Newsletter Sonnenhalde 2014_Newsletter 2014-1 29.01.14 13:36 Seite 4 aktuell Psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung im Alter Konsiliardienst im Adullam Das Alter ist unsere Zukunft – aber auch die unserer Gesellschaft! Die Zahl der älteren Menschen nimmt rasant zu. Psychische Krankheiten sind häufig, auch im Alter. Etwa ein Viertel der alten Bevölkerung ist davon betroffen. Dr. med. Walter Meili, Oberarzt Ambulatorium Riehen In der öffentlichen Wahrnehmung stehen dabei die (Alzheimer-) Demenzen im Vordergrund, doch sind Krankheiten wie Depression, Ängste, Schlafstörungen oder das Delir nicht nur mindestens so häufig, sondern auch gut behandelbar. Dazu kommt, dass eine Depression im Alter leicht als Demenz verkannt werden kann, und so ohne korrekte Behandlung bleibt. Ein weiteres Problem unbehandelter Depressionen stellt die hohe Suizidrate im höheren Lebensalter dar. Entgegen der oft geäusserten Ansicht sind Suizide auch im höheren Alter selten Bilanzsuizide. Vielmehr hängen sie sehr häufig mit schwierigen Lebenssituationen und mit nicht bzw. ungenügend behandelten Depressionen zusammen. Psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung ist also gerade auch im Alter von grosser Wichtigkeit. Alte Menschen suchen aber von sich aus wegen Scham und/oder mangelnder Information diese Angebote noch weniger auf als jüngere Menschen. Auch vom Umfeld wird oft eher für die häufig begleitenden körperlichen Erkrankungen Handlungsbedarf gesehen, und die psychische Erkrankung mitunter als «normale Alterserscheinung» einfach hingenommen. Dabei führt die psychische Erkrankung zu einer weiteren Verschlechterung der somatischen Krankheit. Aus all diesen Gründen macht ein psychiatrischer Konsiliardienst in geriatrischen Institutionen viel Sinn, kann Leiden vermindern und die Gesundheitskosten insgesamt positiv beeinflussen. Der ambulante Dienst der Klinik Sonnenhalde führt einen solchen in den Institutionen des Adullam in Basel und Riehen durch. ■ Informationen aus der Klinik Sonnenhalde Riehen, Psychiatrie und Psychotherapie aktuell: kurz und knapp Liebe Leserinnen und Leser Essen: Das richtige Mass ist entscheidend. Die Klinik Sonnenhalde Die Klinik Sonnenhalde AG – Psychiatrie und Psychotherapie – in Riehen bei Basel (Schweiz) ist eine profilierte Fachklinik mit einem umfassenden Angebot im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich. In der Klinik Sonnenhalde werden Menschen in ihrer Ganzheit wahrgenommen und behandelt. Zuweisungen Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die Behandlungsziele und Therapiepläne Ihrer Patientinnen und Patienten optimal mit Ihnen abzuklären. Unsere Oberärzte stehen Ihnen dabei in allen medizinischen Fragen und der Auswahl des richtigen Behandlungssettings zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an unseren Empfang, der Ihnen gerne weitere Auskünfte gibt. Krankheitsbilder, Häufigkeit, Auswirkungen auf das Leben Behandlungsschwerpunkte Essen ist ein Grundbedürfnis, oftmals genussvoll und gemeinschaftsfördernd. Aber das Essen ist auch ein sensibler Indikator für Störungen des seelischen Gleichgewichts: Manchen verschlägt es den Appetit, wenn sie eine schockierende Nachricht hören. Viele depressive Menschen haben keinen Appetit mehr, Gewichtsabnahme ist ein häufiges Symptom. Und andere essen umso mehr, wenn sie frustriert sind, um ihren seelischen Schmerz zu dämpfen. ■ Affektive Störungen ■ Angststörungen ■ Essstörungen ■ Borderlinestörungen ■ Stationäre qualifizierte Entzugsbehandlung bei Alkohol-/Tranquilizerabhängigkeit ■ Postpartale