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EUROPÄISCHES PARLAMENT
1999
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2004
Sitzungsdokument
ENDGÜLTIG
A5-0391/2001
8. November 2001
BERICHT
über die ethischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der
Humangenetik
Nichtständiger Ausschuss für Humangenetik und andere neue Technologien in
der modernen Medizin
Berichterstatter: Francesco Fiori
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INHALT
Seite
GESCHÄFTSORDNUNGSSEITE .............................................................................................. 5
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG ................................................................................................ 6
BEGRÜNDUNG ........................................................................................................................ 33
I.
Einleitung ........................................................................................................................... 33
II. Die Humangenetik: Eine wissenschaftliche und technologische Herausforderung, die einer
echten Revolution gleichkommt................................................................................................. 35
II.1. DNA – Gene - Chromosomen............................................................................................. 35
II.2. Chromosomen ..................................................................................................................... 37
II.3. Erbkrankheiten.................................................................................................................... 37
II.4. Die Funktion der Gene........................................................................................................ 41
II.5. Konsequenzen des Human-Genom-Projekts ...................................................................... 42
III. Eine Arbeitsmethode zur Unterstützung eines „integrierten Ansatzes“ für eine neue
Beziehung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ................................................................. 43
IV. Befugnisse der EU im Bereich der Humangenetik ............................................................ 45
V. Internationale und europäische Rechtsinstrumente............................................................ 49
VI. Arbeitsprogramm ............................................................................................................... 53
VI.1. Gentests ............................................................................................................................. 53
VI.1.1 Ethische und gesellschaftliche Fragestellungen bei Gentests ......................................... 55
VI.1.2. Rechtliche Auswirkungen der Genanalyse..................................................................... 58
VI.2 Die Behandlung genetischer Krankheiten: Verfahren (Therapie und Medizin) ................ 59
VI.2.1 Die Gentherapie............................................................................................................... 59
VI.2.2 Die Genmedizin............................................................................................................... 59
a) Medikamente aus transgenen Tieren ...................................................................................... 60
b) Die Transplantation von Geweben und Organen ................................................................... 60
c) Die Pharmakogenetik ............................................................................................................. 63
VI.2.3. Ethische und soziale Aspekte ......................................................................................... 64
VI.3. Denkstrategien für eine Gemeinschaftsintervention, die einen Mehrwert darstellt .......... 68
VI.4. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Humangenetik (Diagnostik und Therapie)........ 70
VI.4.1 Situation im europäischen Gentherapiesektor................................................................. 72
VI.4.2. Die nationale und europäische Produktion im Bereich der Gentherapieforschung ....... 73
VI.4.3 In welchem Umfang wird der Gentherapie im Rahmen der nationalen
Forschungsfinanzierungssysteme Vorrang eingeräumt? ............................................................ 75
VI.4.4. Denkstrategien für eventuelle Empfehlungen an die Mitgliedstaaten der Union .......... 77
VII. Die Nutzung genetischer Informationen ............................................................................ 77
VIII. Die Patentierbarkeit von lebendem Material ..................................................................... 78
VIII.1 Rechtsrahmen der Gemeinschaft ..................................................................................... 78
VIII.2. Patentinnovation als Motor der Forschung..................................................................... 80
VIII.3 Die Richtlinie 1998/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen
82
VIII.4 Humangenom................................................................................................................... 84
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VIII.5 Patentierbarkeit von Gensequenzen .................................................................................85
VIII.6. Argumente für und gegen die Patentierbarkeit von Genen .............................................87
IX. Das sechste Forschungsrahmenprogramm..........................................................................89
X. Schlussfolgerungen: Welche Rolle soll die Union spielen? ...............................................91
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GESCHÄFTSORDNUNGSSEITE
In der Sitzung vom 13. Dezember 2000 billigte das Europäische Parlament einen Beschluss zur
Einsetzung eines Nichtständiges Ausschusses für Humangenetik und andere neue Technologien
in der modernen Medizin.
In der konstituierenden Sitzung vom 16. Januar 2001 benannte der Nichtständige Ausschuss
seinem Mandat entsprechend Francesco Fiori als Berichterstatter.
Der Ausschuss prüfte den Berichtsentwurf in seinen Sitzungen vom 27. August, 10. September,
2., 8. und 10. Oktober, 24. Oktober, 5. und 6. November 2001.
In der letztgenannten Sitzung nahm der Ausschuss den Entschließungsantrag mit 18 Stimmen
bei 13 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen an.
Bei der Abstimmung waren anwesend: Robert Goebbels, Vorsitzender; Ria G.H.C. OomenRuijten, stellvertretende Vorsitzende; Karin Scheele, stellvertretende Vorsitzende; Antonios
Trakatellis, stellvertretende Vorsitzende; Francesco Fiori, Berichterstatter; Nuala Ahern (in
Vertretung von Jillian Evans), Luis Berenguer Fuster (in Vertretung von Gérard Caudron),
Hiltrud Breyer, David Robert Bowe, Hans Blokland, Willy C.E.H. De Clercq (in Vertretung von
Diana Wallis), Jean-Maurice Dehousse, Gianfranco Dell'Alba (in Vertretung von Jean-Claude
Martinez), Avril Doyle, Concepció Ferrer, Marialiese Flemming (in Vertretung von Françoise
Grossetête), Geneviève Fraisse, José María Gil-Robles Gil-Delgado, Evelyne Gebhardt, MarieThérèse Hermange, Eija-Riitta Anneli Korhola, Peter Liese, Jules Maaten (in Vertretung von
Luciana Sbarbati), Minerva Melpomeni Malliori (in Vertretung von Eryl Margaret McNally),
Emilia Franziska Müller, Riitta Myller (in Vertretung von Dagmar Roth-Behrendt), Elena
Ornella Paciotti, Bernd Posselt (in Vertretung von Paolo Pastorelli), John Purvis, José Ribeiro e
Castro (in Vertretung von Sergio Berlato gemäß Artikel 153 Absatz 2 der Geschäftsordnung),
Dana Rosemary Scallon (in Vertretung von Jonathan Evans), Astrid Thors, Elena Valenciano
Martínez-Orozco und Demetrio Volcic (in Vertretung von Carlos Candal gemäß Artikel 153
Absatz 2 der Geschäftsordnung).
Der Bericht wurde am 8. November 2001 eingereicht.
Die Frist für die Einreichung von Änderungsanträgen wird im Entwurf der Tagesordnung für die
Tagung angegeben, auf der der Bericht geprüft wird.
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Entschließung des Europäischen Parlaments zu den die ethischen, rechtlichen,
wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Humangenetik
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf den Beschluss vom 13. Dezember 2000, einen Nichtständigen Ausschuss für
Humangenetik und andere neue Technologien in der modernen Medizin einzusetzen1,
– gestützt auf folgende Dokumente der Gemeinschaft:
–
den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere die Artikel 5, 95, 152
sowie die Artikel 163 bis 173 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft (EGV),
–
die am 4. November 1950 in Rom verabschiedete Konvention der EG zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten, geändert durch Protokoll Nr. 11,
–
die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere die Artikel 1, 2, 3, 8,
13, 21 und 35,
–
die Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr2,
–
die Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen3,
–
den Beschluss 99/182/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das
5. Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung,
technologischen Entwicklung und Demonstration (1998-2002)4,
–
die Entscheidung 99/167/EG des Rates über ein spezifisches Programm für Forschung,
technologische Entwicklung und Demonstration auf dem Gebiet „Lebensqualität und
Management lebender Ressourcen“ (1998-2002)5,
–
den Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das
sechste mehrjährige Rahmenprogramm 2002-2006 (KOM(2001) 94)6 sowie über die
spezifischen Programme (KOM(2001) 279)7,
–
seine verschiedenen Entschließungen und insbesondere die Entschließung vom
7. September 2000 zu den untersuchten Problemen8,
–
die Verordnung 45/2001/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz
1
ABl. C 232 vom 17.8.2001, S. 75.
ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.
3
ABl. L 213 vom 30.7.1988, S. 13.
4
ABl. L 26 vom 1.2.1999, S. 1.
5
ABl. L 64 vom 12.3.1999, S. 1.
6
ABl. C 180 E vom 26.6.2001, S. 156.
7
ABl. C 240 E vom 28.8.2001, S. 259
8
ABl. C 135 vom 7.5.2001, S. 263.
2
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natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe
und Einrichtungen der Gemeinschaft9,
–
seine Entschließung vom 5. Oktober 200010 zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates
zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (KOM(1999) 565)11,
– unter Hinweis auf folgende internationale Dokumente:
–
das Übereinkommen über die biologische Vielfalt der Vereinten Nationen vom 5. Juni
1992,
–
das Abkommen der Welthandelsorganisation über handelsbezogene Aspekte der Rechte
des geistigen Eigentums vom 15. April 1994,
–
die allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte der
UNESCO vom 11. November 1997,
–
die Entschließung der Weltgesundheitsorganisation vom 16. Mai 1998 über die
ethischen, wissenschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Klonens auf die
menschliche Gesundheit,
–
das Übereinkommen des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin vom
4. April 1997 und das Zusatzprotokoll vom 12. Januar 1998 sowie die Entschließung des
Europarates vom 20. September 1996 zur Biomedizin,
–
die Empfehlung 1046 (1986) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zu
der Verwendung menschlicher Embryonen,
–
die Erklärung von Helsinki des Weltärztebundes von Juni 1964 über die ethischen
Grundsätze der biomedizinischen Forschung am Menschen in der revidierten Fassung
von 1996,
–
den Nürnberger Kodex – Kriegsverbrecherprozesse vor den Nürnberger
Militärtribunalen nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 – Nürnberg, Oktober 1946 bis
April 1949,
–
das Übereinkommen des Europarats Nr. 108 vom 28. Januar 1981 zum Schutz des
Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme Nr. 13 der Europäischen Gruppe für Ethik der
Naturwissenschaften und der neuen Technologien (EGE) zu den ethischen Aspekten der
Verwendung von personenbezogenen medizinischen Daten in der Informationsgesellschaft
sowie die Stellungnahme Nr. 15 zu den ethischen Aspekten der Erforschung und
Verwendung menschlicher Stammzellen,
– unter Hinweis auf den vom amerikanischen Repräsentantenhaus verabschiedeten
Gesetzentwurf über das Verbot der Herstellung von menschlichen Embryonen durch
9
ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1
ABl. C 178 vom 22.6.2001, S. 270.
11
ABl. C 177 E vom 27.6.2000, S. 42.
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Kerntransfer, der zur Zeit im Senat der Vereinigten Staaten beraten wird,
– unter Hinweis auf die Anhörungen des Nichtständigen Ausschusses für Humangenetik von
Januar bis Mai 2001 in Anwesenheit von Sachverständigen,
– unter Hinweis auf die Treffen mit Vertretern der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten
der Union und der beitrittswilligen Länder sowie der Zivilgesellschaft am 18. und 19. Juni
sowie am 9. und 10. Juli 2001,
– gestützt auf Artikel 150 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Nichtständigen Ausschusses für Humangenetik und
andere neue Technologien der modernen Medizin (A5-0391/2001),
Zur Genomforschung
A. unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Forschung, die ständig echte Fortschritte in der
Medizin und die Verbesserung der Lebensqualität jedes Einzelnen und der Zivilgesellschaft
ermöglicht,
B. in der Erwägung, dass der Respekt vor der menschlichen Würde es gebietet, den Menschen
nicht auf biologische Aspekte zu reduzieren, ihn nach ausschließlich biologischen Kriterien
zu bewerten oder utilitären Erwägungen zu unterwerfen,
C. in der Erwägung, dass die grundlegenden ethischen Prinzipien im Hinblick auf Fragen der
Bioethik angewandt und ausgelegt werden müssen, und dass es bei der Auslegung
unterschiedliche Ansichten zu einzelnen Fragen geben kann,
D. in der Erwägung, dass die Existenz unterschiedlicher Ansichten in bioethischen Fragen den
Ausgangspunkt für einen rationalen, argumentativen Dialog zwischen den Vertretern dieser
Ansichten bilden muss,
E. in der Erwägung, dass die Auslegung der grundlegenden ethischen Normen und Prinzipien
immer wieder auf neue Fragen wird eingehen müssen, die die Entwicklung der
Biowissenschaften mit sich bringt,
F. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 7. September
2000 die Auffassung vertrat, „dass ein von ihm einzusetzender nichtständiger Ausschuss zur
Untersuchung der durch neue Entwicklungen im Bereich der Humangenetik aufgeworfenen
ethischen und rechtlichen Probleme die bereits in seinen Entschließungen zum Ausdruck
gebrachten Ansichten als Ausgangspunkt nehmen sollte; der Ausschuss sollte Fragen prüfen,
bei denen es noch keinen klaren Standpunkt zum Ausdruck gebracht hat“,
G. in der Erwägung, dass die EU mit der Europäischen Charta der Grundrechte auf der
Grundlage des Übereinkommens des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin
einen neuen Schritt hin zur Entwicklung von ethischen Leitlinien auf europäischer Ebene
getan hat, da es in Artikel 3 der Charta heißt: "Jede Person hat das Recht auf körperliche und
geistige Unversehrtheit" und "im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere
Folgendes beachtet werden: – die freie Einwilligung der betroffenen Person nach vorheriger
Aufklärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Modalitäten, – das Verbot eugenischer
Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die Selektion von Personen zum Ziel haben, –
das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon zur Erzielung von Gewinnen zu
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nutzen, – das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen“, wobei diese Prinzipien
Mindestanforderungen an den Gesetzgeber der Europäischen Union darstellen und keine
erschöpfende Auflistung aller notwendigen Regulierungen bedeuten,
H. in der Erwägung, dass der Mensch mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms erst
jetzt wirkliche Fortschritte im Zusammenhang mit dem Verständnis der Funktionsweise des
genetischen Erbguts des Menschen sowie seiner Wechselbeziehungen mit der Umwelt
macht; dank dieses Verständnisses könnte es mit der Zeit möglich sein, viele Krankheiten
vielleicht viel genauer, individueller und wirksamer als heute zu diagnostizieren, zu
verhüten und zu heilen; allerdings können der Nutzen für die menschliche Gesundheit
ebenso wie die bedeutenden wirtschaftlichen Vorteile für die Union nur dann zum Tragen
kommen, wenn in Europa angemessene Rahmenbedingungen für die Forschung auf diesem
Gebiet entwickelt werden, die auf der Achtung der Würde des Menschen, der Gleichheit
sowie dem Wert des menschlichen Lebens basieren; diese Vorteile können aber nur
umfassend genützt werden, wenn eine öffentliche und informative Debatte zugelassen und
den Bürgern größere Möglichkeiten geboten werden, die Chancen und Risiken der neuen
Methoden zu verstehen,
I. in der Erkenntnis, dass in diesem Zusammenhang koordinierte und integrierte Ansätze
wünschenswert sind, wobei unter Integration in diesem Bereich nicht nur eine stärkere
Zusammenarbeit zwischen universitärer Forschung, der Privatwirtschaft – angefangen bei
den kleinen Biotechnologiefirmen bis hin zu den großen Pharmazieunternehmen – und dem
medizinischen Sektor zu verstehen ist, um integrierte Untersuchungs- und
Entwicklungsphasen durchzuführen – allerdings müssen die Forschungsfreiheit gewahrt
werden und die Gemeinnützigkeit der medizinischen Forschung immer das Ziel bleiben, das
als solches nicht kommerziellen Erwägungen untergeordnet werden darf -, sondern auch
eine rechtzeitige und aktive Beteiligung der Regulierungsinstanzen, um einen angepassten
ordnungspolitischen Rahmen sowie entsprechende Maßnahmen zu schaffen und zu einem
Dialog mit den Endnutzern und den Sozialakteuren beizutragen
J. in der Erwägung, dass es umfassender Anstrengungen bedarf, um das Wissen der
Öffentlichkeit über genetische Themen zu erweitern, da in den vergangenen Jahren wichtige
Fortschritte und Entdeckungen gemacht wurden; durch einen öffentlichen Dialog zwischen
den Bürgern, deren Organisationen, dem Gesetzgeber, Wissenschaftlern und der Industrie
kann ein vertrauensvolleres Klima geschaffen werden; eine unabhängige und unparteiische
Information ist für die Schaffung eines Vertrauens unter den Bürgern wichtig,
K. in der Erwägung, dass es hinsichtlich der Ursachen und des Verlaufs von Erkrankungen und
Gesundheitsstörungen oft wesentliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt;
dass daher entsprechend dem in der Europäischen Union fest verankerten Grundsatz des
„gender mainstreaming“ Vorsorge- und Therapiemaßnahmen ebenso wie
Forschungstätigkeiten im Bereich der modernen Biowissenschaften auf allen Ebenen
geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigen müssen, und dass nicht zuletzt
hinsichtlich der Reproduktionsmedizin und ihrer Folgetechnologien die spezifischen
gesundheitlichen Belange von Frauen Beachtung finden müssen,
L. in der Erwägung, dass die Achtung der Menschenwürde die Grundlage aller internationalen
und europäischen Rechtsinstrumente im Bereich der Grundrechte sowie die Grundlage aller
Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten bildet und das Ziel aller Mitgliedstaaten ist; in der
Erwägung, dass ferner die Freiheit der Forschung als ein wichtiger ethischer Grundsatz
anerkannt wird, der unbedingt dem Grundsatz der Achtung der menschlichen Würde
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untergeordnet ist; in der Erwägung, dass die biomedizinische Forschung immer in Einklang
mit der Gewissensfreiheit stehen und frei von unrechtmäßigen politischen oder finanziellen
Beschränkungen sein sollte,
M. in der Erwägung, dass die Forschung – wie dies in der Charta der Grundrechte der
Europäischen Union garantiert wird – zwar frei ist, dass dieses Grundrecht aber in keiner
Weise Verstöße gegen die Menschenwürde rechtfertigt, die gemäß der Charta unantastbar ist
und gewahrt und geschützt werden muss,
N. in der Erwägung, dass in der Geschichte der Europäischen Union neben gemeinsamen
Werten und ethischen Prinzipien auch ein kultureller, ethischer und religiöser Pluralismus
verwurzelt ist, der
-
den Reichtum ihrer Traditionen widerspiegelt,
gegenseitigen Respekt und Toleranz erfordert,
voll und ganz vereinbar ist mit der Stärkung der gemeinsamen ethischen Dimensionen
und Standpunkte,
Artikel 22 der Charta der Grundrechte sowie Artikel 6 EUV entspricht,
O. in der Erwägung, dass es in Europa einen Konsens über grundlegende ethische Normen und
Prinzipien gibt, die sich nicht zuletzt in der Charta der Grundrechte niedergeschlagen haben,
und dass Organisationen wie die UNESCO, die WHO, der Europarat und die Europäische
Union als Leitgrundsätze ethische Grundprinzipien anwenden, zu denen insbesondere die
Unverletzlichkeit der menschlichen Würde, das Selbstbestimmungsrecht (einschließlich der
freien Einwilligung nach vorheriger Aufklärung – „informed consent“ –, Achtung der
Privatsphäre und Vertraulichkeit personenbezogener Daten), die Notwendigkeit der
Forschung, der Schutz der öffentlichen Gesundheit, die allgemeine und freie Zugänglichkeit
zur notwendigen gesundheitlichen Versorgung, die Achtung behinderter Menschen und ihres
Rechts auf Selbstbestimmung und auf soziale Eingliederung sowie die Nichtdiskriminierung
aufgrund genetischer, rassistischer, religiöser Merkmale gehören,
P. in Erwägung des Vorhandenseins eines internationalen Konsens über die Bedingungen,
unter denen die humangenetische Forschung und Behandlung erfolgen können:
– Gentherapien an Eizellen und Spermatozoen (Keimbahn) sollten nicht zulässig sein, da
die Auswirkungen auf künftige Generationen übertragen würden. Zulässig ist
ausschließlich die Behandlung von Körperzellen, deren Wirkung auf das Individuum
beschränkt bleibt;
– die Therapien dürfen nur für die Behandlung von Krankheiten, einschließlich
Erbkrankheiten, zulässig sein, nicht aber um Merkmale zu beeinflussen, die kein
Problem für die Gesundheit darstellen12,
Q. in der Erwägung, dass kein Unterschied zwischen dem Klonen zu therapeutischen Zwecken
und dem Klonen zu reproduktiven Zwecken besteht und dass jegliche Aufweichung des
derzeit geltenden Verbots dazu führen wird, dass die Rufe nach weiteren Entwicklungen bei
der Produktion und Nutzung von Embryonen lauter werden,
12
Siehe das Übereinkommen über die Menschenrechte und die Biomedizin des Europarates, die Erklärung der
UNESCO zum menschlichen Genom und die Stellungnahmen der Europäischen Ethikgruppe und der nationalen
Ethikkommissionen.
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R. in der Erwägung, dass die Europäische Union die Pflicht hat, die Forschung im Bereich der
Biotechnologien und der Humangenetik zu fördern; dass die Grundlagenforschung nicht
ausschließlich dem kommerziellen Sektor überlassen bleiben darf und dass das öffentliche
Interesse eine entschlossene Unterstützung jeglicher Form der Forschung erfordert, die dazu
beitragen kann, das Verständnis des Lebens zu vertiefen und langfristig neue Therapien zu
entwickeln; dass die einzelstaatlichen Verbote, die bestimmten Forschungsarbeiten
entgegenstehen, nicht die gesamte Europäische Union daran hindern dürfen, diese
Forschungsarbeiten in denjenigen Ländern zu unterstützen, in denen sie zulässig sind; dass
allein die Forschung mit dem Ziel des Klonens von Menschen und der Änderung der
Keimbahn verboten werden sollten; dass Therapien nur entwickelt werden sollten, um
schwere Krankheiten zu behandeln, und nicht zur Schaffung neuer menschlicher Merkmale,
Zu den Zuständigkeiten der Union im Bereich der Humangenetik
S. in der Erwägung, dass in den Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union kein
spezifischer Verweis auf die Humangenetik enthalten ist, dass die Union bei der Beachtung
des Subsidiaritätsprinzips (Artikel 5 EGV) jedoch diesbezügliche Kompetenzen besitzt; sie
kann im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit (Artikel 152 EGV), der
Forschungsfinanzierung (Artikel 167-173 EGV), dem Funktionieren des Binnenmarktes
(Artikel 95 EGV), der Niederlassungsfreiheit (Art. 47, Abs.2 EGV), der
Dienstleistungsfreiheit (Artikel 47, Abs.2 i.V.m. Artikel 55 EGV, der Rechte von
Arbeitnehmern (Artikel 137, Abs. 1 und 2 EGV) entsprechende Maßnahmen ergreifen,
T. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten und die Union gemeinsame Anstrengungen unter
Achtung der Menschenwürde im Hinblick auf die Entwicklung und den Ausbau des
Bereichs der Humangenetik unternehmen müssen, der im Dienste der Gesundheit und der
Heilung von Menschen steht, sowie festlegen müssen, in welchen Bereichen eine
europäische Aktion angezeigt wäre,
Zu den Arbeiten des Nichtständigen Ausschusses
U. in der Erwägung, dass der Nichtständige Ausschuss für Humangenetik die Aufgabe hatte,
sich zu den ethischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen zu äußern, die sich
im Zusammenhang mit der Entwicklung der modernen Biomedizin ergeben, sowie dem
Parlament detaillierte Analysen zu liefern, die es ihm ermöglichen, unter Achtung des
öffentlichen Interesses echte politische Entscheidungen zu treffen und präzise Leitlinien
vorzugeben; ferner in der Erwägung, dass die Arbeiten des Nichtständigen Ausschusses für
Humangenetik sich entsprechend seinem Mandat im Wesentlichen auf folgende Bereiche
konzentriert haben:
-
Heranziehung von Genanalysen zu prädiktiven und diagnostischen Zwecken,
Entwicklung und Anwendung neuer Gentherapien,
Verarbeitung der genetischen Informationen,
Bereitstellung von Finanzmitteln für die Forschung im Rahmen des 6.
Rahmenprogramms,
Patentierbarkeit der aus Lebewesen gewonnenen Erzeugnisse und der Verfahren,
Bestimmung ethischer Leitlinien, die sich durch die neuen Entwicklungen im Bereich
der Biotechnologie und ihrer Anwendung in Europa ergeben,
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Zu Gentests und zum genetischen Screening
V. in der Erwägung, dass in Europa die Zahl der Labors zunimmt, die Genanalysen und
Gentests vornehmen, die in der Praxis immer häufiger durchgeführt werden, wobei sich
diese Tendenz sicher noch verstärken wird, und dass die Folgen hiervon für die körperliche
und gesellschaftliche Entwicklung der Bevölkerung geprüft werden sollten, wobei es sich
um prädiktive Praktiken handelt, die nicht die bestehenden Vorsorgemaßnahmen im
Bereich der Gesundheit ersetzen können,
W. unter Hinweis auf die potentiellen Vorteile genetischer Informationen, und in der
Erwägung, dass daher zu vermeiden ist, dass eine gezielte Auswahl auf dem Arbeits- und
Versicherungsmarkt Arbeitnehmer oder Kunden davon abhält, Gentests durchführen zu
lassen,
X. in der Erwägung, dass die Durchführung von Genanalysen im Fall von pränatalen Tests und
bei genetischer Präimplantationsdiagnostik besondere ethische Fragen aufwirft,
Y.
in der Erwägung, dass sich das Europäische Parlament weiterhin in der Form, die es für
angemessen erachtet, mit Fragen der Humangenetik beschäftigen sollte, da die Kenntnisse
auf dem Gebiet der Genetik rasant anwachsen und gleichzeitig rechtliche, soziale, ethische
und wirtschaftliche Auswirkungen haben,
Z. in der Erwägung, dass es derzeit weder gemeinsame europäische Vorschriften noch
Regelungen gibt, die einen Mindeststandard für die Dienstleistungen im Zusammenhang
mit der Genanalyse und mit Gentests gewährleisten, und dass diese weder unter den
Anwendungsbereich der Verordnung des Rates 2309/93/EG zur Festlegung von
Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und
Tierarzneimitteln fallen, noch in den Anwendungsbereich der Richtlinie 98/79/EG über Invitro-Diagnostika , die ausschließlich für Erzeugnisse gilt, die zur Vermarktung bestimmt
sind, und dass deshalb die Festlegung von Bestimmungen bzw. die Änderung der
diesbezüglichen Richtlinien erforderlich ist, damit der Bereich der Gentests und der
Biomedikamente einbezogen wird und die Regelungen der entsprechenden Richtlinien
eingehalten werden,
AA. in der Erwägung, dass die missbräuchliche Durchführung von Gentests, insbesondere in der
Präimplantations- und Pränataldiagnostik erhöhte Risiken eugenischer Praktiken birgt, und
dass aus diesem Grund die Praxis der PID in mehreren europäischen Ländern rechtswidrig
ist,
AB. in der Erwägung, dass die Dienstleistungen der Genanalyse und der Gentests trotz der
zahlreichen, von Genetikspezialisten und Berufsverbänden gestarteten Initiativen für eine
Bewertung ihrer Qualität je nach Mitgliedstaat unter sehr unterschiedlichen Bedingungen
und im Rahmen unterschiedlicher Rahmenregelungen erbracht werden,
AC. in der Erwägung, dass Gentests nur in Verbindung mit einer kompetenten und ausführlichen
Beratung angeboten werden dürfen, die medizinische, ethische, soziale, psychologische und
rechtliche Aspekte umfassen muss,
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Zu biotechnologischen Medikamenten
AD. in der Erwägung, dass das Vorhandensein auf nationaler Ebene einer Vielzahl
verschiedener oder jedenfalls nicht konsistenter Normen für alle Phasen, von der
Entwicklung bis zur klinischen Erprobung, zu einer ethischen Diskussion führt und als
schwerwiegende und unkontrollierbare Einschränkung betrachtet wird, die die Entwicklung
und Erprobung neuer biotechnologischer Medikamente auf EU-Ebene erschwert13,
AE. in der Erwägung, dass nunmehr die ersten Schritte hin zu einer Harmonisierung der
Regelungen im Bereich der Gen- und Zelltherapie gemacht wurden, und zwar durch die
Formulierung von Leitlinien für die so genannte gute Praxis durch die Europäische Agentur
zur Bewertung von Arzneimitteln, während neue Sektoren wie beispielsweise „tissue
engineering“, künstliche Organe oder Genanalysen sowie Gentests erst noch eines
ordnungs-politischen Rahmens auf Gemeinschafts- oder einzelstaatlicher Ebene bedürfen,
Zu den Stammzellen
AF. in der Erwägung, dass sich die Verwendung von Stammzellen als eine neue Methode für
die Behandlung von Krankheiten und Verletzungen erweist, dass der Zweck dieser Therapie
darin besteht, differenzierte Zellen oder differenziertes Gewebe zu züchten, das dann
Patienten eingepflanzt wird, die unter Krankheiten wie Diabetes, Alzheimer, Parkinson,
Infarkt, Leukämie, Herzinfarkt oder Knorpelschäden leiden, für die es heute noch keine
ausreichende Therapie gibt; dass allerdings die notwendigen Maßnahmen getroffen werden
müssen, um die Gefahren und Risiken möglicher Stammzelltherapien zu vermeiden,
AG. in der Erwägung, dass die Verwendung von Stammzellen sich wahrscheinlich als eine
Methode zur In-vivo-Bewertung der Wirksamkeit von Medikamenten durchsetzen wird,
AH. in der Erwägung, dass hinsichtlich der Herkunft von Stammzellen zwischen embryonalen
und sogenannten adulten Stammzellen unterschieden werden muss; dass die Forschung an
adulten Stammzellen eine erfolgversprechende und ethisch unbedenkliche Alternative zur
Verwendung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen darstellt und dass daher der
Forschung an adulten Stammzellen unbedingte Priorität einzuräumen ist,
AI. in der Erwägung, dass die Entwicklung von Methoden gefördert werden muss, durch die die
gesundheitlichen, d.h. die physischen und die psychischen Belastungen der In-vitroFertilisation (IVF) vermindert und die Entstehung sogenannter überzähliger Embryonen
verringert oder sogar verhindert werden kann,
AJ. in der Erwägung, dass die Bedingungen für die Erzeugung und Gewinnung von
Stammzellen ein Risiko darstellen, insbesondere für die Unversehrtheit des Körpers der
Frau, wenn therapeutisches Klonen und überzählige Embryonen eingesetzt werden,
AK. unter Hinweis auf den Beschluss des amerikanischen Präsidenten George W. Bush, die
Verwendung von Bundesmitteln für die Erforschung an adulten Stammzellen sowie einer
Reihe von Zelllinien zu genehmigen, die aus bereits in Laboratorien verwendeten
13
Die Annahme der Richtlinie 2001/20/EG über die klinische Prüfung mit Vorschriften für die Anwendung der
guten klinischen Praxis, die als Norm für die wissenschaftliche Qualität und den ethischen Wert bezüglich der
Konzipierung, Durchführung, Erfassung und Verbreitung der Ergebnisse der klinischen Prüfung am Menschen
internationale Anerkennung genießt, ist ein erster Beitrag zu einer harmonisierten Regelung der Forschung und
Entwicklung im biomedizinischen Sektor.
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„überzähligen“ Embryonen stammen,
Zum 6. Rahmenprogramm für die Forschung
AL. in der Erwägung, dass die Genomik und Biotechnologien für die Gesundheit und das
Gemeinwohl im Vorschlag für einen Beschluss über das 6. Rahmenprogramm einen
prioritären Themenbereich für die Forschung darstellen und auch in anderen Prioritäten im
Vorschlag die Arbeit des nichtständigen Ausschusses angesprochen werden,
Über die Verwendung von Gendaten
AM. in der Erwägung, dass die Nutzung der Gendiagnostik ausschließlich zu medizinischen
Zwecken erlaubt ist,
AN. in der Erwägung, dass die Verfügbarkeit und die Verschiedenartigkeit von Gentests stark
zugenommen hat; ferner in der Erwägung, dass sie unter gewissen Umständen nicht nur
wichtige Aufschlüsse über die untersuchte Person geben können, sondern auch über ihre
Familienangehörigen; sie können das Leben und den Lebensstil des Individuums ganz
entscheidend beeinflussen, auch was die Entscheidung bezüglich der Fortpflanzung
betrifft,
AO. in der Erwägung, dass die Möglichkeit, dass Dritte personenbezogene Geninformationen
erhalten, die Gefahr birgt, dass neue Formen der Diskriminierung sowie Probleme im
Zusammenhang mit der Privatsphäre, dem Datenschutz und der Einwilligung nach
vorheriger Aufklärung entstehen; vor allem unter Hinweis darauf, dass diese Gefahr auf der
Grundlage der bestehenden Vorschriften für den Schutz personenbezogener Daten, wie z.B.
die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, die Einschränkung der Zwecke, die
Sicherheitsmaßnahmen und die Rechte des Einzelnen gemäß der Grundrechtscharta der
Europäischen Union (Artikel 8) gebannt werden muss,
AP. in der Erwägung, dass sich die Zweckmäßigkeit einer Annäherung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in diesem Bereich leicht aus dem multinationalen Charakter der an der Verarbeitung der Gendaten interessierten Unternehmen,
von den Erfordernissen eines transnationalen Umlaufs dieser Daten und von der
Notwendigkeit ableiten lässt, legislative Unterschiede zu vermeiden, deren Auswirkungen
nicht mit dem guten Funktionieren des Binnenmarktes vereinbar wären,
Zur Patentierbarkeit der Verfahren und der aus biologischem Material gewonnenen Produkte
AQ. in der Erwägung, dass die Kartierung des menschlichen Genoms, die im letzten Jahr von
der amerikanischen Gesellschaft Celera Genomics und der Gruppe Human Genome Project
abgeschlossen wurde, in der Europäischen Union zu einer hitzigen Debatte über die
Patentierbarkeit menschlicher Gene geführt hat; die Sequenzierung des Genoms hat
nachgerade einen richtigen, nie da gewesenen Run auf den künftigen „Genschatz“
ausgelöst; in der Erwägung, dass die Fähigkeit, Gene zu isolieren, zu identifizieren und zu
rekombinieren, erstmals einen gemeinsamen Genpool als Rohstoffquelle verfügbar macht,
dessen wirtschaftliche Ausbeutung durch die mögliche Erteilung von Patenten starke
Anreize erhält,
AR. in der Erwägung, dass die Richtlinie 98/44/EG einen Überblick darüber gibt, was derzeit als
sittenwidrig gilt und in ihren Artikeln 5 und 6 eine Aufzählung der Erfindungen enthält, die
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nicht patentierbar sind, aber weiterhin eine Diskussion darüber in Gang ist, was darüber
hinaus als nicht patentierbar gelten sollte und was patentierbar sein soll; dass aber in jedem
Fall die Achtung, die lebendem Material, und insbesondere menschlichem Material zuteil
werden muss, Aneignungsmethoden wie das Patent verbietet, und dass lebendes Material
deshalb als nicht patentierbar gelten muss; ferner dass die Auslegungsschwierigkeiten bei
dieser Richtlinie wegen ihrer Zweideutigkeit und die Weigerung bestimmter
Mitgliedstaaten, sie in ihr nationales Recht umzusetzen, zu einer Rechtsunsicherheit bei der
Frage biotechnologischer Erfindungen führen,
AS. in der Erwägung, dass die biotechnologischen Innovationen und die Biomedizin mit
lebenden Organismen zu tun haben und es deshalb anscheinend schwieriger ist, einen
grundlegenden Unterschied zwischen Erfindungen und Entdeckungen herauszuarbeiten,
anhand dessen zwischen Fällen unterschieden werden kann, für die patentrechtliche
Vorschriften gelten, und solchen, auf die diese nicht zutreffen,
AT. in der Erwägung, dass trotz der widersprüchlichen Auslegungen der Bestimmungen der
oben genannten Richtlinie ausdrücklich nicht patentierbar sind:
– der „menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung
sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder
Teilsequenz eines Gens“ (Artikel 5);
– neue Pflanzensorten oder Tierrassen oder im Wesentlichen biologische Verfahren zur
Züchtung von Pflanzen oder Tieren (Artikel 4);
– Erfindungen, deren Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten
verstoßen würde (Artikel 6), unter Beachtung von Artikel 53 des Europäischen
Patentübereinkommens, das in die geltenden einzelstaatlichen Vorschriften der
Unterzeichnerstaaten dieser Konvention übernommen wurde; Verfahren zum Klonen
und zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des Menschen,
Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen und kommerziellen
Zwecken sowie Prozesse zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren ohne
wesentlichen medizinischen Nutzen für Mensch oder Tier,
Das Europäische Parlament,
Zu Voraussetzungen für eine öffentliche Debatte
1. ist der Auffassung, dass es umfassender Aktivitäten bedarf, um das Wissen der
Öffentlichkeit über genetische Themen zu erweitern, da der Fortschritt und die
Entdeckungen in den vergangenen Jahren bedeutend gewesen sind; die Mitgliedstaaten
gewährleisten, dass die Bürger Zugang zu unabhängigen und unparteiischen Information
erhalten;
2. hält Folgendes für notwendig, um zu vermeiden, dass die gesellschaftliche Debatte über die
Humangenetik und ihre Anwendungen dem Zufall überlassen wird und häufig der
wissenschaftlichen Entwicklung hinterherhinkt, und um die Entwicklung ethischer Leitlinien
auf europäischer Ebene zu ermöglichen:
a)
die Bekräftigung ethischer Grundprinzipien, die unter Beachtung der unterschiedlichen
Begrifflichkeiten und kulturellen Traditionen der Mitgliedstaaten als Basis für eine
allgemeine Bewertung der Entwicklung und der Anwendung der Humangenetik sowie
für die einschlägigen notwendig gewordenen Rechtsvorschriften dienen; erinnert daran,
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dass diese ethischen Grundsätze in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
und den einschlägigen internationalen Abkommen verankert sind, wie der in Edinburgh
im Oktober 2000 angenommenen Erklärung von Helsinki, dem Übereinkommen des
Europarates über Menschenrechte und Biomedizin, das am 4. April 1997 in Oviedo
unterzeichnet wurde, dem Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens von Menschen,
das am 12. Januar 1998 in Paris unterzeichnet wurde, sowie der von der UNESCO
angenommenen Allgemeinen Erklärung über das menschliche Genom und die
Menschenrechte;
b) die Förderung eines Dialogs zwischen Forschern, Industrie, Normungsgremien,
Ethiksachverständigen und sozialen Akteuren im Bereich der neuen
Spitzentechnologien bereits in der Anfangsphase ihrer Entwicklung, damit
verantwortungsvolle Entscheidungen, die von rechtzeitigen politischen Maßnahmen
unterstützt werden, getroffen werden können;
c) die Einleitung einer öffentlichen Diskussion über die Entwicklung und den Einsatz
molekulargenetischer Kenntnisse und Techniken, bevor sie im großen Stil angewandt
werden;
Zum Rechtsrahmen
3. weist auf die Notwendigkeit hin, einen einheitlichen und rechtsverbindlichen Rahmen für
die Humangenetik und Fragen der Biotechnologie zu schaffen, der insbesondere auf die
Achtung des Individuums, die Gleichheit, die Würde des Menschen und den Wert des
menschlichen Lebens gegründet ist; jegliche Forschung, die die menschliche Würde verletzt,
muss verboten werden;
4. bekräftigt die Freiheit der Wissenschaft und der Forschung;
5. ist der Auffassung, dass eine Regelung der Veränderungsprozesse im Rahmen der zurzeit
stattfindenden Entwicklungen im Bereich der Biotechnologie und Biomedizin, u.a. mittels
der Bereitstellung von Finanzmitteln eine wesentliche Aufgabe sowohl der einzelstaatlichen
Gesetzgeber als auch der Gesetzgeber auf europäischer Ebene ist; empfiehlt deshalb, den
Rahmen für jede Forschung in diesem Bereich von der öffentlichen Verwaltung abstecken
zu lassen, sowie dafür zu sorgen, und dass sie Thema der in Ziffer 2 erwähnten öffentlichen
Diskussion wird;
6. darüber hinaus ist es Aufgabe der Europäischen Union, verbindliche Mindestvorschriften zu
erlassen, um einen ausreichenden Schutz des Menschen gemäß den Grundsätzen der Charta
der Grundrechte und Artikel 5 des Vertrages zu garantieren,
7. betont erneut, dass die Ergebnisse der biomedizinischen Forschung darauf ausgerichtet sind,
der gesamten Menschheit sowie künftigen Generationen zu nutzen;
8. erinnert an die Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität im Bereich der Humangenetik
und unterstreicht, dass die Union gemäß den ihr durch den Vertrag übertragenen
Kompetenzen im Bereich der Gesundheit (Artikel 152 EGV) sowie bezüglich des
Funktionierens des Binnenmarktes (Artikel 95 EGV) und der Forschungsfinanzierung
(Artikel 163 bis 173 EGV), der Niederlassungsfreiheit (Art. 47, Abs.2 EGV), der
Dienstleistungsfreiheit (Artikel 47, Abs.2 i.V.m. Artikel 55 EGV, der Rechte von
Arbeitnehmern (Artikel 137, Abs. 1 und 2 EGV) eingreifen kann und muss;
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9. ist der Ansicht, dass die Verarbeitung genetischer Daten besondere Gefahren für den Schutz
personenbezogener Daten mit sich bringt und dass etwaige nicht koordinierte Maßnahmen
der Mitgliedstaaten in diesem Bereich eine einschränkende Wirkung haben könnten, die mit
dem guten Funktionieren des Binnenmarktes unvereinbar ist und möglicherweise die im EGVertrag verankerten Prinzipien der Freizügigkeit verletzt;
10. räumt ein, dass die Gentherapie vorläufig kostspielig sein wird und fordert die
Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um gleichen Zugang zu
neuen Therapien für alle Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten;
Zur Rolle der Europäischen Union im Bereich der Humangenetik
I. Humangenetik: Diagnose und Therapie
Gentests
11. erinnert daran, dass Gentests, Genanalysen und die Gendiagnose medizinische Vorgänge
sind, bei denen stets die Regeln der so genannten „guten klinischen Praxis“ zu befolgen sind,
und dass das Vorhandensein hoher Standards für Genanalysen deshalb von überaus großer
Bedeutung ist, da aufgrund der Ergebnisse einschneidende Entscheidungen für das Leben
eines Individuums getroffen werden; Genanalysen müssen die Entscheidungsfreiheit des
Individuums sowie die Fähigkeit gewährleisten, im Wissen um die Ursache Entscheidungen
zu treffen, auch was Behandlungen und andere Aspekte, die die Lebensqualität bestimmen
können, betrifft; das Wissen um den Nutzen der Genanalyse kann gleichermaßen von der
Art und Weise, wie diese Analysen vorgenommen werden (Zuverlässigkeit und gleicher
Zugang zu den Dienstleistungen), vom Umfeld (kompetente Beratungsdienste, die das
Selbstbestimmungsrecht respektieren) und der Technologie abhängig sein;
12. hält für den klinischen Einsatz von DNA-Chips besondere Standards für erforderlich:
- An Chips sind vergleichbare Verlässlichkeits- und Validitätskriterien anzulegen wie an
reguläre DNA-Tests.
- Mithilfe von DNA-Chips dürfen nur diejenigen Gene bzw. deren Veränderungen
untersucht werden, die für ein spezifisches Krankheitsbild und dessen Behandlung
relevant sind.
- An den Einsatz von DNA-Chips sind von daher die gleichen Regeln bezüglich der
Indikation anzulegen, wie an den Einsatz regulärer genetischer Untersuchungen.
- Mehrfach-Tests zur Erfassung von genetischen Veranlagungen für mehrere Krankheiten
sind nur dann zu akzeptieren, wenn dabei die gleichen Anforderungen, die an Einzeltests
hinsichtlich Zuverlässigkeit, Beratung und Aufklärung zu stellen sind, eingehalten
werden;
13. hält die Schaffung eines harmonisierten und in ganz Europa anerkannten sowie mit klaren
Regeln für die Entwicklung und die Ausbildung in der wissenschaftlichen und
technologischen Praxis ausgestatteten Rechtsrahmens für eine wesentliche Voraussetzung,
um eine sichere, positive und verantwortungsbewusste Entwicklung der Ergebnisse der
neuen biomedizinischen Forschung zu gewährleisten; hierzu gehören ferner Leitlinien für
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die gute Labor-, Klinik- und Industriepraxis, die den neuesten biomedizinischen
Entwicklungen entsprechen; fordert die Kommission auf, die derzeit gängigen
Vorgehensweisen in den Mitgliedstaaten zu überprüfen, die der Grund für die Heterogenität
der Gentests sind;
14. ist im Übrigen der Auffassung, dass einschlägige einzelstaatliche und europäische
Regelungen festlegen sollten, dass Gentests nur für Forschungs-, Präventions- und
Therapiezwecke oder für die gesundheitsbezogene wissenschaftliche Forschung
durchgeführt werden dürfen und nur nach angemessener ärztlicher Beratung entsprechend
Artikel 12 des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin des Europarates, und
zwar unter voller Achtung der Grundrechte des Einzelnen und insbesondere der Rechte im
Zusammenhang mit der Vertraulichkeit und dem Schutz personenbezogener Daten, die
bereits auf nationaler und gemeinschaftlicher Ebene gesetzlich verankert sind;
15. betont, dass die Möglichkeit der vorgeburtlichen genetischen Analyse nicht dazu
missbraucht werden darf, jede Eigenschaft des Kindes vorauszuplanen, so z.B. Haarfarbe,
Augenfarbe, Geschlecht usw., die nicht seine Gesundheit betrifft;
16. legt besonderen Wert darauf, dass keine Frau zur Anwendung der vorgeburtlichen
Diagnostik gezwungen werden darf und dass die Entscheidung, auf eine solche Methode zu
verzichten, respektiert und unterstützt werden muss;
17. nimmt zur Kenntnis, dass viele Genanalysen sicherlich zu prädiktiven Zwecken erfolgen
werden und dass jedwede Überlegung über die weitreichenden Konsequenzen, die ein
falscher Ausgang auf medizinischer, ethischer, psychologischer und rechtlicher Ebene haben
würde, die Notwendigkeit aufwirft, einen Rechts- und Regelungsrahmen auf europäischer
und einzelstaatlicher Ebene festzulegen, der Folgendes gewährleisten soll:
a)
Qualität und Sicherheit der Genanalysen in Europa;
b)
den gleichberechtigten Zugang auf einzelstaatlicher Ebene zu den Informationen über
die Verfügbarkeit, den Wert und die Grenzen von Genanalysen;
c)
Achtung der Grundwerte in der Humangenetik, und zwar gestützt auf das
Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen (freiwillige Zustimmung nach entsprechender
Aufklärung – dies gilt für den Einzelnen wie für die Gesellschaft –, Förderung der
Fähigkeit, selbstverantwortlich Entscheidungen zu treffen, Vorrang der Rechte und
Interessen des Einzelnen vor dem Gemeinwohl, Achtung der Privatsphäre, Recht des
Patienten und seiner Angehörigen auf Wissen und Nichtwissen);
d)
kompetente und unabhängige genetische Beratung als Vorbedingung für die
Rechtmäßigkeit von prädiktiven Gentests durch die Mitgliedstaaten;
e)
Förderung umfassender zwischenstaatlicher Aufklärungsinitiativen für den gesamten
Berufsstand wie auch für die Öffentlichkeit, um über die Risiken und die Vorteile, aber
auch über die Grenzen der Genanalysen zu informieren, und zwar durch öffentliche und
private Organisationen, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen und
insbesondere durch die nationalen Ethikkommissionen, die mit Hilfe der heute
verfügbaren Informationstechnologien den Kontakt zu den Bürgern suchen und
herstellen müssen;
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f)
Respektierung und Förderung der genetischen Unterschiede durch die Gesellschaft,
insbesondere mittels entsprechender Schutzgesetze, die jegliche Form der negativen
Diskriminierung von Trägern bestimmter Merkmale ausschließen und ihre
Eingliederung fördern und sicherstellen, dass diese Unterschiede als Wesensmerkmale
der eigenen Identität einer Person anerkannt und als solche respektiert werden;
g)
Stärkung der familiären und sozialen Solidarität durch die Mitgliedstaaten,
insbesondere durch Einrichtung sozialer Dienste, mit denen die medizinischen, sozialen
und wirtschaftlichen Folgen von Behinderungen, auch noch im Erwachsenenalter
aufgefangen werden (Unterstützung für die Eltern, Zugang zu Bildung,
Arbeitsmöglichkeiten) und die Ansprech- und Hilfsmöglichkeiten für Menschen mit
Behinderungen oder ihre Eltern ausgeweitet werden;
h)
Schaffung von Programmen zur Sensibilisierung von Jugendlichen und Erwachsenen
für Behinderungen, insbesondere durch Zusammentreffen und gemeinsame Aktivitäten
mit Menschen mit Behinderungen innerhalb der Schulen;
i)
Förderung von Maßnahmen, die zur verbesserten Integration und Akzeptanz von
Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft beitragen und deren persönliche
Situation zu verbessern helfen;
j)
Förderung der Forschung über die möglichen Ursachen von Erkrankungen – z.B.
