Die Haut - Stëftung Hëllef Doheem

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Unsere Sinne
Lärm und Stress im Alltag; Reklamen und markante Farbeindrücke, so weit
das Auge reicht – unsere sensorischen Empfindungen werden beständig stark
beansprucht, so stark, dass das Singen der Vögel, der Duft des erwachenden
Frühlings oder eine angenehme Brise auf der Haut oft gar nicht mehr in unser
Bewusstsein vordringen. Obwohl wir aus der physiologischen Forschung
bereits vieles über Sinnesleistungen beziehungsweise Krankheiten wissen, ist
deren Erforschung längst nicht abgeschlossen. Grund genug, das Thema in
dieser Ausgabe weiter zu vertiefen und gegebenenfalls neu zu entdecken.
Den ganzen Tag empfinden wir über Auge, Ohr, Haut, Mund und Nase
unzählige Reize, die es zu sortieren und zu verarbeiten gilt. Allerdings werden
Eindrücke wie zum Beispiel Rosenduft oder Sonnenuntergang nur dank
der „Verarbeitungsstation“ Gehirn wahrgenommen. Somit wird jenes Bild
geschaffen, das jeder von uns ganz individuell für sich allein entwirft.
Inzwischen können Wissenschaftler recht klar darstellen, was genau passiert,
wenn wir sehen, hören, fühlen, schmecken und riechen. Vereinfacht gesagt
treffen Informationen in Form von Reizen aus der Umwelt ein, die zunächst
von speziellen Zellen und Rezeptoren der Sinnesorgane empfangen und
dann in bioelektrische Signale umgewandelt werden. Diese Signale werden
an die zentralen Verarbeitungsstellen des Gehirns weitergeleitet und dort
in Wahrnehmungen zusammengesetzt. Der Wahrnehmungsprozess unseres
Körpers arbeitet ständig auf Hochtouren, um uns die Welt in unserem
individuellen Bild erscheinen zu lassen. Jedes einzelne der fragilen Sinnesorgane
funktioniert mit einer Präzision, die allzu leicht aus dem Takt geraten kann,
und uns dann in eine andere Welt projiziert, die wir nur mehr leise oder gar
nicht hören, die wir nicht mehr riechen oder schmecken – manchmal nur
temporär, schlimmstenfalls sogar für immer.
Die Sinnesorgane stellen demnach eine wesentliche Voraussetzung für
unser körperliches und psychisches Wohlbefinden dar. Die Fortschritte in
der Medizin und in der Forschung spielen eine immer wichtigere Rolle bei
der Prävention und Behandlung von Sinnesstörungen, und tragen somit zur
Verbesserung unserer Lebensqualität bei. Die praktische Anwendung immer
besserer Schutzmaßnahmen, Behandlungsmethoden sowie Hilfsmittel
unterstreicht die Errungenschaften auf diesem Gebiet. Wichtiger noch ist für
viele Menschen die Perspektive auf zukünftige Entwicklungen und die damit
verbundenen Hoffnung auf Wiederherstellung der Wahrnehmungskapazität
durch ihre Sinnesorgane.
Robert THEISSEN
Generaldirektor
„Stëftung HËLLEF DOHEEM“
Ich wünsche Ihnen, dass Sie bei der Lektüre der Texte und beim Betrachten der
Bilder dieser Ausgabe einige neue und interessante Erkenntnisse erlangen.
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Die Welt unserer Sinne
“
Die Wahrnehmungen,
Empfindungen und Eindrücke,
die ein Mensch jeden Tag
entdeckt, gestalten seine
persönliche, innere Welt und
verleihen seinem Leben
einen Sinn.
Alles, was wir wahrnehmen und
erkennen, nehmen wir über unsere Sinne auf. Mit ihnen lernen
wir die Welt, die Menschen und
uns selbst als Individuum kennen. Alle Informationen müssen,
bevor sie zu unserem Gehirn gelangen, immer durch eines unserer Sinnesorgane aufgenommen
werden. Diese verschiedenen
Reize, die uns von der Außenwelt geliefert werden, werden
interpretiert und hinterlassen
ihre Spuren.
Die Sinnesorgane sind also sowohl eine offene Tür nach außen, als auch eine Reise zum
Inneren unseres Körpers.
