Live unbottoned - Helmut Muthers

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„Live unbottoned“
Helmut Muthers / MSR / 2013
Club 55 Expert-Member seit 2003
Wer von 50plus nicht verstanden wird, verkauft weniger
Von Helmut Muthers. Zwei (Fehl-)Entwicklungen prägen die
Kommunikation der Unternehmen mit der mächtigen Kundengruppe 50plus:
1. Anglisierung der deutschen Sprache
» Alle doofen Deutschen sprechen…
Englisch! In Deutschland! Mit Deutschen!
«
Zweidrittel der Deutschen lehnen „Denglisch“ ab (Studie: TNS Infratest im Auftrag des SPIEGEL, 2006). Vor allem Ältere ärgern sich
und sehen darin einen verächtlichen Umgang mit der deutschen
Sprache. Es ist doch auch albern Wörter wie „Nachrichten“, „Weihnachten“, „Kaffee“, „Kinder“, „Fahrrad“ oder „Karte“ durch news,
X-mas, coffee, kids, bike oder card zu ersetzen.
In deutscher Sprache geht´s auch: „Nichts ist unmöglich“, „Bitte ein
Bit“ oder „Ich bin doch nicht blöd“ sind gute Beispiele.
(Joachim Bullermann)
Der Slogan ist kurz und knapp, er soll ein Lebensgefühl ausdrücken: Mit „live unbuttoned“ bewirbt Levi‘s seine Jeans. Wer sie
trägt, kann frei und ungezwungen leben, kann er selbst sein, wollen die Marketingleute damit suggerieren. Das Problem: Gerade
mal 15 Prozent der Befragten konnten den Slogan sinngemäß
übersetzen, die anderen fühlten sich durch ihn zu einem „Leben
ohne Knöpfe“, „Leben am Knopf“ oder „unbekleideten Leben“ aufgerufen (Studie Endmark).
2. Die Unverständlichkeit von Texten
Ältere Kunden schalten die Ampel in ihrem Kopf auf Rot, wenn
ihnen der Kundenberater bei der Bank erklärt:
» Hier bieten wir Ihnen eine dreijährige Stu-
fenzinsanleihe mit einer Rendite von satten
drei Prozent, auf einer sicheren Basis von
1,5 Prozent, je nachdem wie volatil sich der
Markt entwickelt.
«
n
Es gab Fachwörter, die entweder gar nicht oder nur in einer
anderen Bedeutung bekannt waren. Die Teilnehmer sprachen
dann von „Worthülsen“ und „blutleeren“ Wörtern.
Internet-Kommunikation
Wenn über verständliche Kommunikation nachgedacht wird, muss
die Betrachtung auch die Internetauftritte umfassen. Hier gewinnt
man oft den Eindruck, es gehe hauptsächlich um die technische
Nutzung. Die gute Verständlichkeit der Icons, Buttons und eingestellten Texte findet oft wenig Beachtung. Das ist schlimm, weil die
oft geringe sprachliche Freundlichkeit der Webseiten die Nutzer
spaltet, in Wissende und Unwissende. Das benachteiligt insbesondere die Älteren.
» Die Sprache von Martin Luther, Johann
Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller,
Rainer Maria Rilke, Thomas Mann, Hermann Hesse oder Immanuel Kant, stellt ein
unschätzbares kulturelles Welterbgut dar.
Sie ist viel zu schön, um vernachlässigt zu
werden.
