Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie A) Zur Wissenschaftstheorie (i) Was will WT leisten? (ii) Die Werkzeuge der WT (iii) Was ist Wissenschaft? (iv) Ziele der Wissenschaft B) Probleme & Scheinprobleme C) Hypothesen & Theorien (i) Arten von Hypothesen (ii) Theorien als Systeme von Hypothesen (iii) Können Theorien bewiesen werden? (iv) Deduktion und Induktion (v) Kriterien zur Theorienbewertung D) Wissenschaftliche Erklärungen E) Theorie und Erfahrung (i) Was ist wissenschaftliche Erfahrung? (ii) Verifikation und Falsifikation (iii) Gibt es entscheidende Experimente? F) Theorienwandel (i) Kumulatives Modell (ii) Falsifikationsmodell (iii) ›Paradigmenwechsel‹ (iv) Anarchie? Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie A) Zur Wissenschaftstheorie (i) Was will WT leisten? • WT ist eine Metadisziplin. Ihre Gegenstände sind die Strukturen der Einzelwissenschaften und deren Zusammenhänge. Sie soll dabei aber nicht einfach diese Strukturen beschreiben, wie es z.B. Wiss.soziologie, Wiss.geschichte oder Wiss.psychologie tun. Sie will Fragen beantworten wie: • Wozu treiben wir Wissenschaft? (Ziele) • Wie gehen Wissenschaftler vor? Wie sollten sie vorgehen? (Methoden) • Was sind Naturgesetze, Theorien, Hypothesen, Explikationen, Wissenschaften, Axiome, … ? (Explikationen) • Was ist Wissenschaft und was Pseudowiss.? (Abgrenzungen) • Wie kommt es zu wissenschaftlichem Fortschritt? • … • WT als Reflexion auf Wiss. ist eine alte Disziplin. Schon Aristoteles betreibt WT. Der Name ›WT‹ ist jedoch jüngeren Datums (~1940). Vorher meist ›Wissenschaftslehre‹. • Die WT fällt in ihren eigenen Gegenstandsbereich. Sie muss also selbstanwendbar sein, wenn sie Kriterien zur Theorienbewertung aufstellt. (ii) Die Methoden und Werkzeuge der WT • Methoden: o Beschreibung (Wie gehen Wissenschaftler vor?) o Erklärung (Warum gehen sie so vor?) o Explikation (Begriffsklärungen und -verschärfungen) o Bewertung und Kritik (Wie zuverlässig sind die Resultate? Wie geeignet sind die Methoden?) o Normierung (Wie sollten Wissenschaftler vorgehen?) o Ratschläge (Forschungsstrategien, Lernpsychologie, Didaktik der Wissenschaft) Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie • Basisdisziplinen und Werkzeuge: Basisdisziplinen: o Definitionstheorie (Wie definiert man Begriffe?) o Wahrheitstheorien (Was ist Wahrheit?) o Logik (Welche Schlüsse sind gültig?) o Argumentationstheorie (Was sind vernünftige Argumente?) o Rationalitätstheorien (Was heißt ›vernünftig‹?) o Erkenntnistheorie (Was ist Wissen?) Werkzeuge: o Logik und Definitionstheorie, Metamathematik, Mengenlehre, Stochastik und Statistik, Systemtheorie, Informationstheorie, Semantik und Sprachanalyse (iii) Was ist Wissenschaft? • Es ist schwierig, eine Definition von W. zu geben, die weder zu weit, noch zu eng ist. Der Wiener Kreis z.B. schnitt mit seiner W.definition weite Teile anerkannter W. ab. Eine Definition wie »W. ist, was an deutschen Universitäten durch mindestens einen Lehrstuhl vertreten wird« ist dagegen zu weit. Durch sie würde z.B. die Rhetorik zu einer W. • Die intuitive Vorstellung von W. wird einigermaßen getroffen durch: »W. ist systematisch gewonnenes und geordnetes Wissen.« • Dadurch wird W. als System von Aussagen charakterisiert. Diese Aussagen sollen: logisch und/oder klassifikatorisch verknüpft und im Falle logischer Verknüpfung widerspruchsfrei sein. Sind die Aussagen faktisch, so sollen sie intersubjektiv prüfbar sein. • Arten von Wissenschaft: Strukturwissenschaften: Kybernetik, Logik, Systemtheorie. Die Mathematik, SW Informatik, untersuchen formale Strukturen. Sie machen keine faktischen Aussagen. Real- oder Wirklichkeitswissenschaften: Natur-, Ingenieur-, Geistes- und Sozialwissenschaften. Die Naturwiss. untersuchen Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie natürliche Systeme. Sie wollen sie beschreiben und ihre Funktionsweise