Moral und Ethik

Werbung
zum
Thema
Ausgabe Nr. 2 • 2010
Schwerpunkt „Ethik”
Moralinstanz Gewissen Seite 4
Werte – Ethische Grundpfeiler Seite 6
Militärethik Seite 10
Wie Normen entstehen Seite 14
Ethik-Entwürfe Seite 20
Was ist Ethik?
Moral und Ethik
2
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
Moral und Ethik
Moral
Eine erste Annäherung
In vielen Bereichen unserer Gesellschaft spielen
ethische Fragen eine immer größere Rolle. Das
fängt nicht erst an bei der Umweltethik, die angesichts der gravierenden globalen Klimaveränderungen mit all ihren Folgen für die Menschheit vor
große Herausforderungen gestellt ist. Das betrifft
auch den komplexen Bereich der Bioethik, in der
z. B. Fragen des menschlichen Lebens an dessen
Anfang und an dessen Ende höchst strittig diskutiert werden, und endet nicht zuletzt bei Fragen
zur Sozialethik, wie es denn in Staat und Gesellschaft um die Gerechtigkeit bestellt ist angesichts
der immer weiter auseinanderklaffenden Schere
zwischen Arm und Reich.
Bei ethischen Fragen handelt es sich im Kern um
Wertfragen. Um diese geht es auch, wenn Einzelne
in ihrem persönlichen Leben zu Entscheidungen
finden oder konkrete Verhaltensweisen bzw. vergangene Taten rechtfertigen wollen.
Auch wenn Streitkräfte in einen Auslandseinsatz
geschickt werden, sind elementare ethische Fragen berührt: Womit ist der Einsatz gerechtfertigt?
Worin besteht das Recht zum Krieg? Und was darf
ich im Einsatz und was nicht? Welches Recht gilt
im Einsatz? Das sind Fragen, die in die Verantwortung nicht nur der Politik, sondern auch in
Ihre Verantwortung als Soldatinnen und Soldaten gehören.
So stehen Sie als Staatsbürger wie auch als
„Staatsbürger in Uniform” immer wieder vor der
Grundfrage der Ethik: Was soll/darf ich tun? Was
ist zu tun richtig und was gut? Antworten fallen
leichter, wenn wir über ethisches Wissen verfügen. Aber was ist Ethik? Das Heft, das Sie gerade
in Händen halten, möchte Sie mitnehmen in „ein
weites Feld“ und Einstiege bzw. Impulse zum eigenen Nachdenken bieten.
Ihr Manfred Suermann
W
as Moral und was Ethik
ist und was beide Begriffe voneinander unterscheidet, lässt sich vielleicht am
besten an einem Beispiel verdeutlichen:
Ein Tourist bemerkt bereits aus
größerer Entfernung in einer Fußgängerzone einen Mann in abgetragener Kleidung, ungepflegt
und mit einem umgedrehten Hut
vor sich an einer Hauswand kauernd. Beim Näherkommen – geplagt von dem Impuls, auf die
andere Straßenseite zu wechseln
– liest er auf einem Plakat neben
dem Mann: „Ich bin obdachlos und
ohne Arbeit.“ Seine alltagspraktische moralische Ausrüstung sagt
dem Touristen unmissverständlich: Menschen in Not muss man
helfen! Doch sogleich fallen ihm
Einwände ein, die die scheinbar so
eindeutige moralische Handlungsentscheidung behindern: „Der
trägt meinen Euro ja doch gleich
in die nächste Kneipe!” Und weiter denkt er: „Heutzutage muss
niemand mehr betteln, entweder
er kann arbeiten oder er bekommt
Sozialhilfe!” Damit hat unser Tourist seinen ersten moralischen Impuls kritisch hinterfragt; er hat
eine Metaebene eingenommen.
Doch jede Handlungsalternative
lässt sein Gewissen unbefriedigt.
Also versucht er, grundsätzlichere
Überlegungen anzustellen – und
damit bewegt er sich in den Bereich der Ethik. Soll er sich nach
der goldenen Regel richten, die
da lautet: „Was du nicht willst,
das man dir tu, das füg auch kei-
Analyse und Rechtfertigung
moralischen Handelns.
Wissenschaft, in der über das moralische
Verhalten von Menschen nachgedacht wird.
Normative Ethik
nem andern zu”, und dem Mann,
ungeachtet aller subjektiven Erfahrungen oder einschlägigen
Geschichten vom Hörensagen anderer, den Euro geben? Oder soll
er den kategorischen Imperativ
des Philosophen Immanuel Kant
bemühen und allein die Vernunft
sprechen lassen, d. h. nach Argumenten suchen, die dann für jedes
vernünftige Wesen, d. h. immer
und überall gültig sind? Und während unser Tourist denkt und abwägt, ist er natürlich an dem Bettler lange vorbei; damit aber hat
er keine bewusste Entscheidung
getroffen. In der Regel ereignen
sich moralische Entscheidungen
spontan. Das bedeutet aber: Ethische Argumentationsketten und
Prinzipien müssen bekannt und
eingeübt sein, damit sie in einer
Entscheidungssituation ohne lange Überlegung ihre Wirkung entfalten können.
Wie deutlich geworden ist, sind
Moral und Ethik sehr eng miteinander verknüpft. Im Grunde
weiß jeder Mensch, was Moral
ist. Manchmal sagt man ja auch,
der hat seine eigene Moral. Der
Mensch verhält sich nicht ethisch,
sondern moralisch. Das heißt, die
Moral gibt ihm vor, was gut und
was böse ist, richtig oder falsch.
Moral beinhaltet also eine Reihe
von gelebten und praktizierten
Geboten (z. B.: Du sollst dich an
die Gesetze halten!) und Verboten (z. B.: Man soll seinen Müll
nicht im Wald abladen!). Jeder
Mensch versucht, gut zu han-
Deskriptive Ethik
Suche nach richtigem Handeln;
prüft und bewertet die geltende Sitte
und Moral und versucht Handlungsanweisungen zu geben
Gesinnungsethik
Und Ethik? Sie ist eine Wissenschaft, d. h., in ihr wird über das
moralische Verhalten von Men-
Beobachtet und beschreibt Verhalten,
Sitten, Werte und Moral in verschiedenen Gruppen
oder Kulturkreisen.
Verantwortungsethik
Bemisst die Handlungsweise nach dem
zugrunde liegenden Motiv
deln; er will das Gute tun, auch
wenn er sich mitunter darüber
täuscht, was das Gute wirklich
ist. Zumeist handelt der Mensch,
wenn er gut handelt, instinktiv,
da er gewisse Normen und Werte
verinnerlicht hat. Bei Moral handelt es sich somit um alles „Gültige” im Leben, was dem Menschen eine Stütze bei der Suche
nach richtigen Entscheidungen
liefert. Moral meint also einen
allgemein
anerkannten
und
durch Überlieferung gesicherten
Bestand von Verhaltensregeln
und Wertmaßstäben, die in alltäglichen
Konfliktsituationen
ein selbstbestimmtes und verantwortungsbewusstes Urteilen und
Handeln ermöglichen.
3
Ethik
Durch Überlieferung gesicherter Bestand
von Verhaltensregeln und Wertmaßstäben.
Gelebte und praktizierte Gebote.
Was ist gut? Was ist böse? Richtig oder falsch?
Liebe Leserin, lieber Leser,
liebe Soldatinnen und Soldaten!
Was ist Ethik? • 02/2010
schen nachgedacht und werden
die zugrunde liegenden Prinzipien, Grundsätze etc. reflektiert. Im Deutschen ist der Begriff
„Ethik” seit dem 17. Jahrhundert
im Sinne von „Sittenlehre” oder
„Moralphilosophie” in Gebrauch
und der praktischen Philosophie
zugeordnet; sie befasst sich mit
der Analyse und Rechtfertigung
moralischen Handelns, das einem
allgemein verbindlichen Sollensanspruch genügt. Die deskriptive
Ethik beobachtet und beschreibt
Verhalten, Sitten, Werte und
Moral in verschiedenen menschlichen Gruppen oder ganzen Kulturkreisen; diese Aufgabe erfüllt
sie gemeinsam mit der Ethnologie, Psychologie und Soziologie.
Die normative Ethik prüft und
bewertet die geltende Sitte und
Moral und versucht, Handlungsanweisungen zu geben; sie ant-
Bemisst den Wert einer Handlung
nach dem Wert ihrer Folgen
wortet also auf die Frage „Was
soll/darf ich tun?”. Wie diese Unterscheidung deutlich macht, ist
der Begriff der Moral für die Ethik
von großer Bedeutung. Bei der
Suche nach dem richtigen Handeln, die Aufgabe der normativen Ethik ist, hat sich eine weitere
Untergliederung
eingebürgert,
die auch allgemein bekannter ist:
Die unterschiedlichen Antworten auf die Frage nach dem moralisch richtigen Verhalten (siehe
den Artikel über Ethik-Entwürfe
in diesem Heft) werden entweder
als Gesinnungsethik oder als Verantwortungsethik charakterisiert.
Die Gesinnungsethik – auch Pflichtenethik genannt – bemisst eine
Handlungsweise daran, ob sie und
das ihr zugrunde liegende Motiv
als solche gut sind. Beispiele: Ich
sage als Arzt dem Patienten die
Wahrheit über seine schwere Er-
krankung. Oder: Ein Land mit z. B.
großen Getreideüberschüssen liefert diese regelmäßig an ein armes
Land, in dem Hunger herrscht. Die
Verantwortungsethik bemisst dagegen den Wert einer Handlung
nach dem Wert ihrer Folgen. Auf
die beiden eben genannten Beispiele bezogen fragt sie also: Welche Folgen hat die Kenntnis der
Wahrheit für den Patienten? Bin
ich auch dann zur Wahrheit verpflichtet, wenn ich Anhaltspunkte
habe, dass der Patient die Wahrheit nicht verkraftet? Oder: Helfe
ich dem armen Land so, dass es den
Hunger der Bevölkerung langfristig selber bewältigen kann? Oder
ist es nur ein guter Absatzmarkt
für meine Überschussproduktion,
wodurch es weiter in Abhängigkeit gehalten wird?
MS
4
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
D
Das
Gewissen
als moralische Urteilskraft
u hast hoffentlich ein
schlechtes Gewissen”, „Das
kann ich mit meinem Gewissen gut vereinbaren” oder „Ich
habe Gewissensbisse” – Aussagen
wie diese sind wohl jedem Menschen gut bekannt. Immer beziehen sie sich auf Lebenssituationen,
in denen Menschen gehandelt
haben oder handeln wollen und
dabei aber – ganz allgemein gesprochen – den Anforderungen
bzw. Ansprüchen der jeweiligen
Situation und den daran beteiligten Menschen nicht gerecht geworden sind. Im Folgenden soll
dargelegt werden, was es mit dem
Gewissen auf sich hat. Dabei wird
sich zeigen, dass Moral bzw. Ethik
und Gewissen eng zusammengehören.
Einen ersten Einstieg in die Gewissensproblematik soll ein Fallbeispiel ermöglichen:
Eine junge Frau erfährt, nachdem
ihr Freund allein in Urlaub gefahren war, erst einige Zeit später,
dass dieser HIV-positiv ist, und vermutet ein sexuelles Urlaubserlebnis. Als auch der zweite Test den
Befund bestätigt, ist der Freund so
deprimiert, dass er sich mit Selbstmordgedanken trägt. Ihre Eltern
raten ihr, sich sofort von diesem
untreuen Freund zu trennen und
einen längeren Urlaub anzutreten, um dadurch Abstand zu gewinnen. Während ihres Urlaubes
aber wird die Frau zunehmend
von Gewissensbissen heimgesucht.
Was zeigt nun dieses Fallbeispiel
für unsere Gewissensthematik?
Offenkundige Fakten, nämlich die
Untreue des Freundes, die daraus
erwachsene HIV-Infektion und die
Möglichkeit, der unangenehmen
Situation durch einen Urlaub zu
entfliehen, haben zu einer Handlung der Frau geführt, bei der sich
nun aber das Gewissen regt. Ihr
Gefühl und wohl auch ihr moralisches Wissen vermitteln ihr, dass
man einen nahestehenden Menschen in Not nicht im Stich lassen
soll. Nach dieser ersten, eher emotionsbestimmten Regung wird sie
vielleicht weiter überlegen: War
es richtig, sofort die Freundschaft
aufzukündigen und in einen längeren Urlaub zu flüchten als Antwort auf die Untreue des Freundes
und in Anbetracht sowohl einer
lange bestehenden Freundschaft
als auch der Selbstmordgedanken
des Freundes? Und vielleicht fragt
sie sich auch: Würde ich als Betroffene wollen, dass mit mir ebenfalls
so umgegangen wird? Damit aber
überprüft sie – bewusst oder intuitiv – ihren konkreten Einzelfall
anhand eines ethischen Prinzips,
nämlich der goldenen Regel, die
da lautet: Was du nicht willst, das
man dir tu, das füg auch keinem
andern zu! In ihrem Gewissen
wendet sie also mithilfe der Vernunft eine moralische Norm an,
mit der sie ihre Handlung, die sie
als offensichtlich moralisch problematisch erlebt, überprüft.
Das Gewissen erscheint damit
als „Vermögen”, „Anlage”, „Gesetz in uns”, als ein „Instinkt,
sich selbst moralisch zu richten”
oder als „Instanz der Vernunft,
die uns unsere Pflichten vorhält”.
