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Katalytische Antikörper gegen Kokainsucht
André Langhorst
Seit den achtziger Jahren hat der Mißbrauch von Kokain größere Ausmaße angenommen. Zuerst in den Vereinigten
Staaten, dann auch in Europa. Einige Millionen Menschen konsumieren diese psychostimulierende Droge mit - unter
anderem - schweren psychischen Störungen, Herz-Kreislauf-Komplikationen, sowie plötzlichen Herzattacken zur Folge. In
den USA haben die sozialen Auswirkungen der Kokainwelle zum Niedergang vieler Städte beigetragen, denn der Konsum
entzieht Arbeitskraft und Kapital, die beide ansonsten produktiv hätten eingesetzt werden können.
Die Beliebtheit läßt sich auf die gesellschaftliche Akzeptanz als Modedroge, die wenig erfolgreiche Bekämpfung des
Schmuggels, sowie die Entwicklung von Crack zurückführen. Denn Crack wirkt schneller und intensiver, weil es geraucht
und geschnupft werden kann.
Die Betroffenen können keine pharmakologische Hilfe in Anspruch nehmen, da es auch nach jahrzehntelanger
biomedezinischer Forschung noch keine Wirkstoffe gibt, mit denen sich die Folgen einer Überdosis oder gar die
Abhängigkeit vom Kokain behandeln ließe. Die Folgen einer Überdosis können mitunter gravierend sein, bis hin zum
Herzstillstand oder Hirnschäden.
Deshalb verfolgte man schließlich einen radikal neuen Ansatz: Die Sucht wird bekämpft, indem die Wirkung der Droge
aufgehoben wird. Die Droge muß im Blut zerstört werden, bevor sie das Gehirn erreicht. Eine Droge ohne Wirkung ist
überflüssig. Dieser Ansatz bot sich quasi an, denn fast alle abhängig machenden Drogen stimulieren ein neuronales
Belohnungssystem. Dieses aktiviert die limbocorticale Region des Gehirns, welche die fundamentalsten Gefühle und
Verhaltensweisen kontrolliert. Es ist ein mehr als 100 Millionen Jahre altes Evolutionsprodukt. Einen Überlebensvorteil
erwirtschaftete es, weil es das Lernen und Wiederholen verschiedener positiver Handlungen begünstigte, indem es die
Befriedigung von Bedürfnissen mit angenehmen Empfindungen verband (Zum Beispiel Paarung oder Nahrungsaufnahme).
Das ist auch bei uns noch so. Die angenehmen Empfindungen werden zum Teil durch die Ausschüttung körpereigener
Opiate realisiert. (z.B. Endorphine = endogene Morphine, Dopamin)
Die gleichen Strukturen dieser vorbewußten Lebewesen existieren auch in unserem Gehirn und sind Grundlage für das
subjektive Empfinden von Lust und Wohlbefinden. Man fühlt sich gut, wenn Nervenbotenstoffe (vorrangig Dopamin) diese
Schaltkreise erregen.
Die Quelle des Suchtverhaltens, ist die Verstärkung des Belohnungseffektes. Jeder gebräuchliche
Suchtstoff basiert auf dieser Wirkungsweise, indem es irgendein Element des Belohnungssystemes
stimuliert und den Konsument sozusagen darauf dressiert, sich ihn wieder zuzuführen. Die klassischen
Beispiele sind Alkohol, Nikotin, Barbiturate (Schlaf- Beruhigungsmittel), Amphetamine, Heroin,
Cannabis (Marihuana, Haschisch) oder Kokain.
Als Gratiseffekt verändert sich die Produktion der Neurotransmitter bei längerem Konsum, so daß ein
Absetzen einer Droge, bei Abhängigkeit,
gefährliche oder zumindest höchst
unangenehme
körperliche
und
psychische Entzugssymptome auslösen
kann. (z.B. Krämpfe...)
Die Intensität der Verstärkung ist
Abhängig von der Droge und von der
Menge und Geschwindigkeit, mit der es
in Blutkreislauf und Gehirn eindringt.
Direktes Spritzen in eine Vene hat
deshalb den durchschlagendsten Effekt,
Rauchen jedoch ist ähnlich effizient.
Kokain, injiziert oder geraucht als Crack,
hat unter den verbreiteten Drogen das
höchste suchterzeugende Potential.
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Das Problem ist, daß Kokain den Abbau des Reizes verhindert. Der Neurotransmitter Dopamin der im
synaptischen Spalt, insbesondere bei Synapsen im Belohnungssystem, ausgeschüttet wird, erzeugt
diesen Reiz. Eigentlich sollte das Dopamin nach erfüllter Aufgabe wieder aktiv ins Zellinnere des
Senderneurons zurückgeholt werden, das Kokain blockiert jedoch die Transportproteine und der Reiz
wird verstärkt. Das Kokain wirkt also
indirekt, indem es die Wirkung eines
bereits ausgeschütteten Neurotransmitters
verlängert. Opiate hingegen heften sich
direkt
an
die
Rezeptoren
des
Empfängerneurons und lassen sich somit
durch
chemische
unwirksame
Verbindungen (wie Naltrexon), von den
Rezeptoren verdrängen, indem sie sich
selbst an den Rezeptor heften ohne einen
Reiz zu erzeugen.
