B. Das Demokratieprinzip (Fortsetzung)

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Dr. Angelika Günzel
WS 2009/10
B. Das Demokratieprinzip (Fortsetzung)
II. Die politischen Parteien im Grundgesetz
Grundsätzlich erfolgt die „Rückkopplung“ zwischen Parlament und Volk durch die Wahlen.
Wie Art. 39 Abs. 1 S. 1 GG zeigt, finden Wahlen aber nur alle vier Jahre statt. Politische Parteien sollen die dadurch entstehende Lücke der Mitarbeit der Bürger am demokratischen Verfahren schließen. Die Idee ist, dass Bürger sich freiwillig zu politischen Handlungseinheiten
zusammenschließen mit dem Ziel, sich an der Willensbildung in den Staatsorganen zu beteiligen.
1. Der Parteienbegriff i.S.d. Art. 21 GG
Eine Partei ist demnach ein Verbund von Bürgern mit dem Ziel der politischen Willensbildung und Willensäußerung durch Teilnahme an Wahlen zu den Parlamenten.
Historischer Hintergrund
Das Parteiwesen nimmt seinen Ursprung im „Vormärz“, d.h. in der Zeit vor der Revolution von 1848. Es geht aus von den studentischen Verbindungen (Burschenschaften),
die sich – trotz staatlicher Verfolgung – zusammenschlossen, um Fragen des Staatsund Verfassungsrechtes untereinander zu diskutieren. Der Parteibegriff wird für diese
Gruppierungen erstmals gebraucht, nachdem sich dieselben zunächst losen Verbände
in der Paulskirchenversammlung (z. B „Donnersberg“, „Café Milani“ etc.) angeschlossen hatten, um ihre Positionen besser durchsetzen zu können.
a) Definitionen von Partei
aa) Parteienverständnis des Art. 21 Abs. 1 GG
Diese Definition geht auf Art. 21 Abs. 1 GG zurück, der lautet: „Die Parteien wirken bei der
politischen Willensbildung des Volkes mit“.
bb) Parteienbegriff des Bundesverfassungsgerichts
„Art. 21 GG hat die Parteien als verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für die politische Willensbildung des Volkes anerkannt und sie in den Rang einer verfassungsrechtlichen
Institution erhoben Die Parteien gehören jedoch nicht zu den obersten Staatsorganen. Sie sind
vielmehr frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen, dazu berufen, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken und in den Bereich der institutionalisierten Staatlichkeit hineinzuwirken.
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Die politischen Parteien wirken an der politischen Willensbildung des Volkes vornehmlich
durch ihre Beteiligung an den Wahlen mit, die ohne die Parteien nicht durchgeführt werden
könnten. Sie sind darüber hinaus Zwischenglieder zwischen den Einzelnen und dem Staat,
Instrumente, durch die der Bürgerwille auch zwischen den Wahlen verwirklicht werden kann,
„Sprachrohr” des Volkes. Sie stellen, sofern sie die Regierung stützen, die Verbindung zwischen Volk und politischer Führung her und erhalten sie aufrecht.
Als Parteien der Minderheit bilden sie die politische Opposition und machen sie wirksam.
Sie sind als Mittler beteiligt am Prozess der Bildung der öffentlichen Meinung. Sie sammeln
die auf die politische Macht und ihre Ausübung gerichteten Meinungen, Interessen und Bestrebungen, gleichen sie in sich aus, formen sie und versuchen, ihnen auch im Bereich der
staatlichen Willensbildung Geltung zu verschaffen.
In der modernen Massendemokratie üben die politischen Parteien entscheidenden Einfluss auf
die Besetzung der obersten Staatsämter aus. Sie beeinflussen die Bildung des Staatswillens,
indem sie in das System der staatlichen Institutionen und Ämter hineinwirken, und zwar insbesondere durch Einflussnahme auf die Beschlüsse und Maßnahmen von Parlament und Regierung“. (BVerfGE 20, 56 (100 f.)).
cc) Parteibegriff des Art. 191 EGV
„Politische Parteien auf europäischer Ebene sind wichtig als Faktor der Integration in der
Union. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden und den politischen
Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen.“
dd) Parteibegriff des § 2 I PartG
§ 2 Abs. 1 des deutschen Parteiengesetz definiert Parteien wie folgt:
„Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes
oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung
des Volkes...mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse,
insbesondere nach dem Umfang und der Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer
Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für
die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten.”
