newsletter - Schweizerische Gesellschaft für Zwangsstörungen

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02·12
newsletter
2
Bericht des Präsidenten
3
Dennis Riehle: «Bin ich Schuld?» 4
Philip Negt und Susanne Fricke: Zwang und Religion
7
Thomas C. Wetter: Schlaf und Schlafstörungen – ein Überblick
12
Christine Poppe und Batya Licht: Genau – perfekt – zwanghaft; Diagnose, Differentialdiagnostik
und Therapie von Perfektionismus, Zwangsstörungen und zwanghafter Persönlichkeitsstörung
19
Michèle Kälin: Natur – Heilung – FreiSein
21
Gy. Derzsi: Zwänge aus Sicht einer Angehörigen
23
SGZ Anmeldeformular
Zürich, November 2012
Edit or ial
Liebe Mitglieder der Schweizerischen Gesellschaft für
Zwangsstörungen, Liebe Leserin und Leser,
Schon wieder ist ein halbes Jahr vergangen und wir
freuen uns, Ihnen pünktlich zu unserer diesjährigen
Tagung einen aktuellen Newsletter zusenden zu können.­Wie schon im Frühjahr haben wir Berichte und
Artikel aus verschiedenen Themenbereichen für Sie
zusammengetragen. Hauptschwerpunkt sind natürlich
die Zwangsstörungen.
Diesmal beginnt der Newsletter mit einem eindrücklichen Selbstbericht in welchem Herr Riehle über den
Schlüsselmoment berichtet, in dem er sich erstmals
jemandem anvertraute und so nach 2 Jahren zunehmender Beeinträchtigung durch ungewöhnliche Handlungen und Gedanken über seine Zwangserkrankung
aufgeklärt werden konnte und eine Therapie begann.
Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal gefragt
in welchem Verhältnis Zwang und Religion stehen.
Herr Negt und Frau Fricke gehen dieser Frage sachlich
und respektvoll auf den Grund.
Wie versprochen finden Sie in der jetzigen Ausgabe
des Newsletters auch den zweiten Teil des Artikels
zum Thema Schafstörungen. Dieser befasst sich mit
verschiedenen Schlafphänomenen, die Herr Wetter
einzeln beschreibt. Abschliessend gibt er Ihnen Einblick in eine Abklärung im Schlaflabor sowie hilfreiche
Tipps im Umgang mit Schlafstörungen.
Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Zwangsstörungen, Perfektionismus und zwanghafter Persönlichkeitsstörungen zu kennen und die jeweiligen Symptome
richtig einzuordnen ist nicht einfach. Frau Poppe und
Frau Licht tragen in ihrem Artikel zu einer Klärung bei und
arbeiten die wichtigsten Punkte für Sie heraus.
Frau Kälin hat in der Natur Unterstützung bei der
Bewältigung ihrer Zwangssymptome gefunden, davon
berichtet sie Ihnen und bietet ihre Begleitung an.
Wie es Angehörigen und nahen Freunden von
Zwangsbetroffenen ergehen kann, erfahren Sie im letzten Artikel des aktuellen Newsletter.
In Zürich wird ab Januar 2013 ein Trialog zwischen
Angehörigen, Betroffenen und Fachleuten zum Thema
Zwangsstörungen starten. Wichtige Informationen
dazu finden Sie auf Seite 20.
An dieser Stelle möchten wir Sie auch auf ein wichtiges Forschungsprojekt aufmerksam machen. Sollte
eine Teilnahme für Sie in Frage kommen, melden Sie
sich gerne. Wo Wie und Was? Die Anzeige auf Seite 22
­­gibt nähere Auskunft.
An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen,
mich sehr herzlich bei der Deutschen Gesellschaft für
Zwangsstörungen bedanken, welche uns immer wieder grosszügig und unkompliziert gestattet, Beiträge
aus ihrem Newsletter abzudrucken und damit auch
den Betroffenen in der Schweiz zur Verfügung zu stellen. Diesmal handelt es sich um den Artikel von Herrn
Negt und Frau Fricke.
Sie möchten selber einmal einen Erfahrungsbericht
schreiben oder haben als Therapeut/in etwas für andere
Hilfreiches oder Lehrreiches zu berichten? Melden Sie
sich, damit Sie Ihr Wissen in einem der nächsten Newsletter weitergeben können!
Nun wünsche ich Ihnen eine informative Lektüre und
verbleibe mit herzlichen Grüssen.
Steffi Weidt
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Liebe Mitglieder der Schweizerischen Gesellschaft
für Zwangsstörungen
Ich freue mich darauf, dass ich viele von Ihnen am
ersten Dezemberwochenende bei der SGZ-Jahres­
tagung 2012 sehen werde. Es haben sich schon eine
grosse Zahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern
angemeldet, so dass es wieder eine lebendige
Veranstaltung werden wird mit anregenden Diskussionen, Referaten, Workshops und entspannten
Gesprächen in den Pausen. Gerne möchte ich an
dieser Stelle ein paar Themen zu Ihrer Information
auflisten, mit denen sich der Vorstand der SGZ –
neben der Tagungsorganisation – in den vergangenen
Monaten beschäftigt hat.
• Direkte Unterstützung von Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten durch Beantwortung
von ihren Fragen per Email oder Telefon
• Regelmässiges Aktualisieren der Rubrik «Schwar­zes Brett» der SGZ-Homepage www.zwaenge.ch
• Mitarbeit an Pressetexten und Artikeln mit
­Nennung der SGZ, um deren Angebote bekannt
zu machen
• Beteiligung an Fachveranstaltungen im Namen
der SGZ, um Fachleute über das Thema Zwangs störungen zu informieren
• Zweimal jährlich Herausgabe des SGZ-Newsletters
• Organisation der jährlichen SGZ-Tagung
• Ausrichtung der Mitgliederversammlung am 5.
Juli 2012, mit einem Referat über Selbsthilfeansätze in der Behandlung von Zwangsstörungen
• Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem
Selbsthilfezentrum in Zürich, unter anderem
Unterstützung der laufenden Selbsthilfegruppe
in Zürich und beim Aufbau von Trialog-Veranstaltungen
Hinzu kommen die Aufgaben des SGZ-Sekretariats,
insbesondere die Bearbeitung der vielen Anfragen
an die SGZ, Abgabe der Informations-Broschüre und
Vermittlung von Adressen von Therapeutinnen und
Therapeuten.
Vielfältige Aufgaben also, welche wir auch deswegen gerne übernehmen, weil wir wissen, dass die
SGZ zahlreiche Mitglieder hat und viele Betroffene,
Angehörige und Fachleute erreicht.
Wenn Sie Kommentare oder Anregungen für
weitere Betätigungsfelder der SGZ haben, freue ich
mich, wenn Sie mir diese mitteilen (Email-Adresse:
[email protected]).
Herzliche Grüsse,
Michael Rufer
PD Dr. med. Michael Rufer
Präsident der SGZ
[email protected]
Dr. med. Steffi Weidt
Newsletter Redakteurin SGZ
[email protected]
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«Bin ich schuld?»
Dennis Riehle
Zum Zeitpunkt, als ich mich das erste Mal zum
Gespräch mit einem Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten durchgerungen hatte, waren gut zwei
Jahre vergangen, in denen mich meine Zwänge schon
fest in der Hand hatten. Mit 13 waren sie das erste
Mal aufgetreten, beim völlig belanglosen Zählen von
Laubblättern, Dachziegeln und Pflastersteinen.
Irgendwie glaubte jeder an einen «Tic», an eine
pubertäre Erscheinung. Ich selbst hatte all dem
eigentlich über lange Zeit gar keine Bedeutung beigemessen. Auch dann nicht, als das Waschen meiner
Hände immer länger dauerte und ich immer seltener
vom Wasserhahn loskam. Mühsam war es schon,
stundenlang zu duschen – aber von Zwängen hatte
weder ich, noch meine Familie je etwas mitbekommen. Und so liess ich auch das immer stärker werdende Kontrollieren der Haustür, der Elektrogeräte
oder der Fenster über mich ergehen. Allemal blieb das
anstrengend für mich, es raubte Zeit und liess mich
nicht mehr los. Doch der wirkliche Leidensdruck fehlte
zu diesem Zeitpunkt noch.
Das änderte sich allerdings mit dem Augenblick, als mir
plötzlich immer öfter Schuldgefühle in den Kopf kamen.
Unfälle in meiner Stadt, ein Einbruch im gleichen Ort
oder ein Taschendieb im Bus – meine Zweifel waren
gross, dass ich daran hätte beteiligt sein können. Das
Empfinden, für alles und jeden verantwortlich zu sein,
trieb mich in grosse Gewissenskonflikte. Das blieb auch
meiner Umwelt nicht verschlossen. Unkonzentriert,
nachdenklich und deprimiert soll ich gewirkt haben.
Nicht nur ich selbst erschrak vor der neuen Qualität
dieser aggressiven Gedanken – Zwangsgedanken, wie
sich später herausstellte. Exakt drei Wochen später –
denn da hatte meine Mutter mit meiner Zustimmung
einen Termin vereinbart, beim Psychotherapeuten,
war dieses unbekannte Wort dann aber ganz präsent.
Und schon noch einer Stunde stand fest: Zwänge –
das erste Mal hatte ich nun davon gehört. Begriffen
hatte ich es noch nicht. Aber ich war froh, dass das
alles nun einen Namen hatte – und ich wohl nicht
der Einzige war, der sich mit solchen merkwürdigen
Befürchtungen herumquälte…
Dennis Riehle
Selbsthilfegruppenleiter Zwänge und soziale Phobien
Martin-Schleyer-Str. 27
78465 Konstanz
[email protected]
Vielleicht würde das alles wieder vergehen, wenn die
«Wechseljahre der Jugend» vorüber sein würden,
dachte nicht nur ich. Doch es brauchte dann ein
Schlüsselereignis, das klarmachte: Ohne professionelle Hilfe geht es hier nicht weiter. Und dieses
Erlebnis war eigentlich ein Geständnis gegenüber
meiner Mutter: Im Frühjahr 2000, kurz bevor ich 15
wurde, kam ich nach der Schule nach Hause. «Du, ich
bin heute in der Fußgängerzone gegen einen Mann
gerempelt – und danach einfach weitergelaufen. Als
ich mich umdrehte, war er nicht mehr zu sehen. Kann
es sein, dass er jetzt irgendwo verletzt liegt? Dass
er gestorben ist? Habe ich ihn umgebracht? Bin ich
schuld?» – fragte ich sie und gab ganz offen Einblick
in das, was sich in meinem Kopf abspielte.
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Zwang und Religion
Philip Negt und Susanne Fricke
Mögliche Zusammenhänge zwischen der Religiosität eines Menschen und der Ausprägung zwanghafter
Verhaltensweisen galten lange Zeit als beliebtes Themengebiet, dem insbesondere in psychoanalytischer
Tradition Aufmerksamkeit entgegen gebracht wurde.
Bereits Sigmund Freud (1907/2000) beschrieb in seinem
Aufsatz über Zwangshandlungen und Religionsübungen
gewisse Ähnlichkeiten zwanghafter Rituale mit einigen
Glaubenspraktiken. Sowohl der streng religiöse Mensch
als auch der Zwangserkrankte führten demnach gewissenhaft eine gesetzmäßige Handlung aus und erlebten
Gefühle von Ängstlichkeit und Schuld, wenn sie diese
Handlung nicht ausführen. Der Begründer der Psychoanalyse ging davon aus, dass der Zwangserkrankte dabei
mehr Isolation und Leiden empfindet als der Gläubige,
da seine Rituale im Unterschied zu religiösen Praktiken
von der Gesellschaft nicht anerkannt werden. Die psychoanalytischen Theorien der Folgejahre gingen über
einfache Vergleiche zwischen Zwangshandlungen und
religiösen Ritualen deutlich hinaus. Eine strenge religiöse Erziehung, die zahlreiche Verbote und die Vorstellung eines strafenden Gottes umfasst, wurde stattdessen als wesentliche Ursache für die spätere Ausprägung
einer Zwangserkrankung verstanden, ohne dass diese
Annahme je wissenschaftlich überprüft wurde (vgl. Baumann, 2007).
