Sickness Hunger, War and Religion from the perspective of Archaeology, History and Anthropology. A peste, fame et bello libera nos, Domine! 04.03.2011 bis 05.03.2011, München, Deutschland Sponsors: Rachel Carson Center, Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München, Museum Mensch und Natur München Conveners: Michaela Harbeck (Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München), Kristin von Heyking (Ludwig-Maximilians-Universität München), Uwe Lübken (Rachel Carson Center) Scientific committee: Prof. Dr. G. Grupe (Fakultät für Biologie der LMU, AG Anthropologie & Umweltgeschichte München), Dr. M. Harbeck (Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München), PD. Dr. U. Lübken (Rachel Carson Center), Prof. Dr. C. Mauch (Rachel Carson Center), Prof. Dr. C. Metzner-Nebelsick , Dr. des. H. Schwarzberg, PD Dr. W.-R. Teegen (alle Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie, LMU München). A peste, fame et bello, libera nos Domine! (Von Pest, Hunger und Krieg erlöse uns, O Herr!). Über große Zeiträume der menschlichen Geschichte wurde das Leben der Menschen durch Krankheit, Hunger, Krieg und Religion bestimmt. Diese vier Aspekte stellen somit vier wesentliche Determinanten menschlicher Bevölkerungsentwicklungen dar und sollten in dem Workshop anhand von konkreten Beispielen diskutiert werden. Der Workshop war eine gemeinsame Initiative der Arbeitsgemeinschaft Prähistorische Anthropologie und Paläoanatomie (APPA) der Gesellschaft für Anthropologie e.V., Deutschland und des Rachel Carson Center for Environment and Society. Die Aufgabe der APPA ist die Analyse vergangener Bevölkerungen mittels naturwissenschaftlicher Methoden, während sich das Rachel Carson Center mit der Interaktion von Mensch und Umwelt aus geisteswissenschaftlicher Perspektive auseinandersetzt. Vor diesem Hintergrund sollten Fragestellungen innerhalb der Themen des Workshops sowohl von geistes- als auch naturwissenschaftlichen Seiten beleuchtet werden, um eine interdisziplinäre Perspektive und damit neue Einsichten zu gewinnen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde im Vorfeld des Workshops um die Einreichung von Panels von zwei bis vier Vertretern verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen gebeten. Aus der überraschend großen Vielfalt und Menge der eingereichten Vorschläge wurden vom wissenschaftlichen Komitee sechs Themen ausgewählt, die auf dem Workshop vorgestellt und diskutiert wurden. Ergänzt wurde das Programm durch 16 zehnminütige Kurzvorträge, in denen aktuelle Studien aus den Bereichen Krankheit, Hunger, Krieg und Religion vorgestellt wurden. Auf dem Workshop waren damit 38 Sprecher aus acht verschiedenen Ländern und von unterschiedlichsten Disziplinen wie Anthropologie, Archäologie, Geschichte, Mikrobiologie, Medizin oder Genetik vertreten. Hinzu kam eine ebenfalls überraschend große Anzahl von Zuhörern, nicht nur aus der Universitätslandschaft Münchens, sondern von verschiedensten wissenschaftlichen Instituten aus der Schweiz, Österreich und Deutschland. Insgesamt belief sich daher die Zahl der Teilnehmer auf ca. 100 Personen. Übersicht Zu Beginn des Meetings wurden diese durch Michaela Harbeck, die zweite Sprecherin der APPA, im Namen der Gesellschaft für Anthropologie sowie durch Christof Mauch, den Direktor des Rachel Carson Centers, und Michael Apel, den Gastgeber und Direktor des Museums Mensch und Natur, begrüßt. Christof Mauch während seiner Eröffnungsrede Danach folgte das erste Panel, das das Leben und Sterben des Pharao Tutenchamun (um 1332-1323 v. Chr.) und damit verbundene generelle Fragestellungen zur 18. Dynastie und