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b) Abzuleitende Merkmale einer Partei und Abgrenzung zu anderen politischen Gruppen
Entscheidende Merkmale des Parteibegriffs sind daher:
(1) Vereinigung von Bürgern
(2) zur Formulierung eines politischen Willens
(3) gerichtet auf die Teilnahme an Wahlen zu den Parlamenten
Ausreichend sind also nicht schon
•
seltene Treffen einiger weniger Personen (so z. B. politische Zirkel, lose Versammlungen etc...),
•
bloße Bürgerinitiativen oder
•
solche Organisationen, die sich nur an Kommunalwahlen1 beteiligen.
Die Partei muss vielmehr eine eigene, verfestigte Struktur haben; sie muss an die Öffentlichkeit mit ihren Zielen herantreten und so die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung unter Beweis
stellen.
2. Die Rechtsstellung der Parteien nach dem Grundgesetz
Art. 21 Abs. 1 GG sagt zur Stellung der Parteien folgendes: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer
Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.”
a) Freiheit der Parteigründung und Betätigung als Partei
Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG lautet: „Die Gründung von Parteien ist frei“.
Das heißt:
(1) Staatliche Eingriffe in den Gründungsvorgang, die Satzungsaufstellung, die Organisation der Mitglieder etc. sind von vorneherein unzulässig.
(2) Die Parteien haben einen Anspruch darauf, bei Wahlen privilegiert mit Hilfe von
Kommunikationsmitteln im öffentlichen Straßenraum auf ihre Positionen aufmerksam
zu machen (Sondernutzungserlaubnis für Informationsstände etc.) und öffentliche
Einrichtungen zu nutzen.
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Wahlen zu den Gemeinderäten, Stadträten, Verbandsgemeinderäten und Kreistagen
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b) Gleichheit der Parteien
aa) Rechtsgrundlagen
•
Art. 21 Abs. 1 GG: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des
Volkes mit“
•
Art. 38 Abs. 1 GG: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, gleicher und geheimer Wahl gewählt.“
•
Art. 3 Abs. 1 GG „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“
(1) Gleichbehandlung der Parteien bei Wahlen (Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 GG)
Die Parteien, die für die Wahlen, d.h. den „höchsten“ demokratischen Vorgang kandidieren,
müssen insbesondere bei der Ausgestaltung des Wahlrechts streng gleich behandelt werden.
Für die Gleichbehandlung der Parteien bei Wahlen wird Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 38
Abs. 1 GG zitiert. Der dafür ist: Obwohl nirgendwo ausdrücklich steht, dass Parteien gleich
behandelt werden müssen, ergibt sich dies jedenfalls dem Sinn nach aus Art. 38 Abs. 1 GG.
Denn eine Wahl kann nicht „gleich“ sein, wenn einzelne Parteien dabei bevorzugt behandelt
werden.
(2) Gleichbehandlung von Parteien außerhalb anstehender Wahlen (Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m.
Art. 3 Abs. 1 GG)
Auch außerhalb von Wahlen müssen Parteien durch den Staat gleich behandelt werden. Dies
wird aus Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitet, wonach der Staat grundsätzlich
zur Gleichbehandlung verpflichtet ist. Art 38 Abs. 1 GG ist im bloßen Umfeld von Wahlen
nämlich nicht anwendbar, er betrifft nur den Wahlvorgang selbst (streitig). Daher findet der
allgemeine Gleichbehandlungssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Anwendung.
Art. 38 Abs. 1 GG ist also ein „spezielles Gleichbehandlungsgebot“ für Wahlen. Art. 21
Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG stellt demgegenüber die „allgemeine Gleichbehandlung“ der
Parteien dar. Da speziellere Normen allgemeinen Regelung vorgehen (lex specialis derogat
legi generali), wird die allgemeine Norm nicht mehr zitiert.
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(3) Bedeutung der Unterscheidung zwischen Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 GG und
Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG
(a) Behandlung der Parteien im Zusammenhang mit Wahlen
Bei Wahlen müssen die Parteien streng formal gleich behandelt werden. Dies heißt, dass Abweichungen zwingender, verfassungsrechtlicher Gründe bedürfen.