«
(Unbekannt)
Literaturhinweise und Quellen
- Zimmermann, Prof. Dr. Günther; Richtige Kommunikation mit der
Erfolgreiche Ansprache älterer Menschen
Die Kommunikation mit älteren Menschen ist verbesserungsfähig. Angesichts der gesellschaftlichen Alterung sollten die Firmen eine besondere Sorgfalt auf verständliche Ansprache verwenden, z. B. durch
Zielgruppe 50plus (www.business-wissen.de vom 23.04.2008)
- Muthers, Helmut / Ronzal, Wolfgang; 30 Minuten Marketing 50plus
(GABAL Verlag 3. Auflage 2012)
www.unternehmenserfolg-50plus.de
„For You. Vor Ort“ (Schlecker), „Come in, find out“ (Douglas), „Feel
the Difference“ (Ford). Ist es Gedankenlosigkeit, Unwissenheit
oder Naivität, die zu solch abstrusen Slogans treibt. In der Unternehmens-Kommunikation finden sich immer mehr Anglizismen.
Genervt sind besonders ältere Kunden. Sie verstehen derartige
Slogans oft völlig falsch oder gar nicht. Nach der EX-word-Studie
von Casio (2007) halten 58 Prozent der 56- bis 65-jährigen Deutschen ihre Englischkenntnisse für „sehr schlecht“ oder „nicht vorhanden“.
Alles klar? Der Kunde hat das Gefühl: „Ich verstehe zwar höchstens die Hälfte, aber irgendwie klingt das gut“ – und kauft nicht. Die
Grundregel älterer Kunden heißt: Was ich nicht verstehe, kaufe ich
nicht und wenn der Berater es nicht erklären kann, verabschiede
ich mich. Kunden werden oft durch antrainiertes Formulieren,
komplexes Verschachteln und hinzuziehen von abstrusen Vertragsklauseln verwirrt. Am Ende wissen sie meist nicht ob das, was
sie mit ihrer Unterschrift bestätigen, wenigstens im Ansatz ihren
Wünschen entspricht.
Eines der wichtigsten Kulturgüter ist die Sprache. Man sollte meinen, dass dies gerade im Land der Dichter und Denker gelten
würde. Doch die deutsche Sprache wird immer mehr von meist
überflüssigen englischen Begriffen bzw. deutsch-englischem
Sprach-Wirrwarr (auch „Denglisch“) verhunzt. Die Senioren-Union
fordert bereits, Deutsch als Landessprache in die Verfassung aufzunehmen. Anglizismen gaukelten eine Weltläufigkeit vor, die nur
die provinzielle Un-fähigkeit ihrer Verfasser kaschieren solle.
„Babylon“ ist ein Forschungsprojekt zum Sprachverstehen der
Zielgruppe 50plus. Wissenschaftler der TU Braunschweig und
lingua@MEDIA haben untersucht, inwieweit Versicherungstexte
für ältere Menschen leserlich und verständlich sind. Ergebnisse:
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Marketing & Sales Review 2013
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Bestimmte Sätze wurden von 91,4 Prozent der Teilnehmer
auch nach mehrmaligem Lesen nicht verstanden.
Um fünf Sätze zu lesen, brauchten die Versuchspersonen
(überwiegend Akademiker) bis zu 31 Minuten, ohne allerdings
den Text dann ausreichend verstanden zu haben.
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Unterhaltsamkeit – nicht Langeweile.
vollständige Inhalte, die dem Informationsbedürfnis der „Konsumprofis 50plus“ gerecht werden.
Verzicht auf verschmähte Formulierungen wie „Seniorenmarketing“, „Seniorenkonto“, „Seniorenticket“ usw.
„vertraute“ deutsche Wörter, also kein Fachchinesisch wie den
„stichtagsbezogenen, steuereinnahmenschätzungsabhängigen, gedeckelten Sonderzuwendungsaufstockungsbetrag“,
wenn in Wahrheit ein Teil des Weihnachtsgeldes gemeint ist.
einfache Sätze, nicht verschachtelte Informationen.
einen „roten Faden“ im Text: Ein Satz ergibt sich „logisch“ aus
dem vorhergehenden.
übersichtliches Layout, das den Inhalt des Textes deutlich
werden lässt.
ausreichend große Schrift, in Printmedien z.B. 12 Punkt, digital
mindestens 14 Punkt.
schwarze Schrift auf weißem Grund.
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