zur Krankheitsbelastung des Alten Ägypten während des Neuen Reiches zwischen der 18. und der 20. Dynastie beleuchtete. Angekündigt waren Vertreter der Ägyptologie und naturwissenschaftlicher Disziplinen. Hauptsächlich aufgrund der aktuellen politischen Situation in Ägypten konnten drei der vier Sprecher nicht am Workshop teilnehmen. Allerdings stellte der verbleibende Sprecher Albert Zink (Direktor des Institute for Mummies and the Iceman, Bozen, Italien) in einem 40minütigen spannenden Vortrag die neuesten, interdisziplinären Ergebnisse auch der anderen Sprecher vor. Beispielsweise wurden mit Hilfe von genetischen Methoden elf königliche Mumien untersucht, um diese zu identifizieren und um die Verwandtschaftsverhältnisse zu Tutenchamun zu analysieren. Zusätzlich konnten verschiedene Pathologien, z.B. die Köhler II-Krankheit und eine Malariainfektion, am Pharao diagnostiziert werden. Die Köhler II-Erkrankung bietet eine Erklärung für die zeitgenössischen Abbildungen des Pharaos, die ihn mit Gehstöcken zeigen, sowie den Fund von Medikamenten und Gehhilfen in seinem Grab. Weiterhin wurde eine Reihe von Malformationen auch bei anderen Mitgliedern der Familie festgestellt, deren Ursachen in dem, durch die genetischen Ergebnisse bestätigten, Inzest der Familie zu suchen sind. Ein weiterer interessanter Aspekt der vorgestellten Arbeit war die Prüfung von Erkrankungen, die die androgyne Darstellung des Pharaos Amenhotep IV. (Echnaton [engl. Akhenaten], um 1351-1335 v. Chr.) in vielen Reliefs, Statuen und Skulpturen erklären könnte. Für ein solches morphologisches Erscheinungsbild könnte z.B. das MarfanSyndrom oder das Wilson-Turner-Syndrom verantwortlich sein. Albert Zink im Gespräch All diese Erkrankungen konnten allerdings ausgeschlossen werden, so dass davon ausgegangen werden muss, dass es sich hierbei um eine von der Realität abweichende künstlerische Darstellung handelte. Die anschließende Diskussion befasste sich hauptsächlich mit letzterem Aspekt und gab so Einsichten in die Kunstgeschichte des Alten Ägypten. Zusätzlich wurde über die Todesursache des Pharao diskutiert. Es wurde geschlussfolgert, dass das Zusammentreffen von Infektionskrankheiten wie Malaria mit Knochennekrosen, verursacht durch die KöhlerII-Erkrankung, durchaus für den frühen Tod des Pharaos im Jugendalter verantwortlich gewesen sein könnte. Heiko Prümers (Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des Deutschen Archäologischen Institutes, Bonn), Martin Trautmann (A und O Anthropologie und Osteoarchäologie, Praxis für Bioarchäologie Tübingen) und Markus Ball (Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Institut für Humangenetik) setzten sich im folgenden Panel mit der vorspanischen Siedlungen in den Llanos de Moxos in Bolivien und besonders mit der Krankheitsbelastung der Bevölkerung auseinander. Heiko Prümers stellte zunächst den Fundkomplex in Bolivien im archäologischen und insbesondere ökologischen Kontext vor. So liegt die Untersuchungsregion in einem Savannengebiet, deren Böden als nährstoffarm und ungeeignet für Landwirtschaft gelten, wobei dies insbesondere durch wiederkehrende Überschwemmungen erschwert wird. Allerdings belegen beispielsweise die Faunenreste ein sehr breites Spektrum bejagbarer Tierspezies und archäologische Artefakte weisen auf den Anbau von beispielsweise Mais durch die historische Bevölkerung hin. Es konnten im Untersuchungsgebiet insgesamt 200 Siedlungen von 5-100 ha Größe prospektiert werden, von denen bis auf 23 m Höhe erhaltene Plattformgebäude im Zentrum besonders auffällig waren. Zwei Beispiele des 5.