Umweltaspekte oder soziale Aspekte – und Methoden, solchen Einflüssen entgegen zu
wirken;
k)
Schaffung eines europäischen Netzes von Labors, die für seltene Krankheiten zuständig
sind, und Sicherstellung einer angemessenen öffentlichen Finanzierung, wenn private
Investitionen nicht oder nicht in genügendem Ausmaß getätigt werden;
l)
Unterstützung der Beteiligung der für den Schutz personenbezogener Daten
zuständigen Stellen und der Europäischen Gruppe, die gemäß Artikel 29 der Richtlinie
95/46/EG zusammentritt;
18. fordert daher die Kommission auf, in diesem Sinne tätig zu werden und Initiativen zur
Ausfüllung der derzeitigen Gesetzeslücken vorzulegen, wobei sie – wenn möglich – eine
Rechtsgrundlage wählen sollten (z.B. Artikel 152 – Gesundheit oder 153 –
Verbraucherschutz), die die Einführung von strengeren Schutzmaßnahmen für die
Mitgliedstaaten offen lässt;
19. fordert darüber hinaus, dass Mindeststandards zur Verwendung der vorgeburtlichen
genetischen Diagnostik beschlossen werden, die neben einer kompetenten genetischen
Beratung auch eine unabhängige psychisch-soziale Beratung vorsehen und die mindestens
ausschließen, dass vorgeburtliche DNA-Analysen mit dem Ziel durchgeführt werden,
Augenfarbe, Haarfarbe, Größe und Intelligenz (auch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit)
vorauszusagen. Die Bestimmung des Geschlechts im Rahmen einer vorgeburtlichen
Diagnostik sollte, wenn überhaupt, nur zulässig sein, wenn es um schwere
geschlechtsgebundene Erkrankungen geht;
20. unterstreicht, dass prädiktive Tests, die lediglich auf das Risiko einer erst spät im Leben
auftretenden Erkrankung hinweisen, pränatal zumindest grundsätzlich nicht eingesetzt
werden sollten, da zum einen der Ausbruch der Krankheit in diesen Fällen nicht
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vorausgesagt werden kann und andererseits angesichts der Fortschritte der Medizin durchaus
die Chance besteht, dass Krankheiten, die heute nicht oder nur schwer zu behandeln sind, zu
dem Zeitpunkt, in dem sie das zukünftige Kind treffen könnten, gut therapierbar sind;
Pharmakogenomik
21. ist der Auffassung, dass die Perspektiven für eine personalisierte Therapie schon heute
vielversprechend sind, mit der anhand eines individuellen Genprofils, das aus sogenannten
Snips (single nucleotide polymorphisms), wie sie im medizinischen Jargon genannt werden,
besteht, maßgeschneiderte Arzneimittel hergestellt und verabreicht werden können;
22. hält es auch für entscheidend, dass krankheitsauslösende Faktoren, die nicht genetisch sind
(wie Hygiene im täglichen Leben, Ernährungsgewohnheiten, Tabakkonsum usw.)
systematisch berücksichtigt und weiterhin erforscht werden;
23. erkennt an, dass die Pharmakogenetik (Ermittlung der Unterschiede bei den individuellen
Reaktionen auf Arzneimittel) und die Pharmakogenomik (Entwicklung personengerichteter
therapeutischer Arzneimittel, „personal pills“) in erster Linie für die Therapie und die
Verhinderung von Leiden sowie zur Vermeidung von Nebenwirkungen, aber auch in
wirtschaftlicher Hinsicht großen Nutzen bringt, sowohl bei der Entwicklung von
Arzneimitteln als auch bei deren Verabreichung, weil dadurch vermieden wird, dass
Arzneimittel an Patienten verabreicht werden, denen sie keine Linderung verschaffen oder
sogar schaden;
24. misst ebenso der Krankheitsgenetik eine große medizinische und wirtschaftliche Bedeutung
zu; der Forschungsbereich der Krankheitsgenetik zielt darauf ab, die
Wirkungszusammenhänge der Entstehung und Entwicklung von Krankheiten von der
genetischen Seite her zu verstehen und aus den so erhaltenen Einsichten Ansatzpunkte für
therapeutische oder präventive Maßnahmen oder für die Entwicklung von Medikamenten zu
gewinnen; die Krankheitsgenetik trägt den vielfältigen Interaktionsprozessen zwischen
Genen, Genprodukten und Umweltfaktoren Rechnung und eröffnet vielversprechende
Perspektiven, ohne verändernde Eingriffe in das Genom Krankheitsprozesse wirksam zu
beeinflussen;
25. bekräftigt, dass die Vielzahl verschiedener oder jedenfalls auf nationaler Ebene nicht
konsistenter Normen für alle Phasen, von der Entwicklung bis zur klinischen Prüfung, eine
schwerwiegende Einschränkung darstellt, die die Entwicklung und Erprobung neuer
biotechnologischer Medikamente auf EU-Ebene erschwert, obwohl dies ja eigentlich
gefördert werden sollte. Daher sollte als erster Schritt die Richtlinie der Europäischen Union
zu klinischen Prüfungen so schnell wie möglich in nationales Recht umgesetzt werden.
Wenn diese Chancen optimal genutzt werden, können den Bürgern der Europäischen Union
durch die Genforschung signifikante gesundheitliche Vorteile entstehen, und es werden
weitere Investitionen in die europäische Wissenschaft und Arzneimittelindustrie fließen, die
sich in einem immer wettbewerbsfähigeren globalen Umfeld behaupten müssen;
26. fordert größere Synergieeffekte zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, um
optimale Ergebnisse für den gesamten Bereich der Pharmakogenetik zu erzielen, da dort, wo
eine solche Synergie fehlt, zu starre oder zu stark einschränkende staatliche Regeln die
Gefahr bergen, dass am Ende sämtliche Vorteile verloren gehen;
27. hält es für notwendig, einen harmonisierten ordnungspolitischen Rahmen festzulegen, der
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dem Gemeinwohl, der Gesundheit und der Forschungsgemeinschaft Vorrang einräumt und
mit klaren und strengen Normen nicht nur für die Entwicklung, sondern auch für die
Erprobung und die Zulassung neuer biotechnologischer Medikamente und Reagenzien für
Gentests ausgestattet ist;
28. hält es für wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Humangenetik in einigen Bereichen
deutliche Verbesserungen für kranke und behinderte Menschen mit sich bringen kann, dass
die Erfolge jedoch in vielen Bereichen sehr lange auf sich warten lassen werden und dass es
aus biologischen Gründen selbst bei unbegrenzter Anwendung von Therapie und
eugenischer Selektion (die aus ethischen Gründen ohnehin nicht akzeptabel wäre) niemals
möglich sein würde, Behinderung und Krankheit vollständig aus der Welt zu schaffen. Es ist
daher dringend erforderlich deutlich zu machen, das Menschen mit Behinderungen auch in
Zukunft Teil unseres Lebens sein werden und dass sie selbst sowie ihre
Familienangehörigen von der Gesellschaft solidarisch unterstützt werden müssen;
II. Verwendung personenbezogener Daten über genetische Daten, die mittelbar oder
unmittelbar aus der Genomanalyse gewonnen wurden
29. besteht darauf, dass prädiktive Tests nur aus rein medizinischen Gründen oder für
gesundheitsbezogene wissenschaftliche Forschung und nur unter der Voraussetzung einer
angemessenen genetischen Beratung erlaubt sind, und bekräftigt, dass jede Person das Recht
auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten hat und dass jede Form von
Diskriminierung einer Person wegen ihres genetischen Erbes verboten ist; spricht sich
folglich für eine Anpassung von Artikel 13 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften bei der nächsten Revision aus;
30. unterstreicht, dass die Genforschung mit ausreichenden Garantien zum Schutz der Interessen
des Individuums und des Interesses der künftiger Generationen betrieben werden muss;
gleichzeitig muss es erlaubt sein, die legitime für den Einzelnen und für die Gesellschaft
nutzbringende wissenschaftliche Forschung im Dienste der Gesundheit und die Aufklärung
schwerer Verbrechen mit Hilfe von DNA-Analysen voranzutreiben;
31. fordert mit Nachdruck, dass über die Verwendung von personenbezogenen
Geninformationen und den Zugang Dritter zu diesen Daten im Hinblick auf eine künftige
rechtliche Regelung, die im Wesentlichen die persönliche Integrität des Individuums
schützen muss und in deren Mittelpunkt die Notwendigkeit stehen muss, zum Schutz seiner
Gesundheit bzw. der Gesundheit seiner Nachkommen oder für die Zwecke der
gesundheitsbezogenen Forschung seine freie und informierte Einwilligung einzuholen eine
Debatte stattfindet; jeder andere Zweck ist auszuschließen, wobei jedoch die Tatsache
berücksichtigt werden muss, dass es beispielsweise in der Forschung möglich sein muss,
Kenntnis über Geber und Empfänger von Zellen zu erlangen, ohne dass die Personen selbst
zu diesen Informationen Zugang erhalten;
32. hält den Schutz der Arbeitnehmer gegen alle Forderungen zur Bekanntgabe genetischer
Informationen für besonders begründet und ist, da Arbeitnehmer in einer schwächeren
Position sind, der Auffassung, dass sie durch die Rechtsvorschriften geschützt werden
müssen;
33. verweist auf die Richtlinie 95/46/EG, die den Schutz der personenbezogenen Daten im
größeren Zusammenhang der Gewährleistung der Rechte und der Grundfreiheiten betrachtet,
stimmt mit der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der neuen
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Technologien (EGE) überein, die in ihrer Stellungnahme Nr. 13 zu ethischen Aspekten der
Verwendung personenbezogener Daten über die Gesundheit dargelegt hat, dass es im
Bereich des Schutzes der gesundheitsbezogenen persönlichen Daten noch keine spezifischen
europäischen Rechtsvorschriften gibt, und hofft, dass die Kommission eine Richtlinie
ausarbeitet, um den Gefahren, die eine Informatisierung solcher Daten darstellt, zu
begegnen; fordert die Kommission auf, die aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet des
Datenschutzes im Rahmen des technischen Fortschritts zu prüfen;
34. unterstreicht, dass eine solche Richtlinie sich nicht auf die Aufzählung allgemeiner, im
komplexen Rahmen der Grundrechte verankerten allgemeinen Grundprinzipien, so
unverzichtbar sie auch sein mögen, beschränken darf (absolutes Verbot der Datenerhebung,
außer für den Schutz der Gesundheit und zu Forschungszwecken, Legitimität von Tests nur
in spezifischen Fällen oder für ganz bestimmte Zwecke, Legitimität der Tests nur mit
Zustimmung der betroffenen Person, ausdrücklich verbotene Verwendungszwecke, Regeln
für den Zugang zu Daten, die nicht strikt personenbezogen erhoben wurden – insbesondere
das Problem des Zugangs innerhalb der Familiengruppe, unter Blutsverwandten), sondern
auch Mechanismen zur Feststellung, Klassifizierung und Kontrolle der Genanalysen
festlegen sollte, mit denen Missbrauch bei deren Verwendung vermieden wird, damit es erst
gar nicht soweit kommt, dass Parameter für eine„genetische Normalität“ entwickelt werden,
die Anlass zur Sorge geben könnten;
35. hält es für notwendig, dass die Verarbeitung dieser Daten in öffentlichen Körperschaften, die
die Einwilligung des/der Betroffenen nicht einholen müssen, nur dann legitim ist, wenn
ausdrückliche eine „gesetzliche Bestimmung“ vorliegt, in der die durchzuführenden
Maßnahmen sowie die jeweiligen Zwecke, die im Interesse der Öffentlichkeit verfolgt
werden sollen, genau spezifiziert sind (ausgeschlossen ist, dass hierzu auch wirtschaftliche
Zwecke gehören können), und unterstellt diese Tätigkeit, was die Aspekte der Zuständigkeit
angeht, der Überwachung der Kontrollstellen für den Schutz personenbezogener Daten
gemäß Artikel 28 der Richtlinie 95/46/EG;
36. ist angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Gene offenbar weit hinter den ursprünglichen
Vermutungen zurückbleibt, der Auffassung, dass die Behauptung, wonach sie für bestimmte
Anlagen ausschließlich oder in erheblichem Maße verantwortlich sind, erheblich korrigiert
werden muss, da sie sich vielmehr als Resultat komplexer Interaktionsprozesse zwischen
Genen, Proteinen und der Umwelt darstellen; nachdem der Enthusiasmus über die
Prädiktivität nachgelassen hat, ist die Möglichkeit, Gendaten in Zukunft für die Bewertung
von Personen heranzuziehen, nicht zulässig, zumal diese ausgerechnet die entscheidende
Beziehung zwischen Proteinen und Umwelt vernachlässigen und deshalb ein verzerrtes oder
unvollständiges Bild der betreffenden Person liefern; eine Einzelperson hat im Übrigen
durchaus das Recht, Gentests durchführen zu lassen;
37. eine Einschränkung auf der Grundlage der Verwendung genetischer Daten, um
Lebensversicherungen oder Versicherungen gegen Krankheiten abzuschließen, führt zu
neuen sozialen Hierarchien, wenn die Menschen anhand ihrer genetischen Anlagen
klassifiziert würden; dies käme einer Beschneidung der Bürgerrechte und einer Negation des
Rechts auf gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsleistungen angemessener Qualität
gleich;
38. hebt deshalb hervor, dass die Versicherungen keineswegs das Recht haben dürfen, vor oder
nach Abschluss eines Versicherungsvertrags die Durchführung von Genanalysen bzw. die
Weitergabe von Ergebnissen bereits durchgeführter Genanalysen an sie zu fordern;
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Genanalysen dürfen auch keine Vorbedingung für den Abschluss eines
Versicherungsvertrags sein; ist der Ansicht, dass die Versicherer verlangen dürfen, über die
genetischen Daten, die dem Versicherten bekannt sind, informiert zu werden, wenn es sich
um außerordentlich hohe Versicherungssummen handelt und der Verdacht besteht, dass der
Versicherungsnehmer aufgrund dieser Vorkenntnisse handelt;
39. stellt fest, dass die Frage der Zurverfügungstellung von Genanalysen, die vor dem Abschluss
eines Vertrags erstellt wurden, an Versicherungsgesellschaften durch die
Gemeinschaftsrechtsordnung nicht geregelt ist, und dass die Praktiken auf einzelstaatlicher
Ebene unterschiedlich sind; fordert deshalb die Kommission auf, auf der Grundlage von
Artikel 47 Absatz 2 und Artikel 55 des EG-Vertrags entsprechende Gesetzesinitiativen
vorzuschlagen, einschließlich des Verbots der Nutzung von personenbezogenen
medizinischen Informationen, wie die genetische Typologie, zu Zwecken der
Diskriminierung bei Versicherungen sowie die Möglichkeit vorzusehen, in spezifischen
Fällen eine Versicherungsgrenze anzuwenden;
40. unterstreicht, dass die Folgen von Gentests für die Grundrechte, die Achtung der ethischen
Prinzipien und die Gestaltung der sozialen Beziehungen auch im Bereich der Arbeit
erheblich sind; anders bei Versicherungen, wo die Argumente für die Verwendung von
Gendaten ausschließlich wirtschaftlicher Natur sind, geht es hier um das Interesse des
Arbeitnehmers, nicht für schädliche Tätigkeiten eingestellt zu werden; die aus den Gendaten
ablesbaren Angaben können aber Vorschriften für die Arbeitsumwelt oder generelle
Sicherheitsbestimmungen für gefährliche Tätigkeiten nicht ersetzen;
41. empfiehlt, die Diskriminierung von Arbeitnehmern aufgrund genetischer Kriterien sowie im
Anschluss an genetische Screenings im Rahmen von Reihenuntersuchungen
rechtsverbindlich zu verbieten; genetisches Screening kann von den Versicherungen nicht
zur Bewertung herangezogen werden;
42. vertritt die Auffassung, dass sich eine Regelung, die sich auf die Einwilligung nach
gründlicher Aufklärung stützt, in diesem Bereich als völlig ungeeignet erweist, da bekannt
ist, dass die meisten Menschen bei Arbeitslosigkeit dazu neigen, nahezu alles zu
akzeptieren, um Arbeit zu bekommen; die Zustimmung wäre also nicht mehr Ausdruck der
Freiheit, sondern vielmehr Auswirkung eines materiellen Zwangs; deshalb sollte den
betroffenen Personen nach dem Vorbild der Regelung für die Ablehnung der Verarbeitung
personenbezogener Daten das Recht eingeräumt werden, ihre Meinung zu ändern; die
institutionellen Politiken, sowohl auf nationaler wie auf Gemeinschaftsebene, sollten
vielmehr darauf abzielen, nicht nur die direkt Betroffenen, sondern auch die Öffentlichkeit
angemessen zu informieren, um das kollektive Bewusstsein für Fragen in Zusammenhang
mit der Verwendung von Geninformationen zu schärfen und generell soziale
Kontrollmaßnahmen einzuführen;
43. stellt fest, wie sehr die Tendenz, die Erhebung von Gendaten generell auszuweiten, das
Problem der Zunahme von Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen, die mit diversen
Technologien möglich geworden sind, deutlich werden lässt; es darf nicht zulässig sein, dass
man sich genetische Informationen privat aneignen darf, auch wenn formal aufgrund der
Anonymität der Daten die Achtung der Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist; wichtig wird
die Schaffung eines institutionellen Rahmens, mit dem dafür gesorgt wird, dass der Zugang
zu den Tests wirksamen Anforderungen für den Schutz der Gesundheit unterliegt, das
Umgehen bestehender Regeln durch den direkten Zugang zu den Tests unterbunden wird,
durch den die Notwendigkeit der Information durch genetische Beratung verkannt wird;
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44. empfiehlt den Mitgliedstaaten, das Recht des Einzelnen auf Vertraulichkeit seiner
Geninformationen zu schützen, und zu gewährleisten, dass Genanalysen zum Wohle der
einzelnen Patienten, seiner Angehörigen und der Gesellschaft insgesamt verwendet werden;
von diesem allgemeinen Grundsatz der Vertraulichkeit darf nur abgewichen werden, wenn
die genetischen Marker, die in DNA-Banken gelagert werden, zur Identifizierung und
Festnahmen von Kriminellen genutzt werden14;
III. Patentierbarkeit der Verfahren und der aus biologischem Material gewonnenen
Produkte
45. räumt ein, dass Patente, die als traditionelles Instrument der Industriepolitik zur Förderung
der privaten Finanzierung der Forschung für die exklusive gewerbliche Nutzung von
neuerfundenen Waren erteilt werden, neue Probleme aufwerfen, wenn sie auf biologisches
Material und insbesondere auf das menschliche Genom angewandt werden;
46. erinnert daran, dass die Richtlinie 98/44/EG zum rechtlichen Schutz biotechnologischer
Erfindungen derzeit in die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten umgesetzt wird und dass vier
Staaten sie bereits umgesetzt haben ; erinnert ferner daran, dass die Richtlinie nur die in der
Biotechnologie angewandte Praxis kodifiziert; stellt fest, dass einige Staaten Probleme bei
der Durchführung hatten, während sie in anderen Ländern relativ schmerzfrei verlief;
47. räumt trotz der bestehenden Schwierigkeiten und Diskussionen bei der Auslegung dieser
Richtlinie, insbesondere in Bezug auf Artikel 5 Absätze 1 und 2, die Bedeutung eines
Rechtsrahmens und einer Harmonisierung in diesem Bereich ein; ist der Auffassung, dass
die Schwierigkeiten insbesondere die Frage betreffen, ob erteilte Patente zu umfassend sind
und dadurch anderweitige Forschungen blockieren;
48. stellt fest, dass der Rechtsrahmen derzeit in Europa trotz der Richtlinie 98/44/EG zu großer
Heterogenität tendiert, dass jedoch die etwaige Einführung eines Gemeinschaftspatents die
Situation vereinheitlichen kann;
49. erinnert daran, dass nach geltendem europäischen Recht eine Erfindung nur dann als
patentierbar gilt, wenn sie eine erfinderische Tätigkeit impliziert und sich für eine
gewerbliche Anwendung eignet, und nicht nur eine, wie komplex auch immer geartete,
Entdeckung dessen, was bereits existiert, darstellen darf;
50. stellt fest, dass die „Verwendung menschlicher Embryonen zu industriellen oder
kommerziellen Zwecken“ gemäß Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie als nicht
patentierbar gilt; fordert die Kommission auf, durch die Herausgabe eines Leitfadens, durch
die Änderung der Richtlinie 98/44/EG oder durch zusätzliche Rechtsvorschriften
klarzustellen, dass Hybriden, Chimären, menschliche Stammzellenlinien oder
Behandlungsmethoden sowie Medikamente, Erzeugnisse und Verfahren vom Patentschutz
auszunehmen sind, die durch Forschungen an Embryonen, die in vitro gezeugt wurden und
nicht der Herbeiführung einer Schwangerschaft dienten, abgeleitet oder entwickelt wurden;
51. erinnert daran, dass die Kommission zu folgenden Veröffentlichungen verpflichtet wurde:
a)
14
alle fünf Jahre ein Bericht über die Probleme, zu denen die Anwendung der Richtlinie
im Zusammenhang mit den internationalen Übereinkommen über den Schutz der
Menschenrechte, denen die Mitgliedstaaten beigetreten sind, führen kann;
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Zukunft der Biotechnologieindustrie (A4-0080/2001).
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b)
innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie (30. Juli 1998) ein Bericht,
in dem die Auswirkungen des Unterbleibens oder der Verzögerung von
Veröffentlichungen, deren Gegenstand patentierfähig sein könnte, auf die
gentechnologische Grundlagenforschung evaluiert werden;
c)
und jährlich ein Bericht über die Entwicklungen und Implikationen des Patentrechts im
Bereich der Biotechnologie und des Bioengineering; diese sind dem EP und dem Rat zu
übermitteln (Artikel 16); fordert daher die Kommission auf, die Vorlage des ersten
Jahresberichtes, die bis zum 30. Juli 2001 hätte erfolgen sollen, nicht weiter zu
verzögern und diese Möglichkeit zu nutzen, um über die Ergebnisse der
Expertentagungen, einschließlich der Beratungen der Kommission über die Frage der
Patentierung von den Sequenzen Bericht zu erstatten sowie über sämtliche Gespräche
zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die von den
Mitgliedstaaten vorgebrachten Auslegungsschwierigkeiten zu informieren;
52. dringt auf eine gründliche Bewertung der Richtlinie 98/44, wobei zusätzlich zu den
sozioökonomischen Auswirkungen auch die Auswirkungen einer breitangelegten
Umschreibung von Patenten auf technologischen Forschritt und Innovation miteinbezogen
werden sollen;
53. ersucht die Kommission, im Rahmen der vorgenannten Berichte zu untersuchen, ob die
Unterschiede bei der Anwendung von Zwangslizenzen in den Mitgliedstaaten ein Hindernis
für eine ausgewogene Entwicklung sind oder ob es begründet ist, auf Gemeinschaftsebene
im Rahmen des TRIPS-Abkommens neue Regelungen für Zwangslizenzen einzuführen;
Klonen und Stammzellforschung
54. besteht darauf, dass das reproduktive Klonen von Menschen ungeachtet des verwendeten
Verfahrens zu verbieten ist, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die
Initiative zu ergreifen und ein Verbot des reproduktiven Klonens in Form eines international
rechtsverbindlichen Instruments vorzulegen;
55. fordert ein Verbot jeglicher Tätigkeiten, die
a) darauf ausgerichtet sind, eine Veränderung der menschlichen Keimbahn herbeizuführen,
oder
b) auf das reproduktive Klonen von Menschen ausgerichtet sind oder dieses mit sich bringen
oder
c) auf die Erzeugung von Hybriden oder Chimären ausgerichtet sind oder
d) embryonale Stammzellen oder menschliche Embryonen verwenden, sofern der Embryo in
vitro erzeugt wurde und nicht der Herbeiführung einer Schwangerschaft dient;
56. für die Entwicklung und den Einsatz wissenschaftlicher Verfahren, die dazu beitragen, die
Erzeugung „überzähliger“ Embryonen zu vermeiden, sind erhebliche öffentliche Mittel
bereitzustellen; die Mitgliedstaaten sollten ferner die Möglichkeit erwägen, unfruchtbaren
Paaren die Adoption „überzähliger“ Embryonen zu ermöglichen;
57. fordert ein gemeinschaftsweites Verbot des Handels mit menschlichen Embryonen,
embryonalen Stammzellen sowie Ei- und Samenzellen;
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58. weist darauf hin, dass die Herstellung von menschlichen Embryonen durch Kerntransfer die
Vorraussetzung für das sogenannte reproduktive Klonen ist und die Implantation von
Embryonen in die Gebärmutter, technisch gesehen, sehr leicht durchzuführen ist;
59. bekräftigt seine Position, dass auch aus ethischer Sicht das sogenannte therapeutische
Klonen problematisch ist, weil es eine zur Verfügungsstellung einer Vielzahl von
menschlichen Eizellen zur Voraussetzung hat, was zu einer geschlechtsspezifischen
Ausbeutung des menschlichen Körpers führen kann, mit großen Risiken für die Frauen
verbunden ist und die Herstellung von menschlichen Embryonen allein zu
Forschungszwecken beinhaltet;
60. bekräftigt daher seine Position, dass man am wirksamsten und glaubwürdigsten gegen das
Klonen von Menschen auftreten kann, wenn man sowohl das sogenannte therapeutische
Klonen als auch das sogenannte reproduktive Klonen von Menschen ausschließt;
61. begrüßt daher den Beschluss des amerikanischen Repräsentantenhauses, die Herstellung von
menschlichen Embryonen durch Kerntransfer zu verbieten und mit hohen Freiheitsstrafen zu
belegen, und fordert den Senat auf, sich diesem Beschluss so schnell wie möglich
anzuschließen;
62. bekräftigt seine Forderung nach einem möglichst weltweiten Verbot des Klonens von
Menschen;
63. fordert die Mitgliedstaaten auf, die dies bisher nicht getan haben, Gesetze gegen die
Herstellung von genetisch identischen menschlichen Embryonen durch Klonen zu erlassen;
64. bittet die Kommission, falls dies nicht innerhalb eines gewissen Zeitraumes geschieht, zu
prüfen, ob ein gemeinschaftlicher Vorschlag mit dieser Zielsetzung, z.B. auf Grundlage von
Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe a EU-Vertrag möglich ist;
65. fordert, dass die Erzeugung von menschlichen Embryonen nur gestattet sein darf, um eine
Schwangerschaft herbeizuführen;
66. erkennt das ethische Dilemma an, das dadurch entstanden ist, dass in vielen Ländern der
Gemeinschaft Tausende von menschlichen Embryonen existieren, die zum Zwecke der InVitro-Fertilisation hergestellt wurden, deren Implantation für die genetischen Eltern jedoch
nicht mehr möglich ist;
67. erkennt an, dass sowohl die Vernichtung dieser Embryonen als auch die
Zurverfügungstellung für Forschung aus ethischer Sicht umstritten ist;
68. fordert daher die Alternative zu prüfen, die darin bestünde, sie kinderlosen Ehepaaren zur
Verfügung zu stellen, für die eine herkömmliche In-Vitro-Fertilisation aus medizinischen
oder sonstigen Gründen nicht möglich ist, wobei hier strenge Regeln zu erlassen sind, damit
es nicht zu einem Embryonenhandel kommt; dass darüber hinaus Techniken zur
Sterilitätsbehandlung entwickelt werden müssen, die die Entstehung von überzähligen
Embryonen ausschließen und die gesundheitliche Belastung für die Frau auf ein Minimum
reduzieren;
69. bringt seine uneingeschränkte Unterstützung der Arbeit mit adulten Stammzellen zum
Ausdruck und nimmt mit Interesse zur Kenntnis, dass durch die Arbeit mit adulten
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Stammzellen in einigen Forschungsfeldern (z.B. Leukämie, Behandlung von Knorpel- und
Knochenschäden und wahrscheinlich auch bei der Behandlung von Herzinfarkt) schon
konkrete Heilungserfolge für einzelne Patienten erzielt wurden, während die Forschung mit
embryonalen Stammzellen bisher nur in Tierversuchen in Ansätzen zur Heilung geführt hat;
70. fordert die Mitgliedstaaten, die Kommission und alle betroffenen Forscher dazu auf,
mögliche Alternativen zur Forschung mit embryonalen Stammzellen energisch zu
unterstützen und zu erforschen und legt Wert darauf, das es dabei nicht nur um die
sogenannten adulten Stammzellen, sondern auch um andere wissenschaftliche Ansätze geht;
71. hebt hervor, dass das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 12. März 199715
bekräftigt hat, dass „keine Gesellschaft unter irgendwelchen Umständen das Klonen von
menschlichen Wesen … rechtfertigen oder hinnehmen darf, weil es eine schwerwiegende
Verletzung der grundlegenden Menschenrecht darstellt und dem Grundsatz der Gleichheit
der Menschen widerspricht, denn er ermöglicht eine eugenische und rassistische Selektion
der menschlichen Art, verstößt gegen die Würde des Menschen und macht
Menschenversuche erforderlich“;
72. empfiehlt den internationalen und regionalen Organisationen, wie den Vereinten Nationen
und dem Europarat, ein Menschenrecht auf genetische Einzigartigkeit oder konkret auf
Schutz seines genetischen Erbes festzulegen;
V.
6. Rahmenprogramm für die Forschung
Leitlinien für einen Ethikrahmen
73. hält es für wesentlich, Leitlinien für einen Ethikrahmen ausgehend von den Bestimmungen,
die bereits im 5. Rahmenprogramm (1998–2002) und insbesondere im spezifischen
Programm „Lebensqualität“ festgelegt wurden, auszuarbeiten;
74. nimmt zu diesem Zweck Kenntnis von den Beschlüssen des amerikanischen Präsidenten
George W. Bush, die Verwendung von Bundesmitteln für die Forschung an adulten
Stammzellen sowie an einer Reihe von Zelllinien zu genehmigen, die von „überzähligen“,
bereits im Laboratorium verwendeten Embryonen stammen;
75. ist daher der Ansicht, dass alle Forschungsaktivitäten in der Folge des 6. Rahmenprogramms
unter Beachtung der ethischen Grundprinzipien durchgeführt werden sollten, und zwar
insbesondere:
a)
der Grundsätze in der Charta der Grundrechte der Union und in den in Ziffer 2
Buchstabe a dieser Entschließung genannten internationalen Übereinkommen;
b)
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten;
76. stellt fest, dass ein Ziel des neuen Forschungsprogramms darin besteht, erstmalig das im
Artikel 169 des EG-Vertrags festgelegte Verfahren anzuwenden, wonach die Gemeinschaft
sich an Zusammenarbeitsprojekten beteiligen kann, an denen nicht alle sondern nur einige
Mitgliedstaaten beteiligt sind; besonders in diesen Fällen müsste die Beteiligung der
Gemeinschaft möglich sein, um zu gewährleisten, dass die Versuche allen Einwohnern in
der Gemeinschaft zugute kommt;
15
ABl. C 115 vom 14.4.1997, S. 92.
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77. sieht in diesem Zusammenhang die Stellungnahme der Europäischen Gruppe für Ethik zu
den ethischen Aspekten der Erforschung von Stammzellen als einen wichtigen Beitrag an,
wonach:
a) die Frage, ob die Stammzellenforschung ethisch vertretbar ist, nicht nur von deren Zielen
abhängt, sondern auch davon, woher die Stammzellen stammen;
b) in Anbetracht der Tatsache, dass ein ethischer Konsens hinsichtlich der Erzeugung von
Embryonen durch den Kerntransfer somatischer Zellen (therapeutisches Klonen) für die
Zwecke der Zelltherapieforschung bislang nicht gegeben ist, ein weites Feld für
Forschungen mit alternativen Quellen für menschliche Stammzellen genutzt werden
sollte;
c) ein spezifischer Gemeinschaftshaushalts zur Finanzierung der Forschung, bei der
alternative Quellen, insbesondere erwachsene Stammzellen, genutzt werden,
bereitgestellt werden sollte;
d) auf europäischer Ebene dafür Sorge zu tragen ist, dass die Forschungsergebnisse weit
verbreitet und nicht aus kommerziellen Interessen zurückgehalten werden
e) vor dem Anlaufen der Vorhaben und während ihrer Durchführung eine aus
Gemeinschaftsmitteln zu finanzierende Bewertung der Stammzellforschung unter
ethischen Aspekten sichergestellt werden sollte;
78. ist daher der Ansicht, dass auf dem Gebiet der Stammzellforschung vorrangig solche
Forschungsvorhaben aus Gemeinschaftsmitteln finanziert werden sollten, bei denen
erwachsene Stammzellen genutzt werden, und dass Forschungsvorhaben, bei denen
embryonale Stammzellen verwendet werden, keine Mittel erhalten sollten;
79. empfiehlt, Vorhaben im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und
Demonstration, die folgendes beinhalten, von der Gemeinschaftsfinanzierung
auszuschließen:
a)
die Erzeugung menschlicher Embryonen mit Hilfe von Spendergameten zu anderen als
reproduktiven Zwecken;
b)
die Erzeugung menschlicher Embryonen durch Kerntransfer somatischer Zellen
(therapeutisches Klonen) sowie das Klonen von Menschen (reproduktives Klonen);
c)
Forschungstätigen, die eine Änderung der Keimbahn des Menschen zum Ziel haben;
d)
Forschungstätigkeiten, bei denen ein menschlicher Embryo zu Forschungs- oder
Therapiezwecken gezüchtet wird;
e)
jede andere Form der verbrauchenden Forschung an menschlichen Embryonen;
80. spricht sich für ein Verbot des Klonens von Menschen aus, gleichgültig mit welcher
Intention es erfolgt und welche Techniken oder Methoden angewandt werden, und fordert
die Europäische Kommission auf, die rechtlichen Möglichkeiten eines Verbots des Klonens
durch die Europäische Union zu prüfen;
81. bekräftigt das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen; fordert die EUPE 300.127
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Mitgliedstaaten auf, sich der deutsch-französischen Initiative für eine VN-Konvention gegen
derartiges Klonen anzuschließen;
82. bekräftigt, dass die Unterscheidung zwischen reproduktivem und therapeutischem Klonen
hinsichtlich der angewandten Technik nicht von Bedeutung ist;
Empfehlungen an die Mitgliedstaaten der Union im Bereich der Finanzierung der
Genomforschung
83. erkennt an, dass die Frage, ob die Embryonenforschung auf europäischer Ebene reguliert
werden kann, rechtlich umstritten ist und es selbst für den Fall, dass eine EU-weite Regelung
rechtlich möglich wäre, nur eine Verabschiedung von bestimmten Grundregeln realistisch
ist, so dass es auf absehbare Zeit Sache jedes Mitgliedstaates sein wird,
Embryonenforschung zu verbieten oder zu genehmigen. Hebt jedoch hervor, dass im
letztgenannten Fall die Achtung der Menschenwürde impliziert, dass Regeln aufgestellt
werden müssen, durch die die Gefahr widerrechtlicher Versuche unter Instrumentalisierung
der menschlichen Embryos verhindert wird;
84. ist der Ansicht, dass aus Respekt vor der ethischen Überzeugung vieler europäischer
Bürgerinnen und Bürger und vor der Rechtsordnung der Mitgliedsstaaten durch Finanzmittel
der Europäischen Union nur Forschungstätigkeiten gefördert werden sollten, durch die kein
Mitgliedsstaat die ethischen Grundprinzipien seiner Verfassungsordnung verletzt sehen
muss;
85. betont, dass die Forschung im Bereich der Behandlung der Unfruchtbarkeit, die nicht zur
Erzeugung von „überzähligen“ Embryonen führt, sowohl auf nationaler als auch auf
europäischer Ebene gefördert und finanziert werden muss;
86. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Adoptionsverfahren zu vereinfachen, insbesondere
indem sie systematisch die Adoption von derzeit eingefrorenen Embryonen Paaren
vorschlagen, die bereit sind, eine In-vitro-Fertilisation durchführen zu lassen, oder bei denen
In-vitro-Fertilisation keinen Erfolg hätte;
87. hält es für wichtig, dass sich die biotechnologische Forschung nicht nur auf große
multinationale Konzerne konzentrieren darf; ist daher der Auffassung, dass die öffentlichen
Behörden auf einzelstaatlicher, gemeinschaftlicher und internationaler Ebene aufgefordert
werden sollten,
a)
Konzentrationsprozesse in diesem Bereich zu überwachen und gegebenenfalls
einzugreifen, wenn Auswirkungen auf das öffentliche Interesse bestehen,
b)
die Stellung der kleineren Unternehmen und der gemeinnützigen Organisationen zu
schützen;
c)
die Entwicklung von Bemühungen um eine starke, unabhängige und öffentlich
finanzierte Forschung sicherzustellen, die sich auf die Bereiche konzentriert, die mitteloder kurzfristig kaum Gewinne abwerfen und die von der Privatwirtschaft
vernachlässigt werden, wie beispielsweise die Behandlung von Krankheiten, unter
denen besonders benachteiligte Personen oder Kinder leiden und die in den am
wenigsten entwickelten Ländern auftreten, sowie Behandlungen von seltenen
Krankheiten;
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d)
die Erforschung der Risiken der Biotechnologie und ihre Vermeidung zu fördern;
e)
die Bildung von öffentlich-privaten Partnerschaften zu fördern;
88. ist der Auffassung, dass die Forschung im Bereich der Biotechnologie nicht zur Stärkung der
Rolle von multinationalen Konzernen führen darf, wodurch jede Kontrolle unmöglich
würde, und besteht deshalb darauf, dass die öffentlichen Behörden sowohl auf der Ebene der
Staaten als auch auf derjenigen der Union jede Forschungstätigkeit in diesem Bereich
sorgfältig eingrenzen, eine rückhaltlose Transparenz gewährleisten und insofern die unter
Ziffer 2 erwähnte öffentliche Diskussion in Gang halten;
89. empfiehlt, darüber nachzudenken, welche Änderungen der Politik im Hinblick auf die
öffentliche Finanzierung einer wirklich unabhängigen Grundlagenforschung erforderlich
sein könnten, die die Existenz einer dynamischen und unabhängigen öffentlichen
wissenschaftlichen Forschung gewährleisten;
Leitlinien für die Finanzierung der Genomforschung aus Gemeinschaftsmitteln
90. fordert, dass die Union einen rechts- und ordnungspolitischen Rahmen schafft und
erhebliche Finanzmitteln für die Erforschung des Genoms bereitstellt, wie es in dem
Vorschlag für den Beschluss über das 6. Forschungsrahmenprogramm vorgesehen ist; hält
deshalb Folgendes für notwendig:
a)
Unterstützung der Priorität Genomik und Biotechnologie für die Gesundheit, wobei
jedoch vorzugsweise durch die Einführung einer neuen Priorität
„Gesundheitsforschung“ klargemacht werden muss, dass auch Ansätze zur
Verbesserung der gesundheitlichen Situation, die nicht Direkt mit Gen- und
Biotechnologie zusammenhängen muss, unerstützt werden müssen;
b)
Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern verschiedener
nationaler und europäischer Einrichtungen (Universitäten, Forschungsstellen,
Krankenhäuser, Unternehmer, Industrie generell) bei der Ermittlung der Funktion der
Genomdaten und bei der Entwicklung neuer ärztlicher Behandlungsmethoden;
c)
Unterstützung der nicht normierten Forschung im Bereich der Humangenetik (z.B.
Normen für die Beurteilung der Qualität und Qualitätsgarantien für Genanalysen);
d)
Anreize für eine rechtzeitige und aktive Einbeziehung der Regelungsbehörden durch
die Schaffung von Leitlinien für die Prüfung neuer Entwicklungen im Bereich der
Biomedizin;
e)
Schaffung zentralisierter gemeinschaftlicher Systeme für Informationen bzw.
Materialien, z.B. Erfassung der Daten über neue Biomedikamente, einschließlich der
Daten über die klinische Prüfung und anschließende Zulassung (beispielsweise
Beobachtung negativer Reaktionen), Vergleich mit den Daten über die
Pharmakogenomik (Korrelation besonderer genetischer Merkmale mit der individuellen
Reaktion auf Arzneimittel) oder auch die Einführung von Patientendatenbanken bzw.
die Errichtung von zentralen Gewebebanken;
f)
Unterstützung der Forschung im Bereich transgener Experimente zur Deckung des
Bedarfs des Gesundheitswesens;
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g)
Unterstützung von Forschungen, die das Verständnis der rechtlichen, ethischen,
sozialen und wirtschaftlichen Fragen, die sich aus den neuen Erkenntnissen im Bereich
der Humangenetik ergeben, fördern und die zur besseren Bewältigung der damit
zusammenhängenden Herausforderungen beitragen;
h)
Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei Forschungstätigkeiten
sowie Vorsorge- und Therapiemaßnahmen im Bereich der Genomik und
Biotechnologie;
i)
Unterstützung der Erarbeitung von Initiativen, mit denen ein neuer Konsens in Bezug
auf die Anwendung von Life sciences gefördert werden soll, um einerseits
Informationen über diese Wissenschaften (z.B. in den Medien) zu verbreiten, damit das
Verständnis der Öffentlichkeit gefördert wird, und andererseits Wissenschaftler dazu
anzuregen, Sorgen in der Bevölkerung stärker aufzunehmen und in ihrer Arbeit
einzubeziehen;
j)
Unterstützung integrierter und multidisziplinärer Ansätze in Ausbildung und Lehre. Die
Stärkung der Lehre und der Ausbildung in den Spitzentechnologien beispielsweise
Pharmakogenomik, Bioinformatik, Nanobiotechnologie) und die Auflegung von
integrierten Programmen für die Lehre und die Ausbildung in biomedizinischer
Forschung, Entwicklung und Management durch internationale Zusammenarbeit von
Universitäten und Industrie bieten den Universitäten, der Industrie und der Gesellschaft
parallel zur zunehmenden Integration von Analyse des Genotyps, Diagnose und
Therapie große Chancen;
91. hält es für wesentlich, Programme zur öffentlichen Information und Aufklärung zu
finanzieren, die nicht, wie in der Vergangenheit der Fall, darauf abzielen, die Akzeptanz der
Gentechnologie zu erhöhen, sondern die die Debatte innerhalb einer informierten
Öffentlichkeit ermutigen; empfiehlt, dass derartige Programme in enger Zusammenarbeit
mit repräsentativen Behindertenorganisationen entwickelt werden;
VI. Zur „europäischen Wissensgesellschaft“ und zur Überwachung der Entwicklungen der
Humangenetik durch die Europäische Union
92. erinnert daran, dass die Staats- und Regierungschefs beschlossen haben, einen
„Europäischen Forschungsraum“ zu schaffen, der sich angesichts der unterschiedlichen
Regierungsformen als unabdingbar für Europa erweist und deshalb neue Formen der
Beteiligung am öffentlichen Leben auf den jeweiligen Macht- und Entscheidungsebenen in
Europa erfordert, die sich wiederum auf die Interaktion zwischen den staatlichen Instanzen
und der Zivilgesellschaft stützen;
93. hält es deshalb für wichtig, dass auf Gemeinschaftsebene Initiativen ergriffen werden, um:
a)
ethische Grundprinzipien im Bereich der Humangenetik in enger Zusammenarbeit mit
der Europäischen Ethikgruppe zu entwickeln, unter Berücksichtigung der Arbeiten des
Europarates bezüglich des Euroforums über die Humangenetik und zur Vorbereitung
des Protokolls über die Humangenetik;
b)
die öffentliche Debatte sowie die Konsultation der Öffentlichkeit zu stärken, unter
Beteiligung von Patienten und Menschen mit Behinderungen und ihrer Familien, der
Industrie, der Investoren, der Ethikexperten und der breiten Öffentlichkeit;
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c)
eine bessere Strukturierung der Kontakte zwischen den auf nationaler und europäischer
Ebene bestehenden Ethikausschüssen zu gewährleisten;
d)
die Annäherung der legislativen Arbeit des Europarates und der Union zu fördern;
e)
einen Appell an die Staats- und Regierungschefs zu richten, damit der Weg für die
Ausarbeitung eines internationalen Übereinkommens über Humangenetik freigemacht
wird;
f)
auf eine Verpflichtung der Forschungszentren und Unternehmen zur Transparenz
hinzuwirken in dem Sinne, dass das Betriebsgeheimnis vereinbart wird mit einer
Unterrichtung bestimmter Stellen über die laufenden Forschungsarbeiten;
94. hält es für unverzichtbar, dass der Europäischen Gruppe für Ethik ein echter
interinstitutioneller Status eingeräumt wird, der es ihr ermöglicht, ihre Rolle als beratender
europäischer Ausschuss für Ethik in vollem Umfang als Schnittstelle zwischen den
verschiedenen gemeinschaftlichen Instanzen zu spielen und außerdem in der Lage zu sein,
einen Dialog und ein ständiges Netz aufrecht zu erhalten, wodurch ständig Informationen
mit den nationalen ethischen Gremien der EU und von Drittländern sowie mit den ethischen
Instanzen, die innerhalb der internationalen Regierungsorganisationen (z.B. das
Internationale Bioethik-Komitee der UNESCO oder der Bioethikausschuss des Europarats)
eingerichtet worden sind, ausgetauscht werden können;
95. ist der Auffassung, dass es mit einem solchen Forum möglich wäre, den
Informationsaustausch und eine öffentliche Debatte zu gewährleisten; mit einer integrierten
Arbeitsmethode, die alle Beteiligten (Wissenschaftler, Industrie,
Nichtregierungsorganisationen) einbezieht, gemeinsam mit der Europäischen Ethikgruppe
und der Hochrangigen Gruppe „Life sciences“ sowie der Gruppe der
Datenschutzbeauftragten und im ständigen Kontakt mit den nationalen Parlamenten der
Union könnte das Forum, das sich aus Mitgliedern des Europäischen Parlaments sowie
Vertretern der Kommission und des Rates zusammensetzt, zweimal jährlich
zusammentreffen, um die Auswirkungen der Investitionen in die Forschung zu bewerten und
mit Ad-hoc-Beiträgen, die von den zuständigen Entscheidungsgremien der jeweiligen
Institutionen in Erwägung gezogen werden können, zu etwaigen Problemen ethischer,
rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Natur Stellung zu nehmen; hinsichtlich der
Arbeitsweise dieses Forums muss sichergestellt werden, dass es eine fundierte
wissenschaftliche Zuarbeit erhält und den höchsten Standards der Transparenz und der
parlamentarischen Kontrolle genügt;
96. fordert die Vertreter der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union auf, einen
internationalen Dialog mit dem Ziel des Schutzes der Menschenwürde angesichts der
Entwicklung in der modernen Biomedizin einzuleiten und dabei auch zu versuchen, auf
Länder wie z. B. China einzuwirken, die eugenische Praktiken dulden;
97. hält es für erforderlich, dass sich das Europäische Parlament weiterhin in der Form, die es
für angemessen erachtet, mit Fragen der Humangenetik beschäftigt;
98. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, den
Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer sowie dem
Europarat zu übermitteln.