Die Wahrnehmungen, Empfindungen und Eindrücke, die ein
Mensch jeden Tag entdeckt, gestalten seine persönliche innere
Welt und verleihen seinem Leben
einen Sinn. Ein Leben, erfüllt
mit Erinnerungen, Erfahrungen,
Beurteilungen und Schätzungen,
die uns durchs Sehen, Hören
und Empfinden geformt haben,
und bis zum Ende unseres Leben
formen werden. Eine Welt von
vitaler Wichtigkeit, da sie die
Säule unserer Persönlichkeit und
unserer Existenz ist.
Physiologisch spricht man von
einem Sinnesorgan. Ein Organ,
das Informationen in Form von
Rei­zen aus der Umwelt auf­nimmt, diese in elektrische Im­pulse umwandelt, entlang der
Nervenfasern an unser Gehirn
weiterleitet und dann in Wahrnehmungen umwandelt. Die
Umwandlung der Reize wird
von den Rezeptoren (Sinneszellen, die man mit biologischen
Sensoren vergleichen kann) des
Sinnesorgans vollzogen. Diese
Umwandlung wird durch chemische und/oder physikalische
Prozesse bewerkstelligt.
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Die Welt unserer Sinne
Als Sinnesorgan bezeichnet man:
Man spricht auch vom ‚Sechs­
ten Sinn‘. Dieser bezeichnet die
Fähigkeit, Dinge wahrzuneh-
das Auge (visuelle Wahrnehmung)
das Ohr (auditive Wahrnehmung)
den Mund (gustatorische Wahrnehmung)
die Nase (olfaktorische Wahrnehmung)
und die Haut (haptische Wahrnehmung)
men, die nicht mit den anderen
Sinnesorganen aufgenommen
werden können. Diese wird auch
als Psi-Fähigkeit (Telepathie,
Hellsehen, Präkognition) bezeichnet.
5
Die Haut
“
Haptik bedeutet
aktives Erfühlen
Als haptische Wahrnehmung
(griech.: haptikos = greifbar) bezeichnet man das aktive Erfüh­
len von Größe, Konturen, Ober­
flächentextur, Gewicht usw. eines Objektes durch Integration
aller Hautsinne und der Tiefensensibilität. Die Gesamtheit der
haptischen Wahrnehmungen
erlaubt es dem Gehirn, mechanische Reize, Temperaturreize und Schmerz zu lokalisieren
und zu bewerten.
Die Sinne der haptischen Wahr­
nehmung beim Menschen sind:
Taktile Wahrnehmung
(lateinisch: tangere = berühren)
nennt man das Erkennen von
Druck, Berührung und Vibratio­
nen auf der Haut. Diese Kompo­
nente der haptischen Wahrnehmung nennt man auch Ober­
flächensensibilität.
Zur Oberflächensensibität zählen auch die Temperatur- und
Schmerzwahrnehmung. Sie
steht damit der Tiefensensibilität gegenüber.
Kinästhetische Wahrnehmung,
Tiefensensibilität oder Proprio­
zeption
(lateinisch proprius = eigen +
recipere = aufnehmen)
So bezeichnet man die Wahrnehmung der Reize, die nicht
durch die Außenwelt, sondern
aus dem eigenen Körper stammen, auch Eigenwahrnehmung
des Körpers genannt.
Man unterscheidet:
8Lagesinn (Haltung des Körpers im Raum und Position
der Gelenke);
8Kraftsinn (Spannung der
Muskeln und Sehnen);
8Bewegungssinn oder Kinästhetik (Bewegungs- Empfindungen und Richtungen).
Temperaturwahrnehmung
So bezeichnet man die Unterscheidung der Qualität von
Wärme und Kälte.
Beide dienen der Thermoregulation, also der Aufrechterhaltung
6
Die Haut
der Körpertemperatur, und da­
mit dem Schutz vor Überhitzung oder Unterkühlung.
Schmerzwahrnehmung
Der Schmerz ist eine komplexe Sinneswahrnehmung, deren
Abhängigkeit sehr stark vom
seelischen Empfinden abhängt.
