Fragen Seminar + Fälle 21.03.2014

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Lernfragen zum Thema Hormone I (21. März 2014)
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Was ist der Unterschied zwischen glandulären und Gewebshormonen? Was sind
Zytokine? Aus welchen Stoffklassen bestehen sie?
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Wie wird Glucose vom Darmlumen in die Blutbahn aufgenommen (2 Systeme)?
Was versteht man unter dem Begriff „Glucosesensor“?
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Was ist die Funktion der Prä-Sequenz im Präpro-Insulin?
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Erklären Sie den Mechanismus der Insulinsekretion in den beta-Zellen des
Pankreas! Wieso wirken Sulfonylharnstoffe als Antidiabetika?
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Woraus besteht Glucagon, wo wird es synthetisiert und welches ist das wichtigste
Zielorgan? Gibt es physiologische Bedingungen unter denen gleichzeitig Insulin
und Glucagon in das Blut ausgeschüttet werden?
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Catecholamin-Synthese: Welches sind die Cofaktoren der involvierten MonoOxygenasen? Welche Reaktion wird durch die aromatische L-AminosäureDecarboxylase katalysiert? Wofür steht die Bezeichnung MAO?
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Was sind beta -Blocker, wie wirken sie?
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Adrenalin
aktiviert
Enzyme
wie
die
Glykogen-Phosphorylase
oder
die
Triacylglycerinlipase. Zeichnen Sie die Reaktionen auf, die von diesen Enzymen
katalysiert werden.
Problemfälle:
Kohlenhydratreich und fettarm, immer gesund?
Der Stoffwechsel der Katecholamine
Verwertung von Phenylalanin
Kohlenhydratreich und fettarm, immer gesund?
Lesen Sie den aktuellen NZZ-Artikel (26.03.2008) und diskutieren Sie die
untenstehenden Fragen!
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Wie wirkt Insulin auf Leber-, Fett- und Muskelzellen?
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Molekular: wie wirkt das anabole Hormon Insulin auf GlycogenSynthese/Glycogenolyse, Glycolyse/Gluconeogenese, Auf- und Abbau von
Tryglyceriden (welche Enzyme werden aktiviert/inaktiviert)?
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Beschäftigen Sie sich mit den Ursachen und Symptomen der Jugend-Diabetes
(Typ 1) und der Altersdiabetes (Typ 2).
Der Stoffwechsel der Catecholamine
Ein häufig vorkommender Polymorphismus im Gen, das für Catechol-O-Methyltransferase
(COMT) codiert, führt zur Substitution Val158Met. Diese Variante des Enzyms ist weniger
stabil und deshalb ist deren Enzymaktivität um den Faktor 3-4x reduziert. Betroffen sind
vor allem Menschen, die diese Mutation in beiden Allelen des Gens tragen (Homozygoten).
Im Tiermodell führt eine erhöhte Catecholamin-Ausschüttung von präsynaptischen Zellen
zu einer signifikanten Abnahme der Enkephalin-Menge und zu einer kompensatorischen
Überproduktion von µ-Opiod-Rezeptoren in postsynaptischen Zellen.
Das µ-Opiod-
Rezeptor-System wird als lindernde Antwort auf Schmerzen, auf Stress und auf andere
negative Umweltveränderungen aktiviert.
Eine Arbeit von Wissenschaftlern der Universität Michigan (Zubieta et al.; 2003) zeigt,
dass Menschen, die homozygotische Träger der Met-Variante der COMT sind, wesentlich
empfindlicher und nachhaltiger auf Schmerzen und Stress reagieren als Heterozygoten oder
homozygotische Träger der Val-Variante.
Fragen
- Was sind Enkephaline? Zu welcher Stoffgruppe gehören sie?
- Welche Substanzen gehören zur Kategorie der Catecholamine? Welche enzymatische
Reaktion katalysiert COMT? Welches Cosubstrat wird gebraucht, woraus wird dieses
hergestellt?
- Welche Wirkung haben Catecholamine?
- In welcher Drüse werden Catecholamine synthetisiert? Wie wird ihre Synthese und
Ausschüttung reguliert?
M. Altmann
Biochemie-VL
März 2003
Mangel an Phenylalanin(PAH)-Hydroxylase / Phenylketonurie
Lesen Sie den aktuellen NZZ-Artikel (16.02.2011; siehe Rückseite) und bearbeiten
Sie die untenstehenden Fragen!