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BEGRÜNDUNG
Vorwort
Dieses Dokument fasst die Arbeit des am 13. Dezember 2000 eingesetzten nichtständigen
Ausschusses für Humangenetik zusammen. Der Berichterstatter hielt es für angebracht, die
Fragestellungen hervorzuheben, die während der Sitzungen in Anwesenheit der
Sachverständigen aufgegriffen wurden, vor allem die Schlüsselfrage über die Rolle und die
Intervention der Europäischen Union in diesem Bereich. Kann sie Regeln und Grenzen einer
„wissenschaftlichen Revolution“ festlegen, die mit den zahlreichen Revolutionen vergleichbar
ist, welche die Geschichte des Menschen geprägt haben? Dieses Arbeitsdokument stellt den
Versuch dar, eine Antwort auf diese Frage zu geben und Reflexionswege zu eröffnen, um eine
endgültige Entschließung erarbeiten zu können.
Die Diskussion konzentrierte sich auf Fragen ethischer, sozialer, rechtlicher und wirtschaftlicher
Art, die durch die Humangenetik aufgeworfen werden. Der Versuch, sich mit diesen
Problemkreisen auseinanderzusetzen, führt uns zum Nachdenken über das „ob“ und das „wie“
Europa und vor allem die Union eine Antwort geben kann.
Die Gegenüberstellung aller Positionen, die im Ausschuss zum Ausdruck gekommen sind, hat
einen entscheidenden Aspekt deutlich werden lassen: Die Notwendigkeit, einen Ausgleich
zwischen der Freiheit der Forschung und dem Grundsatz der Menschenwürde zu finden, die
international einhellig anerkannt und kürzlich in der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union bekräftigt wurden.
I.
Einleitung
In den nächsten Jahren wird den Biotechnologien und vor allem der Gentechnik eine
Schlüsselfunktion zukommen, da Letztere einen entscheidenden Beitrag zum menschlichen
Wohlbefinden und zur menschlichen Gesundheit zu leisten vermag. Die enormen Fortschritte
bei der Erforschung von Verfahren zur Behandlung zahlreicher Krankheiten lassen sich nur
unter der Voraussetzung realisieren, dass dem öffentlichen Interesse im Hinblick auf Sicherheit,
Ethik und soziale Gerechtigkeit Rechnung getragen wird. Die Frage der Forschungsstrategien
und der Anwendung dieser neuen Technologien ist daher von grundlegender Bedeutung.
Der „Europäische Forschungsraum“ ist zum Bezugsrahmen für Fragen der Forschungspolitik in
Europa geworden. Dieser von der Kommission im Januar 2000 vorgeschlagene Forschungsraum
wurde von den Staats- und Regierungschefs beim Europäischen Rat in Lissabon, in Nizza und
kürzlich am 26. März 2001 in Stockholm beschlossen. „...die Fähigkeit der Unternehmen in der
EU, die Technologien zu nutzen, wird von Faktoren abhängig wie Forschung,
Unternehmergeist, einem Regelungsrahmen, der Innovation und die Risikobereitschaft fördert,
einschließlich des gemeinschaftsweiten Schutzes des gewerblichen Eigentums zu weltweit
wettbewerbsfähigen Kosten, und davon, dass es investitionsbereite Unternehmen gibt. Im
Hinblick darauf
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−
gibt der Europäische Rat seiner Sorge über die mangelnden Fortschritte beim
Gemeinschaftspatent Ausdruck und fordert den Rat und die Kommission nachdrücklich
auf, ihre Arbeit entsprechend den Schlussfolgerungen von Lissabon und Feira unter voller
Beachtung des geltenden Rechts zu beschleunigen;
−
wird die Kommission in Zusammenarbeit mit dem Rat die erforderlichen Maßnahmen zur
Nutzung des vollen Potenzials der Biotechnologie und zur Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Biotechnologiesektors prüfen, damit dieser Sektor
es mit den führenden Konkurrenten aufnehmen kann und zugleich gewährleistet ist, dass
diese Entwicklungen in einer für die Verbraucher und die Umwelt verträglichen und
sicheren Weise erfolgen und mit den gemeinsamen Grundwerten und ethischen Prinzipien
in Einklang stehen“.
Im Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das sechste
Forschungsrahmenprogramm (2002-2006), der die Verwirklichung des Europäischen
Forschungsraumes vorsieht, heißt es: „Die große Herausforderung, die sich der Wissenschaft im
anbrechenden 21. Jahrhundert stellt, liegt darin, die bei der Aufschlüsselung des menschlichen
Genoms und der Genome anderer Organismen erzielten Fortschritte in konkrete Ergebnisse
umzusetzen: Der Einstieg in die Ära der „Postgenomik“ mit den erhofften Auswirkungen auf
die Gesundheit der Menschen sowie auf die Wettbewerbsfähigkeit der Biotechnologiebranche
steht an“.
Der Auftrag des nichtständigen Ausschusses
Am 13. Dezember 2000 hat das EP die Einsetzung eines nichtständigen Ausschusses für
Humangenetik und die anderen neuen Technologien in der modernen Medizin für die Dauer
eines Jahres beschlossen16. Dieser Ausschuss hat folgenden Auftrag17:
-
-
Aufstellung eines möglichst vollständigen Bestandsverzeichnisses der neuen Entwicklungen
und Potenziale der Humangenetik und ihrer Nutzung, um dem Parlament eine eingehende
Analyse dieser Entwicklungen zu liefern, die es ihm ermöglicht, seiner politischen
Verantwortung gerecht zu werden;
Prüfung der ethischen, juristischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen im Zusammenhang
mit diesen neuen Entwicklungen und Potenzialen sowie mit ihrer Nutzung;
Feststellung, inwieweit das öffentliche Interesse eine entschlossene Aktion angesichts dieser
Entwicklungen und Nutzungen erfordert, und Formulierung diesbezüglicher Empfehlungen;
Ausarbeitung von Leitlinien für das Parlament und die anderen Gemeinschaftsinstitutionen
zur Forschung im Bereich der Humangenetik und der anderen neuen Technologien in der
modernen Medizin sowie deren Nutzung;
16
Zur Chronologie über die Humangenetik und die von den europäischen Institutionen hierzu
eingenommenen Positionen, siehe Anlagen IV und V
17
Entschließung B5-0898/2000 (Beschluss des Europäischen Parlaments über die Einsetzung eines
nichtständigen Ausschusses für Humangenetík und die anderen neuen Technologien in der modernen Medizin)
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II.
Die Humangenetik: Eine wissenschaftliche und technologische
Herausforderung, die einer echten Revolution gleichkommt
Seit die Menschen Ackerbau und Viehzucht betreiben war offensichtlich, dass jeder Samen oder
jedes befruchtete Ei einen „verborgenen Plan oder Entwurf“ für die Entwicklung des
Organismus enthalten musste. Was ist das für ein Plan, wie sieht er aus und welche Art von
Vorgaben oder Informationen enthält er? Oder anders ausgedrückt, auf welche Weise wird die
gesamte für die Entwicklung der Nachkommen notwendige Information von den Eltern
übertragen; warum gleichen die Kinder ihren Eltern, und wie können verschiedene Krankheiten
die Mitglieder einer Familie treffen?
Etwa seit 1860 hatte ein Mönch namens Gregor Mendel Experimente mit den Merkmalen von
Erbsenpflanzen durch Kreuzung von Pflanzen mit verschiedenen Merkmalen vorgenommen. Er
hatte die Merkmale der Erbsenpflanzen, die durch gekreuzte Befruchtung entstanden waren,
aufmerksam beobachtet und dabei entdeckt, dass die Nachkommen Merkmale der
Elternpflanzen nach bestimmten Mustern geerbt hatten. Mendel nahm an, dass unbekannte
„Erbeinheiten“ für die von ihm beobachteten Merkmale verantwortlich waren, und eine
eingehendere Untersuchung des Vererbungsschemas der Merkmale führten ihn zu der These,
dass jedes Merkmal aus zwei Erbeinheiten resultierte und dass jede dieser beiden Einheiten von
einer der Elternpflanze stammte. Heute werden diese Erbeinheiten Gene genannt. Gegen Ende
des 19. Jahrhunderts hatten die Biologen erkannt, dass Träger der vererbten Information die
Chromosomen waren, die im Kern sichtbar werden, wenn die Zelle sich zu teilen beginnt, aber
der Beweis, dass die Desoxyribonukleinsäure (DNA) in diesen Chromosomen die Substanz ist,
aus der die Gene bestehen, wurde erst später, gegen Mitte des 20. Jahrhunderts erbracht.
II.1. DNA – Gene - Chromosomen
Die DNA ist die Hauptsubstanz, aus der die Chromosomen und somit die Gene bestehen. Sie
setzt sich aus nur vier Untereinheiten zusammen, den chemischen Substanzen,
(Desoxyribokleotiden), welche die Basen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T)
enthalten. Diese Untereinheiten, auch Nukleotiden genannt, sind miteinander verbunden und
bilden einen sehr langen linearen Strang. Ein typisches DNA-Molekül besteht aus zwei langen
Ketten, die durch Verbindungen (komplementäre Basenpaare) der Basen A und T und der Basen
C und G zusammengehalten werden. Die Struktur des DNA-Moleküls, die einer Strickleiter
ähnelt, heißt „Doppelhelix“.
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Cytosin-Base
Guanin-Base
Thymin-Base
Adenin-Base
Komplementäres
Basenpaar
Schaubild 1: DNA: Die Base A koppelt sich an die Base T, die Base C koppelt sich an die Base G, wodurch eine strickleiterartige
Struktur entsteht, die Doppelhelix.
Diese Struktur zeigt, wie sich die Informationsübertragung von der Mutterzelle zur Tochterzelle vollzieht: Da jeder Kettenstrang eine
Nukleotidensequenz enthält, die genau komplementär zur Nukleotidensequenz des Partnerstranges ist, übertragen beide Stränge die gleiche
genetische Information. Wenn wir beide Stränge A und A‘ nennen, kann A als Prägemuster für die Bildung eines neuen Stranges A‘ und Strang
A‘ gleichermaßen für die Bildung eines neuen A dienen. Quelle: „Alberts, Bruce et al: Molecular Biology of the cell, 3rd edition, 1994
Die gesamte in der DNA enthaltene Information ergibt sich aus der Reihenfolge, in der diese
Basen entlang des DNA-Moleküls angeordnet sind. Genauso wie beim englischen Alphabet, das
aus 26 Buchstaben besteht, kann jedes Nukleotid – A,C,G oder T – als Buchstabe eines
4 Buchstaben umfassenden Alphabets betrachtet werden, das zur Transkription biologischer
Botschaften verwendet wird. Diese vier Buchstaben reichen aus, um eine enorme biologische
Vielfalt zu erzeugen, da eine typische tierische Zelle aus etwa 3 Milliarden Nukleotiden besteht,
was einem Meter DNA entspricht. Wenn eine Zelle vor der Teilung steht, wird die DNA unter
dem Mikroskop in Form von Chromosomen sichtbar, in denen die DNA-Moleküle geordnet
sind. Die Chromosomen bestehen daher aus DNA. Die Gene sind auf den Chromosomen
angeordnete DNA-Abschnitte und tragen die Informationen in sich, die der Organismus braucht,
um funktionieren zu können. Wenn man die Beziehung zwischen DNA, Genen und
Chromosomen zum besseren Verständnis erläutern möchte, könnte man folgenden Vergleich
anstellen: Die Chromosomen können mit einer Audiokassette verglichen werden, die DNA mit
dem Band innerhalb der Kassette und die Gene mit dem Lied auf dem Band18.
Organismus
(Mensch)
Ein menschlicher
Körper besteht
aus Trillionen von
Zellen
Jeder Zellkern
enthält einen
identischen
Chromosomensatz
Ein spezifisches Jedes Chromosom ist Die DNA ist
Chromosomen- ein langes DNA-Molekül
eine
paar
und die Gene sind
Doppelhelix
funktionale Abschnitte
dieser DNA
Schaubild 2: Illustration der Beziehung zwischen DNA, Genen, Chromosomen, Zellen und Organismen
Quelle: "Griffiths, Anthony J.F et al.An introduction to genetic analysis, 6th edition, 1996
18
"Human genetics: Choice and responsibility" – British Medical Association -1998
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II.2. Chromosomen
Das gesamte genetische Material, das im Chromosomensatz enthalten ist, heißt Genom. Die
meisten menschlichen Zellen haben zwei Sätze von 23 Chromosomen, von denen einer von der
biologischen Mutter und der andere vom biologischen Vater vererbt wird, was insgesamt einer
Zahl von 46 Chromosomen entspricht. Die Keimzellen (die Zellen, aus denen die Eizellen und
die Spermatozoen gebildet sind) tragen jedoch nur einen Chromosomensatz (insgesamt 23
Chromosomen), der aus einer Mischung von Genen besteht, die von der Mutter und vom Vater
stammen. Die Art, wie das genetische Material sich in jeder Keimzelle kombiniert, ist also
einzigartig. Bei der Befruchtung, wenn die Ei- und die Samenzelle sich vereinigen, werden die
beiden homogenen Gensätze neu zusammengestellt, ein Prozess, zu dem beide Eltern mehr oder
weniger zufällig beitragen.
22 Chromosomenpaare (insgesamt 44 Chromosomen) sind bei Männern und Frauen gleich,
diese Chromosomen heißen Autosomen. Die beiden übrigen Chromosomen jedoch bestimmen
das Geschlecht der Nachkommen und heißen daher Geschlechtschromosomen. Frauen haben
zwei „X“ Chromosomen, während Männer ein „X-Chromosom“ und ein „Y-Chromosom“
haben, wobei jeder der beiden Partner eines dieser Chromosomen an das Kind weitergibt. Alle
Eizellen haben ein X-Chromosom (eines der beiden X-Chromosomen der Mutter), folglich
überträgt die Mutter stets ein X-Chromosom an ihre Kinder. Die Samenzelle kann jedoch ein XChromosom oder ein Y-Chromosom enthalten. Wenn also die Eizelle durch eine Samenzelle
befruchtet wird, die ein X-Chromosom enthält, entsteht ein Mädchen (XX), wenn sie aber durch
eine Samenzelle mit einem Y-Chromosom befruchtet wird, entsteht ein Junge (XY).
Schaubild 3: Eine vollständige Chromosomenreihe eines Mannes, sichtbar gemacht durch Einfärbung unter dem Mikroskop
Quelle: "Griffiths, Anthony J.F et al.An introduction to genetic analysis, 6th edition, 1996
II.3. Erbkrankheiten
Zur Übertragung der gesamten Erbinformation an die nachfolgende Generation muss eine Zelle
vor der Teilung den gesamten Chromosomensatz verdoppeln. Der Mechanismus, nach dem sich
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dieser Prozess vollzieht, ist nicht perfekt und es kann daher manchmal zu Fehlern kommen. Die
Fehler heißen Mutationen. Mutationen können einzelne Gene, aber auch ganze Chromosomen
betreffen.
-
-
Ein Beispiel für eine Genmutation ist die durch einen Fehler bei der Replikation bedingte
Vertauschung eines einzelnen Nukleotids in der DNA-Sequenz. Anstelle von
...ATGGACG... könnte die Tochterzelle zum Beispiel eine leicht veränderte Version
...ATGTACG... erben, was durch einen Fehler beim Kopieren verursacht wird. Obwohl die
Sequenz scheinbar normal ist, kann dieses Phänomen zu schweren Fehlern führen:
Patienten, die an zystischer Fibrose leiden, haben im entsprechenden Gen für die zystische
Fibrose ähnliche einfach vertauschte Nukleotiden.
Ein Beispiel für eine auf einen Fehler bei der Zellteilung zurückzuführende
Chromosomenmutation ist die Trisomie 21, die auch als Down-Syndrom bekannt ist.
Chromosomenmutationen bestehen im allgemeinen aus neu zusammengesetzten
Chromosomenabschnitten, aus einer anomalen Zahl einzelner Chromosomen oder aus einer
anomalen Zahl von Chromosomensätzen.
Heute ist bekannt, dass viele Chromosomenanomalien zu einem Absterben vor der Geburt
führen, das bedeutet, dass viele Chromosomenmutationen zu einem Ende der Schwangerschaft
führen und dass nur wenige Embryonen mit Anomalien überleben können. Alle Menschen sind
jedoch Träger potenziell schädlicher mutierter Gene. Ob eine Genmutation zu einer Krankheit
führt, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
-
der Übertragungsart der Krankheit;
der Krankheitsursache:
-
einem Defekt an einem einzelnen Gen (einer durch Fehler an einem einzigen Gen
verursachten Krankheit)
einer polygenen Dysfunktion: Für den Ausbruch der Krankheit muss mehr als ein
Gen schadhaft sein;
einer multifaktoralen Dysfunktion: Der Gendefekt erhöht das Risiko, dass ein
Individuum die Krankheit entwickelt, aber die tatsächliche Entwicklung der
Krankheit hängt von externen Faktoren wie der Ernährung, Bewegung, Rauchen,
schädliche Substanzen in der Umwelt usw. ab.
Übertragungsart
Jedes Individuum erbt zwei Chromosomenreihen und somit zwei Gensätze. Daher kann ein
Individuum durch jedes besondere Gen zwei normale Kopien, eine normale und eine schadhafte,
oder zwei schadhafte Kopien erben. Individuen mit zwei normalen Kopien eines besonderen
Gens erkranken nicht an der dieser Mutation des Gens zugeordneten Krankheit. Individuen mit
zwei schadhaften Kopien werden erkranken. Bei Individuen mit einer normalen und einer
schadhaften Kopie hängt die Entwicklung der Krankheit jedoch von der Übertragungsart dieser
besonderen Fehlfunktion ab. Bei Krankheiten, die durch einen Defekt an einem einzelnen Gen
verursacht werden (durch Defekte an einem Einzelgen verursachte Krankheiten), gibt es drei
verbreitete Erbschemata: dominant, rezessiv und mit dem X-Chromosom verbunden.
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Dominante autosome Krankheiten
Ein Beispiel für eine dominante Krankheit ist das Morbus Huntington. Individuen, die nur eine
Kopie eines schadhaften Gens erben, erkranken. Diese Menschen haben eine gesunde und eine
schadhafte Kopie des Gens. Folglich enthält die eine Hälfte ihrer Keimzellen die gesunde
Kopie des Gens, während die andere die schadhafte Kopie enthält. Wenn eine Eizelle, die
Träger der schadhaften Kopie ist, befruchtet wird, erkranken die Nachkommen, unabhängig
davon, wie die genetische Zusammensetzung der Samenzelle ist. Außerdem erkranken die
Nachkommen, wenn eine Samenzelle, die Träger des schadhaften Gens ist, eine „gesunde“
Eizelle befruchtet. Nur die Nachkommen, die aus der Befruchtung einer „gesunden“ Eizelle mit
einer „gesunden“ Samenzelle hervorgehen, erkranken nicht. Bei Trägern des schadhaften Gens
liegt das Risiko, ein krankes Kind zu bekommen, bei 50 % (Schaubild 4).
Vater
(krank)
Mutter
zwei Arten von
Samenzellen
Eizellen
nicht
krank
krank
Kinder
Schaubild 4: Dominante autosome Vererbung
Quelle: "British Medical Association – Human genetics: Choice and responsibility" , 1998
Rezessive autosome Krankheiten
Ein Beispiel für eine rezessive Krankheit ist die zystische Fibrose. Um krank zu werden, muss
das Kind zwei schadhafte Kopien des Gens erben, da ein normales Gen den Defekt der anderen
Kopie ausgleicht. Menschen mit einem schadhaften und einem gesunden Gen werden „Träger“
genannt und erkranken für gewöhnlich nicht. Wenn die Träger Kinder mit einem anderen Träger
haben, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind zwei schadhafte Kopien erbt und somit
erkrankt, bei 25 %. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder selbst Träger werden, liegt jedoch
bei 50 %, während die Wahrscheinlichkeit, dass sie zwei gesunde Kopien erben und somit nicht
erkranken und nicht Träger sind, bei 25 % liegt (Schaubild 5).
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Vater
(gesunder
Träger)
Mutter
(gesunder
Träger)
zwei Arten
von
Samenzellen
zwei Arten
von Eizellen
nicht
krank
gesunde Träger
krank
Kinder
Schaubild 5: Rezessive autosome Vererbung
Quelle: "British Medical Association – Human genetics: Choice and responsibility", 1998
Mit dem X-Chromosom verbundene Krankheiten
Ein Beispiel für diesen Krankheitstyp ist die Duchennesche Muskeldystrophie. Bei den mit dem
X-Chromosom verbundenen Krankheiten erfolgt die Mutation bei Genen, die auf dem XChromosom liegen. Der größte Teil dieser Krankheiten bei Frauen ist rezessiv und die gesunde
Kopie gleicht den Defekt daher aus. Somit treffen diese Krankheiten generell nur männliche
Nachkommen, da sie nur ein von der Mutter vererbtes X-Chromosom haben. Weibliche
Nachkommen, die eine Kopie des defekten Gens erben, werden Trägerinnen und erkrankten in
der Regel nicht, weil ein zweites X-Chromosom mit einem normalen Gen vorhanden ist.
(Schaubild 6)
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X
Y
X X
Mutter
(gesunder
Träger)
Vater
Zwei Arten
von
Samenzellen
Zwei
Arten von
Eizellen
Gesunde Kinder
Mädchen
gesunde Trägerin
Junge
krank
Schaubild 6: Vererbung in Verbindung mit dem X-Chromosom
Quelle: "British Medical Association – Human genetics: Choice and responsibility", 1998
II.4. Die Funktion der Gene
Die Gene sind für die im Leben eines Organismus ablaufenden Zellfunktionen verantwortlich.
Die Gene führen jedoch im Organismus nicht aktiv Aktionen durch, sondern liefern die
Information für die Erzeugung der Proteine. In einer Zelle erfüllen die Proteine fast alle für das
Funktionieren der Zelle notwendigen Aufgaben. Neben anderen Funktionen können die Proteine
Materialien transportieren, die Struktur versorgen, mit anderen Zellen kommunizieren und
chemische Reaktionen erleichtern. Die Untereinheiten der Proteine sind die Aminosäuren, die
untereinander nach einer bestimmten Ordnung verbunden sind und so lange Aminosäureketten
- ein Protein - bilden. So wie verschiedene Organismen verschiedene DNA-Sequenzen haben, so
haben auch verschiedene Proteine innerhalb eines einzelnen Organismus eine unterschiedliche
Anordnung der Aminosäuren (auch Aminosäurensequenz genannt).
Wie bereits erläutert sind die Gene Chromosomenabschnitte, die Proteine kodieren. Wichtig ist
jedoch der Hinweis, dass die kodierenden Abschnitte innerhalb eines Gens (Exons) durch
nichtkodierende Abschnitte (Introns) unterbrochen sind, die keine Informationen für die
Produktion von Proteinen liefern. Dies bedeutet, dass nicht die gesamte DNA als Proteincode
dient, es scheint in der Tat, als sei ein großer Teil unserer DNA überflüssig und habe nach
unserer derzeitigen Kenntnis keine erkennbare Funktion.
Die Übertragung der Information von der DNA (von einem Gen) auf ein Protein ist ein
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ausgefeilter Prozess, der aus verschiedenen Phasen besteht: Während der ersten Phase werden
die Gene in die als Ribonukleinsäure (RNA) bekannten Polynukleotiden übertragen. Die RNA
ist der DNA sehr ähnlich; der wichtigste Unterschied besteht darin, dass die Base Thymin (T) in
der RNA durch die Base Uracil (U) ersetzt ist. Die RNA behält jedoch die gesamte Information
der DNA-Sequenz, von der sie kopiert wurde. Dieser Prozess wird DNA-Transkription genannt.
Auf jeden Fall werden sowohl die Exons (kodierende Abschnitte) als auch die Introns
(nichtkodierende Abschnitte) während dieses Prozesses kopiert. In der zweiten Phase werden
die Introns daher durch ein „Spleißen der RNA“ (Trennen und wieder Zusammenfügen der
RNA) aus der RNA entfernt, wodurch ein kürzeres (mRNA genanntes) RNA-Molekül entsteht,
das nur die kodierenden Abschnitte des Gens enthält. Dieses mRNA-Molekül wird schließlich
durch einen besonderen Mechanismus in ein Protein umgewandelt. Die Transformation erfolgt
auf folgende Weise: Eine durch drei Nukleotiden definierte Sequenz (z. B. „AUG”) kodiert für
eine bestimmte Aminosäure (z. B. AA1); eine andere Sequenz aus drei Nukleotiden (z. B.
„CAG“) kodiert für eine andere spezifische Aminosäure (z. B. AA2). Während des Lesens
entlang der RNA-Sequenz weiß das System genau, welche Aminosäuren zu den
vorausgegangenen hinzugefügt werden müssen, um eine Aminosäurenkette, ein Protein, zu
bilden. Die lineare Sequenz der Nukleotiden in einem Gen bestimmt daher die lineare Sequenz
der Aminosäuren in einem Protein.
Dem Human-Genom-Projekt ist es zu verdanken, dass die Sequenz des gesamten menschlichen
Genoms inzwischen verfügbar ist. Überraschenderweise ist die Zahl der menschlichen Gene
sehr viel kleiner als erwartet. Das menschliche Genom enthält nämlich nur 30.000 Gene und
nicht 100.000, wie in der Vergangenheit angenommen; das bedeutet, dass wir nur zwei- oder
dreimal so viele Gene haben wie eine Fruchtfliege.
II.5. Konsequenzen des Human-Genom-Projekts
Das Human-Genom-Projekt, die Sequenzierung unserer gesamten DNA und die lineare
Anordnung der Gene auf den Chromosomen, wird große Auswirkungen auf die biomedizinische
Forschung und den Gesamtkomplex der Therapie und Gesundheitsvorsorge haben. Im Bereich
der Biomedizin taucht eine Vielzahl neuer Begriffe auf, die vom Genscreening über
Keimbahntherapien bis hin zu gezielten molekularen Pharmazeutika reicht, verbunden mit dem
Versprechen radikaler Fortschritte bei Gesundheit, Prävention, Diagnose und Therapien. Im
letzten Jahrzehnt haben die Wissensfortschritte in der Humangenetik und die Entwicklungen der
Diagnosetechniken unter Einsatz der Molekularbiologie die Grundlagen für eine neue prädiktive
Medizin geschaffen. Die Erkennung der molekularen Ursachen von Erbkrankheiten bedeutet in
der Tat eine Erweiterung der Diagnose- und Präventionsmöglichkeiten durch eine präzisere,
personenspezifischere und wirksamere Behandlung von Krankheiten als derzeit möglich ist.
Auch die absehbaren wirtschaftlichen Vorteile sind enorm. Die Vorteile für den Menschen im
Hinblick auf seine Gesundheit und die wirtschaftlichen Vorteile im Hinblick auf das
Wachstums-, Wohlstands- und Beschäftigungspotenzial können aber nur dann optimal genutzt
werden, wenn in Europa angemessene Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Es handelt sich um ein Phänomen, das sich mit rasender Geschwindigkeit vor unseren Augen
entwickelt, das unsere Fähigkeit, die Ausmaße und möglichen Konsequenzen vollständig zu
verstehen, herausfordert und mit Sicherheit eine ganze Reihe von Problemen aufwirft. Einige
dieser Probleme sind alt, weisen aber neue Dimensionen auf, andere aber sind neuartig und sehr
komplex. Wir stehen hier noch am Anfang eines Denkprozesses. Auf der einen Seite hegt man
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große Hoffnungen und Erwartungen und auf der anderen Seite wächst tiefe Besorgnis.
Es ist noch nicht klar, inwieweit (und wann) die biomedizinische Forschung auch zu
Behandlungsmöglichkeiten führen kann, die sich statistisch relevanter Form auf die Gesundheit
der Menschen auswirken.19 Die Meinungen hierzu sind geteilt. Am verbreitetsten ist die
Ansicht, dass die klinischen Auswirkungen der Entwicklungen im Bereich der
fortgeschrittensten biomedizinischen Forschung so groß sein werden, dass sie zu einer
regelrechten Revolution der medizinischen Praxis führen. Einige Wissenschaftler sind aber
vorsichtiger und betonen, dass die in die klinische Praxis übertragenen Ergebnisse zumindest
auf therapeutischer Ebene bisher eher Hoffnung als Realität sind und dass das Ausmaß dieser
Revolution jedenfalls nicht mit übertriebenen Erwartungen verbunden werden darf, weil ihre
Auswirkungen auf die Diagnose und Behandlung der am stärksten verbreiteten Krankheiten
nicht groß sein werden; denn der Zusammenhang zwischen Genotypus und Phänotypus sei hier
sehr gering und ein massiver Einsatz der Genetik bringe keine Vorteile20.
Nur die weitere Entwicklung der Forschung wird zeigen, wer Recht behält. Bis dahin müssen
wir uns fragen, welche Probleme wir aufgreifen und lösen müssen, um das, was die
wissenschaftliche Forschung uns anbietet, so gut wie möglich, das heißt zum Vorteil der
menschlichen Gesundheit, zu nutzen. Die aktuelle Debatte bietet ein breites Spektrum an
Problemen, die an dieser Stelle natürlich nicht in allen Einzelheiten dargelegt werden können.
Aber die Frage nach den öffentlichen Regeln, die am besten zur Steuerung dieses Bereichs der
biomedizinischen Forschung geeignet sind, ist gewiss eine der Fragen, mit denen dieser
Aussschuss sich auseinandersetzt.
Die Wissenschaft einerseits und die Öffentlichkeit andererseits verlangen nach Klarheit und
korrekter Information in diesem Bereich. In diesem Geiste arbeiten die bei der Europäischen
Kommission eingerichtete Hochrangige Gruppe für Biowissenschaften und die Europäische
Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien. Der Nichtständige
Ausschuss für Humangenetik des Europäischen Parlaments will zu dieser Debatte beitragen.
III.
Eine Arbeitsmethode zur Unterstützung eines „integrierten
Ansatzes“ für eine neue Beziehung zwischen Wissenschaft und
Gesellschaft
Mit dem technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt im Bereich der Humangenetik
werden die wirtschaftlichen, finanziellen und kommerziellen Interessen immer größer, und die
Werte und grundlegenden Prinzipien der Zivilgesellschaft werden in Frage gestellt. Eine solche
Entwicklung zwingt Wissenschaftler, Politiker, Entscheidungsträger im wirtschaftlichen und
industriellen Bereich sowie Bürger dazu, neue Lösungen für neue Probleme zu finden. Es zeigt
sich daher die Notwendigkeit einen neuen Verhältnisses zwischen Wissenschaft, Technologie
und Gesellschaft.
Vor allem die Humangenetik wirft nicht wenige Interessenkonflikte auf, und der nichtständige
Ausschuss hielt es daher für richtig, eine Art „integrierten Ansatz“ zu wählen, um die Fachleute
der verschiedenen Fachrichtungen anzuhören, die alle die gleichen Fragen jeweils aus ihrem
19
siehe Beitrag Prof. Demetrio Neri – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. April 2001
Vgl. z. B.: N.A. Holtzman, T.M. Marteau, "Will Genetics revolutionize Medicine?", The New England
Journal of Medicine, vol. 343, n. 2, 2000, pp. 141-144.
20
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Blickwinkel aufgreifen. Die Arbeitsmethode stützte sich daher auf folgende Instrumente:
-
Anhörungen von Sachverständigen
Kontakt zur Öffentlichkeit über die Internet-Homepage des nichtständigen Ausschusses21
Treffen mit Vertretern der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer
Diskussion mit Vertretern der Zivilgesellschaft
Abgesehen von den ersten beiden Sitzungen, bei denen zwei Vertreter der Europäischen Gruppe
für Ethik der Naturwissenschaften und der Hochrangigen Gruppe für Biowissenschaften22 sowie
drei Vertreter von Patientenverbänden zu Wort kamen, hat dieser Ausschuss eine Reihe von
Sachverständigen aus den Bereichen Medizin, Recht und Ethik zum spezifischen Thema der
Sitzung angehört. Es ging darum, das notwendige Material zusammenzutragen, um zu einer
ausgewogenen Sicht der Dinge zu gelangen. Die Sachverständigen wurden anhand ihres
Fachgebietes und vor allem unter ausgewogener Berücksichtigung der von ihnen vertretenen
Standpunkte in dieser Frage ausgewählt.23 Begegnungen mit Vertretern der zuständigen
Ausschüsse der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer24 sowie mit
Vertretern der Zivilgesellschaft dienten nur der Ergänzung und folglich der Abrundung des
Überblicks über eine Materie, die wegen ihres fachübergreifenden Charakters verschiedene
Teile unserer Gesellschaft betrifft.
Die Verantwortung, sich mit den Fragen der Humangenetik auseinanderzusetzen, liegt daher bei
der Zivilgesellschaft, den staatlichen Behörden der Mitgliedstaaten und in einigen Fällen bei der
Europäischen Union. Im letzten Fall besteht der Versuch, einen positiven Beitrag zur laufenden
Debatte zu leisten, darin, sich über die unterschiedlichen kulturellen, nationalen und religiösen
Sensibilitäten klar zu werden. Der „integrierte“ Arbeitsansatz soll daher einen „interaktiven
Dialog“ mit den Endnutzern und den gesellschaftlichen Akteuren – Patienten, Ethikern,
Institutionen und der breiten Öffentlichkeit – fördern, um zu sozial verantwortungsvollen
Entscheidungen und deren Akzeptanz durch die Öffentlichkeit zu gelangen.
Der Denkprozess muss also horizontal auf all die Bereiche ausgedehnt werden, in denen es
erhebliche Auswirkungen gibt. Auch in den Dienststellen der Europäischen Kommission ist
wegen der Interdependenz der verschiedenen Bereiche, auf die sich die Humangenetik auswirkt,
ein übergreifender Ansatz von grundlegender Bedeutung. Notwendig wäre eine Beteiligung der
Generaldirektion (GD) Forschung, der GD Binnenmarkt, der GD Gesundheit und
Verbraucherschutz sowie der GD Beschäftigung und Soziales. Theoretisch könnte auch die GD
Handel hinzugezogen werden, da viele der Fragen, die wir uns in Europa stellen, im Rahmen der
Welthandelsorganisation zu behandeln sind, insbesondere die wichtige Frage des geistigen
Eigentums, aber auch die Frage der Sicherheit und die Frage der Weitergabe von
Forschungsmaterialien, bei denen es zunehmend um Produkte oder Teile des menschlichen
Körpers geht (auch wenn es sich nur um Stammzellen handelt). 25Auch die GD
Informationsgesellschaft müsste aus dem einfachen Grund involviert werden, weil die
Biotechnologien und die Genetik die Informationstechnik und die Robotik als unverzichtbare
Werkzeuge bei der Sequenzierung des Genoms nutzen. Zu guter Letzt auch die zuständigen
Dienststellen für die Menschenrechte, da in der Charta der Grundrechte sehr präzise
21
Internet-Adresse: http://www.europarl/default.htm
Siehe Beiträge bei der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 30. Januar und 13. Februar 2001
23
Siehe im Anhang beigefügtes Arbeitsprogramm
24 Ein wichtiger Aspekt des Vorschlags für einen Beschluss über das VI Rahmenprogramm ist die volle
Beteiligung der Beitrittstaaten an sämtlichen Aktivitäten als assoziierte Länder bei seiner Durchführung – Art. 6
25
Siehe Beitrag von Frau Lenoir in der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 30. Januar 2001
22
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Bestimmungen zu diesem Thema enthalten sind.
Das ethische Grundproblem der Überlegungen zur Humangenetik ist folgendes: Wie lassen sich
die Interessenkonflikte lösen? Wie lässt sich erreichen, dass die menschliche Gesundheit, und
somit die Verbesserung der Lebensqualität, die Grundlage des wissenschaftlichen Fortschritts
der Humangenetik ist, mit anderen Zielen wie der Patientensicherheit und der Sicherheit
künftiger Generationen im Einklang steht?
Der Berichterstatter betrachtet die Arbeit dieses Ausschusses als eine Dienstleistung, die für die
Diskussion in Europa von Nutzen ist. Dabei besteht das Ziel letztlich darin, zu einem
Standpunkt zu gelangen, der für Individuen mit sehr unterschiedlicher Sensibilität und sehr
unterschiedlichen Berufen akzeptabel ist. Möglicherweise muss man gegenüber den eigenen
sehr persönlichen Überzeugungen Konzessionen machen, um angesichts eines pluralistischen
Umfeldes, das heute Grundlage der Entwicklung Europas ist und das sich mit der künftigen
Erweiterung nur noch weiter verstärken kann, herauszufinden, was in Europa machbar ist. Als
Methode sollte hierfür die Formulierung eines Standpunkts gewählt werden, der diese Vielfalt
berücksichtigt, anstatt die verschiedenen vertretenen Sensibilitäten widerzuspiegeln. Diese
Sensibilitäten sind in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen am besten aufgehoben.
Die Mitgliedstaaten und die Union müssen sich für die Schaffung der geeigneten
Voraussetzungen für eine gedeihliche Entwicklung des Bereichs der Humangenetik einsetzen
und die Fälle festlegen, in denen eine europäische Aktion angezeigt erscheint. Es wird daher der
diesem Ausschuss übertragene Auftrag verfolgt, nämlich die juristischen, ethischen, sozialen
und wirtschaftlichen Folgen zu untersuchen und sich dabei auf die Zuständigkeiten zu
beschränken, die der Union auf diesem Gebiet zustehen.
IV.
Befugnisse der EU im Bereich der Humangenetik
Die Europäische Union verfügt über keine direkten Legislativbefugnisse im Bereich der
Humangenetik. Der Vertrag enthält keine Bestimmungen, die sich speziell auf die
Humangenetik und die neuen Technologien in der modernen Medizin beziehen. Allerdings
ermöglichen einige Artikel des Vertrags die Annahme von Maßnahmen in diesen Bereichen,
wie dies auch bereits in der Vergangenheit geschehen ist. Genauer gesagt: Um einen
gemeinschaftlichen Rechtsakt zu Fragen der Humangenetik und der neuen Technologien in der
modernen Medizin annehmen zu können, müssen das Ziel und der Inhalt des betreffenden
Rechtsakts den Kriterien entsprechen, die in dem als Rechtsgrundlage verwendeten Artikel des
Vertrags festgelegt sind.
Es gibt drei Bereiche, in denen sich eine Gemeinschaftsaktion rechtfertigen lässt; diese sind:
-
die Volksgesundheit - Artikel 152 EGV
die Forschung – Artikel 163 bis 173 EGV (vor allem die Finanzierung des ForschungsRahmenprogramms)
In beiden Fällen handelt es sich um Aktionen, welche die Gemeinschaft annehmen kann, um die
Aktionen der Mitgliedstaaten zu fördern und zu ergänzen;
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-
der Binnenmarkt – Artikel 95 EGV26 (er erlaubt die Annahme von Maßnahmen der
Gemeinschaft, die mit der Errichtung und dem Funktionieren des Binnenmarktes
zusammenhängen, und gestattet im Rahmen dieser Grenzen Gemeinschaftsaktionen, die
Fragen der Genetik und der neuen Technologien in der modernen Medizin betreffen)
In dieser Hinsicht sind zwei Richtlinien von erheblicher Bedeutung:
-
die Richtlinie 1995/46/EG vom Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der
Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr;
die Richtlinie 1998/44/EG vom Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer
Erfindungen.
Bestimmungen des Vertrags im Bereich des Gesundheitswesens
Für den Bereich des Gesundheitswesens sieht Artikel 152 EGV vor, dass die Tätigkeit der
Gemeinschaft die einzelstaatlichen Maßnahmen ergänzen soll27. In diesem Bereich verfügt die
Gemeinschaft über keine ausschließliche Zuständigkeit, da diese Zuständigkeit darauf
beschränkt ist, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu “fördern“ und deren
Vorgehen zu „unterstützen“. Da es sich um eine Zuständigkeit handelt, die die Zuständigkeit
der Mitgliedstaaten ergänzt, ist darauf hinzuweisen, dass bei jedem Tätigwerden der
Gemeinschaft das in Artikel 5 EGV verankerte Subsidiaritätsprinzip eingehalten werden muss.
Artikel 152 EGV sieht vor, dass nach dem Mitentscheidungsverfahren Maßnahmen zum Schutz
und zur Verbesserung der Volksgesundheit ergriffen werden können, er untersagt jedoch
ausdrücklich jede Harmonisierung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften. Dieser Artikel
enthält auch die Befugnis, ebenfalls nach dem Mitentscheidungsverfahren „hohe Qualitäts- und
Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs sowie für Blut und
Blutderivate“ festzulegen. Im letzteren Fall schließt der Vertrag die Möglichkeit einer
Harmonisierung nicht aus. Allerdings bewegen wir uns hier nach wie vor im Rahmen einer
Zuständigkeit, die diejenige der Mitgliedstaaten ergänzt. Im letzten Absatz des Artikels 152
EGV wird die begrenzte Tragweite dieser Zuständigkeit dadurch präzisiert, dass diese
Maßnahmen „die einzelstaatlichen Regelungen über die Spende oder die medizinische
Verwendung von Organen und Blut“ unberührt lassen.
Abgesehen von diesen Maßnahmen, die nach dem Mitentscheidungsverfahren erlassen werden,
sieht Artikel 152 EGV noch vor, dass der Rat mit qualifizierter Mehrheit Empfehlungen erlassen
kann. Für die Annahme dieser Empfehlungen ist die Konsultation des Parlaments nicht
erforderlich.
26
Im Urteil des Gerichtshofes über die Werbung für Tabakerzeugnisse vom 5. Oktober 2000 wird daran
erinnert, dass Artikel 95 unabhängig von den Bestimmungen des Artikels 152 Absatz 4 Buchstabe c EGV auch auf
Fragen des Gesundheitswesens anwendbar ist.
27
Neben Artikel 152 EGV, der sich speziell mit den Befugnissen der Gemeinschaft im Bereich des
Gesundheitswesens befasst, wird das Ziel des Gesundheitsschutzes auch bei anderen Maßnahmen der Gemeinschaft
berücksichtigt, wie beispielsweise beim Verbraucherschutz (Artikel 153 Absatz 1 EGV) oder bei der Umwelt
(Artikel 174 Absatz 1 EGV).
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Bestimmungen des Vertrags im Bereich der Forschung
Der Titel XVIII des Vertrags (Artikel 163 bis 173 EGV) befasst sich mit der Forschung und der
technologischen Entwicklung. Dieser Bereich fällt nicht unter die ausschließliche Zuständigkeit
der Gemeinschaft, und daher „ergänzen“ die Maßnahmen der Gemeinschaft die Aktionen der
Mitgliedstaaten (Artikel 164 EGV). Gemäß Artikel 163 EGV „fördert“ die Gemeinschaft
Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen bei ihren Bemühungen auf dem Gebiet der
Forschung und „unterstützt“ deren Zusammenarbeit.