Jede Substanz die Kokain den Zugang zu
dem Dopamin-Transporter verwehren
würde, hätte wahrscheinlich auch
negativen
Einfluß
auf
dessen
Transportfähigkeit und würde somit
weitgehend den gleichen Effekt wie
Kokain selbst zeigen.
Stets gelangt Kokain über die Blutbahn zum Gehirn. Als natürliche “Abfangjäger” agieren Antikörper in unserem
Organismus. Eine Immunisierung mit einem Analagon kann erfolgreich sein und die Wirkung der Droge abschwächen. Die
Antikörper-Heroin Komplexe werden jedoch nach kurzer Zeit vom Körper eliminiert. Ein praxisgerechter Antikörper
müßte also die Droge zerstören ohne selbst zerstört zu werden.
Außerdem kann ein Kokainmolekül das 250-fache seines eigenen Gewichtes an Antikörpern binden,
somit wäre eine Injektion von 100mg Kokain eine Menge, die ein typischer zirkulierender Antikörper
nicht zu neutralisieren vermag.
Vor nicht allzu langer Zeit (später 80er) wurden mit einem Trick Antikörper hergestellt, die zugleich –
ähnlich einem Enzym – die Spaltung begünstigen und sich nach erledigter Arbeit von den Produkten
trennen und bereit für einen neuen Zyklus sind. Diese katalytischen Antikörper, Abzyme genannt (von
antibody und enzyme), schaffen bei besonders hoher katalytischer Aktivität einige Dutzend
Reaktionen pro Sekunde und wären optimal um ein großes Quantum zu inaktivieren.
Kokain scheint zunächst aussichtsreicher Kandidat zu sein, da es sich durch eine einfach Spaltreaktion
in zwei unproblematische Bruchstücke zerlegen läßt. Diese Spaltung führt sogar ein normales Enzym
im menschlichen Blut aus, jedoch viel zu langsam, um das für die Abhängigkeit verantwortliche
Hochgefühl zu verhindern.
Kokain gehört zu einer Klasse von Verbindungen, die als Ester bezeichnet werden. Bestimmte
Antikörper die Ester spalten, sind fast so wirksam wir die natürlichen Enzyme, die Esterasen.
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Bei einem Abzym sind die Falten, Taschen und aktiven Zentren nicht auf die normale Struktur des
Zielmoleküls zugeschnitten, im Gegensatz zum gewöhnlichen Antikörper, sondern auf einen
Übergangszustand zwischen Ausgans- und Endzustand der Reaktion.
Indem der Antikörper das
Erreichen
dieses
Zustandes
erleichtert, macht er die
Reaktion wahrscheinlicher.
Die
ersten
künstlichen
Abzyme
erreichen
eine
katalytische Aktivität von nur
zwei Spaltreaktionen in der
Minute. Wirksame Abzyme
müßten es aber auf zwei
Spaltreaktionen pro Sekunden
bringen. Angesichts der Tatsache,
daß
einige
katalytische
Antikörper es auf eine Aktivität
von vierzig Umsetzungen pro
Sekunden bringen, erscheint es als
realistisches Ziel.
Es
bieten
sich
einige
Möglichkeiten
um
die
enzymatische Aktivität
zu
Verbessern. Zum Einen die
Konstruktion
modifizierter
Analoga, die eine Bildung
hochaktiver Abzyme auslösen
sollen. Diese werden dann das
Kokainmolekül derart in seiner
Gestalt verzerren, daß es fast in
sich selbst zerfällt.
Weiterhin könnten ScreeningMethoden
gestatten,
die
Antikörper direkt auf ihre
katalytische
Aktivität
hin
auszusuchen, statt erst auf eine
feste Bindung an eine Analogon
für den Übergangszustand.
Schließlich können durch
Klonen der Abzyme eines jeden
Typs die Strukturen einzeln
verändert werden.
Leider ist es bis zur
medikamentösen
Anwendung
nicht ganz so einfach, denn
Süchtige kann man nicht direkt –
aktiv – mit einem Analogon des Übergangszustandes immunisieren, weil nur ein kleiner Teil der vom
Körper gebildeten Antikörper katalytisch aktiv wäre.
Um trotzdem eine hohe schützende Konzentration zu gewährleisten, muß man passiv immunisieren,
also eine Übertragung ausreichender Mengen des wirksamen Abzyms selbst. Das Know-how für die
Herstellung solcher Antikörper ist bei den Pharmaherstellern im Prinzip schon vorhanden.
Ein Abzym ließe sich für mindestens einige Wochen im Organismus stabil halten, das ist in etwa so
lange wie natürliche Antikörper im Körper überdauern. Eine einfache Injektion könnte dann einen
Monat Kokain inaktivieren, jene Zeitspanne nach der die schlimmsten psychischen Qualen abklingen
und man wieder auf herkömmliche Suchtbehandlung zurückgreifen könnte. Bisher setzt der Großteil
der Teilnehmer während den Entwöhnungsmaßnahmen die Einnahme fort. Bei einer solchen Blockade
von Kokain würde ihnen das wahrlich nicht viel nützen.