Kulturell geprägte Einflüsse, darunter auch der
Glaube eines Menschen, beeinflussen sein Erleben und
Verhalten vielfältig. Die Frage, inwiefern Religiosität
das klinische Erscheinungsbild und damit die Behandlung der Zwangserkrankung beeinflussen, ist dabei von
hoher Aktualität, auch vor dem Hintergrund einer hohen
Zahl von Menschen mit einem Migrationshintergrund in
Deutschland. Dennoch wurden Einflüsse von Religiosität
und Glauben im Bereich der psychischen Erkrankungen
von der empirischen Wissenschaft lange Zeit nicht hinreichend beachtet. Ziel dieses Artikels ist es, vor dem
Hintergrund aktueller Studienergebnisse einige Besonderheiten religiöser Zwangserkrankungen vorzustellen,
um anschließend deren Bedeutung für die klinische Praxis zu erläutern.1
Merkmale religiöser Zwangserkrankungen
In jüngerer Zeit bezeichnen viele Autoren Zwangs­
erkrankungen, die sich inhaltlich vor allem auf die Bereiche Religion und Moral beziehen, als moralisch-religiöse
Skrupulosität. Gekennzeichnet ist diese besondere Form
einer Zwangserkrankung durch aufdringliche gottesläs-
1
Eine ausführlichere Beschreibung findet sich bei Negt (2011).
terliche Gedanken und eine anhaltende Angst vor religiösen Verfehlungen. Betroffene fühlen sich angetrieben,
ritualisierte Handlungen auszuführen (z.B. Gebete), die
als eine Wiedergutmachung des subjektiv empfundenen
Fehlverhaltens aufgefasst werden. Dabei ergeben sich
langfristig Teufelskreise: Je mehr eine unter religiösen
Zwängen leidende Person nach moralischer und religiöser Rechtschaffenheit strebt, desto stärker werden
häufig die Befürchtungen und Ängste eines religiösen
Fehlverhaltens.
In Untersuchungen wurde häufig festgestellt, dass
Personen, die überwiegend unter religiösen Zwangs­
symptomen leiden, höhere Ausprägungen in den Emo­­
tionen Scham und Schuld haben als Personen, deren
Zwangssymptome sich in anderen Bereichen ausdrücken. Die ständig empfundene Gefahr, sich unmoralisch,
sündhaft und entgegen der eigenen Glaubensprinzipien
zu verhalten, ist mit Gefühlen der Unzulänglichkeit verbunden. Da sich religiöse Zwangssymptome vor allem
bei Personen entwickeln, die der Religion ohnehin eine
hohe Bedeutsamkeit in ihrem Leben zuschreiben, werden diese anhaltenden Schuldgefühle als besonders
belastend erlebt. (2) Außerdem fällt es Betroffenen
besonders schwer, die als gotteslästerlich empfundenen
Gedanken als Teil der Zwangssymptomatik zu begreifen. Stattdessen beurteilen sie diese Gedanken als ein
Ergebnis ihrer fehlerhaften Persönlichkeit und unzureichenden Anstrengung, religiöse Gebote einzuhalten. So
kann etwa eine dem katholischen Glauben zugehörige
Zwangspatientin nach einem Streit mit ihrem Ehemann
den kurzfristigen Gedanken haben, ihn zu verlassen. Aufgrund der Annahme, dass alleine dieser Gedanke bereits
eine moralisch-religiöse Verfehlung darstellt, erlebt sie
darauffolgend angstbesetzte Schuldgefühle. Diese treiben sie schließlich an, wieder und wieder religiös-ritualisierte Handlungen (z.B. das anhaltende Beten von
Rosenkränzen) auszuführen, um das Gefühl der religiösen Unzulänglichkeit zumindest kurzfristig bewältigen
zu können.
Die gegenwärtige Forschung im Bereich religionsassoziierter Zwangserkrankungen geht (anders als früher)
nicht davon aus, dass Religiosität und Glauben grundsätzlich mit der Ausprägung von Zwangssymptomen
in Zusammenhang stehen. Aktuelle Befunde weisen
aber darauf hin, dass bei Personen, die Religion eine
hohe Bedeutsamkeit in ihrem Leben beimessen und
die gleichzeitig zu Ängstlichkeit und Perfektionismus
neigen, Zwangssymptome häufiger religiöse Inhalte
4
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haben. So werden etwa Symptome, wie die Angst vor
Gottes Strafe, exzessive Gebete oder die Befürchtung,
Nahrungsmittel entgegen religiöser Speisegebote zu
behandeln, deutlich häufiger in traditionell religiösen
Kulturen beobachtet. Entsprechende Untersuchungen in
der Türkei, dem Iran, Israel oder orthodox katholischen
Regionen in Italien zeigen dabei, dass sich Zwangssymptome häufig inhaltlich auf Besonderheiten der jeweiligen Religionen beziehen.
Die christlichen Religionen betonen stärker als
Judentum und Islam die Bedeutung von Gedanken,
Intentionen und der inneren Haltung eines Gläubigen.
Christliche Zwangspatienten zeigen vor diesem Hintergrund häufig Besonderheiten im Bereich der Zwangsgedanken. Unter Gedanken-Handlungs-Verschmelzung
wird die Neigung verstanden, einen als unmoralisch
empfundenen Gedanken (z.B. Gedanke an Ehebruch)
als gleichbedeutend mit tatsächlichem Verhalten (z.B.
Ehebruch begehen) zu erleben. Betroffene empfinden anhaltend Gefühle von Ängstlichkeit, Scham und
Schuld. Untersuchungen in jüdischen und muslimischen Kulturen zeigen hingegen, dass sich Zwangssymptome dort oft in anderen Bereichen ausdrücken.
Während jüdische Zwangspatienten oft Befürchtungen
zeigen, die sich auf die Einhaltung von Ernährungsgeboten des jüdischen Glaubens beziehen (z.B. das Vermengen von Milch- und Fleischprodukten), drücken
sich Zwangssymptome bei muslimischen Zwangspatienten eher im Bereich der rituellen Waschungen aus.
Diese Besonderheiten einzelner Symptome sind vor
dem Hintergrund der praktizierten Religion erklärbar.
So erfordert die Ausführung des täglich fünfmaligen
muslimischen Gebets jeweils die Reinigung bestimmter Körperregionen in geregelter Abfolge. Eine Missachtung dieses Gebots hat zur Folge, dass die betende
Person in nicht angemessener Weise vor Allâ (Gott)
getreten ist. Das Judentum hingegen gilt als eine Religion, die der Einhaltung von Ernährungsgeboten große
Bedeutung beimisst. Das Verbot, Milch- und Fleischprodukte zu vermengen, wird lediglich im jüdischen Glauben strikt eingehalten.
Besonderheiten und Empfehlungen
für die Behandlung
Ein zentrales und herausforderndes Ziel in der Behandlung von Zwangspatienten, die unter religiösen
Zwangssymptomen leiden, ist zunächst eine Annäherung von Patient und Therapeut in Bezug auf das
Problemverständnis. Während Behandelnde die Symptome als Teil der Zwangserkrankung verstehen,
verwenden Betroffene häufig religiöse Erklärungsmodelle. So kann ein religiöser Zwangspatient die
von ihm empfundene Angst als eine «Mahnung Gottes» verstehen, religiöse Gebote einzuhalten. Soziokulturell bedingte Unterschiede in dem Verständnis
von Gesundheit, Krankheit und in der Verwendung
bestimmter Erklärungsmodelle erschweren oft die
Beziehungsgestaltung zwischen einem Betroffenen
und dem Behandelnden. Für den Erfolg einer Behandlung ist es aber entscheidend, dass Patient und Therapeut gemeinsam ein klar verständliches und von
beiden Seiten akzeptiertes Krankheitskonzept entwickeln. In diesem Zusammenhang ist es wichtige
Aufgabe des Behandelnden, sich auf das kulturell
andersartige Erleben des Patienten einzulassen, seine
Erklärungsmodelle ernst zu nehmen und eine «starre»
Anwendung von Behandlungsmodellen zu vermeiden,
in denen die Religiosität eines Patienten meist zu wenig
Berücksichtigung findet.
Eine besonders herausfordernde Aufgabe im Rahmen
der Behandlung besteht in der Unterscheidung zwischen regulärer Religionsausübung und zwanghaften
Ritualen. Im Verlauf der Zwangserkrankung erfahren die
Anforderungen religiöser Gebote oft eine Verzerrung.
So ist etwa die Befürchtung eines muslimischen Patienten, während der Fastenzeit den eigenen Speichel
zu schlucken, weder in religiösen Schriften noch von
Predigern vorgegeben, sondern verdeutlicht die Ausweitung religiöser Ernährungsgebote durch den Zwang. Vor
diesem Hintergrund ist es zumindest hilfreich, wenn der
Behandelnde einige Kenntnisse über die Grundlagen der
Religion eines Betroffenen hat.
Hinsichtlich einer Konfrontationsbehandlung mit
angstauslösenden Situationen gilt es, weitere Besonderheiten zu beachten (z.B. Huppert & Siev, 2010). Eine
Exposition wird von einem Betroffenen u.U. als willentlich durchgeführte Gotteslästerung verstanden und
damit verständlicherweise abgelehnt. Gemeinsam müssen Therapeut und Betroffener ein Modell entwickeln,
das dabei hilft, zwischen dem willentlichen Begehen
einer sündigen Handlung und dem Eingehen von Risiken
zu unterscheiden. Das Ziel einer Konfrontationsbehandlung bei religiösen Zwangssymptomen besteht grundsätzlich darin, weniger Angst bei nicht zu vermeidenden
Risiken zu empfinden, ohne dabei tatsächlich eine sündhafte Handlung auszuführen. So kann etwa eine jüdi-
5
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sche Zwangspatienten befürchten, Milch- und Fleischprodukte versehentlich zu vermengen, so dass ihre
Familie nur wegen ihrer Nachlässigkeit eine religiöse
Verfehlung begeht, in dem sie diese Nahrung zu sich
nimmt. Eine Konfrontation im Rahmen der Behandlung
dieser Patientin sollte nicht darin bestehen, Milch- und
Fleischprodukte tatsächlich zu vermengen. Stattdessen sollte der Therapeut die Patientin anleiten, gezielt
unvermeidbare Risiken einzugehen, die aber nicht mit
einer sündigen Handlung gleichzusetzen sind. Einen
neuen und bisher unbenutzten Kochlöffel nach einmaligem Abspülen zur Zubereitung von Fleischprodukten
zu verwenden, wäre ein mögliches Vorgehen.
Für eine erfolgreiche Behandlung von Zwangspatienten, die unter inhaltlich religiösen Symptomen
leiden, benötigt ein Therapeut nicht unbedingt Spezialwissen einer bestimmten Religion. Vielmehr gilt es,
dem kulturell andersartigen Erleben des Patienten mit
Offenheit und Einfühlungsvermögen zu begegnen. Die
eigene kulturelle Gebundenheit und die damit verbundenen Grundannahmen über andere Kulturen sollten
kritisch hinterfragt werden. Dies kann als eine wichtige
Voraussetzung dafür angesehen werden, dem Patienten das Gefühl einer vorschnellen Verurteilung seines
Glaubens zu nehmen. Darüber hinaus ist es bedeutsam, kulturelle Einflüsse des sozialen Umfelds auf
die Symptome eines Betroffenen zu berücksichtigen.
Angehörige haben nur selten ausreichende Informationen über die Grundlagen einer religiösen Zwangserkrankung. Dies kann dazu führen, dass die zwanghafte
Ausführung religiöser Rituale (z.B. Gebete) von der
sozialen Bezugsgruppe oder religiösen Autoritäten
als besonders orthodoxes Verhalten verstanden wird
(Huppert & Siev, 2010). Diesem Verhalten wird dann
u.U. große Anerkennung entgegengebracht, wodurch
ein den Zwang aufrechterhaltender Prozess entsteht.
Möglichst früh im Behandlungsprozess sollten Therapeut und Betroffener in Absprache das nähere Umfeld
über das Krankheitsbild und das psychotherapeutische
Vorgehen aufklären.
Ausblick
Das Interesse der Wissenschaft an religiösen Einflussfaktoren in der Entstehung, Aufrechterhaltung und
dem Erscheinungsbild psychischer Erkrankungen hat
in den letzten Jahren zwar zugenommen, nach wie vor
besteht aber ein Mangel an geeigneten Untersuchungen. In Bezug auf Zwangserkrankungen kann diese
Situation als besonders kritisch beurteilt werden.
Gleichzeitig nimmt der Anteil an Zwangspatienten,
die ursprünglich aus anderen Kulturen stammten, seit
Jahren zu. Vor diesem Hintergrund ist eine Zunahme
an entsprechenden Untersuchungen nicht nur wünschenswert, sondern für eine erfolgreiche Behandlung
dieser Patienten notwendig.
