Psychologisches Institut der Universität Heidelberg Seminar Zwangsstörungen Dozent: Dr. Matthias Backenstraß Wintersemester 2005/2006 Datum 31.10.2005 Referent: Martin Andermann Zwangsstörungen Ablauf: I. Wie fühlt sich Zwang an? II. Wichtige Begriffe III. Zwänge in ICD-10 und DSM-IV IV. Prävalenz, Verlauf und Komorbidität I. Wie fühlt sich Zwang an? - - Ausgangspunkt: starke, negative und unerwartete Emotion „Konfusion der Gefühle“, Kontrollverlust und Ratlosigkeit Emotion „bleibt stecken“; Sicherheitsbedürfnis, Unvollständigkeitsgefühl Fehlende innere Regulationsmechanismen und äußere Unterstützung Details als Chiffren für negative Empfindungen treten ins Zentrum der Aufmerksamkeit; Gesamtsicht auf die Außenwelt geht verloren Stimuli werden nicht mehr geprüft, die Sinnhaftigkeit eigener Gedanken und Handlungen wird nicht mehr hinterfragt Meidung dieser Details schafft Regulationsmöglichkeit für innere Zustände Leben in zwei Welten: Normale Lebensanforderungen und Diktat des Zwangs Keine echte Distanzierung möglich Reduzierung der Dissonanz durch Verweis z.B. auf höhere Werte Ziele der Zwangshandlungen/-gedanken sind meist plakativ und vordergründig Wieder Unvollständigkeitsgefühl II. Wichtige Begriffe - - - Zwangsgedanken: Anhaltende, nicht kontrollierbare Ideen, Impulse oder Vorstellungen; werden als aufdringlich, unangemessen und unangenehm wahrgenommen, verursachen Angst stehen in der Regel nicht mit realen Lebensproblemen in Beziehung werden mit Ignorieren, Unterdrücken oder anderen Tätigkeiten bekämpft werden als Produkt des eigenen Geistes wahrgenommen Zwangshandlungen: Wiederholte, übertriebene Verhaltensweisen mit dem Ziel, Angst zu reduzieren Stehen meist in keinem sinnvollen Zusammenhang mit dem, was sie zu verhindern versuchen Beim Versuch, die Handlung(en) zu unterdrücken, tritt Angst auf Häufige Zwänge: z.B. Kontaminationszwang, Waschzwang, Kontrollzwang, aggressive oder sexuelle Impulse, Zählzwang III. Zwänge in ICD-10 und DSM-IV - - ICD-10: Einordnung unter F4 (Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen) Historische Verknüpfung der Störungsbilder; oft Verknüpfung mit Belastungsereignissen; Mischung unterschiedlicher Symptome ist möglich Codierung je nach Vorherrschen von Zwangsgedanken (F42.0), -handlungen (F42.1) oder gemischter Symptomatik (F42.2) DSM-IV: Zuordnung zu den Angststörungen (umstritten!) Zusatzcodierung „mit wenig Einsicht“ möglich Vergleich der Diagnosekriterien s. Folie! IV. Prävalenz, Verlauf und Komorbidität - - - Prävalenz: Lebenszeitprävalenz bei Erwachsenen ca. 2,5%, bei Jugendlichen ca. 1 – 2,3% Männer und Frauen etwa gleichhäufig betroffen; Männer leiden meist an Kontrollzwängen, bei Frauen sind Waschzwänge häufiger Zwangsstörung als kulturunabhängige Störung; allerdings können religiöse oder kulturelle Glaubensinhalte die Themen der Zwänge beeinflußen erhöhtes Erkrankungsrisiko bei Verwandten ersten Grades Verlauf: Beginn meist im frühen Erwachsenenalter, aber auch schon in der Kindheit; bei Männern eher schleichend früher als bei Frauen, die eher spät und akut erkranken Skoog & Skoog (1999): Bei 44% der Betroffenen chronischer Verlauf, intermittierender Verlauf bei etwa 31%, episodisch etwa 10% Bei unbehandelter Symptomatik meist chronischer Verlauf mit Symptomverschlechterungen, die evtl. mit Belastungsfaktoren zusammenhängen können; Rückfälle sind häufig bei ca. 15% der Betroffenen fortschreitende Verschlechterung der sozialen Funktionsfähigkeit aufgrund sozialer Isolierung; körperliche Schädigungen Komorbidität: Achse I: häufig mit affektiven Störungen und Angststörungen (Unterschiede je nach Verlauf) Achse II: höchste Komorbiditätsraten im Cluster C (u.a. zwanghafte und vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung); Befundlage unklar! *** Further reearch is needed! *** Literatur: Bader, K. & Hänny, C. M. (2005). Diagnostik, Epidemiologie, Komorbidität und Verlauf der Zwangsstörungen. In: Ambühl, H. (Hrsg.): Psychotherapie der Zwangsstörungen. Stuttgart: Thieme. Hoffmann, N. (2005). Phänomenologie der Zwangsstörungen. In: Ambühl, H. (Hrsg.): Psychotherapie der Zwangsstörungen. Stuttgart: Thieme. Möller, H.-J., Laux, G. & Deister, A. (2005). Psychiatrie und Psychotherapie (3. Auflage). Stuttgart: Thieme Saß, H., Wittchen, H.-U. & Zaudig, M. (2003). Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen Textrevision (DSM-IV-TR). Göttingen: Hogrefe. Strian, F. (1998). Angst und Angstkrankheiten (3. Auflage). München: Beck. Weltgesundheitsorganisation, Dilling & Freyberger (Hrsg.) (1999). Taschenführer zur Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10. Bern: Hans Huber.