psychische Störungen, bei Bedarf stationäre Aufnahme von Mutter mit Kind Ess-Störungen aktue l l Publikation der Klinik Sonnenhalde Riehen Redaktionsteam: Ursula Fringer, Dr. Andreas Gschwind, Ann-Katrin Schreiner, Rudolf Güninger Gestaltung: Qualimat AG / toolbox GmbH Klinik Sonnenhalde AG Psychiatrie und Psychotherapie Gänshaldenweg 28 CH-4125 Riehen Telefon +41 61 645 46 46 Fax +41 61 645 46 00 [email protected] www.sonnenhalde.ch Die Leitung der Klinik Sonnenhalde: René Leuenberger, Leiter Pflege und Qualität, Andreas Gschwind, Dr. med., Chefarzt, Ursula Fringer, lic. rer. pol., Direktorin, Stephan Hall, Betriebsökonom FH, Leiter Services (v.l.n.r.) Sofern Sie «aktuell» nicht per Post bekommen haben, den Newsletter aber regelmässig erhalten möchten, dann senden Sie ein Mail an [email protected] mit dem Betreff «Bestellung aktuell» und Ihrer Adresse. Februar 2014 Dr. med. Gerhard Gutscher, Oberarzt Anorexia nervosa Bei den Essstörungen im engeren Sinne kommt es zu einer massiven Gewichtsabnahme, die zu grosser Sorge Anlass gibt. Die Erkrankung betrifft rund 1 % der Frauen und beginnt meist in der Pubertät, frühestens mit 8 Jahren (Verhältnis Frauen : Männer = 10:1). Die Folgen für die schulische und berufliche Zukunft können beträchtlich sein. Die Anorexia nervosa ist eine der schwersten Erkrankungen im Bereich der Psychosomatik. Als «Hungerkrankheit» leiden die Betroffenen an einer Diskrepanz von Körperbild und Essensmenge. Auch wenn sie nur ein paar Blatt Salat essen und ohnehin schon mehr als 15 % unter dem Idealgewicht sind, fühlen sich diese jungen Frauen immer noch zu dick. Der Body-Mass-Index (BMI) sinkt unter 17,5 – Jugendliche rutschen unter die 10. Perzentile. Und dennoch hungern sie weiter, auch wenn die Kleider längst zu weit sind und die Konturen keine Rundungen mehr haben. In ihrer Sorge, «zu fett» zu sein, haben sie beinahe panische Angst vor einer Gewichtszunahme. Die Gedanken kreisen ständig ums Essen. Mit eisernem Willen wird jede Nahrungszufuhr kontrolliert. Die Waage wird zum Massstab für den Selbstwert. Familien verzweifeln am Verhalten ihrer Jugendlichen, und oft entbrennen Machtkämpfe ums Essen, bei denen es nur Verlierer gibt. Es gibt zwei Typen von Anorexia nervosa: a) den restriktiven Typ, wobei zu wenig gegessen wird, allerdings ohne aktive Massnahmen zur Gewichtsabnahme. b) den binge-purging-Typ, wobei nach episodischen Heisshungerattacken aktive Massnahmen gegen die Gewichtszunahme ergriffen werden, sei dies durch Erbrechen, Abführmittel etc. Das Resultat bleibt aber ein massives Untergewicht (im Gegensatz zur Bulimie). Fortsetzung auf Seite 2 Unsere Patientinnen und Patienten zeigen es uns jeden Tag auf: Die Psychiatrie ist wahrscheinlich das vielfältigste und bunteste Fachgebiet der Medizin! Auf über 900 Seiten können wir Diagnosekriterien für psychische Störungen in der neuen Ausgabe des diagnostischen Handbuchs (DSM-5) der American Psychiatric Association (APA) nachlesen. Selbstverständlich ergibt sich eine Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten komorbider psychischer Störungen. Abgesehen davon sind jede Lebensgeschichte, die Beziehungen und Lebensumstände eines Menschen besonders und einzigartig. Zudem können psychische Probleme in jedem Alter vorkommen. Dementsprechend breit und umfassend muss unser Therapieangebot als Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie ausgerichtet werden. Gewisse Krankheitsbilder wie Essstörungen, Sucht, Borderline etc. erfordern aber spezielle Therapiekonzepte. Zudem brauchen hochbetagte Menschen andere Angebote