Zuverlässige Diagnostik und sichere Therapie mit radioaktiven Strahlen Frank Zimmermann Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie Universitätsspital Basel Petersgraben 4 CH – 4031 Basel Mit Unterstützung der Proff. Mindt und Wild ! radioonkologiebasel.ch Gefahr von radioaktiven Strahlern Giftanschlag auf Alexander Litvinenko mit 0.000006 g Polonium-210 - entspricht 1 Salzkorn Der Spiegel, 30.11.2006 Chronologie der Vergiftung 01/01/2006 Litvinenko trifft Russen in einem Londoner Hotel. Man trinkt Tee. Stunden später klagt er über Übelkeit und Erbrechen. 04/11/2006 Litvinenko wird ins Spital eingeliefert 11/11/2006 Allgemeinzustand schlecht. Erhält Personenschutz. 19/11/2006 Verdacht auf Thallium-Vergiftung. 21/11/2006 Litvinenko im kritischen Zustand: Durchfälle, Erbrechen, Kreislaufversagen. 23/11/2006 Litvinenko stirbt. 24/11/2006 Gesundheitsbehörden identifizieren Po-210 als Todesursache. Ursache des Todes • Polonium-210 ist ein hochenergischer Alphastrahler mit einer Halbwertszeit von 138 Tagen. Dies für zu einer sehr hohen Dosis, falls durch den Körper aufgenommen. • Anreicherung im Körper unspezifisch: Anreicherung im blutbildenden Knochenmark, Leber, Nieren und Milz Warum dennoch Strahlen in der Medizin ? Erkennen von vielen Erkrankungen - Art - Ausdehnung - Verlaufskontrollen Behandeln von Tumoren, Entzündungen, Verschleiss - verringern Rückfallrisiko vor Ort - verbessern Überleben und Lebensqualität Was für Strahlen kennen wir ? Radioaktive Strahlen und Strahler Strahlen: Photonen / Röntgenstrahlen Gamma-Strahlen ( g ) Teilchen: Elektronen (beta – b ) Protonen Neutronen Heliumkerne (alpha – a ) Schwere Ionen Aus radioaktivem Zerfall Alpha-Strahlen: 2 Protonen, 2 Neutronen (Helium) Geringe Reichweite, hohe lineare Energieabgabe Beta-Strahlen: Elektronen (Neutron zu Proton) Gamma-Strahlen: elektromagnetische Wellen Grosse Reichweite, geringe lineare Energieabgabe Reichweite der Strahlen Geladene Teilchen Photonen/g-Strahlen Definierte Reichweite: a- und b-Strahlen Exponentieller Dosisabfall: g-Strahlen Reichweite radioaktiver Strahlen Papier Plexiglas Blei Welche „Verpackung“ kennen wir ? Quellen Geschlossen Offen Strahlen von aussen: Strahlen „von innen“: Externe oder in Nadeln: Strahlentherapie und Radiologie Oberflächenkontakt / Aufnahme in den Körper: Radiopharmazie und Nuklearmedizin (Kontamination/Inkorporation) Offene Quellen: radioaktive Isotope Reaktor Zyklotron Generator Bombardierung mit Neutronen Bombardierung mit Protonen Eluieren des Isotops Bsp. Y-90, Lu-177 Bsp. F-18, C-11 Bsp. Tc-99m, Ga-68 Kurze Lebensdauer: oft am Tag der Untersuchung hergestellt Kurze Lebensdauer Isotop T½ Kohlenstoff C-11 20 min Fluor F-18 110 min Technetium Tc-99m 6h Indium In-111 3d Iod I-131 8d Ein Radiopharmazeutikum wird individuell für jeden Patienten auf den Zeitpunkt der Anwendung hergestellt Aufgaben der Radiopharmazie + = • Herstellung von Radiopharmaka für nuklearmed. Untersuchungen • Qualitätskontrolle und Freigabe der Radiopharmaka • Blutanalysen und Funktionstests • Strahlenschutz • Lehre & Forschung Ein multidisziplinäres Team (Chemiker, Biologen, Pharmazeuten, Physiker, Biomedizinische und chemische Laboranten) Aufbau von Radiopharmazeutika Radioaktiver Wirkstoff / Isotop Transporter (Trägermolekül) Ziel (Herz, Knochen, Nieren Tumoren etc.) „Hotlabors“ in der Radiopharmazie Warnungen Bleiabschirmungen Automation wo möglich Mit Blei abgeschirmter Arbeitsplatz Strahlenschutz in der Radiopharmazie Dosimeter Hand-Fuß-Kontamat Geiger-Müller-Zähler Abklingraum Abklingtanks Hand-Kontamat Einsatz von Radiopharmazeutika Bereits 1900 Theorie der „Spezifität“ Paul Ehrlich konnte mit Methylenblau Bakterien spezifisch färben. Fasziniert durch dieses Phänomen schuf er die Seitenkettentheorie bzw. «magic bullet» Theorie. Abstrich der Mundschleimhaut, Färbung mit Methylenblau Dabei wir die Zielzelle (Targetzelle) spezifisch angegriffen, nicht aber das