Nach diesem Verständnis, das auf
den Philosophen Immanuel Kant
(1724-1804) zurückgeht, begegnet
im Gewissen dem Menschen eine
Sollensforderung. Diese kann kol-
lidieren mit einem Auftrag oder einer Dienstpflicht, die ja auch so etwas wie eine Sollensanforderung
darstellt. So erging es z. B. einem
Soldaten der Bundeswehr, der an
der Entwicklung eines IT-Projektes
mitarbeiten sollte, von dem er
nicht ausschließen konnte, dass es
im Irak-Krieg der USA, gegen den
„gravierende rechtliche Bedenken
im Hinblick auf das Gewaltverbot
der UN-Charta und das sonstige
geltende Völkerrecht” (aus dem
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. 6. 2005) bestanden
und den er selbst für völkerrechts-
Verpflichtung jedes Bundeswehrsoldaten, erteilte Befehle ‚gewissenhaft‘ (nach besten Kräften
vollständig und unverzüglich)
auszuführen, fordert keinen bedingungslosen, sondern einen mitdenkenden und insbesondere die
Folgen der Befehlsausführung –
gerade im Hinblick auf die Schranken des geltenden Rechts und die
ethischen ‚Grenzmarken‘ des eigenen Gewissens – bedenkenden Gehorsam.” Der Stimme des eigenen
Gewissens ist eher Gehorsam zu
leisten als irgendeiner weltlichen
Macht, denn: „Eine Gewissensent-
Was du nicht willst, das man dir tu,
das füg auch keinem andern zu!
Die goldene Regel
widrig hielt, eingesetzt werden
könnte. Sein Gewissen untersagte
es ihm, in irgendeiner Form in diesen völkerrechtswidrigen Krieg
involviert zu sein. In dem abschließenden Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht im Jahre 2005
ging es im Kern dann um nichts
anderes als um das Menschenrecht
„Gewissensfreiheit”. Die in jeder
Armee geltende grundsätzliche
Struktur von „Befehl und Gehorsam” findet dort ihre Grenze. So
schreibt das Bundesverwaltungsgericht: „Die durch § 11 Abs. 1 S.
1 und 2 SG begründete zentrale
scheidung ist jede ernste sittliche,
d. h. an den Kategorien von ‚Gut‘
und ‚Böse‘ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend
und unbedingt innerlich verpflichtend erfährt, sodass er gegen sie
nicht ohne ernste Gewissensnot
handeln könnte.” „Hat ein Soldat
eine von dem Grundrecht der Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG)
geschützte
Gewissensentscheidung getroffen, hat er Anspruch
darauf, von der öffentlichen Gewalt nicht daran gehindert zu
werden, sich gemäß den ihn bin-
Was ist Ethik? • 02/2010
5
denden und unbedingt verpflichtenden Geboten seines Gewissens
zu verhalten.” Damit wurde erstmalig dem Grundrecht der Gewissensfreiheit Vorrang gegenüber
dem Befehl eingeräumt. Zugleich
wurde die bisher gängige Praxis
verboten, dass Soldaten, die aus
Gewissensgründen an bestimmten
Militäraktionen nicht teilnehmen
wollten, aus dem Dienst ausscheiden mussten.
„Was soll ich tun?” Diese ethische
Grundfrage stellt das Gewissen,
wenn es darum geht, für mein jetziges oder zukünftiges Tun eine
Entscheidung zu treffen. „Was hab
ich getan?” So fragt das Gewissen,
wenn es darum geht, vergangenes bzw. geschehenes Handeln,
das nun nicht mehr zu ändern ist,
zu beurteilen. Das Recht auf Gewissensfreiheit, d. h. das Recht,
gemäß seines Gewissens so und
nicht anders handeln zu müssen,
und die Anerkennung der unbedingten Verpflichtung, dem eigenen Gewissen zu folgen, gilt selbst
für ein irrendes Gewissen. Um das
zu verstehen, muss man folgende
Unterscheidung beachten: Der Respekt vor dem Gewissen gilt nicht
dem Gewissensurteil selber, sondern dem Menschen, der sich dem
Anspruch verpflichtet fühlt, das
Gute zu tun und das Böse zu vermeiden, und der damit für seine
moralische Identität Sorge trägt.
Allerdings: Ein Handeln nach dem
eigenen Gewissen muss dennoch
verantwortet werden und kann
unter Umständen auch – z. B. strafrechtliche – Konsequenzen haben.
MS
6
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
Was ist Ethik? • 02/2010
7
Ethik praktisch
Werte
Grundpfeiler der Ethik
wiederum überlässt es dem Einzelnen, welche Werte er für sich als
verbindlich erachten möchte.
In der postmodernen Gesellschaft
geht man davon aus, dass es keine
ewigen, unveränderlichen Werte gibt. Werte werden als relativ
angesehen; sie seien nur insofern
und so lange gültig, wie es Menschen gebe, die diese Werte anerkennen und nach ihnen leben
würden. Insofern muss eine solche
Gesellschaft es aushalten, dass in
ihr Menschen ihr Leben nach persönlichen Werten leben wollen.
Allerdings kommt keine Gesellschaft ohne elementare Grundwerte aus, die alle Individuen für
sich als verpflichtend anerkennen,
welcher Weltanschauung oder Religion sie auch anhängen mögen.
Nur auf dieser Basis gemeinsamer
Grundwerte kann dann jeder Einzelne „nach seiner Fasson selig
werden”.
Gesundheit
Treue
sind so tiefgreifend wie kaum jemals zuvor in einer früheren Epoche. Gerade in Zeiten des schnellen Wandels ist es umso wichtiger,
eine Grundorientierung über das,
was uns wirklich etwas wert ist,
einen ethischen Kompass für unser Leben zu haben. Das Thema
„Werte” beschäftigt deshalb zunehmend nicht nur Politiker, Wissenschaftler und Pädagogen, auch
namhafte Wochenmagazine und
Tageszeitungen greifen das Thema immer wieder auf.
Die postmoderne Gesellschaft
ist wesentlich durch drei Erscheinungen geprägt, die in besonderer Weise die Wertefrage betreffen: Säkularismus, Pluralismus
und Individualismus. Während der
Säkularismus die Wertefrage vom
christlichen Glauben losgelöst hat
und Werte areligiös versteht, verzichtet der Pluralismus prinzipiell
auf die Wahrheitsfrage und lässt
einander ausschließende
Aussagen
gleichberechtigt nebeneinanderstehen.
Der Individualismus
MS
Bildung
Macht
Hilfsbereitschaft
oder Ideen, Beziehungen u. a. von
Menschen beigelegt werden. Dabei können einzelne Individuen
andere Werte bevorzugen, als sie
in einer sozialen Gruppe, einem
Verein, einer Partei oder allgemein in einer Gesellschaft gelten.
Dann kann es mitunter zu Wertekollisionen kommen. Wer sich z. B.
als Soldatin oder Soldat nicht an
den in Streitkräften üblichen Werten orientiert, wird schnell zum
Außenseiter. Es gibt aber auch den
umgekehrten Fall: Eine soziale
Gruppe, z. B. bestimmte Manager
in der Finanzwelt oder eine Partei,
setzt bestimmte Werte an oberste
Stelle und gerät damit in Widerspruch zu den in einer Gesellschaft
geltenden Grundwerten. Im einen
Fall führte das bekanntermaßen
zur weltweiten Finanzkrise, im anderen Fall kann das zur Überprüfung der Verfassungskonformität
dieser Partei führen.
Werte sind also Lebensinhalte,
Handlungsziele, Sinndeutungen,
die Individuen, eine Gruppe, eine
Schicht oder die ganze Gesellschaft für erstrebenswert halten.
Doch Werte sind nicht unwandelbar. Das zeigt sich in einer Welt, die
sich in einem immer schnelleren
Tempo ändert. Die Veränderungen
Geld
M
it Werten kann vieles
gemeint sein. Da gibt
es materielle Werte, z. B.
Geld, Macht oder Eigentum, und
immaterielle (ideelle) Werte wie
etwa Gesundheit. Zu den immateriellen Werten zählen auch moralische Werte wie etwa Ehrlichkeit und Treue, geistige Werte
wie etwa Weisheit oder Bildung,
religiöse Werte wie z. B. Hilfsbereitschaft oder soziale Werte; hier
wäre an Gerechtigkeit zu denken.
Werte sind also Vorstellungen
über Eigenschaften, die Dingen
Themen
und Fragestellungen
D
er Fortschritt unserer technisch-wissenschaftlichen
Zivilisation sowie die viele
Bereiche umfassende Globalisierung haben die Menschheit vor
zahlreiche schwerwiegende Herausforderungen gestellt. Dementsprechend spielen ethische
Fragen seit einiger Zeit in vielen
gesellschaftlichen Bereichen eine
wachsende Rolle. So haben sich
Bereichsethiken gebildet. Zu nennen wären etwa Umweltethik,
Wirtschaftsethik,
Medienethik,
Bioethik, Sexualethik, Berufsethik, Wissenschaftsethik und viele
andere mehr. Diese Ethikbereiche
beschäftigen sich mit der Anwendung von moralischen Prinzipien
der allgemeinen – oder genauer:
der normativen – Ethik auf konkrete moralische Konfliktfälle und
Entscheidungen. Deshalb spricht
man auch von angewandter bzw.
praktischer Ethik.
Statt auf jede Bereichsethik gesondert einzugehen, fragen wir, ob
es Grundthemen gibt, die manche
Bereichsethiken gemeinsam haben. Im Folgenden sollen anhand
vier solcher Grundthemen die Fragestellungen und Probleme der
angewandten Ethik exemplarisch
skizziert werden. Die vier Grundthemen lauten: Natur – Leben
– Verantwortung – Gerechtigkeit.
Die ökologische Ethik oder Umweltethik versucht, die richtige
Handlungsweise des Menschen
gegenüber der Natur insgesamt zu
bestimmen. Die vielfältige globale
Bedrohung und die damit verbundene ökologische Krise rückte die
Gesamtnatur ins Zentrum ethischer Betrachtung. Klar ist, dass
der Mensch ein seine Umwelt in
starkem Ausmaß veränderndes
Lebewesen war und ist. Eine der
zentralen Fragen ist jedoch, wie
weit die kultivierende Tätigkeit
des Menschen in die Natur eingreifen soll bzw. wie weit sie das
darf. Im heutigen Zeitalter der
Globalisierung muss der Mensch
zu einer ganzheitlichen Sicht der
Natur kommen, um nicht nur das
Wohlergehen und Überleben der
eigenen Spezies zu sichern, sondern auch das Wohlergehen und
Überleben der ganzen Natur. Die
Menschheit muss für die heute lebenden und zukünftigen Generationen, aber auch für alle Wesen
der Natur Verantwortung übernehmen.
Dass es zur Umweltkrise heutigen
Ausmaßes überhaupt kommen
konnte, hatte historisch seinen
Grund u. a. in dem jeweilig dominierenden Naturverständnis. Bis
ins 19. Jahrhundert hinein wurde
die Natur als Material menschlicher Wunscherfüllung verstanden. Diese Auffassung wurde mit
der unterstellten Überlegenheit
und Höherwertigkeit des Geistes
gegenüber der Natur begründet.
In der Romantik dann verstand
man die Natur als unantastbar;
Natur und das Natürliche galten als das Gute schlechthin; der
Mensch wurde als der Natur untergeordnet angesehen. Schließlich
wurde die Natur als Kosmos, als
gemeinsamer Lebensbereich einer
Vielfalt von Individuen und Arten
aufgefasst. Der Mensch ist hier ein
gleichgeordneter Teil der Natur,
auch wenn allgemein akzeptiert
wird, dass allein der Mensch zu
moralischem Verhalten fähig ist.
Unabhängig von der Frage, ob
der Natur eine eigene moralische
Wertigkeit und damit ein eigener
moralischer Anspruch zukommt,
und auch unabhängig davon, mit
welch unterschiedlichen Motiven
bzw. Begründungen sich Menschen für oder gegen Umweltschutz einsetzen, lassen die Entwicklungen in globaler Hinsicht
den Schluss zu, dass die Menschheit die Natur als ihr Eigentum
betrachtet und sich ihrer Schätze
bedient, wobei sie sich außerordentlich schwertut, die negativen
Folgen ihres Handelns, die sich besonders in der Klimaveränderung
und deren Auswirkungen zeigen,
zu begrenzen.
8
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
Leben
Mit dem Leben beschäftigt sich nicht
nur die Bioethik, sondern auch die
Medizin- und Tierethik. Am Beispiel
der Bioethik sollen einige grundlegende Aspekte der ethischen Fragestellungen zum menschlichen Leben
vorgestellt werden.
schung, die künstliche Befruchtung,
der Schwangerschaftsabbruch, die
Präimplantations- und Pränataldiagnostik, etwa zur Bestimmung von
Erbkrankheiten, sowie nicht zuletzt
das Klonen eine zentrale und öffentlichkeitswirksame Rolle spielen.
Unter Bioethik wird die ethische Reflexion des Umgangs von Menschen
mit der belebten Umwelt, besonders des Umgangs von Menschen
mit anderen Menschen verstanden.
Vorherrschende bio-ethische Problembereiche sind die Gentechnologie, die sich mit Fragen des Erbgutes
von Lebewesen und dessen gezielter
Veränderung (Gentherapie) beschäftigt, sowie die Reproduktionsmedizin, in der die Embryonenfor-
Eines der besonders umstrittenen
Themen der Bioethik ist die Frage,
ab wann dem menschlichen Leben
die volle, uneingeschränkte Menschenwürde und somit der volle
Lebensschutz zuzugestehen sei.
Dies betrifft vor allem das Leben
des Menschen an seinem Anfang
und an seinem Ende. Im Kern gibt
es darauf zwei Antworten: Für die
einen beginnt das menschliche
Leben ab der Verschmelzung der
Samen- und der Eizellkerne, da
diese befruchtete Eizelle schon das
uneingeschränkte Potenzial zur
Entstehung eines Menschen besitzt. Folgerichtig verbietet diese
Ansicht jegliche Manipulation des
Embryos, therapeutisches bzw. reproduktives Klonen und nicht zuletzt auch den Schwangerschaftsabbruch (auch wenn dieser unter
bestimmten Bedingungen straffrei
bleibt) und wird auch im Embryonenschutzgesetz vertreten. – Für
die anderen beginnt menschliches
Leben später, entweder mit der
Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter, mit der
Entstehung des zentralen Nervensystems, mit dem Auftauchen der
ersten Empfindungen, mit der Geburt oder mit dem Zeitpunkt des
Auftretens der Persönlichkeit. Die
genannten Festsetzungen entspringen gesellschaftlich-pragmatischen Überlegungen und haben
weitreichende Folgen: So propagiert etwa der australische Philosoph Peter Singer, dass erst der
Mensch mit Selbstbewusstsein, er
spricht dann von der Person, ein
Recht auf Lebensschutz bzw. Menschenwürde besitze; andere betrachten den Einnistungszeitpunkt
für ausschlaggebend, nicht zuletzt
um die embryonale Stammzellproduktion durch therapeutisches
Klonen zu rechtfertigen, oder die
Entstehung des zentralen Nervensystems, um Schwangerschaftsabbrüche befürworten zu können.