Zu diesem Zweck sieht der Vertrag die Annahme von Forschungs-Rahmenprogrammen nach
dem Mitentscheidungsverfahren vor. Diese Rahmenprogramme werden mittels spezifischer
Programme durchgeführt, die vom Rat nach Konsultation des Parlaments beschlossen werden.
Was insbesondere die Humangenetik angeht, so sieht das fünfte Rahmenprogramm für den
Zeitraum 1998-200228 unter den Leitaktionen die „Erforschung von Genomen und genetisch
bedingten Krankheiten“ vor und verweist auf die „neuen Technologien“, die sich aus der
Nutzung der Genominformation im Interesse der Gesundheit, der Industrie und der Umwelt in
Europa ergeben.
Dieses Rahmenprogramm umfasst außerdem die „Untersuchung von Fragen der
biomedizinischen Ethik und der Bioethik“, wozu folgendes festgestellt wird: „Innerhalb dieses
Rahmenprogramms werden keinerlei Forschungstätigkeiten durchgeführt, bei denen eine
Änderung des genetischen Erbguts von Menschen durch Veränderung von Keimzellen oder
durch Eingriffe in anderen Phasen der Embryonalentwicklung vorgenommen oder bezweckt
wird und bei denen die Vererbbarkeit derartiger Veränderungen bewirkt werden kann.“
Selbst ohne eine direkte und ausschließliche Zuständigkeit, die es dem
Gemeinschaftsgesetzgeber ermöglichen würde, Verordnungen oder Richtlinien im Bereich der
Humangenetik zu erlassen, kann die Gemeinschaft daher im Rahmen ihrer
Forschungskompetenzen bestimmte Kriterien festlegen, die für die diesbezüglichen Aktionen,
die aus dem Rahmenprogramm finanziert werden, einzuhalten sind.
Die Kommission hat erst kürzlich ihren Vorschlag für einen Beschluss über das
Rahmenprogramm 2002-200629vorgelegt. Zu den vorrangigen Themenbereichen gehören die
auf der Analyse des menschlichen Genoms beruhenden Forschungsarbeiten, die zur
Entwicklung neuer Diagnoseinstrumente führen könnten.
In Erwägung 11 dieses nach dem Mitentscheidungsverfahren behandelten Beschlussvorschlags
wird betont, dass die Forschungstätigkeiten innerhalb des Rahmenprogramms unter Beachtung
der Grundrechte und –prinzipien, insbesondere derjenigen, die in der Charta der Grundrechte
festgelegt sind, durchgeführt werden müssen.
In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union werden eugenische Praktiken,
insbesondere diejenigen, welche die Selektion von Personen zum Ziel haben, sowie das
reproduktive Klonen von Menschen verboten. Außerdem wird verboten, den menschlichen
Körper und Teile davon zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen (siehe Artikel 3 „Recht auf
Unversehrtheit der Person“).
28
29
Beschluss 182/1999, ABl. L 26 vom 1.2.1999, S. 46
KOM(2001) 0094 vom 21.02.2001
RR\453921DE.doc
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PE 300.127
DE
Bestimmungen des Vertrags im Bereich des Binnenmarktes
Artikel 95 Absatz 1 EGV sieht vor, dass nach dem Mitentscheidungsverfahren „Maßnahmen
zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die
Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben,“ erlassen werden
können.
Hierbei handelt es sich um eine echte gemeinschaftliche Zuständigkeit, die nicht nur eine
Förderung oder Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten, sondern auch ein
gesetzgeberisches Tätigwerden gestattet. Aufgrund dieses Artikels können Verordnungen oder
Richtlinien erlassen werden, die Fragen im Zusammenhang mit dem Mandat des Nichtständigen
Ausschusses für Humangenetik und andere neue Technologien in der modernen Medizin
betreffen, vorausgesetzt, dass diese Bestimmungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes
abzielen.
Um sich auf die in Artikel 95 EGV verankerte gemeinschaftliche Zuständigkeit zu berufen,
müssen das Ziel und der Inhalt des betreffenden Rechtsakts in der Tat mit „der Errichtung und
dem Funktionieren des Binnenmarktes“ zusammenhängen. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so
gibt es keinen Hinderungsgrund dafür, dass die jeweilige Verordnung bzw. Richtlinie
beispielsweise Fragen des Gesundheitswesens betrifft.
Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, darf der Rückgriff auf Artikel 95 EGV jedoch nicht
dazu benutzt werden, um den ausdrücklichen Ausschluss jeder Harmonisierung gemäß
Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe c) EGV30 zu umgehen. Nach Auffassung des Gerichtshofs sind
die in Artikel 95 Absatz 1 EGV genannten Maßnahmen dazu bestimmt, die Bedingungen für die
Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern. „Diesen Artikel dahin
auszulegen, dass er dem Gemeinschaftsgesetzgeber eine allgemeine Kompetenz zur Regelung
des Binnenmarkts gewährte, widerspräche nicht nur dem Wortlaut der genannten
Bestimmungen, sondern wäre auch unvereinbar mit dem in Artikel 3 B EGV (jetzt Artikel 5
EGV) niedergelegten Grundsatz, dass die Befugnisse der Gemeinschaft auf
Einzelermächtigungen beruhen“.
Daher müssen die aufgrund des Artikels 95 EGV erlassenen Rechtsakte, auch wenn sie Fragen
im Zusammenhang mit dem Mandat des Nichtständigen Ausschusses für Humangenetik
betreffen, darauf abzielen, die Voraussetzungen für das Funktionieren des Binnenmarktes in
einem bestimmten Sektor konkret zu verbessern. Es muss vermieden werden, dass die
Unterschiede zwischen den in diesem Bereich geltenden einzelstaatlichen Bestimmungen
Handelshemmnisse zwischen den Mitgliedstaaten schaffen und Wettbewerbsverzerrungen
bewirken, die das Funktionieren des Binnenmarktes behindern.
In diesem Zusammenhang kann man als Beispiele die Richtlinie über In-vitro-Diagnostika 31
oder die Richtlinie über Medizinprodukte, die stabile Derivate aus menschlichem Blut oder
Blutplasma enthalten 32 anführen, die beide aufgrund des Artikels 95 EGV erlassen wurden.
Außerdem sei auf die Richtlinie 1998/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer
30
31
32
Urteil vom 5. Oktober 2000, Rechtssache C-376/98, Deutschland ./. EP und Rat, Entscheidungsgrund 79
Richtlinie 1998/79/EG des EP und des Rates vom 27. Oktober 1998, ABl. L 331 vom 7.12.1998, S. 1
Richtlinie 2000/70/EG des EP und des Rates vom 16.11.2000, ABl. L 313 vom 13.12.2000, S. 22
PE 300.127
DE
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Erfindungen 33 verwiesen, die ebenfalls aufgrund des Artikels 95 EGV erlassen wurde und
derzeit Gegenstand einer Klage der Niederlande beim Gerichtshof ist, wobei es u. a. um die
angeblich falsche Wahl der Rechtsgrundlage geht.
Im Übrigen hat die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen
Technologien (EGE) in ihrer Stellungnahme Nr. 13 vom 30. Juli 1999 die „ethischen Aspekte
der Verwendung der persönlichen Gesundheitsdaten in der Informationsgesellschaft“ analysiert
und dabei unter anderem auf die Richtlinie 1995/46/EG über den Schutz von
personenbezogenen Daten hingewiesen, die ebenfalls aufgrund des Artikels 95 EGV34 erlassen
wurde. Die EGE weist darauf hin, dass es noch keine spezielle europäische Gesetzgebung für
den Schutz der persönlichen Gesundheitsdaten gebe, und empfiehlt eine Richtlinie“ zu prüfen,
um der Herausforderung der Informatisierung dieser Daten zu begegnen”. In diesem
Zusammenhang sei daran erinnert, dass die Charta der Grundrechte in ihrem Artikel 21 über die
Nichtdiskriminierung ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der „genetischen Merkmale“
vorsieht.
V.
Internationale und europäische Rechtsinstrumente
Viele der Grundwerte und –prinzipien im Bereich der Humangenetik sind bereits weltweit
anerkannt. Dies heißt nicht, dass die Politik sich nicht weiterhin Fragen über die Gültigkeit und
eventuelle Notwendigkeit neuer Rechtsinstrumente im Zusammenhang mit Problemen neuer
Dimensionen stellen soll, und dass sie nicht eine größere Synergie zwischen den internationalen
Übereinkommen und den nationalen Rechtsordnungen einfordern soll. Internationale Verträge
haben gemeinsam mit den europäischen Rechtsvorschriften zwangsläufig erhebliche
Auswirkungen auf Entscheidungen der Mitgliedstaaten und der Union.
Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO),
die Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Europarat und die Europäische Union verfügen
über eine Vielfalt von Instrumenten. Letztere hat mit der Europäischen Charta der Grundrechte
einen ersten Schritt hin zur Entwicklung ethischer Leitlinien auf europäischer Ebene vollzogen.
Generell haben alle diese Erklärungen eines gemeinsam: die absolute Verpflichtung zur
Wahrung der Prinzipien der Menschenwürde, des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen, der
Zustimmung nach vorheriger Information und der Vertraulichkeit beim Einsatz der
Humangenetik in der medizinischen Praxis. Nachstehend werden die relevanten Artikel der
wichtigsten internationalen Rechtsinstrumente aufgeführt. Der Berichterstatter hielt es für
angebracht, eine Liste dieser Artikel nicht anhand der betreffenden internationalen Organisation,
sondern anhand der Kriterien vorzulegen, die unter anderem Gegenstand der Untersuchung in
diesem Dokument sind35. Diese Kriterien sind:
33
34
35
die Unverletzlichkeit der Menschenwürde
die Freiheit der Forschung
der Schutz der Volksgesundheit
die Nichtdiskriminierung aufgrund genetischer Merkmale
der Schutz persönlicher Daten
die Eingriffe am Humangenom
ABl. L 213 vom 30.7.1998, S. 13
ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31
Für die Konsultierung der in der nachstehenden Tabelle aufgeführten Artikel siehe Anhang II
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-
das Verbot der Gewinnerzielung
der Schutz des geistigen Eigentums und die Patentierbarkeit
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DE
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Zusatzprotokoll zum
Übereinkommen über
Menschenrechte und
Biomedizin (1998)
Übereinkommen über
Menschenrechte und
Biomedizin
(1997)
/
Artikel 2
/
/
Resolution über die ethischen,
wissenschaftlichen und sozialen
Auswirkungen des Klonens auf
die menschliche Gesundheit –
WHO (1998)
Übereinkommen über
handelsbezogene Aspekte der
Rechte des geistigen Eigentums
(1995)
Artikel 1, 2, 10
RR\453921DE.doc
Europarat
(ER)
Welthandelsorganisation (WTO)
Vereinte Nationen
und
Sonderorganisationen
/
Achtung der
Menschenwürde
Allgemeine Erklärung über das
menschliche Genom - UNESCO
(1997)
Übereinkommen der Vereinten
Nationen über die biologische
Vielfalt (1992)
Übersicht über die internationalen und europäischen
Rechtstexte zur Humangenetik und zu den abgedeckten
relevanten Aspekten
/
Artikel 15, 18
/
/
Artikel 12 , 13, 17
/
Freiheit der
Forschung
51/127
/
Artikel 3, 12
/
/
Artikel 12(b)
/
Schutz der
Volksgesundheit
/
Artikel 11
/
/
Artikel 6
/
Nichtdiskriminierung
aufgrund
genetischer
Merkmale
/
Artikel 5
/
/
Artikel5(b),
7
Artikel
15(5)
Schutz
personenbezogener
Daten
RELEVANTE ASPEKTE
Internationale und europäische Rechtsinstrumente
Artikel 1
Artikel 13
/
§1, §2
Artikel 11
/
Eingriffe am
Humangenom
/
Artikel 21
/
/
Artikel4
/
/
/
DE
Artikel7,
27(1)(2)(3)
/
/
Artikel
16(2)(3)(4)(5)
Geistiges
Eigentum und
Patentierbarkeit
PE 300.127
Verbot der
Gewinnerzielung
DE
PE 300.127
Europäische Union Sekundärgesetzgebung
Europäische Union –
Primärgesetzgebung
Entscheidung des Rates vom 25.
Januar 1999 über ein
spezifisches Programm für
Forschung, technologische
Entwicklung und
Demonstration auf dem Gebiet
„Lebensqualität und
Management lebender
Ressourcen“ (1998-2002)
(1999/167/EG)
Fünftes Rahmenprogramm der
Europäischen Gemeinschaft im
Bereich der Forschung,
technologischen Entwicklung
und Demonstration (1998-2002)
Europäische Richtlinie
(1998/44/EG) über den
rechtlichen Schutz
biotechnologischer Erfindungen
/
Artikel 7
/
/
Anhang II,
Titel II,
Anmerkung Nr. 1
/
/
Artikel 13
Artikel 1
Charta der Grundrechte der
EU (2000)
/
Artikel 163 bis
173 EGV
Artikel 6
EUV
Verträge zur Gründung der EU
(1997)
Europäische Richtlinie
(1995/46/EG) zum Schutz
natürlicher Personen bei der
Verarbeitung
personenbezogener Daten und
zum freien Datenverkehr
Freiheit der
Forschung
Achtung der
Menschenwürde
Übersicht über die internationale und europäischen
Rechtstexte zur Humangenetik und zu den abgedeckten
relevanten Aspekten
52/127
/
/
/
/
Artikel 35
Artikel 95,
152 EGV
Schutz der
Volksgesundheit
/
/
/
/
Artikel 21
/
Nichtdiskriminierung aufgrund
genetischer
Merkmale
/
/
/
Artikel 7(a), 8
Artikel 8
/
Schutz
personenbezogener
Daten
RELEVANTE ASPEKTE
Anhang II,
Anmerkung Nr.
1
/
/
/
Artikel 3
/
Eingriffe am
Humangenom
/
/
Artikel 5, 6
/
/
/
Geistiges
Eigentum und
Patentierbarkeit
RR\453921DE.doc
/
/
/
/
Artikel 3(2)
/
Verbot der
Gewinnerzielung
VI.
Arbeitsprogramm
Der Humangenetik kommt bei verschiedenen Krankheiten eine wichtige Rolle zu. Die
Kenntnis der Gene könnte zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden und zur Schaffung
von „maßgeschneiderten Medikamenten“ führen, die auf bestimmte Zellen bestimmter
Einzelpersonen Anwendung finden könnten. Die genetische Diagnose wird bereits zur
Feststellung der Prädisposition für Krankheiten genutzt. Die Gentherapie, bei der ein
schadhaftes Gen durch ein gesundes ersetzt wird, befindet sich in einem
Entwicklungsstadium; die Wissenschaftler arbeiten daran, einen Weg zu finden, wie eine oder
mehrere Korrekturzellen erfolgreich eingeschleust werden können.
Das Arbeitsprogramm dieses Ausschusses konzentriert sich auf zwei Aspekte. Erstens wird
versucht, das Potenzial der Humangenetik im medizinischen Bereich im Hinblick auf die
Diagnostik und die Behandlung einiger Krankheiten abzudecken, und zweitens sollen die
daraus resultierenden Folgen und die Folgen für die Nutzung der genetischen Information und
der Patentierbarkeit von Lebewesen erfasst werden.
VI.1. Gentests
In der Vergangenheit wurden viele Untersuchungsmethoden zur Feststellung oder
Bestätigung seltener Erbkrankheiten entwickelt. Während aber bis vor wenigen Jahren nur
wenige Gentests für wenige Erbkrankheiten verfügbar waren, gibt es heute Tests für die
zystische Fibrose, die Huntingtonsche Krankheit, die Muskeldystrophie und auch für viele
nicht erbliche degenerative Erkrankungen, die bei Jugendlichen oder Erwachsenen auftreten:
Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Alzheimer. Während
Gentests bei einigen Krankheiten unwiderlegbare Vorhersagen ergeben, zeigen sie in vielen
anderen Fällen nur eine Prädisposition, die durch externe Faktoren wie Umwelt, Ernährung
und Lebensstil beeinflusst werden kann. Genanalysen können zu verschiedenen Zwecken
durchgeführt werden:
-
-
die postnatale Diagnostik wird genutzt, um die Diagnose einer Krankheit zu ermöglichen,
um die Diagnose der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer bestimmten Krankheit zu
einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen, um die Diagnose genetischer Veränderungen
zu ermöglichen, welche die Prädisposition für einige Krankheiten wie etwa Tumoren und
Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen;
die Pränataldiagnostik wird für die Diagnose einer Krankheit oder einer genetischen
Veranlagung des Fötus genutzt;
die Präimplantationsdiagnostik36 ist eine Alternative zur Pränataldiagnostik und dient der
36
Präimplantationsdiagnostik
Die embryonale Chromosomenanalyse mit Hilfe der Präimplantationsdiagnostik (PID) ermöglicht es, die
Übertragung von nicht lebensfähigen Embryos mit Chromosomenschäden zu vermeiden. Die PID gestattet die
selektive Verpflanzung von Embryos ohne Missbildungen und verhütet Abtreibungen, die stattdessen nach einer
konventionellen Pränataldiagnostik in einer fortgeschrittenen Phase der Schwangerschaft (Amniozentese: nach
dem dritten Monat) vorgenommen werden könnten. Die PID ist eine Alternative zu den üblichen Methoden der
Pränataldiagnostik vor allem in den Fällen, in denen die Eltern einem hohen Risiko unterliegen, Kinder mit
schweren genetischen Krankheiten zu bekommen. Diese Methode kann bei vielen Gendefekten angewandt
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Diagnose einer genetischen Krankheit oder Veranlagung beim Embryo vor der
Einpflanzung in den Uterus (dies ist eine Anwendung der „In-vitro-Fertilisation“);
Ein Teil der Debatte befasste sich mit den sogenannten Pränataltechniken und vor allem den
wirksamen Methoden zur Behandlung der Unfruchtbarkeit (In-vitro-Fertilisation - IVF37, und
Intrazytoplasmatische Spermieninjektion – ICSI38).
werden, die durch die Fehlerhaftigkeit eines einzelnen Gens verursacht werden. Es gibt eine weltweite
Sammlung von Daten und Berichten über die Ergebnisse der PID. Im vergangenen Sommer hat das PIDKonsortium, das mit der Europäischen Gesellschaft für Humane Reproduktion und Embryologie
zusammenarbeitet, die neuesten Ergebnisse veröffentlicht. Es hat mehr als zweihundert Neugeborene gegeben.
(siehe Beiträge der Professoren Devroy und Hovatta bei der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 27.
März 2001)
Im Vergleich zu den konventionellen Techniken der Pränataldiagnostik bietet die PID zweifellos Vorteile.
Während die herkömmlichen Techniken der Pränataldiagnostik eine Diagnose um den dritten
Schwangerschaftsmonat vorsehen, ermöglicht die PID eine Analyse an einem Embryo im 8-Zell-Stadium bereits
am dritten Tag. Bei den herkömmlichen Techniken müssen viele Zellen entnommen werden, während die
Diagnose bei der PID an wenigen Zellen vorgenommen wird (ein bis drei). Außerdem liegt das Ergebnis bei den
herkömmlichen Techniken nach einigen Wochen vor, während für die PID einige Tage ausreichen. (siehe
Beitrag von Prof. Devroy bei der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 27. März 2001)
Anhand der bloßen Beschreibung der gerade vorgestellten Technik ist leicht erkennbar, dass die PID im
Vergleich zu herkömmlichen Diagnosetechniken für ein Paar, das sich nach der Diagnose für eine Abtreibung
entschließt, andere ehtische Implikationen hat. Diese Techniken haben zu der Sorge geführt, dass Menschen
eventuell Kinder „nach Maß” haben möchten, mit bestimmten Merkmalen wie Intelligenz oder Musikalität, aber
wenn – wie man einwenden könnte – die Ethik noch nicht zum Tragen gekommen ist, so ist es doch technisch
und insgesamt unmöglich, diese Merkmale bei Embyonen zu identifizieren. (siehe Beitrag von Frau Prof.
Hovatta vom 27. März 2001)
37
In-vitro-Fertilisation
Die Entwicklung der In-vitro-Fertilisation (IVF) war ein revolutionärer Prozess für unfreiwillig unfruchtbare
Paare. Bei der IVF werden nach einer Hormonbehandlung Eizellen aus den Eierstöcken der Frau entnommen,
wobei die Technik der Absaugung mit einer dünnen Nadel durch die Scheide unter Ultraschallkontrolle
angewandt wird. Die aus dem Sperma isolierten Samenzellen werden zusammen mit den Eizellen auf
Kulturträger aufgebracht und der Befruchtungsprozess wird im Labor überwacht. Nach 2-5 Tagen findet der
Transfer des Embryos in die Uterushöhle statt. Falls mehr als ein oder zwei normal befruchtete Embryos mit
normalem Aussehen gewonnen werden, können nicht alle ohne Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft in den
Uterus eingepflanzt werden. Die überzähligen Embryos können für eine künftige Unfruchtbarkeitsbehandlung
tiefgefroren werden, der Forschung oder anderen unfruchtbaren Paaren zur Verfügung gestellt, oder vernichtet
werden. (siehe Beitrag von Frau Prof. Hovatta vom 27. März 2001)
38
ICSI
Die Behandlung der männlichen Unfruchtbarkeit erfuhr in den letzten zehn Jahren dank der Technik der
Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) eine bedeutende Veränderung. Das Spermium wird unter dem
Mikroskop direkt in das Zytoplasma einer Eizelle injiziert, wofür eine dünne Glasnadel verwendet wird. Die
herkömmliche Behandlung der männlichen Unfruchtbarkeit beschränkt sich nämlich auf wenige Fälle mit
eindeutigen Problemen im Zusammenhang mit der Hormonproduktion oder der reversiblen Vasektomie.
Unabhängig von der Ursache kann die durch eine männliche Unfruchtbarkeit verursachte Zeugungsunfähigkeit
jetzt aber mit der ICSI behandelt werden, wenn es möglich ist, nur wenige Spermatozoen oder unreife,
postmeiotische Samenzellen aus der Samenflüssigkeit bzw. durch Aspiration oder auch durch Hodenbiopsie (bei
Patienten ohne Spermatozoen in der Samenflüssigkeit) zu gewinnen. Die größte Zahl der Behandlungsversuche
in Europa wurde bei Frauen in nordeuropäischen Ländern vorgenommen. In Finnland sind 3% aller
Neugeborenen und in Schweden 2% durch assistierte Reproduktion entstanden. Die Unterschiede zwischen
beiden Ländern sind auf das Erstattungssystem zurückzuführen. Aber die IVF und die ICSI werden nicht nur in
entwickelten Ländern genutzt. Heutzutage gibt es Fachkliniken in der ganzen Welt. Nach vorliegenden
Schätzungen sind etwa zwei Millionen Neugeborene weltweit durch IVF zur Welt gekommen (siehe Beitrag von
Frau Prof. Hovatta)
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VI.1.1 Ethische und gesellschaftliche Fragestellungen bei Gentests
Grundsatz der Unabhängigkeit der Wissenschaft und Patientenrechte
Die Medizin war der erste weltliche Beruf, der sich einen ethischen Code gab (ärztliches
Berufsethos). Ein erster Grundwert in der konsolidierten ethischen Tradition der Ärzte ist die
Unabhängigkeit. Ferner gibt es ein Normensystem, d. h. ein den Wissenschaftlern
gemeinsames wissenschaftliches „Ethos“, das die Unabhängigkeit der „wissenschaftlichen
Wahrheit“ gegenüber politischen, religiösen und kulturellen Ideologien festlegt. Aber reicht
es heute aus, wenn ein Wissenschaftler sich auf den Grundsatz der Unabhängigkeit und auf
das Verantwortungsgefühl beruft, um sich in einem Szenario mit so faszinierenden wie
gleichermaßen beunruhigenden Perspektiven zu bewegen? Die Wissenschaftler sind heute
moralisch an der Verantwortung für Entscheidungen beteiligt, in die eine Vielzahl von
Personen involviert ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, eine Diskussion in Gang zu
bringen, die bei der Interpretation der großen Veränderungen im Bereich der Biomedizin, bei
der Beurteilung ihrer Möglichkeiten und der Festlegung ihrer Grenzen hilfreich ist. Der
Grundsatz der Unabhängigkeit der Wissenschaft muss daher auf den für den Patienten
wesentlichen und unabdingbaren Werten beruhen. Diese sind:
-
die Einwilligung nach Aufklärung der Person, die sich Tests unterzieht
die Freiheit und Verantwortung bei der Auswahl des Patienten gegenüber
gesellschaftlichem Druck
der Vorrang der Rechte des Einzelnen gegenüber den Rechten der Gesellschaft
das Recht des Einzelnen, zu wissen/nicht zu wissen39
Gesellschaftliche Konsequenzen: ein neues Arzt-Patient-Verhältnis
Die Anwendung neuer Technologien in der Medizin und vor allem Gentests haben zu
Veränderungen in der medizinischen Praxis geführt. Diese stößt in der täglichen Erfahrung
auf neue Dilemmata, die nicht mehr nur eine individuelle und private Dimension, sondern
auch öffentliche und gesellschaftliche Aspekte haben. Wir beziehen uns hier vor allem auf die
Begriffe wie Gesundheit, Krankheit und Normalität sowie auf die gesellschaftliche Rolle des
Arztes und des Patienten. Ein Arzt muss sich heute mit vollkommen neuen Problemen und
Entscheidungen auseinandersetzen. Nicht nur seine Rolle hat sich verändert, sondern auch die
Rolle des Patienten, und daraus sind neue Rechte entstanden. Die Respektierung des Willens
eines Kranken wird nachdrücklich durch den Grundsatz der Unabhängigkeit und
Selbstbestimmung bekräftigt.
Die Medizin wird nicht mehr nur als eine Reaktion auf eine Krankheit betrachtet (reagierende
Medizin), sondern auch als eine Praxis, die das „Kapital Gesundheit“ vorausschauend und
39
Das Recht zu wissen ist das Recht, die eigene genetische Veranlagung zu kennen und zuverlässige
genetische Informationen zu erhalten; das Recht, nicht zu wissen, ist das Recht, nicht zu Gentests gezwungen zu
werden und die eigenen Geninformationen nicht zu erfahren, vor allem in Fällen, in denen die präventive
Kenntnis der Krankheit zu vorzeitigem Leiden führen würde, ohne dass damit konkrete therapeutische Vorteile
verbunden wären. (Siehe Beiträge von Prof. Mandel und Prof. Mauron – Sitzung des nichtständigen Ausschusses
vom 26. März 2001)
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rational verwaltet. Der neue Medizinbegriff hat mit genetischen Informationen zu tun, die den
Einzelnen nicht unmittelbar betreffen, es sind vielmehr Informationen, die zur Verhütung
künftiger wahrscheinlicher/möglicher Krankheiten dienen können (prädiktive Medizin). Nach
dieser neuen und revolutionären Definition der Medizin wird vom Patienten erwartet, dass er
die Informationen über seine genetische Veranlagung für eine bestimmte Krankheit nutzt,
dass er Entscheidungen trifft, obwohl er keinen direkten Bezug zur potentiellen Krankheit und
zur Therapie hat40.
Bei diesem neuen Medizinverständnis wandelt sich die Rolle des Arztes vom Therapeuten
zum Gesundheitsberater und die des Patienten von einem leidenden Menschen in einen
Menschen, der bestürzt und besorgt ist, mit diesen Vorhersagen über seine Gesundheit
umzugehen. Damit ist in dem dualistischen Gegensatz ‚gesundes Individuum/krankes
Individuum‘ eine dritte Figur aufgetaucht, das ‚besorgte‘ Individuum.
Tests und genetische Diskriminierung
Die Vorteile der Gentests betreffen vor allem die Prädisposition des Individuums für eine
bestimmte Erkrankung und folglich den Umgang mit der Krankheit vor dem Ausbruch der
Symptome; die Nachteile dieser Tests betreffen die Möglichkeit, die genetischen
Informationen in verschiedenen Lebensbereichen zu diskriminierenden Zwecken zu nutzen,
oft aufgrund einer reinen Wahrscheinlichkeit, aber nicht der absoluten Gewissheit. Immer
entscheidender wird daher die Frage, wer das Recht hat, diese Informationen zu nutzen.
Es wird befürchtet, dass Versicherungsunternehmen und Arbeitgeber diese Daten für die
Verweigerung eines Versicherungsabschlusses oder einer Beschäftigung nutzen könnten. Der
Zugang zu diesen Informationen muss Gegenstand weiterer Diskussionen sein, um geeignete
Rechtsvorschriften zu erlassen.
In Art. 12 des Übereinkommens zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im
Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin des Europarats heißt es:
„Untersuchungen, die es ermöglichen, genetisch bedingte Krankheiten vorherzusagen oder bei
einer Person entweder das Vorhandensein eines für eine Krankheit verantwortlichen Gens
festzustellen (...), dürfen nur für Gesundheitszwecke oder für gesundheitsbezogene
wissenschaftliche Forschung und nur unter der Voraussetzung einer angemessenen
genetischen Beratung vorgenommen werden“. Das Ministerkomitee des ER bereitet ein
Protokoll über die Humangenetik vor, mit dem Ziel einer Weiterentwicklung der Art. 11 und
12 des genannten Übereinkommens41. Das Protokoll soll detailliert auf die Aspekte der
Einwilligung des Patienten nach Aufklärung, der Voraussetzungen für die Durchführung
solcher Tests bei Minderjährigen, der Respektierung des Privatlebens, des Rechts auf Zugang
zu den Testergebnissen und des Rechts auf Nichtinformation über die Testergebnisse
eingehen. Das EP könnte durch Beisteuerung nützlicher Überlegungen für die Vorbereitung
des Protokolls zu dieser Arbeit beitragen.
Aus diesen Hinweisen - und nicht nur daraus - lässt sich leicht ableiten, dass Genanalysen
grundlegende Auswirkungen auf das Leben des Einzelnen haben. Sie können die eigene
40
41
Siehe Beitrag von Prof. Mauron – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. März 2001 Siehe Beitrag von Prof. Serrao – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. März 2001-
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Unabhängigkeit verbessern und die Fähigkeit, auch im Bereich der Fortpflanzung
Entscheidungen in Kenntnis der Ursachen zu treffen. Die Vorteile der Genanalyse zu
verstehen, hängt aber gleichermaßen ab:
-
von der Lieferung zuverlässiger Analysen bei gleichberechtigtem Zugang zu den
Dienstleistungen
von einer Beratung, welche die Eigenständigkeit des Einzelnen respektiert
von der Technologie
Das Vorhandensein hoher Standards bei den Genanalysen wird daher zu einer „conditio sine
qua non“, da aufgrund ihrer Ergebnisse lebenswichtige Entscheidungen getroffen werden.
Ohne präzise Rechtsvorschriften in diesem Bereich könnte der unkontrollierte Einsatz von
Gentests zu einer Reihe von ethischen Problemen führen. Vielleicht müsste eine
entsprechende Regelung klarstellen, dass sie nur in solchen Fällen eingesetzt werden dürfen,
in denen eine Therapie oder ein prophylaktischer Eingriff zur Korrektur der festgestellten
genetischen Veranlagung möglich ist, oder wenn sich aus der gewonnenen genetischen
Information Entscheidungen für die Fortpflanzung ergeben.
Fragestellungen:
-
-
-
Wird die Pränataldiagnostik dem Paar in einem pressionsfreien gesellschaftlichen Umfeld
angeboten?
Können oder müssen die Eltern pränatale Untersuchungen vornehmen? Welche
Ergebnisse könnte ihnen die Möglichkeit von Korrekturmaßnahmen bieten? Welche
Ergebnisse könnten die Entscheidung gegen eine Geburt des Embryos rechtfertigen?
Gibt es professionelle „Genberater“, die Menschen beistehen können, die sich für
Gentests entscheiden?
Besteht die Gefahr, dass eine genetische „Unterklasse“ entsteht, der man nach
Diagnostizierung einer Veranlagung für eine später ausbrechende Krankheit eine
angemessene medizinische Betreuung und eine Lebensversicherung verweigern würde?
Unter welchen Voraussetzungen hat eine Versicherungsgesellschaft das Recht, die
Ergebnisse von Genanalysen zu erfahren?
Haben Arbeitgeber, Unternehmen, Universitäten oder Schulen das Recht, ihre Mitarbeiter,
Studenten oder Schüler aufgrund des genetischen Codes auszuwählen?
Hat ein Mensch das Recht, genetische Informationen über einen anderen zu verbreiten?
(Angenommen, die Information betrifft ein genetisches Risiko für die Nachkommen einer
Person, da diese Träger eines schwerwiegenden Gendefekts ist. Haben wir die Pflicht, den
Partner dieser Person zu informieren? Haben wir außerdem die Pflicht zu verhindern, dass
diese Person Kinder bekommt?) – Hat jemand das Recht, in einigen Fällen die
Geheimhaltung der Informationen über sein eigenes Genom zu verlangen? Wenn ja,
wann?
Da der Zugang zu Gentests zunehmend auf diejenigen beschränkt zu werden scheint,
welche die Kosten dafür tragen können, stellt sich die Frage, in welchem Umfang diese
Kosten ganz oder teilweise vom öffentlichen Gesundheitswesen übernommen werden
sollten?
Gentests an Embryonen vor deren Einpflanzung in den Uterus verringern die Gefahr von
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Missbildungen; können sie aber erhebliche gesellschaftliche Folgen haben (Eugenik)42?
VI.1.2. Rechtliche Auswirkungen der Genanalyse
Die Gendiagnose ist eine medizinische Handlung, bei der stets die Regeln der sogenannten
„guten klinischen Praxis“ eingehalten werden müssen. Die europaweite Bestätigung und
Annahme eines internationalen und weltweit anerkannten Bezugssystems für
wissenschaftliche und technologische Verfahren einschließlich von Leitlinien für eine gute
Labor-, Klinik- und Industriepraxis entsprechend dem neuesten biomedizinischen
Forschungsstand sollte die neuen biomedizinischen Entwicklungen begleiten, leiten und
regeln. Einige erste Schritte in Richtung auf eine solche Harmonisierung der
Rechtsvorschriften wurden beispielsweise in der Gen- und Zelltherapie durch die
Formulierung von Leitlinien für bewährte Verfahren seitens der Europäischen Agentur für die
Bewertung von Medikamenten unternommen, während für neue Bereiche wie die
Gewebetechnologie, künstliche Organe und Genanalysen noch ein Bezugs- und
Regelungsrahmen auf der Ebene der EU und der Einzelstaaten aussteht43.
Die Annahme der Richtlinie über klinische Prüfungen44, in der Bestimmungen über die
Anwendung der „guten klinischen Praxis“ enthalten sind -, die als „international anerkannte
ethische und wissenschaftliche Qualitätsanforderungen für die Planung, Durchführung und
Aufzeichnung klinischer Prüfungen an Menschen sowie der Berichterstattung über diese
Prüfungen“ bezeichnet wird – leistet einen ersten Beitrag zu einer harmonisierten Regelung
der Forschung und Entwicklung im Bereich der Biomedizin.
Ein treffendes Beispiel, das zeigt, wie notwendig eine auf Qualitätsbewertung beruhende
Harmonisierung der Regelungen ist, welche die Forschung und Entwicklung im Bereich der
Biomedizin begleiten muss, sind gerade die Genanalysen45. Zur Zeit gibt es weder Normen
noch gemeinsame europäische Vorschriften, die einen Mindeststandard für die
Dienstleistungen gewährleisten. Genanalysen sind Dienstleistungen, die nicht in den
Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 2309/1993 des Rates zur Festlegung von
Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und
Tierarzneimitteln fallen, ebensowenig wie in den der Richtlinie 1998/79/EG46 über In-vitroDiagnostika, die ausschließlich zum Verkauf bestimmte Produkte betrifft.
Die Praxis der Genanalyse wird immer gängiger, da diese Untersuchungen nicht nur von
Fachkliniken sondern auch von Untersuchungslabors angeboten werden und das zum Teil
direkt an die Patienten. In Europa wächst die Zahl der Labors, die Genanalysen vornehmen.
42
Siehe Beitrag von Frau Dr. Haker und Frau Quintavalle – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom
27. März 2001 43
Mitteilung der Europäischen Kommission über “Die Humangenetik” – Generaldirektion Forschung –
Direktion E – Policy Aspects
44
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen
Prüfungen mit Humanarzneimitteln.
45
Seminarbericht: Genetic testing services: Quality Assurance and Need for Harmonisation in the EU –
Europäische Kommission – Gemeinsames Forschungszentrum (2000).
46
Richtlinie 1998/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über Invitro-Diagnostika.
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Trotz der zahlreichen Initiativen von Genetikspezialisten und Berufsorganisationen für eine
Qualitätsbewertung werden Genanalysen unter sehr unterschiedlichen Bedingungen und im
Rahmen sehr unterschiedlicher Rechtsrahmen angeboten. Fragen des Verbraucherschutzes
ergeben sich aus den Ergebnissen einer Qualitätsuntersuchung, die in 21 Ländern in Europa
und Australien bei 136 Labors vorgenommen wurden, die sich mit Genanalysen zur
zystischen Fibrose befassen. 35 % der Labors wiesen bei der Durchführung von Genanalysen
eine Fehlerrate auf, die im Rahmen von Routineuntersuchungen inakzeptabel wäre47.
Entsprechend dazu hat das europäische Netz für die Qualität der Molekulargenetik48 vor
kurzem die Ergebnisse veröffentlicht, die im Rahmen eines Programms zur
Qualitätsbewertung der molekulargenetischen Diagnostik der Huntington-Krankheit
gewonnen wurden. Das Programm hat gezeigt, dass es ein gewisses Maß an potenziell
falschen Diagnosen bei den Labors gibt, die diese Art der molekulargenetischen Diagnostik
für die Krankheit anbieten49.
Wegen der Komplexität der Erforschung von Genmutationen sind nur wenige Labors in der
Lage, für bestimmte Krankheiten einen geeigneten Test anzubieten, während es in den
meisten europäischen Ländern für die verbreitetsten Krankheiten mindestens ein Labor gibt.
So erweist es sich als sehr schwierig für eine Familie, einen Test in einem Labor durchführen
zu lassen, für den die Kosten von der nationalen Krankenversicherung oder vom Krankenhaus
übernommen werden. Um dieser Situation zu begegnen, müsste ein die verschiedenen
Krankheiten und Gene abdeckendes europäisches Netz von Labors geschaffen werden, um
den Bedürfnissen der Familien der europäischen Patienten gerecht zu werden. Dies ist ein
Ziel, das nicht von den einzelnen Mitgliedstaaten erreicht werden kann, sondern auf
Gemeinschaftsebene verwirklicht werden muss.50
VI.2 Die Behandlung genetischer Krankheiten: Verfahren (Therapie und
Medizin)
VI.2.1 Die Gentherapie
Mit der Gentherapie wird die anomale Funktion eines Gens korrigiert. Sie wird als somatische
Gentheraphie bezeichnet, wenn sie Zellen des Organismus betrifft (Blut, Organe usw.) – vor
allem onkologische Anwendungen, Herz-Kreislauf-Medizin, Behandlung genetischer
Erkrankungen – und die eingefügten Gene nicht an die nachfolgenden Generationen
weitergegeben werden; sie wird Keimbahntherapie genannt, wenn sie an Reproduktionszellen
(Oozyten und Spermatozoen) oder an Embryonen vorgenommen wird. In diesem Fall wird
die Veränderung an die Nachkommen weitergegeben.
VI.2.2 Die Genmedizin
47
Europäische Kommission, 4. RP, BIOMED 2, Dequeker & Cassiman, Eur. J. Hum. Genet. 1998, S.
165-175.
48
Unterstützt von der GD Forschung, Abteilung H, Programm Messung und Erprobung ( SMT4-CT98-
7515).
49
50
Losekoot et alia, Eur. J. Hum. Genet. 1999.
Siehe Beitrag von Professor Mandel – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. März 2001-
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Im Unterschied zur Gentherapie, greift die Genmedizin nicht in die Zellfunktionen ein und
verändert diese nicht permanent51. Der größte Teil der neuen Medikamente ist auf leichter
erreichbare Ziele ausgerichtet, im allgemeinen auf Proteine und Enzyme, die an der
Zelloberfläche oder in ihrem Cytoplasma lokalisiert sind. Die neuen Medikamente haben eine
größere Wirksamkeit aber geringere Nebenwirkungen und werden sehr viel selektiver auf den
Organismus einwirken; sie werden sehr individuell anhand pharmakogenetischer Analysen
dosiert52; aufgrund der Kenntnis über die Dispositionen des Patienten werden sie nicht die
Symptome behandeln, sondern der Krankheit vorbeugen.
a) Medikamente aus transgenen Tieren
Eine Methode zur Herstellung von Humanproteinen für neue Medikamente ist die Herstellung
sogenannter transgener Tiere, die Träger menschlicher Gene sind und daher zum Beispiel in
ihrer Milch ein Protein erzeugen, das für die Behandlung von Menschen verwendet werden
kann. In verschiedenen Labors in der ganzen Welt wurden bereits viele transgene Tiere
erzeugt, die Proteine produzieren. Die Experimente betreffen insbesondere Ziegen, aber auch
Schafe, Schweine und Rinder. Das Problem bei der oben genannten Entwicklungsmethode
mit Tieren besteht jedoch darin, dass viele der behandelten Tiere das veränderte Gen nicht
annehmen und daher das menschliche Protein nicht produzieren. Entsprechend erbt nur ein
Teil der Nachkommen des transgenen Tieres die Fähigkeit, dieses Protein zu produzieren.
Deshalb arbeitet man an der Klonung dieser transgenen Tiere, um zu gewährleisten, dass nur
die Tiere erzeugt werden, die die gewünschten Merkmale besitzen53.
b) Die Transplantation von Geweben und Organen
Auf internationaler Ebene ist ein ständiger Mangel an Transplantationsorganen zu
verzeichnen. Nichts weist darauf hin, dass die Bevölkerung sich an die Vorstellung,
Organspender zu werden, gewöhnt, ganz im Gegenteil. Die Entnahme bei nicht lebenden
Spendern hat das medizinisch-ethisch-juristische Problem der Feststellung des Todes und der
Erlaubnis für die Organexplantation aufgeworfen. Der vorherrschende Grundsatz bei der
Explantation scheint der Grundsatz der angenommenen Zustimmung oder der
stillschweigenden Zustimmung zu sein. 1978 hatte der Europarat sich für eine
Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Organentnahme und –transplantation
ausgesprochen. Ein gleiches hat die Weltgesundheitsorganisation getan. Aber die Rechtslage
ist wenig homogen. Die Nachfrage nach Organen steigt parallel zur Entwicklung der
Transplantationstechniken. Zurzeit stehen 50.000 Europäer auf der Warteliste für neue
Organe, und diese Listen wachsen jedes Jahr um 15 %. Es werden daher riesige Summen und
Anstrengungen aufgewendet, um Organe auf andere Weise zu erhalten. Die Forschung
konzentriert sich vor allem auf zwei Bereiche: die Xenotransplantation und die Gewebe- und
51
Siehe Mitteilung der Kommission über "Die Humangenetik" Generaldirektion Forschung – Direktion
E/Policy Aspects"
52
Siehe im folgenden Kapitel über die Pharmakogenetik
53
Für das genetische Verändern und Klonen von (Nutz-) Tieren befürworten einige Wissenschaftler eine
Politik des „NEIN, es sei denn, dass”. So wird beispielsweise das genetische Verändern von Tieren im Hinblick
auf eine (Effizienz-) Steigerung der tierischen Produktion für ethisch nicht vertretbar gehalten. Aber für den Fall,
dass ein genetisches Verändern und/oder Klonen die einzige reale Möglichkeit zur Behandlung von unheilbar
kranken Patienten bietet, für die es noch keine (wirksame) Behandlung gibt, kann dies unter Umständen als
ethisch verantwortbar erachtet werden. (siehe Beitrag von Professor Jochemsen – Sitzung vom 26. April 2001)
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Organtechnologie, einschließlich der Nutzung von Stammzellen zu therapeutischen Zwecken.
Xenotrasplantationen aus transgenen Tieren
Die Xenotransplantation ist eine Transplantation eines tierischen Organs auf den Menschen.
Seit Jahren veranlassen die langen Wartelisten für Transplantationen die Wissenschaftler zur
Suche nach neuen Organquellen als Alternative zu künstlichen Organen. Mit Hilfe der
Genmanipulation wird versucht, aus transgenen Schweinen (die über die richtige genetische
Ausstattung verfügen) geeignete Organe für die Xenotransplantation auf den Menschen zu
gewinnen. Dabei sind jedoch zwei wichtige Probleme zu lösen. Erstens ist die
immunologische Unverträglichkeit immer noch ein großes Hindernis und führt zur Abstoßung
der Schweineorgane. Außerdem könnte aus epidemiologischer Sicht die Gefahr bestehen,
dass Viren in den menschlichen Organismus eingeschleust werden. Daher sind viele der
Ansicht, dass eine Lösung für den Organmangel in der Züchtung von Organen aus
menschlichen Zellen zu suchen sei.
Verwendung von Stammzellen zu therapeutischen Zwecken
Die Zerstörung der Gewebestruktur eines Organs verbunden mit dem Absterben der Zellen,
aus denen es besteht, liegt der Mehrzahl der Pathologien zugrunde, an denen die Bevölkerung
der Industrieländer erkrankt. Ein therapeutischer Lösungsansatz hat eine Wiederherstellung
des veränderten Gewebes durch die Einpflanzung neuer Zellen zum Ziel, welche die durch die
Krankheit zerstörten oder veränderten Zellen ersetzen können. In klinischer Hinsicht stützt
sich diese Therapie in den meisten Fällen auf die Transplantation von Organen Verstorbener
oder seltener von lebenden Spender54. Leider hat diese lebensrettende Technologie zwei
entscheidende Grenzen, die ihren Einsatz beim größten Teil der Patienten, die davon
profitieren könnten, ausschließen. Diese Grenzen sind der Mangel an transplantierbaren
Organen und die Notwendigkeit einer ständigen Unterdrückung der Immunabwehr, um eine
Abstoßung des Organs zu verhindern. Die Nachricht über die Liberalisierung der Nutzung
embryonaler Stammzellen des Menschen zu experimentellen und therapeutischen Zwecken
durch die britische und amerikanische Regierung weckte die Aufmerksamkeit der Medien und
führte zu verschiedenen Diskussionen und Polemiken sowie zu einer Vermischung der
Begriffe therapeutisches Klonen und Stammzelle allgemein.