als eine psychisch erkrankte Mutter mit einem Baby. Dies alles «unter einen Hut» zu bringen, Fachpersonal gezielt weiterzubilden, spezifische Konzepte in multidisziplinären Teams zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen – all dies wird bestens dafür sorgen, dass es uns auch in Zukunft nie langweilig wird! Dr. med. Andreas Gschwind Chefarzt www.sonnenhalde.ch Newsletter Sonnenhalde 2014_Newsletter 2014-1 29.01.14 13:36 Seite 2 Fortsetzung von Seite 1 Binge-Eating-Störung (BES) Kennzeichen dieses Verhaltens sind unkontrollierbare Essanfälle. Da keine Gegenmassnahmen ergriffen werden, sind die meisten übergewichtig. Rund 30 % der Menschen, die wegen Übergewicht in Behandlung kommen, leiden unter einer Binge-Eating-Störung. Männer und Frauen sind gleich betroffen. Etwa die Hälfte leiden unter Depressionen oder Angststörungen. Essstörungen als therapeutische Herausforderung Die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Essstörungen erfordert einen hohen Grad an Kompetenz, sowie ein engagiertes Team von Fachpersonen, die sich intensiv mit den vielschichtigen Themen rund um die Problematik beschäftigt haben. Ständige Weiterbildung, gute Abstimmung zwischen den therapeutischen Disziplinen und ein multimodales strukturiertes Programm – das ist auch in der Klinik Sonnenhalde die Basis für ein funktionierendes störungsspezifisches Behandlungskonzept im stationären und ambulanten Bereich. ■ Der Körper schaltet «auf Notstrom»: häufig bleibt die Periode aus, und weitere Organsysteme können betroffen sein. Die Folge: Osteoporose (verringerte Knochendichte), Karies (durch die Magensäure bei häufigem Erbrechen), Kaliummangel und andere Elektrolytverschiebungen. Im Extremfall können diese lebensbedrohlich werden. Wann braucht es eine stationäre Therapie? Unter einem BMI von 15 (bei Jugendlichen unter der 3. Perzentile) sollten die Patientinnen stationär behandelt werden. Da auf der anderen Seite bei sehr niedrigem Gewicht das Risiko einer plötzlichen körperlichen Dekompensation zunimmt, nehmen wir in der Klinik Sonnenhalde nur Frauen ab einem Mindestgewicht von BMI 13,5 auf. Je früher mit der Behandlung begonnen wird, desto besser die Prognose. Rund die Hälfte der Patientinnen werden bei entsprechender Behandlung geheilt, 20 % chronifizieren. Die Sterblichkeitsrate bei langjähriger Anorexie ist deutlich erhöht. Müdigkeit, Hautveränderungen oder Kaliummangel. In ihrem schulischen und beruflichen Alltag kommt es durch die ständige Beschäftigung mit Essen, die Fressanfälle und das heimliche Erbrechen oft zu gravierenden Beeinträchtigungen. Therapie oft ambulant möglich Meist dauert es lange, bevor sich die Betroffenen in eine Therapie begeben. Ihr unauffälliges Äusseres und die grosse Scham wirken als beträchtliche Hemmschwelle. Auch hier gilt: je früher behandelt wird, desto besser die Prognose. Die Hälfte wird mit angemessener Behandlung symptomfrei, bis zu 75% bessern sich deutlich. Stationäre Behandlung ist vor allem bei zusätzlichen Problemen notwendig, wenn z. B. eine Borderline-Persönlichkeitsstörung vorliegt. Zwei Drittel der Patientinnen leiden zusätzlich an einer affektiven Störung (z.B. Depression). Die Mehrzahl der Frauen mit Bulimie können ambulant behandelt werden. Essstörungen nach ICD-10 Code F50.0 Anorexia nervosa F50.1 Atypische Anorexia nervosa F50.2 Bulimia nervosa F50.3 Atypische Bulimia nervosa F50.4 Essattacken bei anderen psychischen Störungen F50.5 Erbrechen bei anderen psychischen Störungen F50.8 sonstige Essstörungen (z.B. Bingeeating-Störung) E66.0 Adipositas durch übermässige