-14. Jhs. n. Chr., Loma Mendoza und Loma Salvatierra, wurden detailliert vorgestellt. Vortragende des Panels „Syphillis in El Dorado“, von rechts nach links: Marin Trautmann, Heiko Prümers, Markus Ball Martin Trautmann gab einen Überblick über die Bevölkerungsstruktur der Population und ging insbesondere auf den Gesundheitszustand ein. Es zeigten sich wenig Anzeichen von Gewalt, kaum Hinweise auf Mangelernährung, aber ein erstaunlich hoher Prozentsatz von Skelettveränderungen, die für eine bakterielle Erkrankung mit Frambösie (Yaws), einer tropischen Infektionskrankheit, oder mit Syphilis bzw. einer ihrer Vorläuferarten sprechen. Dies ist insofern interessant, als dass der geographische Ursprung dieser Erkrankung noch ungeklärt ist und verschiedene Theorien zur historischen Epidemiologie existieren. Markus Ball untersuchte die Überreste der Verstorbenen mit molekulargenetischen Methoden, um die morphologisch erstellte Diagnose zu untermauern. In sechs von 45 Fällen gelang es, den pathogenen Erreger nachzuweisen, wobei dies interessanterweise hauptsächlich bei Individuen gelang, die keine spezifischen morphologischen Veränderungen zeigten. Bei dem Erreger handelte es sich Treponema pallidium, was die Syphillis-Erkrankungen bestätigt. Die anschließende Diskussion bezog sich hauptsächlich auf diesen Nachweis und die generelle Möglichkeit des Nachweises von Erregern mittels alter DNA. Kaspar Staub während seiner Präsentation, am Tisch: Christina Papageorgopoulu und Frank Rühli Ein weiteres Panel befasste sich mit den Ursachen und Auswirkungen von Hypothyroidismus, der Unterfunktion der Schilddrüse aus archäoanthropologischer, historischer und klinischer Perspektive. Zunächst gab Frank Rühli (Anatomisches Institut, Universität Zürich) einen Überblick auf welche Weise eine Schilddrüsenunterfunktion medizinisch entstehen kann. Einer der möglichen und überaus wichtigen Auslöser ist Jodmangel, der in den Alpenregionen häufig anzutreffen war. Ein Mangel an Jod manifestiert sich im Krankheitsbild des Kretinismus. Neben der Ausbildung eines Kropfes kommt es am Skelett zu unterschiedlichen Entwicklungsstörungen, wie beispielsweise Minderwuchs. Christina Papageorgopoulou (Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz) zeigte in Ihrer Präsentation beispielhaft an einem mittelalterlichen Schweizer Befund überzeugend die Möglichkeit, diese Erkrankung auch an Skelettmaterial in historischen Bevölkerungen zu detektieren. Ihre Studie ist die erste, die sich mit der Diagnosemöglichkeit von Hypothyroidismus in einem historischen Kontext beschäftigt. Der Ansatz eröffnet die Möglichkeit, für Zeiten ohne historische Quellen diese Erkrankung in einer Bevölkerung nachzuweisen. Der Umwelthistoriker Kaspar Staub (Anatomisches Institut, Universität Zürich) befasste sich mit der Geschichte und Bekämpfung des Jodmangels durch die Verabreichung von jodiertem Speisesalz im 20. Jahrhundert. Außerdem stellte er anhand von historischen Quellen einen Zusammenhang zwischen Körperhöhe und dem Auftreten eines Kropfes als Auswirkung von Jodmangel, her. Die anschließende Diskussion befasste sich mit den Nachweismöglichkeiten der Erkrankung am Skelett und ihren Pest ist generellen Auswirkungen auf eine Population. Die Epidemiologie, Forschungsgebiet, archäologischer Entstehung dass und sowohl Quellen Verbreitung durch Erkenntnisse die der Auswertung gewinnt, wobei ein aktuelles historischer und neuerdings das Methodenspektrum durch die molekulargenetische Analyse rezenter und historischer Erreger der Pest erweitert wird. Trotzdem ist weiterhin umstritten, ob das Bakterium Yersinia Pestis tatsächlich der Auslöser aller großen Pestpandemien ist. Unklar ist