Vorwort zur zweiten Auflage. Alle Rechte vorbebalten. Dr

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Vorwort zur zweiten Auflage.
Alle Rechte vorbebalten.
Sechs Wochen nach dem Erscheinen der ersten Auflage war dieselbe bereits vergriffen, ein
Beweis, dass das Interesse fur die Morphiumsucht sich noch im Flusse befindet.
Die zweite Auflage als unveränderten Abdruck der ersten herstellen zu lassen, dazu konnte ich
mich nicht entschliessen; hielt es vielmehr fur richtiger, die bekannten Epitheta „vermehrt und
verbessert” über das Niveau einer rein buchhändlerischen Phrase herauszuheben. Die Vermehrung
besteht hauptsächlich in der „Literar - Geschichte” der Morphiumsucht; die Verbesserungen wird der
Leser ohne Mühe herausfinden. Im Wesentlichen habe ich auch diesmal den Standpunkt eigener
Erfahrung und Beobachtung festgehalten.
Muge sich diese zweite Auflage, deren Herstellung ohne meine Schuld verzögert wurde, einer
ebenso freundlichen Aufnahme erfreuen wie ihre Vorgangerin.
Bendorf bei Koblenz, 9. August 1883.
Dr. Erienmeyer.
Vorwort zur dritten Auflage.
Die vorliegende dritte Auflage tritt im Vergleich mit ihren Vorgängerinnen wiederum in
erheblich vergrössertem Umfange und — wie ich hoffe — auch mit verbessertem Inhalte auf.
Die Ursachen dessen sind verschiedener Art.
Einmal haben meine Erfahrungen über die Morphiumsucht seit dem Erscheinen der zweiten
Auflage zugenommen, dann habe ich dieselben diesmal in breiterer Anlage zur Darstellung gebracht;
ferner ist der zu behandelnde Stoff selbst nach verschiedenen Richtungen hin wesentlich gewachsen;
endlich habe ich dem berechtigten Wunsche Folge gegeben, den einzelne Kritiker der zweiten Auflage
ausgesprochen, und habe 50 Krankheitsgeschichten abdrucken lassen.
Möge sich auch diese Auflage einer wohlwollenden Aufnahme zu erfreuen haben.
Bendorf am Rhein, 9. August 1887.
Dr. Erlenmeyer.
Inhalts -Verzeichniss.
Erster Abschnitt.
Ursachen und Entwicklung der Morphiumsucht.
Körperliche Ursachen l. — Schlaflosigkeit 2. — Seelische Ursachen 2. — Vorkommen der
Morphiumsucht 3 — Art der Morphiumzufuhr 4. — Krankheitsentwicklung 4. — Namen der
Krankheit 8. — Chronische Morphiumvergiftung und Morphiumsucht. — Allmähliche Entstehung der
Krankheit 9. — Beispiele 9 — Euphorische Wirkung des Morphium II. — Acute Morphiumsucht 13.
— Disposition zur Morphiumsucht 13. — Definition der Krankheit 15. — Anhang: Kurze Darstellung
der Krankheitsentwicklung (nach Dr. Loose) 17.
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Zweiter Abschnitt.
Pathologische Anatomie der Morphiumsucht.
Narben des Unterhautbindegewebes 24. — Ovale, glänzende Narben 25. — Knotige
Verdickungen und Infiltrationen 27. — Befund am Gehirn 28 — Fett-Herz 29. — Hypertrophie des
rechten Herzventrikels 30. — Morphiumtod. — Anhang I: Verunreinigung der Morphiumlösungen als
Ursache der Abscesse 33 — Anhang II: Uebertragung von Infections-stoffen durch die Spritze 35. —
Sectionsbefund (locale Tuberculose) 36.
Dritter Abschnitt.
Die Symptome der Morphiumsucht.
I.
Intoxicationssymptome 38.
— Auch während der Morphiumzeit kommen Abstinenzsymptome vor 39. — A. Körperliche
Intoxicationssymptome 40. — l. Motorische. Paresen. Ataxie. Tremor. Reflexe.2.Sekretorische.