Die Nutzung von Stammzellen55 zu therapeutischen Zwecken ist als potentiell revolutionäre
neue Methode zur Behandlung von Krankheiten und Verletzungen auf dem Vormarsch56. Ziel
dieser Therapie ist die Entwicklung differenzierter Zellen oder Gewebe zur Transplantation
bei Patienten mit Krankheiten wie Diabetes, Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson, Infarkt
usw., Krankheiten, für die es heute keine wirksamen Therapien oder Behandlungen gibt.
Stammzellen sind während der ganzen Entwicklungszeit eines Menschen sowohl bei Kindern
als auch bei Erwachsenen vorhanden. Allerdings nimmt der Anteil an Stammzellen und auch
ihr Potenzial, verschiedene spezifische Zelltypen zu erzeugen, ab. Solche Zellen können aus
adulten oder fötalen Geweben, aus Zellen aus der Innenmasse der Blastozysten, aus
54
Bericht des Studienausschusses über die Nutzung von Stammzellen zu therapeutischen Zwecken –
Gesundheitsministerium - Italien
55
Für eine Definition der verschiedenen Arten von Stammzellen siehe Gutachten Nr.15 der Europäischen
Ethikgruppe vom 14.11.2000
56
Siehe Beiträge bei der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26 April 2001
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Embryonen oder durch Klonen mittels Zellkerntransfer gewonnen werden.
Eine Quelle für embryonale Stammzellen könnte die Nutzung „überzähliger Embryonen“
sein, das heißt die Nutzung von Embryonen, die nicht mehr für die Infertilitätsbehandlung
gebraucht werden. Eine andere Möglichkeit könnte die Isolierung embryonaler Stammzellen
aus Embryonen sein, die durch Kerntransfer (therapeutisches Klonen) hergestellt wurden.
Diese Stammzellen hätten den Vorteil einer immunologischen Verträglichkeit mit dem
Patienten. Fötale Stammzellen können aus (aufgrund von Gendefekten) abgetriebenen Föten
und dem Nabelschnurblut bei der Geburt gewonnen werden. Adulte Stammzellen können aus
einigen für Transplantationen verwandten Geweben wie etwa Knochenmark, Haut und Blut
isoliert werden. Eine der Einschränkungen im Zusammenhang mit der Nutzung adulter
Stammzellen liegt in der Schwierigkeit, die Zellen zu isolieren, und in ihrer geringen Neigung
zur Differenzierung in unterschiedliche Zellen (neueste Studien haben bewiesen, dass adulte
Stammzellen das gleiche Differenzierungspotential haben könnten).
Eines der Probleme, die bei der Transplantation von Stammzellen auftreten, ist die
Immunabwehr beim Empfänger. Strategien zu ihrer Verhütung könnten darin bestehen, dass
man über eine Stammzellenbank verfügt, aus der eine dem jeweiligen Empfänger
entsprechende Zelllinie entnommen würde, oder in einigen Fällen vielleicht darin,
embryonale Stammzellen nach Maß zu produzieren, indem der Kern einer somatischen Zelle
mit dem einer gespendeten Eizelle ausgetauscht wird, wobei eine dem Spender entnommene
somatische Zelle verwendet würde. Die Stammzellen hätten dann die gleiche Immunstruktur
wie der Empfänger. Die Forschung zu diesem Verfahren wurde in den neuesten
Gesetzesänderungen im Vereinigten Königreich im wesentlichen zugelassen. Nun muss die
Forschung zeigen, welche die wahren Möglichkeiten der Stammzellen sind, und zwar nicht
nur der embryonalen sondern auch der anderen Arten. Auf jeden Fall eröffnet die
Embryonenforschung einzigartige Horizonte für die Erforschung dieses vielversprechenden
Bereichs der Medizin.
Die Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung verschiedener Arten von Stammzellen (im
Hinblick auf mögliche Unterschiede ihrer therapeutischen Wirksamkeit) und die
offensichtlichen Auswirkungen auf die Lebensqualität sind so bedeutend, dass sie die
derzeitigen strategischen Entscheidungen bei der öffentlichen Forschungsfinanzierung in den
meisten Industrieländern tiefgreifend beeinflussen. Es ist klar, dass diese Entscheidungen die
Gesundheitspolitik der nächsten Jahrzehnte spürbar beeinflussen könnten, weshalb
beträchtliche Investitionen sowohl an wirtschaftlichen als auch humanen Ressourcen im
Bereich der Stammzellenbiologie wünschenswert wären. Denn ihr therapeutisches
Anwendungspotenzial ist tatsächlich von erheblichem Interesse und könnte zu einer echten
Revolution in der Medizin führen, deren Wirkungen auf die menschliche Gesundheit sogar
größer sein könnten als die Entdeckung der Antibiotika. Die ethische Bewertung, die man hier
vornehmen will, betrifft die Ziele und Methoden einer bestimmten Art der Forschung; denn
diese Forschung wird in einem moralisch sehr umstrittenen Umfeld betrieben. Es gibt einen
breiten Konsens über den wohltätigen Charakter der Ziele der Stammzellenforschung, die sich
mit einem der grundlegenden Ziele der Medizin decken, nämlich Menschen so wirkungsvoll
wie möglich zu heilen. Der Streit betrifft die embryonale Herkunft einiger Zelllinien und
bestimmte Aspekte der Derivationsmethoden, aber die Zielsetzungen dieses
Forschungszweigs mussten in Erinnerung gerufen werden, weil das Bewusstsein um die
erhebliche Bedeutung der erwarteten Vorteile die beste Grundlage darstellen kann, um das
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Ausmaß der moralischen Missbilligung zu reduzieren.
Wissenschaftliche Probleme
Es ist nicht einfach, einmal übertragene Gene zu einer stabilen Weitergabe zu veranlassen.
Schwierig ist auch der Transfer von Genen in eine angemessene Zahl von Zielzellen. Das Gen
fügt sich zufällig an einer beliebigen Stelle und in einem beliebigen Chromosom ein. Es
besteht unter anderem das Risiko, dass ein Gen, das Krebs unterdrückt, deaktiviert oder ein
Onkogen aktiviert werden kann. Und dieser Prozess wäre nicht reversibel. Es bleibt daher
eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Fragen zu lösen, bevor man irgendeine klinische
Anwendung vornehmen könnte:
-
Gibt es einen speziellen Spenderzellentyp?
Welcher Mechanismus der Reprogrammierung greift bei somatischen Zellen?
Wie funktioniert der Synchronisationsmechanismus zwischen der Funktionalität des
Kerns und des Wirtzytoplasmas?
Welche Signale aktivieren den neu gebildeten Embryo?
Welche Signale sind für die Weiterentwicklung dieses Embryotyps erforderlich?
Ist es möglich, Stammzellen in Kultur zu einer normalen Differenzierung anzuregen?
Sind das hergestellte Gewebe oder die Zellen funktionstüchtig und gesund?
Können transplantierte Zellen migrieren?
Welche Gefahr besteht, dass diese Zellen sich in Tumorzellen verwandeln?57
c) Die Pharmakogenetik
Die Pharmakogenetik untersucht, wie sich die genetischen Unterschiede auf die variable
Reaktion der einzelnen Patienten auswirken, denen ein Arzneimittel verabreicht wird.58 Das
Ziel besteht letztlich darin, zu einer auf die Person zugeschnittenen Therapie zu gelangen.
Heute sind wir auf dem Weg dahin, über genetische Profile zu verfügen, die sich aus den
sogenannten „snips“ (single nucleotide polymorphisms) zusammensetzen, die es den Ärzten
ermöglichen werden, die Reaktion des einzelnen Patienten auf ein Arzneimittel vorauszusagen
und aufgrund dessen zu entscheiden, ob er es verabreichen soll, und wenn ja, in welcher
Dosis. Gleichzeitig bietet sich die Möglichkeit, Medikamente nach Maß zu fertigen und zu
verabreichen, was vor allem die therapeutische Reaktion verbessert und unnötiges Leiden
erspart und in zweiter Linie wirtschaftlich von Vorteil ist, sowohl in der Entwicklungsphase
des Medikaments (wo die pharmakologischen Versuchsprotokolle sich durch die Entwicklung
dieser Profile erheblich verändern werden) als auch in der Phase der Verabreichung, da
verhindert werden kann, dass Medikamente an Patienten verabreicht werden, bei denen diese
keinerlei Nutzen haben, sondern sogar schädlich wirken.
Hierbei handelt es sich nicht um eine Perspektive für die ferne Zukunft: Schon heute gibt es
ein Konsortium aus Pharmaunternehmen, Universitätszentren und privaten Stiftungen59, das
57
Siehe Beitrag von Prof. Bedate – Sitzung vom 26. April 2001
Siehe Beiträge von Prof. Neri und Herrn Goodfellow – Sitzung vom 26. April 2001
59
Vgl. A. Roses, "Pharmacogenetics and Future Drug Development and Delivery", The Lancet, vol. 355,
2000, S. 1358-61; A. Roses, "Pharmacogenetics and the Practice of Medicine", Nature, vol. 405, 2000, S. 85758
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an einer Datenbank arbeitet, die über das Internet allen zugänglich sein soll und bereits aus
etwa 200.000 snips besteht, innerhalb von zwei Jahren allerdings aus rund 800.000 bestehen
wird. Die Investitionen liegen in der Größenordnung von mehreren zehn Millionen Dollar,
und um sein Interesse an dem Sektor zu bekunden, hat kürzlich das NIH (National Institute of
Health) ein pharmakogenetisches Projekt gestartet und mit etwa 13 Millionen Dollar
finanziert, das eine Form der gemeinsamen Beteiligung von öffentlicher und privater Seite
vorsieht60. Gegenwärtig wird diskutiert, weil erst gegenseitiges Misstrauen überwunden
werden muss: Die Privatunternehmen befürchten nämlich bürokratische Ineffizienz bei den
öffentlichen Einrichtungen, während diese denken, die Privaten seien nur an Profit
interessiert.
Genetisch-epidemiologische Datenbanken
In einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist eine kleine Anzahl ganz oder teilweise
mit öffentlichen Mitteln finanzierter, breit angelegter genetisch-epidemiologischer
Datenbanken in der Planungs- bzw. Entwicklungsphase. Vorausgesetzt, dass diese
Datenbanken unter Wahrung hoher ethischer Standards erstellt, verwaltet und genutzt werden,
stellen diese Datenbanken potenziell wertvolle Forschungsinstrumente dar, die es den
europäischen Bürgern ermöglichen, erheblichen Nutzen aus der Genforschung zu ziehen, und
europaweit die Investitionsbereitschaft im Bereich der biomedizinischen Wissenschaft
erhöhen. Es gibt daher enorme Möglichkeiten für staatlich finanzierte
Genforschungsdatenbanken. Die europäischen Gesundheitssysteme sind nämlich eine
bedeutende, aber nicht hinreichend genutzte Ressource, die Möglichkeiten für
epidemiologische Forschungen und Studien über Krankheiten eröffnen kann, die größere
Auswirkungen auf die Lebensqualität der europäischen Bürger haben. Die Europäische Union
muss daher beginnen, die von der Genetik gebotenen Möglichkeiten und den Wert der
elektronischen Datenbanken im Gesundheitswesen als Ressource für die Forschung
aufmerksam zu prüfen.
Eine vielversprechende Entwicklung in diesem Bereich kann:
-
eine Alternative zur somatischen Gentherapie bei der Behandlung genetisch bedingter
Krankheiten darstellen,
die Wirksamkeit von Arzneimittelverordnungen durch Berücksichtigung des individuellen
genetischen Erbes verbessern,
zur Entwicklung neuer Arzneimittel führen,
zu einer auf die Person zugeschnittenen Verordnung von Arzneimitteln führen.
VI.2.3. Ethische und soziale Aspekte
Die Embryonenforschung
Je nach Mitgliedstaat variiert die Politik zur Embryonenforschung vom totalen Verbot in
Deutschland bis zur partiellen Zulassung unter der Voraussetzung einer gesetzlich geregelten
865.
60
Editorial, "The Need for private-public partnerships", Nature Medicine, vol. 6, 2000, S. 481.
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Genehmigung wie in Großbritannien (siehe Anhang III)61. Grundlegendes Argument ist der
Status des Embryo als lebender Organismus mit den Rechten und der Würde eines lebenden
Menschen. Auf der einen Seite stehen die Verfechter des Lebens, die der Auffassung sind,
dass dieses zum Zeitpunkt der Befruchtung beginnt, andere halten diese These für unhaltbar,
weil die Zellen noch nicht differenziert und von potenziellem Nutzen für Menschen seien, die
an Krankheiten leiden. Über die moralische Zulässigkeit von Experimenten an menschlichen
Embryonen wird bekanntlich eine äußerst kontroverse Diskussion geführt, deren Ursprung in
unterschiedlichen ethischen, philosophisch und/oder religiös begründeten Auffassungen liegt,
wobei jeder dieser Auffassungen volle Legitimität zuerkannt wird. Angesichts des Ausmaßes
und der Radikalität dieser Kontroverse ist es klar, dass dieser Ausschuss (oder jeder andere
Ausschuss) nicht die Aufgabe leisten kann, einen Streit zu schlichten, der seine Wurzeln in
philosophisch und/oder religiös begründeten anthropologischen Überzeugungen hat. Jede
Position findet Zustimmung, und man ist sich darüber im Klaren, dass die bloße Tatsache,
dass eine bestimmte Lösung einen breiten Konsens findet, diese nicht richtiger macht als die
anderen und ebensowenig eine Delegitimierung der anderen Positionen bedeutet. Die
Nutzung überzähliger Embryonen, die also im Rahmen eines Fortpflanzungsvorhabens
entstanden sind, aber aus verschiedenen Gründen nicht mehr zur Einpflanzung bestimmt sind,
wirft die Frage auf, ob man sich dafür entscheiden soll, einen Teil davon Forschungen zur
Verfügung zu stellen, aus denen sich erhebliche Wohltaten für die Menschheit ergeben
können, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Alternative darin besteht, ihre Vernichtung
hinzunehmen. Wenn man vor einem Dilemma steht, ist es – vom Nichtstun abgesehen, was
auf jeden Fall auch eine Entscheidung ist – das Beste, was man tun kann, eine Abwägung der
Werte, um die es geht.
In neun Mitgliedstaaten der Union gibt es Ethik-Kommissionen und in den anderen bestehen
ethische Einrichtungen. Auf Gemeinschaftsebene gibt es die Europäische Gruppe für Ethik
der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien, die einen unabhängigen Status hat und
die Kommission, das EP und den Rat zum Thema ethische Werte im Hinblick auf die
wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen im Bereich der
Gemeinschaftspolitiken berät. Es ist wahrscheinlich und angemessen, dass Entscheidungen
weiterhin auf der Ebene der Mitgliedstaaten getroffen werden, während die EU über die
Richtung und die Art und Weise befindet, wie sie ihre Forschungs- und
Finanzierungsschwerpunkte ausrichten will und in welchen Fällen der Vertrag ihr
Tätigwerden rechtfertigt. Wenn man der Logik einer Expansion der Forschung folgt, ist es
sicher richtig, dass man vielleicht die Gewinnung der wissenschaftlichen
Grundlagenkenntnisse zulassen kann, die einen Übergang zur klinischen Erprobungsphase
ermöglichen. Auf der Ebene der Grundsätze wird diese Lösung vielleicht vom Grundsatz der
Wohltätigkeit unterstützt, der, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten, ein gemeinsamer
Wesenszug der wichtigsten Morallehren ist, die Ethik der biomedizinischen Forschung
inspiriert und Quelle des Verantwortungsgefühls gegenüber leidenden Personen ist. Ganz
gleich, welche Stellungnahme dieser Ausschuss am Ende abgeben wird, muss er sich von
einer kooperativen und vorsichtigen Haltung leiten lassen, darauf bedacht sein,
Auseinandersetzungen soweit wie möglich zu vermeiden, und darauf achten, die
verschiedenen Überzeugungen auf diesem Gebiet weitestgehend zu respektieren.
Die Stellungnahme der Europäischen Ethikgruppe zur Verwendung und
61
Siehe Anhang III über „die Rechtslage zur Embryonenforschung in den Mitgliedstaaten“.
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Erforschung von Stammzellen
Im November 2000 hat die Europäische Ethikgruppe sich mit einer Stellungnahme zu den
ethischen Aspekten der Nutzung und Erforschung von Stammzellen62 geäußert. Es ist
interessant festzustellen, wie die Frage anhand eines präzisen Bezugsrahmens, das heißt im
Rahmen der Forschungspolitik der Union und der Gesundheitspolitik analysiert wurde. Der
allgemeine Ansatz geht von zwei Aspekten aus:
-
Den ethischen Grundprinzipien: dem Grundsatz der Achtung der Menschenwürde, der
Selbstbestimmung des Einzelnen, der Gerechtigkeit und Wohltätigkeit, der Freiheit der
Forschung, der Verhältnismäßigkeit und der Vorbeugung;
-
Dem Pluralismus der „europäischen“ Ethiken: Der Pluralismus ist ein Wesensmerkmal
der Europäischen Union, spiegelt den Reichtum ihrer Traditionen wider und ergänzt sie
um den Anspruch auf gegenseitige Achtung und Toleranz. Die Achtung der verschiedenen
moralischen, ethischen und kulturellen Ansätze ist Teil der ethischen Dimension des
Aufbaus einer demokratischen Gesellschaft in Europa. Aus rechtlicher Sicht entspricht die
Achtung der Vielfalt Artikel 22 der Charta der Grundrechte und Artikel 6 EGV.
Die Europäische Ethikgruppe hat empfohlen,
dass die Schaffung von Embryos durch den Transfer von Zellkernen somatischer Zellen
(„therapeutisches Klonen“) für Forschungszwecke der Zelltherapie zurzeit verfrüht ist, da es
noch einen weiten Forschungsbereich gibt, den man mit Hilfe anderer menschlicher
Stammzelllinien erkunden kann, nämlich mit überzähligen Embryonen, Fötalgewebe und
adulten Stammzellen;
einen spezifischen Gemeinschaftshaushalt zur Finanzierung von Forschungen anhand dieser
alternativen Quellen, vor allem anhand von erwachsenen Stammzellen, bereitzustellen;
auf europäischer Ebene darüber zu wachen, dass die „Forschungsergebnisse umfassende
Verbreitung finden und nicht aus kommerziellen Gründen geheimgehalten werden“ (damit
wird die Erklärung der Gruppe wieder aufgegriffen, wonach alle Forschungsaktivitäten in den
Ländern, in denen die Forschung an menschlichen Embryonen zulässig ist, nur unter der
Bedingung genehmigt werden dürfen, dass sie einer strengen öffentlichen Kontrolle
unterzogen werden, die von einer zentralen Einrichtung – wie im Fall des Vereinigten
Königreichs mit der Human Fertilisation and Embriology Authority – unter Wahrung einer
größtmöglichen Transparenz ausgeübt wird);
eine mit Gemeinschaftsmitteln finanzierte ethische Bewertung der Stammzellenforschung
„vor Projektbeginn und während ihrer Durchführug“ sicherzustellen;
Einige Bioethiker unterstreichen, dass jede ethische Uniformität im Bereich der
wissenschaftlichen Forschung und der biotechnologischen Anwendungen illusorisch ist. Die
Unterschiede sind daher „konstitutiv“ und damit nicht reduzierbar. Die Länder der EU sind
gerade durch extrem unterschiedliche Positionen in den grundlegenden Fragen der Bioethik
gekennzeichnet.63 Der Berichterstatter unterstützt dieses Argument aber nur teilweise. Auch
wenn das nicht das angestrebte Ziel ist, so gibt es doch bereits einen „Embryo der
62
Siehe Stellungnahme Nr. 15 – November 2000 – „Die ethischen Aspekte der Erforschung menschlicher
Stammzellen und ihrer Nutzung“
63
Siehe Beitrag von Frau Prof. Caporale bei der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. April
2001 -
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europäischen Ethik“, der aus jenem „gemeinsamen Empfinden“ entsteht, das seinen Ursprung
in den internationalen und europäischen Rechtsquellen hat. Es wäre daher vielleicht
angebracht, einige Grundsätze wieder aufzugreifen und an die neuen Entwicklungen
anzupassen. Dieses „gemeinsame Empfinden“ führte zu einem internationalen Konsens
zwischen Politikern und Wissenschaftlern im Hinblick auf die beiden Voraussetzungen, unter
denen die Forschung und humangenetische Therapien betrieben werden können:
-
-
es dürften keine Gentherapien an Eizellen und Samenzellen (der Keimbahn) zugelassen
werden, da die Ergebnisse an künftige Generationen weitergegeben würden.
Therapeutische Anwendungen werden nur bei somatischen Zellen zugelassen, deren
Wirkung sich auf den Einzelnen beschränkt;
Therapien dürften nur zur Behandlung schwerer Krankheiten, nicht aber zur Verbesserung
normaler menschlicher Eigenschaften erlaubt werden64.
Aufgeworfene Fragen:
-
-
-
-
Wäre es angesichts des Wertes, den jeder dem menschlichen Embryo beimisst, sowie der
Entwicklung neuer Therapien wie den Techniken des Kerntransfers (therapeutisches
Klonen) möglich oder wünschenswert, eine einheitliche Position durchzusetzen?
Welches wäre im Hinblick auf das „Subsidiaritätsprinzip“ das optimale Terrain für eine
kollektive Aktion, die eine bessere Reflexion über die Präferenzen der Bürger ermöglicht?
Das System der Europäischen Union und vor allem die Zuständigkeit auf diesem Gebiet
hat zur Folge, dass die Bürger, die Freizügigkeit genießen, frei entscheiden können,
welchem Rechtsrahmen sie sich im Hinblick auf bioethische Fragen unterwerfen wollen.
Wollte man einheitliche rechtliche Regeln für das gesamte Territorium der Union
schaffen, hätte dies zur Folge, dass die Bürger die EU nicht als eine Chance, sondern als
eine unerträgliche Einschränkung ihrer Identität betrachten würden?
Ein echter Föderalismus im Bereich der wissenschaftlichen Forschung und ihrer
Anwendungen würde es ermöglichen, aus den „best practices" zu lernen. Würde dies
ausreichen, um massenhafte Erscheinungen wie einen regelrechten Wissenschafts- und
Behandlungstourismus in Staaten außerhalb der Union in Grenzen zu halten, in denen
diese Forschungen gestattet sind?
Alle Technologien beinhalten Risiken und Nutzen, aber das „Vorsorgeprinzip“ verlangt,
dass mögliche Gefahren schwerer wiegen als bewiesene oder erwartete substanzielle
Vorteile. Mit anderen Worten: Die Vorsorge verlagert die Beweislast von der
Regelungsinstanz, die früher beweisen musste, dass eine neue Technologie zu etwaigen
Schäden führen kann, auf den Innovationsträger, der nun beweisen muss, dass die neue
Technologie nicht gefährlich ist. Ist dieses von der Europäischen Ethikgruppe unter den
ethischen Grundsätzen aufgeführte Prinzip ein gutes Prinzip für die Humangenetik? Oder
würde es den Sektor der Biomedizin behindern?
Das zentrale Argument, das gegen den absoluten Schutz menschlicher Embryos im frühen
Entwicklungsstadium geltend gemacht wird, ist die Duldung der Abtreibung. Kann das
Recht auf Ablehnung einer Schwangerschaft aus prinzipiellen Gründen mit dem Anspruch
auf Nutzung von Embryos durch Dritte gleichgesetzt werden? Lässt sich ein Schutz vor
der Instrumentalisierung von Embryos im Rahmen biomedizinischer Forschung und vor
64
Vgl. Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin des Europarats, Erklärung der UNESCO
über das menschliche Genom und Stellungnahmen der Europäischen Ethikgruppe und der nationalen
Ethikkommissionen.
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Kommerzialisierung nicht auch vor dem Hintergrund einer gesellschaftlich akzeptierten
Praxis des Schwangerschaftsabbruches begründen?65
Kann man wegen der offenen technischen Probleme ein Moratorium über die klinische
Anwendung der menschlichen Keimbahntherapie für ausreichend halten? Könnte das
„richtige Mittel“ in einer „Aussetzung der Entscheidung“ bestehen?
Ist es richtig, wenn man glaubt, jetzt und für alle Zukunft gültige Normen für die heutigen
und künftigen Generationen aufstellen zu müssen?
Einige Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass das therapeutische Klonen die
Durchführung biologischer und medizinischer Handlungen notwendig macht, die
erforderlich und ausreichend sind, um auch zu reproduktiven Zwecken zu klonen66.
Würde also die Zulassung des therapeutischen Klonens bedeuten, dass ohne jegliches
Hindernis auch Forschung im Bereich des reproduktiven Klonens zugelassen würde,
wenngleich ansonsten gesagt wird, dass diese Forschung streng verboten sei?
VI.3. Denkstrategien für eine Gemeinschaftsintervention, die einen Mehrwert
darstellt
Es geht daher um eine Abwägung zwischen den Gefahren und den Chancen, welche die
Wissenschaft bietet, und nicht darum, die Einführung nützlicher Technologien zu verzögern.
Die Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen umfasst nicht nur die
Verantwortung für das, was wir tun, sondern auch die Verantwortung für das, was wir
unterlassen, obwohl wir theoretisch und praktisch die Möglichkeit dazu hätten. Die Debatte
über die Humangenetik und ihre Anwendungen verläuft zufällig und setzt oft nach dem
Bekanntwerden eines bestimmten „Produkts“ ein. Wir müssen die Herausforderung
annehmen und:
-
grundlegende ethische Leitlinien formulieren, die so viel Substanz haben, dass sie als
Grundlage für eine allgemeine Bewertung der Entwicklung und Nutzung der
Humangenetik dienen können und dabei Regeln Berücksichtigung finden, die folgende
Aspekte gewährleisten können: Die freiwillige Einwilligung nach Information, die
Risiko/Nutzen-Bewertung, den Gesundheitsschutz der Personen, die an klinischen Tests
teilnehmen, die wissenschaftliche Bewertung von Stammzellen für therapeutische
Zwecke, die Anonymität des Spenders, die Verwaltung von Stammzellenbanken und
deren Vertraulichkeit, das Verbot des Handels mit Embryonen, die Ein- und Ausfuhr von
Erzeugnissen aus Stammzellen;
-
den Rahmen für eine öffentliche Diskussion über die Interpretation der ethischen
Leitlinien schaffen, um eine Debatte über die Entwicklung und Nutzung der Gentechnik
zu eröffnen, bevor sich diese auf breiter Ebene entwickelt und breite Anwendung findet.
Die Erfahrung zeigt, dass die Interpretation der Leitlinien nicht denen überlassen werden
darf, die spezifische Fälle zu behandeln haben, wie beispielsweise den Behörden und
Wissenschaftlern. In einer demokratischen Gesellschaft muss das vernünftige Ziel darin
bestehen, sicherzustellen, dass die Entscheidung über die Verwendung genetischer
Informationen und der Gentechnik von allen Bereichen der Gesellschaft weitgehend
respektiert wird. Es ist daher wichtig, dass die Reflexion über den Einsatz der Gentechnik
65
66
Siehe Beitrag von Frau Professor Kollek – Sitzung des nichtständigen Ausschussesvom 26. April 2001
Siehe Beitrag von Professor Testart – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. April 2001
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im Rahmen einer breiteren öffentlichen und demokratischen Debatte stattfindet;
-
eine integrierte allgemeine und berufliche Bildung, sowie multilaterale Informations- und
Diskussionsmaßnahmen fördern. Eine integrierte und multidisziplinäre Bildung entspricht
der dringenden Notwendigkeit eines Dialogs zwischen Wissenschaftlern, Unternehmern,
Gesetzgebern und gesellschaftlichen Akteuren über die neuen Spitzentechnologien in
ihrer ersten Entwicklungsphase und wird zu verantwortungsvollen Entscheidungen
führen, die rechtzeitig von Förderpolitiken begleitet werden. Eine Ausweitung der
öffentlichen Information und der Debatte auf neue Entwicklungen im Bereich der
Biomedizin wird die Verstärkung einer verantwortungsvollen Akzeptanz durch die
Öffentlichkeit ermöglichen.
Die Regeln, welche die Gesellschaft erarbeiten müsste, um die laufenden
Veränderungsprozesse der gegenwärtigen biologischen Revolution zu steuern (was nicht
behindern oder verhindern bedeutet), müssen eine Gestaltung der Zukunft zum Ziel haben,
um zu vermeiden, dass diese erduldet werden muss, ganz gleich wie sie aussehen mag. Wenn
auf der einen Seite Angst und Unwissen zu schädlichen Verboten führen können, kann die
Unfähigkeit, zu einem „mitgetragenen Konsens“ zu gelangen, der aus einem echten Dialog
der Beteiligten entsteht, dazu führen, dass der Aufbau eines einheitlichen Bezugsrahmens
nicht stattfindet und es unmöglich wird, politische Entscheidungen für die Allgemeinheit zu
treffen.
Insbesondere im Hinblick auf Gentests wirft jede Art von Überlegungen über die enormen
medizinischen, rechtlichen, psychologischen und ethischen Folgen eines falschen Ergebnisses
von Genanalysen folgende Fragen auf:
-
-
-
Wie können Qualität und Sicherheit der Genanalysen in Europa sichergestellt werden?
Wie lässt sich der gleichberechtigte Zugang zu Informationen über die Verfügbarkeit, den
Wert und die Grenzen von Genanalysen garantieren?
Wie kann die Achtung der für die klinische Genetik entscheidenden und auf der
Selbstbestimmung beruhenden Werte gewahrt werden (freiwillige Zustimmung nach
Aufklärung, Schutz vor Einflussnahme durch Personen/die Gesellschaft, Förderung der
eigenständigen Entscheidungsfähigkeit, Vorrang der Rechte und Interessen des Einzelnen
vor denen der Gemeinschaft, das Recht zu wissen und nicht zu wissen)?
Wie kann eine kompetente genetische Beratung sichergestellt werden, um Missbrauch
beim Integrationsprozess der Genanalysen in die klinische Praxis zu vermeiden?
Wie lassen sich breit angelegte Bildungsinitiativen fördern, die sowohl an Fachleute als
auch an die Öffentlichkeit gerichtet sind, um durch öffentliche und private, staatliche und
nichtstaatliche Organisationen und vor allem durch die nationalen Ethik-Kommissionen,
die eine größere Nähe zu den Bürgern herstellen und unter Nutzung der neuen
Informationstechniken Kommunikationskanäle schaffen müssen, über die Gefahren und
Vorteile, aber auch über die Grenzen der Genanalysen zu informieren?
Wie lässt sich durch richtige und angemessene Schutzgesetze garantieren, dass genetische
Unterschiede von der Gesellschaft respektiert werden?
Wie kann ein europäisches Netz von Labors geschaffen werden, das seltene Krankheiten
abdecken kann?
Mit besonderem Augenmerk auf die Pharmakogenetik:
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-
-
Die Schaffung eines in ganz Europa anerkannten harmonisierten Regelungsrahmens, der
den Interessen der Öffentlichkeit, der Gesundheit und den Forschungsgemeinschaften
Rechnung trägt und klare Vorschriften nicht nur für die Entwicklung, sondern auch die
Erprobung und Zulassung neuer Biopharmaka beinhaltet, wird als eine wesentliche
Grundlage betrachtet, um eine sichere, positive und verantwortungsvolle Entwicklung der
Ergebnisse der neuen biomedizinischen Forschung zu garantieren. Die Existenz einer
Vielzahl unterschiedlicher oder zumindest uneinheitlicher Vorschriften auf nationaler
Ebene für alle Phasen von der Entwicklung bis zur klinischen Erprobung wird als ein
schwerwiegendes Hemmnis betrachtet, das die Entwicklung und Erprobung neuer
Biopharmaka auf EU-Ebene erschwert. Eine bestmögliche Nutzung dieser Chance wird
den Bürgern der Europäischen Union die Möglichkeit eröffnen, die erheblichen
gesundheitlichen Vorteile der Genforschung zu nutzen, und wird in einem immer
wettbewerbsorientierteren globalen Umfeld weitere Investitionen in den europäischen
Wissenschafts- und Pharmasektor lenken;
Stärkere Synergien zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor können es
ermöglichen, für alle optimale Ergebnisse im Bereich der Pharmakogenetik zu erreichen,
während ohne sie strenge oder zu restriktive staatliche Regeln klare Benachteiligungen
auszulösen drohen.
VI.4. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Humangenetik (Diagnostik und
Therapie)
Während der 70er und 80er Jahre erlebten Länder wie das Vereinigte Königreich und die
Niederlande die Entstehung der klinischen Genetik, die als unabhängiges Fachgebiet an der
Schnittstelle der neuen laborgestützten Gentechnologien und deren Anwendungen stand. Das
neue Fachgebiet entwickelte bald einen familiären Ansatz und erlaubte es Verwandten, die
Chancen der Wahlmöglichkeit für eine Familienstrategie und Tests zur Verhinderung eines
späteren Ausbruchs von Krankheiten wie chronischem Morbus Huntington zu nutzen. Diese
Kliniker wurden Experten für die Diagnose seltener Syndrome, da die Diagnose eine
wesentliche Voraussetzung für eine genaue Beratung ist. In Ländern mit einem
Gesundheitssystem, in dem bei genetischen Erkrankungen die Überweisung an Fachärzte
üblich ist, entwickelte sich die professionelle Handhabung genetischer Erkrankungen auf
einer breiteren Grundlage, und es entstanden Labors, die mit Universitätsinstituten sowie mit
allgemeinen pathologischen und biochemischen Instituten zusammenarbeiten67.
Da in genetische Diagnostik und Beratungseinrichtungen zunehmend investiert wird, ist es
wahrscheinlich, dass Europa diese Dichotomie weiter fortführt; dort, wo bereits integrierte
Genetikzentren bestehen, sind weitere Investitionen wahrscheinlich, während in den Ländern
mit weniger entwickelten Genetikeinrichtungen die Entwicklung der Genetik anders verlaufen
wird. Wie immer solche Entwicklungen aussehen, müssen diese mit Nachdruck betrieben
werden, wenn die Früchte des Human-Genom-Projekts in eine bessere
Gesundheitsversorgung umgewandelt werden sollen. Es gibt etwa 6.500 erkannte Phänotypen,
von denen annähernd ein Viertel der Gene bestimmt wurden. Insgesamt gesehen betreffen
Krankheiten, die durch einzelne Genirregularitäten, Chromosomendefekte und rein genetisch
67
Siehe Beitrag von Prof. J. Burn – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 13. März 2001
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bedingte Missbildungen verursacht werden, eine von 20 Personen bis 25 Jahren. Gentests sind
für diese Menschen und deren Familien im Hinblick auf eine bessere Gesundheitsfürsorge
von großem Wert.
Nach einer zuverlässigen Schätzung wird dieser Bereich in Europa in den nächsten 10-15
Jahren rasch wachsen und in die konventionelle medizinische Praxis Eingang finden, wobei er
eine immer größere Rolle bei der Diagnose und der Vorausschau in Bezug auf die Gesundheit
des Einzelnen spielen wird. Analyseleistungen können auch auf transnationaler oder
transkontinentaler Ebene angeboten werden, da es keinen Grund gibt, weshalb die Analysen
in räumlicher Nähe zur Quelle der Probe des Patienten durchgeführt werden sollten. In den
Vereinigten Staaten machen einige Firmen bereits im Internet Werbung für öffentlich
angebotene Genanalysen. Unter der Voraussetzung, dass eine geeignete Regelungspolitik
betrieben wird, ist die Entwicklung eines bedeutenden und wettbewerbsfähigen globalen
Marktes für Genuntersuchungen zu erwarten. Der Schlüssel für die Entwicklung von
Genanalysen als Dienstleistung besteht darin, dass in jedem Land vollständige
Dienstleistungskapazitäten und eine hohe Qualität geboten werden, für die Zuverlässigkeit,
Behandlungskapazitäten, Antwortzeiten und Präzision maßgeblich sind.
Das finanzielle Engagement in diesem Bereich umfasst einen Gesamtwert an öffentlichen
Aufträgen von 1205 Millionen Dollar für den Zeitraum 1996-2000, von denen 404 Millionen
an Unternehmen der EU, 636 Millionen an Unternehmen in den USA und 127 an japanische
Unternehmen vergeben wurden. Der europäische Beitrag in diesem Bereich ist sehr
bedeutend, sowohl in Bezug auf die starken Grundlagenkenntnisse (30 % aller im Jahr 2000
weltweit veröffentlichten Beiträge zur Gentherapie kommen aus der Union), als auch im
Hinblick auf die industrielle Wettbewerbsfähigkeit. Die in der Gentherapie tätige europäische
Wirtschaft hat vergleichbare Größenordnungen aufzuweisen wie ihr amerikanisches
Gegenstück, betrachtet man die Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen (26 in der Union
und 24 in Nordamerika im Jahr 2000) und die großen Unternehmen der Pharmaindustrie (9 in
der EU und 11 in den USA), aber sie scheint in Europa etwas weniger weit fortgeschritten,
wenn man die Zahl der Beschäftigten, die Anzahl der unter europäischer Schirmherrschaft
durchgeführten klinischen Experimente und die Zahl der börsennotierten Unternehmen
betrachtet (4 gegenüber 8)68.
Die in der Gentherapie tätigen europäischen Forscher sind sehr marktorientiert. Fast alle
neuen Unternehmen wurden von Akademikern mit finanzieller Unterstützung in Form von
Risikokapital gegründet und schaffen neues geistiges Eigentum, wobei sie in engem Kontakt
mit der Industrie arbeiten.
Nach einer Umfrage unter den Universitätslabors und den Unternehmen für genetische
Forschung in Europa arbeiten 60 % der Universitätslabors aktiv mit der Industrie zusammen,
und alle spezialisierten Unternehmen stehen in aktiver Zusammenarbeit mit dem
Universitätsbereich. 45 % der durchgeführten Forschung führte zu Anwendungen für
Patienten, und in einem Drittel der Fälle wurden die entsprechenden Lizenzen an die Industrie
verkauft. Im Folgenden werden die wichtigsten Daten über die Gentherapie in Europa
wiedergegeben.
68
Quelle: Studies on the socio-economic impact of biotechnology - Gene therapy in Europe : exploitation
and commercial development – BIO4-98-0380 – European Commission, DG Research
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VI.4.1 Situation im europäischen Gentherapiesektor69
Die Veränderungen im europäischen Gentherapiesektor sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Alle verfügbaren Daten zeigen ein eindrucksvolles Wachstum dieses Bereichs in den letzten
dreieinhalb Jahren. Hervorzuheben wäre vor allem der Anstieg der Zahl klinischer
Erprobungen, der Zahl von Unternehmen, welche die Erprobungen organisieren, und der
Kooperationen zwischen Unternehmen, da dies ein gutes Indiz für die Reife des Sektors ist.
Die Veränderungen, die sich in der gleichen Zeit in diesem Bereich in Nordamerika vollzogen
haben, sind dagegen sehr viel weniger dramatisch (Tabelle 2). Der Anstieg der
Unternehmenszahl von 50 % lässt sich teilweise durch die Registrierung von
Gentherapieunternehmen erklären, die vor 1996 gegründet wurden. Den einzig wichtigen
Anstieg gab es bei der Zahl der Kooperationsaktionen US-amerikanischer Unternehmen im
Bereich der Gentherapie. Hinter diesem Aspekt verbirgt sich eine der wichtigsten
Veränderungen in diesem Bereich, das heißt ein Konsolidierungsprozess, in dessen Verlauf
sechs Unternehmen übernommen wurden. Diese Tendenz steht in Europa erst am Anfang, es
scheint jedoch sicher zu sein, dass sie sich beschleunigen wird.
Zahl der
Gentherapieunternehmen
Zahl der börsennotierten
Unternehmen
Zahl der Beschäftigten
Zahl der
experimentierenden
Unternehmen
Zahl der klinischen
Experimente, die von
Unternehmen gesponsort
werden
Zahl der Kooperationen
1996
Mai 2000
% Veränderung
10
26
+160
1
4
+300
299
3
735
11
+145
+270
5
21
+320
3
39
+1200
1996
Mai 2000
% Veränderung
16
24
+50
8
8
0
911
14
1009
16
+10
+15
48
123
+150
Tabelle 1. Veränderungen im europäischen Gentherapiesektor 1996-2000
Zahl der
Gentherapieunternehmen
Zahl der börsennotierten
Unternehmen
Zahl der Beschäftigten
Zahl der
experimentierenden
Unternehmen
Zahl der Kooperationen
69
Quelle: Studies on the socio-economic impact of biotechnology - Gene therapy in Europe : exploitation
and commercial development – BIO4-98-0380 – European Commission, DG Research
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Tabelle 2. Veränderungen im nordamerikanischen Gentherapiesektor 1996-2000
Trotz des dramatischen Wachstums der europäischen Industrie und der Konsolidierung der
Gentherapieunternehmen in den USA ist die die nordamerikanische Industrie immer noch
stärker und reifer. Dies trifft zu, wenn als Vergleichskriterium die Zahl der Beschäftigten, die
Zahl der börsennotierten Unternehmen, die Zahl der Unternehmen, die klinische Experimente
organisieren, oder auch die Zahl und der Wert der Kooperationen (Tabelle 3) herangezogen
wird. Dies gilt vor allem für die Entwicklung von Produkten mit einigen US-amerikanischen
Unternehmen, welche die klinischen Erprobungen in den letzten Phasen durchführen. In
Europa ist nur Transgene dazu in der Lage.
Zahl der
Gentherapieunternehmen
Zahl der börsennotierten
Unternehmen
Zahl der Beschäftigten
Zahl der
experimentierenden
Unternehmen
Zahl der Kooperationen
europäische
Industrie
amerikanische
Industrie
% Amerika/
Europa
26
24
-10
4
8
+100
735
11
1009
16
+37
+45
39
123
+215
Tabelle 3. Vergleich der Stärke und Reife der europäischen Gentherapieunternehmen und der entsprechenden
Unternehmen in den USA – Mai 2000
Bei den übrigen in der Gentherapie tätigen Unternehmen ist die Zahl der großen Pharma- und
Biotechnologieunternehmen mit besonderem Schwerpunkt in der Gentherapie in Europa (9)
in etwa mit den USA (11) vergleichbar. Außerdem ist die Zahl der kleinen und mittleren
Biotechnologieunternehmen mit bedeutenden Programmen in diesem Bereich in beiden
Kontinenten ebenfalls vergleichbar.
Abschließend lässt sich sagen, dass der europäische Gentherapiesektor sich in den letzten
dreieinhalb Jahren verändert hat und im Hinblick auf Stärke und Reife seinem
nordamerikanischen Gegenstück sehr viel ähnlicher geworden ist.
VI.4.2. Die nationale und europäische Produktion im Bereich der
Gentherapieforschung
In diesem Abschnitt wird ein Gesamtüberblick über die Größe und Organisation der
Gentherapieforschung im öffentlichen Sektor in Europa vorgelegt. Es wird vor allem die
Produktion von Veröffentlichungen in diesem Bereich untersucht.
Einzelheiten zur Veröffentlichung von Studien über die Gentherapie in Europa sind in
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Tabelle 470 für die beiden Zeiträume 1991-1995 (fünf Jahre) und 1996-2000 (vier Jahre und
vier Monate) wiedergegeben.
Land
Österreich
Belgien
Dänemark
Finnland
Frankreich
Deutschland
Griechenland
Irland
Italien
Niederlande
Norwegen
Portugal
Spanien
Schweden
Schweiz
Vereinigtes
Königreich
Europa
insgesamt
Welt
insgesamt
Dokumente
über die
Gentherapie
1991-1995
%
Europa
insgesamt
Dokumente über
die Gentherapie
1996-2000
%
Europa
insgesamt
Prozentuale
Veränderung des
europäischen
Anteils insgesamt
3
2
9
1
100
58
0
0
24
28
0
0
3
2
8
140
0.8
0.5
2.4
0.3
26.4
15.3
0
0
6.3
7.4
0
0
0.8
0.5
2.1
9
25
10
16
194
191
4
1
80
33
3
5
18
20
38
304
0.9
2.6
1.1
1.7
20.4
20.1
0.4
0.1
8.4
3.5
0.3
0.5
1.9
2.1
4.0
32.0
+0.1
+2.1
-1.3
+1.4
-6.0
+4.8
+0.4
+0.1
+2.1
-3.9
+0.3
+0.5
+1.1
+1.6
+1.9
-5.3
379
37.3
951 (+150 %)
100
1465
100
3190 (+117 %)
Tabelle 4. Europäische Produktion von Publikationen über Gentherapie (1991-1995) und (1996-2000)
Der erste bemerkenswerte Aspekt in der Tabelle 4 ist der enorme Anstieg der Gesamtzahl von
Veröffentlichungen über die Gentherapie (+117 %) zwischen den beiden beobachteten
Zeiträumen. Der Anstieg bei den europäischen Veröffentlichungen war jedoch noch stärker
(+150 %). Der europäische Anteil an der weltweiten Produktion insgesamt stieg damit von
26 % auf 30 % und näherte sich dem durchschnittlichen europäischen Anteil an der gesamten
Produktion wissenschaftlicher Veröffentlichungen zur Biomedizin. Da die weltweite
Produktion von Veröffentlichungen zur Gentherapie von den USA dominiert wird, scheint
sich Europa den USA anzunähern.
In Europa wurden wichtige Veränderungen beobachtet. Erstens ist der Anteil des Vereinigten
Königreichs und Frankreichs gesunken (5,3 % bzw. 6,3 %). Weltweit betrachtet, ist der Anteil
des Vereinigten Königreichs jedoch mit 9,5 % fast stabil geblieben, während der französische
Anteil einen leichten Rückgang von 6,8 % in der Zeit von 1991-1995 auf 6,1 % von 199670
Die Informationen zu dieser Tabelle wurden dem Scientific Information's (ISI) Science Citation Index
(SCI) entnommen, wobei in den einzelnen Ländern nach Publikationen gesucht wurde, bei denen der Begriff
„Gentherapie” im Titel auftrat. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Technik zu einer gewissen Zahl von
„Doppelzählungen“ führt, wenn die Dokumente von Autoren aus verschiedenen Ländern veröffentlicht werden.
Das ISI wertet mehr als 3.500 der weltweit wichtigsten wissenschaftlichen Zeitschriften aus und veröffentlicht
das OSCI, das Daten über die Veröffentlichungen enthält, die in den vom ISI anerkannten Zeitschriften zitiert
wurden. Es überwiegen die englischsprachigen Länder, da die meisten dieser Zeitschriften englischsprachig sind.