auch, wie die Ausbreitung und der epidemiologische Verlauf der Seuche in der Geschichte verlief. Aufgrund der Aktualität und der vielen Ansatzmöglichkeiten dieser Fragestellung fanden sich in diesem Thema sechs Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen auf dem Workshop zu einem Panel zusammen. Zunächst gab Barbara Bramanti (Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz) eine Einführung in das Thema: Es wurden die drei großen Pandemien der Menschheitsgeschichte vorgestellt: die Justiniansiche Pest des 6. Jhs. n. Chr., der schwarze Tod des Mittelalters und die Pest des 19. Jhs. Die Arbeitsgruppe um Barbara Bramanti versucht, die Hypothese zu testen, ob die großen Pestpandemien für die ungleiche Ausprägung bestimmter schützender, genetischer Varianten in Europa verantwortlich sein könnten. Um diese Hypothese überprüfen zu können, müssten allerdings erstmals Pestopfer sicher identifiziert werden. Dies stellt eine Schwierigkeit dar, da sich weder historische Berichte klar über die Ursache von aufgefundenen Massengräbern zur Pestzeit äußern, noch die Erkrankung sichtbare Spuren am Skelett hinterlässt. Raffaella Bianucci (University of Turin, Italy) befasste sich mit den Bestattungsformen der Pestopfer. Dabei ging sie insbesondere auf die unterschiedlichen Bestattungsformen auf dem Land und in urbanen Zentren ein: Während in den Städten Massengräber nach einer Pestepidemie vorkamen, war die Anzahl der Toten auf dem Lande wesentlich geringer, so dass die Bestattungen von Pestopfern häufig nach dem normalen Muster verliefen und somit nicht von „normalen“ Grabbefunden zu trennen sind. Stefanie Hänsch (Johannes-Gutenberg-Universität Mainz) gelang es Yersinia pestis spezifische DNA an mittelalterlichen potentiellen Pestopfern nachzuweisen und molekulargenetisch einzuordnen. Damit konnte bestätigt werden, dass der Erreger des Schwarzen Todes des Mittelalters tatsächlich Yersinia Pestis ist und weitere Aussagen zum epidemiologischen Verlauf gemacht werden. Mark Achtman (University College Cork, Irland) fokussierte vor allem auf die evolutionäre Entwicklung des Yersinia pestis-Stammes und lokalisierte mittels molekulargenetischer Untersuchungen moderner Stämme dessen Entstehung in China. Die Ausbreitung erfolgte demnach von Ost nach West. Weiterhin können anhand der genetischen Daten die modernen Stämme nicht älter als ca. 2600 Jahre sein. Dem stehen die historischen Quellen, vorgestellt von Ole Benedictow (University of Oslo, Norway), entgegen. Er verwies auf die Beschreibungen von Pestepidemien schon für einen Zeitraum vor 3200 Jahren und bezweifelt die Entstehung der Pest in China, da hier in historischen Zeiten diese Erkrankung nicht erwähnt wird. Die Widersprüche in der historischen und populationsgenetischen Datenlage führten anschließend zur einer hitzigen Debatte und zeigten den weiteren Forschungsbedarf hinsichtlich einer möglichen Synthese der beiden Disziplinen. Elisabeth Carniel (Institut Pasteur, Paris, Frankreich) gab abschließend einen Überblick über die aktuelle Situation von Pesterkrankungen weltweit, zeigte die häufigsten rezenten Infektionswege auf (z.B. in den USA sind die häufigsten Überträger Katzen) und verdeutlichte sehr anschaulich die möglichen Krankheitsverläufe. Vortragende des Panels The Plague, von rechts nach links: Barbara Bramanti, Raffaella Bianucci, Stephanie Hänsch, Mark Achtman, Elisabeth Carniel, Ole Benedictow. Als Beispiel für die Krankheitsbelastung, die Ernährung und die Lebensweise einer prähistorischen Bevölkerung präsentierten Dušan Borić (Cardiff University, Großbritannien) und Marija Radović (Belgrade University, Serbia) ihre Analysen der meso- und neolithischen Populationen verschiedener archäologischer Fundplätze (insbesondere Lepenski Vir und Vlasac) entlang der Donau am sogenannten Eisernen Tor [Danube Gorges]. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, wie sich der Gesundheitszustand und die Lebensgewohnheiten von Populationen während des Wandels von einer aneignenden zu einer produzierenden Wirtschaftsweise während der Neolithisierung änderten. Vortragende am Tisch links Marija Radović, rechts Dusan Borić und am Pult der Chair Heiner Schwarzberg Zu diesem Zweck wurden Individuen aus den drei unterschiedlichen Zeitepochen dem älteren Mesolithikum, einem jüngeren Mesolithikum am Übergang zum Neolithikum und dem Neolithikum - untersucht. Dabei ermittelte Marija Radović den hygienischen Zustand Schmelzhypoplasien der Zähne (enamel (oral health), hypoplesia), die wie Kariesfrequenz Rückschlüsse auf und den Gesundheitszustand zulassen, wobei sich Populationsunterschiede fanden. Deutlich erkennbar war zum einen, dass die im Neolithikum lebenden Menschen weniger Stressmerkmale an den Zähnen aufweisen. Der Archäologe Dušan Borić zeigte weiterhin Studien zu Nahrungsgewohnheiten der damals lebenden Bevölkerung, die er mit Hilfe von Isotopenanalysen nachvollzog. Sehr wichtig ist hier die Erkenntnis, dass ein klarer Wechsel in der Subsistenzweise stattgefunden hat: Die deutlich auf aquatisch lebenden Tieren wie Fisch basierte Nahrungsweise im Mesolithikum wurde im Neolithikum immer weniger. Diese Ergebnisse sind von besonderer Bedeutung, da sie den fast einzigen Zugang zu den Lebensgewohnheiten der Menschen dieser Zeiträume bieten. Borić stellte außerdem den Vortrag von Sofija Stefanovic vor, die aus gesundheitlichen Gründen nicht nach München kommen konnte: Nach ihren Untersuchungen wurden pathologische Veränderungen an 30 Schädeln der diskutieren archäologischen Fundplätze am Eisernen Tor [Danube Gorges] gezeigt, die als Anzeichen von Infektionskrankheiten, möglicherweise von Erkrankungen an Trepanoma-Arten, gedeutet werden könnten. Das Topic „Krieg“ wurde von einem Panel behandelt, das sich mit den Überresten des antiken Schlachtfeldes am Kalkrieser Berg bei Osnabrück auseinandersetzte. Die drei Vortragenden Birgit Großkopf (Georg-August-Universität Göttingen), Susanne Wilbers-Rost (Museum und Park Kalkriese) und Achim Rost (Universität Osnabrück) stellten aus archäologischer, anthropologischer und historischer Perspektive überzeugend dar, dass sich von diesem Fund eine direkte Verbindung zur historisch überlieferten Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr. ziehen lässt, bei der die XVII., die XVIII. und die XIX. Legion sowie drei Alae und sechs Kohorten von insgesamt 15000-20000 Mann Truppenstärke an einer Engstelle zwischen einem Mittelgebirgsausläufer und einem Moor auf einer Gesamtfläche von ca. 30 km2 vernichtend von den Germanen geschlagen wurden. Vortragende des Panels „Varusschlacht“, von links nach rechts Birgit Großkopf, Susanne Wilbers-Rost, Achim Rost Die weitere wissenschaftliche Auswertung beschäftigte sich vor allem mit dem Geschehen, dass auf die Schlacht folgte. Menschliche Knochen wurden fast ausschließlich in Gruben aufgefunden, deren wissenschaftliche Auswertung durch Birgit Großkopf erfolgte. Trotz der schlecht erhaltenen Überreste wurde deutlich, dass die Individuen bereits in skelettiertem Zustand waren, und daher nicht römischer Sitte gemäß verbrannt, sondern in Gruben deponiert wurden, was sich mit Tacitus‘ historischen Berichten über eine spätere Bestattung der Opfer bei einem Besuch des Schlachtfeldes durch Germanicus im Jahre 15 n. Chr. deckt. Susanne