Abteilung für Kinder

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Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Landesnervenklinik Sigmund Freud
Störung des Sozialverhaltens
An der Grenze zwischen Therapie und Pädagogik
Dr. Christoph Göttl
Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz
Störung des Sozialverhaltens:
Leitsymptome
• Deutliches Maß an
Ungehorsam, Streiten
oder Tyrannisieren
• Ungewöhnlich häufige
oder schwere
Wutausbrüche
• Erhebliche Destruktivität
gegenüber Eigentum
• Grausamkeit gegenüber
anderen Menschen oder
Tieren
•
•
•
•
•
Zündeln
Stehlen
Häufiges Lügen
Schuleschwänzen
Weglaufen von zu Hause.
Dt.Ges.f. Kinder- und Jugendpsychiatrie und
Psychotherapie u.a. (Hrsg.): Leitlinien zur
Diagnostik und Therapie von psychischen
Störungen im Säuglings-, Kindes- und
Jugendalter. Deutscher Ärzte Verlag, 2.
überarbeitete Auflage 2003 - ISBN: 3-76910421-8
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Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz
Störung des Sozialverhaltens:
Definition
• Verletzung der Grundrechte Anderer
• Verletzung der wichtigsten
altersentsprechenden Normen und
Gesetze
• Mind. 6 Monate
Herpertz-Dahlmann, B; Resch, F.; Schulte-Markwort, M.; Warnke, A.: Entwicklungspsychiatrie. Schattauer 2003.
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Störung des Sozialverhaltens:
Definition
• Verhalten im Wesentlichen entkoppelt von
aktuellen Ereignissen,
• jedoch Schwankungen der Ausprägung
weiterhin abhängig von aktuellen Ereignissen
Herpertz-Dahlmann, B; Resch, F.; Schulte-Markwort, M.; Warnke, A.: Entwicklungspsychiatrie. Schattauer 2003.
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ICD-10
DSM IV
Ort des Auftretens + Komorbidität
Code
Name
F 90.1
Hyperkinetische Störung des
Sozialverhaltens
Alter bei Beginn
Code
312.81 or
Störung des Sozialverhaltens
Name
Conduct Disorder
• Childhood-onset
• Adolescent-onset
• Unspecified onset
F 91.0
312.82 or
• auf familiären Rahmen beschränkt 312.89
F 91.1
• bei fehlenden sozialen Bindungen
F 91.2
• bei vorhandenen soz. Bindungen
F 91.3
• mit oppositionellem Verhalten
313.81
Oppositional
Defiant Disorder
Kombinierte SSV und der Emotionen
312.8 or
312.9
(CD + 2. Diagnose)
F 92.0
• SSV mit depressiver Störung
F 92.8
• sonstige Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz
Untergruppen: Alter
Beginn Kindheit
Beginn Adoleszenz
• wesentlich mehr Jungen
als Mädchen
• häufig körperliche
Aggression
• häufig gestörte PeerBeziehungen
• eher ungünstiger
chronischer Verlauf zur
dissozialen
Persönlichkeitsstörung.
• mehr Jungen als Mädchen
• seltener aggressives
Verhalten
• bessere Beziehungen zu
Gleichaltrigen
• seltener chronischer
Verlauf zur dissozialen
Persönlichkeitsstörung.
Prof.Dr.U. Lehmkuhl: Vorlesung Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Charité Campus Virchow-Klinikum, Universitätsmedizin Berlin.
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Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz
In welchem Lebensalter geschehen
die meisten Gewalttaten?
Lösel, F. & Bender, D. (1997a). Antisoziales Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Psycho: Zeitschrift für Praxis und Klinik, 23,
321-329
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Prognose (I)
• Beginn zwischen später Kindheit und frühem Jugendalter, selten nach
dem 16. Lebensjahr
• Ungünstige Prognose: bis zu 50% im Erwachsenenalter noch
dissoziale Persönlichkeitsstörung
• Mannheimer Längsschnittstudie: von allen 13jährigen Dissozialen
waren im Alter von 18 Jahren noch 76% psychiatrisch auffällig, mit
25 Jahren noch 55%, überwiegend mit dissozialer Symptomatik
– Beste Voraussagewerte für Dissoziales Verhalten mit 25 hatten:
• Disziplinstörungen in der Schule (Prävalenz x4)
• Schuleschwänzen in der 2. Klasse (x7)
• Häufige Wutanfälle (x2)
Prof.Dr.U. Lehmkuhl: Vorlesung Kinder- und Jugendpsychiatrie. Charité Campus Virchow-Klinikum, Universitätsmedizin
Berlin.
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Prognose (II)
Eine Störung des Sozialverhaltens im Kindes- und Jugendalter, erhöht
im Erwachsenenalter das Risiko für:
• dissoziale Persönlichkeitsstörung
• Abhängigkeit
• affektive Störung
• Angststörung
• somatoforme Störung
• Scheidung (x 3)
• Arbeitslosigkeit (x 10)
• häufige Arbeitsplatzwechsel
• ungelernte Tätigkeiten
• keine zuverlässigen Freunde
Prof.Dr.U. Lehmkuhl: Vorlesung Kinder- und Jugendpsychiatrie. Charité Campus Virchow-Klinikum, Universitätsmedizin
Berlin.