Æ vgl. Streit um die Fünf-Prozent-Klausel (Fall 1)
Æ vgl. Streit um die Grundmandatsklausel (Fall 2)
Æ vgl. Streit um die Überhangmandate
So wird die Geltung der 5%-Klausel aus dem Demokratieprinzip selbst gerechtfertigt. Ein
zwingender Grund von der formalen Gleichheit abzuweichen sei gegeben, da die Klausel die
Handlungsfähigkeit der Parlamente sicherstellen wolle. Die fünf Prozent Klausel ist demnach
erforderlich, damit Demokratie auf Dauer stabil funktioniert.
Die Grundmandatsklausel wird daraus gerechtfertigt, dass Parteien, die drei Direktmandate
erringen, über eine „besondere Legitimation im Volk“ verfügen. Das Parlament müsse in einer Demokratie aber „integrierenden Charakter“ haben. Insbesondere müssten wichtige Anliegen der Bevölkerung darin vertreten sein. Auch hier folgt die Einschränkung aus dem Demokratieprinzip. Ein demokratischer Staat muss alle „wichtigen Anliegen“ der Bürger auch in
seinem Parlament widerspiegeln.
Das Demokratieprinzip ist aber eine „Staatsfundamentalnorm“, es genießt besonderen Schutz.
Daher ist es geeignet, die „Gleichheit der Parteien“ bei Wahlen zu beschränken.
(b) Behandlung der Parteien im Übrigen
Außerhalb der Wahl selbst, d.h. im Wahlkampf, greifen dagegen nur Art. 21 Abs. 1 GG
i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ein. Es gilt nur ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot.
Abweichungen bedürfen nicht „verfassungsrechtlich“ zwingender Gründe sondern es kann
z.B. nach der politischen Bedeutung der Parteien differenziert werden (Bsp.: Angebot an Plakatfläche im Wahlkampf, Wahlwerbesendungen etc...).
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c) Das sog. „Parteienprivileg“, Art. 21 Abs. 2 GG:
aa) Wesen des Parteienprivilegs
Art. 21 Abs. 2 GG lautet: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen
oder zu beseitigen oder den Bestand der BRD zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die
Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.“
Æ Art. 21 Abs. 2 GG stellt eine abschließende Regelung dar, d.h. nur unter den in
Art. 21 Abs. 2 GG genannten Gründen kann eine Partei nur durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden (sog. Parteienprivileg).
bb) Der Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung
Das Bundesverfassungsgericht fasst unter dem Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung eine Reihe von verfassungsrechtlichen Positionen zusammen:
•
Achtung der Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Leben und freie Entfaltung
der Persönlichkeit (also Art. 2 Abs. 1, 2 GG u. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)
•
Volkssouveränität
•
Gewaltenteilung
•
Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament
•
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
•
Mehrparteiensystem
•
Chancengleichheit politischer Parteien
•
Recht auf Opposition
[Also eine Ordnung, „die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine
rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes
nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den
grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den
im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit, auf Leben und freie Entfaltung…“ (BVerfGE 2, 1 (13))]
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dd) Zum Parteiverbotsverfahren
Solange eine Partei nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten wurde, darf niemand ihre
Verfassungswidrigkeit gegen sie anführen.
Dies heißt jedoch nicht, dass die Partei verfassungsfeindliche Kundgebungen durchführen
darf oder sonst gegen Gesetze verstoßen kann (z. B. Verbreitung der sog. „Auschwitzlüge“).
Die staatlichen Gesetze gelten ebenso für Parteien wie für alle anderen Vereinigungen.
Das Verfahren des Parteiverbotes ist geregelt in § 43 BVerfGG. Antragssteller können sein:
(1) Der Bundestag
(2) Die Bundesregierung
(3) Der Bundesrat
(4) Die Landesregierungen für Parteien, deren Organisation nur in einem Land tätig ist.
dd) Sonderproblem: Das NPD – Verbotsverfahren
(vgl. Michaelis, Oliver in: NVwZ 2003, 943 ff. „Einstellung des NPD Verbotsverfahrens“)
August 2001: Gemeinsamer Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung zu einem
Verbot der NPD; während des Verfahrens stellt sich heraus, dass maßgebliche Teile des NPD
Vorstandes durch Mitglieder des Verfassungsschutzes „unterwandert“ waren.