Auch das Problem, wie mit überzähligen befruchteten Embryonen, die bei einer künstlichen
Befruchtung nicht eingepflanzt
wurden, umgegangen werden
soll, hängt direkt mit der Frage
des Manifestwerdens von Menschenwürde zusammen. Hier wie
bei so vielen anderen Problemen
steht allerdings immer wieder die
Frage im Raum: Darf der Mensch
alles, was er (inzwischen) kann?
Auch in der Medizinethik geht es
um den Umgang mit dem Leben
des Menschen. Das beginnt beim
Arzt-Patienten-Verhältnis und endet nicht zuletzt beim Umgang mit
Sterben und Tod. Gerade die Frage
der Sterbehilfe ist ein hochsensibler ethischer Bereich und wird gesellschaftlich kontrovers diskutiert.
Generell scheint Übereinstimmung
heute in folgenden Punkten zu
bestehen: dass die moderne Medizin nicht alle lebensverlängernden
Maßnahmen einsetzen muss und
soll, insbesondere wenn solche Maßnahmen das Leiden des Patienten
unzumutbar verlängern würden.
Ebenso scheint Konsens darüber zu
bestehen, dass ein urteilsfähiger Patient das Recht hat, die Beendigung
lebenserhaltender technischer Maßnahmen zu veranlassen.
Der Begriff „Verantwortung“
spielt vor allem in der Berufsethik,
Gen-Ethik, Medienethik, pädagogischen Ethik, Technikethik und
Wissenschaftsethik eine Schlüsselrolle. Was meint Verantwortung?
Der Begriff hat mit „Antwort”
zu tun. Die umgangssprachlichen
Redewendungen „Ich trage Verantwortung für ...”, „Ich muss
mich verantworten” oder „Ich
werde zur Verantwortung gezogen ...” weisen darauf hin, dass
der Mensch vor einer Aufgabe (z.
B. der Erziehungsaufgabe eines
Vaters oder der Informationsaufgabe eines Journalisten) steht, die
einen Anspruch an ihn stellt, auf
den er antwortet, indem er ihm
gerecht zu werden versucht. Das
heißt, er kann gegenüber diesem
Anspruch auch versagen, indem er
seine Aufgabe nicht gut, sondern
schlecht erfüllt. Er als Antwortgebender ist der Verantwortungsträger und ist verantwortlich für etwas bzw. für jemanden (z. B. sein
Kind oder den Zeitungsleser) und
muss sich verantworten vor einer
moralischen Instanz; es kann sich
dabei um das eigene Gewissen, ein
Gericht, einen Mitmenschen oder
Gott handeln. Auch wenn man
oft sagt, jeder mache doch mal
einen Fehler oder kein Mensch sei
vollkommen, so spürt doch jeder
Mensch irgendwann einmal, dass
er da oder dort etwas schlecht gemacht hat und damit seiner Verantwortung nicht nachgekommen
ist. Nach dem griechischen Philosophen Aristoteles (384-322 v. Chr.)
ist jemand für seine Handlung verantwortlich, wenn er sie freiwillig
ausgeführt hat. Das heißt, Verantwortung haben können setzt
einerseits die Freiheit des Willens
voraus. Andererseits bedeutet Verantwortung nach dem Soziologen
Max Weber (1864-1920), dass man
für die voraussehbaren Folgen seines Handelns aufzukommen hat.
Damit ist eine Verantwortungsethik gemeint, die später dann besonders der Philosoph Hans Jonas
(1903-1993) als Ethik für die technische Zivilisation entfaltet hat.
Um die Reichweite von Verantwortung näher in den Blick zu nehmen, stellen sich weitere Fragen:
Können nur einzelne Individuen
oder auch Gruppen, Institutionen
oder gar eine ganze Gesellschaft
Verantwortung tragen? Kann man
auch für die Unterlassung einer
Handlung zur Verantwortung gezogen werden? Sind wir für die
Spätfolgen unserer Handlungen
verantwortlich? Haben wir Verantwortung für zukünftige Generationen?
An wenigen Beispielen aus den
oben genannten Ethikbereichen
sollen nun diese Fragen konkretisiert werden. Spätestens seit der Erfindung der atomaren, biologischen
und chemischen Massenvernichtungswaffen ist die Verantwortung
der Wissenschaftler Gegenstand
intensiver Diskussion. Es geht dabei
immer wieder auch um die Frage,
ob wissenschaftliche Forschung
wertfrei sein kann bzw. wer für die
Verwendung oder Anwendung wissenschaftlicher For-schungsergebnisse verantwortlich ist.
In der Gen-Ethik geht es um eine
besonders weit reichende Verantwortung, steht hier doch die
Frage im Raum, ob Eingriffe in
das Erbgut des Menschen, aber
auch in das anderer Lebewesen,
überhaupt zulässig sind und, falls
ja, unter welchen Bedingungen
dies der Fall ist. Die Brisanz zeigt
sich darin, dass sich angesichts der
Unumkehrbarkeit eines vollzo-
Was ist Ethik? • 02/2010
9
genen Eingriffes – ganz gleich ob
beim Menschen, beim Tier oder
in der Pflanzenwelt – die Frage
aufdrängt, ob der Mensch nicht
nur die kurz-, sondern auch die
langfristigen Folgen abzuschätzen wirklich in der Lage ist. Bereits
die kontroversen Diskussionen um
gentechnisch veränderten Mais
bzw. um gentechnisch veränderte
Lebensmittel generell und deren
langfristige Folgewirkung auf den
Menschen machen die Tragweite
diesbezüglicher Entscheidungen
sichtbar, wobei erschwerend hinzukommt, dass beträchtliche wirtschaftliche Interessen eine nicht
unerhebliche Rolle spielen. Gerade
angesichts dessen ist die Verant-
Verantwortung
wortung der Wissenschaftler, deren Berufsethos von Eigenschaften
wie Ehrlichkeit, Objektivität, Uneigennützigkeit und Unparteilichkeit geprägt sein sollte, besonders
herausgefordert.
In der Sozialethik, aber auch in der
politischen Ethik oder der Wirtschaftsethik spielt der Begriff der
Gerechtigkeit eine Schlüsselrolle.
„Jedem das Seine” – und nicht:
„Jedem das Gleiche” – ist eine seit
der Antike bekannte Formel für
Gerechtigkeit, obwohl dies immer
wieder auch als ungerecht empfunden wird. Wem es gegeben ist
zu studieren, soll studieren; andere machen z. B. eine handwerkliche oder andere Ausbildung. Jedem das Seine – nämlich das, wozu
er begabt ist und Fähigkeiten mitbringt. Das gilt etwa für Eltern, die
so ihren Kindern Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ist es aber auch
noch gerecht, wenn jemand aus
Armut nicht studieren kann, obwohl er die Fähigkeit dazu hätte?
Wer teilt einem solchen Menschen
„das Seine” zu, wenn es die Eltern
nicht können? Damit kommt die
Gesellschaft in den Blick, die sich
ebenfalls der ethischen Forderung
zu stellen hat, dass es in ihr gerecht zugehen soll. Hier eröffnet
sich ein zentrales Aufgabenfeld
der politischen Ethik.
„Jedem das Seine” könnte aber
auch heißen: „Jedem nach seiner Leistung” oder „Jedem nach
seinen Bedürfnissen”. Das kann
dann ganz unterschiedliche Konsequenzen haben: Bei den einen
führt das zu dem Wahlkampfslogan „Leistung muss sich wieder
lohnen” und die anderen fordern
bestimmte Menschenrechte ein
wie etwa das Recht auf Bildung.
Prinzipiell kann man zwei Formen
der Gerechtigkeit unterscheiden:
Bei der austeilenden Gerechtigkeit geht es um die Verteilung
von Rechten und Pflichten, Gütern
und Lasten. Hier geht es um elementare Fragen des Sozialstaates,
über dessen Aufgaben und Pflichten politisch immer wieder heftig
diskutiert wird. Ist die unbestritten
sich weiter vergrößernde Kluft
zwischen Arm und Reich gerecht?
Ist es gerecht, wenn Gewinne privatisiert, Verluste aber sozialisiert,
d. h. der Allgemeinheit aufgebürdet werden? Wie steht es um
die faire Chancengleichheit aller
oder um die Lebensverbesserung
der am meisten Benachteiligten?
Oder ist die Idee des Sozialstaates
überhaupt eine ungerechtfertigte
Einschränkung von Freiheit, wie es
der Neoliberalismus behauptet? –
Die ausgleichende Gerechtigkeit
dagegen betrifft den Tausch von
Dingen, die Wiedergutmachung
von Schaden und die Strafe bei
Rechtsverletzungen. Auch hier
stellen sich Fragen, so z. B.: Welche
Kriterien für gerechte Strafen sollen herangezogen werden?
Die Frage nach Gerechtigkeit hat
in jüngster Zeit eine Ausweitung
erfahren auf die Gerechtigkeit
gegenüber zukünftigen Generationen sowie auf Fragen der internationalen und globalen Gerechtigkeit. Hier sind vor allem
die politische Ethik und die Wirtschaftsethik herausgefordert.
MS
10
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
F
ür Soldatinnen und Soldaten,
besonders wenn sie in einen
Auslandseinsatz
geschickt
werden, ist eine Militärethik von
zentraler Bedeutung. Aber nicht
nur sie, auch Staat und Gesellschaft
benötigen eine solche, schließlich
sind sie es, die ihre Streitkräfte in
einen militärischen Konflikt schicken. Für diesen Auftrag tragen
im Letzten sie die Verantwortung,
was nicht zuletzt durch die von
der Politik definierten Rules of Engagement zum Ausdruck kommt,
und sie haben den Einsatz von
Streitkräften zu begründen und zu
rechtfertigen.
Eine Militärethik hat mehrere Bezugsfelder. An dieser Stelle soll auf
drei besonders wichtige Ebenen
eingegangen werden: Als Erstes
wäre die philosophisch-theologische Tradition, die in der „Lehre
vom gerechten Krieg” ihren Niederschlag fand, zu nennen. Zweitens spielt die völkerrechtliche Perspektive eine zentrale Rolle. Und
drittens geht es um die Bedeutung des Soldaten als ein für sein
Handeln verantwortlicher Mensch
bzw. um die Frage: „Wie soll ein
heutiger Soldat sein?” oder „Aus
welcher Grundhaltung heraus soll
ein heutiger Soldat handeln und
sich verhalten?”.
Militärethik
Aus welcher Grundhaltung heraus soll
ein heutiger Soldat handeln und sich
verhalten?
Viele Jahrhunderte beherrschte
die „Lehre vom gerechten Krieg”
das Nachdenken über Krieg und
Frieden. Der Begriff entstand in
der griechisch-römischen Antike.
Schon Platon ging es um die gerechte Vermeidung und Lösung
gewaltsamer Konflikte. In seiner
Schrift „Politeia” formulierte er
die ersten Bedingungen, die einen
Krieg rechtfertigen würden. Auch
das Römische Reich versuchte,
seine Eroberungsfeldzüge zu legitimieren, weil es annahm, dass
nur ein gerechtfertigter Krieg die
Unterstützung der Götter habe.
Cicero (106-43 v. Chr.), der Konsul war und zugleich Schriftsteller
wie Philosoph, nannte in einer
seiner Schriften zur praktischen
Thomas von Aquin (1225-1274)
Ethik fünf Grundbedingungen:
Ein Krieg müsse auf erlittenes Unrecht reagieren, auf gescheiterte
Verhandlungsversuche erfolgen,
von der politischen Zentralmacht
geführt und von sakralen Autoritäten formal legitimiert werden
sowie den verletzten Rechtszustand wiederherstellen bzw. Schäden wiedergutmachen. Dass Cicero dieses Recht zum Krieg auf die
Erhaltung des römischen Weltreiches bezog, sei nur nebenbei
erwähnt; aber es zeigt, dass nicht
alle Völker als gleichwertig existenzberechtigt angesehen wurden. Auf dieser von der Antike
grundgelegten Basis entwickelte
vor allem Thomas von Aquin
(1225-1274) eine systematische
„Lehre vom gerechten Krieg”. In
dieser seit dem Mittelalter weiterentwickelten und bis in unsere
Zeit hineinreichenden Konzeption wurde ein Kriterienkatalog
erarbeitet, mit dessen Hilfe man
zu spezifizieren versucht, unter
welchen Umständen welche Ziele
welche militärische Gewalt oder
Gewaltandrohung zu rechtfertigen vermögen. Dabei führte sie
die Unterscheidung in ein “„Recht
zum Krieg” (ius ad bellum) und ein
„Recht im Krieg” (ius in bello) ein.
Ein Recht zum Krieg wird als gegeben angesehen, wenn (1) eine legitime Autorität ihn erklärt, wenn
(2) ein gerechter Grund vorliegt,
wenn (3) die rechte Absicht gegeben ist (und z. B. nicht heimlich ein
Eroberungskrieg intendiert ist),
wenn (4) Krieg die letzte Möglichkeit darstellt (ultima ratio) und
wenn (5) eine berechtigte Aussicht
auf Erfolg besteht. Erst bei Erfülltsein sämtlicher Bedingungen kann
von einem ethisch zu rechtfertigenden Krieg gesprochen werden.
Im Krieg selber sind die Verhältnismäßigkeit der Mittel sowie die
Was ist Ethik? • 02/2010
11
Schonung der Zivilbevölkerung als
Nichtbeteiligte, gemäß der Unterscheidung von Kombattanten und
Nichtkombattanten, ethisch zwingend geboten.