Die Förderung der haptischen
Wahr­nehmung spielt eine wichtige Rolle bei Menschen mit beeinträchtigter Bewegungskoordination, beeinträchtigten
Be­wegungsabläufen, Bewusstseinsstörungen, Demenz und
anderen Erkrankungen. Durch
basale Stimulation wird der
„Körperschmerz“ dieser Menschen ständig durch Stimulationen aktualisiert und erhalten.
Die Haut
Die Haut ist das größte Sinnes­organ des Menschen. Die Hautfläche eines erwachsenen Menschen beträgt durchschnittlich
zwei Quadratmeter und kann
vier bis zehn Kilogramm wiegen. Sie ist eine wasserdichte,
feste, gepolsterte Schicht, die
vor Hitze, Kälte, Sonne, mechanischen Einwirkungen und Keimen schützt.
Aufbau
Die Oberhaut ist aus mehreren Zellschichten zusammen-
gesetzt. Ihre unterste Schicht
nennt man Mutterzellschicht
oder Basalzellage. Hier entstehen durch kontinuierliche Teilungsvorgänge immer neue Zellen. Sie wandern an die Oberfläche der Haut, sterben ab
und werden zu kleinen, kaum
sichtbaren Hornschuppen. Auf
diese Weise „häuten“ wir uns
ständig; die Haut erneuert sich
kontinuierlich. Eine Zelle existiert vier Wochen lang, bevor
sie an der Hautoberfläche abgestoßen wird. Die Oberhaut
passt sich an die darunterliegende Lederhaut exakt an. So
entstehen verzahnte Furchen.
Am deutlichsten sind solche
Furchen bei einem Fingerabdruck zu erkennen.
Die mittlere der drei Hautschichten ist die Lederhaut (Dermis),
durchsetzt von vielen Schweiß-,
Talg- und Duftdrüsen, Haarfollikeln, Blutgefäßen und Sinneszellen. Mit diesen Sinneszellen
ertasten wir die Umwelt. Unsere Haut (Cutis) ist gleichzeitig stabil und elastisch. Die Ursache dafür liegt in den Faserproteinen Kollagen und Elastin,
aus denen die Lederhaut zu einem großen Teil zusammengesetzt ist. Im Laufe des Lebens
zerfallen diese Faserproteine:
Wir bekommen Falten und Runzeln.
Unterhaut besteht aus Fett­
ge­we­be und ist in ihrer Dicke
von der Energie - also von un-
7
Die Haut
serer Ernährung - abhängig.
Bei einem gut genährten Menschen hält sie Fettreserven bereit, dient damit als Wasserspeicher, sowie „Polsterkissen“
und schützt vor Unterkühlung.
Die Wirkung der Sonne auf
die Haut
Wird unsere Haut intensiver
Sonnenbestrahlung ausgesetzt,
so bildet sich ein braunes Pigment, das Melanin. Seine Aufgabe ist es, die Haut vor den ultravioletten Strahlen zu schützen. So läßt sich die variierende
Hautfarbe von Menschen in den
unterschiedlichen Regionen der
Welt erklären. Wo die Sonne
länger und intensiver strahlt beispielsweise in Afrika - hat
sich über viele Generationen
hinweg ein dunklerer Hauttyp
durchgesetzt als etwa in den
klimatisch gemäßigteren europäischen Breiten. Je höher der
Anteil des Pigments Melanin,
das für die Hautfarbe zuständig
ist, desto besser ist die Haut
vor den Einwirkungen der Sonne geschützt. Sommersprossen
und Leberflecken sind das Resultat von punktuellen Pigmentanhäufungen.
Die Haut,
„Spiegel der Seele“
Erröten, erblassen und die Haare sträuben, auch das kann die
Haut. Sie ist so auch Teil unseres Gefühlsempfindens. Man
sagt auch oft, die Haut sei „der
Spiegel der Seele“. Über Duftstoffe, Pheromone genannt,
sendet die Haut außerdem Geruchsbotschaften.
Die Haut, eine Berührung
Eine Berührung der Haut ist oft
eine sinnliche Erfahrung. Jeder
Mensch braucht Berührung.
Das ist ein Grundbedürfnis, also genauso wichtig wie Atmen,
Essen oder Trinken. Ohne Berührung stirbt der Mensch zwar
nicht unmittelbar, aber er verkümmert langsam, zuerst emotional und später körperlich.