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Prognose (III)
ungünstigere Prognose bei:
• frühem Beginn
• hohem Ausprägungsgrad
• hohe Symptomzahl
• breite Streuung der Symptome über verschiedene Bereiche
• Aggressivität
• fehlende soziale Beziehungen
• wiederholte Kontakte mit der Polizei
• antisoziale Persönlichkeitsstörung bei den Bezugspersonen
• kombinierter hyperkinetischer Störung
Prof.Dr.U. Lehmkuhl: Vorlesung Kinder- und Jugendpsychiatrie. Charité Campus Virchow-Klinikum, Universitätsmedizin
Berlin.
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Untertypen
Aggressiv-vielschichtiger
Typ A
Nicht-aggressiver
Typ B
• neurobiologische
Hemmung im
behavioralen
Inhibitionssystem
• Gefahr, Angst und Strafe
hemmen nicht
• hohe Empfänglichkeit für
Belohnung
• Konflikte mit dem Gesetz
innerhalb devianter
Jugendcliques
• Bestrafung gleich
wirksam wie Belohnung
Prof.Dr.U. Lehmkuhl: Vorlesung Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Charité Campus Virchow-Klinikum, Universitätsmedizin Berlin.
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Grundlegende Motivation
aggressiver Handlungen
• instrumentell-aggressive Handlung
sich einen Vorteil verschaffen (z.B. Machtgewinn)
• impulsiv-aggressive Handlung
ausführen von Impulsen ohne ausreichende
Handlungskontrolle, erhöhte Reizbarkeit
• ängstlich-aggressive Handlung
Reaktion auf tatsächliche oder vermutete
Bedrohung, Schutz der eigenen Person
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Subtypen aggressiven
Verhaltens
Impul- Angst Gewissens
-bildung
sivität
Subtyp
Instrumentell
-aggressiv
Impulsiv
aggressiv
Ängstlich
aggressiv
↓
↑
↓
Angst
vor
Strafe
emotionale
Erregung
↓
nein
nein
niedrig
↔
beeinträchtigt
z.T.
hoch
ja
extrem
hoch
↑
ja
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HOT or COLD Aggression
–
–
–
–
HOT
COLD
RADI
PIP
Reactive
Affective
Defensive
Impulsive
– Planned
– Instrumental
– Proactive
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Steiner (2005) Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz
Körperverletzung und Raub 8.-14.Lj
Lösel, F. & Bender, D. (1997a). Antisoziales Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Psycho: Zeitschrift für Praxis und Klinik, 23,
321-329
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Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz
In welchem Lebensalter
geschehen die meisten Straftaten?
Lösel, F. & Bender, D. (1997a). Antisoziales Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Psycho: Zeitschrift für Praxis und Klinik, 23,
321-329
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Körperliche Misshandlung
• In Österreich jährlich 100.000 Kinder, die
einer ärztlichen Behandlung wegen
Misshandlung bedürfen
• 77% der Misshandlungen durch ein
Familienmitglied
Höllwarth M.E.: Gewalt und Missbrauch an Kindern. Österreichische Ärztezeitung (2004); 17: 26-36
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Körperliche Misshandlung
• 51% der Kinder 0 - 4 Jahre
• 26% der Kinder 4 -10 Jahre
• 23% der Kinder 10 -16 Jahre
Höllwarth M.E.: Gewalt und Missbrauch an Kindern. Österreichische Ärztezeitung (2004); 17: 26-36
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Körperliche Misshandlung
• Trauma Typ II nach Leonore Terr
• 74% der Misshandelten werden durch eine
Störung des Sozialverhaltens auffällig
Höllwarth M.E.: Gewalt und Missbrauch an Kindern. Österreichische Ärztezeitung (2004); 17: 26-36
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Jugendgewalttäter, die elterliche
Gewalt in der Kindheit erlebten
Pfeiffer, Christian; Wetzels Peter: Kinder als Täter und Opfer. Forschungsbericht Nr. 68. Kriminologisches Forschungsinstitut
Niedersachsen 1997.
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Gewalttäter, die in den letzten 12
Monaten selbst Gewalt erlebt haben
Abteilung
und Jugendpsychiatrie
Pfeiffer, Christian; Wetzels Peter: Kinder
als Täterfür
undKinderOpfer. Forschungsbericht
Nr. 68. Kriminologisches Forschungsinstitut
Niedersachsen 1997.
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Gewalt geht mit der Erwartung
von Feindschaft einher:
Wer Angst macht, hat Angst
Pfeiffer, Christian; Wetzels Peter: Kinder als Täter und Opfer. Forschungsbericht Nr. 68. Kriminologisches Forschungsinstitut
Niedersachsen 1997.