erklären (möglichst durch allgemeine Gesetze). Die Ingenieurwiss. beschäftigen sich mit der Herstellung von technischen Systemen. Sie verwenden die Ergebnisse der Nat.wiss.. Die Geistes- oder Kulturwiss. untersuchen die Erzeugnisse Kunstwerke, untersuchen des menschlichen Geschichtsprozesse die Geistes (Texte, Sprachen, Die Sozialwiss. etc.). Erscheinungen des menschlichen Zusammenlebens (Sozialverhalten, Wirtschaft, Recht, Politik). Realwissenschaften heißen oft auch Erfahrungswissenschaften. Es gibt Disziplinen, die mehreren Arten gleichzeitig angehören. Die Medizin z.B. hat Anteile in allen Bereichen. (iv) Ziele der Wissenschaft • Wissenschaft hat viele Ziele. Diese lassen sich einteilen in theoretische und praktische (anwendungsbezogene) Ziele. o Praktische Ziele: Linderung von Leid (Medizin), Vermeiden von Unheil (Prognose von Katastrophen, Minderung der Angst von Naturphänomenen, Erkennen von Gefahren(-zonen), etc.), Beherrschung der Natur (Dämme, Agrarwissenschaft, Brückenbau), Arbeitserleichterung durch Technik, Gestaltung der Welt nach menschlichen Zielen: Politik, Kunst, Pädagogik, etc. o Theoretische Ziele: treffende Beschreibung und Verstehen der Natur, Voraussage (Prognose) und Erklärung (Retrodiktion) von Naturereignissen. Vollmer: Oberstes theoretisches Ziel ist »Minimalbeschreibung der Welt«. Mit dieser lassen sich auch die anderen Ziele erreichen. Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie B) Probleme & Scheinprobleme Wissenschaft lebt von Problemen: Wissenschaft beginnt mit Problemen, Beobachtungsobjekten, Fragestellungen Was sind Probleme? Schwierigkeiten, Aufgaben oder Fragen da der Mensch ununterbrochen vor irgendwelchen Aufgaben oder Schwierigkeiten steht, hat er ununterbrochen mit Problemen zu tun. Was sind Scheinprobleme? Sind solche, die dadurch entstehen, dass ein Sachverhalt verkannt wird. Wird der Sachverhalt aufgeklärt, so verschwindet das Problemlösung Problemsammlungen? Da alle Wissenschaft von Problemen lebt, ist es eine wichtige Aufgabe, ungelöste Probleme ausfindig zu machen. Noch besser: Problemsammlungen! 23 ungelöste Probleme, die David Hilbert 1900 zusammengestellt und seinen Kolleginnen für das 20. Jh. als Hausaufgabe mitgegeben hat. Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie C) Hypothesen & Theorien (i) Arten von Hypothesen • Hypothesen sind deskriptive Aussagen, die vermutete Sachverhalte darstellen. • Sie gehen meist über die direkte Beobachtung hinaus, beziehen sich also z.B. auf die Zukunft oder enthalten theoretische Begriffe (wie z.B. derzeit ›dunkle Materie‹ in der Physik). • ›Hypothese‹ hat in der WT neutralen Charakter, meint also nicht abfällig ›wilde Spekulation‹. • Hypothesen, die wahrscheinlich noch der Differenzierung bedürfen, also ›besonders‹ vorläufig sind, nennt man meist Arbeitshypothesen. • Ad-hoc-Hypothesen sind spontan zur Erklärung eines Sachverhalts eingeführte Hypothesen. Sie müssen unabhängig von dem Sachverhalt, den sie erklären sollen, geprüft werden. • Man teilt Hypothesen nach unter anderem nach folgenden Gesichtspunkten ein: o Reichweite oder Geltungsbereich der Aussage o Logischem Gehalt (die Menge der aus der Hypothese logisch ableitbaren Sätze) o Empirischem Gehalt (die Menge der Sätze, welche die Hypothese verbietet; also die Menge der Sätze, welche die Hypothese falsifizieren könnten) [emp.G. ⊆ log.G] o Entstehung der Hypothese: z.B. ad-hoc oder auf Beobachtungen gestützt oder erarbeitet o Vertrauenswürdigkeit der Hypothese • Hypothesen sind wichtige Grundbausteine der Wissenschaften. Besonderes Gewicht haben sie in der hypothetisch-deduktiven Methode: Hypothese → Ableitung überprüfbarer Aussagen → Test & Irrtum → Irrtumsbeseitigung → Hypothese’ → Iteration • Tests: Hypothesen können nur sehr selten direkt getestet werden, meist nur anhand ihrer logischen Folgerungen. Auch sind Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie Hypothesen selten isoliert testbar. Meist nur im Verbund mit weiteren Hypothesen – d.h. als Teil einer Theorie. Außerdem sind Hypothesen nicht endgültig falsifizierbar, da auch die falsifizierenden (Beobachtungs-)Aussagen hypothetischen Charakter haben. (ii) Theorien als Systeme von Hypothesen • Der ›Theorie‹-Begriff ist im Allgemeinen vielfältig und unscharf. Er kann bedeuten: Hypothese, Das Gegenteil von praktischer Durchführung, ungesichertes und abstraktes Wissen (»bloß blasse Theorie«), etc. • Eine Explikation von ›Theorie‹ in der WT wäre etwa: ›Eine Theorie ist ein System von (inhaltlich) zusammenhängenden Hypothesen für einen Gegenstandsbereich.‹ Hinzukommen können: o theoretische Begriffe, d.h. axiomatisch eingeführte Begriffe, o Regeln für die Kombination dieser Begriffe, und o der Rückgriff auf andere Theorien (z.B. mathematische Th). (iii) Können Theorien bewiesen werden? • Außerhalb der Strukturwissenschaften ist die Redeweise von Beweisen unscharf. Ein strukturwissenschaftlicher Beweis zeigt, dass ein bestimmter Satz aus den Axiomen einer Theorie, also ihren (postulierten!) Grundannahmen, folgt, und zwar unter Beachtung der relevanten Ableitungsregeln. Er zeigt also im Grunde nur: »Wenn Du A,B und C akzeptierst, dann musst Du auch D und E und F akzeptieren, weil sie aus A,B,C folgen.« • Die Wahrheit von Hypothesen oder Axiomen kann also auch nicht in den Strukturwissenschaften bewiesen werden, da sie sonst keine Axiome mehr währen, sondern Sätze einer übergeordneten Theorie. Auch die Strukturwissenschaften unbewiesenen Sätzen an. fangen also bei Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie • Außerhalb der Strukturwissenschaften sollte besser ganz auf die Rede von Beweisen verzichtet werden, da ›Beweis‹ sicheres Wissen suggeriert, dass wir im Bezug auf die Wirklichkeit wohl nicht erlangen können (siehe EkT). (iv) Deduktion und Induktion Deduktion bezeichnet das Verfahren der Ableitung von Sätzen aus anderen Sätzen oder Axiomen. Es kann den Gegenstandsbereich der Axiome nicht erweitern. ›Man holt nur unten heraus, was man oben hineingesteckt hat.‹ Der Wahrheitsübertrag verläuft hier von den Axiomen zu den Folgesätzen: Wenn A stimmt und B aus A folgt, dann stimmt auch B; in Zeichen: (A → B) ∧ A ⇒ B (modus ponens) Der Falschheitsübertrag verläuft dagegen von den Folgesätzen zu den Axiomen: Wenn B aus A folgt, B nun aber falsch ist, dann ist auch A falsch: (A → B) ∧ ¬B ⇒ ¬A (modus tollens) Induktion bezeichnet nun das umgekehrte Vorgehen: Man versucht aus vielen (Beobachtungs-)Sätzen auf ein Axiom zu schließen. Man sucht nach ›wahrheitsbewahrenden Erweiterungsschlüssen‹. Diese gibt es aber nicht! Aus der Wahrheit von Einzelaussagen folgt logisch nicht die Wahrheit einer allgemeinen Aussage. Bekanntestes Beispiel: »Ich habe 10.000 weiße Schwäne gesehen, also sind alle Schwäne weiß.« Induktive Schlüsse in der Logik gibt es also nicht! Induktives Vorgehen ist vielmehr eine Forschungsheuristik. Es kann zu fruchtbaren Hypothesen führen, aber nicht zu wahren Sätzen. Die Vollständige Induktion in der Mathematik ist nur deshalb ein Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie gültiges Beweisverfahren, weil axiomatisch (!) eingeführt wurde, dass man über natürliche Zahlen induzieren darf. (v) Kriterien zur Theorienbewertung [Referat FH] Theorien lassen sich anhand vieler Kriterien bewerten. Dabei können wir zwischen notwendigen Eigenschaften und ›bloß‹ wünschenswerten Eigenschaften unterscheiden: Eine Theorie muss: • zirkelfrei sein, • innere und äußere Widerspruchsfreiheit besitzen, • einen Erklärungswert haben, • kritisierbar (im besten Fall empirisch prüfbar) sein und • die härtest möglichen Falsifikationsversuche überstehen (wichtig für Wahrheit, nicht für Wissenschaftlichkeit). Wir wünschen uns bei einer Theorie: • Allgemeinheit, • Tiefe, • Einfachheit, • Genauigkeit, • Anschaulichkeit, • Prognosefähigkeit, • Wiederholbarkeit, • Vollständigkeit (Lückenlosigkeit) und • Unabhängigkeit der Prämissen. Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie D) Wissenschaftliche Erklärungen a) Die Vielfältigkeit der Semantik von ›Erklären‹ sinnverwandte Wörter: verkünden (sich erklären, den Krieg erklären, seine Liebe erklären, jmd. zum Sieger erklären, jmd. für tot erklären) erläutern (ein Wort, einen Begriff, einen Traum/Witz, das Schachspiel, den Viertaktmotor, erklären, warum eine Banane gut ist) HIER: Beschränkung auf Erklärung von Sachverhalten in deskriptiven Sätzen, d.h.: wissenschaftliche Erklärung: Angabe von Ursachen für Sachverhalte; Antworten auf WARUM-Fragen. b) Deduktiv-nomologische Erklärungen (DN-Erklärungen) Erklärungsmodell: COVERING-LAW-MODELL – nach John Stuart Mill konstruiert: Alle Explikationsversuche haben gemeinsam, dass das zu Erklärende (Explanandum) (=das Problem, die Frage) auf etwas Erklärendes (Explanans) (=Antwort, Erklärung) zurückgeführt werden soll. Charakter: Explanans = Ursachen (wahr), Motive, Absichten (als wahr bekannt), Naturgesetze (als wahr akzeptiert), Kausalgesetze (als wahr akzeptierbar), Randbedingungen Mögliche Übergange vom Explanans auf das Explanandum: irrationaler Sprung (»irgendwie«), Plausibilitätsargument (»dann liegt es nahe anzunehmen«), Relevanzverhältnis (»das ist von Bedeutung für«), Wahrscheinlichkeitsschluss (»dann ist es wahrscheinlich, dass«), deduktiv zwingender Schluss (»daraus folgt logisch zwingend«) Ein Explanandum kann z.B. sein: Tatsache, Sachverhalt, beschreibende Aussage, Beobachtungsaussage, Naturgesetz, Theorie (als wahr bekannt oder wenigstens als wahr unterstellt; Frage: »Warum gilt das Naturgesetz X?«); Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie Beispiel: Warum leitet der Draht D Elektrizität? Alles Kupfer leitet Elektrizität (Naturgesetz). Explanans Der Draht D ist aus Kupfer (Anfangsbedingung). D leitet Elektrizität. Explanandum Daraus ergeben sich folgende Merkmale für deduktiv-nomologische Erklärungen: Explanans und Explanandum sind deskriptive Aussagen. DN-Erklärung ist ein deduktiv zwingender Schluss (daher deduktiv!) vom Explanans zum Explanandum. das Explanans besteht aus mindestens einem Naturgesetz (daher nomologisch!) das Explanans ist als wahr akzeptiert alle Prämissen haben empirischen Gehalt alle Prämissen sind für das Explanandum relevant Letzterklärungen: siehe Münchhausen-Trilemma (Albert). c) Spezielle DN-Erklärungen kausale Erklärungen: Explanans = Naturgesetze genetische Erklärungen: Sie erklären den Zustand eines Systems als Ergebnis einer Kette von kausalen Prozessen. (hat hier nichts mit Genetik zu tun) – Bsp.: Warum enthält die Erdatmosphäre die schweren Gase Natrium, Sauerstoff, Kohlenstoffdioxid und Wasser? – Erklärung über Entwicklung der Erdatmosphäre. Evolutionäre (phylogenetische) Erklärungen: Sind spezielle genetische Erklärungen, in Biologie. Bsp.: warum haben Hunde vier Beine, nicht sechs oder acht. Die gerade Zahl der Beine lässt sich über Symmetriebetrachtungen verstehen: Für geradlinige Fortbewegung ist eine symmetrische Anordnung der Beine erforderlich. Teleonomische Erklärungen: Teleonomie=programmgesteuerte, gen-, individuen, populations- oder arterhaltende Zweckmäßigkeit als Ergebnis eines Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie evolutiven Prozesses = Es geht dabei um die Erhaltung der Gene (Gesamtfitness), des Individuums (Darwin-Fitness), der Population, Bsp.: Warum hat die Kuh ihr Euter: Um ihr Kalb ernähren zu können Historische Erklärungen: Erklärungen, die sich auf den Bereich menschlicher Geschichte, insbesondere auf den soziokulturellen Bereich beziehen, Bsp.: Warum entwickelte sich die neuzeitliche Wissenschaft im Westen und nicht im Osten? Psychologische Erklärungen: Diese ziehen den Bewußtseinszustand, insbesondere die Überzeugungen, Absichten (Intentionen), Pläne eines bewussten Wesens zur Erklärung heran. Dabei ist meistens nicht das Ziel als Auslöser wirksam, vielmehr das planende und handelnde Subjekt selber. Spezielle kausale Erklärungen. ÜBERSICHT: KOPIE/Folie I 4 g) probabilistische Erklärungen: =statistische Erklärungen. Bsp.: Franz wurde von einer Kobra gebissen/ Der Biss einer Kobra ist tödlich/ deshalb ist Franz daran gestorben → ein Kobrabiss führt in 98 Prozent aller Fälle zum Tode =statistische Gesetzmäßigkeit (probabilistisches Gesetz, Wahrscheinlichkeitsgesetz) Scheinerklärungen: (oder Pseudoerklärung) ist eine Antwort auf eine WarumFrage, die den Anspruch erhebt, eine Erklärung zu sein, den Forderungen an eine Erklärung aber nicht genügt zirkuläre Erklärungen= Eine Erklärung ist zirkulär, wenn im Explanans das Explanandum benutzt wird = Zirkelschluss Bsp.: Warum ist das Meer aufgewühlt? Weil Neptun zornig ist. Warum ist Neptun zornig? Weil sein Meer aufgewühlt ist. Ad-hoc-Erklärungen = das Explanans erfüllt allein den Zweck, das Explanandum zu erklären, und keine zusätzlichen (unabhängigen) Testimplikationen liefert. Bsp.: Warum ist das Meer aufgewählt?, weil Neptun zornig ist. Woher weißt du, dass Neptun zornig ist? Ja, siehst du denn nicht wie er das Meer aufgewählt hat! Diese Ad-hoc Annahmen sind nicht grundsätzlich zu verwerfen, sondern bieten Anlass für weitere Klärung. Metaphysische Erklärungen = Eine Erklärung ist metaphysisch wenn sie eine übernatürliche Macht (Gott, den Demiurgen, den Teufel, den Weltgeist, Hexen, Zauberer, Dämonen) für das Explanandum verantwortlich macht. (auch Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie parapsychologische, esoterische, pseudowissenschaftliche Erklärungsversuche) Besonders viele Faktoren wurden erfunden, um die Besonderheit lebender Systeme gegenüber unbelebten zu benennen: demiurgische Intelligenz (Bennet), elan vital (Bergson), Lebenskraft, vis vitalis (J.Müller) Erklärung mit Scheingesetzen = Bei wiss. Erklärungen soll das Explanans mindestens ein Naturgesetz wesentlich enthalten. Die folgenden (logisch gültigen!) Schlüsse liefern deshalb keine wissenschaftlichen Erklärungen, Bsp.: Warum trinkt Hans? - Hans raucht und trinkt. Also trinkt Hans Teleologische (finale) Erklärungen = Eine Erklärung ist teleologisch, wenn sie einen späteren Zustand der Welt zur Erklärung eines früheren Zustands heranzieht. Bsp.: Warum gibt es Mond und Sterne? Damit wir auch bei Nacht etwas sehen und uns orientieren können E) Theorie und Erfahrung (i) Was ist wissenschaftliche Erfahrung? wiss. Erfahrungen bestehen aus Beobachtungen, Messungen, Experimenten, Tests und Gedankenexperimenten Beobachtung: Bindeglied zwischen Theorie und Erfahrung. Sie können ohne Hilfsmittel („mit bloßem Auge“) oder auch mit Hilfsmitteln erfolgen. Messung: Messungen sind quantitative Beobachtungen. Fast immer ist ein Messgerät erforderlich (In Ausnahmefällen genügen Zählungen). Messgeräte übersetzen Signale der Außenwelt in solche, die unseren Sinnen zugänglich sind. In manchen Fällen kann man nur beobachten, aber nicht experimentieren, etwa in der Astronomie. Experimente: sind charakterisiert durch Experiment als in der die Frage neuzeitlichen Verwendung an die Natur Wissenschaft in der Regel mathematischer Methoden, das (zunehmende Steigerung der Messinstrumente) und durch das Wechselspiel zwischen Theorie und Erfahrung. Angesichts der hohen Bedeutsamkeit von Experimenten in der Wissenschaft könnte man behaupten, dass sich Wissenschaftstheorie fast ausschließlich mit Experimenten und deren Natur und Rolle beschäftigt. Das ist Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie nicht der Fall: in vielen Büchern geht es hauptsächlich um Theorie und Erfahrung und Experimente kommen kaum vor, was natürlich auch daran liegt, dass Philosophie keine Erfahrungswissenschaft, d.h. keine experimentelle Praxis hat. Natur