Literatur
1Baumann, K. (2007). Zwangsstörungen und Religion aus heutiger Sicht. Fortschritte in Neurologie und Psychiatrie, 75, S.
587-592.
2Freud, S. (1907/ 2000). Zwangshandlungen und Religionsübung. In: A. Mitscherlich, A. Richards, & J. Strachey. Sigmund Freud: Studienausgabe, Band 7 (S.11-22). Frankfurt am
Main: Fischer.
3Huppert, J.D., & Siev, J. (2010). Treating scrupulosity in religious individuals using cognitive- behavioral therapy. Cognitive and Behavioral Practice, 17, 382-392.
4Negt, P. (2011). Einfluss von Religiosität und Kultur auf Zwangs­­erkrankungen. Unveröffentlichte B.Sc. Abschlussarbeit.
Philip Negt
B.Sc. Psychologie
[email protected]
PD Dr. phil. Susanne Fricke
Dipl.-Psych.
Lehmweg 27
20251 Hamburg
[email protected]
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Schlaf und Schlafstörungen – ein Überblick
TEIL 2
Thomas C. Wetter
Tagesschläfrigkeit – was kann sich hinter
diesem Symptom verbergen?
Ein häufiger Grund, einen Schlafspezialisten zu konsultieren, sind nicht nur gravierende Schlafstörungen,
sondern das Unvermögen, tagsüber über einen angemessenen Zeitraum wach zu bleiben. Kann ein anhaltender, selbst-verursachter Schlafmangel ausgeschlossen
werden, sind das Schlafapnoe-Syndrom und die Narkolepsie wichtige mögliche Ursachen für eine Tagesschläfrigkeit. Die Narkolepsie ist eine relativ seltene Erkrankung der Schlaf-Wach-Regulation, die durch plötzliche,
tagsüber auftretende «Schlafanfälle» sowie durch
einen kurzzeitigen Verlust der Muskelkraft in emotional
berührenden Situationen (Kataplexie) gekennzeichnet ist. Aus diesem Grund wird die Narkolepsie
gelegentlich als Epilepsie fehlgedeutet, so dass es
oftmals viele Jahre dauert, bis die korrekte Diagnose
gestellt wird. Bei Verdacht auf eine Narkolepsie ist es
ratsam, die Abklärung und Therapieeinleitung in einem
spezialisierten Schlafzentrum durchzuführen (Mayer
und Pollmächer, 2007).
Das Schlafapnoe-Syndrom: gefährliche
nächtliche Atempausen
Häufige Symptome des Schlafapnoe-Syndroms sind
lautes, unregelmässiges Schnarchen, vom Bett­partner
berichtete schlafbezogene Atempausen, s­ tarkes nächtliches Schwitzen, ein sehr unruhiger Schlaf, morgend­liche Kopfschmerzen sowie eine ausgeprägte Müdigkeit bzw. Schläfrigkeit tagsüber und Konzentrationsstörungen. Ursache der Atempausen, die in der Regel
10 bis 30 Sekunden oder länger andauern, ist eine
Verlegung der Atemwege während des Schlafes. Der
Patient ringt um Atem, durch die Anstrengung öffnen
sich die Luftwege ein wenig, so dass wieder etwas Luft
einströmen kann. Hierdurch wird ein plötzliches, nach
der Atempause sehr lautes Schnarchgeräusch verursacht. Dieser Vorgang kann sich sehr häufig in der
Nacht wiederholen, wobei jedes Mal der Schlaf kurzzeitig unterbrochen wird, was zur Müdigkeit tagsüber beiträgt. Ein schweres Schlafapnoe-Syndrom mit Tagesschläfrigkeit kann zu lebensbedrohlichen Situationen
führen, beispielsweise durch das ungewollte Einschlafen am Steuer («Sekundenschlaf»). Schlafbedingte
Atmungsstörungen finden sich oft in Verbindung mit
starkem Übergewicht und Bluthochdruck und können
langfristig zu Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems
führen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung der
Schlafapnoe (in der Regel mit einer sog. CPAP-Maske)
ist häufig hilfreich und auch in der Prävention möglicher Folgeerkrankungen wirksam (Buysse et al., 2010).
Wie entsteht «Schnarchen» und muss es
behandelt werden?
Schnarchen ist ein Geräusch, das durch das Vorbeiströmen der Luft an Unregelmässigkeiten und Engstellen
im Rachenraum und in der Luftröhre erzeugt wird. Es
kann sowohl beim Ein-, als auch beim Ausatmen entstehen. Schnarchen ist in der Regel ungefährlich und
in vielen Fällen besteht keine spezifische Behandlungsindikation, ausser wenn das Schnarchen mit häufigen
Weckreaktionen (sog. Arousals), einer Verengung der
Atemwege und einer erhöhten Tagesmüdigkeit einhergeht. In diesem Fall wird auch vom «obstruktiven»
Schnarchen gesprochen. Schnarchen kann auch der
erste Schritt zur Entwicklung einer Schlafapnoe sein.
Eine Gewichtszunahme, die Einnahme von Schlafmitteln oder Alkohol und alles, was zu einer weiteren
Verengung des Mund-Nasen-Rachenraumes und einer
Erschlaffung der Muskulatur im Halsbereich beiträgt,
kann zu einem behandlungsbedürftigen Schlafapnoe-Syndrom führen.
Restless-legs-Syndrom und periodische
Beinbewegungen im Schlaf
Das Restless-legs-Syndrom wird auch als «Syndrom
der unruhigen Beine» bezeichnet und kommt relativ
häufig vor, entweder familiär bedingt oder bei Eisenmangel, in der Schwangerschaft und einer Funktionsstörung der Niere. Frauen sind deutlich häufiger
betroffen als Männer, warum das so ist, konnte bisher
nicht geklärt werden. Die Patienten schildern – meist
erst auf konkrete Nachfrage – schwer beschreib-bare
Missempfindungen (häufig ein Kribbeln, Ziehen oder
Reissen, manchmal aber auch Schmerzen) meistens
in den Unterschenkeln, einen Bewegungsdrang in
Ruhe (also beim Liegen oder Sitzen) und eine deutliche Besserung der Beschwerden durch Bewegung.
Häufig besteht auch eine Zunahme der Symptome
am Abend bzw. in der Nacht. Ein- und Durchschlafstörungen sind daher eine sehr häufige Folge dieser
Erkrankung, in schweren Fällen können auch psychische Beeinträchtigungen wie depressive Verstimmungen auftreten. Häufig ist der Schlaf durch gleichzeitig auftretende periodische Beinbewegungen
gestört. Die Ursache dieser neurologischen Erkrankung ist bisher nicht vollständig aufgeklärt, geneti-
7
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sche Faktoren und Veränderungen im dopaminergen
Neurotransmittersystem des Gehirns scheinen aber
eine bedeutende Rolle zu spielen (Wetter, 2010). Ist
die Symptomatik sehr ausgeprägt, kann eine spezifische medikamentöse Behandlung eine deutliche
Besserung bewirken. Sind die Beschwerden jedoch
nicht sehr stark oder treten nur gelegentlich auf, kann
auf Medikamente verzichtet werden. Wichtig ist eine
vorhergehende Untersuchung im Hinblick auf den
Eisenstoffwechsel oder eine Nierenfunktionsstörung.
Bei einem Eisenmangel kann durch Substitution mit
einem Eisenpräparat eine Besserung erreicht werden
(Pollmächer und Wetter, 2011).
Periodische Beinbewegungen im Schlaf sind ein
weit verbreitetes Phänomen, dessen Bedeutung
noch unklar ist. Die meisten Menschen sind sich dieser Bewegungen nicht bewusst und wachen dabei
auch nicht auf, während bei anderen die Bewegungen den Schlaf stören. Viele Betroffene nehmen dabei
dieses Problem nicht wahr und klagen vielleicht über
Schlaflosigkeit oder Müdigkeit am Tage. Falls die
Beinbewegungen zu Schlafstörungen bzw. Tagesmüdigkeit führen, sollte ein Schlaflabor aufgesucht werden, um die klinische Wertigkeit zu untersuchen. Wird
die Person jedoch durch diese Zuckungen in ihrem
Schlaf bzw. Tagesbefindlichkeit nicht gestört, dann
muss der Bettpartner lernen, seinen Schlaf dadurch
nicht beeinträchtigen zu lassen (Wetter, 2010).
Schlafwandeln – ein paradoxer Bewusstseinszustand
Schlafwandeln, auch als Somnambulismus bezeichnet, ist ein Zustand veränderter Bewusstseinslage, in
dem Phänomene von Schlaf und Wachsein gleichzeitig auftreten. Schlafwandler verhalten sich so, als ob
sie wach wären, die Gehirnströme zeigen aber, dass
sich die betroffene Person im Tiefschlaf befindet.
Schlafwandeln beginnt häufig mit einem plötzlichen
Aufrichten im Bett, die Betroffenen schauen um sich
und machen einen verwirrten Eindruck. Entweder sie
legen sich dann wieder hin und schlafen weiter oder
sie stehen auf, verlassen das Bett und führen scheinbar sinnvolle, durchaus komplexe Handlungen durch.
Beispielsweise sind Patienten dazu in der Lage, sich
mit einer anderen Person - scheinbar vernünftig - zu
unterhalten oder sich Essen zuzubereiten. Schlafwandler können sich aber, weil sie ihre Umwelt nicht
bewusst wahrnehmen, einem erheblichen Verletzungsrisiko aussetzen: so kann es vorkommen, dass
sie nachts die Wohnung verlassen und auf die Strasse
gehen oder eine Tür mit einem Fenster verwechseln.
In Ausnahmefällen verhalten sich Schlafwandler auch
gereizt und aggressiv. Die meisten Schlafwandelepisoden dauern nur einige Sekunden bis wenige Minuten, selten wesentlich länger. Am nächsten Morgen
besteht meist keine Erinnerung an die Ereignisse
(Mahowald und Schenck, 2005).
Schlafwandeln tritt am häufigsten zwischen dem
4. und 8. Lebensjahr auf (etwa 15-20% aller Kinder
schlafwandeln einmal), deutlich seltener im Erwachsenenalter. Ursächlich für das häufige Auftreten im
Kindesalter wird eine noch nicht abgeschlossene
Reifung des Gehirnes angenommen, in der Regel
verlieren sich die Episoden mit dem Eintritt in die
Pubertät. Auslösend können Fieber, Schlafentzug und
emotionale Belastungsfaktoren sein. Im Erwachsenenalter können auch bestimmte Medikamente oder
nächtliche Atempausen Episoden von Schlafwandeln
auslösen. Meist ist keine medikamentöse Behandlung
notwendig. Im Vordergrund stehen Massnahmen zur
Sicherheit der betroffenen Person (z.B. Fenster und
Türen sichern), eine ruhige Begleitung zurück zum
Bett bzw. die Vermeidung von möglichen Auslösern
wie Schlafentzug oder unregelmässige Schlafzeiten.
Kommt es aber zu selbst- oder fremdgefährdenden
Handlungen, ist eine spezifische medikamentöse
Behandlung zu empfehlen (Pressman, 2007).
Polysomnographie
Die Polysomnographie ist ein diagnostisches Verfahren zur Untersuchung des Schlafes in einem Schlaflabor, in denen alle relevanten Parameter über eine
Nacht aufgezeichnet werden. Diese Registrierung ist
sicher und schmerzlos und wird in einem ruhigen
Raum durchgeführt. Zur Messung der notwendigen
Biosignale werden Sensoren am Kopf (Messung der
Gehirnströme), seitlich der Augen (Aufzeichnung der
Augenbewegungen) und über der Kinnmuskulatur
(Aufzeichnung der Muskelspannung) angebracht.
Zusätzlich werden die Atmungsbewegungen des
Brustkorbes und des Bauches, der Sauerstoffgehalt
des Blutes, die Herztätigkeit, die motorische Aktivität
der Extremitäten und weitere physiologische Werte
aufgezeichnet, die zur Diagnosestellung von Interesse sind. Häufig wird auch eine Videoaufzeichnung
durchgeführt, um besondere nächtliche Verhaltensweisen wie beispielsweise Schlafwandeln aufzuzeichnen (Wetter und Holsboer-Trachsler, 2011). Eine Polysomnographie kann bei Formen chronischer, bislang
therapieresistenter insomnischer Störungen indiziert
sein, um bislang nicht erkannte andere spezifische
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Schlafstörungen wie beispielsweise ein Schlafapnoe-Syndrom festzustellen (Littner et al., 2003; Deutsche Gesellschaft für Schlafmedizin, 2009) (Tabelle 2).