umgebende Gewebe. «Magic bullets» sollten spezifisch Mikroben und Tumorzellen zerstören. Octreoscan® Scintigraphie Octreoscan® Anreicherung in der Zielstruktur: Tumor ! Metastasen Tumor Nieren Applikation der Radioaktivität Verteilung der Radioaktivität / Distribution Anreicherung der Radioaktivität / Akkumulation Auswahl vor der Therapie 68Ga-DOTATOC 177Lu-DOTATOC 90Y-DOTATOC Bildgebung Therapie Therapie Photonen + β-Strahlung β-Strahlung Photonen Individuell abgestimmte Therapie 68Ga-DOTATOC PET 68Ga-DOTATOC PET/CT 177Lu-DOTATOC(Total 15 GBq) 68Ga-DOTATOCPET/CT 68Ga-DOTATOC PET Verlauf Verlauf nach 90Y-Dotatoc-Therapie 8/08 2/09 Nuklearmedizinische Station Radioaktivität in der Strahlentherapie Radioaktivität in der Strahlentherapie Vielzahl von Geräten und Techniken - Linearbeschleuniger, mit Anpassungen (Tomotherapie, Cyberknife, IMRT, IGRT usw.) - Protonenanlagen - Schwerionenanlagen - Neutronentherapien Alle OHNE radioaktive Strahlen: ohne Strom nichts los Linearbeschleuniger mit Zusatz Strahlerkopf Kamera für die CT-Aufnahmen Röntgengerät für CT-Aufnahmen Bildschirm mit Patientendaten für Kontrollen Frei beweglicher Patiententisch Kopf eines Linearbeschleunigers Elektronen-Gun: Glühkathode Beschleunigerrohr: Surfen im Vakuum Radioaktivität in der Strahlentherapie Radioaktive Strahlen aus Quellen mit Zerfall - Cobalt (nur noch im y-Knife) - Irridium (nur im Nachladeverfahren) - Iod (bei Iod-Seeds) Alle stromunabhängig: höherer Aufwand an Strahlenschutz Brachytherapie mit Afterloading Tiefendosiskurve eines Punktsstrahlers Wo bleiben die Strahlen ? Machen wir uns ganz klein: Atome Auf Atomebene: 10-10 m Grösse des Atoms Kern: 10-14 m Durchmesser Nukleonen - Protonen: 1,6 x 10-27 kg - Neutronen: 1,6 x 10-27 kg Hülle: - Elektronen: 9,1 x 10-31 kg Wechselwirkung der Strahlen mit Gewebe Photoeffekt Michael Gründel, Internet, 2014; Martin Volkmer 2003 Wechselwirkung der Strahlen mit Gewebe Comptoneffekt Michael Gründel, Internet, 2014; Martin Volkmer 2003 Wechselwirkung der Strahlen mit Gewebe Paarbildung Michael Gründel, Internet, 2014; Martin Volkmer 2003 Wirkung der Strahlen Ionisierende Strahlen Elektron des Sauerstoffes aus dem Atom OH-Radikal Verbindung mit Erbsubstanz (DNA) Zellschädigung Machen wir uns ganz klein: Chromosomen Länge: 10-6 m Dicke: 0,6 x 10-76m = 10.000 x grösser als Atome Bundesamt für Strahlenschutz, Internetseite Wie wirken Strahlen ? Folgen im Zellkern: DNA-Schäden Anzahl an DNA-Schäden pro Zelle und 1 Gy Basenschäden Einzelstrangbrüche Vernetzungen Gehäufte Läsionen Doppelstrangbrüche 3000 1000 200 200 40 (Steel GG et al.: Basic Clinical Radiobiology, New York, Oxford Univ. Press, 1997) Veränderungen an der DNA Was machen die Strahlen im Körper ? Stoffwechsel und Logistik kollabieren Im Zellkern Wenn Zellen in Teilung sind Bei hohem Zellumsatz Im Wachstumsalter (bei Kindern und Jugendlichen) Wie schützen wir gesunde Gewebe ? Präzise Diagnostik: mit Radioaktivität Präzise Planung und Umsetzung 177Lu-DOTATOC Therapie Gesunde Zellen sind fit: Reparatur Werde ich radioaktiv ? Bei Strahlen von aussen: Nein ! Sie werden nicht radioaktiv ! Bei Strahlen von innen: Ja, doch nur für sehr kurze Zeit Die Strahlen erzeugen biologische Effekte und sehr wenig Wärme und klingen dann ab Belaste ich meine Familie ? Bei Strahlen von aussen: Nein, die Strahlung ist sofort weg – Sie nehmen nichts mit aus dem Therapieraum Bei Strahlen von innen: Ja, aber die Reichweite ist sehr gering – wenn Sie nach Hause dürfen, sind noch für wenige Tage Vorsichtsmassnahmen vorgeschrieben (u.a. zu Kleinkinder- und Schwangerenkontakt Abstand halten) Viel Theorie und Technik, aber dennoch … • Strahlen in der Medizin unabkömmlich • Strahlenschutz ist viel besser geworden: für Patienten, Personal, Angehörige • Strahlen im Leben ubiquitär: überall wird an Entlastung gearbeitet • Die meisten Strahleneffekte sind sehr gezielt verursacht radioonkologiebasel.ch und [email protected]