Eine Form von Berührung ist die
Massage: über die Hände wird
ein körperlicher Kontakt aufgebaut. Der Haut-zu-Haut-Kontakt
ermöglicht die Wahrnehmung
und später eine Entspannung
des eigenen Körpers.
Die Massage bedeutet aber
auch Berührung der Innenwelt.
Durch eine achtsame, respektvolle und liebevolle Berührung
des Körpers kann eine Tür aufgehen zu unseren Emotionen und
Gefühlen! Der Körper wird getragen, die Seele wird berührt.
Die Erfahrung, sich einem anderen Menschen anvertrauen zu
können und angenommen zu
werden, ist so elementar, dass
der Mensch, ob gesund oder
pflegebedürftig, Nähe und Geborgenheit erspüren kann.
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Die gustatorische Wahrnehmung
Die Zunge und ihre
Geschmacksknospen
Ein echtes Allround-Talent im
Mund ist dabei die Zunge: sie artikuliert, schmeckt, tastet, prüft
und warnt uns vor ungenießbarer oder gar giftiger Nahrung.
Ob küssen oder kauen, schmecken oder sprechen, fühlen oder
verdauen – in unserem Mund
laufen viele wichtige Körperfunktionen zusammen.
Der Mund
Anatomisch gesehen ist der
Mund mit seiner Mundhöhle
schlicht der oberste Teil des Verdauungstrakts, über den die Nahrung aufgenommen wird. Neben der reinen Verdauungsfunktion, also dem Kauen, lassen sich
noch wesentlich mehr Mundaktivitäten beobachten: kommunikative Funktion, Atmung, mimische Funktion, Einsatz als „dritte
Hand“, und natürlich ganz wichtig, der Mund ist zum Küssen da.
Ausserdem stellt die Zunge zusammen mit Mund und Rachen
einen Schalltrichter her, der für
das Sprechen unerlässlich ist.
Die von den Stimmbändern erzeugten Geräusche und Klänge
werden erst dort zu Sprechlauten moduliert.
Die Mundhöhle
Die normale und gesunde Mund­
höhle besteht aus verschiedenen Mikroorganismen. Sie sind
für bestimmte Stoffwechselvorgänge zuständig und verhindern
die Besiedelung mit Krankheitserregern. Doch nicht alle Mikroorganismen sind harmlos. Im
gesunden Körper besteht eine
ausgeklügelte Balance zwischen
„gesunden“ und „krankheitserregenden“ Keimen. Antibiotika,
Stress oder falsche Ernährung
können jedoch das Gleichgewicht
zu Gunsten der Krankheitserreger verschieben. Dann können
Mundgeruch oder Krankheiten
die Folge sein.
Die Nahrung wird im Mund durch
die Zunge transportiert, damit
sie gut durchgekaut und eingespeichelt werden kann. Die Zunge spielt beim Schlucken eine
wichtige Rolle, indem sie den
Speisebrei vom Mund in den Rachen schiebt. Zusätzlich zum
Sprechen, Schlucken und zum
Kauen dient sie als Geschmackssinnesorgan. Der eigentliche Geschmackssinn beschränkt sich
auf die Erfassung der bekannten Grundgeschmacksarten: süß,
sauer, salzig, bitter. Eine fünfte
Qualität ist „umami“ (aus dem Japanischen: „wohlschmeckend“),
der durch Glutaminsäure, wie
Geschmacksverstärker Natriumglutamat enthalten, ausgelöst
wird und einen Teil des typischen
Fleischgeschmacks (eiweißhaltige Nahrung) vermittelt. Für diese Grundgeschmacksrichtungen
sind eigene Geschmacksrezeptoren auf der Zunge nachgewiesen. Die Existenz weiterer Geschmacksqualitäten wie fettig,
alkalisch oder metallisch ist umstritten.
9
Die gustatorische Wahrnehmung
Die eigentlichen Organe, die
für die Wahrnehmung der fünf
Geschmacksrichtungen verantwortlich sind, sind die über die
Zunge verteilten Papillen mit
den Geschmacksknospen. Sie
enthalten jeweils 30 bis 80 Rezeptorzellen, welche den „Geschmack“ in elektrische Reize
umwandeln. Diese Reize wandern über Nervenfasern in der
Zunge zum Gehirn. Nebenbei
lösen die Geschmackssensoren
Reflexe im oberen Verdauungstrakt aus. Der Verdauungstrakt
wird somit auf die bevorstehende Arbeit vorbereitet.