des Experiments: Experimente enthalten Fragen an die Natur (eingeschlossen sind psychologische, anthropologische, soziologische Experimente, die auch Fragen an die Natur (hier der Mensch) stellen. Jedes Problem muss sich als Frage formulieren lassen Jede Hypothese ist eine versuchte Antwort auf eine Frage, ein Problemlösungsversuch. Ein Experiment ist ein gezielter Eingriff in das Naturgeschehen in der Absicht, das Verhalten eines System unter kontrollierter Konstanthaltung bzw. Variation seiner Eigenschaften zu ermitteln. Funktion: Anregung zu neuen Ideen, Fragen, Vermutungen, Untersuchungen. Sie fördern Kreativität, Einfallsreichtum, die Produktion von Hypothesen und Theorien Aussagekraft: Wie alle empirischen Befunde können auch Experimente Verknüpfungen von Ereignissen feststellen, also Korrelationen, Regelmäßigkeiten, Input-Output-Relationen, Reiz-Reaktions-Paare, StimulusResponse-Verhältnisse. Diese experimentellen Ergebnisse bedürfen einer Erklärung durch Theorie, sie liefert tiefer liegende kausale Beziehungen. Letztlich ist jedes Experiment auf Beobachtung angewiesen. Ein Gegenstand kann nur Objekt ernsthafter empirischer Wissenschaft werden, wenn es irgendwie auf die Erfahrungsebene projiziert werden kann. Experimente erweitern die Projektionsmöglichkeiten, indem sie den Projektionsschirm (Sinnesorgane) erweitern, verfeinern, empfindlicher machen. -So werden der Erfahrung ganz neue Objekte zugänglich- Moleküle, Atome, Strahlen, rote Riesen, Neutronensterne Tests: Ein Test hat grundsätzlich die Form eines Experimentes Eignungstest: es wird geprüft, ob eine Person, ein Gerät eine vermutete oder behauptete Eigenschaft oder Fähigkeit tatsächlich besitzt („Testpilot“, Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie „Teststrecke“, „Warentest“) Wahrheitstest: Überprüfung einer Hypothese oder Theorie auf ihre faktische Wahrheit. In den Naturwissenschaften betreffen solche Hypothesen natürliche Systeme (ii) Verifikation und Falsifikation Verifikation: Wie wir gesehen haben, gibt es keine Möglichkeit, von Beobachtungen oder Folgesätzen auf die Wahrheit von Prämissen, Axiomen oder Theorien zu schließen. Wir können das auch in Zeichen ausdrücken: ( A → B w w w ) B ⇒ A w w w w w f f f f w w f w w w w f f f w f f w f ∧ f Der Schluss von der Wahrheit der Konklusion auf die Wahrheit der Prämissen ist ungültig! Die Redeweise von der Verifikation wissenschaftlicher Theorien ist also zumindest missverständlich. Oft meint ›Verifikation‹ bloß ›Test‹ oder ›Prüfung‹. Da Verifikation im logischen Sinne unmöglich ist, sind diese Bezeichnungen vorzuziehen. Falsifikation: Der Schluss von der Falschheit der Konklusion auf die Falschheit der Prämissen ist logisch gültig (modus tollens, siehe Deduktion)! Deshalb führte wissenschaftliche POPPER das Theorie ist Falsifikationskriterium eine falsifizierbare ein: Theorie. Eine Das Kriterium soll also wissenschaftliche Theorien von anderen Theorien abgrenzen. Es macht keine Aussage über die Wahrheit einer Theorie, ist also kein Wahrheitskriterium! In der Folge wurde zwar erkannt, dass auch Falsifikation letztlich nur vorläufig ist, da Beobachtungssätze nicht mit Sicherheit wahr sind. Falsifikation ist als Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie forschungsregulative Idee jedoch brauchbarer, als Verifikation (die schon aus logischen Gründen nicht funktioniert). Was heute oft als Verifikation bezeichnet wird (Tests und Experimente), sind eigentlich gescheiterte Falsifikationsversuche! (iii) Gibt es entscheidende Experimente? (experimenta crucis) ein experimentum crucis soll zwischen zwei möglichen Theorien entscheiden. Im ursprünglichen Sinne sollte diese Entscheidung endgültig sein. Angesichts der Vorläufigkeit unseres Wissens kann es solche Endgültigkeit nicht geben. Außerdem gibt es unendlich viele Konkurrenztheorien. F) Theorienwandel »Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen« (Aristoteles) Lebenslange Neugier scheint etwas typisch Menschliches Die Wissenschaftsgeschichte bestätigt diese Vermutung: man kann sie als eine Geschichte des Wissenszuwachses sehen. Erweiterung des Wissens auf neue Gegenstände oder Erscheinungen (neue Länder, Pflanzen, chemische Verbindungen...) neue Instrumente: mit Fernrohr entdeckt Galilei Sonnenflecken, Mondkrater, Jupitermonde; mit Mikroskop entdeckt Malpighi die Blutkapillaren. Durchbrechung von Tabus: das Sezieren von Leichen war im christlichen Mittelalter verboten, sodass ärztliche Kenntnisse in Anatomie und Physiologie sich auf antike Kenntnisse stützen mussten und nicht erweitert werden durften. Theoretisches Wissen: unser Wissen, was hinter den Erscheinungen liegt ist gewachsen, wir bilden neue Hypothesen, entwerfen neue Theorien, finden neue Erklärungen bestimmte Gegenstände können auch einfach anders erklärt werden, d.h. aus einem anderen „Blickwinkel“ heraus – so kann man beim Licht physikalische (Newton) und psychologische Aspekte (Goethe) unterscheiden es kann passieren, dass sich alte und neue Theorien einander widersprechen, sie können dann nicht beide wahr sein, sondern konkurrieren nebeneinander (ringen um Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit). So bestanden die Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie Teilchentheorie des Lichtes (Newton) und die Wellentheorie des Lichtes (Huygens) zeitweise nebeneinander. Im 18.Jh. War dann die Teilchenauffassung und im 19.Jh. Die Wellenauffassung erfolgreicher Unser Wissen wird breiter, indem es neue Objekte mit einbezieht, aber vorallem tiefer, indem es hinter die Erscheinung blickt. Zum Gang der Wissenschaft gehört mittlerweile vor allem das Entstehen neuer Wissenschaften. Dabei handelt es sich immer um einen Übergang vom vorwissenschaftlichen in ein wissenschaftliches Stadium, was sich nicht mehr exakt datieren lässt. Warum kümmert sich die Wissenschaftstheorie um Theorienwandel? Untersuchung von Strukturen der Wissenschaften d.h. Struktur von wiss. Theorie und das Verhältnis zwischen Theorien), interessant wird es, wenn sich Wissenschaften gegenseitig ergänzen oder sogar einander einschließen oder widersprechen. Theorien können verwandte Begriffe benutzen (Revolution, Fortschritt, Information, Lernen) und so die Frage stellen, ob diese Begriffe in beiden Theorien dieselbe Bedeutung haben. = intertheoretische Relationen Ausmaß des Theorienwandels: erfolgen Veränderungen in kleinen Schritten oder in großen Sprüngen?, warum spricht man von kopernikanischen Revolution? Was ist eine wiss. Revolution Zeitlicher Ablauf, logische Verhältnisse zwischen Theorien, Gründe für die Ablösung einer Theorie. Welches Gewicht haben rationale und irrationle Elemente insbesondere bei wissenschaftlichen Revolutionen Was ist wissenschaftlicher Fortschritt? Gewinnung neuer mathematischer Erkenntnisse Gewinnung neuer empirischer Fakten Aufstellung neuer empirischer Verallgemeinerungen Erschütterung und Ersetzung bisher geglaubter Hypothesen durch neue wissenschaftliche Revolutionen, welche das verändern, und vieles anderes mehr! ganze Weltbild grundlegend Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie Gibt es wissenschaftlichen Fortschritt? • intuitiv ja. a) Kumulatives Modell Gebäude der Wissenschaft – stetiges Hinzufügen von neuen Bausteinen, immer neue Fragen werden gestellt, immer neue Gebiete erforscht. Neue Instrumente machen neue Beobachtungen und Messungen möglich. Das Gesamtgebäude wächst. wissenschaftlicher Fortschritt erfolgt stetig und in kontinuierlich kleinen Sprüngen Kritik richtet sich nicht gegen wissenschaftliche Theorien, sondern gegen außerwissenschaftliche Überzeugungen, die nicht den wissenschaftlichen Standards genügen. Die Wissenschaftsgeschichtsschreibung hat die Aufgabe, das Wachstum zu beschreiben und die Erfolge und Misserfolge