Unter dem Eindruck der beiden
Weltkriege und der Entwicklung
von Massenvernichtungsmitteln
war die Rede vom „gerechten
Krieg” obsolet geworden und
wurde vom „gerechten Frieden”
abgelöst. Zu der vom Militär zu
leistenden
Friedenssicherung
rückte die Friedensförderung in
den Mittelpunkt. Durch sie sollen
die Kriegsursachen bekämpft werden. Wenn die Würde aller Menschen geachtet und die daraus
resultierenden
Menschenrechte
eingehalten werden, wenn im
Zusammenspiel der Nationen das
Gemeinwohl Vorrang hat und in
den internationalen Beziehungen
Gerechtigkeit geübt wird und
wenn nicht zuletzt die Bewahrung
der Schöpfung aktiv und effektiv
gestaltet wird, kann kriegerischen
Auseinandersetzungen der Boden
entzogen und ein gerechter Friede geschaffen werden, in dem die
Probleme der Weltgemeinschaft
angegangen werden können.
Mit dem Einsetzen durch UN-Mandat legitimierter humanitärer militärischer Interventionen erhielten
die Kriterien der klassischen Lehre
vom gerechten Krieg neue Aktualität, nachdem sie zuvor überwunden schienen. Allerdings wurden sie im Hinblick auf die neue
Einsatzrealität erweitert. „Jede
militärische
Intervention”,
so
mahnten die Deutschen Bischöfe
in ihrem Schreiben „Gerechter
Friede” (2000), „muss mit einer
politischen Perspektive verbunden
sein, die grundsätzlich mehr beinhaltet als die Rückkehr zum Status
quo ante.” Neben dieser Forderung nach einem politischen Konzept wird ein Konzept der Konfliktnachsorge angemahnt. Diese
beinhaltet z. B. Hilfe beim Wiederaufbau, Wiedereingliederung
von Flüchtlingen, die Beseitigung
von Kriegsschäden usw. Das Völ-
12
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
Konfliktnachsorge sollte auch Wiederaufbau,
Beseitigung von Kriegsschäden und die Wiedereingliederung von Flüchtlingen beinhalten
kerrecht löste die philosophischtheologische Lehre vom gerechten
Krieg ab und entwickelte sich zu
einem umfassenden Friedensvölkerrecht. Dieses soll einen gerechten Frieden in Freiheit aller Staaten schützen und ermöglichen,
doch ging dem eine lange Entwicklungsgeschichte voraus.
Seit der Neuzeit, also etwa mit Beginn des 16. Jahrhunderts, setzte
eine Entwicklung ein zur Bildung
souveräner Nationalstaaten; diese
verknüpften Krieg eng mit Politik.
Der Souverän, d. h. der jeweilige
Herrscher, nahm für sich das Recht
in Anspruch, Kriege zu führen. Zu
Beginn des 20. Jahrhunderts begann diese Rechtsauffassung zu
bröckeln. Die Haager Landkriegsordnung von 1907 schrieb den
damals revolutionären Satz: „Die
Staaten haben kein unbegrenztes
Recht in der Wahl der Mittel zur
Schädigung des Feindes.” Aber im-
mer noch galt der Krieg als „Fortsetzung der Politik mit anderen
Mitteln”. Das änderte sich mit dem
Briand-Kellogg-Pakt von 1928,
der von insgesamt 62 Nationen
unterzeichnet wurde. Diese verzichteten darauf, den Krieg zum
Werkzeug ihrer Politik zu machen,
und erklärten, in Zukunft Streitigkeiten friedlich zu lösen. Insbesondere der aus nationalen Interessen
geführte Angriffskrieg wurde für
völkerrechtswidrig erklärt. Der
Nationalsozialismus machte all
diesen Bemühungen vorübergehend ein Ende. Doch die Idee eines
Völkerrechts, dessen Kern in dem
Gewaltverbot zwischen Staaten
bestand, blieb lebendig. Und die
Schrecken der beiden Weltkriege
führten zu der Überzeugung, dass
die Frage von Krieg und Frieden
die Weltgemeinschaft insgesamt
angehe und allein von ihr zu beantworten sei. So wurde mit den
Vereinten Nationen eine Weltautorität geschaffen, von der man
sich erhoffte, sie vereine die nötige Macht auf sich, in Zukunft
Kriege zu verhindern. Im Weltsicherheitsrat als dem entscheidenden Gremium der UNO wurde
die einzig legitime Autorität gesehen, von der schon in der Lehre vom gerechten Krieg die Rede
war und die allein über Krieg und
Frieden entscheiden sollte. In ihrer
Charta von 1948 wiederholten die
Vereinten Nationen nicht nur die
Ächtung des Krieges, sondern verpflichteten auch alle Mitglieder,
nicht nur auf die Anwendung, sondern schon auf die Androhung von
Gewalt zu verzichten. Darüber hinaus schufen sie Verfahrensregeln,
nach denen es nur ihnen zustand,
eine Gefährdung des Weltfriedens
festzustellen und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen (siehe UN-Charta, Kapitel VI und VII).
Diese beinhalten z.B. Sanktionen
verschiedenster Art und führen
erst als letzte Möglichkeit, wenn
alle anderen Wege einer friedlichen Beilegung gescheitert sind,
zu einem militärischen Einsatz,
wobei sich auch hier die Nähe zur
klassischen Lehre vom gerechten
Krieg und deren Kriterien zeigt.
Ein Militäreinsatz ist demnach im
Letzten dann nicht völkerrechtswidrig und damit ethisch legitimiert, wenn ein UN-Mandat vorliegt. Dem widerspricht nicht, dass
ein Land, das angegriffen wird,
sehr wohl zunächst das Recht auf
Selbstverteidigung hat. Wenn
auch die Realität oft eine andere
ist, so besteht doch weitgehende Einigkeit darin, dass nur durch
die Anerkennung und Unterstützung dieser einzigen legitimen
Autorität der Weltfriede gewahrt
bleiben kann. Allerdings ist Frieden mehr als die Abwesenheit
von Krieg. Das vielfältige globale
Engagement der Vereinten Nationen, für das die Armutsbekämpfung ein Beispiel darstellt, führt
vor Augen, dass zum Frieden die
Achtung der Menschenwürde, die
Geltung elementarer Menschenrechte und anderes mehr unabdingbar dazugehören.
Von besonderer ethischer Relevanz
ist ein militärischer Einsatz ohne
UN-Mandat. Der Kosovo-Krieg
kann als Zeichen des Umdenkens
hinsichtlich völkerrechtlicher Prinzipien angesehen werden. Bisher
galt die völkerrechtliche Maxime,
dass in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates
nicht eingegriffen werden dürfe. Diese fehlende Legitimation
resultiert aus der Blockade eines
oder mehrerer Mitglieder im UNWeltsicherheitsrat, die ganz unterschiedliche, zumeist aber nationalstaatliche Interessen betreffende
Gründe haben. Ein solcher Einsatz
wird heute dann als gerechtfertigt
angesehen, wenn folgende Kriterien vorliegen: Entweder muss
ein völliger Verfall der staatlichen
Ordnung und Gesellschaft gegeben sein oder es müssen massive
Verletzungen der Menschenrechte mit der Gefahr der Ausweitung
zum Völkermord bzw. massiver
Vertreibungen objektiv feststellbar sein.
Ein wichtiges Moment im (Kriegs-)
Völkerrecht stellen die Genfer
Konventionen dar. Sie betreffen –
nach einem Begriff der Lehre vom
gerechten Krieg - das „Recht im
Krieg” (ius in bello). In ihnen geht
es u. a. um den menschenwürdigen
Umgang mit Gefangenen, um den
Schutz der Zivilbevölkerung und um
das Schicksal von Flüchtlingen. Soldatinnen und Soldaten sind auch
hier als ethisch reflektierte und gebildete Menschen herausgefordert,
weil es hier um Werte geht, auf
die sich die Weltgemeinschaft als
unbedingt gültige Werte geeinigt
hat – auch wenn oftmals die deprimierende Erfahrung nicht ausbleibt,
dass das eigene ethische Engagement keine Nachahmung findet.
Dieser Aspekt verweist auf die Soldatin bzw. den Soldaten selber.
„Aus welcher Grundhaltung heraus soll ein heutiger Soldat handeln und sich verhalten?”, lautet
die Frage. Worum es geht, mag
ein Beispiel verdeutlichen: Den
meisten dürften noch die Bilder
aus dem irakischen Gefängnis Abu
Ghuraib im Jahre 2004 in Erinnerung sein, die Folterungen von
irakischen Gefangenen durch USSoldaten zeigen. Ohne auf den
weltweit Entsetzen ausgelöst habenden Folterskandal näher einzugehen, zeigt sich hier, dass die
betreffenden Soldaten sehr wahrscheinlich von Hass, Rache oder
der Lust am Quälen erfüllt waren
und sich einem erschreckendem
Machtmissbrauch hingaben. Unterstellen wir ihnen, dass sie das
nötige Wissen um das ethisch richtige Handeln gehabt haben, hatte dies aber keine Auswirkungen
auf ihr tatsächliches Handeln,
das offensichtlich eher von ganz
persönlichen Gefühlen gesteuert
wurde. Aus Alltagssituationen wissen die meisten, dass die Einsicht
in das Richtige das eine, das entsprechende Handeln aber etwas
anderes ist. Zwischen Einsicht und
Handeln können sich persönliche
Interessen, Neigungen, Ängste
und Leidenschaften schieben. Dies
gilt es immer wieder sehr bewusst
wahrzunehmen. Für Soldatinnen
und Soldaten heißt dies: Eine Armee ist darauf angewiesen, dass
sich ihre Soldaten mit den ethischen Grundlagen der Institution „Bundeswehr” identifizieren; diese haben ihre Basis in den
Grundwerten der Verfassung. Andernfalls würde der Armee der
notwendige innere Zusammenhalt
und den Soldaten der tragende
Orientierungsrahmen fehlen; die
Folgen können von der inneren
Kündigung bis hin zur Korruptionsanfälligkeit oder dem oben
beschriebenen Machtmissbrauch
reichen.
Versucht man, das globale Engagement der Bundeswehr auf dem
Hintergrund der Inneren Führung
und damit die ethische Grundlage
der Streitkräfte mit einer Formel
zu bezeichnen, so wird es wahrscheinlich am treffendsten – in
Anlehnung an den Militärethiker
Dieter Baumann – mit der Leitbestimmung „Gerechter Friede
in Freiheit” charakterisiert. Dem
entspricht auf soldatischer Seite
als Grundhaltung das „Ethos der
Achtung der Menschenwürde
und der Rechtsbefolgung”. „Darunter”, schreibt Baumann, „wird
eine Grundhaltung verstanden,
die jeden militärischen Gegner als
Mensch akzeptiert”. Auch der Terrorist habe als Mensch prinzipiell
die gleiche Würde wie der eigene
Was ist Ethik? • 02/2010
13
Kamerad. Und Gewaltanwendung
dürfe „nicht aus Hass, Rache oder
Lust geschehen, sondern nur aus
Zwang oder in Notsituationen für
eine rechtlich geordnete Gemeinschaft”. Diese Grundhaltung helfe
dem Einzelnen, selbst in Extremsituationen seine mitunter nachvollziehbaren negativen Gefühle
zumindest zu beherrschen.
Eine solche Grundhaltung verlangt
dem Einzelnen viel ab. Dabei kann
ihm helfen, wenn er sich das Leitbild des Soldaten heute als „Miles
Protector”, also als Schutzsoldat,
zu eigen macht und dieses als sein
Selbstverständnis
verinnerlicht.
Seine Berufung ist es, die internationale und nationale Rechtsordnung gegen widerrechtliche und
illegitime Gewalt zu schützen.
Er ist Retter und Helfer, Beschützender und im Notfall auch Kämpfender.
Folterszene im Gefängnis Abu Ghraib
MS
14
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
Normen
I
ndividuum A möchte ein bestimmtes Grundstück für sich
allein nutzen, Individuum B
möchte aber ebenfalls Zutritt auf
dieses Grundstück haben. Es können nicht beide Individuen ihren
Willen erfüllt bekommen.
Wenn nun jede Konfliktpartei ihren Willen ohne Rücksicht auf die
andere Partei durchzusetzen versucht, so wird daraus ein offener
Streit und es kommt zum Kampf.
Im äußersten Fall ist es ein Kampf
auf Leben und Tod unter Einsatz
aller zur Verfügung stehenden
Mittel.
Wie Normen entstehen
Vier Milliarden Menschen müssen mit
weniger als zwei Dollar am Tag auskommen.
Konfliktverschiebung
durch Zwang oder Drohung
A kann versuchen, seinen Willen
durchzusetzen, indem er androht,
jeden zu erschießen, der das
Grundstück betritt.
Wenn B nicht erschossen werden
will und sich gegen einen Schuss
von A auch nicht schützen kann,
wird B unter diesen neuen, von
A geschaffenen Bedingungen
das Grundstück nicht mehr betreten wollen. Insofern wäre der ursprüngliche Konflikt nicht mehr
akut.
Jetzt gibt es aber dafür einen neuen Konflikt, denn B ist nicht damit
einverstanden, dass A ihn derart bedroht. Somit wurde der Konflikt nur
verschoben, er ist nicht beseitigt.
Wenn B gegen die Drohung von A
machtlos ist und sich im eigenen
Interesse fügt, so ergibt sich eine
Situation der erzwungenen Unterordnung von B unter A, die zwar
relativ stabil sein mag, die jedoch
durch nichts gerechtfertigt werden
kann.
Zu sagen, dass hier „das Recht des
Stärkeren” gilt, wäre nur ein schön-
färberischer Ausdruck dafür, dass
den gesetzten Normen keinerlei
nachvollziehbare Rechtfertigung
zukommt. Man kann mit der gleichen Berechtigung sagen, dass hier
das „Gesetz des Dschungels” gilt.
A kann gegenüber B dessen Unterordnung nicht mit für B einsichtigen Argumenten begründen. Er
kann nur unter Verweis auf seine
überlegenen Möglichkeiten, B zu
schaden, B zu verstehen geben,
dass es in dessen eigenem Interesse liegt, gemäß dem Willen von A
zu handeln.
Konfliktlösung durch Einigung
Die Austragung eines Konfliktes
kann jedoch auch dadurch vermieden werden, dass eine Regelung
für das Handeln der Beteiligten
gesucht wird, der jede Konfliktpartei zustimmen kann, ohne dass
sie dazu gezwungen oder deswegen bedroht wurde. Sie beruht
auf der freiwilligen Einigung der
Beteiligten.