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Traumatypen
Typ I: einmalig
•
•
•
•
Naturkatastrophen
Unfälle
Gewalttaten
Techn. Katastrophen
Typ II: chronische
Traumatisierung
• Sex. Missbrauch
• Körperliche
Misshandlung
• Vernachlässigung
• Krieg, Flucht, Folter
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Frühkindliche Mißhandlung oder Mißbrauch
sind
meist mit Vernachlässigung kombiniert
Manly et al. :
– Nur 8% waren ausschließlich körperlich Mißhandelte
– 5 % waren ausschließlich sexuell mißbrauchten Kinder
– 49% der sexuell mißbrauchten Kinder waren auch
körperlich misshandelt und vernachlässigt
Fegert 1997 ca.50% der mißbrauchten Kinder in
einer KJP Inanspruchnahmepopulation waren
auch körperlich mißhandelt
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Neurobiologie Trauma
Drei Streßreaktionen:
1.) erste Abwehrreaktion: Acetylcholin
2.) Flight or Fight: (Nor-)Adrenalin
3.) Freeze: Cortison
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Teufelskreis
nach Döpfner
Aufforderung
nicht befolgt
Wiederholung der
Aufforderung
befolgt
befolgt
nicht befolgt
befolgt
Eltern drohen
Eltern
gehen
zu anderer
Tätigkeit
über
nicht befolgt
Eltern ratlos
Eltern geben nach
Eltern aggressiv
Döpfner, M; Schürmann, S; Lehmkuhl, G: Wackelpeter und Trotzkopf. BeltzPVU 2000.
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Inkonsistenz der Eltern und
Gewalt durch Jugendliche
Pfeiffer, Christian; Wetzels Peter: Kinder als Täter und Opfer. Forschungsbericht Nr. 68. Kriminologisches Forschungsinstitut
Niedersachsen 1997.
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Deviante Entwicklung nach
Patterson
Lehmkuhl, U; Lehmkuhl, G; Döpfner M: Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen. Frühe Verhaltensindikatoren, Verlauf und
Interventionsansätze. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz Vol 45, Nr 12. Springer Berlin-Heidelberg
2002.
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Beeinflußt die Ablehnung von Gewalt
durch Erwachsene die Gewalt
Jugendlicher?
Pfeiffer, Christian; Wetzels Peter: Kinder als Täter und Opfer. Forschungsbericht Nr. 68. Kriminologisches Forschungsinstitut
Niedersachsen 1997.
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Verringert positive Zuwendung Gewalt?
Pfeiffer, Christian; Wetzels Peter: Kinder als Täter und Opfer. Forschungsbericht Nr. 68. Kriminologisches Forschungsinstitut
Niedersachsen 1997.
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Heilsame Begegnung
TherapeutInnen
PatientInnen
• Positive Zuwendung mit
Freude und Sympathie statt
Macht oder Bedrohung
• Soziale Referenzierung
• Regulation der
Aufmerksamkeit und Distanz
• Vorhersehbare, natürliche
Konsequenzen
• Stress regulieren lernen:
Notfallskoffer
• Selbstwirksamkeit
• Mut zu vertrauen
• Struktur
• Traumatherapie
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Opfer werden zu Tätern
• Täterintrojekt:
Macht ist besser als Ohnmacht
(Psychoanalyse)
• Selbstwertkonflikt:
Minderwertigkeits- und Überwertigkeitskomplex
(Alfred Adler)
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Opfer werden zu Tätern
• Gelernte Rolle – Nachahmung:
Das hab ich als Handlungsmöglichkeit gelernt
(Verhaltenstherapie - Bandura)
• Die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit:
Eine Watsche ist auch eine Streicheleinheit
(Transaktionsanalyse - Eric Berne)
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Hat jedes schwierige Kind
eine soziale Störung?
• Aggressive Handlungen im Rahmen
organischer Psychosyndrome, die von
Dissozialität begleitet werden (F0) –
Intellektuelle Minderbegabung
• Dissozialen Symptomen im Kontext von
Substanzmissbrauch (F1) (als
Sekundärfolge/bei
Beschaffungskriminalität)
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Hat jedes schwierige Kind
eine soziale Störung?
• Bei auf die Familie beschränkter
Symptomatik im Rahmen von
Zwangshandlungen (F42)
• Bei aggressiven Symptomen im Rahmen
manischer Episoden (F30)
• Bei posttraumatischen
Belastungsreaktionen oder
Anpassungsstörungen (F43.1/F43.2), z.B.
nach sexuellem Missbrauch
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Hat jedes schwierige Kind
eine soziale Störung?
• Bei Stehlen im Rahmen von Bulimia
nervosa (F50.2)
• Bei aggressiven Übergriffen im Rahmen
von Impulskontrollstörungen (F63,
Borderline-Persönlichkeitsstörung F60.3,
narzisstischen Persönlichkeitsstörungen).
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