Prof. Dr. Ulrich Krohs (Universität Münster) Epistemische Rollen des Organismusbegriffs Vortrag im Rahmen des Kolloquiums Philosophie Wann? Donnerstag, der 12. Dezember 2013 ab 17:30 Uhr Wo? Pausenhalle des Philosophischen Instituts, Eilfschornsteinstraße 16, 52062 Aachen Abstract Der Organismusbegriff soll einerseits definieren oder zumindest zu klären helfen, was Leben sei. Er spielt andererseits eine zentrale Rolle in der Selektionstheorie der Evolution. Der Vortrag untersucht zunächst Unverträglichkeiten zwischen diesen beiden Rollen des Begriffs, die beispielsweise David Hull dazu veranlasst haben, ihn aufzugeben und durch denjenigen des biologischen Individuums zu ersetzen. Der Hauptteil des Vortrags widmet sich der als definitorisch verstandenen Rolle des Begriffs. Die wichtigsten Definitionen lehnen sich an die Kantische wechselseitige UrsacheWirkungs- bzw. Zweck-Mittel-Relation aller Teile eines Lebewesens an, deutlich sichtbar in Maturana und Varelas Begriff des Organismus als autopoietisches System. Es zeigt sich jedoch, dass kein tatsächliches Lebewesen unter einen solchen Begriff fällt. Der Organismusbegriff erweist sich als Idealisierung. Ich möchte die epistemischen Vorzüge eines solchen lediglich regulativ bzw. evaluativ brauchbaren Organismusbegriffs im Vergleich zu einem realistischen Begriff des Lebewesens aufweisen. Zur Person Ulrich Krohs studierte Biochemie und Philosophie in Tübingen, Brighton, Aachen und Hamburg. 1989 erlangte er ein Diplom in Biochemie an der Universität Tübingen. 1991 absolvierte er die Zwischenprüfung in Philosophie an der RWTH Aachen, wo er auch 1994 zum Dr. rer. nat. promoviert wurde. 2004 folgte die Habilitation an der Universität Hamburg. 2007 erwarb Krohs dort zudem das Zertifikat “Lehrqualifikation für Wissenschaft und Witerbildung”. Zwischen 2004 und 2012 lehrte und forschte er an der Universität Hamburg, am Konrad Lorenz Institute for Evolution and Cognition Research in Altenberg, an der Universität Wien, am Center for Philosohy of Science der Universität Pittsburgh, sowie an den Universitäten Bielefeld und Bern. Seit September 2012 ist er Universitätsprofessor für Philosophie mit dem Schwerpunkt Wissenschaftstheorie und Naturphilosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Krohs Arbeitsgebiete umfassen die allgemeine Wissenschaftstheorie, die Philosophie und Geschichte der Biowissenschaften, Technikphilosophie, Naturphilosophie und Erkenntnistheorie. Publikationen (Auswahl) “Philosophical and Foundational Issues in Systems Biology.” In: Dubitzky W., Wolkenhauer O., Cho K.-H., Yokota H. (Hrsg.): Encyclopedia of Systems Biology. Springer, New York 2013, 16981702. “Functions and fixed types: Biological functions in the post-adaptationist era.” Applied Ontology 6, 2011, 125-139. “Functions as based on a concept of general design.” Synthese 166, 2009, 69-89. Hrsg. mit Peter Kroes: Functions in Biological and Artificial Worlds: Comparative Philosophical Perspectives. MIT Press, Cambridge Mass. 2009. “Libertarismus und naturwissenschaftlich aufgeklärter Determinismus.” Erwägen, Wissen, Ethik 20, 2009, 41-43. “How digital computer simulations explain real-world processes.” International Studies in the Philosophy of Science 22, 2008, 277-292. “Der Funktionsbegriff in der Biologie.” In: Bartels, A. & Stöckler, Wissenschaftstheorie. Ein Studienbuch, Mentis, Paderborn 2007, 287-306. M. (Hrsg.): “Wo im Krankheitsbegriff steckt die Norm?" Erwägen, Wissen, Ethik 18, 2007, 114-115. “Philosophies of particular biological research programs.” Biological Theory 1, 2006, 182-187. Hrsg. mit Georg Toepfer: Philosophie der Biologie. Eine Einführung. Suhrkamp, Frankfurt/Main 2005. Eine Theorie biologischer Theorien: Status und Gehalt von Funktionsaussagen und informationstheoretischen Modellen. Springer, Berlin 2004. “Platons Dialektik im Sophistes vor dem Hintergrund des Parmenides.” Zeitschrift für philosophische Forschung 52, 1998, 237-256. Das Verhalten von Halobacterium salinarium nach stufenförmigen Lichtreizen. Experimente zur zellulären Signalverarbeitung. Köster, Berlin, 1994, zugl. Dissertation RWTH Aachen.