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Molekular: Beschreiben Sie den Funktionsmechanismus von PAH, zu welcher
Gruppe von Enzymen gehört es, welches sind die Cosubstrate/Cofaktoren für die
katalysierte Reaktion? Wieso kommt es zur Produktion von Phenylketonen? Wie
wirkt die Tetrahydrobiopterin (BH4)-Therapie?
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Mangelnde Hirnentwicklung / Fehlen von Tyrosin: Wie erklären Sie sich diesen
Zusammenhang, um welche Substanzklasse handelt es sich, deren Synthese
beeinträchtigt ist (Syntheseweg beschreiben)?
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Phenylketonurie: Häufigste angeborene genetische Krankheit. Wie erklären Sie
sich die Häufigkeit von 1/10000, wenn jeder 50. Träger ist?
Neuö Zürcör Zäitung
Mittwoch, 16. Februar 2011 ! Nr. 39
FORSCHUNG UND TECHNIK 57
Ausweg bei schwerer Stoffwechselstörung
Die Phenylketonurie lässt sich neuerdings nicht mehr nur mit strenger Diät behandeln
Die häufigste angeborene Stoffwechselstörung, die Phenylketonurie, konnte bisher nur mit
einer rigorosen Diät behandelt
werden. Seit kurzem gibt es
ein Medikament, das zumindest
bei einigen Patienten hilft.
Ob ein Neugeborenes auf den seit
etwas mehr als einem Jahr auf dem
Markt befindlichen Wirkstoff BH4 (Medikamentenname: Kuvan) anspricht,
zeigt ein einfacher Test. Dem Kind wird
dazu BH4 in einer Konzentration von 20
mg pro Kilogramm Körpergewicht pro
Tag verabreicht. Danach wird in seinem
Blut die Phenylalanin-Konzentration
nach 8, 16 und 24 Stunden bestimmt.
Ronald D. Gerste
Geografische Unterschiede
Kleine Ursache, fatale Wirkung: Dieser
Ausspruch trifft auf Neugeborene zu,
denen ein bestimmtes Enzym im Körper fehlt: die Phenylalaninhydroxylase,
kurz PAH genannt. Bei einem teilweisen oder vollständigen Mangel dieses
Enzyms ist das Verdauungssystem nicht
in der Lage, die mit der Nahrung aufgenommene, essenzielle Aminosäure Phenylalanin abzubauen, die Bestandteil
von allen tierischen und pflanzlichen Eiweissen ist. Auf diese Weise entstehen
unerwünschte Abbauprodukte, die Phenylketone. Zudem staut sich Phenylalanin an. Dadurch kann eine andere
Aminosäure, Tyrosin – sie ist Vorstufe
wichtiger Neurotransmitter im Gehirn
–, nicht genügend gebildet werden.
Gift für das Gehirn
Statt den Körper über die Nieren zu verlassen, vergiften die überschüssigen Substanzen das Gehirn. Dies führt zu einer
Beeinträchtigung der Hirnentwicklung
mit geistiger Behinderung. Später kommen meist ausgeprägte Verhaltensstörungen wie Aggressivität hinzu. Das
Krankheitsbild als Folge des PAH-Enzym-Defekts wird als Phenylketonurie
bezeichnet. Im Vergleich zur erwähnten
geistigen Retardierung scheint ein weiterer Effekt des PAH-Mangels nebensächlich: Da das nicht synthetisierte Produkt der Phenylalanin-Umwandlung,
die Aminosäure Tyrosin, für die Bildung
des Hautpigments Melanin nötig ist, leiden die Kinder unter einem Melaninmangel. Sie sind deshalb oft hellblond
und von blasser Hautfarbe.
Die Phenylketonurie gilt als häufigste angeborene Stoffwechselstörung, wobei «häufig» ein relativer Begriff ist. So
tritt die Krankheit etwa einmal auf
10 000 Geburten auf. In Ländern mit
vielen Ehen unter Blutsverwandten
kann der Anteil auf 1 von 6500 Geburten ansteigen. Das hängt damit zusammen, dass die Erbanlage für eine Phenylketonurie nicht so selten ist: Etwa
jede 50. Person trägt den Gendefekt in
ihren Zellen – zumindest auf einem der
beiden von der Mutter und dem Vater
stammenden Chromosomen. Pflanzen
sich nun ein Mann und eine Frau fort,
die beide Träger des Gendefekts sind,
dann besteht aufgrund des (autosomalrezessiven) Erbgangs ein statistisches
Risiko von eins zu vier, dass ein Kind
zwei defekte Gene erhält und damit an
der Phenylketonurie erkrankt.