Impotenz der Männer 41 — Genaue Unterscheidung der Morphiumsymptome von den
Symptomen der ursprünglichen Krankheit 42. — Functionsausfall der Samenbläschen und der Prostata
43. — Amenor-rhoe und Sterilität der Frauen 44. — Schwangerschaft und Geburt morphiumsüchtiger
Mütter 45. Verhalten der Kinder. — Milchbildung, Brustdrüse. — Fluor albus 46 —
Speichelabsonderung. Magensaft. Pankreassaft. Gallenausscheidung. — Störung der allgemeinen
Ernährung. 47. — Hautstörungen. Talgdrüsen. Schweissvermehrung 48. — Urinver mehrung. — 3.
Trophische und respiratorischvasomotorische 40. — Grauwerden der Haare. Lockerwerden und
Ausfallen der Zähne, Weichheit derselben und Abbröckeln des Zahnschmelzes. Respiration und Puls.
— Pupillen 50, — Accommodationsstörung. — autausschläge . — Fieber 51. — Congestion durch
Injection in eine Vene 52. — Febris chron. Morphinismus. — 4. Neuralgien und
Sensibilitätsneurosen.B. Seelische Intoxicationssymptome 54, Vorübergehende, Dauernde Ab nahme
der Intelligenz und des Gedächtnisses. Abßstumpfung des Gefühls lebens 55 — Defect der Moral.
Vorzeitiges Greisenalter 58. – Psychische Schwäche Morphiumsucht Ursache von Psychosen.
Unterschied zwischen Geisteskrankheit durch Intoxication und durch Abstinenz 59 — Verrücktheit
Verfolgungswahn. Scheinbare Ausnahmen 6I.
II.
Abstinenz Symptome 6I.
A. Plötzliche Entziehung 62. — Collaps. Delirium 64. — Beispiele. Differential-Diagnose 66.
— Hystero-epileptische Anfälle 67. — Albuminurie 68.
B.
Nicht plötzliche Entziehung 69. — l. Somalische Abstinenzerscheinungen. Motorische:
Muskel-Zuckungen 70. Tremor, Muskelschwäche, Ataxie, Paresen. Sensible: Wadenziehen 71.
Neuralgien, Halbseitiger Kopfschmerz, Paraesthesie. Wiederkehr der ursprünglichen Schmerzzustände.
— Sensorische: Seh-, Gehör-, Geruchsstörungen. — Vasomotorisch-respiratorische: Gefässsystem 73.
Fieber, Respiration, Puls. Sphygmographische Analyse. Beispiele. — Reflectorische 77: Krämpfe,
Würgen, Erbrechen. — Secretorische 78: Speichel. Diarrhoe. Schweiss. — Pollution Periode. — 2.
Seelische Abstinenzerscheinung 79: Unruhe Aengstlichkeit, Schlaflosigkeit. — Stimmung.
Selbstmordneigung. — Gedächtniss. Delirium, ruhige und erregte Form 80. — Sucht nach Morphium
81. — Geistes störung: vorübergehende 82, dauernde Form 83; hallucinatorischer Verfolgungswahn
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83; hysterische Psychose 84; Cocainpsychose. — Moralischer Aufschwung bei Schluss der Entziehung
85.
C.
Symptome nach eben vollendeter Entziehung 86. — Reizbare Schwäche; neuro psychische Erregbarkeit, Körperliche und psychische Erscheinungen. Zügellosigkeit Neigung zum
Alkohol 87. — Verhalten des Schlafes und der Verdauung 88. — Empfindlichkeit gegen Kälte. —
Diarrhoe.—Bedeutung des Erbrechen. D. Secundäre Abstinenzsymptome.
Physiologische Erklärung.
Die physiologischewirkung einer einzelnen Morphiumwirkung im Thierexperiment ist ebenso
wie die Symptomatologie der acuten Morphiumvergiftung für die Erklärung des chron. Morphinismus
beim Menschen nicht heranzuziehen 91. — Morphium im Thierexperiment ein Herzgift, im chron.
Morphinismus ein Nervengift 92. — Oxydimorphin 94. — Widersprüche 96.
Vierter Abschnitt.
Die Diagnose der Morphiumsucht.
Angaben der Kranken 99. — Körperliche Untersuchung, Narben. — Differentialdiagnose gegen
Chloral-, Bromkaliumvergiftung und Delirium alcoholicum 100. — Harnuntersuchung.