Die so gewonnenen Normen können dem ursprünglichen individuellen Willen ebenfalls entgegenstehen. Trotzdem stellen sie keine
Gewalt gegenüber irgendeiner
Partei dar, denn diesen Normen
hat jede Partei freiwillig zugestimmt.
Die Frage ist, wie sich angesichts
bestehender Konflikte in Form
miteinander unvereinbarer Willensinhalte verschiedener Subjekte
Regelungen für das Handeln finden lassen, denen alle Beteiligten
zustimmen können.
Die vertragliche Einigung
Eine Möglichkeit ist die vertragliche Einigung, d.h. die Suche nach
Bereichen, in denen die Willensin-
halte bestimmter Individuen, hier
A und B, übereinstimmen, wobei
die bestehenden Verhältnisse,
nämlich dass A allein das Grundstück nutzen will, zunächst als
gegeben akzeptiert werden. Das
bedeutet: Insofern es zu keiner Einigung kommt, bleibt es beim Status quo. Eine Einigung gilt nur für
die sich einigenden Parteien, obwohl die Einigung Auswirkungen
auf Dritte haben kann. Im Extremfall können sich zwei sogar zum
Nachteil eines Dritten und gegen
diesen vereinigen. Damit ist aber
die vertragliche Einigung zwischen
A und B nicht wirklich ausreichend
für die Lösung des Problems, denn
es soll ja eine Lösung gefunden
werden, die grundsätzlich – und
nicht nur für A und B – gelten soll.
Die argumentative Einigung
Dazu müssen die miteinander
nicht zu vereinbarenden Willensinhalte aller betroffenen Subjekte
durch einen gemeinsamen Willen
ersetzt werden, der beinhaltet,
wie gehandelt werden soll. Die
Frage „Wie sollen die an diesem
Konflikt Beteiligten handeln?” ist
eine normative Frage nach dem,
was sein soll. Wie können solche
normativen Fragen aber beantwortet werden?
Kriterien für die Beantwortung
normativer Fragen
Die Antworten auf normative Fragen dieser Art sind Sätze, die beinhalten, wie Menschen handeln sollen – oder genauer: wie bestimmte
Individuen in bestimmten Situationen handeln sollen. Beispiele für
derartige Normen sind Sätze wie
„Versprechen soll man halten!”,
„Komm pünktlich zum Unterricht
Was ist Ethik? • 02/2010
15
in der Schule!” oder „Der Polizist
hätte unter diesen Umständen
nicht schießen dürfen”.
Derartige Antworten müssen also
so beschaffen sein, dass sie die
Zustimmung aller Beteiligten finden können, andernfalls wären
sie nicht zur Lösung des Konfliktes
geeignet.
Sätze, die mit einem Anspruch
auf allgemeine Zustimmung verbunden sind, sollen im Folgenden
als „Behauptungen” bezeichnet
werden. Zum Beispiel ist der Satz
„Berlin hatte 1925 mehr als vier
Millionen Einwohner” eine solche
Behauptung, und zwar faktischer
Art, mit einem Anspruch auf Zustimmung bzw. Anerkennung.
Im Unterschied dazu handelt es
sich bei Sätzen in einem Gedicht,
Märchen oder Witz nicht um Behauptungen mit Anspruch auf Zustimmung.
Dieser Anspruch auf Anerkennung für Behauptungen wird immer und gegenüber allen Person
erhoben, er gilt also „intertemporal”, d. h. jederzeit, und „interpersonal”, d. h. für alle gleichermaßen. Ein derartiger Anspruch
soll im Folgenden als „allgemeiner Geltungsanspruch” bezeichnet werden.
Die Problemstellung, um die es
hier geht, lässt sich demnach folgendermaßen formulieren: Auf
die Frage, wie Individuum A in
der oben beschriebenen Situation
handeln soll, wird eine Antwort
gesucht, die einen Anspruch auf
allgemeine Geltung besitzt. Gesucht werden also Normen mit
allgemeinem Geltungsbereich.
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
EN ISO 4074
rechts vor links
normiert
B
Über die Eigenart
von Normen
erinnert sei. Im Sozialen prägen
Normen das Gruppenverhalten.
In der Wirtschaft sind Normen
wichtig z. B. im Bereich der Personalführung. Und im Sport sind
Normen zumeist in Regeln gefasst.
Nicht zuletzt spielen Normen im
Straßenverkehr eine wichtige Rolle (z. B. die Vorfahrtsregel „Rechts
vor links”). Normen erleichtern
das Leben bzw. das Miteinander
von Menschen; sie „normalisieren” es. Sie geben, wenn es z.B.
um technische Normen geht, dem
Hersteller eine Vorgabe und dem
Verbraucher das Vertrauen, dass
der erworbene Gegenstand nach
allgemein verbindlichen Kriterien
hergestellt worden ist und somit
„normal” funktioniert.
Besonders hervorgehoben seien
die sozialen Normen. Diese stellen Vorschriften dar, die das Verhalten in einer sozialen Situation
betreffen. Wer sich entsprechend
verhält, verhält sich „normal”.
Viele der im sozialen Bereich wirksamen Normen sind den meisten
Menschen nicht immer bewusst,
so selbstverständlich sind sie geworden (z. B. Menschen auf der
Straße nicht anzurempeln). Soziale
Normen sind von den meisten Gesellschaftsmitgliedern akzeptierte
und vertretene Vorstellungen,
Handlungsmaximen und Verhaltensmaßregeln, z. B. dass man
Das Kind erlernt die jeweils in der
Gesellschaft geltenden sozialen
Normen während der Erziehung
im Elternhaus, in der Schule, in
der Gleichaltrigengruppe, durch
die Medien – also in dem ganzen
Prozess seiner Sozialisation. Mit
den Jahren erweitert sich die Anzahl der Normen und der Heranwachsende passt sich immer mehr
der Gesellschaft an. Von einem
erwachsenen Menschen erwarten
die Leute, dass er die meisten Nor-
men kennt und beachtet, sodass er
in der Öffentlichkeit nicht unangenehm auffällt. Die Einhaltung der
sozialen Normen unterliegt der
sozialen Kontrolle; Verstöße dagegen können Sanktionen zur Folge
haben.
Die einzelnen Normen sind nicht
alle gleich wichtig. Je wichtiger
eine soziale Norm für das gesellschaftliche Zusammenleben ist, desto mehr Anstrengungen werden
unternommen, ihre Geltung durchzusetzen. Bei hoher Relevanz, z. B.
beim Schutz von Privateigentum,
werden soziale Normen durch Gesetze kodifiziert und über Strafandrohung durchgesetzt.
Was sind also Normen? Was macht
ihre Eigenart aus?
Als Norm wird ein Satz bezeichnet, der nichts beschreibt, sondern etwas vorschreibt. Normen
beinhalten also nicht, wie die
Wirklichkeit ist, sondern wie die
Wirklichkeit sein soll. Normen sind
„Soll-Sätze”. Moralische Normen
beinhalten, wie Menschen in bestimmten Situationen handeln
sollen, welche persönlichen Ziele
auch immer sie haben mögen. In
der Erziehung werden z. B. Kinder
aufgefordert: „Du sollst dem Besuch die Hand zur Begrüßung geben!” Gebräuchlicher ist allerdings
die negative Variante: „Du sollst
nicht ... töten, ehebrechen, lügen!”
Normen stellen also nichts fest,
sondern sie fordern zu etwas auf
oder sie verbieten etwas. Zur Eigenart von Normen gehört es,
dass sie konsensfähig sein sollen;
Menschen sollen den Normen aus
freiem Willen, d. h. aus Einsicht,
zustimmen können. Wenn jemand
das Ziel nicht teilt, allein durch
einsichtige Argumente einen Konsens zu erreichen, dann sollte er
sich über die Konsequenzen einer
solchen Haltung klar sein: Er kann
dann zwar für die von ihm vertretenen Normen Gehorsam fordern
und möglicherweise auch erzwingen, er kann jedoch nicht beanspruchen, in Bezug auf diese Normen in irgendeiner Weise „Recht”
zu haben oder „die Wahrheit” zu
vertreten. – Die Zustimmung darf
auch nicht nur einmalig, d. h. auf
den Einzelfall bezogen, sondern
sie muss dauerhaft sein. Es macht
keinen Sinn, wenn z.B. die Norm
„Du sollst nicht lügen” nur heute, aber morgen schon nicht mehr
gilt. Damit haben Normen auch
den Charakter der Verallgemeinerbarkeit. Darüber hinaus gilt: Einer
Norm zustimmen, also sie anerkennen, sie akzeptieren und bejahen bedeutet, dass man der Befolgung dieser Norm grundsätzlich
zustimmt.
An dieser Stelle sei auf einen besonderen Umstand hingewiesen:
Der Norm „Du sollst Versprechen
halten” wird zunächst einmal jeder zustimmen können. Aber gilt
dies absolut? Das soll am Beispiel
des Eheversprechens präzisiert
werden. Ein Eheversprechen impliziert, dass man den anderen
liebt. Vielleicht war dies zu dem
Zeitpunkt, an dem das Eheversprechen abgegeben wurde, auch der
Fall. Aber was ist, wenn jemand
inzwischen zu der Erkenntnis gelangt, dass er den anderen doch
nicht bzw. nicht mehr liebt? Damit
würde doch die Einhaltung des
Eheversprechens, d. h. die Heirat,
auf einer Lüge basieren. Gilt aber
nicht auch die Norm „Du sollst
nicht lügen”? An dieser Stelle tut
sich offenbar eine Normenkollision auf und es stellt sich die Frage,
welche Norm nun den höheren
Wert hat. Aber auch die Norm
„Du sollst nicht lügen” gilt nicht
absolut. Man spricht z. B. von der
„Notlüge” und meint damit, dass
man sie einsetzt, um von sich oder
einem anderen einen schweren
Schaden oder gar eine Lebensgefahr oder Ähnliches abzuwenden.
Wer allerdings lügt, um z. B. einen
eigenen Fehler zu verheimlichen,
um seinen eigenen Vorteil nicht zu
gefährden oder um einen anderen
zu schädigen, kann sich nicht auf
das Gebotensein einer „Notlüge”
berufen.
rechts vor links DIN-Norm
rechts vor links
17
DIN 1989 Im Zweifel für
normal den Angeklagten
DIN 1989
Normen
ei der Frage, was eine Norm
bzw. was Normen sind, fallen einem Worte ein wie
„normal”, „Normalität”, „Normalmaß”, „DIN-Norm”, „normiert”,
„normativ” usw. All diesen Begriffen ist gemeinsam, dass damit eine
Richtlinie oder ein Maßstab vorgegeben wird, der allgemein anerkannt wird und damit allgemeine
Zustimmung erfährt.
Unsere ganze Lebenswirklichkeit
ist von Normen durchsetzt. Das beginnt z. B. bei den DIN-Normen für
Papiergrößen, betrifft aber auch
Regenwassernutzungsanlagen
(DIN 1989), Schienbeinschützer für
Fußballspieler (DIN 13061) und endet nicht zuletzt bei der Normierung von Kondomen, für die die
internationale Norm EN ISO 4074
gilt. In der gesamten industriellen
Welt sind – vor allem technische
– DIN-Normen beherrschend und
wer ein Haus bauen will, hat ebenfalls eine Fülle von DIN-Normen
zu beachten. Im Bereich des Politischen sorgen Normen für einen
funktionierenden Ablauf demokratischer Prozesse. Im Bereich
des Rechts sind Normen zumeist in
Gesetze gefasst, aber nicht immer,
wie die Norm „Im Zweifel für den
Angeklagten”, belegt. Die Religion kennt eine Vielzahl von Normen, wobei hier nur an die Zehn
Gebote oder an die Bergpredigt
DIN 1989
Normalmaß
beim Essen nicht schmatzt. Sie
strukturieren so die Erwartungen
der Interaktionspartner in einer Situation und machen das Handeln
und Reagieren in einem gewissen
Maße vorhersagbar, sie engen
mitunter aber auch die Verhaltensmöglichkeiten ein. Sie sind
gesellschaftlich und kulturell bedingt und daher in den Kulturen
verschieden und auch im Zuge
der gesellschaftlichen Entwicklung wandelbar. Ein Beispiel dafür
ist das Begrüßungsritual: Sich per
Handschlag zu begrüßen ist keineswegs eine weltweit geltende
Norm. Und selbst in Deutschland
hat sich hier in den letzten Jahrzehnten ein Wandel vollzogen;
Umarmungen, Wangenküsse und
andere Rituale waren noch vor wenigen Jahrzehnten unüblich, sind
aber heutzutage weit verbreitet.
Was ist Ethik? • 02/2010
normal
16
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
Normen
Was soll ich tun? Was ist gut, was ist
schlecht? Was ist richtig oder falsch?
Was ist Ethik? • 02/2010
19
Normen
18
Normen
und Werte
N
Über die Funktion von Normen
„Du sollst den unterlegenen Gegner, der sich ergibt, schonen!“
– Eine Norm im Tierreich?
K
ennen Tiere Normen?
Wenn man ihr Verhalten
beobachtet, könnte man
geneigt sein, diese Frage zu bejahen. Bei Hunden und anderen
Tieren kann man feststellen, dass
im Kampf die Haltung des Sichergebens in der Regel nicht dazu
führt, dass der Gegner einen tödlichen Biss ausführt. Das könnte zu
dem Eindruck führen, als gelte in
der Tierwelt die Norm „Du sollst
den unterlegenen Gegner, der sich
ergibt, schonen!”. Doch das dürfte
wohl eher eine menschliche Übertragung sein. Biologen sehen hier
eher ein instinktgeleitetes Verhalten am Werk.
Da uns unsere tägliche Erfahrung
lehrt, dass Menschen oft diese
Hemmung fehlt, stellt sich die Frage: Brauchen Menschen Normen?
Und welche Funktion haben dann
Normen?