Besondere Vorschrift: § 15 IV S. 1 BVerfGG – eine dem Antragsgegner nachteilige Entscheidung bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des zuständigen Senates.
Ein Senat beim Bundesverfassungsgericht besteht aus 8 Richtern (§ 2 II BVerfGG), demnach
müssen 6 Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens befürworten. Denn schon durch das
Hauptverfahren entstehen Rechtsbeeinträchtigungen der Partei (Gefährdung der Reputation
bei den Wählern).
BVerfG: Soll dem Antrag auf ein Parteiverbot stattgegeben werden, muss sicher sein, dass der
parteiinterne Meinungsaustausch nicht durch staatliche Einrichtungen nachteilig beeinflusst wird. Wird ein Verbotsantrag zu wesentlichen Teilen auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse von Parteimitgliedern der NPD gestützt, die Kontakt zu staatlichen Behörden haben, so ist nicht sicher, welcher Sphäre das vorgelegte Tatsachenmaterial zuzuordnen ist.
Folge: Das Verfahren war einzustellen.
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d) Die Parteienfinanzierung
aa) Die Problemlage
Die Parteien nehmen eine Mittlerstellung zwischen Bürger und Staat ein. Die Freiheit ihrer
politischen Betätigung ist besonders geschützt.
Parteien finanzieren sich in erster Linie durch die Beiträge ihrer Mitglieder und Spenden.
Seit jeher beteiligt sich der Staat auch an ihrer Finanzierung. Dies ist allerdings unter dem
Aspekt der Gleichbehandlung der Parteien und der Unabhängigkeit der Parteien nicht unbedenklich.
Freiheit der Parteien bedeutet nämlich auch, dass die Partei nicht in Abhängigkeiten geraten
darf, d.h.
(1) Eine Abhängigkeit vom Staat durch staatliche Parteienfinanzierung darf nicht entstehen.
(2) Die Partei darf auch nicht in Abhängigkeit von privaten Spendern geraten. So ist z.B.
eine steuerliche Begünstigung von Spenden an Parteien unzulässig, wenn diese Spenden einen gewissen Betrag überschreiten, sonst würden Parteien mit finanzkräftigen
Spendern Gefahr laufen, in private Abhängigkeit zu geraten (Hierin läge auch ein Verstoß gegen die Gleichheit der Parteien, denn Parteien für die „Unterschichten“ würden
nicht in den Genuss von Großspenden kommen).
bb) Die Grundsätze zur staatlichen Parteienfinanzierung nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung Grundsätze zur staatlichen Parteienfinanzierung aufgestellt.
(1) Unmittelbare Leistungen an Parteien sind verfassungsrechtlich (staatliche Neutralität)
nicht grundsätzlich unzulässig. Sie dürfen auch außerhalb von Wahlkämpfen erfolgen,
da die Partei eine „staatliche Aufgabe“ erfüllt (Mitwirkung an der politischen Willensbildung).
(2) Parteien dürfen nicht vom Staat voll finanziert werden. Dies würde den Eindruck erwecken, dass die Parteien in besonderer Nähe zum Staat stünden und so die Eingliederung der Parteien in die Bevölkerung gefährden.
(3) Staatliche Leistungen müssen sich nach dem Erfolg der Parteien in den Wahlen bemessen. Eine erfolgsunabhängige Finanzierung ist verfassungswidrig. Ein Mindestquorum von 0, 5 % der Stimmen als Anspruchsvoraussetzung ist zulässig.
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(4) Spenden an Parteien dürfen nur in einer Höhe steuerlich begünstigt werden, wie sie
von einem „durchschnittlichen“ Einkommensbezieher (bis 3.300 €) erreicht werden
können. Für Spenden über 50. 000 € trifft die Partei eine Offenlegungspflicht.
Beispiel: CDU Parteispendenskandal 1999 (Spenden- oder Schwarzgeldaffäre)
cc) Formen der Finanzierung
Die staatliche Parteienfinanzierung ist in §§ 18 ff. PartG geregelt. Sie unterteilt sich in unmittelbare und mittelbare Finanzierung:
Die unmittelbare Finanzierung besteht aus einem Wählerstimmenanteil, wonach die Parteien
0,85 € (bzw. 0,70 € ab 4 Mio. Stimmen) pro abgegebene Stimme erhalten, und einem Zuwendungsanteil, wonach die Parteien für Spenden von natürlichen Personen bis zu einer Höhe von
3.300 € pro Person und Jahr 0,38 € je Euro erhalten.