Trotzdem ist dies das beste verfügbare Messinstrument für die Produktion von Veröffentlichungen in einem
bestimmten Land.
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2000 verzeichnete. Die Anteile von Dänemark und den Niederlanden gingen noch stärker
zurück.
Den stärksten und bemerkenswertesten Anstieg des Anteils an der europäischen
Gesamtproduktion verzeichnet Deutschland, das in diesem Bereich traditionell
unterrepräsentiert war. Die deutschen Wissenschaftler haben ihren Anteil an der europäischen
Produktion von 15 % auf 20 % und bei der weltweiten Produktion um 50 % von 4,0 % auf
6,0 % gesteigert. Dies stellt vermutlich einen Aufholprozess dar und vermittelt ein genaueres
Bild der deutschen Stärken im Bereich der biomedizinischen Forschung im allgemeinen.
Weitere Länder, in denen eine Verbesserung festzustellen ist, sind Italien und Belgien.
VI.4.3 In welchem Umfang wird der Gentherapie im Rahmen der nationalen
Forschungsfinanzierungssysteme Vorrang eingeräumt?
Der Gentherapie auf nationaler Ebene eine explizite Vorrangstellung einzuräumen oder
spezifische Maßnahmen zur Technologieförderung einzuführen, kann ein Mittel sein, um zu
gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten wissenschaftliche Kompetenz im Bereich der
Gentherapie entwickeln. Dies ist eine Vorbedingung für daraus resultierende kommerzielle
Entwicklungen und ist der erste zu untersuchende Faktor. Die finanziellen Mittel für jedes
Land sind in Tabelle 5 zusammengefasst, die auch Daten über die Produktion von
Publikationen über die Gentherapie in den einzelnen Ländern, über eine Bewertung des
Umfangs der wissenschaftlichen Basis in diesem Bereich und die Existenz von allgemeinen
Biotechnologieprogrammen enthält.
Insgesamt haben 10 der untersuchten 15 europäischen Länder der Gentherapie eine gewisse
Priorität eingeräumt oder eine entsprechende staatliche Politik etabliert. Insbesondere sechs
Länder (Österreich, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Schweden und die Schweiz) haben
der Gentherapie nationalen Vorrang eingeräumt, und vier von ihnen haben nationale
Finanzierungsprogramme dafür erstellt. Drei weitere Länder (Belgien, Norwegen und
Vereinigtes Königreich) haben Gentherapiezentren finanziert. Interessant ist die Feststellung,
dass in zwei der Länder, die erhebliche Kompetenz im Bereich der Gentherapie vorzuweisen
haben (Frankreich und Italien), die wichtigsten öffentlichen Finanzierungsquellen für die
Forschung zur Gentherapie nicht Regierungsstellen, sondern karitative Einrichtungen sind.
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Land
% aller
europäischen
Zitate zur
Gentherapie
Umfang der
nationalen
wissenschaftlichen Basis
bei der
Gentherapie
Die
Gentherapie
wird als
vorrangiger
nationaler
Sektor
betrachtet
Nationale
Gentherapie
(Unterprogramm)
Finanzierung
der
Gentherapie
Österreich
Belgien
Dänemark
Finnland
Frankreich
Deutschland
Irland
Italien
Niederlande
Norwegen
Portugal
Spanien
Schweden
Schweiz
Vereinigtes
Königreich
1
3
1
2
20
20
8
3
1
2
2
4
32
Gering
Mäßig
Gering
Mäßig
Hoch
Hoch
Sehr gering
Hoch
Mäßig
Sehr gering
Mäßig
Mäßig
Mäßig
Mäßig
Hoch
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
-
Ja
Ja
Ja
Ja
(Ja)
insgesamt
100
6
4
Besondere
nationale
Programme
für die
Biotechnologie
Ja
Ja
Ja
Ja
Karitative
Einrichtungen, die eine
Schlüsselrolle bei der
Finanzierung
der Gentherapie spielen
Ja
Ja
-
4
2
10
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
-
Tabelle 5. Nationale Finanzierungspolitiken für den Wissenschaftssektor, mit denen die Expansion der Gentherapie
gefördert wird
Aus den Daten in der Tabelle geht hervor, dass es keine einfache Beziehung zwischen dem
Umfang der wissenschaftlichen Basis – gemessen anhand der Produktion von Publikationen und dem Umfang der Finanzierungspolitiken gibt. Allerdings verfügen wenige der Länder,
die als relativ schwach im Bereich der Gentherapie gelten, über konsolidierte spezifische
Finanzierungsprogramme zur Förderung der Technologie. Dänemark, Irland, Portugal und
Spanien betreiben keine Politiken in diesem Bereich, und obwohl Österreich ein Programm
vorweisen kann, ist dieses sehr bescheiden. Die einzige Ausnahme bildet Norwegen, das seit
relativ kurzer Zeit erhebliche Investitionen in diesem Bereich vornimmt.
Die auf diesem Gebiet stärksten Länder – Frankreich, Deutschland, Italien, Schweiz und
Vereinigtes Königreich – haben im allgemeinen spezielle nationale Finanzierungsprogramme
oder starke karitative Einrichtungen, welche die Gentherapie explizit als prioritären Sektor
finanzieren.
Trotz dieser vagen Entsprechung zwischen dem Umfang der wissenschaftlichen Basis und der
Existenz spezieller Maßnahmen zur Förderung der Gentherapie ist es schwierig, endgültige
Schlussfolgerungen über die Ursachen zu ziehen: Viele der größeren Länder sind in der
biotechnologischen Forschung generell stark, und man kann daher annehmen, dass sie
unabhängig von speziellen Finanzierungen in der Gentherapie genauso stark sind. Außerdem
lässt sich nur schwer ein Urteil über den Wert der Politik auf diesem Sektor abgeben, da viele
Initiativen relativ neu sind und zwischen der öffentlichen Investition und der Entwicklung
wissenschaftlicher Kompetenz in einem bestimmten Bereich erhebliche Zeit vergehen kann.
Eine Feststellung kann man jedoch treffen, nämlich dass die Gentherapie im Rahmen der
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Forschungsfinanzierungspolitik vieler europäischer Länder seit der Mitte der 90er Jahre eine
sehr viel höhere Priorität genießt. Dies führte wahrscheinlich zu einem höheren
Finanzierungsniveau bei der Gentherapieforschung und erklärt zum Teil den Anstieg der
wissenschaftlichen Produktion in den letzten fünf Jahren.
VI.4.4. Denkstrategien für eventuelle Empfehlungen an die Mitgliedstaaten der Union
Die biotechnologische Forschung tendiert dazu, sich immer stärker auf eine kleine Zahl
multinationaler Großunternehmen zu konzentrieren. Die Behörden auf nationaler,
gemeinschaftlicher und internationaler Ebene sollten daher aufgefordert werden,
-
-
die Auswirkungen einer solchen Konzentration zu überprüfen, da sie das öffentliche
Interesse beeinflussen können;
die Position der kleineren Unternehmen und der nicht gewinnorientierten Organisationen
zu schützen;
die Unternehmung von Anstrengungen für eine starke, unabhängige und öffentlich
finanzierte Forschung zu gewährleisten, die sich auf die Bereiche konzentriert, die kurzoder mittelfristig nur geringe Ertragsmöglichkeiten bieten und von der Privatindustrie
vernachlässigt werden, wie die Behandlung von Krankheiten, von denen Arme oder
Kinder betroffen sind oder die in den ärmsten Ländern auftreten, sowie die Behandlung
von seltenen Krankheiten;
die Erforschung der Risiken der Biotechnologie und der Wege zur Vermeidung dieser
Risiken zu fördern;
die Bildung staatlich-privater Partnerschaften zu unterstützen.
VII.
Die Nutzung genetischer Informationen
Die Verfügbarkeit personenbezogener genetischer Informationen birgt das Risiko neuer
Formen der Diskriminierung. Die Probleme im Zusammenhang mit der Genforschung werfen
Fragen auf, die den Schutz der Privatsphäre, den Datenschutz und die Einwilligung nach
Aufklärung betreffen. Die Öffentlichkeit muss sicher sein, dass die Genforschung mit
ausreichenden Garantien für den Schutz der Interessen des Einzelnen und der künftigen
Generationen betrieben wird, wobei es aber möglich bleiben muss, die zulässigen und für die
Gesellschaft vorteilhaften medizinischen Forschungsaktivitäten voranzubringen. Es wird
befürchtet, dass Versicherungsunternehmen und Arbeitgeber diese Daten dazu nutzen
könnten, um den Versicherungsschutz oder eine Beschäftigung zu verweigern. Der Zugang zu
solchen Informationen muss weiter diskutiert werden, um geeignete Regelungen zu treffen.
Genetische Daten gelten als sehr spezielle Informationen. Sie können wichtige Informationen
nicht nur über die untersuchte Person, sondern auch über die Mitglieder ihrer Familie
enthüllen und letztlich große Auswirkungen auf das Leben und den Lebensstil eines
Einzelnen haben, d. h. auch im Hinblick auf die Familienplanung. Die
Datenschutzbestimmungen beinhalten Aspekte wie Vertraulichkeit, Anonymität,
Vermarktung, Zugang zu Informationen, Versicherung, Arbeitgeber usw. Es könnte
notwendig werden, die Richtlinie 1995/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der
Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr zu aktualisieren.
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Die politischen Verantwortlichen müssen sich die Frage stellen, wie der Datenschutz in
diesem Bereich gewährleistet werden kann. Kann die Frage der Regelung der DNA-Analyse
auf nationaler Ebene gelöst werden? Oder müssen im Rahmen eines Binnenmarktes
bestimmte Grundsätze auf europäischer Ebene festgelegt werden? Sehr wahrscheinlich wird
es erforderlich sein, anhand der Datenschutzrichtlinie von 1995 eine europäische
Rechtsordnung über die Nutzung von Tests bei Einstellungen oder beim Abschluss von
Versicherungsverträgen zu schaffen. Auch die Charta der Grundrechte besagt in Art. 21, dass
die genetischen Merkmale zu den Kriterien zählen, die eine Diskriminierung ausschließen.
Muss die Tatsache, dass die medizinischen Risiken und Veranlagungen eines Einzelnen
wissenschaftlich besser abgesichert sind, für die Versicherungen Einschränkungen im
Hinblick auf die Kenntnis der Patientenakte für den Fall bedeuten, dass Gentests
vorgenommen werden?
Das EP hat sich vor kurzem mit der Entschließung des Abgeordneten Purvis zu diesem
Thema geäußert: „Die Verwendung von und der Zugang zu personenbezogenen genetischen
Daten durch Dritte müssen im Hinblick auf eine gesetzliche Regelung erörtert werden, in
deren Mittelpunkt der Schutz der persönlichen Integrität sowie die zwingend vorgeschriebene
Zustimmung der betroffenen Person stehen. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, das Recht
des Einzelnen auf Vertraulichkeit genetischer Daten zu schützen und dafür zu sorgen, dass die
Ermittlung genetischer Profile für Zwecke eingesetzt wird, die den einzelnen Patienten und
der Allgemeinheit nützen; von diesem allgemeinen Grundsatz der Vertraulichkeit sollte
ausnahmsweise in den Fällen abgegangen werden, in denen die in DNA-Datenbanken
gespeicherten genetischen Fingerabdrücke zur Überführung und Verurteilung von Straftätern
herangezogen werden“71
VIII. Die Patentierbarkeit von lebendem Material
Die Patentierbarkeit des menschlichen Genoms war seit Mitte der 80er Jahre in der
Europäischen Union Gegenstand einer kontroversen Debatte. Angesichts der Tatsache, dass
es auf Gemeinschaftsebene keinen Rechtsrahmen gab, der sich gezielt mit dem Schutz der
Prozesse und Produkte des neuen Biotechnologiesektors befasste, haben das Europäische
Parlament und der Rat 1998 die Richtlinie 1998/44 über den rechtlichen Schutz
biotechnologischer Erfindungen72 angenommen, um die Grenzen der Patentierbarkeit von
„biologischem Material“ und damit auch von Gensequenzen zu präzisieren, und auch um zu
versuchen, eine Antwort auf solche Streitfragen zu geben.
VIII.1 Rechtsrahmen der Gemeinschaft
Auf Gemeinschaftsebene gibt es noch keine einschlägige Rechtsordnung, die mit einer
einzigen Hinterlegung den Erwerb eines in allen Mitgliedstaaten gültigen Patents möglich
71
Entschließung A5-0080/2001 des Europäischen Parlaments zur Zukunft der Biotechnologieindustrie
Richtlinie 1998/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den
rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen
72
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macht. Daher hat die Europäische Union 1986 beim Start für die Schaffung des Binnenmarkts
beschlossen, auf eine Annäherung der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in
wirtschaftlicher und währungspolitischer Hinsicht hinzuarbeiten. Dies machte unter anderem
die Schaffung eines angemessenen Gemeinschaftsinstruments notwendig, um in einem
globalen Markt die Ergebnisse europäischer Erfindungen vor potenziellen Konkurrenten aus
anderen Industriestaaten wie den USA, Kanada und Japan zu schützen. Bereits mit der
Mitteilung (KOM (94)219 zeigte die Kommission einige mögliche operative Linien für den
Biotechnologiesektor auf, die im “Weißbuch 1993 über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit
und Beschäftigung” von Jacques Delors enthalten sind, wobei sie die Notwendigkeit einer
Beseitigung der bei den öffentlich und privat finanzierten Forschungs- und
Entwicklungstätigkeiten (F&E) festgestellten Defizite unterstrich. Sie schlug vor, die Hilfen
unter breiterer Beteiligung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) auf einige
besonders vielversprechende Bereiche der F&E zu fokussieren, mit dem zweifachen Ziel:
− einer Sensibilisierung der Unternehmer in den Mitgliedstaaten für die Bedeutung der
Entwicklung in den Anwendungssektoren der Biotechnologie (Landwirtschaft, Medizin,
Nahrungsmittel, Umwelt) unter Hinweis auf positive Rückwirkungen auf Wirtschaft und
Beschäftigung;
− einer Vertiefung der Diskussion über ethische Aspekte unter Stärkung der vorhandenen
Rechtsinstrumente, zwecks Kontrolle der Sektoren, in denen sich die Frage der direkten
Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt mit größerer Brisanz
stellt.
Ausgehend von dieser ersten Mitteilung hat die Kommission mit der Vorbereitung von
Orientierungsinstrumenten (Empfehlungen) und Rechtsinstrumenten (Richtlinien und
Verordnungen) begonnen, zur:
− Verstärkung und Koordinierung – zwischen den und innerhalb der Forschungsprogramme
der Mitgliedstaaten - der wissenschaftlichen Beratung als besonders wichtigem Element
(schneller Zugang zu wissenschaftlichen Grundlagen und Verfügbarkeit
hochqualifizierten Personals);
− Ermutigung der Mitgliedstaaten, die Entwicklung der KMU zu fördern, die im
Biotechnologiesektor eine Vorreiterrolle spielen;
− Verstärkung des Wachstums von “Wissenschaftsparks” (Zusammenarbeit zwischen KMU
und Universitäten im Einvernehmen mit den Lokal- und Regionalverwaltungen);
− Verbesserung der Patentinformation auf Gemeinschaftsebene und zur Erleichterung des
Zugangs zu diesen Informationen;
− Unterstützung der F&E-Aktivitäten, des Starts und der Expansion kommerzieller
Aktivitäten, der Schaffung von Hochtechnologiezentren und eines förderlichen
Steuerklimas;
− Schärfung des Profils ihrer bereits bestehenden Beratergruppe (Gruppe der Berater für
Bioethik auf Gemeinschaftsebene).
Danach hat die Europäische Union nach Feststellung des Fortbestehens des
Innovationsdefizits mit dem “Ersten Aktionsplan für Innovation in Europa” (KOM(95) 688
endgültig) die Notwendigkeit bekräftigt, zu einem globalen Problemansatz zu gelangen, um
die technologischen Aspekte, die Bildung, die Entwicklung von Risikokapital sowie den
rechtlichen und administrativen Rahmen innerhalb ihres Territoriums zu integrieren. Sie hat
auch die Existenz zu vieler Unterschiede in den verschiedenen Sektoren auf nationaler und
regionaler Ebene unterstrichen und 1996 beim Europäischen Rat in Florenz klar erklärt, dass
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“der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit weiterhin die vorrangige Sorge der Union und ihrer
Mitgliedstaaten bleiben muss” und hat eine Strategie zur Schließung dieser Defizite erarbeitet.
Sie hat daher “die Kommission zur Erarbeitung eines Aktionsplans über die zu ergreifenden
Maßnahmen im Bereich der Innovation aufgefordert”. Das “Weißbuch über Wachstum,
Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung” erkennt der modernen Biotechnologie den Rang
eines der Sektoren zu, die das größte Wachstums- und Innovationspotenzial bieten, gerade
weil die praktischen Anwendungen der Forschung bei der Biotechnologie in ganz
unterschiedlichen Bereichen wie Gesundheit, Chemie, Industrie, Ernährung und Futtermittel,
Landwirtschaft und Umwelt besonders interessant sein können. Außerdem lassen die
künftigen Entwicklungen der Biotechnologie steigende Investitionen in den Bereichen
Zulieferungen, Dienstleistungen und Produkte erwarten, was positive Auswirkungen auf die
Beschäftigungslage hat.
Seit 1991 hat die Kommission somit erkannt, dass die Biotechnologie ein Schlüsselbereich für
die künftige Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft ist und dass sie eine
immer entscheidendere Rolle für die Erhaltung einer Spitzenposition der europäischen
Industrie bei der Entwicklung innovativer Produkte spielen wird. Dies setzt den Einsatz der
modernsten gentechnischen Verfahren voraus, was Auswirkungen auf verschiedene Prozesse
und Produkte hat, und es kommt daher entscheidend darauf an, dass ein so innovativer
Bereich sich in einem angemessenen Rechtsrahmen entfalten kann, um schwer vorhersehbare
Verwerfungen zu vermeiden. In den Bereichen Information, Umwelt, Gesundheit, Ernährung
und Kultur entwickeln sich nämlich weltweit neue Märkte, und es entsteht eine Nachfrage an
neuen Produkten und neuen Dienstleistungen. Die Arbeitsplätze der Zukunft werden in
Europa von der Fähigkeit zur Innovation abhängen, um diesen neuen Anforderungen zu
entsprechen, und diese Innovationsfähigkeit wird vor allem in den Hochtechnologiesektoren
für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und der Beschäftigung in diesen Sektoren
entscheidend sein.
Die einzigen europäischen Rechtsvorschriften, die im Bereich des gewerblichen Schutzrechts
existieren, wurden bisher außerhalb der Regeln des Gemeinschaftsrechts vom Europäischen
Patentamt in München durch das Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente
verwaltet, dem zwanzig Vertragstaaten beigetreten sind, die ihre eigenen Rechtsvorschriften
daran angepasst haben. So besteht neben den einzelstaatlichen Vorschriften, die von diesem
Übereinkommen beeinflusst sind, separat die europäische Rechtsordnung73.
VIII.2. Patentinnovation als Motor der Forschung
Das Patent, das die Forschung begleitet und ihr folgt, ist einerseits das nützlichste
industriepolitische Instrument, mit dem man sich nach der Anerkennung des
73
„The patentability of living organisms: science and ethics“ (Die Patentierbarkeit lebender Organismen:
Wissenschaft und Ethik) (Forum „Trends in experimental and clinical medicine“) G. Morelli Gradi –. Das am 5.
Oktober 1973 in München unterzeichnete Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente sichert durch
ein einziges Prüfverfahren die Erteilung einer Palette von Patenten, deren Gültigkeit und Wirksamkeit in den 20
Vertragstaaten des Übereinkommens durch die Forderung und Hinterlegung einer entsprechenden Anzahl von
Übersetzungen in die jeweiligen Sprachen sichergestellt wird. Danach geht das Patent in den institutionellen
Rechtsrahmen der einzelnen Staaten ein und ist insofern den Verfahren gemäß den verschiedenen nationalen
Rechtsordnungen und gemäß der Rechtsprechung der jeweiligen Gerichte unterworfen.
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Ausschließlichkeitsrechts an einer Erfindung ein entsprechendes Entgelt sichern kann.
Andererseits ist es das direkteste Mittel, um das vorhandene neue Wissen zu publizieren und
den Experten dieses Bereichs zur Verfügung zu stellen.
Es gibt viele Definitionen für den Begriff Patent, aber die treffendste scheint uns die zu sein,
in der es als “ein Vertrag zwischen dem Erfinder und der Allgemeinheit, vertreten durch den
Staat” bezeichnet wird. Der Staat verpflichtet sich zur Bereitstellung der vorwiegend
rechtlichen Instrumente, die für die Gewährleistung des Rechts und somit des dem Erfinder
gewährten Exklusivrechts erforderlich sind. Der Erfinder hingegen liefert eine
Informationsschrift, die der Allgemeinheit für deren Fortschritt zur Verfügung gestellt wird.
In diesem Zusammenhang belohnt der Staat den Erfinder, indem er ihm die Möglichkeit einer
ausschließlichen Nutzung seines Patents für eine bestimmte Zahl von Jahren garantiert (20 bei
einen Erfinderpatent). Diese Möglichkeit beinhaltet das ausschließliche Recht, die Erfindung
herzustellen, zu verkaufen und zu nutzen oder sie mittels Exklusivlizenzen oder nicht
exklusiven Nutzungslizenzen an andere weiterzugeben, womit gewährleistet ist, dass
angemessene Instrumente des technologischen Fortschritts dem Markt nicht vorenthalten
bleiben. Ein Patent hat außerdem einen bedeutenden wirtschaftlichen Wert, da es eine der
wirkungsvollsten Möglichkeiten zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung darstellt, da
es Menschen und Kapital auf sie lenkt. Die Zahl der Patenterteilungen wird daher in den
Mitgliedsländern der WTO (Welthandelsorganisation) als Indikator für die technologische
Entwicklung und das Wettbewerbspotenzial verwendet74.
Patente sind zur Einkommenssicherung für ihre Inhaber und als Investitionsanreize
notwendig. Die Entwicklung eines neuen Produkts kostet zwischen 800 und 1000 Millionen
Euro.
Nach geltendem europäischem Recht muss eine Erfindung grundsätzlich drei Anforderungen
erfüllen, um patentierbar zu sein:
1. es muss sich um eine neue Erfindung handeln;
2. sie muss eine erfinderische Tätigkeit beinhalten;
3. sie muss gewerblich anwendbar sein.
Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Patentierung lebenden Materials ist es sehr wichtig,
eine klare Unterscheidung zu treffen, die jedoch bereits im europäischen Recht existiert, die
Unterscheidung zwischen “Entdeckung” und “Erfindung”, wobei erstere nicht patentierbar ist.
Eine Entdeckung bedeutet ein neues Wissen, während eine Erfindung eine praktische
Anwendung des Wissens darstellt, die in identischer Form in jeder Art von Industrie,
einschließlich der Agroindustrie, reproduzierbar ist oder die Möglichkeit einer gewerblichen
Nutzung bietet. Es gibt hingegen einen gewissen Unterschied zum US-amerikanischen Recht,
in dem der Begriff “Erfindung” oft keine klare Unterscheidung beinhaltet, sondern sowohl
Erfindung als auch Entdeckung bedeuten kann. Es besteht daher die Gefahr, dass einige in der
Biotechnologie tätige Unternehmen – oft multinationale Konzerne – die im Besitz von nach
US-amerikanischem Recht erteilten Ausschließlichkeitsrechten sind, Patente nutzen können,
obwohl diese nicht die klassischen Anforderungen erfüllen, und zwar nur um zu verhindern,
dass die darin enthaltenen wissenschaftlichen Informationen verbreitet und von anderen
74
ebenda vorausgehende Fußnote
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Wissenschaftlern für einen korrekten Schutz besonderer Gene oder Gensequenzen genutzt
werden. Anders als bei anderen Sektoren haben biotechnologische und biomedizinische
Innovationen jedoch mit lebenden Organismen zu tun, weshalb diese grundlegende
Unterscheidung zwischen Erfindungen und Entdeckungen schwieriger ist, anhand derer sich
die Fälle, in denen das Patentrecht anwendbar ist von denen unterscheiden lassen, in denen sie
es nicht ist. Während in den Vereinigten Staaten sowohl Erfindungen als auch Entdeckungen
von etwas in der Natur bereits Vorhandenem patentiert werden können, sind in den
europäischen Ländern nur Erfindungen patentierbar.
VIII.3 Die Richtlinie 1998/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer
Erfindungen
Die Richtlinie 1998/44/EG bietet eine klare Orientierung sowohl im Bereich der
biotechnologischen Erzeugnisse für den medizinisch-gesundheitlichen Sektor als auch im
Agrarsektor und verwendet den Grundbegriff, der dem Patentrecht eigen ist und auch im
TRIPs-Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums75
aufgegriffen wird. Danach sind Erfindungen, deren Nutzung gegen die öffentliche Ordnung
oder die guten Sitten verstoßen würde, von der Patentierung ausgeschlossen. Die aus 18
Artikeln und 56 Erwägungsgründen bestehende Richtlinie 1998/44/EG wurde von der
Kommission erarbeitet, um das bestehende Patentrecht nicht umzustoßen, und verfolgt
ausschließlich folgendes Ziel:
-
Sicherstellung der Freizügigkeit der patentierten Biotechnologieprodukte durch
Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten;
Gewährleistung der Einhaltung des am 5. Oktober 1973 in München unterzeichneten
Europäischen Patentübereinkommens (EPC), der von den Regierungen der
Mitgliedstaaten im Rahmen der Uruguay-Runde des GATT unterzeichneten TRIPsÜbereinkommen (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights) sowie des
Übereinkommens von Rio de Janeiro über die biologische Vielfalt vom 5. Juni 1992.
Sie besteht aus einer Reihe von Definitionen und Interpretationsregeln zur Präzisierung
dessen, was patentierbar oder nicht patentierbar ist, und zur Lösung von
Abgrenzungsproblemen des Patentsystems bei seiner Anwendung auf die verschiedenen
Bereiche der Biotechnologie. Präzisiert wird vor allem der Unterschied zwischen Entdeckung
und Erfindung, wobei die notwendigen Hinweise für einen wirksamen Schutz der
entsprechenden Produkte gegeben werden. Sie enthält außerdem neben technischen
Vorschriften Aspekte, welche der ethischen Dimension der Patentierung lebenden Materials
Rechnung tragen, sowie Erläuterungen, die mit den Vorschlägen des Europäischen
Parlaments übereinstimmen. Im Einzelnen wird ausdrücklich ausgeschlossen:
-
die Patentierung des menschlichen Körpers und seiner Teile im natürlichen Zustand
(Art. 5)76
TRIPs –Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights, im Rahmen der GATT-Verhandlungen
am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichnet
76
Dieser Ausschluss entspricht den Bestimmungen gemäß Art. 21 (Kapitel VII) des “Übereinkommens
zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und
Medizin” – “Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin” vom 14. April 1997, Oviedo, in dem es
75
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-
-
-
-
die Patentierung neuer Pflanzensorten oder Tierrassen und der im wesentlichen
biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren (Art. 4);
von der Patentierung ausgeschlossen werden ebenfalls Erfindungen, die gegen die
öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoßen (Art. 6), im Einklang mit Artikel 53
des Europäischen Patentübereinkommens (EPC), das in die entsprechenden nationalen
Rechtsvorschriften der dem Übereinkommen beigetretenen Mitgliedstaaten Eingang
gefunden hat;
in diesem letztgenannten Artikel wird auch bekräftigt, dass nicht patentierbar sind:
„Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen; Verfahren zur Veränderung der
genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens; die Verwendung von
menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“, ebenso
“Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren ... ohne wesentlichen
medizinischen Nutzen für den Menschen“ (es bleibt nur die Möglichkeit, mit Hilfe von
„Tiermodellen“ neue Medikamente zu erforschen, die für die Behandlung schwerer, für
den Menschen oft tödlicher Krankheiten wie Krebs, Hepatitis oder AIDS von Nutzen
sind);
Außerdem werden die Rechte der Landwirte garantiert, denen es erlaubt ist, im eigenen
Betrieb patentrechtlich geschütztes Erntegut wieder auszusäen und das geschützte Vieh
zur Viehzucht zu verwenden, ohne an die Patentinhaber hohe Lizenzgebühren zu bezahlen
(Art. 11);
Es ist auch vorgesehen, dass ein Pflanzenzüchter Anspruch auf die Erteilung einer
Zwangslizenz hat, sofern er eine patentierte Pflanze zur Züchtung einer neuen Sorte
verwerten möchte (Art. 12);
die Kommission wird verpflichtet, „alle fünf Jahre“ „einen Bericht zu der Frage, ob durch
diese Richtlinie im Hinblick auf internationale Übereinkommen zum Schutz der
Menschenrechte, denen die Mitgliedstaaten beigetreten sind, Probleme entstanden sind“.
Sie übermittelt diesen Bericht dem EP und dem Rat (Art. 16).
Die oben genannten Artikel stellen die Grundprinzipien zur Verbesserung und
Vervollständigung des Anwendungsbereichs des bestehenden Patentrechts dar, wobei man
sich auf die notwendigen Teile zur Anpassung an die neuesten und wichtigsten
wissenschaftlichen Entwicklungen beschränkt. Sowohl die Kommission als auch die
Mitgliedstaaten und die Europaabgeordneten sind sich jedoch der Notwendigkeit bewusst,
dass die neuen Vorschriften vollständigere Interpretationsgrundsätze anbieten müssen. Zu
diesem Zweck wurden die 18 Basisartikeln um nicht weniger als 56 „Erwägungsgründe“
ergänzt, die der Auslegung der komplexen Materie dienen, um den für die Erteilung der
Rechte zuständigen Prüfern und den mit der Beurteilung der Gültigkeit dieser Rechte
befassten Richtern bei der Erstellung einheitlicher Bewertungen zu helfen. Die Richtlinie
sieht ein Gleichgewicht zwischen Erfinderrecht und ethischen Grundsätzen vor.
Aber gerade im Zuge der Annahme dieses Rechtsakts der Gemeinschaft entwickelt sich in
jüngster Zeit eine breite Debatte über die Notwendigkeit einer klareren Definition der in den
Patentsystemen der USA verwendeten Patentierbarkeitskriterien im Vergleich zu denen der
EU, vor allem bezüglich der Patentierung von Gensequenzen. Nach amerikanischem Recht,
heißt: “Der menschliche Körper und Teile davon dürfen als solche nicht zur Erzielung eines finanziellen
Gewinns verwendet werden”. Hiermit wird auch den Erklärungen der Gruppe der Berater für Bioethik der EGKommission in der Stellungnahme Nr. 3 vom 1. Oktober 1993 Rechnung getragen, die sich gegen die
gewerbliche Nutzung des menschlichen Körpers und seiner Teile als solche ausgesprochen hat.
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das eine viel breitere Auslegung kennt, reicht es für den Erwerb eines Patentschutzes nämlich
aus, dass das Resultat der „erfinderischen Tätigkeit“ „neu/nicht naheliegend/nutzbar“ ist
(USA), während die notwendigen Kriterien nach europäischem Recht sich mit
„Neuheit/erfinderischer Tätigkeit/gewerblicher Anwendbarkeit“ (EU) zusammenfassen
lassen.
Dies beinhaltet für das europäische System die Verwendung restriktiverer Kriterien bei der
Erteilung eines Patentschutzes, auch und vor allem, um zu vermeiden, dass eine Entdeckung
mit einer Erfindung verwechselt wird. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die NichtPatentierbarkeit von Sequenzen des menschlichen Genoms zur Folge haben kann, dass
potenzielle gewerbliche Nutzer dieser Erzeugnisse die Wissenschaftler aus gewerblichen
Gründen dazu zwingen, ihre Forschungen geheim zu halten und das Patentinstrument nicht zu
nutzen. Die EU ist dagegen immer stärker davon überzeugt, dass ein geeignetes
Rechtsinstrument wie die Richtlinie 1998/44 auch in den nationalen Rechtsordnungen der
Mitgliedstaaten angewandt werden muss, um den Informationen aus den Forschungslabors
ans Licht zu verhelfen.
Patente müssen verfügbar sein, um die finanziellen Interessen der Erfinder und Unternehmer
dieses Sektors zu schützen. Daher muss genau definiert werden, was patentierbar ist. Die
Erteilung zu vager und umfassender Patentrechte kann die Forschung behindern und muss
verboten werden. Die Gemeinschaft muss diese Grundsätze in den internationalen
Verhandlungen zur Revision des TRIPs-Übereinkommes (handelsbezogene Aspekte der
Rechte des geistigen Eigentums) weiterhin verfolgen.
VIII.4 Humangenom
Die Kartierung des menschlichen Genoms, die im vergangenen Jahr von der amerikanischen
Firma Celera Genomics und der Humangenom-Projektgruppe abgeschlossen wurde, löste
innerhalb der Europäischen Union eine lebhafte Debatte über die Patentierbarkeit
menschlicher Gene aus.77
Die Sequenzierung des Genoms löste einen beispiellosen Wettlauf um die künftige
„Genbeute“ aus78. Die Fähigkeit, Gene zu isolieren, zu identifizieren und neu
zusammenzusetzen, macht nämlich zum ersten Mal einen gemeinsamen Genfundus als
Rohstoffressource verfügbar79, deren wirtschaftliche Nutzung durch die mögliche Erteilung
von Patenten unterstützt würde. Weltunternehmen auf dem Sektor der Biowissenschaften wie
Novartis, Glaxo-Wellcome, Smithkline Beecham, DuPont sind rasch aktiv geworden, um
Einfluss und Kontrolle über den neuen Genhandel auszuüben80.
77
„Mappatura del genoma umano e brevettabilità delle sequenze geniche“ (Kartierung des menschlichen
Genoms und Patentierbarkeit von Gensequenzen) - Eleonora Palerma – Fondazione Basso – Februar 2001
78
Jeremy Rifkin bezeichnet die Gene in seinem Werk „Das Biotech-Zeitalter“ als das grüne Gold des
neuen Jahrhunderts. Die wirtschaftlichen und politischen Mächte, die die genetischen Ressourcen der Erde
kontrollieren, werden eine riesige Macht über die Zukunft der Weltwirtschaft ausüben, so wie der Eintritt in das
Industriezeitalter und die Kontrolle über die fossilen Energieträger und die Edelmetalle dazu beitrugen, die
Vorherrschaft auf den Weltmärkten zu etablieren.
79
Die gentechnischen Verfahren ermöglichen es nämlich den großen Biotechnologieunternehmen,
genetische Ressourcen gezielt für wirtschaftliche Zwecke zu lokalisieren, zu manipulieren und zu nutzen.
80
Typisch für diesen Trend ist die mutige Entscheidung der bei Chemieprodukten weltweit führenden
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Nach jüngsten Statistiken wurden in den Vereinigten Staaten, Europa und Japan Patente für
161.195 vollständige menschliche Gene oder Teile davon erteilt bzw. beantragt, welche die
unterschiedlichsten biologischen Prozesse des Menschen wie etwa des Herzens, des Gehirns,
der Knochen, des Blutes, des Immunsystems usw. steuern. Mit der Patentierung eines Gens
sichert man sich nämlich das Recht auf Nutzung jeder Gentherapie oder jedes Medikaments
im Zusammenhang mit der Funktion des DNA-Teilstücks, für welches das Patent erteilt
wurde. Aber wie richtig ist es, dass einzelne Gene oder Teile davon ein monopolisiertes Gut
in den Händen einer einzigen Firma sind? Und vor allem, wie richtig ist es, dass die Kontrolle
über den Zeitpunkt und die Umstände der Verbreitung neuen Wissens, das sicherlich enorme
Auswirkungen auf die Gesundheit der ganzen Menschheit hat, einer einzigen Firma zuerkannt
wird? Angesichts dieser Fragen muss der Gesetzgeber auf nationaler wie auf internationaler
Ebene die Frage der Patente und des Eigentums an genetischen Informationen im Hinblick
auf die Grundprinzipien der Demokratie klarer definieren, von denen die Menschheit auch im
Zeitalter der modernen biomedizinischen Technologien weiterhin geleitet werden muss.
VIII.5 Patentierbarkeit von Gensequenzen
Um die Probleme im Zusammenhang mit der Patentierbarkeit von Genen anzugehen und
besser zu verstehen, ist es nützlich, die in der Richtlinie 1998/44/EG über den rechtlichen
Schutz biotechnologischer Erfindungen81 enthaltenen einschlägigen Bestimmungen zu
verwenden. Diese Richtlinie wurde erlassen, um die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
der Europäischen Union im Bereich der Patente zu vereinheitlichen82 und regelt gerade die
Frage der Patentierbarkeit lebender Organismen83, indem sie eine Reihe spezifischer
Vorschriften zum Thema Gensequenzen aufstellt.
Gemäß Artikel 584 stellt die bloße Kenntnis der Sequenz menschlicher Gene eine Entdeckung
Monsanto Corporation, die sich 1997 von ihrem kompletten Chemiesektor trennte, um ihre Forschung, ihre
Entwicklung und ihr Marketing auf biotechnologische Verfahren und Produkte auszurichten. Die internationalen
Konzerne haben in kurzer Zeit Biotechnik-Start-Up-Unternehmen sowie Pharma-, Medizin- und
Gesundheitsunternehmen aufgekauft und damit eine große Machtkonzentration geschaffen. Die Pharmariesen
erwerben zurzeit Aktienbeteiligungen und schließen Forschungsabkommen mit vielen Humangenomfirmen ab.
81
ABL. Europäische Gemeinschaften Nr. 90 vom 16. November 1998
82
Nach Art. 3 der Richtlinie 1998/44/EG können Erfindungen, die neu sind, auf einer erfinderischen
Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind, auch dann patentiert werden, wenn sie ein Erzeugnis, das
aus biologischem Material besteht oder dieses enthält, oder ein Verfahren, mit dem biologisches Material
hergestellt, bearbeitet oder verwendet wird, zum Gegenstand haben. Biologisches Material, das mit Hilfe eines
technischen Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder hergestellt wird, kann auch dann
Gegenstand einer Erfindung sein, wenn es in der Natur schon vorhanden war.
83
In einem Vortrag an der Juristischen Fakultät der Universität Bari unterstreicht Jean Pierre Clavier von
der Universität Nantes, dass man es hier mit einer Richtlinie zu tun hat, die in zweifacher Hinsicht bedeutend ist.
Erstens, weil das Patentrecht ín Italien mit seinen Wurzeln in einer Zeit, dem Ende der 60er Jahre, in der die
Voraussetzungen für Technologien, deren Gegenstand Lebewesen sind, erst ansatzweise vorhanden waren,
eigentlich eher auf die Behandlung rein mechanischer oder chemischer Erfindungen ausgerichtet zu sein scheint,
was angesichts von Innovationen im Zusammenhang mit der Biotechnologie und der Biomedizin nicht
unerhebliche Auslegungsschwierigkeiten für die Juristen mit sich bringt. Zweitens, weil der Umgang mit dieser
Materie eine sehr wichtige ethische Dimension hat, vor allem wegen der grundlegenden Fragen über die echten
Gefahren, die mit der Verbreitung der neuen Biotechnologien, wie dem Klonen, der Eugenik, der Verarmung des
Genpools usw. zusammenhängen.
84
Dieser Artikel legt fest: „ Der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und
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dar (es liegt daher jedesmal eine Entdeckung vor, wenn eine Nukleotidsequenz isoliert und
ihre Struktur beschrieben wird, ohne dass dafür eine bestimmte Nutzung vorläge). Es handelt
sich dagegen um eine Erfindung, wenn festgestellt wird, dass diese DNA-Sequenz ein
bestimmtes Protein kodiert, dessen Nutzen für die Behandlung einer bestimmten Krankheit
bewiesen ist. Alles, was keinen Hinweis auf die Nutzbarkeit enthält, entspricht daher nicht der
präzisen Anforderung der gewerblichen Anwendbarkeit85, wie in Artikel 5 Absatz 3
vorgeschrieben. Die bloße Kenntnis eines neuen Enzyms und der Sequenz des Gens, die es
kodiert, sind daher für eventuelle spätere Erfindungen frei nutzbare Entdeckungen86.
Im Hinblick auf die gemäß den Bestimmungen von Artikel 5 Absätze 2 und 3 und den
zugehörigen Auslegungs-„Erwägungsgründen“ (20 bis 25) zugelassene Patentierbarkeit von
Gensequenzen lässt sich daher die Schlussfolgerung ziehen, dass der Begriff der Entdeckung
nach dem, was aus der Richtlinie hervorgeht, seine negative Konnotation im Sinne der
Patentierbarkeit nur deshalb verliert, weil er sich auf eine gewerbliche Nutzung bezieht87.
Der Vollständigkeit halber sollte außerdem vielleicht daran erinnert werden, dass nach
Artikel 6 der genannten Richtlinie Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die
öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, von der Patentierbarkeit
ausgenommen sind. Dieser Verstoß kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass die
Verwertung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verboten ist. Als nicht patentierbar
gelten unter anderem Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen, Verfahren zur
Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens und die
Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken.
Als Termin für die Umsetzung dieser Richtlinie durch die Regierungen der Mitgliedstaaten
war der 30. Juli 2000 vorgesehen. Bisher haben jedoch nur einige von ihnen diesen Termin
eingehalten (Irland, Finnland, Dänemark und Vereinigtes Königreich), während bei den
jeweiligen Parlamenten der übrigen Länder Verzögerungen bei der Annahme dieser Richtlinie
auftreten, auch wenn die amtierenden Regierungen beim Ministerrat (27. November 1997)
deren Annahme nur drei Jahre vorher mit Begeisterung unterstützt hatten. Das umstrittenste
Thema ist und bleibt gerade die Frage einer möglichen Patentierbarkeit menschlicher Gene.
Entwicklung sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder
Teilsequenz eines Gens, können keine patentierbaren Erfindungen darstellen.
Ein isolierter Bestandteil des menschlichen Körpers oder ein auf andere Weise durch ein technisches Verfahren
gewonnener Bestandteil, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, kann eine patentierbare
Erfindung sein, selbst wenn der Aufbau dieses Bestandteils mit dem Aufbau eines natürlichen Bestandteils
identisch ist.
Die gewerbliche Anwendbarkeit einer Sequenz oder Teilsequenz eines Gens muss in der Patentanmeldung
konkret beschrieben werden.“
85
Es gibt natürlich Kritiker der Bestimmungen von Artikel 5 der Richtlinie, die der Meinung sind, dass
dieser Artikel nur so interpretiert werden kann, dass Gene, trotz der Bestimmungen gemäß Artikel 5 Absatz 1
patentierbar seien, da jedes Gen oder jede Gensequenz per definitionem nur durch ein Verfahren zu dessen
Identifizierung, Isolierung, Reinigung, Charakterisierung und Vermehrung entdeckt werden kann.
86
Die Entdeckung der Existenz eines Enzyms und seiner Struktur kann nämlich zu dessen Produktion in
gereinigter Form oder auf industrieller Ebene ermöglichen, und dieses Enzym kann dann zur Behandlung von
Krankheiten genutzt werden. Das isolierte und gereinigte Enzym ist ein neuer für die Industrie nutzbarer
Gegenstand. Entsprechendes gilt für Gensequenzen. Die Bestimmung einer Sequenz ermöglicht deren Isolierung
oder Synthetisierung und ihren Transfer in andere Organismen: Das isolierte Gen ist daher eine neue Einheit und
kann als Erfindung definiert werden.
87
Scoperte ed Invenzioni alla luce della direttiva 1998/44/CE (Entdeckungen und Erfindungen im Lichte
der Richtlinie 1998/44/EG)– Giorgio Floridia
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Die Fragen, die zu dieser Widerwilligkeit führen, sind vielfältig und betreffen:
− die Möglichkeit, menschliche Gene nicht als Entdeckungen, sondern als Erfindungen zu
betrachten;
− es besteht einhellige Übereinstimmung, dass DNA-Sequenzen, so wie sie in der Natur
vorkommen, als Entdeckungen zu betrachten sind. Aber warum sollte die Tatsache, dass
eine bestimmte Funktion im Zusammenhang mit einem bestimmten Protein als eine
Erfindung betrachtet werden und aus welchem Grund sollte dessen Nutzung patentiert
werden?;
− das Kriterium für die Beurteilung der Neuheit und Nützlichkeit im Bereich der Gene;
− ethisch bedingte Verbote für die mögliche Patentierbarkeit von Teilen des Humangenoms;
− Zweifel hinsichtlich der Zukunft der medizinischen Forschung für den Fall, dass der
Zugang zur Information über die menschliche DNA von der Bezahlung von
Nutzungsrechten abhängig gemacht wird und vor allem Zweifel hinsichtlich eventueller
damit zusammenhängender Auswirkungen für die Entwicklung neuer Medikamente und
neuer Behandlungsmethoden.
VIII.6. Argumente für und gegen die Patentierbarkeit von Genen
Es gibt eine Reihe von Argumenten sowohl für als auch gegen die Patentierbarkeit von
Genen.
Für eine Patentierbarkeit wird angeführt, dass
-
-
die Wissenschaftler durch das Patent eine Entlohnung für ihre Forschungstätigkeit
erhielten und das aus der Nutzung dieses Patents stammende Geld in künftige
Forschungen investieren könnten;
gerade durch die Schaffung eines ausschließlichen gewerblichen Nutzungsrechts
zugunsten des Erfinders, dem zu bestimmten Bedingungen ein zeitlich begrenztes
Nutzungsrecht für maximal 20 Jahre gewährt wird, sofern das Patent nicht verfallen ist,
die Forschung gefördert wird. Danach verpflichtet sich der Erfinder, seine Innovation
erschöpfend zu beschreiben, und nur in diesem Zusammenhang wird darin ausdrücklich
ein Recht im Sinne eines Verbots der Realisierung, Nutzung oder des Verkaufs der
Erfindung durch Konkurrenten ohne seine Zustimmung oder Abtretung der Lizenz
vorgesehen. Bei biotechnologischen Erzeugnissen im Gesundheitsbereich hätte das
ausschließliche Nutzungsrecht eine Förderung der Forschung und eine Fortentwicklung
der Medizin zur Folge;
kostenträchtige und unnötige Doppelanstrengungen zur Verfolgung der gleichen Ziele
vermieden würden;
die Forschung auf neue und noch unbearbeitete Bereiche ausgerichtet würde;
es zu einer geringeren Nutzung des Industriegeheimnisses als Instrument käme, während
allen Forschern (unter Wahrung der Ausschließlichkeitsrechte) der Zugang zur neuen
Erfindung garantiert würde.