Die moderne Anthropologie, also
die Wissenschaft vom Menschen,
lehrt uns in der Tat, dass der
Mensch das instinktunsichere, das
offene Wesen ist, das sich seine
Regeln des Zusammenlebens erst
schaffen bzw. durch Sozialisation
aneignen muss. So haben Normen
zum einen die Funktion der Orientierung: Sie sind ein Ersatz für
die mangelnde Instinktgebundenheit des Menschen und helfen bei
der Orientierung im zwischenmenschlichen
Zusammenleben.
Zum anderen haben sie die Funktion der Entlastung: Der Mensch
wird vom dauernden Reflektieren
„Was soll ich tun? Was ist gut,
was ist schlecht? Was ist richtig
oder falsch?” entlastet. Lediglich
in Konfliktsituationen muss er sich
bewusst entscheiden. Darüber hinaus haben Normen die Funktion
zu stabilisieren: Sie sorgen für die
Integration des persönlichen Verhaltens in die soziale Gemeinschaft
und ermöglichen die Ausbildung
einer Ich-Identität.
Diesen unzweifelhaft Vorteilen
stehen aber auch Nachteile gegenüber: Normen schränken die
persönliche Freiheit ein. Gerade
Gruppennormen stellen auch einen
gewissen Zwang zur Einhaltung
dar, will man nicht von der Gruppe
ausgeschlossen werden. Normen
können aber auch zu einem Nachlassen der kritischen Reflexionsbereitschaft führen – was alle tun,
muss nicht immer auch das Richtige oder Gute sein. Es gibt wohl
nur wenige Normen, die nicht dem
Wandel der Zeit unterliegen. Besonders deutlich zeigt sich dies an
der Stellung der Frau in der Gesellschaft. Normen wandeln sich, weil
sich die zugrunde liegenden gesellschaftlichen Verhältnisse ändern.
Traditionelle Normen werden
dann der Lebenswirklichkeit
nicht mehr gerecht.
ormen liegen in der Regel
Werte zugrunde. Anders
ausgedrückt: Damit Werte wie z.B. „Freiheit” oder „Gerechtigkeit” verwirklicht werden
können, bedürfen sie bestimmter
Normen.
Der Zusammenhang von Normen
und Werten soll an einem konkreten Beispiel verdeutlicht werden. In der Schule gilt wie selbstverständlich die Norm „Ein Lehrer
darf keinen Schüler bevorzugen!”.
Spontan würden viele vermutlich
sofort ergänzen: „weil dies ungerecht wäre”. Die konkrete Norm
hat somit einen Bezug zum Wert
„Gerechtigkeit”. Doch die Bevorzugung eines Schülers würde auch
gegen den Wert „Gleichheit” verstoßen. Und nicht zuletzt würde
sie Missachtung gegenüber den
anderen Schülern zum Ausdruck
bringen; somit liegt der konkreten
Norm auch der Wert „Achtung”
zugrunde. Es zeigt sich also: Eine
Norm kann einen Bezug zu unterschiedlichen Werten haben. Nicht
immer sind die einer Norm zugrunde liegenden Werte auch bewusst. Ein Beispiel: Während einer
Diskussion lässt man, ohne weiter
darüber nachzudenken, jemand in
aller Ruhe ausreden. Die verinner-
Sitzplatzangebot für Ältere? – Heute eher eine Ausnahme
lichte Norm lautet: Du sollst andere
ausreden lassen! Der Wert, der dahintersteckt – ohne dass man sich
dessen immer bewusst ist –, ist „Respekt”. Wenn Werte sich wandeln,
wandeln sich zumeist auch die entsprechenden Normen. Früher war
es mehr oder weniger selbstverständlich, dass ein junger Mensch
in der Bahn einem älteren den Sitzplatz anbot. Heute ist dies eher die
Ausnahme. Kommt darin ein Wandel des Wertes „Achtung vor dem
Alter” zum Ausdruck? Durch die
zahlreiche Lebenshilfe-Literatur u.
ä. ist heute die Norm weit verbreitet: „Sorge gut für dich! Du musst
dir etwas Gutes tun!” Dahinter
verbirgt sich der Wert des eigenen Selbst bzw. eine neue Wertschätzung des eigenen Selbst. In
früheren Zeiten wäre eine solche
Wertvorstellung bzw. Norm eher
als Egoismus ausgelegt worden,
weil Pflichterfüllung u. ä. wesentlich höhere Werte darstellten.
Wertewandel und Normenwandel
bedingen sich gegenseitig.
„Sorge gut für dich!
Du musst dir was Gutes tun!“
MS
20
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
D
ie Frage: „Was soll/darf
ich tun?” ist die grundlegende Frage der Ethik
schlechthin. Bereits die Philosophen der Antike suchten Antwort auf die Frage, wie man leben
soll bzw. was ein gutes oder letztlich glückliches Leben ausmacht.
Im Laufe der Zeit entwickelten
sich eine Reihe von Ethikbegründungen. Einige von ihnen sollen
im Folgenden übersichtsartig dargestellt werden.
Die goldene Regel
Am bekanntesten dürfte die als
„goldene Regel” bekannte Formel
sein: „Was du nicht willst, das man
dir tu, das füg auch keinem andern
zu!” Wer will schon gerne belogen
und betrogen, gemobbt und benachteiligt, mit Gewalt behandelt
oder in Not allein gelassen werden? Und doch tun sich Menschen
eben solches immer wieder an, wie
die tägliche Erfahrung lehrt.
Die sehr allgemeine Regel wurde im Zeitalter der Aufklärung
als ethisch untaugliche Maxime
kritisiert, da sie keine inhaltliche
Norm für richtiges oder falsches
Verhalten ausspreche. Trotzdem
gilt sie als wichtiger Schritt zu ethischer Eigenverantwortung, die das
Sichhineinversetzen in die Lage
Betroffener zum Kriterium für moralisches Handeln macht und die
Kraft zur Selbstkorrektur in sich
trägt.
Der kategorische
(Immanuel Kant)
EthikEntwürfe
Imperativ
Der kategorische Imperativ geht
auf den deutschen Philosophen
Immanuel Kant (1724-1804) zurück und lautet: „Handle nur nach
derjenigen Maxime, durch die du
zugleich wollen kannst, dass sie
ein allgemeines Gesetz werde.”
Kategorisch heißt er deshalb, weil
er unbedingte Gültigkeit beansprucht.
Nach Kant ist der Mensch ein Wesen, das in der Lage ist, in der Ver-
nunft unabhängig von sinnlichen,
auch triebhaften Einflüssen und
damit auch unabhängig von subjektiven Tendenzen aller Art zu
denken und zu entscheiden. Die
Vernunft erkennt, was gut und
richtig ist. Dieses Erkennen des
sittlich Guten prägt auch den Willen des Menschen, weil die Vernunft sagt: Es ist gut und richtig,
das Gute zu wollen – und nicht das
Böse. Insofern kann Kant sagen:
„Der Wille ist ein Vermögen, nur
dasjenige auszuwählen, was die
Vernunft unabhängig von der Neigung als gut erkennt.”
Die Frage, die Kant aufwirft, ist
die Frage nach dem Motiv, nach
der Absicht unseres Handelns. Damit sich überhaupt allgemeine Regeln für das menschliche Verhalten
aufstellen lassen, die sich nicht am
Willen des einzelnen Individuums,
sondern an einer Allgemeinheit
ori-entieren, ist der kategorische
Imperativ die Konstruktion, an der
sich die Absicht einer Hand-lung
messen lässt. Sie sollte eben so beschaffen sein, dass sie als Grundlage zur allgemeinen Gesetzgebung
– nicht im juristischen, sondern im
moralischen Sinne – dienen könnte.
Kants Begründung einer Ethik besteht also darin, den Nachweis zu
erbringen, dass es für den Menschen als vernünftiges Wesen ethische Normen gibt, die nicht aus der
Erfahrung abgeleitet sind, sondern
vor aller Erfahrung („a priori”) allgemeine Gültigkeit beanspruchen
und somit gleichermaßen für alle
Menschen verbindlich sind.
Kant ist durchaus bewusst, dass die
Forderung der Sittlichkeit ein Ideal
ist und dass kein Mensch sie zu jeder
Zeit erfüllen kann. Dennoch ist er
der Auffassung, dass jeder Mensch
den Maßstab der Sittlichkeit in sich
hat und weiß, was er nach dem Gesetz der Sittlichkeit tun sollte. Der
Kantische kategorische Imperativ
ist eine der Grundlagen demokratischer Auffassungen; sowohl
der Gleichheitsgrundsatz vor dem
Recht wie die Menschenrechte
überhaupt lassen sich mittelbar
aus ihm ableiten.
Was ist Ethik? • 02/2010
21
Beispiel 1:
Der kategorische Imperativ in der
ethischen Praxis
Ausgangspunkt:
Eine Situation fordert zur Entscheidung heraus. Es bietet sich eine
Gelegenheit zum Seitensprung. Angesichts dieser Ausgangssituation werden Menschen spontan ganz unterschiedlich reagieren, z. B.:
n
Warum nicht mitnehmen, was guttut? Oder:
n
Einmal ist keinmal! Oder:
n
Das ist ein belebendes Elixier für die Ehe! Oder:
n
Treue ist unteilbar!
Zunächst wird also die Situation mit alltagspraktischen Regeln bewertet.
Dann aber tauchen vielleicht doch Zweifel auf. Jetzt spielen unterschiedliche Maximen, d.h. subjektive praktische Grundsätze des Handelns (Prinzipien), eine Rolle, z. B.:
n
n
Die Freiheit der Person beinhaltet auch sexuelle Freiheit! Oder:
Untreue ist ein Vertrauensbruch, der die Ehe oder Partnerschaft
zerstört.
Am Ende steht die Anfrage des kategorischen Imperativs: Kann ich
wollen, dass meine Maxime (siehe oben) Grundsatz einer allgemeinen Gesetzgebung wird, d. h. von allen Menschen ohne Einschränkung akzeptiert wird?
Beispiel 2: Was soll ich tun?
(goldene Regel oder kategorischer Imperativ)
Darf ich andere vor einer Radarfalle warnen?
Anhand des hier zu erörternden Beispiels soll der Unterschied zwischen
goldener Regel und kategorischem Imperativ verdeutlicht werden:
Jeder hat vermutlich schon einmal beim Autofahren erlebt, dass entgegenkommende Fahrzeuge durch die Lichthupe auf eine Radarfalle
aufmerksam machen. Und genauso wird vermutlich jeder langsamer
gefahren sein und sich darüber gefreut haben, nicht geblitzt worden
zu sein. Doch die Frage ist: Darf ich andere Autos warnen? Schließlich
ist der Zweck einer Radarfalle, dass die Autofahrer langsamer fahren
– was sie ja tun, nachdem ich ihnen ein Zeichen gegeben habe. Oder
muss ich sie, wenn man so argumentiert, nicht sogar warnen? Es gibt
für beide Seiten Gründe; diese sollen nun mit Blick auf die goldene
Regel wie den kategorischen Imperativ entfaltet werden.
Die goldene Regel lautet positiv formuliert: Behandle andere so, wie
du von ihnen behandelt werden willst! Sie ist ein guter, weil einfacher
und praktikabler sittlicher Maßstab, der, würde er stets befolgt, vieles
im Zusammenleben verbessern könnte. Sie hat aber auch Fehler: Sie
bleibt subjektiv an den eigenen Werten orientiert. So dürfte nach
ihr beispielsweise jemand, der zu stolz dazu ist, sich helfen zu lassen,
auch niemandem anderen helfen. Dies ist in unserem Falle aber jetzt
kein Problem, denn jeder wünscht sich, rechtzeitig gewarnt zu werden, wenn er zu schnell fährt. Aber ob dieser Wunsch auch richtig ist,
kann die goldene Regel nicht abschließend beantworten. Das Problem
wird deutlich am Beispiel des kategorischen Imperativs, der die persönlichen Lebensgrundsätze überprüft: „Handle nur nach derjenigen
Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines
Gesetz werde”, sagt Kant. Der Grundsatz nach der goldenen Regel lautet: Schnellfahrer muss man warnen und so aus Eigennutz vor Strafe
bewahren. Dies aber als allgemeines Gesetz kann man nicht wirklich
wollen; denn zu Recht besteht der Zweck der Radarfalle darin, das Rasen zu begrenzen. Gäbe es die Maxime, andere stets zu warnen, als
Gesetz, hätten die Kontrollen aber keine Wirkung mehr; jeder könnte
bedenkenlos Gas geben: Er würde ja rechtzeitig gewarnt. Ohne den
Überraschungseffekt verlören die Radarfallen ihre allgemeine präventive Funktion, auf die es gerade ankommt: Viele fahren nur langsam,
weil sie nicht wissen, ob sie hinter der nächsten Kurve geblitzt werden.
Die Gewissheit, gewarnt zu werden, käme einer faktischen Freigabe
der Geschwindigkeit gleich. Das kann niemand wollen, denn Raserei
ist die Ursache für viele tödliche Verkehrsunfälle. Hält man sich an den
kategorischen Imperativ, lässt sich das Warnen deshalb nicht vertreten
– auch wenn es die goldene Regel empfiehlt, weil man sich selbst darüber freut, gewarnt zu werden.
Immanuel Kant (1724-1804)
22
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
Was ist Ethik? • 02/2010
23
Utilitarismus
(seit dem 18. Jahrhundert entwickelte Konzeption)
Der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788-1860) entwickelte
eine Mitleidsethik. In der Begegnung mit einem anderen erkenne der Mensch das Eigene im anderen, nämlich denselben Willen
beider, leben zu wollen. So kann
sich der Mensch mit dem anderen
identifizieren und durch Mitleid
den Egoismus überwinden, denn
beide verbindet die Einsicht in das
Leiden der Welt.
