Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie Andreas Rammo Allgemeine und Anorganische Chemie Universität des Saarlandes E-Mail: [email protected] Arene Arene sind cyclisch konjugierte Kohlenwasserstoffe. Sie werden auch als Aromaten bezeichnet, da sie oft aus Pflanzen isolierte wurden und sich durch einen „aromatischen“ Duft auszeichnen (Benzaldehyd, Vanillin, Cumarin etc.). Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 2 Arene 156 KJ/mol Mesomeriestabilisierung Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 3 Arene 1,2-Dimethylbenzol: Hückel-Regel (1913): Monocyclische ebene „Systeme“ aus trigonal (sp2-)-hybridisierten C-Atomen, die 4n+2-Elektronen enthalten, besitzen eine besondere elektronische Stabilität. Aromatisch sind cyclisch konjugierte Systeme mit 2,6,10,14 etc. Elektronen (4n+2-Systeme), nicht aromatisch sind cyclisch konjugierte „Systeme“ mit 4,8,12,16 etc. -Elektronen (4n-Systeme). Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 4 Arene Aromatische Systeme, Bsp.: Annulen = (CH)n 6 10 1,6-Methano[10]-annulen Benzol 2 Cyclopropenylium-Kation 6 TropyliumKation 14 [14]-Annulen 6 CyclopentadienylAnion Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 5 Arene Aromatische Systeme, Bsp.: 10 Azulen 10 Naphthalin Nicht-aromatische Systeme, Bsp.: 4 Cyclobutadien 6 Cycloctatetraen 8 Pentalen Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 6 Arene Heteroaromatische Systeme: Ersatz von CH gegen N Ersatz von C=CH gegen NH Werden in carbocyclischen Aromaten C-H-Gruppen durch ungeladene (N, P) oder geladene (O+, S+) Heteroatome ersetzt oder treten Heterofunktionen (NH, O, S) an die Stelle von HC=CH-Gruppen, so resultieren aromatische Heterocyclen (Heteroaromaten). Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 7 Arene - Reaktionen Additionsreaktionen: Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 8 Arene - Reaktionen Elektrophile aromatische Substitution (SEAr-Reaktion): Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 9 Arene - Reaktionen Elektrophile aromatische Substitution (Kernsubstitutionen): Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 10 Arene - SEAr Halogenierung: Sie erfolgt in Anwesenheit einer Lewis-Base (z.B. FeBr3, AlCl3, ZnCl2 etc.), die zur Polarisation und Herterolyse des Halogenmoleküls benötigt wird. Es wird ein Halogenium-Kation generiert: Nitrierung: Sie erfolgt mit einem Gemisch aus konz. HNO3 / H2SO4 durchgeführt. Es wird ein Nitronium- oder Nitryl-Ion gebildet: Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 11 Arene - SEAr Sulfonierung: Es handelt sich im Gegensatz zur Nitrierung und Halogenierung um einen reversiblen Prozeß, bei dem das neutrale SO3 als elektrophiles Teilchen wirkt. Friedel-Crafts-Reaktionen: Bei Friedel-Crafts-Reaktionen lassen sich Alkylierungen und Acylierungen eines aromatischen Moleküls in Gegenwart von Lewis-Säuren durchführen. Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 12 Arene - SEAr Friedel-Crafts-Alkylierung: Diese Reaktion ist reversibel und führt in Gegenwart katalytischen Mengen von Lewis-Säuren zu Alkylbenzolen. Erklärung der Bildung des Hauptprodukts: Isopropyl-Kation Friedel-Crafts-Acylierung: Es werden Carbonsäurechloride bzw. –anhydride in Gegenwart von LewisSäuren eingesetzt. Die Lewis-Säure generiert das Acylium-Kation unter Heterolyse der C-X-Bindung. Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 13 Substitutionsregeln für die Zweitsubstitution am Benzol Elektronenspendenden Substiuenten X erhöhen die Reaktionsgeschwindigkeit, elektronenziehende Substituenten X erniedrigen die Reaktionsgeschwindigkeit relativ zum unsubstituierten Benzol. Substituenten 1. Ordnung: Sie dirigieren die Zweitsubstitution bevorzugt in o- oder p-Stellung. Substituenten 2. Ordnung: Sie dirigieren die Zweitsubstitution bevorzugt in m-Stellung. Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 14 Mesomere und induktive Effekte von Substituenten Induktive Effekte: Elektronendichte kann vom Substituenten geliefert werden (+I-Effekt) oder abgezogen werden (-I-Effekt). Donator: + I-Effekt Akzeptor: - I-Effekt Mesomerer Effekt: Besitzt ein am Aromaten gebundener Substituent ein nichtbindendes Elektronenpaar oder eine Mehrfachbindung, kann ein mesomerer Effekt (M-Effekt) wirksam werden. Donator: + M-Effekt Akzeptor: - M-Effekt Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 15 Elektronische Effekte von Substitutenten auf den aromatischen Kern Substituent elektron. Effekt Reaktivität -R (Alkyl-Gruppe) +I aktiviert -O- + I, + M aktiviert -OH, OR -NH2, -NHR, -NR2 -NH-CO-R, -O-CO-R - I, + M - I, + M - I, + M aktiviert aktiviert aktiviert -F, -Cl, -Br, -I - I, + M desaktiviert -+NR3, -+NH3 -CF3, CCl3 -NO2, -SO3H -CN -CHO, -CO-R -COOH, -COOR, -CO-NH2 -I -I - I, - M - I, - M - I, - M - I, - M desaktiviert desaktiviert desaktiviert desaktiviert desaktiviert desaktiviert Substituenten 1. Ordnung Direktion in o- und p-Stellung Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo Substituenten 2. Ordnung Direktion in m-Stellung 16 Elektronische Effekte von Substitutenten auf den aromatischen Kern Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 17 Elektronische Effekte von Substitutenten auf den aromatischen Kern Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 18 Elektronische Effekte von Substitutenten auf den aromatischen Kern „KKK-Regel“: (Benzol-)Kern, Katalysator, Kälte „SSS-Regel“: Seintenkette, Sonnenlicht, Siedehitze Anmerkung: Die Seitenketten-Halogenierung verläuft nach einem radikalischen Mechanismus. Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 19 Chiralität Links- und rechtsdrehende Milchsäure ? Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 20 Chiralität Spiegelebene D(-)-Milchsäure L(+)-Milchsäure Moleküle, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten und nicht deckungsgleich sind, heißen Enantiomere. Sie zeigen zudem das Phänomen der optischen Aktivität. Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 21 Chiralität Polarimeter a = +3,82° Analysator Polarisator a = -3,82° Drehung der Schwingungsebene von linear polarisierten Licht um den selben Betrag (3,82°) von D-Milchsäure und L-Milchsäure. Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 22 Zwischenrésumé Verhalten sich Stereoisomere wie Objekt und Spiegelbild, so sind sie Enantiomere. Ein Molekül ist chiral, wenn es sich mit seinem Spiegelbild nicht zur Deckung bringen lässt. Im Falle der Milchsäure ist die Chiralität dadurch bedingt, dass das quartäre Kohlenstoffatom im Molekül vier verschiedene Liganden besitzt. Das Kohlenstoffatom wird als asymmetrisches C-Atom bezeichnet. Chirale Moleküle zeigen das Phänomen der optischen Aktivität und werden auch als optische Antipoden bezeichnet. Enantiomere unterscheiden sich hinsichtlich ihrer physikalischen Eigen -schaften (z.B. Siedepunkt, Brechzahl, Dichte) nur in ihrem Drehwert ihrer optischen Aktivität. Ein 1:1-Gemisch der beiden Enantiomeren der Milchsäure wird als Racemat (optisch inaktiv) bezeichnet. Das Nomenklaturprinzip um die Konfiguration eines chiralen Moleküls eindeutig zu definieren und wiedergeben zu können, ermöglicht das R/S System von Cahn, Prelog und Ingold durch Festlegung von Sequenzregeln. Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 23 Sequenzregeln nach Cahn, Prelog und Ingold 1. Regel: Die in „erster Bindungsphäre“ befindlichen (direkt gebundenen) Atome der Liganden eines Chiralitätszentrum werden nach fallender Ordnungszahl geordnet (analog bei Isotopen): I > Br > Cl > S > P > F > O > N > C > H 2. Regel: Wenn die „Rangordnung“ zweier Liganden nach der 1. Regel nicht entschieden werden kann, werden die in „zweiter Bindungsphäre“ befindlichen Atome zur Prioritätsfindung herangezogen. 3. Regel: Die Atome einer Mehrfachbindung werden mehrfach gewertet, z.B.: Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 24 Sequenzregeln nach Cahn, Prelog und Ingold Zusatzfestlegung: Das chirale Molekül wird so betrachtet, dass der Substituent niedrigster Priorität nach hinten weist: R-Konfiguration: Br (R von lat. rectus) CH2CH3 CH3 S-Konfiguration: Br (S von lat. sinister) Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo CH2CH3 CH3 25 Sequenzregeln nach Cahn, Prelog und Ingold D(-)Weinsäure L(+)Weinsäure meso-Weinsäure Traubensäure Racemat: Gemisch aus D- und L-Weinsäure (1:1) Schmelztemp. [°] : 170 170 140 205 a[° ml g-1 dm-1] : -12 +12 0 0 Löslichkeit in H2O: (g/100ml, 20°C) 139 139 125 21 Dichte (g cm-3, 20°C) 1,76 1,76 1,67 1,68 : Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 26 Chiralität ohne asymmetrische C-Atome tertiäres Amin Sulfonium-Ion Helicene Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 27 Chiralität am Bsp. Des Medikaments Thalidomid Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 28 Chiralität am Bsp. Des Medikaments Thalidomid Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 29 Sequenzregeln nach Cahn, Prelog und Ingold http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=ZpJCtUUdfXM Foto: Axel Springer Archiv „Die Welt“, 26.11. 1961 Organische Chemie für Studierende mit Nebenfach Chemie - © Andreas Rammo 30