Die mittelbare Finanzierung besteht in einer steuerlichen Privilegierung von privaten Zuwendungen. So haben natürliche Personen die Möglichkeit, Spenden bis zu einer Höhe von
3.300 € steuerlich abzusetzen.
e) Die innere Organisation der Parteien
Parteien sind Vermittler zwischen Volk und Staat. Sie sind eine „Institution des Verfassungslebens“. Aus der Parteifreiheit (Parteiautonomie) folgt, dass die Parteien grundsätzlich in der
Gestaltung ihrer inneren Ordnung frei sind.
Da die Partei kein Staatsorgan und keine Staatsgewalt ist, gehört sie nicht zu den durch Art. 1
Abs. 3 GG an die Grundrechte gebundenen Instanzen. Dementsprechend gelten die Grundrechte im Verhältnis Partei – Mitglied nicht unmittelbar. Die Partei ist insbesondere in den
Bedingungen für die Aufnahme neuer Mitglieder weitgehend frei. Gleiches gilt für den Parteiausschluss.
f) Der Rechtsweg zu den Gerichten in Streitigkeiten, die Parteien betreffen
aa) Streitigkeiten innerhalb der Parteien
Parteien sind ihrer Rechtsnatur nach privatrechtliche Vereine. Streitigkeiten innerhalb der
Partei werden daher als „bürgerliche Rechtsstreitigkeit“ vor den „ordentlichen Gerichten“
(§ 13 Gerichtsverfassungsgesetz) ausgetragen.
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Beispiel: A möchte Mitglied der CDU werden, die dies ablehnt. A sei für seine nationale Gesinnung bekannt. A findet, seine Gesinnung „gehe niemanden etwas an“.
Würde das Gericht A Recht geben, dann bliebe der Partei nur übrig, den Rechtsweg
zu beschreiten und gegebenenfalls gegen die letztinstanzliche Entscheidung nach
Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG mit der Verfassungsbeschwerde das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Die Partei wird hier nicht anders behandelt, als der „normale Bürger“.
bb) Streitigkeiten zwischen einer Partei und dem Staat - Grundsatz
Für das Verhältnis der Parteien zum Staat gilt grundsätzlich, wie für jeden Bürger auch § 40
Abs. 1 S. 1 VwGO. Danach ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Das heißt, Streitigkeiten mit dem Staat
sind vor den Verwaltungsgerichten auszutragen.
Beispiel: Die Gemeinde Trier verweigert einer Partei den Zugang zur öffentlich zugänglichen
Stadthalle mit der Begründung, sie vertrete Positionen, die dem Land RheinlandPfalz schaden würden.
Die Partei müsste den Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten beschreiten und gegebenenfalls mit der Verfassungsbeschwerde das Bundesverfassungsgericht anrufen.
Die Partei wird auch hier nicht anders behandelt als der normale „Bürger“.
cc) Ausnahme: Streitigkeiten um die Stellung der Partei als Organ des Verfassungslebens
Eine Ausnahme bilden die Fälle, in denen die Parteien als Organe des Verfassungslebens in
ihrer Rechtsstellung beschränkt werden. Hier sind sie im sog. „Organstreitverfahren“2 vor
dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG antragsberechtigt. Dies ist
immer dann der Fall, wenn ihr Status nach Art. 21 Abs. 1 GG in Frage steht.
Beispiel: Das Parteispendenrecht soll reformiert werden. An der Finanzierung sollen nur noch
solche Parteien beteiligt werden, die in mindestens zwei Bundestagswahlen hintereinander über mindesten 5 % der Stimmen verfügten. Die X-Partei, die erst bei einer
Wahl 5 % erreicht hatte, sieht sich in ihrer Existenz gefährdet.
Hier kann die Partei mit dem Organstreit ihren ganz besonderen Status als „Instanz
des Verfassungslebens“ und „Quas-Staatsorgan“ geltend machen.
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Organstreitverfahren = Streit zwischen Verfassungsorganen
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