Eine wichtige Indikation ist die Differenzialdiagnostik
der Tagesschläfrigkeit, insbesondere bei Verdacht
auf Narkolepsie oder das Syndrom der periodischen
Beinbewegungen.
Nach den Aufzeichnungen im Schlaflabor muss
das Datenmaterial in Bezug auf die verschiedenen
Schlafphasen und pathologischen Faktoren ausgewertet werden. Das Gesamtbild aus den Ergebnissen
der Schlafableitung, der Krankengeschichte, dem
körperlichem Untersuchungsbefund und anderen
Labordaten ermöglicht dem schlafmedizinisch ausgebildeten Arzt, eine Diagnose zu stellen und eine
Behandlung zu empfehlen.
Hinweise zur Behandlung von Schlafstörungen
Wenn eine bestimmte Diagnose gestellt wurde, zielt
die Behandlung darauf ab, die Ursache zu behandeln.
Schwere Atmungsstörungen im Schlaf können durch
eine Atemmaske (CPAP-Therapie) wirksam behandelt
werden. Bei primären Insomnien sollte den nicht-medikamentösen Therapien der Vorzug gegeben werden. Eine Übersicht über diese Behandlungsformen
findet sich in Tabelle 3.
Klassische Schlafmittel (Benzodiazepine) bleiben
den Patienten vorbehalten, die eine schwere und dauerhafte Schlaflosigkeit entwickelt haben. Diese Medikamente sollten aufgrund ihrer Suchtgefährdung und
ihrer unerwünschten Wirkungen nur unter ärztlicher
Kontrolle, nicht längerfristig und vorzugsweise nicht
jede Nacht eingenommen und durch nicht-medikamentöse Behandlungsverfahren ergänzt werden
(Riemann und Hajak, 2009b). Die folgenden, relative
einfachen Empfehlungen und Massnahmen können
einen erholsamen Schlaf fördern:
• Halten Sie sich an regelmässige, individuell
angepasste Schlafens- und Aufstehzeiten.
• Seien Sie hinsichtlich eines Nickerchens konsequent: Schlafen Sie entweder jeden Nachmittag
oder gar nicht. Bei gelegentlichen Nachmittagsschläfchen hat man im Allgemeinen Schwierigkeiten, nachts einen guten Schlaf zu finden.
• Bringen Sie regelmässig am Morgen oder am
frühen Nachmittag ihren Kreislauf in Schwung,
aber vermeiden Sie anstrengende körperliche
Aktivität kurz vor dem Zubettgehen.
• Vermeiden Sie reichhaltige und schwer verdauliche Mahlzeiten vor dem Zubettgehen.
• Gehen Sie massvoll mit Genussmitteln um und
vermeiden Sie Koffein, Nikotin und Alkoholgenuss nach dem Abendessen. Ein Schlummertrunk stört den Ablauf des Schlafes mehr, als
dass er ihn fördert und kann für verfrühtes morgendliches Erwachen verantwortlich sein.
• Finden Sie für sich selbst die richtige Raumtemperatur heraus und achten Sie darauf, dass sie
in der Nacht konstant bleibt.
• Seien Sie vorsichtig im Umgang mit Schlaftabletten. Diese Medikamente sollten nur auf ärztliche Anordnung und kurzfristig eingenommen
werden. Ein längerer Gebrauch kann zu einer
zunehmenden Schlaflosigkeit oder auch zu einer
Abhängigkeit führen.
• Lassen Sie den Tag ausklingen und versuchen
Sie, sich zu entspannen, ehe Sie zu Bett gehen.
Nehmen Sie ein warmes Bad, lesen Sie ein
gutes Buch, hören Sie Musik und versuchen Sie,
gedankliche Stresssituationen zu vermeiden.
Und ganz wichtig: Denken Sie nicht zuviel über
den Schlaf nach.
Prof. Dr. med. Thomas C. Wetter, M.A.
Geschäftsführender Oberarzt
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
der Universität Regensburg
Universitätsstrasse 84
D-93053 Regensburg
+ 49 941 941 5068
[email protected]
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Tabelle 2
Hauptindikationen zur Polysomnographie bei Patienten mit Insomnie (Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, 2009)
• Schwere Insomnie mit signifikanter Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit im Sinne von
exzessiver Müdigkeit oder Schläfrigkeit.
• Therapieresistente Insomnie mit negativem
Behandlungserfolg über einen längeren Zeitraum.
• Verdacht auf spezifische Schlafstörungen bzw.
organisch bedingte Insomnie, vor allem Schlaf­
apnoe-Syndrom, Restless-legs-Syndrom, Syndrom periodischer Beinbewegungen, nächtlichen Herzrhythmusstörungen, Epilepsien etc.
• Insomnie in Verbindung mit Eigen- oder Fremdgefährdung in Folge von spezifischen Schlafstörungen, z. B. Schlafwandeln oder Verhaltensstörung im REM-Schlaf.
• Insomnie im Rahmen von erheblichen SchlafWach-Rhythmusstörungen (z.B. bei Schichtarbeit).
• Verdacht auf Fehlwahrnehmung des Schlafzustands: schwere subjektive Schlafstörung bei
fehlendem objektiven Anhalt (z. B. Diskrepanz
zur Aussage des Bettpartners).
• Hinweise auf mögliche Gefährdung beim Führen
von Fahrzeugen oder Maschinen.
Tabelle 3
Nicht-medikamentöse Therapien von Schlafstörungen
(nach Pollmächer und Wetter, 2011)
Relativiert Ängste vor der Schlafstörung und korrigiert Fehl-
Basisverfahren
Aufklärung und Beratung
vorstellungen über den Schlaf durch Information über die
Schlafregulation und mögliche Folgen der Erkrankung.
Schlafhygiene
Psychoedukatives Verfahren, bei dem über die reine Aufklärung hinaus Wissen über die Schlafregulation dazu eingesetzt wird einfache Verhaltensmodifikationen zu initiieren.
Verhaltenstherapeutische
Techniken
Stimuluskontrolle
Verstärkt und «purifiziert» die Rolle der Schlafumgebung
(Bett und Schlafzimmer) als Stimulus für den Schlaf.
Verbessert die Schlafeffizienz durch eine Erhöhung des
Schlafrestriktion
Schlafdrucks, was durch eine willentliche Beschränkung der
im Bett verbrachten Zeit (z.B. 5 Stunden) erreicht wird.
Durch die Instruktion wach zu bleiben werden erfolglose
Paradoxe Intention
Versuche einzuschlafen und das angstbesetzte Kognitionen
im Zusammenhang mit dem Einschlafen reduziert.
Hierzu gehören kognitive Umstrukturierung, Fokussierung,
Kognitive Techniken
Gedankenstopp, Desensibilisierung und andere Techniken,
die negative mit dem Schlaf assoziierte Gedanken in positive
verwandeln sollen.
Entspannungsverfahren
Progressive
Muskelrelaxation
Systematisches Entspannungsverfahren.
Autogenes Training
Systematisches Entspannungsverfahren.
Biofeedback
Yoga, Meditation
Psychotherapie im
engeren Sinne
Entspannung durch den Versuch biosignalgesteuerter zentralnervöser Rückkopplung.
Systematische Entspannungsverfahren
Änderung des Umgangs mit dem Schlaf durch Verände-
Verhaltenstherapie
rung unangepassten Verhaltens und Bearbeitung der Bedingungen, die Schlafstörung auslösenden und/oder unterhalten.
Interpersonelle
Psychotherapie
Bearbeitung der die
Schlafstörung aufrechterhaltenden
Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen
10
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Literatur
1Buysse DJ, Grunstein R, Horne J et al. (2010). Can an improvement in sleep positively impact on health? Sleep Med Rev
14, 405-410.
2Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin
(DGSM) (2009): Nicht-erholsamer Schlaf/Schlafstörungen (S3
Leitlinie). Somnologie 13; 4-160.
3Littner M, Hirshkowitz M, Kramer M et al. (2003). Practice
parameters for using polysomnography to evaluate insomnia: an update. Sleep 26, 754-60.
4
Mahowald MW, Schenck CH (2005). Insights from studying
human sleep disorders. Nature 347, 1279-1285.
5
Mayer G, Pollmächer T (2007). Narkolepsie - neue Chancen in
Diagnostik und Therapie. Thieme, Stuttgart.
6Pollmächer T (2010) Schlafstörungen. In: Möller HJ (Hrsg)
Lehrbuch der Psychiatrie und Psychotherapie, 4. Aufl. Springer Verlag, Heidelberg, 2010.
7Pollmächer T, Wetter TC (2011). Therapie von Schlafstörungen. In: Handbuch der Psychopharmakotherapie (Gründer G,
Benkert O, Hrsg.) Springer Verlag, Heidelberg.
8Pressman MR (2007). Factors that predispose, prime and precipitate NREM parasomnias in adults: clinical and forensic
implications. Sleep Med Rev 11, 5-30.
9Riemann D, Hajak G (2009b). Insomnien. II. Pharmakologische und pschotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten.
Nervenarzt 80, 1327-1340.
10Wetter TC (2010) Restless legs syndrome and periodic limb
movement disorder. In: Sleep Disorders in Neurology: A
practical approach (Overeem S, Reading P, Eds.), Wiley-Blackwell, Oxford.
11Wetter TC, Holsboer-Trachsler E (2011) Klinische physiologie
im Schlaf. In: Handbuch der Psychopharmakotherapie (Gründer G, Benkert O, Hrsg.) Springer Verlag, Heidelberg.
11
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Genau – perfekt – zwanghaft
Diagnose, Differentialdiagnostik und Therapie von Perfektionismus,
Zwangsstörungen und zwanghafter Persönlichkeitsstörung
Christine Poppe und Batya Licht
1. Von der Alltagsmarotte zum Zwang
Perfektionismus, Zwanghaftigkeit und Zwangsstörungen
gehören zu einem Verhaltensspektrum, das im gesunden Bereich beginnt und bei einer starken Ausprägung
zu psychischen und zwischenmenschlichen Beeinträchtigungen führen kann. Im Folgenden werden die Gemeinsamkeiten und Überschneidungen von Perfektionismus,
Zwanghafter Persönlichkeitsstörung und der Zwangstörung dargestellt, sowie auch behandlungsrelevante
Unterschiede zwischen den drei Störungsbildern skizziert
und therapeutische Ansätze vorgestellt.
2. Definitionen
2.1 Gut, besser, perfekt - Definition Perfektionismus
Unter Perfektionismus im Denken und Handeln wird ein
übergeordneter Persönlichkeitszug verstanden, der sich
auf verschiedene Lebensbereiche bezieht, und der an
und für sich noch nicht krankhaft sein muss. In einem
gewisses Mass kann Perfektionismus sogar hilfreich sein,
um wichtige eigene Ziele zu erreichen und die Anforderungen von Beruf und Gesellschaft zu erfüllen. Problematisch und klinisch bedeutsam wird es erst, wenn
überhöhte, perfektionistische Ziele den eigenen Wert
bestimmen. Ausgeprägte und wenig flexible perfektionistische Haltungen werden mit der Entstehung und
Aufrechterhaltung von psychischen Störungen in Verbindung gebracht. Dabei wird der Zusammenhang zwischen
Psychopathologie und Perfektionismus als ein Prozess
verstanden, der über die verschiedenen Erkrankungen
hinweg Auswirkungen zeigt. (Egan et al., 2011).
Es gibt verschiedene Ansätze, Perfektionismus zu definieren. Am gebräuchlichsten ist der Ansatz von Frost
et al. (1990). Die Autoren definieren Perfektionismus
mit 6 Faktoren: hohe persönliche Standards, ständiges
Besorgtsein über mögliche Fehler, Zweifel an der eigenen Leistung und ein hohes Mass an Strukturiertheit im
Alltag. Im Hintergrund finden sich häufig Erfahrungen
von hohen elterlichen Leistungsansprüchen und Kritik
bei Fehlern. Das Ausmass an Perfektionismus bezüglich
der drei ­Faktoren lässt sich messen mit Hilfe der Multidimensional Perfectionism Scale.
Die Motivationen perfektionistischen Denkens und
Handelns können unterschiedlich sein. (Hewitt & Flett,
1991). So können perfektionistische Ziele aus dem
Wunsch resultieren, den eigenen Selbstwert zu stabilisieren aus der Überzeugung heraus, sonst nichts wert
zu sein. Unter der Annahme hoher sozialer Erwartungen kann Perfektionismus dazu dienen, Anerkennung zu
erhalten und Kritik zu vermeiden. Unrealistisch hohe, perfektionistische Ansprüche können auch an andere gestellt
werden aufgrund der inneren Einstellung, dass dies so
richtig sei. Letzteres trifft am ehesten auf Menschen mit
zwanghafter Persönlichkeitsstörung zu. Auch bei Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen sowie Essstörungen werden perfektionistische Züge beschrieben.