Der inzwischen etwas in Vergessenheit geratene Albert Schweitzer (1875-1965) hat eine Ethik der
„Ehrfurcht vor dem Leben” vertreten. Der berühmte Arzt und Theologe aus dem westafrikanischen
Hospital Lambarene hat sich sein
ganzes Leben lang mit der Frage
befasst, welcher Platz den Menschen in der Schöpfung gehört:
Herrschen sie über alles oder sind
sie Teil des Ganzen? Dürfen wir
bewertet Handlungen nach dem größtmöglichen
Nutzen für die größtmögliche Anzahl
betroffener Personen
Handlungsutilitarismus
(extreme Form)
Handeln nach dem Prinzip des
größtmöglichen Nutzens – der
Utilitarismus
Wie sind Handlungen zu beurteilen? Nach welchen Kriterien sollen
menschliche Handlungsweisen bewertet werden? Ist eine Handlung
als solche gut, wenn ich z. B. einem
Bettler Geld gebe, oder ist eine
Handlung gut, wenn die Folgen
der Handlung sich als gut erweisen, wenn z. B. der Bettler sich von
dem Geld Brot kauft statt Alkohol?
Der Utilitarismus, eine seit dem
18. Jahrhundert entwickelte Konzeption, bewertet eine Handlung
nach dem größtmöglichen Nutzen
für die größtmögliche Anzahl betroffener Personen. Er ist die ethische Position, die danach fragt, ob
eine Handlung im Vergleich mit
anderen Handlungsalternativen
die größte Anzahl positiver Werte
wie z. B. Glück, Reichtum, Gesundheit, Schönheit, Einsicht usw. hervorbringt.
Heute unterscheidet man zwischen einer extremen Form, dem
„Handlungsutilitarismus”, und einer eingeschränkten Form, dem
„Regelutilitarismus”. Beim Handlungsutilitarismus wird das utilitaristische Prinzip des größten Nutzens auf jede einzelne Handlung
angewandt. Eine moralische, d. h.
allgemeingültige Regel hat daher
für den Handlungsutilitaristen nur
den Wert einer Faustregel, er be-
Regelutilitarismus
(eingeschränkte Form)
wertet jede Handlung neu. Beim
Regelutilitarismus wird das utilitaristische Prinzip nicht auf jede
Handlung, sondern zur Bestimmung grundlegender Regeln, z. B.
„Versprechen soll man halten”, angewandt. Durch die konsequente
Befolgung der Regeln ist dabei auf
längere Sicht nach utilitaristischen
Maßstäben ein allgemeiner Nutzen erreichbar, auch wenn die einzelne Handlung, bei der die Regel
befolgt wird, oft nicht dem utilitaristischen Prinzip entspricht.
Besondere Bedeutung hat der so
genannte Präferenzutilitarismus
erlangt, eine moderne Variante
des Utilitarismus, die vor allem
von dem australischen Bioethiker
Peter Singer vertreten wird. Wenn
jemand eine Präferenz für etwas
hat, so hat er an etwas ein besonderes Interesse, er gibt diesem den
Vorzug. Beispiel: Aufgrund der Finanzkrise haben zunehmend mehr
Menschen eine Präferenz für sichere Geldanlagen. Eine Präferenz
ist also eine Wertentscheidung,
die aufgrund von Neigungen und
Vorlieben, von Zweckmäßigkeitserwägungen oder in Bezug auf die
Lebensgestaltung und Lebensführung vollzogen wird. Man kann
sowohl eine Präferenz für Gummibärchen anstatt für Schokolade als
auch eine Präferenz für die eigene
berufliche Karriere anstatt für ein
soziales ehrenamtliches Engage-
Präferenzutilitarismus
(moderne Form)
ment haben. Die Beispiele zeigen:
Man kann unterscheiden zwischen
schwachen Präferenzen, die in
persönlichen, spontanen Vorlieben oder Neigungen begründet
sind, und starken Präferenzen, die
grundsätzlicherer Art sind und die
Art und Weise betreffen, wie eine
Person ihr Leben führen oder in
welche Richtung sie ihr Leben gestalten will. Präferenzen dieser Art
haben also zumeist auch einen Zukunftsaspekt.
Was bedeutet nun Präferenzutilitarismus? Während der Utilitarismus
eine Handlung nach dem Kriterium
des Nutzens bzw. des größtmöglichen Glücks für die größtmögliche
Anzahl von Menschen bewertet,
sind beim Präferenzutilitarismus
die (starken) Präferenzen einer
Person die Bezugsgröße. Die Präferenzen von Personen zu erfüllen
sei das Gute; dabei können es die
eigenen Präferenzen sein oder die
anderer Personen. Eine Handlung
und ihre Folgen sind also danach
zu bewerten, ob sie dabei helfen,
die Präferenzen, man kann auch
sagen: die Interessen, Bedürfnisse
etc. einer Person zu maximieren.
Diese können z. B. darin bestehen,
sich um einen guten Ruf zu bemühen, sich Bildung zu erwerben oder
durch gesunde Lebensmittel seine
Lebenserwartung zu verlängern.
Eine Handlung also, die der Präferenz (dem Interesse, der Intention
usw.) einer Person entgegensteht,
diese z. B. missachtet, verletzt etc.,
ist demnach moralisch schlecht – es
sei denn, dieser Präferenz stehen
entgegengesetzte
Präferenzen
anderer betroffener Menschen
gegenüber. Wie soll beispielsweise entschieden werden, wenn der
Präferenz bzw. dem Interesse der
einen Person, leben zu wollen, die
Präferenz einer anderen Person,
ebenfalls leben zu wollen, gegenübersteht?
Diskursethik
In jüngster Zeit hat das Konzept
einer Diskursethik zunehmend
an Bedeutung gewonnen. Dieser
Ethikentwurf ist untrennbar mit
dem Philosophen Jürgen Habermas verbunden.
Unter einem Diskurs versteht man
zunächst umgangssprachlich eine
„theoretische Erörterung” oder
auch eine „gesellschaftliche Auseinandersetzung”, eine „Debatte”
oder auch einen „Disput”. Beim
Diskurs geht es also um das Ringen
und Gegeneinanderabwägen von
unterschiedlichen Meinungen, Positionen usw. Damit ist schon eine
Grundlage zum Verständnis der
Diskursethik von Habermas gelegt.
Ausgangspunkt der Diskurstheorie ist die Situation des Pluralismus
in modernen Gesellschaften. Genauer geht es um die Frage, wie
in Gesellschaften mit heterogenen
Peter Singer
Interessen und Werten ethische
Normen begründet werden können. Wie kann eine vernünftige
Einigung in unterschiedlichen bzw.
konfliktbesetzten Normen- und
Wertfragen erzielt werden? Nicht
unverrückbare, allein durch die
Vernunft erkennbare Aussagen
über das moralisch bzw. sittlich
Gute stehen im Mittelpunkt, sondern die „vernünftige Einigung”,
d. h. ein Verfahren – eben die Regeln des Diskurses. Ziel dieses Verfahrens ist, dass Normen bzw. Sollensvorschriften gefunden werden,
die die qualifizierte Zustimmung
aller möglichen Betroffenen finden. Nur jene Normen sollen als
gültig akzeptiert werden, die einen
allgemeinen Willen ausdrücken.
Ein Diskurs ist eine Kommunikationsform, man kann auch sagen:
eine Sprechsituation, in der ein
Konsens über geltende Normen gefunden werden soll. Diese Sprechsituation muss aber bestimmte
Merkmale aufweisen. So müssen
die Beteiligten über kommunikative Kompetenz verfügen. Es muss
Redegleichheit herrschen. Alle
Beteiligten müssen sich der Wahrhaftigkeit verpflichtet fühlen. Und
schließlich gilt das Postulat der Vernünftigkeit aller Diskursteilnehmer.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt,
lässt sich von einer herrschaftsfreien Kommunikation sprechen,
in der sich der Diskurs entfalten
kann. Darüber hinaus legt Habermas den Schwerpunkt auf den Aspekt der Unparteilichkeit. Unparteiliche Urteilsbildung drückt sich
mithin in einem Prinzip aus, das
jeden im Kreise der Betroffenen
zwingt, bei der Interessenabwägung die Perspektive aller anderen
einzunehmen. Das setzt bei allen
gleichermaßen den Willen voraus,
die eigenen Interessen nicht höher
zu veranschlagen als die der anderen. Ähnlich wie Kant wohnt der
Diskursethik damit ein Universalisierungsprinzip inne.
Abschließend sollen noch zwei
Ethikentwürfe wenigstens kurz
erwähnt werden, auch wenn sie in
unserer Gegenwart – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete
Rolle spielen.
Jürgen Habermas
Tiere töten und Pflanzen vernichten oder versündigen wir
uns, wenn wir es tun, an unseren
Mitgeschöpfen? Albert Schweitzers Grundannahme lautete:
„Ich bin Leben, das leben will,
inmitten von Leben, das leben
will.” Es gibt für ihn nicht nur ein
menschliches Recht auf Leben;
auch Tiere, sogar Pflanzen, alles,
was lebendig ist, will leben und
darf leben wollen. Ethik besteht
also darin, dass ich die Nötigung
erlebe, allem Willen zum Leben
die gleiche Ehrfurcht vor dem
Leben entgegenzubringen wie
dem eigenen.
MS
24
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
Was ist Ethik? • 02/2010
25
Zur teleologischen
Begründung von
Normen
C
hristliche Ethik basiert
auf dem Doppelgebot der
Liebe (vgl. Mt 22,37-39).
Gottes- und Nächstenliebe sind
Inbegriff der sittlichen Forderung,
der Mensch „schulde” Gott und
seinem Nächsten Liebe: gegenüber Gott wegen seiner absoluten
Güte und dem Nächsten um dessen Personwürde willen.
Da aus dieser Universalforderung
in konkreten Situationen nicht unbedingt eindeutige Aussagen über
die sittliche Richtigkeit jemandes
Handelns ableitbar sind, wird in
diversen Ansätzen versucht, das
sittlich Richtige für konkrete Situationen festzulegen. Dabei sind folgende Fragestellungen relevant:
n Wie ist zu begründen, dass der
Mensch überhaupt sittlich verantwortlich handeln soll?
n Wie kann man argumentieren,
dass etwas Bestimmtes gut ist bzw.
dass der Mensch etwas Bestimmtes
tun soll?
n Wie sind Werte, Tugenden, evtl.
Pflichten zu begründen?
Die Einteilung der Theorien normativer Ethik in die deontologische (griech. „deón”: das Erforderliche, die Pflicht) und die
teleologische (griech. „telos”: das
Ziel) Normierungstheorie begründet sich durch die Bedeutung der
Folgen einer Handlung für deren
sittlichen Charakter.
Alle Prinzipien (z. B. Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Treue, Dankbarkeit etc.) werden in der teleologischen Theorie auf ein letztes
Prinzip zurückgeführt (Urprinzip
Liebe), während die deontologische Theorie mehrere Grundsätze ohne Zurückführung auf ein
einziges Prinzip nebeneinanderstellt, die aus völlig eigenem Recht
Anspruch auf Geltung erheben.
Hier ist Liebe ein partikulares Prinzip neben anderen gleichwertigen
Partikularprinzipien (vgl. Bruno
Schüller: Die Begründung sittlicher
Urteile, S. 287). In dieser unterschiedlichen Auffassung von Liebe
liegt die eigentliche Unterscheidung zwischen Deontologen und
Teleologen!
Beispiele für die Einteilung
der Theorien normativer Ethik:
Nunmehr werden die Schwächen
der deontologischen Ethik (Gesinnungsethik) offenbar: Reale
Folgen bleiben stets unberücksichtigt, d. h. auch gut Gemeintes
kann schlechte Folgen haben; erhöhte Gefahr des ethischen Rigorismus; die Bestimmung der Pflichten bleibt entweder zu abstrakt
oder ist doch kulturabhängig.
Die strenge Art deontologischer
Ethik begründet Normen mit der
Schlussformel: sittlich unerlaubt,
weil naturwidrig. „In dieser Argumentationsweise werden biologische Gesetze in dem Sinne
zum Inhalt sittlicher Normen gemacht, dass den Menschen die
Pflicht auferlegt wird, diese Naturzwecke sich ungestört auswirken
zu lassen.“ (Vgl. Bruno Schüller,
a. a. O., S. 216) Bestimmte Handlungsweisen werden so für sittlich
unerlaubt erklärt, indem man darin Naturwidrigkeit sieht. „Der
Mensch muss es sich verboten sein
lassen, zugunsten von Werten, die
ihm wichtiger vorkommen mögen, gottgesetzte Zwecke zu vereiteln.” (Bruno Schüller, a. a. O.,
S. 226) Gott besitzt allein die den
Menschen überragende absolute
Weisheit.
Die Stärken der teleologischen
Ethik (Verantwortungsethik) treten in den Vordergrund: Stets
nimmt sie die Folgen des Handelns
in den Blick (dass der Mensch diese Folgen nicht beabsichtigt hat,
entbindet ihn nicht von der Verantwortung für sie); stets ermöglicht die teleologische Theorie ein
Abwägen
(Risikoabschätzung);
stets lässt sie viele Wege zum Ziel
zu. Für diese Verantwortungsethik stehen insbesondere Max
Weber (1864-1920) und Hans Jonas (1903-1993), deren Motive die
politische Katastrophe nach dem
Ersten Weltkrieg bzw. die ökologische Katastrophe waren.
I. Falschaussage
Die Sprache hat gleichsam Instrumentalcharakter. Demzufolge wird nur in der wahrhaftigen
Rede die Sprache naturgemäß
gebraucht und somit auch gemäß
dem Willen des Schöpfers, der die
Gabe der Sprache verliehen hat.
So ist die Falschaussage als Missbrauch der Sprache als unerlaubt
abzulehnen ohne Rücksicht auf
die Folgen.
Leben in Gefahr bringt. Vielmehr
haben Menschen – während der
NS-Diktatur – die Sprache bewusst
„missbraucht”, um durch ihre getätigte Falschaussage das Leben
vieler Juden zu retten.
II. Tötungsverbot
Die Tötung sei deshalb unerlaubt, da Gott, der Schöpfer, allein
Herr über Leben und Tod sei. Der
Mensch maße sich ein ihm nicht
zukommendes Recht an. Die strenge Art deontologischer Ethik begründet Normen mit der Schlussformel: sittlich unerlaubt, weil
unberechtigt. „Man sagt von einer
bestimmten Handlungsweise, sie
geschehe ohne die erforderliche
Be-rechtigung und sei deswegen
sittlich unerlaubt.” (Bruno Schüller, a. a. O., S. 174)
Die oben beschriebene Einstellung
wird absurd, wenn gerade die Folgen dieser Handlung besonders
hart sind, indem man z. B. dem
Soldaten die Notwehr gegen eine
ungerechte Bedrohung untersagen würde oder ihm die Benutzung der Waffe, welche sich nicht
auf einen gegenwärtigen Angriff,
sondern auf eine gegenwärtige
Gefahr bezieht (rechtfertigender
Notstand),
verbieten
würde,
wenngleich exklusiv die moralische Perspektive eine Tötung in
diesem Falle sittlich erlaubt.