Es gibt jedoch auch zahlreiche Argumente, die gegen eine Patentierbarkeit menschlicher Gene
vorgebracht werden:
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Die Erteilung von Patenten könnte wegen der hohen Kosten im Zusammenhang mit der
Nutzung der damit verbundenen Informationen die Forschung im Bereich der Diagnostik
und Therapie (Gentherapie und prädiktive Medizin) behindern und zu einem regelrechten
Monopolsystem bei der Nutzung des Gens an sich führen88;
Auch wenn die an der Forschung interessierte Industrie bereit wäre, die hohen Kosten für
die den Inhabern des Patents über die Gensequenz zuerkannten Ausschließlichkeitsrechte
zu tragen, würden diese Kosten letztlich auf den Verbraucher abgewälzt, was die aus
dieser Forschung hervorgehenden Produkte teurer und schwerer zugänglich machen
würde;
Das Patent würde schließlich nur solche Entwicklungen im Bereich der Medizin
beschleunigen, die mit sehr gewinnträchtigen Forschungen über Diagnose- und
Therapieinstrumente verbunden sind. Es käme jedoch zu einem Stillstand bei solchen
Forschungstätigkeiten, bei denen die gewünschten Gewinnmargen nicht erreichbar
erscheinen und an denen keine Industrie ein Investitionsinteresse hätte89;
Die Erteilung von Patenten für Gene würde künftigen Generationen letztlich den Eindruck
vermitteln, dass das Leben eine bloße Erfindung sei, bei der die Grenzen zwischen
Heiligem und Prophanem, zwischen dem Wert an sich und dem Nutzwert, verschwänden
und das Leben selbst auf das Niveau eines Gegenstandes ohne jede einzigartige oder
wesentliche Qualität reduziert würde, durch die es sich von einer im Grunde
mechanischen Struktur unterscheiden könnte90;
Genomdaten müssten schnell Allgemeingut werden, da nur so eine normale Entwicklung
der internationalen Forschung ermöglicht wird91;
Die Möglichkeit einer Patentierung neuer Daten über Genomsequenzen, noch bevor
daraus bestimmte Produkte oder Anwendungen gewonnen werden konnten, würde zur
„Beschlagnahme“ eines regelrechten Informationsschatzes durch eine Minderheit
dominierender Unternehmen führen, die ihre Stellung durch die Patenthinterlegung
festigen würden;
Es fehlt schließlich auch nicht an Stimmen, die der Ansicht sind, dass die Patentierbarkeit
der Gene die Medizin unter dem Druck der pharmazeutischen Labors92 in eine Richtung
88
Die Erteilung von Patenten führt nämlich zu einer regelrechten Privatisierung des menschlichen
Körpers, der so als geistiges Eigentum zwischen kommerziellen Einrichtungen verteilt wird. Ein Fall mit
Beispielcharakter ist die Erteilung eines Patents durch das Europäische Patentamt an ein US-amerikanisches
Unternehmen namens Biocyte. Das Patent gewährte dem Unternehmen das Eigentum an allen aus der
Nabelschnur eines Neugeborenen stammenden Blutzellen, die dann für vielfältige therapeutische Zwecke
verwendet werden. Das Patent ist so umfassend, dass es diesem Unternehmen die Möglichkeit gibt, jedem
Einzelnen oder jeder Institution, die keine Lizenzgebühren bezahlen wollen, die Nutzung jeder aus der
Nabelschnur gewonnenen Blutzelle untersagen kann.
89
Man denke z. B. an die sogenannten Orphan-Präparate.
90
Vor allem mit diesen Worten hat 1995 eine Koalition aus über 200 Vertretern der protestantischen,
katholischen, jüdischen, muslimischen, buddhistischen und hinduistischen Religionen ihren Widerstand gegen
die Erteilung von Patenten an menschlichen und nichtmenschlichen Genen erklärt.
91
Diese Orientierung wird im Übrigen durch die Allgemeine Erklärung der UNESCO über das
menschliche Genom (1997) stark unterstützt, in der bekräftigt wird, dass Gene an sich nicht patentierbar sind, da
sie zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehören. In einer gemeinsamen Erklärung vom 14. März 2000 traten
auch der amerikanische Präsident Bill Clinton und der britische Premierminister Tony Blair für den freien
Zugang zu Daten über das Humangenom ein und forderten die Wissenschaftler auf, sie der Allgemeinheit zur
Verfügung zu stellen. Die Wirkung dieser Aufforderung scheint jedoch zweifelhaft, vor allem wenn man sich
daran erinnert, dass das Amerikanische Patent- und Markenamt (USPTO) nur zwei Tage später erklärte, dass
diese Erklärung keinerlei Auswirkungen auf die amerikanische Patentpolitik habe. So hat Q. Todd Dickinson
vom USPTO in einer Mitteilung erklärt: „Gene und Genomerfindungen, die in der vergangenen Woche als
patentierbar galten, sind es auch heute, und zwar nach den gleichen Verfahren“.
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drängen würde, bei der Krankheiten ausschließlich unter genetischen Gesichtspunkten
betrachtet würden. Die erhebliche Arbeit, die in die Genomik investiert wird, darf aber
nicht dazu führen, dass die Physiologie nur in Verbindung mit den Genen betrachtet wird
und dass die erheblichen Umwelteinwirkungen unterschätzt werden.
Wie lässt sich der Grundsatz der Freiheit der Forschung mit bestimmten ethischen Werten
vereinbaren? Die Charta der Grundrechte legt in Art. 13 folgendes fest: „Kunst und
Forschung sind frei“. Die Freiheit des Zugangs zum Wissen und die Freiheit der Forschung
sollten daher Hand in Hand gehen. Erstere Frage stellt sich mit besonderer Brisanz bei der
Entschlüsselung des Genoms lebender Organismen und vor allem beim Zugang zu den
Ergebnissen der Sequenzierungsarbeiten am Humangenom. Dieser Grundsatz wurde in der
„Clinton/Blair“-Erklärung bekräftigt. Die Regel, dass die Früchte der Erfindertätigkeit
schutzwürdig sind, das Ergebnis der Entdeckung aber öffentlich zugänglich gemacht werden
soll, ist als Prinzip unangefochten. Es ist wichtig, dass Europa sein entschlossenes Festhalten
an diesem Prinzip ausdrücklich bekundet und alles unternimmt, damit dieses Prinzip befolgt
wird. Die Bedingungen seiner Anwendung im Bereich der Biowissenschaften müssen jedoch
präzisiert und dem Stand von Wissenschaft und Technik angepasst werden, und zwar unter
Verwendung der bestehenden Mechanismen zur Überarbeitung von Rechtsinstrumenten93.
Im Hinblick auf die Patente ist hervorzuheben, dass die Europäische Gruppe für Ethik der
Wissenschaften und der Neuen Technologien im September eine Stellungnahme abgeben
wird. Ein Meinungsaustausch mit dem nichtständigen Ausschuss ist nicht ausgeschlossen.
IX.
Das sechste Forschungsrahmenprogramm94
Die Genomik als erster der vorrangigen Themenbereiche des sechsten Rahmenprogramms
Die Genomik ist der erste vorrangige Themenbereich des Vorschlages für einen Beschluss
zum sechsten Rahmenprogramm: „Ziel der Maßnahmen in diesem Bereich ist es, Europa
durch vereinte Forschungsanstrengungen dabei zu unterstützen, die Ergebnisse des
Durchbruchs bei der Entzifferung der Genome lebender Organismen besonders zugunsten der
Gesundheit und der Bürger und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der
Biotechnologiebranche in Europa zu nutzen“.95
Diese sehen nämlich in der einfachen Formel “eine Krankheit – ein Gen – eine Medizin” eine
großartige Gewinnquelle.
93
Siehe Beiträge von Frau Dr. Freire, Dr. Alexander, Dr. Gugerell und Prof. Mattei bei der Sitzung des
nichtständigen Ausschusses vom 31. Mai 2001
94
Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das mehrjährige
Rahmenprogramm 2002-2006 im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration als
Beitrag zu Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums – KOM (2001) 94 endgültig
95
Genomik und Biotechnologie im Dienste der Medizin Begründung der Anstrengung und
europäischer Mehrwert: Die auf der Analyse des menschlichen Genoms und der Genome von
Modellorganismen (Tieren, Pflanzen, Mikroorganismen) beruhende “Postgenomikforschung” dürfte zu
zahlreichen Anwendungen in verschiedenen Bereichen, insbesondere zur Entwicklung neuer
Diagnoseinstrumente und Behandlungsverfahren führen, mit denen bisher noch nicht beherrschbare Krankheiten
bekämpft werden können und für die es gute Absatzmöglichkeiten gibt. Diese Forschungsarbeiten erfordern
jedoch große finanzielle Anstrengungen. In den Vereinigten Staaten werden die öffentlichen und privaten
92
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Artikel 7 des fünften Rahmenprogrammes sieht vor: „Bei allen Forschungstätigkeiten des
fünften Rahmenprogramms müssen die ethischen Grundprinzipien beachtet werden,
einschließlich der Erfordernisse des Wohlergehens der Tiere gemäß den gemeinschaftlichen
Rechtsvorschriften.“ Es ist daher erforderlich, die ethischen Aspekte des Fortschritts der
Kenntnisse und der Technologien sowie ihrer Anwendung zu berücksichtigen und bei den
Forschungstätigkeiten die ethischen Grundprinzipien sowie den Schutz der Privatsphäre zu
beachten.
In Artikel 3 des Vorschlages für das sechste Rahmenprogramm heißt es: „Bei allen
Forschungstätigkeiten des Rahmenprogramms 2002-2006 müssen die ethischen
Grundprinzipien beachtet werden.“
Das derzeitige fünfte Forschungsrahmenprogramm lehnt die Finanzierung bestimmter
Forschungsarten aus rein ethischen Gründen ab: Forschungen zu (reproduktiven oder
therapeutischen) Klonierungstechniken und Forschungen über die Keimbahntherapie oder die
Veränderung der Keimbahn. Es sei darauf hingewiesen, dass es bei der Kommission ein
ausgefeiltes Verfahren im Rahmen des Forschungsprogramms zur ethischen Bewertung
einiger Forschungsarten gibt96.
Bürger und „governance“ in der europäischen Wissensgesellschaft
In der Beziehung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ist ein paradoxes Verhältnis
entstanden: Auf der einen Seite hohe Erwartungen und auf der anderen eine gewisse
Forschungsmittel für die Postgenomikforschung ständig um erhebliche Beträge aufgestockt: Fast zwei
Milliarden USD öffentliche Mittel, die hauptsächlich von den NIH 28 verwaltet werden (deren Gesamtbudget
2001 um 14,4% aufgestockt wird), und doppelt so viele Mittel der Industrie fließen jährlich in diesen Bereich.
Die Forschungsanstrengungen in Europa sind deutlich schwächer und weniger gut koordiniert. Die Einführung
öffentlicher Forschungsprogramme im Bereich der Postgenomikforschung in verschiedenen Mitgliedstaaten ist
ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Insgesamt gesehen sind die bisherigen Forschungsanstrengungen
in diesem Bereich jedoch nach wie vor unzureichend und zu weit gestreut. Die Anstrengungen der Industrie in
Europa bleiben ebenfalls erheblich hinter denen der amerikanischen Industrie zurück: 70% der Genomikfirmen
haben ihren Sitz in den Vereinigten Staaten, und ein beträchtlicher und noch wachsender Teil der privaten
europäischen Investitionen fließt nach Amerika. Wenn die Position der Europäischen Union in diesem Bereich
verbessert werden und sie von den damit verbundenen erwarteten wirtschaftlichen und sozialen Vorteilen
profitieren soll, dann müssen die Investitionen spürbar erhöht und die Forschungstätigkeiten in Europa gebündelt
werden.
Geplante Maßnahmen: Die diesbezüglichen Maßnahmen der Gemeinschaft werden folgende Aspekte
betreffen:
- Grundlagenkenntnisse und Basisinstrumente der funktionellen Genomik: Genexpression und Proteomik;
strukturelle Genomik; vergleichende Genomik und Populationsgenetik; Bioinformatik;
– Anwendung der Genomikkenntnisse und –technologien und der medizinischen Biotechnologie: TechnologiePlattformen zur Entwicklung neuer Diagnose-, Präventiv- und Therapieinstrumente; Förderung der innovativen
Forschung in neu gegründeten Genomikunternehmen;
– Anwendung der Genomikkenntnisse und –technologien in der Medizin in folgenden Bereichen: Bei der
Bekämpfung von Krebs, degenerativen Krankheiten des Nervensystems, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und
seltenen Krankheiten; gegen Arzneimittelresistenz; bei der Erforschung der Entwicklung des Menschen, des
Gehirns und der Alterung. Für die Bekämpfung der drei mit Armut zusammenhängenden Infektionskrankheiten
(AIDS, Malaria und Tuberkulose), die Gegenstand einer vorrangigen Bekämpfungsaktion auf Ebene der
Europäischen Union und der internationalen Gemeinschaft sind, wird ein breiter angelegtes Konzept entwickelt.
96
Ethical review under the quality of life programme – Europäische Kommission – GD Forschung –
Januar 2000
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Feindseligkeit. Wie lässt sich das miteinander in Einklang bringen? Zur Debatte stehen eine
Reihe von Fragen über die ethisch-gesellschaftlichen Auswirkungen des Fortschritts des
Wissens und der Technologie und über die Voraussetzungen, unter denen die grundlegenden
Entscheidungen in diesem Bereich gefällt (oder nicht gefällt) werden. Die
Forschungspolitiken müssen auch von Grundsätzen geleitet sein, die anhand präziser
Zielsetzungen festgelegt werden.
Die Kommission hat diese Frage vor kurzem in einem Arbeitsdokument behandelt, in dem die
Problematik des Verhältnisses zwischen „Wissenschaft, Gesellschaft und Bürger“97
aufgegriffen wird, die Bürger und politische Entscheidungsträger beunruhigt: Wie lassen sich
die Forschungspolitiken mit den echten Zielsetzungen der Gesellschaft verzahnen? Wie soll
mit den Risiken umgegangen werden? Wie kann einerseits den ethischen Auswirkungen des
technologischen Fortschritts und andererseits dem Gebot der Freiheit der Wissenschaft und
des Zugangs zum Wissen Rechnung getragen werden? Wie kann der Dialog zwischen
Wissenschaft und Gesellschaft gestärkt werden?
Die Staats- und Regierungschefs haben die Schaffung eines „Europäischen Forschungsraums“
beschlossen. Dieser Aspekt ist im Rahmen der Überlegungen über die Formen der Regelung
öffentlicher Angelegenheiten in Europa, was im Gemeinschaftsjargon mit „governance“
bezeichnet wird, unerlässlich. Nämlich die Frage der neuen Formen der Bürgerbeteiligung an
öffentlichen Angelegenheiten auf den verschiedene Macht- und Entscheidungsebenen in
Europa. Mit anderen Worten, die neuen Formen der Regierung und Verwaltung der res
publica, die auf der Interaktion der traditionellen politischen Funktionsträger und der
Zivilgesellschaft gegründet sind.
Erforderliche Initiativen:
-
eine stärkere Strukturierung der Verbindungen zwischen den bestehenden
Ethikkommissionen auf nationalen und europäischer Ebene;
eine stärkere Koordinierung der Forschungen über die Ethik in der Wissenschaft;
eine größere Einheitlichkeit der Kriterien für die ethische Bewertung von
Forschungsprojekten;
eine Annäherung der Rechtssetzungstätigkeiten des Europarats und der Union.
Jeglicher Fortschritt wird von einer Bündelung der Kräfte und einer engen Zusammenarbeit
der Mitgliedstaaten untereinander und zwischen ihnen und der Union abhängen. Die
Annahme des sechsten Forschungsrahmenprogramms ist für das Ende des ersten Halbjahres
2002 vorgesehen. Ein neu konzipiertes Rahmenprogramm, das sich auf vorrangige
Forschungsbereiche beschränkt, in denen die Tätigkeit der Union den größten Mehrwert für
die einzelstaatlichen Politiken liefern kann.
X.
Schlussfolgerungen: Welche Rolle soll die Union spielen?
Nachstehend werden als Zusammenfassung der vorangegangenen Kapitel einige
97
Wissenschaft, Gesellschaft und Bürger in Europa – Europäische Komission – Arbeitsunterlage
SEC(2000) 1973
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Denkstrategien aufgezeigt, auf die sich eine Debatte mit den Fachleuten und der Fachleute
untereinander und mit der Zivilgesellschaft im Hinblick auf Maßnahmen der Union stützen
könnte, die einen echten Mehrwert für die einzelstaatlichen Politiken im Bereich der
Humangenetik erbringen sollen und darüber hinaus als europäisches Modell auf
internationaler Ebene angeboten werden können.
Informationspolitik
-
Stärkung der öffentlichen Debatte, einschließlich einer Konsultation der Öffentlichkeit zur
Humangenetik, unter Einbeziehung von Patienten und Familien, Industrie, Investoren,
Ethikexperten und breiter Öffentlichkeit. Die Kommission hat eine öffentliche Debatte
über die Humangenetik und ihre Nutzung in Europa begonnen, indem sie am 6. und 7.
November 2000 in Zusammenarbeit mit der Hochrangigen Gruppe für Biowissenschaften
die Tagung mit dem Titel „Genetik und europäische Zukunft“ organisiert hat. Das EP
organisiert am 9. und 10. Juli eine große Veranstaltung mit der Zivilgesellschaft.
Rechts- und Regelungsrahmen
-
-
Anforderung einer Stellungnahme der Europäischen Ethikgruppe zur Humangenetik und
vor allem zu Genanalysen98;
Entwicklung ethischer Leitlinien zur Humangenetik und ihrer Anwendung auf der Ebene
der Europäischen Union in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Ethikgruppe und
der Hochrangigen Gruppe für Biowissenschaften und Berücksichtigung der Arbeit des
Europarates im Hinblick auf die Vorbereitung des Protokolls zur Humangenetik;
Schaffung eines Rahmens von EU-Regelungen für die Entwicklung, Erprobung und
Zulassung neuer Biopharmaka, einschließlich von Genanalysen;
Unterstützung der Herstellung günstiger Rahmenbedingungen für die Innovation im
Bereich des Genoms, beispielsweise durch Erleichterung des Zugangs zu Risikokapital
und durch Förderung des Unternehmergeistes und des Technologietransfers.
Finanzielle Unterstützung der Forschung
-
-
Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen Forschern an Universitäten, Ärzten,
Biotechnologien, Unternehmern und der Industrie im allgemeinen zur Feststellung der
Funktion der gewonnenen Genomdaten und bei der Entwicklung neuer medizinischer
Behandlungsmethoden;
Unterstützung der pränormativen Forschung im Bereich der Humangenetik, wie Standards
zur Qualitätsbewertung und Qualitätsgarantien für Genanalysen;
Förderung der frühzeitigen und aktiven Beteiligung von Regelungsstellen durch die
Schaffung von Plattformen zur Untersuchung neuer Entwicklungen im Bereich der
Biomedizin;
Schaffung zentraler Systeme für Informationen und/oder gemeinsame Materialien, wie die
Registrierung von Daten über neue Biopharmaka, einschließlich klinischer Daten über die
Erprobung und anschließende Zulassung (beispielsweise Beobachtungen über
98
Die Europäische Gruppe hat verschiedene Stellungnahmen zur Humangenetik und zur Gentechnik
erstellt (z. B. die Stellungnahme Nr. 4 „Gentherapie“, die Stellungnahme Nr. 6 „Pränataldiagnostik“ , die
Stellungnahme Nr. 8 „Patentierung von Erfindungen, die Elemente menschlichen Ursprungs betreffen“, die
Stellungnahme Nr. 15 „Ethische Aspekte der Erforschung menschlicher Stammzellen und ihrer Anwendung“).
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-
unerwünschte Reaktionen), Vergleich mit Daten zur Pharmakogenetik (durch Herstellung
von Zusammenhängen zwischen genetischen Besonderheiten und individuellen
Reaktionen auf Medikamente) oder Schaffung von Patientendatenbanken oder Einführung
zentraler Gewebebanken;
Förderung der Forschung über ethische, gesellschaftliche, rechtliche und wirtschaftliche
Fragen der Humangenetik;
Unterstützung der Schaffung von Initiativen zur Förderung eines neuen Konsenses
gegenüber biomedizinischen Anwendungen durch Verbreitung dieser Wissenschaften in
den Informationsmedien und Steigerung des Verständnisses in der Öffentlichkeit;
Unterstützung einer integrierten und multidisziplinären allgemeinen und beruflichen
Bildung. Eine Verstärkung der allgemeinen und beruflichen Bildung in
Spitzentechnologien (z. B. Pharmakogenomik, Bioinformatik, Nanobiotechnologien) und
die Schaffung integrierter Programme zur allgemeinen und beruflichen Bildung in der
biomedizinischen Forschung/Entwicklung/Management durch die internationale
Zusammenarbeit zwischen Universitäten und der Industrie werden den Universitäten, der
Industrie und der Gesellschaft im Zuge der wachsenden Integration zwischen
Genotypanalyse, Diagnostik und Therapie Chancen eröffnen.
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Anhang I
Arbeitsprogramm des nichtständigen Ausschusses99
KONSTITUIERENDE SITZUNG
16. Januar 2001, Straßburg
Thema: Wahl des Vorstands und des Berichterstatters des Ausschusses
ANHÖRUNG VON SACHVERSTÄNDIGEN100
30. Januar 2001, vormittags, Brüssel
Thema:
Tätigkeit der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften
und der Neuen Technologien (EGE) und der Hochrangigen Gruppe für
Biowissenschaften (HLGLS)
- Herr Derek BURKE, Mitglied der HLGLS
- Frau Noëlle LENOIR, Vorsitzende der EGE
13. Februar 2001, nachmittags, Straßburg
Thema:
Patienten und Patientenorganisationen
- Herr Luca COSCIONI (Vertreter der italienischen Vereinigung für
amyothrophische Lateralsklerose)
- Herr Stephan KRUIP (Vorsitzender des deutschen Mukoviszidose-Vereins)
- Herr Robert MEADOWCROFT (Direktor für Politik, Forschung und Information
Britische Parkinson-Gesellschaft)
13. März 2001, nachmittags, Straßburg
Thema:
Entschlüsselung und Sequenzierung des menschlichen Genoms
(einschließlich Nutzung der Bevölkerungsgenetik)
- Prof. John BURN (Klinische Genetik, Institut für Humangenetik, Universität Newcastle,
Vereinigtes Königreich)
- Prof. Gert-Jan VAN OMMEN (Lehrstuhl für Klinische Humangenetik, Universität
Leiden, Niederlande)
26. März 2001, nachmittags, Brüssel
Thema:
Postnatale Gentests (wissenschaftliche, medizinische, ethische, rechtliche
und psychologische Aspekte)
- Prof. Jean-Louis MANDEL (IGMBC, Frankreich)
- Prof. Alexandre MAURON (Forschungsstelle für Bioethik, Universität Genf)
- Prof. Daniel SERRAO (Nationaler Rat für Ethik und Biowissenschaften, Portugal)
27 . März 2001, vormittags, Brüssel
Thema:
Pränatale Gentests und unterstützte Reproduktion (wissenschaftliche,
medizinische, ethische, rechtliche und psychologische Aspekte)
- Prof. Paul DEVROEY (Zentrum für reproduktive Medizin, Freie Universität Brüssel)
- Prof. Joep GERAEDTS (Europäische Gesellschaft für Humanreproduktion und
99
100
Wie von den Koordinatoren am 15. März 2001 vereinbart
Genehmigt durch EP-Präsidium, Beschluss vom 1. März 2001
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Embryologie, Maastricht)
- Dr. Hille HAKER (Lehrstuhl Theologische Ethik unter besonderer Berücksichtigung der
Gesellschaftswissenschaften, Universität Tübingen, Deutschland)
- Prof. Outi HOVATTA (Karolinska-Institut, Stockholm)
- Gräfin Joséphine QUINTAVALLE (Direktorin, reproduktive Ethik, London)
26. April 2001, vormittags und nachmittags, Brüssel
Thema:
Genetik und Medizin
Teil 1: Forschung an Embryos und Klonen (wissenschaftliche, ethische, soziale,
medizinische, rechtliche und psychologische Aspekte)
- Prof. Carlos Alonso BEDATE (Zentrum für Molekularbiologie, Universität Madrid,
Spanien)
- Prof. Cinzia CAPORALE (Professorin für Bioethik und Umweltpädagogik, Siena,
Italien)
- Prof. Regine KOLLEK (Forschungsgruppe „Technologiefolgenabschätzung der
modernen Biotechnologie in der Medizin“, Universität Hamburg, Deutschland)
- Dr. Anne McLAREN ( Wellcome/ CRC Institute, Universität Cambridge, Mitglied der
GEE)
- Dr. Jacques TESTART (Nationales Institut für Gesundheit und medizinische Forschung,
INSERM, Frankreich)
Thema:
Genetik und Medizin
Teil 2: Der Einsatz der Genetik in der Medizin (wissenschaftliche, ethische, wirtschaftliche,
rechtliche, soziale, medizinische und psychologische Aspekte)
- Peter GOODFELLOW (Forschungsdirektor, Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline,
Hertfordshire, VK)
- Prof. H. JOCHEMSEN (Mitglied des beratenden Ausschusses des Zentrums für Bioethik
und Menschenwürde, Universität Trinity International, Bannockburn, Irland)
- Prof. Peter KRIZAN (Vorsitzender der slowakischen Gesellschaft für medizinische
Genetik)
- Prof. Demetrio NERI (Professor für Bioethik, Universität Messina, Italien)
15. Mai 2001, nachmittags, Straßburg
Thema:
Die Nutzung genetischer Informationen
- Prof. Lars REUTER (Zentrum für Bioethik, Universität Aarhus, Dänemark)
31. Mai 2001, nachmittags 14.30 – 18.00 Uhr, Brüssel
Thema:
Patentierbarkeit
- Daniel ALEXANDER (Rechtsanwalt, London)
- Maria FREIRE (Nationales Institut für Gesundheit, Amt für Technologietransfer,
Rockville, MD, USA
- Christian GUGERELL (Europäisches Patentamt, München)
- Jean-François MATTEI (Doktor der Wissenschaften, Professor für Pädiatrie und
klinische Genetik, Frankreich)
18. Juni 2001, nachmittags, und 19. Juni 2001, vormittags, Brüssel
Thema:
Runder Tisch mit Vertretern der korrespondierenden Ausschüsse der
Parlamente der EU-Mitgliedstaaten und der Kandidatenländer
9. Juli 2001, nachmittags, und 10. Juli 2001, vormittags, Brüssel
Thema:
Anhörung mit Vertretern von Interessengruppen und der Zivilgesellschaft
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Anhang II
Internationale und europäische Rechtsinstrumente
Unverletzlichkeit der Menschenwürde
Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO –
Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997)
Artikel 1 - Menschenwürde und menschliches Genom
Das menschliche Genom liegt der grundlegenden Einheit aller Mitglieder der menschlichen
Gesellschaft sowie der Anerkennung der ihnen innewohnenden Würde und Vielfalt zugrunde. In
einem symbolischen Sinne ist es das Erbe der Menschheit.
Artikel 2 - Menschenwürde und menschliches Genom
a) Jeder Mensch hat das Recht auf Achtung seiner Würde und Rechte, unabhängig von seinen
genetischen Eigenschaften.
b) Diese Würde gebietet es, den Menschen nicht auf seine genetischen Eigenschaften zu
reduzieren und seine Einzigartigkeit und Vielfalt zu achten.
Artikel 10 - Forschung am menschlichen Genom
Forschung oder deren Anwendung betreffend das menschliche Genom, insbesondere in den Bereichen
Biologie, Genetik und Medizin, soll nicht Vorrang vor der Achtung der Menschenrechte,
Grundfreiheiten und Menschenwürde einzelner Personen oder gegebenenfalls von Personengruppen
haben.
Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin101 (1997)
Artikel 2 - Vorrang des menschlichen Lebewesens
Das Interesse und das Wohl des menschlichen Lebewesens haben Vorrang gegenüber dem bloßen
Interesse der Gesellschaft oder der Wissenschaft.
Vertrag über die Europäische Union (1997)
Artikel 6 Absatz 1
Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte
und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten
gemeinsam.
101
Bis September 2000 hatten folgende EU-Mitgliedstaaten das Übereinkommen ratifiziert: Dänemark,
Griechenland und Spanien. Unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert wurde es von: Finnland, Frankreich, Italien,
Luxemburg, Portugal und Schweden. Noch nicht unterzeichnet wurde es von: Österreich, Belgien, Irland und
dem Vereinigten Königreich.
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Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000)
Artikel 1 – Würde des Menschen
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.
Beschluss Nr. 182/1999/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Fünfte
Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen
Entwicklung und Demonstration (1998-2002)
Artikel 7
Bei allen Forschungstätigkeiten des Fünften Rahmenprogramms müssen die ethischen
Grundprinzipien beachtet werden, einschließlich der Erfordernisse des Wohlergehens der Tiere gemäß
den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften.
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Freiheit der Forschung
Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO –
Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997)
Artikel 12 - Forschung am menschlichen Genom
a) Unter gebührender Achtung der Würde und der Menschenrechte jedes Einzelnen muss der aus
Fortschritten in der Biologie, Genetik und Medizin erwachsene, das menschliche Genom betreffende
Nutzen allen zugänglich gemacht werden.
b) Die Freiheit der Forschung, die für die Erweiterung des Wissens notwendig ist, ist Teil der
Gedankenfreiheit. Die Anwendung der Forschung, auch ihre Anwendung in der Biologie, der Genetik
und der Medizin, die das menschliche Genom betrifft, ist darauf auszurichten, Leiden zu lindern und
die Gesundheit des Einzelnen und der gesamten Menschheit zu verbessern.
Artikel 13102 - Bedingungen für die Ausübung wissenschaftlicher Tätigkeit
Die mit der Tätigkeit von Forschern verbundenen Verpflichtungen (...) bei der Durchführung der
Forschungsarbeit sowie bei der Vorstellung und Nutzung der Erkenntnisse sollen im Rahmen der
Forschung am menschlichen Genom aufgrund der ethischen und sozialen Auswirkungen besondere
Beachtung finden. Öffentlichen und privaten politischen Entscheidungsträgern im Bereich der
Wissenschaft kommt in dieser Hinsicht ebenfalls eine besondere Verantwortung zu.
Artikel 17 - Solidarität und internationale Zusammenarbeit
Die Staaten sollen die Ausübung von Solidarität gegenüber Einzelnen, Familien und
Bevölkerungsgruppen, die besonders anfällig für Krankheiten oder Behinderungen genetischer Natur
oder von diesen betroffen sind, achten und fördern. Sie sollen unter anderem Forschungsarbeiten
fördern, die dem Erkennen, der Vorbeugung und der Behandlung genetisch bedingter und genetisch
beeinflusster Krankheiten dienen, insbesondere sowohl seltener als auch endemischer Krankheiten, die
große Teile der Weltbevölkerung betreffen.
Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1997)
Artikel 15 - Wissenschaftliche Forschung: allgemeine Regel
Vorbehaltlich dieses Übereinkommens und der sonstigen Rechtsvorschriften zum Schutz menschlicher
Lebewesen ist wissenschaftliche Forschung im Bereich von Biologie und Medizin frei.
Artikel 18 - Forschung an Embryonen in vitro103
(1) Die Rechtsordnung hat einen angemessenen Schutz des Embryos zu gewährleisten, sofern sie
Forschung an Embryonen in vitro zulässt.
(2) Die Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken ist verboten.
102
Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien bei der
Europäischen Kommission, Pressedossier, Annahme einer Stellungnahme zu den ethischen Aspekten der
Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen, Paris, 14. November 2000, S. 4.
103
Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien bei der
Europäischen Kommission, Pressedossier, Annahme einer Stellungnahme zu den ethischen Aspekten der
Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen, Paris, 14. November 2000, S. 12.
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Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (1997)
TITEL XVIII - Forschung und technologische Entwicklung
Insbesondere:
Artikel 163
(1) Die Gemeinschaft hat zum Ziel, die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der
Industrie der Gemeinschaft zu stärken und die Entwicklung ihrer internationalen
Wettbewerbsfähigkeit zu fördern sowie alle Forschungsmaßnahmen zu unterstützen, die aufgrund
anderer Kapitel dieses Vertrags für erforderlich gehalten werden.
Artikel 164
Zur Erreichung dieser Ziele trifft die Gemeinschaft folgende Maßnahmen, welche die in den
Mitgliedstaaten durchgeführten Aktionen ergänzen (...).
Artikel 166
(1) Der Rat stellt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 und nach Anhörung des Wirtschafts- und
Sozialausschusses ein mehrjähriges Rahmenprogramm auf, in dem alle Aktionen der Gemeinschaft
zusammengefasst werden.
Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000)
Artikel 13 – Freiheit von Kunst und Wissenschaft
Kunst und Forschung sind frei. Die akademische Freiheit wird geachtet.
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Gesundheitsschutz
Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO –
Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997)
Artikel 12 Buchstabe b - Forschung am menschlichen Genom
Die Freiheit der Forschung, die für die Erweiterung des Wissens notwendig ist, ist Teil der
Gedankenfreiheit. Die Anwendung der Forschung, auch ihre Anwendung in der Biologie, der Genetik
und der Medizin, die das menschliche Genom betrifft, ist darauf auszurichten, Leiden zu lindern und
die Gesundheit des Einzelnen und der gesamten Menschheit zu verbessern.
Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1997)
Artikel 3 - Gleicher Zugang zur Gesundheitsversorgung
Die Vertragsparteien ergreifen unter Berücksichtigung der Gesundheitsbedürfnisse und der
verfügbaren Mittel geeignete Maßnahmen, um in ihrem Zuständigkeitsbereich gleichen Zugang zu
einer Gesundheitsversorgung von angemessener Qualität zu schaffen.
Artikel 12 - Prädiktive genetische Tests
Untersuchungen, die es ermöglichen, genetisch bedingte Krankheiten vorherzusagen oder bei einer
Person entweder das Vorhandensein eines für eine Krankheit verantwortlichen Gens festzustellen oder
eine genetische Prädisposition oder Anfälligkeit für eine Krankheit zu erkennen, dürfen nur für
Gesundheitszwecke oder für gesundheitsbezogene wissenschaftliche Forschung und nur unter der
Voraussetzung einer angemessenen genetischen Beratung vorgenommen werden.
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (1997)
Artikel 95 - Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften
(1) (...). Der Rat erlässt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 und nach Anhörung des Wirtschaftsund Sozialausschusses die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der
Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand
haben.
Artikel 152 - Gesundheitswesen
(1) Bei der Festlegung und Durchführung aller Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen wird ein
hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt. Die Tätigkeit der Gemeinschaft ergänzt die Politik der
Mitgliedstaaten und ist auf die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, die Verhütung von
Humankrankheiten und die Beseitigung von Ursachen für die Gefährdung der menschlichen
Gesundheit gerichtet. Sie umfasst die Bekämpfung der weitverbreiteten schweren Krankheiten; dabei
werden die Erforschung der Ursachen, der Übertragung und der Verhütung dieser Krankheiten sowie
die Gesundheitsinformation und -erziehung gefördert. Die Gemeinschaft ergänzt die Maßnahmen der
Mitgliedstaaten zur Verringerung drogenkonsumbedingter Gesundheitsschäden einschließlich der
Informations- und Vorbeugungsmaßnahmen.
(2) Die Gemeinschaft fördert die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in den in diesem
Artikel genannten Bereichen und unterstützt erforderlichenfalls deren Tätigkeit.
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(4) Der Rat trägt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 und nach Anhörung des Wirtschafts- und
Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen mit folgenden Maßnahmen zur
Verwirklichung der Ziele dieses Artikels bei:
a) Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen
menschlichen Ursprungs sowie für Blut und Blutderivate; diese Maßnahmen hindern die
Mitgliedstaaten nicht daran, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder einzuführen (...).
In Absatz 5 wird die Nichtzuständigkeit der Gemeinschaft für den Bereich der Gesundheit der
Bevölkerung betont und festgelegt, dass die Maßnahmen nach Absatz 4 Buchstabe a „die
einzelstaatlichen Regelungen über die Spende oder die medizinische Verwendung von Organen und
Blut unberührt“ lassen.
Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000)
Artikel 35 - Gesundheitsschutz
Jede Person hat das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung nach
Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten. Bei der Festlegung und
Durchführung aller Politiken und Maßnahmen der Union wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau
sichergestellt.
RR\453921DE.doc
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DE
Nichtdiskriminierung aufgrund genetischer Eigenschaften
Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO –
Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997)
Artikel 6 - Schutz vor Diskriminierung
Niemand darf einer Diskriminierung aufgrund genetischer Eigenschaften ausgesetzt werden, die
darauf abzielt, Menschenrechte, Grundfreiheiten oder die Menschenwürde zu verletzen, oder dies zur
Folge hat.
Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1997)
Artikel 11 - Nichtdiskriminierung
Jede Form von Diskriminierung einer Person wegen ihres genetischen Erbes ist verboten.
Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000)
Artikel 21 - Nichtdiskriminierung
(1) Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen
oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale (...) sind verboten.
PE 300.127
DE
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Schutz persönlicher Daten
Übereinkommen der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (1992)
Artikel 15 Absatz 5 - Zugang zu genetischen Ressourcen
Der Zugang zu genetischen Ressourcen bedarf der auf Kenntnis der Sachlage gegründeten vorherigen
Zustimmung der Vertragspartei, die diese Ressourcen zur Verfügung stellt, sofern diese Vertragspartei
nichts anderes bestimmt hat.
Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO –
Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997)
Artikel 5 Buchstabe b - Rechte der betroffenen Person
In allen Fällen muss die vorherige, aus freien Stücken nach fachgerechter Aufklärung erteilte
Einwilligung der betroffenen Person eingeholt werden. Ist sie nicht in der Lage, ihre Einwilligung zu
erteilen, so sind die Zustimmung oder Ermächtigung in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise
einzuholen, geleitet von dem Bestreben, zum Besten der Person zu handeln.
Artikel 7 - Vertraulichkeit genetischer Daten
Genetische Daten, die einer bestimmten Person zugeordnet werden können und zu Forschungs- oder
anderen Zwecken gespeichert oder verarbeitet werden, sind im Einklang mit den gesetzlich
vorgeschriebenen Bestimmungen vertraulich zu behandeln.
Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1997)
Artikel 5 - Einwilligung: allgemeine Regel
Eine Intervention im Gesundheitsbereich darf erst erfolgen, nachdem die betroffene Person über sie
aufgeklärt worden ist und frei eingewilligt hat.
Die betroffene Person ist zuvor angemessen über Zweck und Art der Intervention sowie über deren
Folgen und Risiken aufzuklären.
Die betroffene Person kann ihre Einwilligung jederzeit frei widerrufen.
Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000)
Artikel 8 – Schutz personenbezogener Daten
(1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.
(2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der
betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet
werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten
und die Berichtigung der Daten zu erwirken.
Richtlinie 1995/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher
Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr
Artikel 7 Buchstabe a - Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung von Daten
RR\453921DE.doc
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DE
Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten lediglich erfolgen
darf, wenn (...) die betroffene Person ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben hat (...).
Artikel 8 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe a – Besondere Kategorien der Verarbeitung von Daten
(1) Die Mitgliedstaaten untersagen die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die
rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische
Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von Daten über Gesundheit
oder Sexualleben.
(2) Absatz 1 findet in folgenden Fällen keine Anwendung:
a) Die betroffene Person hat ausdrücklich in die Verarbeitung der genannten Daten eingewilligt, es sei
denn, nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats kann das Verbot nach Absatz 1 durch die
Einwilligung der betroffenen Person nicht aufgehoben werden (...).
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DE
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Interventionen in das menschliche Genom
Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO –
Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997)
Artikel 11 - Allgemeine Bestimmung zur Menschenwürde
Praktiken, die der Menschenwürde widersprechen, wie reproduktives Klonen von Menschen, sind
nicht erlaubt. Die Staaten und zuständigen internationalen Organisationen werden aufgefordert,
gemeinsam daran zu arbeiten, derartige Praktiken zu benennen und auf nationaler oder internationaler
Ebene die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Achtung der in dieser Erklärung
niedergelegten Grundsätze sicherzustellen.
Resolution der Weltgesundheitsorganisation über die ethischen, wissenschaftlichen und sozialen
Auswirkungen des Klonens auf die menschliche Gesundheit (1998)
Verbot des Klonen zum Zwecke der Replikation von Menschen
Die 51. Weltgesundheitsversammlung
1. bekräftigt, dass das Klonen von Menschen zum Zwecke der Replikation ethisch unannehmbar ist
und gegen die Würde und Integrität des Menschen verstößt;
2. fordert die Mitgliedstaaten auf, die fortlaufende Debatte und Aufklärung über diese Fragen zu
fördern und geeignete Schritte, einschließlich rechtlicher und gerichtlicher Maßnahmen, zu
unternehmen, um das Klonen zum Zwecke der Replikation von Menschen zu verbieten.
Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1997)
Artikel 13 - Interventionen in das menschliche Genom
Eine Intervention, die auf die Veränderung des menschlichen Genoms gerichtet ist, darf nur zu
präventiven, diagnostischen oder therapeutischen Zwecken und nur dann vorgenommen werden, wenn
sie nicht darauf abzielt, eine Veränderung des Genoms von Nachkommen herbeizuführen.
Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin
(1998)104
Artikel 1 Absatz 1 – Verbot des reproduktiven Klonens
Verboten ist jede Intervention, die darauf gerichtet ist, ein menschliches Lebewesen zu erzeugen, das
mit einem anderen lebenden oder toten menschlichen Lebewesen genetisch identisch ist.
Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000)
Artikel 3 Absatz 2 – Recht auf Unversehrtheit
Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden: die freie
104
Bis September 2000 hatten Griechenland und Spanien das Protokoll ratifiziert. Dänemark, Finnland,
Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Schweden hatten es unterzeichnet, aber noch
nicht ratifiziert. Österreich, Belgien, Irland und das Vereinigte Königreich schließlich hatten es noch nicht
unterzeichnet.
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DE
Einwilligung der betroffenen Person nach vorheriger Aufklärung entsprechend den gesetzlich
festgelegten Modalitäten; das Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die
Selektion von Personen zum Ziel haben; (...)das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen.
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DE
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Verbot finanziellen Gewinns
Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO –
Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997)
Artikel 4 - Verbot finanziellen Gewinns
Das menschliche Genom in seinem natürlichen Zustand darf keinen finanziellen Gewinn eintragen.
Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1997)
Artikel 21 – Verbot finanziellen Gewinns
Der menschliche Körper und Teile davon dürfen als solche nicht zur Erzielung eines finanziellen
Gewinns verwendet werden.
Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000)
Artikel 3 Absatz 2– Recht auf Unversehrtheit
Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden: (...) das
Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen
(...).
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DE
Geistiges Eigentum und Patentierbarkeit von lebendem Material
Übereinkommen der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (1992)
Artikel 16 Absätze 2,3, 4 und 5 - Zugang zur Technologie und Weitergabe von Technologie
(2) Der Zugang zur Technologie und die Weitergabe von Technologie nach Absatz 1 werden in Bezug
auf Entwicklungsländer unter ausgewogenen und möglichst günstigen Bedingungen, darunter im
beiderseitigen Einvernehmen auch zu Konzessions- oder Vorzugsbedingungen, gewährt oder
erleichtert, erforderlichenfalls in Übereinstimmung mit dem in den Artikeln 20 und 21 festgelegten
Finanzierungsmechanismus. Handelt es sich um Technologie, die Gegenstand von Patenten oder
anderen Rechten des geistigen Eigentums ist, so erfolgen dieser Zugang und diese Weitergabe zu
Bedingungen, die einen angemessenen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums anerkennen und mit
ihm vereinbar sind.
(3) Jede Vertragspartei ergreift, sofern angebracht, Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder politische
Maßnahmen mit dem Ziel, Vertragsparteien, insbesondere denen, die Entwicklungsländer sind, wenn
sie genetische Ressourcen zur Verfügung stellen, zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen den
Zugang zu Technologie oder die Weitergabe von Technologie, die diese Ressourcen nutzt,
einschließlich Technologie, die durch Patente und sonstige Rechte des geistigen Eigentums geschützt
ist, zu gewähren, erforderlichenfalls über die Bestimmungen der Artikel 20 und 21, und zwar in
Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und im Einklang mit den Absätzen 4 und 5 dieses Artikels.
(4) Jede Vertragspartei ergreift, sofern angebracht, Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder politische
Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass der private Sektor den Zugang zu der in Absatz 1 bezeichneten
Technologie, ihre gemeinsame Entwicklung sowie ihre Weitergabe zum Nutzen sowohl der
Regierungsinstitutionen als auch des privaten Sektors von Entwicklungsländern erleichtert, und
beachtet dabei die in den Absätzen 1, 2 und 3 enthaltenen Verpflichtungen.
(5) In der Erkenntnis, dass Patente und sonstige Rechte des geistigen Eigentums einen Einfluss auf die
Durchführung dieses Übereinkommens haben können, arbeiten die Vertragsparteien vorbehaltlich des
innerstaatlichen Rechts und des Völkerrechts in dieser Hinsicht zusammen, um sicherzustellen, dass
solche Rechte die Ziele des Übereinkommens unterstützen und ihnen nicht zuwider laufen.
Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums der
Welthandelsorganisation (WTO), 1995
Artikel 7 - Ziele
Der Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums sollen zur Förderung der
technischen Innovation sowie zur Weitergabe und Verbreitung von Technologie beitragen, dem
beiderseitigen Vorteil der Erzeuger und Nutzer technischen Wissens dienen, in einer dem
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohl zuträglichen Weise erfolgen und einen Ausgleich
zwischen Rechten und Pflichten herstellen.