Untersuchungen von Eliassow, Marmé 101. — Morphium in Speichel, Magensaft, Blut 104. —
Untersuchung der Faeces I05. Untersuchungen von Notta und Lugan 105, von Donath und Hesse 106.
Hager. Burkarts Untersuchung über die physiologische Wirkung des Harnrückstandes von
Morphinisten 108. — Sphygmographischer Nachweis 109. Fünfter Abschnitt. Die Behandlung der
Morphiumsucht. Das allgemeine Princip der Behandlung III. I.
Die Methoden der Entziehung. l.
Die allmähliche Abgewöhnung 113.— 2. Die plötzliche Entziehung 119. — 3. Die schnelle Entziehung
(modificirt-langsame) 123. Anwendung der Marme‘schen Ansicht (Oxydimorphin) auf die
Werthschätzung der verschiedenen Entziehungs methoden 128.
II.
Wo soll die Entziehungscur durchgemacht werden und welche sind die zum Gelingen
derselben nothwendigen Massregeln? 129. — Curen zu Hause 130. Irrenanstalt 131. — Offene Curorte
133. — Specialanstalten für Mophiumsüchtige 136. — Massregeln Seitens der Anstalt 137. Dieselben
Seitens der Angehörigen 140.
III.
Symptomatische Therapie der Abstinenzerscheinungen 142. — Collaps. — Delirien
144. — Rausch. —Erbrechen 145. Diarrhoe und Leibschmerz. — Wadenschmerzen 147. —
Allgemeine Unruhe und Schlaflosigkeit. — Bettruhe 150. Ernährung. Bäder 151. — Frische Luft.
Bewegung.—Behandlung der Geistesstörung 152. — Hysterische Symptome. — Behandlung der
ursächlichen Leiden 153. — Simulation derselben 154.
IV.
Die Cocainbehandlung; der Cocainmissbrauch, die Cocainsucht 154. —
Pharmakologische Wirkung des Cocain bei Morphiumsucht 160. — Sphygmographischer Nachweis
der Gefäss-lähmung 163. — Cocainsucht 178.
V.
Verhütung des Rückfalles 189. — Die Morphiumsucht ist keine primäre, sondern eine
sekundäre Erkrankung 19 r. — Behandlung der ursprünglichen Krankheit nach der Entziehung 192, vor
der Entziehung 193. — Geistiges Verhalten der Kranken nach der Entziehung 195. — Einrichtung des
Hauses 196. — Secundäre Abstinenzsymptome 197.
VI.
Allgemeine Vorbeugung 200. — Hülfe vom Staat 201. — Hülfe von den Apothekern.
— Unterstützung Seitens der Ärzte 201. Öffentliche Warnung. Belehrung durcli die Presse 203.
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Sechster Abschnitt.
Die Prognose der Morphiumsucht.
Prognose der Krankheit, der Entziehung, der Rückfälle 204. — Unmöglichkeit der Entziehung,
l. Gruppe 205, Beispiele 206 II Gruppe 207 Beispiele 208 III Gruppe 209 — Gesammte Curzeit 210 —
Vereibende geistige Schwäche 211. — Collaps. Entziehung bei acuten Erkrankungen 212.
Siebenter Abschnitt.
Rechtliche Fragen.
I.
Zurechnungsfähigkeit 213 — Receptiälschung 214.— Nachweis der Psychose 215. —
Beispiele 216.
2.
Freiheitsberaubung 217. Zurückhalten in der Anstalt, gezwungene Curen 220.
3.
Die Lebensversicherung Morphiumsüchtiger 220.
Strafbarkeit der Apotheker und Droguisten 223 — Gesetzliche Verordnungen 224. —
Gesetzwidriger Morphiumhandel 227 — Prozesse gegen Apotheker 229. — Anhang: Bericht über
einen forensischen Fall von Morphinomanie (Dr. Motet) 230.
Achter Abschnitt.
50 Krankheitsgeschichten.
Vorbemerkung 242. Morphiumsucht: Erste Entziehung 243.
Wiederholte Entziehung 312. Cocainsucht resp. Morphiumcocainsucht 355.
Neunter Abschnitt. Literargeschichte der Morphiumsucht 402.