MV
Die oben beschriebene Einstellung
wird absurd, wenn gerade die Folgen dieser Handlung besonders
hart sind, indem man z. B. mit dem
Streben nach Wahrheit anderes
26
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
zum Thema
Was ist Ethik? • 02/2010
27
Zum Prinzip der Doppelwirkung
Wenn mein Tun
vorhersehbar
unerwünschte
Nebeneffekte hat
Wenn in einem Krieg Zivilisten betroffen sind, kommt die
völkerrechtlich wichtige Frage nach deren Status ins Spiel
E
thische Fragen haben immer mit menschlichem Handeln zu tun. Und dies gilt
zumeist auch umgekehrt: Wenn
Menschen handeln, berühren sie
oft auch den Bereich des Ethischen, denn sie wissen, dass ihr
Handeln einem Anspruch unterliegt, der sich zuweilen in der Frage äußert, ob es gut war, so und
nicht anders zu handeln bzw. wie
es denn wohl richtig sei zu handeln. Auch wenn wir nicht ständig
darüber reflektieren, so wird doch
jeder von Zeit zu Zeit mit Fragen
dieser Art konfrontiert, zumeist allerdings dann, wenn es „zu spät”
ist, d. h. wenn die Handlung bereits geschehen ist, sie also in der
Vergangenheit liegt. Dann kann
mich das „schlechte Gewissen”
plagen, weil ich z.B. gelogen habe,
oder mir wird von anderen vorgehalten, etwas „Schlechtes” getan,
z. B. ein Versprechen nicht eingehalten zu haben.
Die Frage, wie es denn wohl richtig sei zu handeln, weist in die
Zukunft und stellt sich besonders
radikal in schwierigen Entscheidungssituationen. Erinnert sei
hier als Beispiel an Oberst Klein
und den „Fall Kunduz”. Tanklastzüge wurden in der Vergangenheit in Afghanistan des Öfteren
als Waffe der Taliban gegen die
alliierten Truppen eingesetzt. Insofern war es ein völlig legitimes
Ziel, Tanklastzüge zu bekämpfen
bzw. zu zerstören, wobei hier die
Frage, ob es auch möglich gewesen wäre, die Tanklastzüge in die
eigene Gewalt zu bekommen, in
diesem Zusammenhang keine Rolle spielt. Wie allgemein bekannt,
blieb aber das Bombardement der
Tanklastzüge nicht ohne Nebeneffekte: Viele Menschen, darunter
auch Zivilisten, fanden dabei den
Tod. Und damit sind wir mitten
im Thema: Menschliches Handeln
kann eine doppelte Wirkung haben, und während die erste Wirkung (Zerstörung eines militärischen Zieles) bewusst gewollt ist,
weil sie gut und richtig ist, sind die
Nebenfolgen als zweite Wirkung
für sich genommen, also unabhängig von dem ersten Ziel, nicht
gut, also nicht legitimierbar; denn
Menschen zu töten ist zunächst
einmal eine schlechte Handlung,
nicht erlaubt und nur unter ganz
bestimmten Bedingungen zulässig
(z. B. in Notwehr). Die Frage stellt
sich nun: Unter welchen Bedingungen sind die Nebeneffekte
dennoch hinnehmbar, d. h. erlaubt? Da diese Frage mit zu den
schwierigsten überhaupt zählt,
wird das Prinzip der Doppelwirkung auch gerne als Kernstück der
Ethik bezeichnet.
Das hier zur Diskussion stehende
Thema soll nun an weiteren, dem
aktuellen Tagesgeschehen weniger verbundenen Beispielen verdeutlicht werden.
Fall A: Bei der Geburt eines Kindes
gibt es Komplikationen. Das Leben
der Mutter kann nur gerettet werden, wenn das Kind durch die Zertrümmerung des Schädels getötet
wird. Andernfalls sterben Mutter
und Kind.
Fall B: Bei einer schwangeren Frau
wird Gebärmutterkrebs diagnostiziert. Die einzige Möglichkeit, ihr
Leben zu retten, ist die Entfernung
der Gebärmutter, wobei der Fötus
getötet wird.
In beiden Fällen geht es um die
Rettung des Lebens der Mutter
und die Tötung des Kindes bzw.
des noch Ungeborenen. Klar ist:
Das Leben eines Menschen zu
retten ist moralisch geboten und
das Töten eines Menschen ist moralisch verboten. Wenn nun das
moralisch Gebotene nur durch die
Missachtung des Verbotenen ermöglicht werden kann, besteht ein
wirkliches Dilemma. Wie lässt sich
dieses nun lösen? Dazu ist es hilfreich, den Unterschied zwischen
Fall A und Fall B zu analysieren.
Im Fall A besteht die Handlung in
der direkt beabsichtigten Tötung
des Kindes, was nicht erlaubt ist.
Im Fall B besteht die Handlung in
der Entfernung der Gebärmutter,
was deshalb erlaubt ist, weil die
Folge, nämlich die Tötung des Kindes, nicht beabsichtigt ist; sie ist
„lediglich” der Nebeneffekt, der
in Kauf genommen wird. – Nebenbei sei darauf hingewiesen,
dass zur Lösung im Fall A das Prinzip der Doppelwirkung offenbar
nicht anwendbar ist; hier würden
bzw. müssten dann andere Überlegungen die ausschlaggebende
Rolle spielen.
Das bisher Ausgeführte mag nach
Haarspalterei klingen, doch für die
moralische Bewertung und das,
was daraus folgen mag, z. B. die
Frage nach Schuld, ist ein Höchstmaß an Differenzierung unabdingbar. Weitere Beispiele – diesmal
aus dem Bereich des Militärischen
und damit für Soldatinnen und
Soldaten von besonderer Relevanz
– mögen dies belegen:
Fall C: Ein Krieg soll durch die
Bombardierung der Zivilbevölkerung (schneller) beendet werden.
Im Zweiten Weltkrieg wurde so
verfahren. Durch die Bombardierung der deutschen Zivilbevölkerung durch die Alliierten sollte die
Kampfmoral gebrochen werden.
Auch stand hinter dem Atombombenabwurf der USA auf Städte
in Japan die erklärte Absicht der
amerikanischen Regierung, Japan
zur Kapitulation zu bewegen und
befürchtete hohe Verluste auf
amerikanischer Seite bei der Eroberung Japans zu vermeiden.
Fall D: Ein Krieg soll durch die
Bombardierung militärischer Ziele
(schneller) beendet werden. Bei
der Bombardierung werden allerdings auch Zivilisten sterben.
Wenn in einem Krieg Zivilisten
betroffen sind, kommt die völkerrechtlich wichtige Frage nach deren Status ins Spiel. Grundsätzlich
gelten Zivilisten als am Krieg Unbeteiligte, also als Nichtkombattanten. Doch wann werden sie zu
Kombattanten?
Zum Verständnis des Prinzips der
Doppelwirkung ist jedoch die Klärung der damit verbundenen Problematik nicht wichtig. Wie schon
in den Fällen A und B geht es auch
hier darum, unter welchen Bedingungen eine gute Handlung bzw.
ein gutes Handlungsziel erlaubt
ist, auch wenn sie bzw. es mit
einem Schaden verbunden ist. Im
Fall C rechtfertigt das Mittel (Bombardierung der Bevölkerung)
nicht den Zweck (Beendigung des
Krieges). Die direkte und beabsichtigte Bombardierung der Bevölkerung ist völkerrechtswidrig, ja
letztlich ein Kriegsverbrechen. Im
Fall D liegen die Dinge anders: Die
Bombardierung militärischer Ziele
ist im Krieg legitim und erlaubt;
eine Absicht, die Zivilbevölkerung
zu treffen, liegt nicht vor. Der Tod
von unbeteiligten Zivilisten ist
eine unbeabsichtigte Nebenfolge.
Die bisherigen Ausführungen
sollten die Struktur des Prinzips
der Doppelwirkung deutlich werden lassen. Damit soll – gerade
was die Fälle C und D betrifft –
nicht ausgeblendet werden, dass
die Wirklichkeit oft noch komplizierter ist. Was ist z. B., wenn
das militärische Ziel von zweitrangiger Bedeutung ist, aber unverhältnismäßig viele Zivilisten dabei sterben würden? Wie verhält
es sich, wenn militärische Ziele
(Flugabwehreinrichtungen, Munitionsfabriken usw.) vom Gegner
bewusst in Wohngebieten positioniert werden? Oder wie ist es
zu bewerten, wenn der Gegner
Zivilisten bewusst als Schutzschild
missbraucht? Sind diese dann automatisch zu Kombattanten geworden?
Nach
der
Veranschaulichung
durch praktische Beispiele kann
das Prinzip der Doppelwirkung
nun theoretisch zusammengefasst und verstanden werden.
Dieses Prinzip wird gewöhnlich so
formuliert:
Die Zulassung oder Verursachung eines Schadens ist dann
erlaubt, wenn
1. die Handlung nicht „in sich
schlecht” ist (z. B. die Entfernung
der Gebärmutter in Fall B);
2. der Schaden nicht in sich
selbst als Zweck direkt beabsichtigt ist (mit Schaden ist hier die Tötung des Fötus in Fall B bzw. von
Zivilisten in Fall D gemeint);
3. der Schaden auch nicht als
Mittel zum Zweck direkt beabsichtigt ist;
4. man für die Zulassung oder
Verursachung des Schadens einen
entsprechenden Grund hat.
Die entscheidende Bedingung
des Prinzips der Doppelwirkung
ist die vierte, wonach man einen
Schaden nur dann verursachen
oder zulassen darf, wenn man dafür einen entsprechenden Grund
hat. Nur dann verbleibt die Zulassung oder Verursachung des
Schadens außerhalb des beabsichtigten „Gegenstandes” der
Handlung, also außerhalb des
Handlungsziels. Ohne einen entsprechenden Grund erscheint die
Zulassung oder Verursachung des
Schadens „direkt” beabsichtigt
und ist dadurch „in sich schlecht”.
Es geht beim Prinzip der Doppelwirkung also um die Frage,
wann die Zulassung oder Verursachung eines Schadens tatsächlich
schlecht ist und wann nicht.
MS
28
02/2 0 1 0 • Was ist Ethik?
zum Thema
Impressum
SUDOKU
So geht's: Füllen Sie die leeren Felder des Sudokus mit Zahlen. Dabei
müssen in jeder Zeile, in jeder Spalte und in jedem der quadratischen
Neuner-Blocks aus 3 x 3 Kästchen alle Zahlen von 1 bis 9 stehen. Keine
Zahl darf also in einer Zeile, einer Spalte oder einem Block doppelt vorkommen.
Viel Spaß beim Lösen!
8
3
9
2
9
5
5 1 9
7
4
8
2
4
2 6
9
8 1 6
3
4
9
7 6
3
8
9
7
1 5
Sudoku_VorlageCS5.indd 3
zum
Die nächste Ausgabe behandelt
den Themenschwerpunkt
„Die Werteordnung des Grundgesetzes“
Herausgeber:
Katholisches Militärbischofsamt
Am Weidendamm 2, D-10117 Berlin
Fon: 030/20617-0
Fax: 030/20617-199
Internet: www.katholischemilitaerseelsorge.de
E-Mail: [email protected]
Verlag:
J.P. Bachem Medien GmbH
Ursulaplatz 1
D-50668 Köln
Geschäftsführer:
Lambert Bachem, Claus Bachem
2.2010
Auflösung aus dem letzten Heft:
1
8
3
6
5
4
7
9
2
4
6
7
8
2
9
5
1
3
2
5
9
7
1
3
4
8
6
8
1
6
5
9
7
2
3
4
5
9
4
1
3
2
8
6
7
3
7
2
4
8
6
1
5
9
9
2
5
3
4
8
6
7
1
7
3
8
2
6
1
9
4
5
6
4
1
9
7
5
3
2
8
Verlagsleiter:
Martin Lohmann
Fon: (0221) 16 19-0
Fax: (0221) 16 19-214
Autoren/Textzusammenstellung:
MS (Manfred Suermann)
MV (Michael Veldboer)
Schlusslektorat:
Dr. Markus Weber
Grafisches Konzept & Gestaltung:
Petra Drumm
Fon: (0221) 16 19-950
E-Mail: [email protected]
Objektleitung:
Mark Piechatzek
Fon: (0221) 16 19-143
E-Mail: [email protected]
Druck:
Vorländer & Rothmaler GmbH & Co.
KG, Siegen
18.10.10 11:24
Thema
zum Thema – Themenheft für
Soldatinnen und Soldaten zum
Lebenskundlichen Unterricht
Abbildungsnachweise:
Titel: Affordable Illustration Source,
gettyimages; S. 3, Affordable Illustration
Source, gettyimages; S. 4, T. Scott Carlisle,
gettyimages; S. 7 Catherine MacBride,
gettyimages;S. 8, MedicalRF.com,
gettyimages; S. 9, Influx Produktion,
gettyimages; S. 10, Frank Rossoto Stocktrek, gettyimages; S. 11, Hulton Archive,
gettyimages; S.12, Majid Saeedi, gettyimages; S. 13, Chenco, gettyimages;
S. 14, artpartner images, gettyimages;
S. 16, Luciano Lozano, gettyimages;
S. 18, Cempey, sxc.hu; S. 19, Tony Garcia,
gettyimages; S. 20- 21, Gary S. Chapman,
gettyimages; S. 21, German School,
gettyimages; S. 23, Steve Pyke, Darren
McCollester, gettyimages;
S. 24, VEER Rob Casey, gettyimages;
S. 26, Abid Katib, gettyimages;
S. 28 Sudoku: Petra Drumm
Herunterladen