Wegen der verheerenden Folgen gehört die Testung auf Phenylketonurie
Ein Arzt entnimmt einem Baby Blut aus dem Fuss, um es auf die Stoffwechselstörung Phenylketonurie zu testen.
heute in entwickelten Ländern zu den
etablierten Screening-Untersuchungen.
Der Test basiert dabei auf der Analyse
eines Tropfens Blut, der dem Neugeborenen aus der Ferse entnommen wird.
Das Blut wird im Labor auf Phenylketonurie und einige andere angeborene
Stoffwechselerkrankungen untersucht.
Ein Schwerpunktzentrum für die
Auswertung solcher Proben ist das Kinderspital Zürich, das für seine Spezialanalysen zum Nachweis seltener Erkrankungen hohes Renommee geniesst.
Hier geht biologisches Material aus
ganz Europa ein – nicht nur zur Diagnose einer Phenylketonurie, sondern
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PHENYLALANIN-BLUTSPIEGEL
rdg. ! Die normale Phenylalanin-Konzentration im Blut beträgt zwischen 50
und 110 Mikromol pro Liter (!mol/l).
Bei Werten von 120 bis 600 !mol/l
spricht man noch nicht von einer Phenylketonurie, sondern von erhöhten
Blutspiegeln (milde Hyperphenylalaninämie). Als milde Phenylketonurie
werden Konzentrationen von 600 bis
1200 !mol/l bezeichnet; jenseits von
1200 !mol/l liegt eine klassische Phenylketonurie vor. Je höher die Blutkonzentration, umso ausgeprägter ist – bei fehlender Therapie – die geistige Retardierung des Kindes. Bei jenen Formen der
Krankheit, bei denen das Enzym Phenylalaninhydroxylase vollständig fehlt,
sind die Phenylalaninspiegel im Blut
meist besonders hoch.
auch zum Nachweis von wesentlich selteneren Stoffwechselstörungen.
Dank dem flächendeckenden Screening sind inzwischen die Aussichten gut,
einem Kind mit Phenylketonurie das
Schicksal der geistigen Retardierung zu
ersparen. So erlaubt die in den 1960er
Jahren von Robert Guthrie eingeführte
Analyse des Phenylalaninspiegels im
Blut eine Einschätzung der Gefährdung
(vgl. Kasten).
Anspruchsvolle Diät
Bisher gab es nur eine Möglichkeit, zu
hohe Phenylalaninwerte und die damit
verbundenen Schäden zu verhindern:
eine Phenylalanin-freie Diät, wie sie der
Kinderarzt Horst Bickel in den 1950er
Jahren entwickelt hat. Diese Ernährung
aufrechtzuerhalten, ist allerdings nicht
einfach. Da die Aminosäure in allen Eiweissen zu finden ist, bedeutet eine Diät
den Verzicht auf Fleisch, Fisch, Milchund Eierspeisen sowie auf Weizenprodukte. Für die Betroffenen gibt es speziell hergestellte Nahrungsmittel mit
anderen Aminosäuren, die trotz den
Fortschritten der Nahrungsmittelindustrie geschmacklich aber oft keine Gaumenfreude sind. Minimale Mengen von
Phenylalanin, wie sie der Körper durchaus braucht, werden in Ergänzung zu
dieser nutritiven Therapie in niedriger
Konzentration zugeführt, etwa in Form
eines Apfels. Auch jene Spurenelemente wie Kalzium, die bei einer Phenylalanin-freien Diät ungenügend aufgenommen werden, gilt es zu ersetzen.
SPL / KEYSTONE
Ähnlich wie beim Diabetes besteht
auch bei der Phenylketonurie ein enger
Zusammenhang zwischen der Behandlungsqualität und den klinischen Auswirkungen: In mehreren Studien zeigten an Phenylketonurie leidende Kinder
eine gegenüber Gesunden signifikant
schlechtere kognitive Leistungsfähigkeit, wenn ihre Phenylalaninspiegel im
Blut über 400 !mol/l lagen.