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Erster Abschnitt
Ursachen und Entwicklung der Morphiumsucht.
Als Ursachen der Morphiumsucht sind alle diejenigen Zustände anzuführen, gegen welche die
narkotisirende Wirkung des Morphium erfolgreich in Anwendung gezogen wird, also mit kurzen
Worten: Zustände des körperlichen und Zustände des seelischen Schmerzes.
Körperliche Ursachen.
Neuralgien aller Art und in den verschiedensten Nervenbahnen, mögen sie selbständige
Erkrankungen oder Theilerscheinungen anderer Krankheiten sein, gehören hierher. Intercostal-,
Supraorbital-, Occipital-, Trigeminus- und ischiadische Neuralgien sind in der Mehrzahl vorhanden;
andere kommen weniger oft vor . einer meiner Kranken hatte zum Morphium gegriffen wegen einer
heftigen, nach jeder Stuhlentleerung sich zu rasenden Schmerzen steigernden Neuralgia
pudendascrotalis.
Ebenso häufig werden Migräne, Kopfschmerz, die lancinirenden, excentrischen Schmerzen der
beginnenden Tabes dorsalis,die Schmerzanfalle der Gicht, des chronischen Rheumatismus, der
Gallensteinkolik, der Dysmenorrhoe, die Schmerzen bei acuten Entzündung skrankheiten wie bei
Pleuritis, Peritonitis , bei acutem Gelenkrheumatismus, die Erlenmeyer,Morphinumsucht.
Schmerzen in schlecht verheilten Wunden, in Amputationsstümpfen und resecirten Gelenken zu
Ursachen der Morphiumsucht. Ausser den hier aufgezählten und häufigsten Ursachen kann jedes
schmerzhafte Leiden die Morphiumsucht veranlassen.
Auch andere, gerade nicht schmerzhafte, aber doch höchst belästigende und in mancher
Beziehung störende körperliche Krankheitszustände führen zur Morphiumsucht. Bei einer grossen
Anzahl meiner Kranken fand ich als Ursache Asthma. Eine fernere Ursache ist dauerndes Erbrechen,
mag dasselbe durch ein organisches Magenleiden hervorgerufen, oder nervöser Natur sein. Einen
meiner Patienten, er war Schiffsarzt, hat die Seekrankheit zum Morphinisten gemacht.
Mehrere meiner Patienten waren dem Morphinismus verfallen, nachdem ihnen gegen
überhäufige Pollutionen Mor-phiuminjectionen ärztlich verordnet worden waren.
Den Uebergang zu den seelischen Ursachen bildet die Schlaflosigkeit. Ob sie körperlich bedingt
ist durch Malaria, Syphilis und Gehirnkrankheiten, ob seelisch durch Kummer, Sorge, abhastenden und
aufreibenden Lebensberuf, oder durch wirkliche Geisteskrankheiten — sie wird immer durch
Morphium erfolgreich bekämpft.
Seelische Ursachen.
Von diesen stehen der Häufigkeit nach im Vordergrunde hypochondrisch-melancholische
Depressionszustände mit Selbstunterschätzung, Energielosigkeit und Willensschwäche. Kranke dieser
Art fühlen sich nach einer wirkungsvollen Morphium-Einspritzung seelisch gehoben; ihre Gedanken
verlieren die trübe, melancholische Färbung; die bei einem krankhaft eingeengten geistigen Horizonte
auftauchenden Selbstmordgedanken verschwinden und weichen einem erneuten Lebensmuthe; die
Willenskraft hebt sich; sie werden wieder arbeitsfähig.
Als häufige Ursache ist ferner anzuführen die grosse Reihe der Angst- und Erregungszustände:
Melancholie. Neurasthenie, Hysterie, Platzfurcht; die ersten rathlosen Stadien der Paranoia
(Verfolgungswahn) und noch andere Formen geistiger Erkrankung liefern der Morphiumsucht Opfer.
Schliesslich sei Wissensdrang, Nachahmung und Verführung als Ursache erwähnt. Aerzte wollen die
Wirkung des Morphium an sich selbst kennen lernen, Personen beliebigen Berufes wollen die ihnen
von Morphiumsüchtigen geschilderten belebende und anregende Wirkung auch geniessen, ein Ehegatte
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