Die Geschmacksknospen liegen
an den Randzonen der Zunge.
Im Zentrum der Zunge, dem
Zungenrücken, sind praktisch
keine Geschmacksrezeptoren
zu finden. Die Zahl der Ge-
schmacksknospen nimmt mit
steigendem Lebensalter ab und
infolgedessen sinkt unsere Geschmacksfähigkeit mit zunehmendem Alter. Schon jenseits
des 30. Lebensjahres lässt die
Fähigkeit zu schmecken nach.
Dies ist darauf zurückzuführen,
dass die Zahl der vorhandenen
Geschmacksknospen von 10.000
beim Säugling auf ca. 2000 beim
Erwachsenen zurückgeht. Der
Geschmackssinn ist bei Säuglingen bereits vollständig entwickelt. Allerdings muss der Säugling in den ersten Lebensjahren
noch „üben“, um die verschiedenen Geschmacksrichtungen
zu differenzieren.
Bei Neugeborenen ist eine Präferenz für die Geschmacksqualitäten süß und umami bereits
vorhanden, während gleichzeitig eine angeborene Aversion gegen Bitteres und Saures
vorliegt, die sich in einem Abwehrreflex ausdrückt. Für Salzgeschmack wird erst von Heranwachsenden eine gewisse
Präferenz entwickelt. Säuglinge
zeigen darauf im Normalfall keine ausgeprägte Reaktion.
Eine falsche Theorie bezüglich
der Zunge läuft seit über 100
Jahren durch die Lehrbücher:
Die Wahrnehmung der verschiedenen Geschmacksrichtungen
solle auf bestimmte Zonen der
Zunge begrenzt sein. Süßes solle angeblich mit der Zungenspitze, Salziges und Saures am
Rand und Bitteres am hinteren Ende der Zunge zu schmecken sein. Mittlerweile ist bekannt, dass die unterschiedlichen Geschmacksqualitäten von
allen geschmacksempfindlichen
Teilen der Zunge wahrgenommen werden. Die Unterschiede
zwischen den Zungenbereichen
bezüglich der Sensitivität für
einzelne Qualitäten sind beim
Menschen nur gering.
Der Geschmackssinn,
ein Geschmackserlebnis
Innerhalb der menschlichen Sinne ist der Geschmackssinn (auch
Gustatorik, Schmecken oder gustatorische Wahrnehmung) am
10
Die gustatorische Wahrnehmung
wenigsten ausgebildet und differenziert. Angesichts der Tatsache, dass wir nur zwischen fünf
Geschmacksqualitäten unterscheiden können, trägt dieser
Sinn in erstaunlichem Umfang
zur Lebensqualität und Lebensfreude bei. Der Geschmackssinn
dient dazu, Essbares von Ungeniessbarem zu unterscheiden. Er kontrolliert die Qualität
und Bekömmlichkeit der Nahrung und mit der Nahrungsaufnahme zusammenhängende
reflektorische Vorgänge (Speichelsekretion, Schutzreflexe
wie Husten oder Würgen, etc.).
Die Wahrnehmungsschwelle
für Geschmack ist von Mensch
zu Mensch unterschiedlich. Die
Qualität des Geschmackssinns
ist, wie bei den anderen Sinnen
auch, von Erbgut, Umwelt und
Le­bensweise abhängig.
Zum Geschmackserlebnis trägt
mehr als nur der Geschmackssinn bei. Allein mit der Zunge
schmecken Speisen und Getränke fade, und das Essen macht
keinen Spaß, wenn man es
nicht auch riechen kann. Geschmacks- und Geruchssinn
müssen also zusammenwirken,
damit ein harmonisches Ganzes dabei herauskommt. Das
wird einem besonders gut verdeutlicht durch das stark eingeschränkte Geschmacksempfinden bei Schnupfen.
Beim Kauen und vor allem beim
Schlucken gelangen Aromastoffe über den Rachen in die Nasenhöhle und lösen Gerüche
aus. Hinzu kommen der Tastsinn, der die Konsistenz der
Speisen von knusprig bis cremig
bewertet, sowie das Temperaturempfinden.