Für einen Teil der PhenylketonuriePatienten gehört die Abhängigkeit von
der Diät der Vergangenheit an. Denn
seit kurzem gibt es eine medikamentöse
Therapie der Störung mit dem Kofaktor
BH4, auch Tetrahydrobiopterin genannt, wie Nenad Blau vom Kinderspital Zürich erklärt. BH4, eine körpereigene Substanz, die in der Nahrung nur
in Spuren vorkommt, erhöht die Aktivität des bei vielen Patienten noch in geringem Masse vorhandenen Enzyms
PAH. Das führt dazu, dass mehr Phenylalanin in der Leber umgewandelt werden kann, als es dem Stoffwechsel ohne
diese Unterstützung möglich wäre. Je
mehr BH4 zu dieser Umwandlung beitragen kann, desto geringer werden die
Phenylalaninspiegel im Blut und damit
die Gefahr einer mentalen Schädigung.
Bei Patienten mit PAH-Restaktivität
wird der Kofaktor BH4 zusammen mit
der Diät oder alleine zugeführt. Letzteres stellt eine grosse Verbesserung der
Lebensqualität der Patienten und ihrer
Familien dar. Bei Patienten ohne jegliche PAH-Aktivität – das sind meist
jene mit sehr hohen Blutspiegeln – wirkt
der Kofaktor indes nicht.
Eine Normalisierung der Messgrösse
nach nur 8 Stunden deutet dabei auf
einen BH4-Mangel hin, wie Blau sagt.
Keine oder eine nur geringe Reduktion
der Phenylalanin-Konzentration spreche hingegen dafür, dass die Phenylketonurie nicht auf BH4 anspreche und
nicht genügend Rest-PAH-Aktivität
vorliege. Rund 30 Prozent der Patienten
scheinen auf die neue Therapieform anzusprechen, wobei es geografische Unterschiede gibt. So finden sich bei Personen in Nord- und Osteuropa eher die
schwerere Form der Krankheit ohne
PAH-Restaktivität und eine entsprechend tiefe Rate des Ansprechens auf
Kuvan. In Südeuropa sprechen je nach
untersuchtem Kollektiv zwischen 70
und 80 Prozent der Erkrankten auf das
neue Medikament an.
Inzwischen mehren sich auch in der
medizinischen Literatur die Berichte
über die Erfahrungen mit Kuvan. Angesichts der Seltenheit der Krankheit
basieren sie aber meist auf kleinen
Patientengruppen. So erhielten etwa in
einer multinationalen Studie 89 Kinder
ergänzend zur herkömmlichen Diät entweder das Medikament oder ein Placebo. Wie sich zeigte, reagierten 44 Prozent der Patienten, die BH4 erhalten
hatten, mit einem Sinken des Phenylalaninspiegels um 30 Prozent und mehr.
Die Einführung der medikamentösen
Therapie mit Kuvan könnte für Patienten mit Phenylketonurie der Beginn
einer neuen Epoche sein, in der Möglichkeiten jenseits der oft als trist empfundenen Diät zur Verfügung stehen.
Andere Optionen befinden sich noch in
der Frühphase der Erforschung, etwa
ein aus Bakterienkulturen gewonnenes
Enzym, die Phenylalanin-AmmoniumLyase, die bei Mäusen mit Phenylketonurie die Konzentrationen der Aminosäure und ihrer Abbauprodukte reduziert. Die Substanz befindet sich derzeit
in klinischer Erprobung, wo erste Ergebnisse nach Blaus Informationen nicht
auf einen Durchbruch hindeuten.
Eine Heilung der Phenylketonurie
mag vielleicht in ferner Zukunft möglich sein, wenn eine Gentherapie mit
der Transplantation von Zellen mit
funktionierendem PAH/BH4-Mechanismus und deren Nutzbarmachung im
Körper des Patienten Realität wird.
Dieser Ansatz wird derzeit an einigen
Zentren an Mäusen erforscht. Solange
es noch keine überzeugenden Resultate
gibt, bleibt BH4 nebst der Diät die einzige Therapie bei Phenylketonurie.
