCGACTC CAGGAAAAAC
101 TAGAACTAAA GACAAATATC GTGTTGTGTA TACAGATCAT CAGAGACTGG
151 AGTTAGAGAA AGAGTTCCAC TACAGTAAAT ACATAACAAT AAGGCGAAAA
201 TCGGAGCTCG CCTC
T.c. shavenbaby
Proteinsequenz:
1 YAPIVPPDKV TLPVSKKPEN TPKPQNLAPV RQFSVIQRTP KTTKRDEDKD
51 ARLPTAPLVI QEPEQEQPID YHIPKRRGET EDENEEKRIR EQRRSHCSKV
101 SKPLISVRAI VGKLPVTMSA AAGHGRGSST GQNSGSQSTN SQSG
DNA-Sequenz:
1 AATACGCCCC TATCGTACCC CCGGACAAAG TCACTCTTCC TGTGTCAAAG
51 AAACCGGAAA ATACCCCCAA ACCACAAAAC CTAGCCCCCG TACGACAATT
101 CTCCGTTATT CAACGAACCC CAAAAACGAC AAAACGCGAC GAAGACAAAG
151 ATGCGCGGCT TCCGACAGCC CCTTTGGTCA TACAAGAGCC GGAACAGGAA
201 CAGCCGATAG ATTATCACAT TCCGAAACGG CGGGGAGAGA CGGAAGATGA
251 AAATGAAGAG AAGAGGATTC GGGAGCAGAG ACGGAGTCAC TGTTCCAAAG
301 TGAGCAAACC GTTAATTTCA GTCCGGGCGA TTGTTGGGAA GCTTCCGGTG
351 ACTATGTCGG CGGCGGCGGG GCACGGGAGG GGCTCCTCCA CGGGGCAAAA
401 CTCCGGGAGC CAGTCGACAA ATTCTCAATC GGGT
139
Anhang
Anhang C: Vektorkarten
Abb. 42: pSLfa[Tc’hsp5’3’UTR]fa u. pBac[3xP3-DsRedaf]
A) Der Vektor pSLfa [Tc’hsp5’3’UTR]fa trägt die 5’ und 3’ Hitzeschockpromotoren (grün
markiert) sowie die Restriktionsschnittstellen XbaI und XhoI. B) Der Transformationsvektor
pBac[3xP3-DsRedaf] mit dem Transformationsmarker dsRed sowie dazugehörigem, augenspezifischen 3xP3-Promotor und den Erkennungssequenzen für die Transposase: pBacL und pBacR.
140
Anhang
Abb. 43: pBac[3xP3-DsRedTc’hsp5’-mlpt-hsp3’]
Vektorkarte des mlpt-Überexpressionsvektors. Die schwarzen Boxen markieren die für das Transformationsereignis relevanten piggyBac L(eft) bzw. piggyBac R(right)-Bereiche. Die Lage des
fluoreszierenden Transformationsmarkers dsRed wird durch die rote Box symbolisiert, der dazu
gehörige 3xP3-Promotor durch das hellrote Dreieck. Neben dem SV-40 Promotor beinhaltet der
Vektor noch die Hitzeschockpromotoren hsp5’ und hsp3’ welche durch die gelben Boxen dargestellt werden, dazwischen findet sich schließlich das T.c. mlpt-Gen, das überexprimiert werden
soll.
141
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Erklärung
Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Dissertation ”Evolution früher
Faktoren der Segmentierungskaskade: Funktionelle Untersuchungen in Bruchidius, Tribolium und Oncopeltus” selbst verfasst und dabei keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel
und Quellen verwendet habe.
Ich erkläre weiterhin, dass ich nie versucht habe die vorliegende Dissertation in gleicher oder
ähnlicher Form in einem Prüfungsverfahren vorzulegen.
Ich habe früher außer den mit dem Zulassungsantrag urkundlich vorgelegten Graden keine
weiteren akademischen Grade erworben oder zu erwerben versucht.
Erlangen, im April 2012
Irene Schnellhammer
158
Danksagung
Prof. Dr. Martin Klingler und PD Dr. Michael Schoppmeier danke ich, dass ich die Möglichkeit hatte, an mehreren Modellorganismen und verschiedenen Themen zu arbeiten, so
dass die tägliche Laborarbeit sehr abwechslungsreich war. Speziell bei Martin möchte ich
mich für seine Geduld bedanken und die angenehmen fachlichen Gespräche; bei Michael für
den Ansporn zur Teilnahme an zahlreichen Tagungen sowie die Krapfen-, Schokoladen- und
Gummibärchenberge.
Danke an Herrn Prof. Dr. Frasch für die Übernahme des Zweitgutachtens. Bei Herrn Prof.
Dr. Brandstätter und Frau Prof. Dr. Dietrich möchte ich mich für die Abnahme der mündlichen Prüfung bedanken.
Großer Dank gebührt meinen beiden Laborgenossen Christian und Fabi: Christian, der
mich als junge Doktorandin unter seine Fittiche genommen hat, mit mir zahllose biologische
Themen diskutiert und meine lange Miene bezüglich seiner Musikauswahl geduldig ertragen
hat. Fabi, der immer guter Laune ist, schwere Kartons und Kanister für mich gehoben hat und
tonnenweise Tribolium-Embryonen fixiert hat. Jutta, meiner Paralleldoktorandin und Reisegefährtin auf sämtlichen Tagungen, danke ich für die gute Zusammenarbeit und den täglichen
Schwatz zwischen Tür und Angel. Ralph Rübsam möchte ich danken, für viele interessante
Vogelexkursionen, Gespräche über Gott und die Welt, sowie seine Vorbildfunktion als Forscher und Biologe. Angela und Holli möchte ich für die lustigen Mensagänge danken und
den gesicherten Nachschub an yellow/white-Drosophila-Stämmen. Tina danke ich für meine
Urlaubsvertretung in der Bruchidius-Zucht und ihre Hilfe, wenn man mal wieder irgendein
Spezialsiebchen, Töpfchen oder was auch immer gesucht hat. Vielen Dank Claudia, für die
Nachbestellung sämtlicher Verbrauchsgegenstände und deine Besuche in meinem Labor um
mal kurz vorbei zu schauen. Schade, dass das mit dem Zwischenfenster zwischen unseren
beiden Räumen nie geklappt hat. Danke an Upal und Nicole für frischen Wind im Labor und
die Erweiterung meiner englischen Sprachkünste. Bedanken möchte ich mich auch bei allen
Studenten, die im Laufe der Jahre in meinem Labor gewerkelt haben (Nadi, Tobi, Franzi,
Lissy, Romina, Anna, Jessi, Klaus, Doro, Denise, Fany und Ahmad), für die immer gute Atmosphäre und neuen Denkanstöße. Maria danke ich für ihr heiteres Temperament und den
Freitagssatz: Jetzt haben wir es dann bald geschafft, Irene!
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