Unter den verschiedenen Rezeptor-Typen spielen die Bitter-Rezeptoren eine besondere Rolle.
Im Gegensatz zu allen anderen
Rezeptoren sind sie überlebenswichtig, denn sie erkennen giftige Substanzen in der Nahrung,
vor allem in Pflanzen und Pilzen. Die meisten natürlichen
Giftstoffe weisen nämlich einen
ausgeprägten Bitter-Geschmack
auf. Dieser Rezeptortyp ist wesentlich sensibler als alle anderen: im Vergleich zu den SüßRezeptoren ist er um den Faktor 100.000 empfindlicher! Nur
wenn die Bitter-Rezeptoren keinen Alarm schlagen, schiebt die
Zunge die Nahrung wie ein automatisches Fördersystem portionsweise in Richtung Rachen.
Durch diese Kontrolle schützt
sich der Körper selbst, indem
vermeintliche Gifte früh erkannt
werden.
Bitterstoffe stecken aber auch
von Natur aus in vielen genießbaren Lebensmitteln, in anderen entstehen sie erst während
der Verarbeitung. Und das ist
für die Lebensmittelindustrie
11
Die gustatorische Wahrnehmung
immer wieder ein Problem. Der
Bittergeschmack muss dann
entweder überdeckt werden –
mit Zucker, Salz oder Fett. Oder
die technischen Prozesse müssen vom Hersteller verfeinert
werden.
„Scharf “ wird zwar als Ge­
schmacks­­­empfindung qualifiziert, ist aber genau genommen
ein Schmerzsignal der Nerven
bei Speisen. So enthält Chili das
Alkaloid Capsacain, das die Nerven stimuliert und die Durchblutung anregt.
Die Geschmacksverstärker
Geschmacksverstärker sind chemisch in der Lage, bestimmte
Geschmacksrichtungen in ihrer
Intensität zu verstärken oder
auch einige Geschmacksrichtungen zu überlagern, um damit
z.B. Geschmacksfehler zu korrigieren. Geschmacksverstärker
werden vor allem in asiatischen
Essen und in Fertiggerichten verwendet, da sie deren Geschmack
besonders intensivieren können.
Von Natur aus ist besonders viel
Glutamat zum Beispiel in reifen
Tomaten, Fleisch, Käse und in
der Muttermilch. Bei empfindli-
chen Menschen kann Glutamat
zu dem so genannten „ChinaRestaurant-Syndrom“ führen.
Symptome sind Herzrasen, Gesichtsrötung, Kopfschmerz und
Benommenheit. Andere Nebenwirkungen sind beim Menschen
nicht bekannt. Die gesetzliche
Möglichkeit, Fertig-Lebensmitteln Geschmacksverstärker zuzusetzen, wurde eingeschränkt,
damit es nicht zu einer unnatürlichen Verschiebung des Aminosäurengleichgewichts kommt.
Unser Geschmackssinn wird immer mehr durch Zusatzstoffe wie
künstliche Aromen beeinträchtigt. Diese Aromen spielen in der
Lebensmittelindustrie eine ganz
wichtige Rolle. Sie sind dazu gedacht, Lebensmittel geschmacklich zu verfeinern, damit sie intensiver schmecken. Viele mögen
sie, aber unser Geschmackssinn
wird dadurch in die Irre geführt,
unser Körper durcheinander gebracht. Ernährungswissenschaftler kritisieren immer häufiger,
dass der Geschmackssinn durch
beigesetzte Aromen verarmt.
Künstlicher Geschmack ist süßer
und intensiver als frisches Obst.
Kinder können deshalb eine Art
Abhängigkeit entwickeln: Ihre
Geschmacksprägung ist mit drei
Jahren abgeschlossen. Danach ist
es schwierig, sie an frisches Obst
und Gemüse umzugewöhnen.
12
Die versteckten Möglichkeiten des Gehörsinns
“
Hören ist die erste
Sinneswahrnehmung.
Der akustische Sinn
wird bereits in der
22. Schwangerschaftswoche
ausgebildet.
Zu Unrecht wird der Gehörsinn
oft zu Gunsten der anderen Sinne ein wenig vernachlässigt.