Möglicherweise müssen nicht alle Moleküle der Droge vom Gehirn ferngehalten werden. Die einfache
Dämpfung des Hochgefühls ist ausreichend um der Abhängigkeit entgegen zu wirken.
Eine hohe Dosis Crack geraucht, würde nur den Effekt von einigen Milligramm geschnupften
Kokainpulvers haben. Denkbar das dieser Unterschied den Weg zum Ausstieg ermöglicht.
Exkurs Neurobiologie / Referat
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Ein Reiz ist ein Umwelteinfluß der auf spez. Sinneszellen wirkt und eine Reaktion erzeugen kann.
Reizbarkeit
Schwellenwert
Adäquater Reiz
Neuron (Nervenzelle)
- Soma
- Neuriten
- Dendriten
Synapsen
- Synapsenendköpfchen
- Neurotransmitter
SCHWANNsche Zellen
- RANVIERsche Schnürringe
Membranpotential
Ruhepotential (RP)
Aktionspotential (AP)
Refraktärphase
Ionenpumpe (Natrium-Kalium)
Leitung des AP
- saltatorische Erregungsleitung
Excitatorische Synapsen
Inhibitorische Synapsen
Codierung von Information
- Kanalspezifität
- Frequenzmodulation
Motorische Einheit
- Mot. Endplatten (Neuronen)
- Endplattenpotential
Möglichkeit der Reaktion auf einen Reiz
Minimalgröße des Reizes um Reaktion zu erzeugen
Reiz auf den ein bestimmter Rezeptor (Sinnesorgan) anspricht
Informationsverarbeitende Zelle
Zellkörper u.a. Informationsverarbeitung
Unidirektionale Leitung (ca.120m/s u.a. Abhängig vom Durchm.)
Aufnahme von Reizen
Verbindungsstellen zwischen Neuronen, bis 10.000 pro Neuron
Enthält Vesikel mit Neurotransmitterstoffen
Syntheseprodukt d. Soma u. Synapsenendk., Transp. v. Inform.
Bilden Markscheiden (Isolierende Hülle um Neuriten aus Myelin)
Unterbr. d. Markscheiden, AP Leitung, Leitungsbeschleunigung
Elektrochem. Spannung an einer semipermeablen Membran
Spannung am unerregten Nerv (ca. zwischen -75mV u. –90mV)
Spannungsänderung, etwa 1ms, maximal ca. +30V
Aufbau des AP<1ms, danach Abbau, Hyperpolarisation, RP
Aktive Aufrechterhaltung des RP
Stromfluß durch Potentialdifferenz
Energieersparnis; Ionenp. nur an Schnürr. aktiv, Leitungsbeschl.
Synapsen, die auf der Empfängerzelle ein AP hervorrufen
Neutralisation gleichzeitig eintreffender APs
Inhalt d. Information, Stärke des Reizes
Information, Steuerung über eigene Nerven jedes Sinnesorgans
Codierung von Reizstärke und Quantität einer Information
Mot. Neuron + versorgte Muskelfasern
Großes Synapsenendköpfchen an Muskelfaseroberfläche liegend
Breite sich über ganze Faser aus und leitet Kontraktion ein.
Ergänzungen:
Ein Abzym (antibody + enzyme) ist ein katalytisch aktiver Antikörper. Er bindet das Zielmolekül
nicht einfach – wie ein Antikörper – aber ist auch nicht auf die übliche Molekülgestalt spezialisiert.
Es ist auf einen Übergangszustand, zwischen Anfang und Ende der Reaktion, selektiert um die
Reaktion zu erleichtern. Nach der Reaktion trennt es sich von den Produkten, wie ein Enzym.
Ein Analogon ist ein molekular dem Originalmolekül ähnelndes Molekül. Vorzugsweise hat es
nicht dieselben Auswirkungen im Organismus. Bestenfalls ist es chemisch inaktiv. Trotzdem hat es
an den wesentlichen Stellen ähnlichen Aufbau, um z.B. Antikörper zu erzeugen die auch auf das
Originalmolekül ansprechen, Oder Abzyme die das Kokain-Analogon, sowie Kokain selbst spalten
können. Eine Immunisierung mit Kokain wäre auch möglich, jedoch aus bekannten Gründen
undenkbar.
Kokain ist ein Psychostimulans, welches durch die Übererregung eines Belohnungsschaltkreises im
Gehirn, ein suchtförderndes Hochgefühl erzeugt. An den Synapsen zwischen Fasern aus dem Dach
des Mittelhirns und Neuronen des Nucleus accumben blockiert er den Rückholmechanismus des
Dopamins, welches in den synaptischen Spalt entlassen wird. Der erzeugte Reiz kann jetzt nur sehr
langsam abgebaut werden.
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