Wilbers-Rost präsentierte die archäologischen Spuren der Schlacht. Insbesondere die Bedeutung einer teilweise während der Kampfhandlungen eingestürzten Wallanlage, die als Teil eines von Germanen planmäßig angelegten Hinterhaltes gedeutet werden kann, wurde dargestellt und anschließend diskutiert. Insbesondere dort, wo durch Wallversturz größere Teile von Maultierskeletten mit Resten der Schirrung erhalten geblieben sind, wurden gelegentlich sogar Einzelheiten der Kampfhandlung erkennbar. Achim Rost machte am Beispiel von Kalkriese eindrücklich deutlich, dass man generell von der Menge aufgefundener Militaria nicht direkt auf Ausmaß und Intensität einer Schlacht schließen kann, sondern dass andere Faktoren wie Plündern, Leichenfledderei, das Verschrotten von Metallteilen und das Bergen von Gefallenen und deren Ausrüstung das Fundbild prägen und gab damit neue Impulse zur Schlachtfeldarchäologie. Auch für Kalkriese konnte die systematische Sammlung und Bergung von wiederverwendbaren Objekten nachgewiesen werden. Weiterhin führte Rost im Vergleich andere archäologisch untersuchte Orte von antiken, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kampfhandlungen aus Europa und Amerika an. Diese großen Fallstudien wurden durch kurze Vorträge ergänzt, die einen Überblick über aktuelle Projekte und Ergebnisse verschiedener wissenschaftlicher Standorte des deutschsprachigen Raumes geben sollten. Mit dem Thema „Sickness“ befasste sich eine Reihe von Präsentationen. So zeigte Ingrid Wiechmann (LMU München) den erfolgreichen Nachweis von Pesterregern an Individuen eines mittelalterlichen Massengrabes in Bayern, während sich Lisa Seifert (LMU München) mit der Möglichkeit der Detektion von Tuberkulose-Erregern beschäftigte. Anna Zipp und Phillip von Grumbkow (Georg-August-Universität Göttingen) untersuchten ein Massengrab aus Kassel aus dem frühen 19. Jh., wobei sie die Individuen als napoleonische Soldaten identifizieren konnten. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der molekulargenetische Nachweis von Typhuserregern (Bartonella quintana, die als Verursacher von Epidemien während Napoleons Russlandfeldzug 1812 gelten. Gerhard Hotz (Naturhistorisches Museum Basel; Institut für Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie Universität Basel) und Jürgen Mischke (Deutsches Seminar der Universität Basel) präsentieren den sehr seltenen mittelalterlichen interdisziplinär Fund Friedhofes in einen einer des Hundebandwurmzyste Baseler größeren in Barfüßerklosters. Kontext gestellt, Überresten Dieser der Fund den des wurde generellen Gesundheitszustand der Stadt Basel und die hygienischen Verhältnisse zu dieser Zeit beinhaltete. Loukas Konstantinou präsentierte den Fund eines Porossarkophags aus Eleusis/Griechenland, analysierte die darin enthaltenen menschlichen Überreste und stellte Überlegungen zu deren Todesursache an. Das Thema Hunger bzw. Ernährung und ökologischer Kontext im weiteren Sinne wurde ebenfalls von verschiedenen Sprechern aufgegriffen. Ferdinand Neuberger (LMU München) gelang der Nachweis von Hungerepisoden anhand von Haaranalysen historischer und rezenter Individuen. Olaf Nehlich (Max-Planck-Institut Leipzig) sowie Gisela Grupe und Andreas Rott (LMU München) setzen sich mit den Möglichkeiten und Schwierigkeiten von Isotopenanalysen (insbesondere von Schwefel) an Individuen historischer Gräberfelder zur Rekonstruktion von Ernährungsmustern auseinander. Eine Reihe von Vorträgen zeigten Beispiele von vorgeschichtlichen wie auch historischen kriegerischen Auseinandersetzungen. Steve Zäuner (Eberhard-KarlsUniversität Tübingen) bestätigte mittels