Dabei ist der akustische Sinn,
wie er auch noch genannt wird,
bereits ab der 22. Schwangerschaftswoche ausgebildet und
Hören ist somit unsere erste
Sinneserfahrung im Mutterleib.
Während des Sterbeprozesses
bleibt der Gehörsinn am längsten erhalten. Zugleich ist das
Gehör beim Sterben auch der
letzte Sinn, der verschwindet.
Zugang zu unseren Mitmen­
schen über das Ohr finden
Der akustische Sinn ist ein
we­s entlicher Tragpfeiler der
menschlichen Kommunikation. Über das Gehör können wesentlich komplexere Datenmengen verarbeitet werden als beispielsweise über den Sehsinn.
Nicht umsonst ziehen es viele
Menschen vor Radio zu hören,
anstatt Zeitung zu lesen.
Ist die auditive Wahrnehmung
beeinträchtigt, sei es durch
Schwerhörigkeit oder gar Gehörlosigkeit, so kann dies unweigerlich Auswirkungen auf viele
Bereiche des Menschen haben,
wie in etwa sein Selbstwertgefühl (fühlt sich nicht mehr
13
Die versteckten Möglichkeiten des Gehörsinns
respektiert) oder das Ausmaß
seiner sozialen Kontakte (zieht
sich aus der Gesellschaft anderer Menschen zurück).
Hören als individueller
Prozeß
Jeder von uns wahrgenommene
Ton, egal ob Wort oder Musik,
ist eigentlich nichts anderes als
rhythmisch bewegte Luft, die
auf unser Trommelfell stößt. Im
Ohr werden diese Schwingungen in Nervenimpulse umgewandelt und ans Gehirn weitergeleitet, wo die von uns wahrgenommenen Töne oder Wörter
entstehen.
Der Mensch kann allerdings
akustische Ereignisse nur innerhalb eines bestimmten Grenzbereichs wahrnehmen.
Wie bei allen Sinnen ist dieser
Grenzbereich individuell ausgeprägt und auch beeinflussbar,
etwa durch Erkrankungen wie
z.B. Tinnitus (Hörgeräusche, Ohrensausen) oder durch musikalische Schulung. Deshalb ist es
wichtig zu respektieren, dass
Töne, die wir selber als angenehm empfinden, für andere
Mitmenschen schmerzhaft sein
können.
Musik als Schlüssel
zum Kontakt
Neben der Sprache kommt
auch der Musik im Zusammen-
hang mit dem auditiven Sinn
eine große Bedeutung zu. Musik spielt seit jeher eine große
Bedeutung im Leben der Menschen. Außerdem hat Musik auf
die Psyche der Tiere eine positive Wirkung. Das älteste Instrument ist eine 35.000 Jahre alte
Flöte aus Schwanenknochen.
Viele Wissenschaftler sind der
Ansicht, dass erst die Musik die
Menschen zu sozialen Wesen
gemacht hat, da Musik ein sehr
wichtiges menschliches Ausdrucks- und Kommunikationsmittel darstellt. Musik verbindet
Menschen durch gemeinsames
Musizieren oder die Vorliebe für
einen Musikstil. Mittels Musik
ist es möglich Emotionen aus-
zudrücken, wie beispielsweise durch einen Hochzeits- oder
Trauermarsch.
Musik als Heilkraft
Die magische und mystische
Wirkung der Musik wurde bereits sehr früh in der Menschheitsgeschichte mit Heilung
verbunden. Im Alten Testament
wird vom König von Israel erzählt, der den jungen David an
seinen Hof gerufen hat, damit
dieser mit seinem Harfenspiel
seinen Schwermut lindern sollte. Viele Kulturen haben seit jeher Musik benutzt, um in einen
tranceartigen Zustand zu verfallen, sei es zur Götterverehrung
oder aus heilerischen Zwecken.
14
Die versteckten Möglichkeiten des Gehörsinns
Bis 1550 gehörte Musik sogar zu
den Fächern des Medizinstudiums. Die auditive Heilkraft wurde auf breiter Basis erst wieder
nach dem Zweiten Weltkrieg
wiederentdeckt, und findet sich
heute in den unterschiedlichen
Richtungen und Schulen der
Musiktherapie wieder.