Artikel 27 - Patentfähige Gegenstände
(1) Vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 ist vorzusehen, dass Patente für Erfindungen auf allen Gebieten
der Technik erhältlich sind, sowohl für Erzeugnisse als auch für Verfahren, vorausgesetzt, dass sie neu
sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.105 (...) sind Patente
105
Im Sinne dieses Artikels kann ein Mitglied die Begriffe “erfinderische Tätigkeit” und “gewerblich
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DE
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erhältlich und können Patentrechte ausgeübt werden, ohne dass hinsichtlich des Ortes der Erfindung, des
Gebiets der Technik oder danach, ob die Erzeugnisse eingeführt oder im Land hergestellt werden,
diskriminiert werden darf.
(2) Die Mitglieder können Erfindungen von der Patentierbarkeit ausschließen, wenn die Verhinderung
ihrer gewerblichen Verwertung innerhalb ihres Hoheitsgebiets zum Schutz der öffentlichen Ordnung
oder der guten Sitten einschließlich des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren
oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer ernsten Schädigung der Umwelt notwendig ist, vorausgesetzt,
dass ein solcher Ausschluss nicht nur deshalb vorgenommen wird, weil die Verwertung durch ihr Recht
verboten ist.
(3) Die Mitglieder können von der Patentierbarkeit auch ausschließen
a) diagnostische, therapeutische und chirurgische Verfahren für die Behandlung von Menschen
oder Tieren;
b) .........
Richtlinie 1998/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz
biotechnologischer Erfindungen
Artikel 5
(1) Der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung sowie die
bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens,
können keine patentierbaren Erfindungen darstellen.
(2) Ein isolierter Bestandteil des menschlichen Körpers oder ein auf andere Weise durch ein
technisches Verfahren gewonnener Bestandteil, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines
Gens, kann eine patentierbare Erfindung sein, selbst wenn der Aufbau dieses Bestandteils mit dem
Aufbau eines natürlichen Bestandteils identisch ist.
(3) Die gewerbliche Anwendbarkeit einer Sequenz oder Teilsequenz eines Gens muss in der
Patentanmeldung konkret beschrieben werden.
Artikel 6
(1) Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten
verstoßen würde, sind von der Patentierbarkeit ausgenommen, dieser Verstoß kann nicht allein daraus
hergeleitet werden, dass die Verwertung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verboten ist.
(2) Im Sinne von Absatz 1 gelten unter anderem als nicht patentierbar:
a) Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen;
b) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens;
c) die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken;
d) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser
Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie
die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere.
anwendbar” als Synonyme der Begriffe “nicht naheliegend” beziehungsweise “nützlich” auffassen.
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Andere wichtige Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft (1997)
Artikel 5 - Subsidiaritätsprinzip
In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach
dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen
auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres
Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.
Die Maßnahmen der Gemeinschaft gehen nicht über das für die Erreichung der Ziele dieses Vertrags
erforderliche Maß hinaus.
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Weitere wichtige Rechtsvorschriften der europäischen Sekundärgesetzgebung
Richtlinie 1998/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über In-vitro-Diagnostika
Artikel 1 Absatz 4
Im Sinne dieser Richtlinie unterliegt die Entnahme, Sammlung und Verwendung von Gewebe, Zellen
und Stoffen menschlichen Ursprungs in ethischer Hinsicht den Grundsätzen des Übereinkommens des
Europarats zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung
der Biologie und der Medizin und den einschlägigen Regelungen der Mitgliedstaaten. In Bezug auf die
Diagnose sind die Wahrung der Vertraulichkeit persönlicher Daten sowie der Grundsatz der
Nichtdiskriminierung auf der Grundlage der genetischen Anlagen von Männern und Frauen von
vorrangiger Bedeutung.
Beschluss Nr. 182/1999/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Dezember 1998
über das Fünfte Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung,
technologischen Entwicklung und Demonstration (1998-2002)
Anhang II, Wissenschaftliche und technologische Ziele - VI (b): Erforschung von Genomen und
genetisch bedingten Krankheiten, Fußnote 1
(...) Innerhalb dieses Rahmenprogramms werden keinerlei Forschungstätigkeiten durchgeführt, bei
denen eine Änderung des genetischen Erbguts von Menschen durch Veränderung von Keimzellen oder
durch Eingriffe in anderen Phasen der Embryonalentwicklung vorgenommen oder bezweckt wird und
bei denen die Vererbbarkeit derartiger Veränderungen bewirkt werden kann. Auch werden keine
Forschungstätigkeiten im Bereich der Klonierung durchgeführt, um den Zellkern einer Keimzelle oder
einer embryonalen Zelle durch den Zellkern eines anderen Individuums zu ersetzen, der im
embryonalen Stadium oder zu einem späteren Zeitpunkt der menschlichen Entwicklung entnommen
wurde (...).
Entscheidung des Rates 1999/167/EG vom 25. Januar 1999 über ein spezifisches Programm für
Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration auf dem Gebiet "Lebensqualität
und Management lebender Ressourcen" (1998-2002)
Anhang II, Grundzüge, wissenschaftliche und technologische Ziele, Prioritäten - VI (b):
Erforschung von Genomen und genetisch bedingten Krankheiten, Fußnote 1
(...) Auch werden keine Forschungstätigkeiten im Bereich der Klonierung unterstützt, die darauf
abzielen, den Zellkern einer Keimzelle oder einer embryonalen Zelle durch den Zellkern eines anderen
Individuums zu ersetzen, der im embryonalen Stadium oder zu einem späteren Zeitpunkt der
menschlichen Entwicklung entnommen wurde.
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DE
Anhang III
Rechtsvorschriften zur Embryonenforschung in den EU-Mitgliedstaaten106
Gesetz
Österreich
Über die
Fortpflanzungs
medizin (1992)
verboten
-
ein Jahr
Es gibt keine
spezifischen
Rechtsvorschriften, aber
ein königliches
Dekret, das die
IVF-Zentren
regelt (1999).
Es gibt einen
Regierungsentwurf zur
Regelung der
Embryonenforschung, der
2001 diskutiert
wird.
unter
bestimmten
Voraussetzungen erlaubt
-
-
Belgien
Forschung
Frist
Gefrierkonservierung
Land
Forschungsbedingungen
und -ziele
Die EmbryoSpende ist
verboten.
in einem
zugelassenen
IVF-Zentrum;
Genehmigung
des BioethikAusschusses
der beteiligten
Institution
(Universität
usw.)
erforderlich
Sonstige
Einschränkungen
Voraussetzung
für die Anwendung der
Reproduktionsmedizin:
stabile heterosexuelle
Beziehung;
Zweck:
Fortpflanzung;
Anwendung:
Implantation
nur eines
Ovozyten
-
Bioethikkommissionen
-
Es gibt einen
lokalen
Ethikausschuss
in jeder
Institution, die
Forschungen
betreiben kann
(Universität
usw.); Rolle:
genehmigt die
Forschungsprotokolle.
Die in der Tabelle angegebenen Informationen wurden folgenden bibliografischen Quellen entnommen:
1)
Europäische Kommission, Generaldirektion Wissenschaft, Forschung, Entwicklung, Gesellschaftliche,
medizinische und ethische Auswirkungen des Klonens, Protokoll eines Workshops an der Royal Society, London,
24. und 25. November 1997, 1998
2)
Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien bei der
Europäischen Kommission (EGE), Annahme einer Stellungnahme zu den ethischen Aspekten der Erforschung
und Verwendung menschlicher Stammzellen, Paris, 14. November 2000, überarbeitete Fassung Januar 2001
3)
Europäisches Parlament, GD III Information und Öffentlichkeitsarbeit, Referat Presseüberwachung und
schnelle Reaktion, Informationsblatt zu dem nichtständigen Ausschuss für Humangenetik und andere neue
Technologien in der modernen Medizin, Brüssel, 21. Februar 2001
4)
Überprüfung der wissenschaftlichen und technologischen Optionen (STOA), Generaldirektion
Forschung, Direktion A, Referat Industrie, Forschung und Energie, Die ethischen Auswirkungen der Forschung
an menschlichen Embryonen, Abschlussstudie, Arbeitsdokument für die STOA-Diskussion, Luxemburg, Juli
2000, PE 289.665/Abschlussstudie
5)
Sénat, Service des affaires européennes, Division des Études de législation comparée, Les documents
de travail du Sénat, Les instances nationales de Bioétique, série législation comparée, n. LC 89, avril 2001
PE 300.127
DE
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Land
Gefrierkonservierung
Forschungsbedingungen
und -ziele
Bedingungen:
Zustimmung
eines
regionalen
Ethikausschuss
es; Zweck:
Verbesserung
der Techniken
für IVF und
Präinplatations
diagnostik
Gesetz
Forschung
Frist
Dänemark
Nr. 460 (1997)
über die
assistierte
Reproduktion
unter
bestimmten
Voraussetzungen erlaubt
14 Tage (ohne
die Zeit der
Gefrierkonservierung)
ein Jahr mit
Zustimmung
des Paares
Finnland
Gesetz über
die
medizinische
Forschung
(1999)
unter
bestimmten
Voraussetzungen erlaubt
14 Tage ab der
Befruchtung
15 Jahre
(danach muss
er vernichtet
werden)
Bedingungen:
Die Forschung
wird nur von
Einrichtungen
durchgeführt,
die über die
Genehmigung
der Nationalen
Behörde für
medizinischrechtliche
Fragen
verfügen; mit
vorheriger
Zustimmung
der Spender.
Frankreich
Gesetz Nr. 94654 (1994);
Dekret
Nr. 97-613
(1997). 2001
wird ein
Gesetzentwurf
diskutiert, mit
dem die
Embryonenforschung
zugelassen
wird.
unter
bestimmten
Voraussetzungen erlaubt
7 Tage
5 Jahre;
innerhalb
dieser Frist
kann das Paar
den Embryo
einem anderen
Paar zum
Zweck der
Erfüllung des
Kinderwunsches
spenden.
Bedingungen:
Es muss ein
direkter
Nutzen für den
Embryo oder
die Fortpflanzungsmedizin
gegeben sein;
schriftliche
Zustimmung
des Mannes
und der Frau
erforderlich;
Genehmigung
eines
unabhängigen
Ausschusses
erforderlich.
RR\453921DE.doc
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Sonstige
Einschränkungen
Die Fusion
genetisch
unterschiedlicher Embryos
oder Embryonenteile ist
verboten. Zur
Forschung
verwendete
Eizellen dürfen
nicht in den
Uterus
eingepflanzt
werden.
Die Erzeugung
von Embryos
ausschließlich
zum Zweck
der Forschung
ist verboten.
Für die
Forschung an
einem Fötus ist
die schriftliche
Zustimmung
der schwangeren Frau
erforderlich;
die Forschung
zur Veränderung der Keimbahn ist nicht
erlaubt (außer
zur Vermeidung/ Behandlung einer
schweren
Krankheit).
verboten sind:
das Klonen,
die Erzeugung
von Chimären
und von
Embryonen
nur zu
Forschungszwecken und
Veränderungen
der Keimbahn
Bioethikkommissionen
Nationaler
Ethikrat für
Gesundheit
und Forschung
(beratende
Funktion)
Die Nationale
Behörde für
medizinischrechtliche
Fragen erteilt
die Genehmigung für
Forschungen
nur an
spezialisierte
Einrichtungen
Nationaler
Beratender
Ethikausschuss
für Bio- und
Gesundheitswissenschaften
(1983): lehnte
die Richtlinie
1998/44/EG
über die Patentierung biotechnologischer Erfindungen ab und
protestierte
gegen die
Umsetzung in
französisches
Recht.
PE 300.127
DE
Land
Forschung
Gefrierkonservierung
Frist
-
verboten
Forschungsbedingungen
und -ziele
Embryonenforschung zu
anderen als
therapeutischen Zwecken
ist verboten.
Sonstige
Einschränkungen
Das genannte
Gesetz verbietet ausdrücklich das
menschliche
Klonen.
Embryonen
dürfen nicht
vernichtet
werden, und
die Befruchtung eines
Ovozyten für
andere Zwecke
als die Herbeiführung einer
Schwangersch
aft ist eine
Straftat; die
Abtrennung
und Nutzung
totipotenter
Zellen eines
Embryos zu
Forschungsund Diagnosezwecken ist
verboten. Eine
Aussprache im
Parlament ist
vorgesehen.
Bioethikkommissionen
Deutschland
Embryonenschutzgesetz
(1992)
nur zum
Wohle des
Embryos
zulässig
Griechenland
Es gibt keine
Vorschriften
für die
Embryonenforschung; sie
fällt in den
Geltungsbereich einer
Erklärung des
Allgemeinen
Gesundheitsrates (1988).
unter
bestimmten
Voraussetzungen erlaubt
14 Tage ab der
Befruchtung
-
Bedingungen:
Für die
Forschung ist
die
Zustimmung
des
zuständigen
Ethikausschuss
es erforderlich.
Das Klonen ist
ausdrücklich
verboten.
Es gibt Ethikausschüsse.
Irland
Durch die
achte
Änderung zum
Verfassungsge
setz aus dem
Jahr 1983
geregelt
verboten
-
-
-
-
-
PE 300.127
DE
Gesetz
114/127
Zentraler
Ethikausschuss
der Bundesärztekammer
(gibt Stellungnahmen ab)
RR\453921DE.doc
-
Forschungsbedingungen
und -ziele
-
Sonstige
Einschränkungen
-
-
-
-
-
-
-
-
Die Regierung
hat dem
Parlament im
September
2000 einen
Gesetzentwurf
über die
Nutzung von
Sperma,
Ovozyten und
Embryonen (zu
anderen
Zwecken als
der Herbeiführung einer
Schwangerschaft)
vorgelegt.
Gesetz
Forschung
Frist
Gefrierkonservierung
Italien
Die
Embryonenforschung ist
nicht
gesetzlich
geregelt;
Verordnung
des
Gesundheitsministeriums
(1997) über
das Verbot von
Klonierungspraktiken.
-
-
Luxemburg
Es gibt keine
Rechtsvorschriften.
Gesetzentwurf
(1999) über
IVF-Praktiken.
-
Niederlande
Es gibt keine
Rechtsvorschriften.
Gesetzentwurf
(2000) über
menschliche
Gameten und
Embryos
Der Forschungsantrag
muss von
einem
Zentralen
Ausschuss für
die Forschung
an
menschlichen
Lebewesen
genehmigt
werden, dessen
Stellungnahme
sich auf ein
Memorandum
von 1995
stützt, in dem
die
Embryonenforschung zu
therapeutischen Zwecken
ausgeschlossen
wird.
Land
RR\453921DE.doc
115/127
Bioethikkommissionen
Der Nationale
Ausschuss für
Bioethik
(Organ beim
Amt des
Ministerpräsidenten,
beratende
Funktion durch
Stellungnahmen). Es gibt
einen
Ministerialausschuss, der
2000 einen
Bericht über
die Nutzung
von Stammzellen zu
therapeutischen Zwecken
verfasst hat:
für das
therapeutische
Klonen und die
Forschung an
überzähligen
Embryos.
PE 300.127
DE
Land
Portugal
Spanien
Schweden
PE 300.127
DE
Gesetz
Forschung
Frist
Gefrierkonservierung
Es gibt keine
Rechtsvorschriften (der
Gesetzentwurf
wurde vom
Parlament
angenommen,
aber der
Staatspräsident
hat 1999 ein
Veto
eingelegt).
Gesetz über
die Verfahren
zur
medizinisch
unterstützten
Fortpflanzung
(1988). Das
Klonen von
Menschen ist
verboten.
-
-
-
Gesetz über
die In-vitroBefruchtung
(1988); Gesetz
über Forschungs- und
Behandlungsmaßnahmen
unter Verwendung befruchteter menschlicher Eizellen
(1991)
unter
bestimmten
Voraussetzungen erlaubt
14 Tage mit
Zustimmung
des Spenders
unter
bestimmten
Voraussetzungen erlaubt
14 Tage ab der
Befruchtung
5 Jahre
116/127
-
Forschungsbedingungen
und -ziele
-
Es muss sich
um Forschung
zu diagnostischen oder
therapeutischen Zwecken
handeln; die
Forschung zu
nicht-therapeutischen
Zwecken ist
nur bei nicht
lebensfähigen
Embryos
zulässig und
nur wenn sie
nicht an Tieren
vorgenommen
werden kann.
Nach
Abschluss des
Forschungsverfahrens
muss der
Embryo
vernichtet
werden; die
Implantation
eines Embryos
in utero zu
Forschungszwecken ist
verboten.
Sonstige
Einschränkungen
Bioethikkommissionen
-
Der Nationale
Rat für Ethik
in den
Biowissenschaften
(unabhängiges
beratendes
Organ) hat
1995 einen
Bericht
veröffentlicht.
-
-
Die Forschung
zur
genetischen
Veränderung
des Embryos
ist verboten.
-
RR\453921DE.doc
Land
Vereinigtes
Königreich
Gesetz
Gesetz über
die
menschliche
Befruchtung
und
Embryologie
(1990)
RR\453921DE.doc
Forschung
unter
bestimmten
Voraussetzungen
erlaubt
Frist
14 Tage
Gefrierkonservierung
5 Jahre; mit
Zustimmung
10 Jahre
117/127
Forschungsbedingungen
und -ziele
Bedingungen:
Genehmigung
der Verfahren
durch die
Aufsichtsbehörde für
menschliche
Befruchtung
und
Embryologie
Sonstige
Einschränkungen
Die Forschung
zu nichttherapeutischen Zwecken
muss: der
Verbesserung
der Verfahren
zur Sterilitätsbehandlung
dienen, die
Kenntnisse
über die
Ursachen
angeborener
Krankheiten
und von
Aborten
erweitern, die
Verhütungssysteme
verbessern,
Systeme zur
Identifizierung
anomaler Gene
oder Chromosomen vor der
Implantation in
utero
entwickeln.
Bioethikkommissionen
Aufsichtsbehörde für
menschliche
Befruchtung
und
Embryologie
(unabhängiges
staatliches
Organ mit der
Aufgabe, die
Embryonenund die IVFForschung zu
kontrollieren
und
Forschungsmaßnahmen im
Bereich des
therapeutischen Klonens
zu
genehmigen)
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Anhang IV
Dokumente/Ereignisse zur Genetik (107)
20. Juli 1988
Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über ein spezifisches Forschungsprogramm im
Gesundheitsbereich: Prädiktive Medizin: Analyse des menschlichen Genoms (1989-1991)/*
KOM(88)424 endg. - SYN 146 */ (Amtsblatt C 27 vom 2.2.1989, S. 6 )
19. Dezember 1988
Bericht Rothley (Ausschuss für Recht und Bürgerrechte) zu den ethischen und rechtlichen Problemen
der Genmanipulation (A2-0327/88)
30. Januar 1989
Bericht Haerlin (Ausschuss für Energie, Forschung und Technologie) über die prädiktive Medizin:
Analyse des menschlichen Genoms (A2-0370/88)
30. Januar 1989
Bericht Casini (Ausschuss für Recht und Bürgerrechte) über die künstliche „in vivo”- und „in vitro”Befruchtung (A2-0372/88)
15. Februar 1989
Legislative Entschließung (Verfahren der Zusammenarbeit: erste Lesung) mit der Stellungnahme des
Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission an den Rat für eine Entscheidung über
ein spezifisches Forschungsprogramm im Gesundheitsbereich: Prädiktive Medizin: Analyse des
menschlichen Genoms (1989 - 1991) (Amtsblatt C 69 vom 20.3.1989, S. 95)
16. März 1989
Entschließung des Europäischen Parlaments zur künstlichen „in vivo"- und „in vitro"-Befruchtung
(Amtsblatt C 96 vom 17.4.1989, S. 171). In dieser Entschließung fordert das Parlament, nur so viele
Eizellen zu befruchten, wie auch eingepflanzt werden können, und spricht sich für ein Verbot aller
extrakorporalen Versuche aus. Das Parlament stellte fest, dass die Cryokonservierung von Embryos in
keinem Fall drei Jahre überschreiten darf.
16. März 1989
Entschließung des Europäischen Parlaments zu den ethischen und rechtlichen Problemen der
Genmanipulation (Amtsblatt C 96 vom 17.4.1989, S. 165). In dieser Entschließung fordert das
Parlament die Festlegung von Rechtsvorschriften für ein Verbot jeglichen Gentransfers in menschliche
Keimbahnzellen sowie eine Bestimmung des rechtlichen Status des menschlichen Embryos, um einen
eindeutigen Schutz der genetischen Identität zu gewährleisten. Das Parlament stellt fest, dass die
Zygote des Schutzes bedarf und nicht beliebig mit ihr experimentiert werden kann; das Parlament
fordert ein strafbewehrtes Verbot der künstlichen Erhaltung des Lebens menschlicher Embryonen, um
bei Gelegenheit Gewebe oder Organe entnehmen zu können, sowie ein strafbewehrtes Verbot des
Klonens von Menschen. Das Parlament vertritt die Auffassung, dass Eingriffe in menschliche
Embryos „nur dann gerechtfertigt sind, wenn sie für das Wohl des betreffenden Kindes oder der
Mutter von unmittelbarem, nicht anders zu erzielenden Nutzen sind und die körperliche und
psychische Unversehrtheit der betreffenden Frau wahren“.
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Informationsvermerk über den nichtständigen Ausschuss für Humangenetik: Generaldirektion
Information und Öffentlichkeitsarbeit (GDIII) des Europäischen Parlaments
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16. April 1990
Beschluss (Verfahren der Zusammenarbeit: zweite Lesung) betreffend den Gemeinsamen Standpunkt
des Rates im Hinblick auf die Annahme einer Entscheidung über ein spezifisches Programm für
Forschung und technologische Entwicklung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens: Analyse des
menschlichen Genoms (1990-1991) (Amtsblatt C 149 vom 18.6.1990, S. 80).
11. Juni 1990
Überprüfter Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm für Forschung
und technologische Entwicklung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens: Analyse des menschlichen
Genoms (1990-1991) /* KOM(90)251 endg.- SYN 146 */
29. Juni 1990
Entscheidung des Rates 90/395/EWG zur Annahme eines spezifischen Programms für Forschung und
technologische Entwicklung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens: Analyse des menschlichen
Genoms (1990-1991) (Amtsblatt L 196 vom 26.7.1990, S. 8 ). Zu den Zielen gehören: Anwendung
und Verbesserung neuer Biotechnologien bei der Untersuchung des menschlichen Genoms im
Hinblick auf ein besseres Verständnis der Mechanismen von Genfunktionen für die Prävention und
Behandlung von Krankheiten des Menschen; Erarbeitung eines integrierten Ansatzes für die
medizinischen, ethischen, sozialen und rechtlichen Aspekte möglicher Anwendungen der Ergebnisse,
um sicherzustellen, dass sie nicht missbraucht werden; Aufstellung einer Reihe bioethischer
Grundsätze, die bei künftigen Entwicklungen zu beachten sind. Die Veränderung von Keimzellen auf
jeder Stufe der Entwicklung des Embryos mit dem Ziel, menschliche Genmerkmale auf vererbbare
Weise zu verändern, wird ausgeschlossen.
28. Oktober 1993
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Klonierung des menschlichen Embyros (Amtsblatt C
315 vom 22.11.1993, S. 224)
1. März 1995
Beschluss über den gemeinsamen Entwurf des Vermittlungsausschusses betreffend die Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen
(C4-0042/95 - 94/0159(COD), vom EP mit 240 Nein-Stimmen, 188 Ja-Stimmen und 23 Enthaltungen
abgelehnt (Amtsblatt C 68 vom 20.3.1995, S. 26)
24. Oktober 1995
Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei
der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Amtsblatt L 281 vom
23.11.1995, S. 31 - 0050)
13. Dezember 1995
Die Kommission nimmt einen neuen Vorschlag für eine Richtlinie über den Schutz biotechnologischer
Erfindungen an.
28. Februar 1997
Die Kommission holt eine Stellungnahme ihrer Gruppe der Berater über die ethischen Auswirkungen
der Biotechnologie (GAEIB) zu den ethischen Auswirkungen der Klonierungstechniken, insbesondere
der Klonierung von Tieren, und ihren potenziellen Auswirkungen auf den Menschen ein.
12. März 1997
Entschließung des Europäischen Parlaments B4-0209 zum Klonen (Amtsblatt C 115 vom 14.4.1997,
S. 92). In der Entschließung werden die Mitgliedstaaten als Reaktion auf die ethischen Fragen in
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Verbindung mit dem Klonen und der durch das Klonen eines Schafes aus einer adulten Zelle
ausgelösten Besorgnisse dringend ersucht, das Klonen von Menschen zu verbieten. Die Kommission
wird aufgefordert, über etwaige Forschungen auf diesem Gebiet und über den Rechtsrahmen in den
Mitgliedstaaten zu berichten. Außerdem wird die Vorlage von Vorschlägen für die Einrichtung eines
EU-Ethikausschusses gefordert, der die Entwicklung auf dem Gebiet der Gentechnologie überwachen
soll.
30. April 1997
Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Fünfte
Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen
Entwicklung und Demonstration (1998-2002) – Artikel 6 bezieht sich auf die Einhaltung der
grundlegenden ethischen Prinzipien.
6. Juni 1997
Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Mandat der Beratergruppe für Fragen der Ethik in
der Biotechnologie bei der Kommission (GAEIB). In der Entschließung bekräftigt das Parlament seine
Auffassung, dass es von entscheidender Bedeutung ist, im Bereich der Biologie, Biotechnologie und
Medizin ethische Normen unter Wahrung der Menschenwürde aufzustellen, diese Normen möglichst
global anzuwenden und ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten. Die Kommission wird aufgefordert,
Vorschläge zu unterbreiten, um die Beteiligung des Parlaments an ethischen Fragen im
Zusammenhang mit der Biotechnologie sicherzustellen.(Amtsblatt C 200 vom 30.6.1997, S. 258)
16.-17. Juni 1997
Erklärung des Europäischen Rates von Amsterdam über das Verbot des Klonens von Menschen. Das
Parlament fordert den Rat und die Kommission auf, dies durch die Einbeziehung der vom Parlament
angenommenen Änderungen in die Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer
Erfindungen zu bekräftigen. (Amtsblatt C 222 vom 21.7.1997, S. 17)
16. Juli 1997
Das Parlament nimmt Änderungsanträge zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über den
rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen an.
15. Januar 1998
Entschließung des Europäischen Parlaments B4-0050/98 zum Klonen von Menschen (Amtsblatt C 34
vom 2.2.1998, S. 164). Die Mitgliedstaaten werden darin aufgefordert, das Übereinkommen des
Europarats zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die
Anwendungen von Biologie und Medizin (Bioethik-Konvention) und das Zusatzprotokoll, in dem das
Klonen von Menschen verboten wird, zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die EU-Mitgliedstaaten
und die Vereinten Nationen werden aufgerufen, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um ein
rechtlich verbindliches Verbot des Klonens von Menschen zu erreichen.
10. Juni 1998
Vorschlag für einen Beschluss des Rates betreffend ein spezifisches Programm für Forschung,
technologische Entwicklung und Demonstration „Lebensqualität und Management lebender
Ressourcen“ – Fußnote 8 über die ethischen Erfordernisse.
6. Juli 1998
Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz
biotechnologischer Erfindungen. Darin wird festgelegt, was im Bereich der lebenden Organismen
patentierbar ist und was nicht, verbunden mit der genauen Bedeutung der durch ein Patent verliehenen
Rechte an geistigem Eigentum. Ausgeschlossen werden die Patentierbarkeit aller Verfahren, die sich
aus der Forschung an Embryonen ergeben, die nicht von direktem Nutzen ist, Eingriffe zur
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Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens und Verfahren
zum Klonen menschlicher Lebewesen.
11. September 1998
Die Kommission holt die Stellungnahme der EGE zur Abänderung 36 des Europäischen Parlaments
im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Fünften Rahmenprogramms ein, in der vorgeschlagen
wird, keine Gemeinschaftsmittel für Forschungsprojekte zu gewähren, die zur Vernichtung
menschlicher Embryos führen.
22. Dezember 1998
Beschluss 182/1999/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Fünfte
Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen
Entwicklung und Demonstration (1998-2002) (Amtsblatt L 26 vom 1.2.1999, S. 1 – 33)
25. Januar 1999
Entscheidung des Rates 1999/167/EG über ein spezifisches Programm für Forschung, technologische
Entwicklung und Demonstration auf dem Gebiet „Lebensqualität und Management lebender
Ressourcen (1998-2002) (Amtsblatt L 64 vom 12.3.1999, S. 1– 19). Darin heißt es: „Im Rahmen dieses
Rahmenprogramms werden keinerlei Forschungstätigkeiten unterstützt, bei denen eine Änderung des
genetischen Erbguts von Menschen durch Veränderung von Keimzellen oder durch Eingriffe in
anderen Phasen der Embryonalentwicklung vorgenommen oder bezweckt wird und bei denen die
Vererbbarkeit derartiger Veränderungen bewirkt werden kann. Auch werden keine
Forschungstätigkeiten im Bereich der Klonierung unterstützt, die darauf abzielen, den Zellkern einer
Keimzelle oder einer embryonalen Zelle durch den Zellkern eines anderen Individuums zu ersetzen,
der im embryonalen Stadium oder zu einem späteren Zeitpunkt der menschlichen Entwicklung
entnommen wurde“.
30. März 2000
Entschließung des Europäischen Parlaments B5-0288 zu der Entscheidung des Europäischen
Patentamts in Verbindung mit dem der Universität Edinburgh am 8. Dezember 1999 erteilten Patent
EP 695 351, das dazu genutzt werden könnte, das Klonen von Menschen abzudecken. Das Parlament
fordert, das Patent für nichtig zu erklären und verlangt die rasche Umsetzung der Richtlinie 98/44/EG
über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen in nationales Recht.
6. September 2000
Philippe Busquin, für den Forschungsbereich zuständiges Kommissionsmitglied, äußert sich anlässlich
einer Aussprache über das Klonen von Menschen vor dem EP, er betont dabei die Bedeutung
gemeinsamer ethischer Werte in ganz Europa und verweist auf die Absicht der Kommission,
Initiativen zu ergreifen, die beispielsweise der Stärkung der Verbindungen zwischen den
Ethikausschüssen in ganz Europa und dem Austausch der guten Praktiken bei der ethischen
Bewertung von Forschungsprojekten dienen. Er verweist dabei auch auf die Erwartungen von Herrn
Prodi, dass es eine fruchtbare Debatte in enger Zusammenarbeit mit dem EP über den Wert der
Forschung über embryonale Stammzellen des Menschen und ihre therapeutische Anwendung in einem
rechtlichen und ethischen Rahmen geben könnte.
7. September 2000
Das Europäische Parlament lehnt eine gemeinsame Entschließung zum Klonen menschlicher Embryos
für therapeutische Zwecke ab.
7. September 2000
In der Entschließung des Europäischen Parlaments B5-0710 zum Klonen von Menschen wird die
Notwendigkeit betont, die Würde des Menschen und das menschliche Leben zu achten, die Regierung
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des Vereinigten Königreichs wird aufgefordert, ihre Position zum Klonen menschlicher Embryonen zu
überprüfen, und die Forderung an die einzelnen Mitgliedstaaten wiederholt, verbindliche
Rechtsvorschriften in Kraft zu setzen, die alle Formen von Forschungen über das Klonen von
Menschen verbieten und strafrechtliche Sanktionen im Fall von Verstößen vorzusehen. In der
Entschließung wird festgestellt, dass ein vom Europäischen Parlament eingesetzter nichtständiger
Ausschuss zu Fragen der Humangenetik die bereits in früheren Entschließungen zum Ausdruck
gebrachten Ansichten berücksichtigen und Fragen prüfen sollte, zu denen das Parlament bislang noch
keinen klaren Standpunkt festgelegt hat.
7. September 2000
Die Konferenz der Präsidenten erörtert die Befugnisse, die Zusammensetzung und die Mandatsdauer
des nichtständigen Ausschusses für Humangenetik (nichtständiger Ausschuss mit der Zuständigkeit
für die Prüfung ethischer und rechtlicher Fragen, die sich aus den neuen Entwicklungen auf dem
Gebiet der Humangenetik ergeben).
19. Oktober 2000
Schreiben von Herrn Behrend, Generalsekretär der Verts/ALE-Fraktion, mit einem von den
Koordinatoren der Fraktionen ausgearbeiteten Vorschlag über die Befugnisse und Zuständigkeiten, die
Mitglieder und das Mandat des nichtständigen Ausschusses für Humangenetik und andere neue
Technologien in der modernen Medizin (PE 296.482).
13. Dezember 2000
Beschluss des Europäischen Parlaments zur Einsetzung eines nichtständigen Ausschusses für
Humangenetik und andere neue Technologien in der modernen Medizin (B5-0898/2000).
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Anhang V
Chronologie der Humangenetik (108)
1952
Erstes erfolgreiches Klonierungsexperiment mit Wirbeltieren (Fröschen).
1971
James Watson (zusammen mit Francis Crick und Maurice Wilkins Gewinner der MedizinNobelpreises für die Entdeckung der DNA-Struktur), veröffentlicht einen Beitrag im Atlantic Monthly
mit dem Titel „Auf dem Weg zum Klon-Menschen“; in diesem Artikel warnt er davor, dass
menschliche Klone kommen werden und die Gesellschaft darauf nicht vorbereitet ist.
1978
Im Vereinigten Königreich wird das erste durch „in vitro”-Befruchtung außerhalb des Körpers der
Mutter gezeugte Baby geboren. Es gibt keine spezifischen Vorschriften zur Regelung der Forschung
an menschlichen Embryonen.
24. September 1986
Die Empfehlung 1046 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats über die Verwendung
menschlicher Embryos wird angenommen, darin wird die Schaffung identischer menschlicher Wesen
durch Klonen oder andere Verfahren verboten.
21. Oktober 1988
Die Kommission nimmt einen ersten Vorschlag für eine Richtlinie über den Schutz biotechnologischer
Erfindungen an.
2. Februar 1989
Empfehlung Nr. 1100 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats über die Verwendung
menschlicher Embryonen und Föten in der wissenschaftlichen Forschung, in der das Ministerkomitee
aufgefordert wird, einen Grundsatzrahmen zu schaffen, von dem aus nationale Gesetze oder
Vorschriften in möglichst universaler und einheitlicher Form entwickelt werden können, und
Aufforderung an die Mitgliedstaaten, die Unterrichtung der Bevölkerung über Biomedizin und
Reproduktion des Menschen sowie das Verständnis der Bevölkerung zu verbessern.
20. November 1991
Die Kommission setzt eine Gruppe von Beratern über die ethischen Auswirkungen der Biotechnologie
(GAEIB) ein, sie besteht zunächst aus sechs Sachverständigen aus verschiedenen Bereichen und
Ländern, die Zahl der Mitglieder wird später auf neun aufgestockt.
14. April 1994
Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Nr. 1240 über den Schutz und die
Patentfähigkeit von Material menschlichen Ursprungs; darin wird das Ministerkomitee aufgefordert,
den Text der Bioethik-Konvention anzunehmen, um für Europa eine Referenz für grundlegende
moralische Prinzipien im Bereich der Bioethik zu schaffen, und mit der Ausarbeitung eines Protokolls
zum Entwurf des Übereinkommens zu beginnen, um Grenzen für die Anwendung der Gentechnik
beim Menschen festzulegen.
5. Juli 1996
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Information und Öffentlichkeitsarbeit (GDIII) des Europäischen Parlaments
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Geburt eines geklonten Schafs im Vereinigten Königreich nach Übertragung eines Zellkerns eines
adulten Schafs.
19. November 1996
Die Stellungnahme Nr. 184 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zum Schutz der
Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin
(Bioethik-Konvention) wird vom Ministerkomitee angenommen. . DIR/JUR(96)14.
4. April 1997
Unterzeichnung der Bioethik-Konvention. In Artikel 13 wird das Klonen von Menschen implizit
verboten.
14. Mai 1997
Die 50. Weltgesundheitsversammlung in Genf verabschiedet eine Entschließung, in der die
Anwendung des Klonens für die Vermehrung menschlicher Lebewesen als ethisch unannehmbar und
mit der Würde des Menschen und mit der Moral unvereinbar bezeichnet wird. Der Generaldirektor
wird aufgefordert, die Mitgliedstaaten zu unterrichten, um eine öffentliche Diskussion über diese
Themen herbeizuführen.
28. Mai 1997
Die GAEIB legt der Kommission die Stellungnahme Nr. 9 über die ethischen Aspekte der
Klonierungstechniken vor. Darin betont sie die Notwendigkeit, der Erhaltung der genetischen Vielfalt
besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Jeder Versuch der Schaffung eines genetisch
identischen menschlichen Individuums durch Zellkernsubstitution aus einer menschlichen adulten
oder kindlichen Zelle („reproduktives Kloning“) sollte verboten werden. Die Europäische
Gemeinschaft sollte in den sich in Vorbereitung befindlichen einschlägigen Texten und Vorschriften
eindeutig ihre Ablehnung des reproduktiven Klonens von Menschen zum Ausdruck bringen. Die
GAEIB fordert eine Unterscheidung zwischen Klonen und Embryo-Splitting sowie therapeutischem
und reproduktivem Klonen.
16. Juli 1997
Der Lenkungsausschuss für Bioethik (CDBI) gibt eine Stellungnahme für die Parlamentarische
Versammlung des Europarats über den Entwurf des Zusatzprotokolls zur Bioethik-Konvention über
das Verbot des Klonens von Menschen ab und vertritt darin die Auffassung, dass angesichts des
Zwecks des Übereinkommens über die Menschenrechte und Biomedizin, insbesondere angesichts des
in Artikel 1 genannten Grundsatzes des Schutzes der Würde und der Identität aller menschlichen
Wesen spezifische bindende Vorschriften innerhalb des Europarats verabschiedet werden sollten, um
jeden Eingriff zu verbieten, der auf die Schaffung eines mit einem anderen lebenden oder toten
menschlichen Wesen genetisch identischen Menschen abzielt.
31. Juli 1997
Auslaufen des Mandats der GAEIB
23. September 1997
Stellungnahme Nr. 202 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, in der die rasche
Annahme des Entwurfs des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über Menschenrechte und
Biomedizin über das Verbot des Klonens von Menschen empfohlen wird.
10.–11. Oktober 1997
Abschlusserklärung des Zweiten Gipfeltreffens des Europarats, in der die Staats- und Regierungschefs
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sich verpflichteten, die Verwendung aller Klonierungstechniken zu verbieten, die auf die Schaffung
genetisch identischer menschlicher Wesen abzielen, und in der das Ministerkomitee angewiesen wird,
ein Zusatzprotokoll zur Bioethik-Konvention anzunehmen.
6. November 1997
Der Europarat nimmt das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und
der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biotechnologie und Medizin über das
Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen an.
11. November 1997
Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte und Entschließung für
ihre Durchführung, angenommen auf der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen
für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO). Artikel 5b legt die Notwendigkeit einer
vorherigen freien und unterrichteten Zustimmung für Forschung und Behandlung fest. In Artikel 6
heißt es, dass niemand auf der Grundlage genetischer Merkmale benachteiligt werden darf. Artikel 11
bestätigt, dass der menschlichen Würde widersprechende Praktiken, beispielsweise reproduktives
Klonen, nicht zulässig sein sollten.
11. Dezember 1997
Die GAEIB legt die Stellungnahme Nr. 10 zu den ethischen Aspekten des 5. Forschungsrahmenprogramms vor. In Artikel 2 Absatz 3 wird die Kommission aufgefordert, dafür zu sorgen, dass
eine ethische Bewertung der ihr vorgelegten Forschungsprojekte erfolgt, dass eine Analyse der
ethischen Fragen über kontroverse Forschungsaspekte wie die Gentherapie (vom Rahmenprogramm
ausgeschlossen) vorgenommen und Untersuchungen über die Wechselbeziehung zwischen
Forschungsentwicklung und Gesellschaft durchgeführt werden sollten. Die GAEIB empfiehlt, dass die
Kommission ein Informationssystem einrichtet, das alle einschlägigen rechtlichen und ethischen Daten
auf internationaler und nationaler Ebene einrichtet, das regelmäßig aktualisiert wird.
16. Dezember 1997
Die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien (EGE)
ersetzt die GAEIB. Die EGE, die im Wesentlichen den nationalen Ethikausschüssen vergleichbar ist,
ist unabhängig, multikulturell und disziplinübergreifend und deshalb in der Lage, Stellungnahmen
gänzlich frei von externen Einflüssen abzugeben.
12. Januar 1998
Das Zusatzprotokoll zum Bioethik-Übereinkommen betreffend das Verbot des Klonens von
menschlichen Lebewesen wird unterzeichnet.
7. Mai 1998
Der Exekutivausschuss der UNESCO richtet den Internationalen Bioethik-Ausschuss ein.
23. November 1998
Die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien (EGE)
vertritt in ihrer Stellungnahme Nr. 12 die Auffassung, dass entsprechend der ethischen Dimension des
5. Rahmenprogramms der Gemeinschaft die Achtung des Pluralismus der Kulturen und der ethischen
Ansätze in Europa, was sich in der außerordentlichen Vielfalt der nationalen Vorschriften äußert, eine
finanzielle Unterstützung aus EU-Mitteln für Forschungen an menschlichen Embryonen nicht
ausschließt, und zwar in Ländern, in denen diese Art von Forschung zulässig ist, dass diese Mittel
jedoch nur unter strengen Auflagen gewährt werden dürfen. Diese Art von Forschung ist gesetzlich
insbesondere in Deutschland, Österreich und Irland verboten. In Frankreich sind Forschungsprojekte,
die letztlich zur Vernichtung des Embryos führen, verboten. Untersuchungen jedoch, die die Integrität
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des Embryos nicht beeinträchtigen, sind zulässig. In Dänemark, dem Vereinigten Königreich, Spanien
und Schweden ist die Forschung an menschlichen Embryonen unter bestimmten Bedingungen nach
dem Gesetz zulässig. Rechtsvorschriften über diese Frage werden in den Niederlanden, Belgien und
Finnland vorbereitet.
8. Dezember 1998
Gemeinsamer Bericht der Human Genetics Advisory Commission und der Human Fertility and
Embryology Association im Vereinigten Königreich mit der Empfehlung, das Klonen von Menschen
zu verbieten, den Human Fertility and Embryology Act aus dem Jahr 1990 jedoch im Interesse
therapeutischer Anwendungen zu ändern.
9. Dezember 1998
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen unterstützt in ihrer Resolution 53/152 die Erklärung
über das menschliche Genom und die Menschenrechte. Darin heißt es, dass sie von der Notwendigkeit
überzeugt ist, dass internationale Vorschriften ausgearbeitet und eine Ethik der Biowissenschaften auf
nationaler und internationaler Ebene geschaffen werden muss. Die Regierungen werden aufgefordert,
unabhängige, multidisziplinäre und pluralistische Ethik-Ausschüsse einzurichten, insbesondere in
Verbindung mit dem Internationalen Bioethik-Ausschuss, um den Erfahrungsaustausch zu verstärken.
3. Februar 2000
Bericht der EGE über die Charta der Grundrechte mit Blick auf neue Technologien; darin wird das
gravierende Risiko einer Instrumentalisierung menschlicher Lebewesen durch genetische
Manipulation betont. Dies wird als ethisch unannehmbar bezeichnet, es wird jedoch eingeräumt, dass
genetische Manipulation dann eine Realität werden könnte, wenn der Mensch noch stärkere Kontrolle
über das Leben gewinnt.
Juni 2000
Bericht der Chief Medical Officer’s Expert Group des Gesundheitsministeriums des Vereinigten
Königreichs mit einer Überprüfung der potenziellen Entwicklungen in der Stammzellenforschung und
der Ersetzung von Zellkernen im Interesse der menschlichen Gesundheit. Darin heißt es, dass das
große Potenzial für die Linderung von Leiden und die Behandlung von Krankheiten bedeutet, dass
Forschung im gesamten Bereich der möglichen Quellen von Stammzellen, einschließlich Embryonen,
im Grunde wünschenswert ist. Unter der Voraussetzung, dass die Notwendigkeit der Verwendung von
Embryonen, die durch Ersetzung von Zellkernen entstanden sind, auf Einzelfallbasis mit
entsprechender Zustimmung der Spender und unter der Aufsicht der Human Fertilisation and
Embryology Authority eindeutig belegt ist, ist die Sachverständigengruppe bereit, dies zu unterstützen.
Sie kommt zu der Schlussfolgerung, dass der potenzielle Nutzen der Entdeckung der Mechanismen für
die Umprogrammierung adulter Zellen und dadurch die Bereitstellung von kompatiblem Gewebe für
Behandlungen diese Übergangsforschung, die die Erzeugung von Embryonen durch Ersetzung von
Zellkernen beinhaltet, rechtfertigt.
14. November 2000
Stellungnahme Nr. 15 der EGE der Kommission über ethische Aspekte der menschlichen
Stammzellenforschung und –verwendung; darin wird die Bereitstellung spezifischer
gemeinschaftlicher Haushaltsmittel für Forschungsarbeiten über alternative Quellen empfohlen,
insbesondere adulte Stammzellen, sowie eine ethische Bewertung der aus Gemeinschaftsmitteln
finanzierten Forschung über Stammzellen bevor mit einem Projekt begonnen wird und auch während
seiner Durchführung.
7. Dezember 2000
Die Charta der Grundrechte wird auf dem Europäischen Gipfel von Nizza verkündet. In Artikel 3 von
Kapitel 1 über die Würde des Menschen wird das reproduktive Klonen von Menschen verboten.
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17. Dezember 2000
Die Mitglieder des britischen Unterhauses stimmen dafür, dass Wissenschaftler spezielle Stammzellen
für Embryonen im Frühstadium gewinnen dürfen, um Haut- und Organgewebe für Forschungszwecke
zu züchten. Damit wird eine Änderung am Human Fertilisation and Embryology Act aus dem Jahr
1990 gebilligt, wodurch zwei Wochen alte Embryonen, die bei der IVF-Behandlung nicht verwendet
wurden, ausschließlich für Forschungsarbeiten über Unfruchtbarkeit genutzt werden dürfen.
11. Januar 2001
Wissenschaftler am Oregon Regional Primate Research Centre in den Vereinigten Staaten schaffen
den ersten genetisch veränderten Affen.
22. Januar 2001
Die Mitglieder des britischen Oberhauses billigen Pläne der Regierung, das Klonen von menschlichen
Embryonen für Forschungszwecke zuzulassen. Sie beschließen außerdem, dass ein nichtständiger
Ausschuss die Auswirkungen dieser Entscheidung untersuchen sollte.
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