Depressive Patienten neigen dazu, an sich selbst überhöhte Ansprüche zu stellen und gehen auch von übermässig hohen Erwartungen der Umwelt aus. Aufgrund
der Angst vor Kritik und Ablehnung ziehen sie sich zurück
und erhalten dadurch auch weniger soziale Unterstützung. Ausgeprägte perfektionistische Züge können den
Verlauf von Depressionen ungünstig beeinflussen.
Ein starkes Ausmass an Perfektionismus findet sich
auch bei Patienten mit Essstörungen, das sich bereits im
Vorfeld der Erkrankung wie auch nach deren Abklingen
nachweisen lässt. Die Patienten beurteilen sich selbst
ausschliesslich auf der Basis von unrealistischen Standards für Figur und Aussehen (Lethridge et al., 2011).
Zwischen Zwangsstörungen und Perfektionismus
besteht eine hohe Assoziation. So wollen Zwangspatienten ihre Rituale möglichst perfekt ausführen, um hundertprozentige Sicherheit zu erhalten. Sie vermeiden daher
Risiken und probieren wenig Neues aus.
Menschen, die sich in ihrem Selbstwerterleben von
Erfolg und Leistung abhängig machen, setzen sich
häufig unflexible Standards, an denen sie trotz negativer Konsequenzen festhalten (Shafran et al., 2010). Sie
sind beständig damit beschäftigt, die eigenen Leistungen zu kontrollieren, diese mit den Erfolgen anderer zu
vergleichen und sich bei anderen Rückversicherungen
einzuholen. Dabei beurteilen sie sich selbst mit einem
schwarz-weissen Denkmuster. Wenn es ihnen vorübergehend gelingt, die eigenen Standards zu erfüllen,
erleben sie dies nicht mit Zufriedenheit, sondern werten
den Erfolg ab, indem sie die Standards im nachhinein
erhöhen. Aus Angst zu versagen, vermeiden sie vielfach
notwendige Handlungsschritte. Dies führt genauso wie
das Nichterfüllen der Standards zu kontraproduktiven
Verhaltensweisen mit ausgeprägter Selbstkritik, Gefühlen von Scham und Schuld. Die eigenen Überzeugungen
und Ansprüche halten den Teufelskreis aufrecht (Abbildung 1).
Perfektionismus in diesem Sinne geht mit Kosten
einher und ist mit Gefühlen von Scham und Schuld bei
Nichterfüllen der eigenen Ansprüche verbunden. Die
Betroffenen befürchten Kritik und Ablehnung, ziehen sich
sozial zurück und können sich so weniger gut auf soziale Netzwerke abstützen. Perfektionistische Ansprüche
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können die Lebensqualität ungünstig beeinflussen und
die Möglichkeiten behindern, eigene Bedürfnisse zu realisieren. All dies kann bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung von psychischen Störungen eine Rolle spielen und sollte daher in der Behandlung berücksichtigt
werden. So versucht ein Patient mit einem hohen Mass
an Perfektionismus möglicherweise in der Therapie alles
recht zu machen und kann sich gleichzeitig nur schwer
auf die therapeutische Arbeitsbeziehung einlassen, da
er befürchtet den Erwartungen des Therapeuten nicht
zu genügen. Eine ausgeprägte perfektionistische Grundhaltung kann auch das gleichzeitige Vorkommen von
mehreren psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel
Essstörungen und Zwangsstörungen begünstigen.
2.2 Besser sicher als sich sorgen –
Definition Zwangsstörungen
Zwangsstörungen kommen mit einer Häufigkeit von
2-3% bei Frauen und Männer gleichermassen vor. Der
Beginn liegt meist in der Adoleszenz oder dem frühen
Erwachsenenalter.
Zwangsstörungen zeigen sich klinisch in wiederkehrenden Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, die
das emotionale Erleben und das Funktionieren im Alltag
einschränken.
Zwangsgedanken sind Ideen, Vorstellungen oder
Impulse, die sich dem Betroffenen gegen seinen Willen aufdrängen und ihn übermässig beschäftigen. Sie
werden als quälend oder sinnlos erlebt. Die Betroffenen
versuchen meist erfolglos, Widerstand zu leisten oder
die Gedanken zu unterdrücken. Häufig haben sie einen
aggressiven Inhalt oder befassen sich mit Verschmutzung und Ansteckung.
Zwangshandlungen sind ursprünglich zweckgerichtete Handlungsweisen wie etwa das Händewaschen, die
in ritualisierter Form einförmig wiederholt werden. Sie
werden weder als angenehm empfunden, noch dienen
sie dazu eine sinnvolle Aufgabe zu erfüllen. Die Betroffenen setzen sie ein, um eine innere Anspannung zu
reduzieren, einen vermeintlichen Schaden wieder gutzumachen oder ein Unheil in der Zukunft zu verhindern.
Am häufigsten sind Kontrollzwänge sowie Wasch- und
Putzzwänge. Weitere Zwangshandlungen sind Sammelzwänge, Symmetrie- und Ordnungszwänge und zwanghaftes Fragen.
Das kognitive Störungsmodell (Abbildung 2) erklärt
Zwangssymptome mit einer katastrophisierenden Fehlbewertung von an für sich normalen aufdringlichen
Gedanken des Bewusstseinstroms (Salkovskis 2009).
Während Gesunde diesen Gedanken in der Regel keine
Beachtung schenken, verbinden Zwangserkrankte
aufdringliche Gedanken mit einem übermässigen
Risiko, einer Gefahr für sich und andere und fühlen sich
für die Verhinderung dieses Risikos verantwortlich. Sie
erleben diese Gedanken mit innerer Unruhe, Angst und
Anspannung. Dies führt zum Versuch, die Gedanken zu
unterdrücken oder sich durch neutralisierende Verhaltensweisen, z.B.: durch Waschen oder Kontrollieren, zu
beruhigen. Die Erfahrung, dass dadurch die Anspannung abnimmt, führt dazu, dass sich die Auftrittswahrscheinlichkeit und die Fehlbewertung von Zwangsgedanken verstärken. Die Betroffenen greifen vermehrt auf
dysfunktionale Sicherheitsstrategien zurück, versuchen die Gedanken zu unterdrücken und vermeiden
auslösende Situationen. Dadurch können sie aber
nicht mehr überprüfen, ob die befürchteten Katastrophen eintreten oder nicht, so dass sich der Teufelskreis aus Angst und Kontrollen verstärkt. Die
negative Bewertung von Zwangsgedanken wird
mit einem übermässigen Verantwortungsgefühl
erklärt. Dazu kommen weitere kognitive Besonderheiten wie eine generelle Überschätzung von Gefahren, Perfektionismus, Intoleranz gegenüber Unsicherheit und der Versuch, die eigenen Gedanken zu
kontrollieren. Intrapsychisch dienen Zwänge meist der
Emotionsregulation und der Kompensation von Selbstwertproblemen. Die interpersonelle Funktionalität von
Zwängen liegt vor allem in der Regulierung von Nähe
und Distanz sowie sozialen Unsicherheiten.
Perfektionismus und Zwangsstörung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Perfektionismus bezieht sich bei Patienten mit
Zwangsstörungen in erster Linie auf die Ausführung
von konkreten Zwangshandlungen. Emotional erleben
die Patienten dann Angst und Anspannung. Patienten
mit Zwangsstörungen beschreiben dabei aufdringliche
Gedanken, die sie als wesensfremd für sich selbst erleben. Dies ist anders beim Perfektionismus. Perfektionismus wird als eigenes inneres Motiv wahrgenommen,
das zur Persönlichkeit dazugehört. Es kann durchaus
sein, dass ein Patient, sich selbst zwanghaften Waschritualen unterzieht beim Nachhausekommen wegen der
irrationalen Befürchtung, sich mit HIV zu infizieren, und
anderweitig die Reinigung seines Haushalts massiv
vernachlässigt, da ihm dies nicht relevant erscheint.
Häufig sind die Betroffenen jedoch auch von einer
generellen perfektionistischen Grundhaltung geprägt,
die alle Lebensbereiche betrifft und dann eher mit
Gefühlen von Scham und Schuld assoziiert ist. Diese
perfektionistische Grundhaltung kann sich ungünstig
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auf die Behandlung der Zwänge auswirken, die darauf
abzielt, risikofreudiger zu werden.
2.3 Hundertprozentig korrekt –
Definition Zwanghafte Persönlichkeitsstörung
Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung kommt bei ca. 2
bis 8% der Bevölkerung vor (Matusiewicz, 2010) und ist
somit eine der häufigsten Persönlichkeitsstörungen.
Das Diagnostische und Statistische Handbuch Psychischer Störungen der American Psychiatric Association, DSM IV, beschreibt die Störung treffend: Markant
ist ein tief greifendes Muster starker Beschäftigung mit
Ordnung, Perfektion und psychischer sowie zwischenmenschlicher Kontrolle auf Kosten von Flexibilität, Aufgeschlossenheit und Effizienz. Der Beginn der Störung
liegt oft im frühen Erwachsenenalter und sie zeigt sich
in verschiedenen Situationen. Mindestens vier der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
1.Die gestörte Person beschäftigt sich übermässig
mit Details, Regeln, Listen, Ordnung, Organisation
oder Plänen, sodass der wesentliche Gesichtspunkt
der Aktivität verloren geht;
2. zeigt einen Perfektionismus, der Aufgabenerfüllung
behindert (zum Beispiel kann ein Vorhaben nicht
beendet werden, da die eigenen überstrengen Normen nicht erfüllt werden);
3. verschreibt sich übermässig der Arbeit und Produktivität unter Ausschluss von Freizeitaktivitäten und
Freundschaften (nicht auf offensichtliche finanzielle
Notwendigkeit zurückzuführen);
4. ist übermässig gewissenhaft, skrupulös und rigide
in Fragen der Moral, Ethik und Werten (nicht auf kulturelle oder religiöse Orientierung zurückzuführen);
5.ist nicht in der Lage, verschlissene oder wertlose
Dinge wegzuwerfen, selbst wenn diese keinen
Gefühlswert besitzen;
6. delegiert nur widerwillig Aufgaben an andere oder
arbeitet nur ungern mit anderen zusammen, wenn
diese nicht genau die eigene Arbeitsweise übernehmen;
7. ist geizig sich selbst und anderen gegenüber, weil
Geld im Hinblick auf befürchtete künftige Katastrophen gehortet werden muss;
8. zeigt Rigidität und Halsstarrigkeit.
Obwohl die Störung klar definiert ist und häufig auftritt,
wird sie eher selten diagnostiziert und ungern behandelt.
Zwang und Zwanghafte Persönlichkeitsstörung:
Ähnlichkeiten und Unterschiede
Den beiden Störungen, Zwangsstörung und Zwanghafte Persönlichkeitsstörung, ist nicht nur der Name
gemeinsam. Beide sind auf der Verhaltensebene charakterisiert durch einen perfektionistischen Versuch,
Handlungen auszuführen. Ein Versuch, der nur mit
grosser Mühe sein Ende finden kann. Dieser Versuch
ist in beiden Fällen unterschiedlich, jedoch in beiden
Störungen verdammt er sich selber gerade durch seinen unflexiblen perfektionistischen Charakter zum
Scheitern. Bei der Zwangsstörung zeigt er sich in Form
endlosen Wiederholens eines exakt durchgeführten
Rituals, bei der Zwanghaften Persönlichkeitsstörung
verlieren sich die Betroffenen häufig in unwichtigen
Details oder unzählige Kontrollen. Das befriedigende
Beenden der Handlung tritt bei beiden Störungen erst
nach intensiver Mühe ein oder bleibt gar aus.