Die Musiktherapie basiert auf
Erkenntnissen darüber, wie musikalische Faktoren sich auf das
menschliche Erleben auswirken
(sowohl körperlich, vegetativ,
psychisch als auch spirituell),
und wie Musik dazu genutzt
werden kann, um die Menschen
zu heilen (kurativ), die Gesund-
heit wiederherzustellen (rehabilitativ) oder zu schützen (präventiv).
Die positive Wirkung der
Musik auf unser Gehirn
Aktuelle Studien haben gezeigt,
dass Musik fast das gesamte
menschliche Gehirn anspricht.
Wenn der Mensch Musik hört
oder ausübt, sind etliche weitverteilte Areale im Gehirn aktiv.
Daraus resultiert auch die vielseitige Anwendbarkeit der Musik für unser Wohlbefinden.
Musik aktiviert das limbische
System im Gehirn, also jenen
Teil, der unter anderem für die
Verarbeitung der Emotionen zuständig ist. Musik ermöglicht
also einen unzensierten Zugang
zu den Emotionen.
Musik favorisiert auch die Neubildung von Nervenzellen im
Hippocampus, einem der ältesten Teile unseres Gehirns, der
zudem eng mit der Verarbeitung von Erinnerungen verbunden ist.
Das Hören von geliebter Musik
aktiviert aber auch noch jene
Hirnareale, die für die größten
Glücksgefühle zuständig sind,
nämlich unser sogenanntes Belohnungszentrum. Dies führt
15
Die versteckten Möglichkeiten des Gehörsinns
Gesang der Mutter weitaus besser besänftigen kann, als nur
die einfache verbale Stimme.
Musik als zusätzliche
Intervention in der
alltäglichen Pflege
Der berühmte US-Neurologe Oliver Sacks sagt nicht zu Unrecht:
„Musik wirkt wie ein Schrittmacher von außen“ (2008). Es gibt
keinen stärkeren Reiz für unser
Gehirn als die Musik.
auch bei gesunden Menschen
zu besseren Denkleistungen.
Eine bekannte Melodie erzeugt
deutlich mehr Reaktionen der
Hirnzellen als nicht bekannte
Töne oder Musik.
Diese eben genannten Erkenntnisse werden beispielsweise gezielt in der Arbeit mit dementen
Menschen angewandt. Bekannte Musik kann bei der dementen Person Emotionen und Erinnerungen aus vielen blockiert
geglaubten Bereichen des Gehirns aktivieren.
Das Herausholen alter Erinnerungen kann eine vertraute und
angenehme Atmosphäre schaffen und Bewegungen auslösen.
Selbst bewegungseingeschränkte Menschen wiegen beim Hören von Musik den Kopf oder
schlagen mit der Hand den Takt
auf den Tisch.
Musiktherapeutisch wird mittlerweile auch mit vielen Patienten der folgenden Krankheitsbilder gearbeitet: Parkinson (beispielsweise beim Gehtraining),
Multiple Sklerose, Schlaganfallpatienten (zur Regeneration bestimmter Hirnareale) uvm.
Musik wird zudem gezielt in
einzelnen Entspannungsverfahren eingesetzt oder einfach nur
zum Streßabbau. So hat sich bei
Kleinkindern gezeigt, daß der
Pflegebedürftige und pflegende
Angehörige können Musik auch
in ihrem Alltag gezielt nutzen,
sei es zur Entspannung, Kräftesammlung, spirituellen Stimulierung oder einfach als gemeinsame Aktivität.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt
lediglich in der richtigen Auswahl der Musik, und hier gibt
es nur eine einzige Regel: Hören Sie die Musik, die Ihnen am
besten gefällt und in einer Lautstärke unterhalb der Schmerzgrenze.
Literaturtipp
Sacks, Oliver (2008). Der einarmige Patient. Über Musik und
das Gehirn. Rowohlt Verlag:
Reinbek. (deutsche Erstausgabe
erscheint erst im Mai 2008)
Information: Die im Infoblat abgebildeten Personen müssen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem beschriebenen Thema stehen.
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Inhalt Nummer 2 / Juni 2008
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Die Welt unserer Sinne_ ____________________ 3
Die Haut_ _______________________________ 5
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Die versteckten Möglichkeiten
des Gehörsinns__________________________ 12
Impressum_ ____________________________ 16
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