anthropologischer Analyse ein Kampfereignis als Ursache der Vernichtung der chalkolitischen Siedlung von Junacite in Bulgarien Ende des 5. Jts. v. Chr., während Christine Cooper (Referat Denkmalpflege und Archäologie, Fürstentum Liechtenstein) anhand traumatologischer Untersuchungen an dem menschlichen Skeletten aus der spätmittelalterlichen Schlacht von Dornach von 1499 Möglichkeiten diskutierte, den am Skelett entstandenen Traumata die verursachenden Waffen zuzuordnen. Alexander Lutz (LMU München) stellte seine Studien zu zwei Massengräbern aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges vor und Bettina Jungklaus (Berlin) konnte mittelalterliche Bestattungen auf dem Schlossberg von Lebus bei Frankfurt/Oder als Opfer einer historisch erfassten lokalen Bischofsfehde aus dem 13. Jh. identifizieren. Nadine Carlichi präsentierte einen neuen methodischen Ansatz, traumatisch bedingte Bruchlinien an Skelettmaterial sichtbar zu machen. Religiöse Aspekte, die in der Form von Grabkonstruktionen und der Totenbehandlung sichtbar werden können, sprachen Ken Massy und Nadja Hoke (LMU München) bei der Vorstellung ihrer Arbeit über früh- und mittelbronzezeitlichen Gräber aus der Münchner Schotterebene an. Barbara Teßmann (Freie Universität, Berlin) stellte ihre Ergebnisse der anthropologischen Analyse von skeletalen Überresten der mittleren Bronzezeit aus Monkodonja und des Grabhügel von Mušego dar, wobei sie der Frage nachging, ob es sich bei einer Gruppe der Bestatteten um Eliten handeln könnte und die soziale sowie die religöse Dimension der vorgestellten Grabfunde besprach. Eine interessante Einzelbestattung einer Frau von Tarrenz in Tirol besprach Harald Stadler (Universität Innsbruck) und zeigt anhand verschiedener Merkmale, dass es sich bei ihr um eine Heilerin gehandelt haben könnte, die Anfang des 17. Jhs. abseits jeder Siedlung mit dem Gesicht nach unten verscharrt und evtl. das Opfer einer Tötung aus rituellem oder abergläubischen Hintergrund wurde. Am Rande der Konferenz wurden die Problemfelder bei der Zusammenarbeit der Disziplinen diskutiert. Insbesondere bei der eigenständigen Interpretation oder der Bewertung von Ergebnissen eines fremden Fachbereiches sind ohne intensiven Dialog aufgrund der großen methodischen Unterschiede häufig Fehleinschätzungen die Folge. Der Workshop verdeutlichte allerdings anhand mehrerer Fallbeispiele, dass auch das überaus große Potential, dass in der fächerübergreifenden Analyse historischer Fragestellungen liegt. So konnte anhand der Fallstudien zum alten Ägypten und der Varus-Schlacht gezeigt werden wie die Synthese historischer, archäologischer und anthropologischer Daten zu neuen Erkenntnissen führte. Und dieses Potential ist noch lange nicht ausgeschöpft! So verspricht insbesondere die Naturwissenschaft mittels molekulargenetischer Methodik zukünftig große Fortschritte bei der Erforschung historischer Epidemiologie. Ein erster Anfang wurde anhand einiger Beispiele zur Erforschung der Pest, der Syphilis, des Typhus und der Tuberkulose während des Workshops sichtbar und inspirierte zu weiteren Projekten. Neue Fragen warfen insbesondere multidisziplinäre Überlieferungen übereinzubringen und sind, Untersuchungen naturwissenschaftliche wie im Falle der auf, in Ergebnisse Analysen zur denen nicht historische grundsätzlich Epidemiologie des Pestgeschehens. Gerade diese Fälle animieren allerdings zu vertiefender Forschung auf dem jeweiligen Gebiet um die Komplexität der Fragestellung zu erfassen und eine Synthese der Ergebnisse der unterschiedlichen Disziplinen zu erreichen. Michaela Harbeck, Kristin von Heyking und Heiner Schwarzberg