Trotz diesen Ähnlichkeiten unterscheiden sich die
beiden Störungen von einander erheblich. Bei der
Zwanghaften Persönlichkeitsstörung müssen keine
aufdringenden Gedanken auftreten, Rituale müssen nicht
unangemessen häufig wiederholt werden und die betroffene Person muss jenen gegenüber nicht bewusst Widerstand leisten. Ganz im Gegenteil: Die von der Zwanghaften Persönlichkeitsstörung Betroffenen erkennen sehr viel
Sinn hinter ihren Gedanken und Handlungen und wollen
denen keineswegs Widerstand leisten. Sie sind sogar
davon überzeugt, dass wenn alle dasselbe denken und
tun würden wie sie, alles korrekter und besser zu und her
gehen würde. Mit anderen Worten: Personen, die unter
einer Zwangsstörung leiden, erkennen in ihrer Störungdie Ursache ihres Leidens, während Personen, die von
der Zwanghaften Persönlichkeitsstörung betroffen sind,
in den Symptomen nicht die Ursache ihres Leidens erkennen. Mehr noch: Sie erkennen ihre rigiden perfektionistischen Strukturen nicht als Symptome, sondern als wünschenswerte Denk- und Handlungsmuster. Die Störung
ist also hochgradig Ich-synton. Der Grund für den eigenen
Leidensdruck wird häufig ausserhalb der eigenen Person
gesucht (die «anderen» sind daran schuld). Während
Personen mit Zwangsstörung eine Therapie aufsuchen,
um den Zwang los zu werden, suchen Personen, die unter
einer Zwanghaften Persönlichkeitsstörung leiden fast nie
Hilfe wegen dieser Störung. Falls sie überhaupt zu einer
Fachperson gehen ist es immer wegen den Folgen der
Störung: Am häufigsten sind es Depressionen, Konflikte
in der Familie, andauernde Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, psychosomatische Beschwerden und andere mehr.
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3. Behandlungsansätze
3.1 Behandlungsansätze Perfektionismus
Ausgeprägte perfektionistische Züge können sich
ungünstig auf die Behandlung von psychischen Störungen auswirken und die therapeutische Arbeitsbeziehung
ungünstig beeinflussen. In der Literatur werden therapeutische Strategien beschrieben in Zusammenhang mit
der Behandlung von Essstörungen, Angst und Depression (Shafran et al., 2010). Ein erster Schritt ist es, genau
zu erfassen, inwieweit der Betroffene seinen Selbstwert
vom Erreichen bestimmter Ziele abhängig macht, und
wie gut es ihm gelingt, seine persönlichen Standards
zu erreichen. Es gilt, mit dem Patienten gemeinsam zu
verstehen, warum er sich im Leben so hohe Ziele setzt
und mit welchem Nutzen bzw. welchen Kosten diese
verbunden sind. Dem können die Risiken und Chancen
flexibler Standards gegenübergestellt werden (Förderung von Veränderungsmotivation). Mit Hilfe von Selbstbeobachtungsprotokollen können Patienten analysieren,
in welchen Situationen sie sich überhöhte Standards
setzen, wie sie dabei vorgehen, welche aufrechterhaltenden Verhaltensweisen eine Rolle spielen und welche emotionalen Konsequenzen dies für sie hat. Ziel
der Behandlung ist es, nicht verantwortungslos oder
gar nachlässig zu handeln, sondern mehr Flexibilität im
Umgang mit den eigenen Standards zu entwickeln. Dazu
können Verhaltensexperimente eingesetzt werden, in
deren Rahmen die Betroffenen sich bewusst entscheiden, eine Aufgabe weniger perfekt zu lösen, um die
tatsächlichen Konsequenzen zu überprüfen. Gleichzeitig
geht es um die Veränderung von aufrechterhaltenden
Verhaltensweisen wie zum Beispiel das Vergleichen mit
anderen, das Einholen von Rückversicherungen, Detailversessenheit, die nachträgliche Erhöhung von Standards. Da der Perfektionismus häufig der Stabilisierung
des eigenen Selbstwerts dient, sollte daran gearbeitet
werden, die Selbstbeurteilung zu erweitern um andere
Aspekte als das Erreichen von Standards.
3.2 Behandlungsansätze Zwangsstörungen
In der Behandlung von Zwangsstörungen kommen
medikamentöse und psychotherapeutische Ansätze zum
Einsatz. Medikamentös werden moderne Antidepressiva
aus der Gruppe der Serotoninwiederaufnahmehemmer
in ausreichend hoher Dosierung über einen längeren
Zeitraum empfohlen.
Die am besten untersuchte psychotherapeutische
Methode bei Zwangsstörungen ist die kognitive Verhaltenstherapie mit Expositionstraining und Reaktionsmanagement. Ausgehend von der Annahme, dass Zwangs-
störungen ihren Ursprung in der katastrophisierenden
Fehlbewertung von normalen aufdringlichen Gedanken
des Bewusstseinsstroms nehmen, zielt die kognitive
Verhaltenstherapie auf eine Auseinandersetzung mit
den zugrunde liegenden Überzeugungen. Störungsspezifische Methoden wie Exposition mit Reaktionsmanagement sowie bestimmte kognitive Techniken werden
eingesetzt, um eine neue, weniger belastende Sichtweise
zu entwickeln und die Erfahrung zu machen, dass bislang zwangsauslösende Situationen zu bewältigen sind.
In Anbetracht einer meist ausgeprägten Vermeidungshaltung ist es dabei wichtig, die Patienten zu einer aktiveren Herangehensweise im Umgang mit zwangsbesetzten
Situationen und anderen Lebensaufgaben zu motivieren.
Parallel werden Funktionalität und weitere Problembereiche bearbeitet.
3.3 Behandlungsansätze Zwanghaften
Persönlichkeitsstörung
Da Menschen, die unter Zwanghafter Persönlichkeitsstörung leiden, eine Therapie meist wegen einer aktuellen
Folgeschwierigkeit aufsuchen, wird diese Schwierigkeit
zuerst behandelt. Ist die Krise überwunden, soll im Sinne
einer Rückfallprophylaxe die Zwanghafte Persönlichkeitsstörung angegangen werden.
Die Therapie der Zwanghaften Persönlichkeitsstörung unterscheidet sich wesentlich von derjenigen der
Zwangsstörung: Es gibt hierfür weder Medikamente
noch nützen Expositionen mit Reaktionsmanagement.
Die Therapie der Zwanghaften Persönlichkeitsstörung gilt als schwierig. Bisher hat sich keine spezifische
Methode als die Therapie der ersten Wahl etablieren
können. Die erste Schwierigkeit liegt bereits darin, dass
die meisten Betroffenen auf ihre rigiden Vorstellungen
gar nicht verzichten wollen. Dies muss der Therapeut
berücksichtigen. Bei der Behandlung werden die rigiden Einstellungen des Patienten nicht in Frage gestellt,
sondern akzeptiert. Das Ziel der Therapie ist nicht eine
Überzeugungsarbeit zu leisten, um so die Person zu
ändern. Das Wohlbefinden des Patienten und seiner
Umwelt sind die Ziele der Therapie. Da dies ohne eine
tolerantere und flexiblere Einstellung schwer zu erreichen
ist, ergibt sich häufig das Ziel, der behandelten Person zu
ermöglichen sich sicher genug zu fühlen und das Repertoire von für die Betroffenen spürbaren Gefühlen und
möglichen Handlungsvarianten so zu erweitern, dass die
rigide Starrheit und der Perfektionismus sich erübrigen
werden.
Manchmal jedoch wollen die Patienten ihre Einstellungen ändern. Sie sind bereits vor der Therapie oder
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während der Therapie zur Einsicht gekommen, dass ihre
Denk- und Handelsweise dysfunktional ist und sind sich
deren Nachteile bewusst. Sobald dies der Fall ist, erleichtert sich der Therapieprozess erheblich. Dies tritt häufig
auf, wenn die Behandlung der Zwanghaften Persönlichkeitsstörung einer Achse-I-Störung folgt, wie beispielsweise einer depressiven Krise. Ist dies nicht der Fall, so
stellt das Erlangen der Einsicht eines der wichtigsten
Ziele der Therapie dar.
Für das Vorgehen stehen dem Therapeuten mehrere
Vorgehensweisen zur Verfügung. Diese entstammen den
unterschiedlichen Therapieschulen, wie beispielsweise
den kognitiven Verhaltenstherapieschulen (z.b. Hoffmann und Hofmann, 2010), den psychodynamischen
Schulen (z.B. Smith Benjamin, 2001) oder der Psychologischen Psychotherapie (Sachse, 2004). Ihnen allen
ist gemeinsam, dass sie einen längeren Prozess bedeuten und meist im ambulanten Setting stattfinden. Nur
wenige plädieren dafür die eigentlichen Überzeugengen der Betroffenen direkt ändern zu wollen (im Sinne
von kognitiver Umstrukturierung nach Beck, 1999/1990),
doch einige Autoren, die dafür sprechen (z.B. Hoffmann
und Hofmann, 2010) unterstreichen, dass dies nur für
spezifische, vom Patient selbst genau definierten Ziele
gemacht werden kann und auch dann sehr vorsichtig,
also als eine Einladung für ein Experiment, das jederzeit
rückgängig gemacht werden kann. Grund hierfür ist zum
einen die häufig fehlende Einsicht des Patienten, dass
seine Denkart dysfunktional sein könnte. Zum anderen
scheint nicht primär der Inhalt der Gedanken problematisch zu sein, sondern deren Form: die detailfixierte,
emotionsdistanzierte Form. Diese scheinen die charakteristischen Probleme der Betroffenen zu befestigen. Deshalb schlagen andere Autoren (z.B. Sachse, 2004; Smith
Benjamin, 2001) ein modulares Vorgehen vor, welches
eine sehr durchdachte Beziehungsgestaltung einerseits
verlangt und andererseits von mehreren Stufen ausgeht. Trotz der unterschiedlichen konkreten Vorschlägen scheinen verschiedene Autoren sich darüber einig
zu sein, dass zunächst rationale Lösungen für konkrete
Probleme angeboten werden, erst danach und sehr vorsichtig Annäherung an eigenen Emotionen und Bedürfnissen des Patienten erzielt werden, wobei die eigene
Biographie und die daraus resultierenden Schemata
ebenfalls im Laufe der fortschreitenden Therapie bearbeitet werden sollen. Eine Stärkung des Selbstwertes,
Befreiung von der nagenden Schuldfrage und Üben von
Emotionsregulationsfähigkeiten bezüglich Ärgers scheinen uns, unter anderen, sinnvolle Ergänzungen zu sein.
Mit welchem Thema angefangen und in welchem Setting
gearbeitet wird (Sachse zum Beispiel empfiehlt Einzelsetting, Smith Benjamin z.B. spricht für die Vorteile des
Paarsettings) soll der Therapeut in jedem Fall individuell,
je nach den Leidensschwerpunkten und Ressourcen der
betroffenen Person, entscheiden.
Kann der Patient sich leichter entspannen und dadurch
auch Handlungen besser abschliessen sowie mit sich und
anderen grosszügiger umgehen, spürt er wieder etwas
häufiger Lebensfreude und berichtet von Erhöhung des
Wohlbefindens, so sind die häufigsten Ziele der Therapie einer Person mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung
erreicht.
4. Zusammenfassung
Im Sinne einer Zusammenfassung werden in der untenstehenden Tabelle die wichtigsten Unterschiede und
Gemeinsamkeiten zwischen Perfektionismus, Zwang und
Zwanghafter Persönlichkeitsstörung dargestellt.
Dr. med. Christine Poppe
Chefärztin Psychotherapie
[email protected]
Dr. phil. Batya Licht
Spezialsprechstunde Zwangsstörungen
[email protected]
Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Sanatorium Kilchberg
Alte Landstrasse 70–84
8802 Kilchberg
Tel. +41 44 716 42 42
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Perfektionismus
Hohe Ansprüche an sich sel-
Symptome
Subjektives Erlebnis
ber. Frustration und Selbstkritik beim Nicht-Erreichen
Kampf mit sich selber
Zwanghafte
Persönlichkeits-Störung
Zwang
Rituale oder unaufhörliche
unerwünschte Gedanken
Emotion/Motivation
Bedrohung für den Selbst-
Sehr sinnvoll.
lierbarer Impuls
Alle sollten so sein!
Depression, Psychosomatik,
Angst, Anspannung
Depression, Essstörungen,
Zwang
Depression, Psychosomatik,
Zwang
Sucht, Beziehungsprobleme,
Psychosoziale Probleme, u.a.
Realistische
Nachteile (bzgl. Lebensquali-
Behandlung
tät) klar machen, Selbstwert
bzw. Selbstakzeptanz stärken
Sucht, Beziehungsprobleme,
Psychosoziale Probleme, u.a.
wert
Häufige BehandlungsGründe
mit Ordnung, Listen, Details,
Kontrolle
z.T. nicht sinnvoll, unkontrol-
Scham und Schuld bei Versagen, Angst vor Ablehnung,
Rigide Regeln, Beschäftigung
Einschätzung
von Gefahr, Förderung von
Nachteile (bzgl. Lebensqua-
Risikobereitschaft, Aufgabe
lität) klar machen, Flexibler
von Vermeidungsverhalten
Umgang mit Regeln, Mehr
und Förderung einer generell
Genuss, Entspanntheit und
aktiveren Herangehensweise
Lebensfreude
an das Leben
Literatur
1Beck, A. T., Freemann, A. er al. (1999/1990). Kognitive Therapie der Persönlichkeitsstörungen. Weinheim: Psychologie
Verlagsunion.
2Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen. DSM-IV, 4. Auflage. (2003/1994). Herausgegeben von der
American Psychiatric Association. Göttingen: Hogrefe.
8Matusiewicz, A. K., Hopwood, C. J., Banducci, A., Lejuez, C.W.
(2010) The Effectiveness of Cognitive Behavioral Therapy for
Personality Disorders. The Psychiatric clinics of North America, 3(3): 657-685.
9Sachse, R. (2004). Persönlichkeitsstörungen. Leitfaden für die
Psychologische Psychotherapie. Göttingen: Hogrefe.
3Egan, S. J., Wade, T. D., Shafran R. (2011) Perfectionism as a
transdiagnostic process: A clinical review. Clinical Psychology
Review, 31, 203-212.
10Salkovskis, P. (1999). Understanding and treating obsessive
compulsive disorder. Behaviour Research and Therapy, 37 (8):
771-781.
4
rost, R. O., Marten, P., Lahart, C., Rosenblate, R. (1990) The
F
dimensions of perfectionism. Cognitive Therapy and Research, 14, 449-468.
11
5
Hewitt, P. L., Flett G. L. (1991). Perfectionism in the seolf and
social contexts: Conceptualization, assessment and association with psychopathology. Journal of Personality and Social
Psychology, 60, 456-470.
12Smith Benjamin, L. (2001/1996). Die Interpersonelle Diagnose
und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen. .München:
CIP-Medien-Verlag.
hafran, R., Egan, S. J., Wade, T. D. (2010) Overcoming perS
fectionism: A self-help guide using cognitive-behavoural
techniques. London, UK; Constable & Robinson.
6Hoffmann, N. und Hofmann, B. (2010). Zwanghafte Persönlichkeitsstörung und Zwangserkrankungen: Therapie und
Selbsthilfe. Berlin: Springer Verlag.
7Lethbridge J., Watson H. J., Egan S. J., Street H., Nathan P. R.
(2011) The role of perfectionism, dichotomous thinking, shape
and weight overevaluation, and conditional goal setting in
eating disorders. Eating Behaviours, 12, 200-2006.
17
N ewsletter 0 2 · 1 2
Abb. 1
Kogni&ves odell von klinisch bPerfektionismus
edeutsamen Perfek&onismus Kognitives
ModellM
von
klinisch
bedeutsamen
Shafran,
Egan
andaWade,
2010
Shafran, Egan nd Wade, 2010 Abhängigkeit des Selbstwerts von Erfolg und Leistung Unflexible Standards Gedankliche Verzerrungen Vorübergehendes Erreichen der Ziele Erfolgsorien&ertes Verhalten Nichterreichen der Standards Neubewertung der Standards als ungenügend Abb. 2
Kognitiv-behaviorales
Modell von Zwangsstörungen
Kognitiv-behaviorales
Modell von
Salkovskis,
19991999
Salkovskis,
Vermeidung, Standards zu erreichen Selbstkri&k und kontraproduk&ves Verhalten Zwangsstörungen
Salkovskis et al., 1999 Frühe Erfahrungen Kri7sche Ereignisse (Vulnerabilität für Zwang) (Auslöser des Zwangs) Grundannahmen, generelle Überzeugungen (Perfek&onismus, übermässige Verantwortung Intoleranz von Fehlern) Aufdringliche Gedanken, Bilder, Impulse, Zweifel Neutralisieren (Rituale, Rückversichern, Argumen&eren) Dysfunk7onale Sicherheitsstrategien Gedankenunterdrückung, Vermeidung Fehlbewertung der Bedeutung der aufdringlichen Gedanken (Schadensvermeidung, Unvollständigkeitsgefühle) Aufmerksamkeits-­‐ fokussierung (Suche nach Gefahr) Unbehagen (Stress, Angst, Depression) 18
N ewsletter 0 2 · 1 2
Natur – Heilung – FreiSein
Im Jahre 2005 haben sich meine Ideen und Visionen in Oaxaca, México, zum ersten Mal bemerkbar
gemacht. Ich lernte meinen lieben Freund Igor kennen, welcher schon seit Jahren an starken Zwängen
leidet, auch heute noch. Ich fragte mich damals: «Wie
kann ich ihm beistehen?» Heute weiss ich, dass man
den Menschen am besten hilft, indem man zuallererst
auf sich selbst achtet, sich von ganzem Herzen liebt
und an sich glaubt. Heute, 7 wichtige Lehrjahre später, sind meine Ideen und Visionen immer noch mein
Herzblut, mein Antrieb.
Es war an einem schönen Maitag im Jahre 2009,
kurz nachdem ich von meinem Sprachaufenthalt in
Barcelona zurückkehrte. Wieder einmal gedachte ich
all der Kraft der Natur, ihrer Schönheit, und wie sie
mir geholfen hatte, meine Zwänge zu lindern, viele
schwierige Lebensabschnitte zu meistern, meine
Magersucht und meine Depressionen zu überstehen.
Sie half mir zu überleben. Oft sagten mir die Menschen, dass ich wegen meinen Zwängen doch so viel
im Leben verpasst hätte. Diese Aussage überraschte
mich immer wieder. Ich war und bin unendlich dankbar, für all das, was ich in meinem Leben erleben
durfte und jeden Tag erleben darf und ich spürte
immer genau, dass meine Zwänge mir helfen werden. Heute bin ich mir bewusst, bei was sie mir geholfen haben: Ich durfte mich selbst wieder kennen und
lieben lernen. Auch wenn mein Leben mit den Zwängen sehr mühsam und anstrengend war, so glaube
ich, habe ich mein Leben intensiver erlebt, als manch
ein anderer Mensch, für den es normal ist, sein Leben
frei zu leben. So spürte ich für mich auch immer: «…
Wenn du deine Zwänge überwinden und wieder frei
leben kannst, dann kannst du den Menschen Hoffnung geben, die heute noch an dieser Krankheit leiden, du wirst sie begleiten können.»
Meine Mutter und ich waren also wieder einmal in
den Bergen unterwegs, und auf einmal wusste ich
genau, was ich in meinem Leben machen will: Meine
Ideen und Visionen nahmen konkrete Formen an und
ich spürte, wie ich die Menschen mit Zwängen auf
ihrem Weg zu ihrem freien Sein begleiten wollte und
könnte:
• Ich bin sehr dankbar dafür, dass meine Mutter
immer und immer wieder in ihrem Auto vor
meiner Wohnung auf mich gewartet und mich
zum Wandern und zum Spazieren men hat, auch
wenn ich sie jedes Mal draussen warten liess…
• Auch ich freue mich darauf, den Menschen die
Hand zu reichen, um mit ihnen in die Natur zu
gehen, einfach zu laufen und zu reden: Ich kann
damit das weitergeben, was mir geholfen hat.
• Spaziergänge und kleine Wanderungen können
wir zu zweit, aber auch in kleineren Gruppen mit
anderen Betroffenen oder Familienangehörigen
unternehmen.
• Gerne begleite ich Menschen auch in Form von
Mail- und Telefonkontakt oder besuche Betroffene bei sich zu Hause.
Heute also, viele Prozesse später, da schreibe ich
diesen Artikel, um meine Ideen und Visionen, das,
was ich anbiete, vorzustellen. Das ist ein grosses
Geschenk für mich.
Im Moment arbeite ich an meinem ersten Buch und
werde – wenn der Zeitpunkt dafür gekommen ist – mit
Vorträgen starten.
Ich wünsche jedem Betroffenen, dass er sich auf seine
Talente besinnt und an sich und seine Freiheit glaubt,
auch wenn die Zwänge noch wirken. Vertraut auf eure
ureigenen Prozesse, lasst sie zu, glaubt daran, dass
sich alles auch wieder verändern kann und tut, auch
wenn vermeintlich «nichts oder nichts schnell genug
geschieht». Seid es euch Wert und liebt euch, vor
allem dann, wenn es einmal wieder anstrengender
ist und nicht so rund läuft.
19
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Oft fragten mich die Menschen, ob ich denn noch
eine Ausbildung machen müsse oder wolle, um mich
selbstständig machen zu können. Darauf antwortete
ich jedes Mal, dass ich die Zwänge stolze 15 Jahre
von Grund auf studiert habe, vor allem aber den Weg
zur Freiheit. Ich finde es wunderbar, was die Wissenschaft, Psychologen und Ärzte für Arbeit leisten,
wie sie den Menschen mit Zwängen auf ihre Art und
Weise helfen. Ich für meinen Teil jedoch wollte es
immer selber raus aus meinen Zwängen schaffen, die
Natur war und ist das, was mich erdet und mir hilft.
Und es ist diese Kraft, die ich den Menschen gerne
näher bringen will. Das, was ich vorweisen kann, bin
ich und meine Erfahrung.
Prozesse brauchen Zeit, auch die Veränderungen,
und viele Schritte erfordern sehr viel Mut. Es ist oft
schwierig und beängstigend, aber auch so enorm
wichtig, einfach zu versuchen, seinen Prozess
zuzulassen, sich fallen zu lassen und damit Stück für
Stück wieder zu sich selbst zu finden. Es kommt der
Zeitpunkt im Leben, indem man versteht, dass man
die Wahl hat und mehr als seine Zwänge ist. Man
ist auch Liebe und Vertrauen, Glaube und Mut. Man
merkt, dass man sich jeden Tag neu ausrichten und
das Leben auch wieder geniessen kann. Die Veränderungen, die die Wunder vollbringen, beginnen
im vermeintlich Kleinen, auf dem Weg zu sich und
seinem Herzen. Plötzlich ist man es sich wert und
man merkt, dass die Zwänge ruhen.
Gemeinsam dem Zwang begegnen
Trialog Zwangserkrankung
Betroffene, Angehörige und Fachleute haben je
unterschiedliche Sichtweisen auf eine Zwangserkrankung, deren Behandlung, auf Schwierigkeiten
und Chancen. Dieser Trialog ist eine Veranstaltungsreihe, welche Betroffenen, Angehörigen und Fachpersonen die Möglichkeit bietet, sich auszutauschen,
Erfahrungen zu sammeln und Wissen weiter zu
geben. Ziel ist das bessere Verstehen der Zwangserkrankung und die Förderung des gegenseitigen
Verständnisses.
Die Grundlage des Trialogs ist ein gleichberechtigter
­Diskurs. Die Treffen werden moderiert, haben aber kei­
nen – im herkömmlichen Sinn – therapeutischen Charakter. Sie finden ab Mitte Januar 2013 alle 2 Wochen,
­jeweils am Donnerstagabend von 19:00–21:00 statt.
Infos und Anmeldung:
selbsthilfecenter.ch, [email protected],
Tel. 043 288 88 88
Dieses Angebot entstand durch die Zusammenarbeit von Zwangsbetroffenen und Angehörigen, Pro Mente Sana und selbsthilfecenter.ch.
Das Leben ist ein Prozess, und darf auch als solcher
verstanden werden.
Ich freue mich sehr darauf, Sie kennen zu lernen…
Michèle Kälin
044 687 65 11
[email protected]
www.nhfs.ch
20
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Zwänge aus Sicht einer Angehörigen
Gy. Derzsi
Fast jeder kennt harmlose Zwänge aus dem Alltag.
Manchmal sind sie sogar nützlich. Doch eine Zwangsneurose kann das Leben zur Hölle machen. Die
meisten Betroffenen fallen nicht einmal in der
Familie auf. Und das, obgleich diese Störung eine
unheilvolle Konsequenz hat: Zuerst wird die Lebensqualität beeinträchtigt, dann folgen Probleme in Partnerschaft, Familie, Beruf; zuletzt drohen Rückzug,
Isolation und weitere psychiatrische Erkrankungen.