Träge Proteinforschung
Die Wissenschaft beschäftigt sich mehrheitlich immer noch mit den Eiweissen, die schon vor dem «Human Genome Project» bekannt waren
Die Sequenzierung des menschlichen Erbguts hätte nach der
Prognose von Experten die
Erforschung neuer Proteine und
die Entwicklung neuer Medikamente beflügeln sollen. Nach
zehn Jahren zieht ein Kritiker
jedoch eine ernüchternde Bilanz.
Stephanie Lahrtz
Vor zehn Jahren wurde in den Fachzeitschriften «Nature» und «Science» die
Buchstabenfolge des menschlichen Erbguts publiziert. Während Genomforscher die dadurch angestossenen technologischen Fortschritte in der Gentechnik
feiern, weist der Proteinexperte Aled
Edwards von der Universität Toronto in
einem nun in «Nature» publizierten
Kommentar auf ein in vielen Publikationen zwar immer wieder gemachtes, aber
noch nicht eingelöstes Versprechen hin.1
Seine Analyse der Fachpublikationen der letzten Jahrzehnte habe ergeben, dass sich mehr als 75 Prozent der
Proteinforschung mit denjenigen 10
Prozent der Proteine befassten, die bereits vor dem Genomprojekt bekannt
gewesen seien, schreibt Edwards. So
kenne man beispielsweise mittlerweile
mehr als 500 sogenannte Proteinkinasen (Vertreter einer Klasse von Enzymen). Doch obwohl mehrere hundert
davon bei Krankheiten eine Rolle spielten, hätten sich noch im Jahre 2009 zwei
Drittel der Kinase-Veröffentlichungen
mit jenen 50 Enzymen befasst, die bereits vor der Entzifferung des Genoms
bekannt gewesen seien.
Seiner Meinung nach liegt das zum
einen an der eher konservativen Haltung der Geldgeber. Oft gebe es nur
finanzielle Unterstützung, wenn man
schon handfeste Hinweise für die Bedeutung eines Proteins habe. Und viele
Forscher würden lieber ein bekanntes
Problem vertiefen, als sich komplett
neuen Gebieten mit ungewissen Erfolgsaussichten zuzuwenden. Er fordert
von Forschern und Geldgebern eine
grössere Risikobereitschaft. Zum anderen gebe es auch technische Gründe für
das Verharren im Bekannten. Denn
man könne nur diejenigen Proteine erforschen, für die bereits das biologische
Handwerkszeug für die Analysen vorhanden sei, schreibt Edwards.
Auch andere Experten stimmen seiner Einschätzung zu. Sie geben aber zu
bedenken, dass viele Pharmafirmen
durchaus umfangreiche Analysen von
bisher unerforschten Proteinen durchführten, diese jedoch wegen des Geschäftsgeheimnisses nicht veröffentlichten. Zudem seien zehn Jahre in der Forschung eine kurze Zeit, sagt Markus
Ralser vom Max-Planck-Institut für
molekulare Genetik in Berlin zu der
von Edwards monierten Diskrepanz
zwischen Anspruch und Realität. Die
Analyse eines Proteins, seiner Aufgaben in der Zelle und seiner möglichen
Rolle bei Erkrankungen sei ein längerfristiges Projekt.
Ausserdem sei es deutlich einfacher,
eine Gensequenz zu entschlüsseln, als
die Funktion eines Proteins zu verstehen, sagt Ralser. Denn die DNA sei
chemisch gesehen einfacher aufgebaut
als Proteine; Struktur und Verhalten
seien leichter zu analysieren. Erst in
den letzten drei bis vier Jahren habe
man Methoden entwickelt, um in grossem Massstab nach denjenigen Proteinen zu suchen, die als neue Angriffspunkte für Medikamente in Frage kommen könnten.
Stefan Wiemann, Genomforscher
am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, fügt hinzu, man
wisse heutzutage, dass ein Protein in der
Zelle Teil eines äusserst komplexen
Netzwerks aus Hunderten von miteinander agierenden Komponenten sei.
Diese Erkenntnis sei durch die Entzifferung des Genoms entscheidend beeinflusst worden. Gerade für Medikamente
gegen komplexe Erkrankungen könne
man neue Angriffspunkte nur finden,
wenn man diese Netzwerke verstehe.
1
Nature 470, 163–165 (2011).
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