plausibel zu machen. Ist das kumulative Modell selbstanwendbar? Nach dem kumulativen Modell wächst zwar unser Wissen über die Welt, nicht jedoch unser Wissen über das Wissen. Ist einmal eine richtige wiss. Methode gefunden, so braucht sie nur noch angewandt zu werden. Das kumulative Modell erlaubt zwar eine objektive, dynamische Wissenschaftsauffassung, ist jedoch auf der Metaebene im Grunde statisch Zukunft? Optimistisch – der Bestand an Wissen kann immer nur zunehmen; der wiss. Fortschritt ist garantiert - „citius-altius-fortius“ - schneller-höher-stärker b) Falsifikationsmodell Falsifikationsmodelle gehen davon aus, dass unser Wissen grundsätzlich fehlbar, hypothetisch, vorläufig ist und damit stets kritisierbar und korrigierbar aus der Tatsache, dass unser Wissen weder bewiesen noch wahrscheinlich gemacht werden kann, sucht der Falsifikationismus methologisch das Beste zu machen. Nicht Wahrheit um Wahrheit wird unserem Wissen hinzugefügt, wie es das kumulative Modell unterstellt, sondern Fehler um Fehler wird entdeckt und beseitigt. Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie Popper präzisiert die Redeweise von „Versuch und Irrtum“ zur Methode von „Versuch und Irrtumsbeseitigung“ Falsifikationsmodelle unterliegen auch dem experimentum crucis – d.h. der methodologische Falsifikationismus kann zwar eine Theorie widerlegen, eine solche Widerlegung ist jedoch niemals endgültig c) ›Paradigmenwechsel‹ Thomas S. Kuhn, geboren 1922, war zunächst Physiker und begann sich 1947 mit Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsphilosophie zu beschäftigen er entdeckte, dass sich die Physik und allgemeiner die Naturwissenschaften weder kumulativ noch falsifikationistisch entwickeln Paradigma: Kuhn führt zwar den Begriff in die Wissenschaftstheorie ein, gibt allerdings keine spezifische Definition griech. paradeigma - „Beispiel“, „Vorbild“, „Muster“ Von Paradigmen in der Wissenschaftsgeschichte spricht zuerst Lichtenberg 1806 Den Paradigmenbegriff benützen aber auch Ernst Cassirer 1910, Moritz Schlick 1918, Otto Neurath 1935. Der bekannteste Vorläufer sind Ludwig Wittgenstein, in seiner Spätphilosophie sind Paradigmen ähnlich wie Platons Ideen konstitutive Muster oder Standards, die begriffliche Festlegungen und Unterscheidungen erlauben, ohne genau bestimmt oder abgrenzbar sein zu müssen Kuhn meint mit Paradigma also ein vorherrschendes Denkmuster in einer bestimmten Zeit. Paradigmen spiegeln einen gewissen allgemein anerkannten Konsens über Annahmen und Vorstellungen wider, die es ermöglichen, für eine Vielzahl von Fragestellungen Lösungen zu bieten. In der Wissenschaft bedient man sich in diesem Zusammenhang auch oft Modellvorstellungen, anhand derer man Phänomene zu erklären versucht. (Leitbild) Nach Kuhn ist ein Paradigma solange anerkannt, bis Phänomene auftreten, die mit der bis dahin gültigen Lehrmeinung nicht vereinbar sind. Zu diesem Zeitpunkt werden neue Theorien aufgestellt, die dann meist zwischen den Verfechtern der unterschiedlichen Lehrmeinungen ausgefochten werden. Setzt sich dann eine neue Philosophie? Gern! – Aber wie? 9.&10. Sitzung: Wissenschaftstheorie Lehrmeinung durch, spricht man vom Paradigmenwechsel. Beispielebene: hier sind Paradigmen „allgemein anerkannte wissenschaftliche Leistungen, die für eine gewisse Zeit einer Gemeinschaft von Fachleuten Modelle und Lösungen liefern Theorieebene: hier gehört zu einem Paradigma auch eine bereichsspezifische Theorie, vielleicht sogar mehrere Theorien Hintergrundannahmen: »Reihe anerkannter Überzeugungen«, ohne die erfolgreiche Forschung erkenntnistheoretische, unmöglich methodologische, wäre, d.h.: metaphysische, heuristische Überzeugungen: Annahmen über den grundlegenden Aufbau des Universums und darüber, welche Fragen über dieses Universum überhaupt sinnvoll und welche Methoden zu ihrer Beantwortung geeignet sind. d) Anarchie? Kommt bald! =)