Als enge Bekannte einer Betroffenen, möchte ich
aus der Sicht einer Fachperson und Angehörigen
über ihr Schicksal berichten:
Lea ist 59 Jahre alt und leidet seit 45 Jahren unter
Kontrollzwängen, Wiederholungszwängen, Zähl-,
Sammel- und Aufbewahrungszwänge und konnte sie
nicht behandeln lassen, weil sie immer Angst hatte
zum Arzt zu gehen. Sie verheimlichte ihre Probleme
aus Angst, Scham, Resignation und Hoffnungslosigkeit auch in der Familie. Heute bin ich noch die einzige Person die zu ihr Kontakt hat. Selten akzeptiert
sie mich zu treffen, um über ihre Zwänge zu sprechen.
Lea ist in einer wohlhabenden Familie aufgewachsen und schon als Baby war sie von einerKinderkrankenschwester gepflegt damit die Mutter nicht
belastet wurde. Ihre Betreuerin litt unter Asthma und
bereits als 3 Jährige hatte Lea riesige Angst, dass
ihre Betreuerin ersticken könnte. Auch gab es immer
grosse Spannungen zwischen den Eltern, das machte
ihr täglich Angst. Obwohl Lea von ihren Geschwistern
sehr verwöhnt war, ihr Leben beherrschte die Angst.
In der Ausbildungszeit wohnte sie alleine und
erschien zu spät in der Schule, weil sie mehr als nötig
die Haustür, Herd, Licht, Strom usw. kontrollierte sie dachte es gehört zu ihr. Ihre Lehrerin bemerkte,
dass Lea oft unkonzentriert und freudlos war, helfen
konnte sie nicht. Lea hatte Angst, dass Schularbeiten
oder Hausaufgaben nicht korrekt erledigt waren und
musste alles immer wieder wiederholen und dies
erschöpfte sie. Später kündigte Lea selber ihre erste
Stelle weil sie merkte, dass sie psychische Probleme
hatte und ihr war bewusst, dass sie nicht als Lehrerin
arbeiten konnte. Auch bei folgenden Stellen erging
es ihr ähnlich. In der Familie wurde sie nicht gefragt
warum sie kündigte, das verletzte sie.
In einer Partnerschaft war Sie etwas glücklicher
aber sie verspätete sich immer wieder wegen ihrer
Kontrollzwänge. So endete ihre Beziehung wegen
der Zwänge und das hat sie noch mehr verunsichert.
Als sie endlich zur Psychotherapie ging, erwähnte
sie ihre Zwänge nie weil sie dachte sie brauche diese
Handlungen, und nicht wusste dass Zwänge eine
Krankheit sind. Sie sprach nur über ihre Ängste und
über ihre Familie. Da die Therapie nicht half hörte
sie wieder auf. Schliesslich las sie zufällig einen
Artikel über Zwänge und ihr wurde bewusst, dass
ihre Gedanken und Handlungen die zeitraubend, zermürbend, beschämend, seelisch beeinträchtigend
und körperlich belastend waren eine Zwangsstörung
sind. Statt zu diesem Zeitpunkt aktiv Hilfe zu suchen,
begann sie im Frust viele Sachen zu kaufen, und
eines Tages merkte sie, dass sie alles sammelte,
aufbewahrte und nichts entsorgen konnte. Heute ist
ihre Wohnung vollgestopft, sie hat kaum ein Weg
sich in der Wohnung zu bewegen.
Gelegentlich schenke ich Ihr Fachbücher (Verhaltenstherapie, Kognitive Verhaltenstherapie bei Zwangsstörungen usw.) die sie schwer akzeptieren kann. Ich
habe ihr diplomatisch vorgeschlagen mit ihr zum Arzt
zu gehen und versucht sie über moderne Medizin und
über Therapiearten aufzuklären. Seit dem sagt sie,
habe Sie auch Angst vor mir. Wie es weiter gehen
soll? Das macht mir die grössten Sorgen.
21
IE:
S
MSc.,
M.
hsler
N ewsletter 0 2 · 1 2
I m p r e s s u m
Vorstand
PD Dr. med. Michael Rufer (Präsident)
FORSCHUNGSSTUDIE:
GRUNDLAGEN VON ZWANGSSTÖRUNG UND ADHS
IM JUGEND- UND ERWACHSENENALTER
FÜR UNSERE STUDIE SUCHEN WIR:
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Susanne Walitza (Vizepräsidentin)
Liebe StudieninteressentInnen, liebe Familien, liebe Jugendliche
Dr. med. Christine Poppe (Past Präsidentin)
Trotz intensiver Forschung, ist das heutige Wissen über die Ursachen von Zwangsstörung und von
Corinna
Constantin Brenni (Kassier)
Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung
(ADHS) leider noch sehr beschränkt. Bildgebende Verfahren
wie Hirnstrommessungen und Magnetresonanztomographie geben uns aber einen Einblick in die Funk-
Dr.
Steffi
Newsletter)
tionmed.
des Hirns.
Nur Weidt
wenn wir(Editorin
die entwicklungsbedingten
Änderungen der Hirnfunktion und der Hirnnetzwerke bei gesunden Jugendlichen verstehen, können wir auch Veränderungen bei Patienten erPD
Dr. med. Wolfram Kawohl
kennen. Aus diesem Grunde untersuchen wir nicht nur Patienten sondern auch gesunde Jugendliche
und Erwachsene.
Heidi
MauererDie Vergleiche der Hirnfunktion zwischen verschiedenen Patientengruppen bzw. zwischen Patienten und gesunden Probanden zeigen uns dann, welche Funktionen und Netzwerke betrof-
 Jugendliche im Alter von 12-16 Jahren
fen sind.
Petra
Bürgi
 Erwachsene im Alter von 21-45 Jahren
Lilo
Schmidli
sachen,
wie z.B. Gene bei beiden Störungen eine wichtige Rolle spielen. Die Suche nach Genen, die als
 Jugendliche mit ADHS (12-16 Jahre)
Herausgeber
Unsere Methoden:
 Jugendliche und Erwachsene, die unter
Wegen der Häufung von Zwangsstörungen und ADHS in Familien weiss man, dass auch biologische UrUrsache der beiden Störungen in Frage kommen, ist uns ein besonderes Anliegen.
Zur Messung der Hirnfunktion verwenden wir zwei Methoden: die Hirnstrommessung (ElektroenzephaSchweizerische
Gesellschaft für Zwangsstörungen
lographie: EEG) und die (funktionelle) Magnetresonanztomographie (MRT). Beide Methoden sind
Zwangs-Handlungen und/oder -Gedanken
schmerzfrei
und völlig
ungefährlich.
Fürobsessionnels
die MRT wird keine gefährliche
Strahlung verwendet. ZusätzSociété
Suisse
des
troubles
compulsifs
leiden (Alter 12-16 Jahre oder 21-45 Jahre)
Società Svizzera per i disturbi ossessivi-compulsivi
lich sammeln wir eine Speichelprobe, um die Rolle der Gene zu untersuchen.
Zeitaufwand:
Zuerst überprüfen wir in einer Vorabklärung Ihre Eignung für die Studie. Nachfolgend nehmen Sie an
Redaktion
zwei Terminen innerhalb von einem Monat teil. In der ersten Sitzung werden Sie einige Tests zu Aufmerksamkeit, Lernen und allgemeinen Fertigkeiten machen.
KONTAKT
Dr.
Steffi
Weidt
Beimed.
der zweiten
Sitzung
wird die EEG-MRT-Messung durchgeführt. Dabei werden Sie mit einer EEGKappe im MRT Gerät liegen und zwei Aufgaben zur Aufmerksamkeit und Lernen lösen.
Layout
Wenn Sie oder Ihr Kind an ADHS oder Zwängen erkrankt sind, erhalten Sie innerhalb der Studie eine
Universitätsklinik, Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst des Kantons Zürich
Neumünsterallee 9
8032 Zürich
Telefon: 043 556 40 64
Email: [email protected]
Studienkoordination:
lic. phil. Tobias Hauser, Reto Iannaccone MSc.,
Dr. Juliane Ball
Studienleitung
Prof. Dr. S. Walitza, Dr. S. Brem, PD Dr. M.
Rufer, Prof. Dr. D. Brandeis, Dr. R. Drechsler
ausführliche Abklärung,
ansonsten
Ihnen die Studie keinen direkten Nutzen. Sie leisten aber eiPomcany’s
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nen wichtigen Beitrag zur Erforschung von ADHS und Zwang und lernen modernste Untersuchungsmethoden kennen. Als Dankeschön erhalten Sie einen Geschenkgutschein (60.-) sowie die Bilder Ihres
Gehirns.
IhreGesellschaft
Daten werden vertraulich behandelt.
AdresseAlle
der
Interessieren Sie sich Gesellschaft
für eine Studienteilnahme?
Wir freuen uns, über Ihre Kontaktaufnahme!
Schweizerische
für Zwangsstörungen
Information: Diese Studie wurde von der Ethikkommission des Kantons Zürich bewilligt. Die Ausschreibung ist Teil des
vomKlinik
schweizerischen
Nationalfonds geförderten
Projektes: „Zwang- und Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Störung im
c/o
für Psychiatrie
und Psychotherapie
Kindes- und Jugendalter.“ Für medizinische Fragen ausserhalb der Studie ist Ihr behandelnder Arzt zuständig.
UniversitätsSpital Zürich
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Fax +41 (0)44 255 98 04
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Liebe StudieninteressentInnen, liebe Familien, liebe Jugendliche
Trotz intensiver Forschung, ist das heutige Wissen über die Ursachen von Zwangsstörung und von
Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leider noch sehr beschränkt. Bildgebende Verfahren
wie Hirnstrommessungen und Magnetresonanztomographie geben uns aber einen Einblick in die Funktion des Hirns. Nur wenn wir die entwicklungsbedingten Änderungen der Hirnfunktion und der Hirnnetzwerke bei gesunden Jugendlichen verstehen, können wir auch Veränderungen bei Patienten erkennen. Aus diesem Grunde untersuchen wir nicht nur Patienten sondern auch gesunde Jugendliche
und Erwachsene. Die Vergleiche der Hirnfunktion zwischen verschiedenen Patientengruppen bzw. zwischen Patienten und gesunden Probanden zeigen uns dann, welche Funktionen und Netzwerke betroffen sind.
Wegen der Häufung von Zwangsstörungen und ADHS in Familien weiss man, dass auch biologische Ursachen, wie z.B. Gene bei beiden Störungen eine wichtige Rolle spielen. Die Suche nach Genen, die als
Ursache der beiden Störungen in Frage kommen, ist uns ein besonderes Anliegen.
Unsere Methoden:
Zur Messung der Hirnfunktion verwenden wir zwei Methoden: die Hirnstrommessung (Elektroenzephalographie: EEG) und die (funktionelle) Magnetresonanztomographie (MRT). Beide Methoden sind
schmerzfrei und völlig ungefährlich. Für die MRT wird keine gefährliche Strahlung verwendet. Zusätzlich sammeln wir eine Speichelprobe, um die Rolle der Gene zu untersuchen.
Zeitaufwand:
Zuerst überprüfen wir in einer Vorabklärung Ihre Eignung für die Studie. Nachfolgend nehmen Sie an
zwei Terminen innerhalb von einem Monat teil. In der ersten Sitzung werden Sie einige Tests zu Aufmerksamkeit, Lernen und allgemeinen Fertigkeiten machen.
Bei der zweiten Sitzung wird die EEG-MRT-Messung durchgeführt. Dabei werden Sie mit einer EEGKappe im MRT Gerät liegen und zwei Aufgaben zur Aufmerksamkeit und Lernen lösen.
Wenn Sie oder Ihr Kind an ADHS oder Zwängen erkrankt sind, erhalten Sie innerhalb der Studie eine
ausführliche Abklärung, ansonsten bringt Ihnen die Studie keinen direkten Nutzen. Sie leisten aber einen wichtigen Beitrag zur Erforschung von ADHS und Zwang und lernen modernste Untersuchungsmethoden kennen. Als Dankeschön erhalten Sie einen Geschenkgutschein (60.-) sowie die Bilder Ihres
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Information: Diese Studie wurde von der Ethikkommission des Kantons Zürich bewilligt. Die Ausschreibung ist Teil des
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Kindes- und Jugendalter.“ Für medizinische Fragen ausserhalb der Studie ist Ihr behandelnder Arzt zuständig.
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für Zwangsstörungen durch Ihre Mitgliedschaft zu unterstützen.
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Hiermit erkläre ich meinen Beitritt als Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für
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Zwangsstörungen (SGZ). Darin enthalten ist das Abonnement für den «Newsletter» der SGZ.
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Zwangsstörungen (SGZ). Darin enthalten ist das Abonnement für den «Newsletter» der SGZ.
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Der Mitgliederbeitrag beträgt CHF 75.00 pro Kalenderjahr für Private/Betroffene

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