Kalorienzufuhr Bulimie Den jungen Frauen (immerhin 2 bis 4 % zwischen 15 und 30 Jahren) mit dieser Störung sieht man ihr Leiden oft nicht sogleich an, denn sie zeigen typischerweise kein Untergewicht. Dennoch ist auch hier das Essverhalten massiv gestört. Hauptsymptom sind Essanfälle mit nachfolgendem Erbrechen; Abführmittelmissbrauch oder exzessives Sporttreiben kann dazukommen. Die Gedanken kreisen ums Essen, die Figur, das Gewicht. Der Selbstwert hängt an einer vorgestellten Idealfigur. Das Essverhalten dient häufig der Regulation von unerträglichen seelischen Spannungszuständen. Körperliche Folgen häufigen Erbrechens können sein: Zahnschäden, Sodbrennen, Verdauungsbeschwerden, Öffentlicher Anlass Essstörungen: Magersucht, Bulimie, Binge-Eating Wann fängt gestörtes Essverhalten an und welche Ursachen kommen in Frage? Wie lassen sich Essstörungen behandeln? In Kurzvorträgen und Interviews mit Fachpersonen berichten wir über dieses aktuelle Thema und unser spezialisiertes Angebot. Donnerstag, 5. Juni 2014, 18.30 –20 h Klinik Sonnenhalde, Riehen Anschliessend Apero Der Eintritt ist frei, die Platzzahl ist beschränkt. Behandlung von Essstörungen in der Klinik Sonnenhalde Unsere Klinik ist auf die stationäre Behandlung von Essstörungen spezialisiert. Auch die bei jeder Essstörung notwendige ambulante psychotherapeutische Behandlung wird in unseren beiden Ambulatorien angeboten. Daniela Engel, Dipl.-Psych., Fachpsychologin Psychotherapie FSP Eine stationäre psychiatrische Behandlung von 8 bis 12 Wochen wird erforderlich, wenn deutliches Untergewicht in Folge von strengem Diätverhalten und verloren gegangener ausgewogener Mahlzeiteneinnahme besteht, teilweise bereits medizinische Folgeerkrankungen vorhanden sind. Bei bulimischen Patientinnen ist ein Klinikaufenthalt dann sinnvoll, wenn ebenfalls keine Essstruktur mehr vorhanden ist und bis zu mehrmals tägliche Ess-Brech-Anfälle den Alltag massiv beeinträchtigen. Ziele unserer Behandlung sind ein normalisiertes Essverhalten, was Regelmässigkeit, Essmenge und Kalorienzufuhr beinhaltet, ein gesundes Körpergewicht und die Bearbeitung des Verhaltens als auch innerer Konflikte, die im Zusammenhang mit dem gestörten Essverhalten stehen. Es gibt unterschiedliche psychotherapeutische Methoden, die jedoch gerade in der Akutphase an der Bearbeitung der für die Patientin schädlichen Symptomatik ansetzen. Wesentlich für die Behandlung von Essstörungen ist die Gewinnung der Patientin für die Behandlung, da neben dem Wunsch auf Genesung bei Essstörungen oft auch unbewusst grosse Ängste vor Veränderung, insbesondere vor Gewichtszunahme bestehen. Alle Patientinnen werden vor einem Eintritt ausführlich über unser Behandlungskonzept informiert. In einer zwischen Behandlungsteam und Patientin geschlossenen Behandlungsvereinbarung werden die Rahmenbedingungen, das Zielgewicht und die nötige Gewichtszunahme festgehalten. Bei der stationären Behandlung von Essstörungen setzen wir in unserer Klinik auf ein multimodales Konzept. Die Patientinnen sind in die Patientengemeinschaft der jeweiligen Abteilung eingebunden und nehmen am vereinbarten Wochenprogramm teil. Das Programm beinhaltet neben den regelmässigen psychotherapeutischen Gesprächen und medizinischen Kontrol- len, Gespräche mit der pflegerischen Bezugspflege, nonverbale Therapieformen, wie gestaltende Therapien und Atemtherapie und je nach Körpergewicht Bewegungstherapien. Spezifisch für Patientinnen mit Essstörungen ist die bewusste Auseinandersetzung mit ihrem veränderten und ungesunden Essverhalten. Eine Möglichkeit stellen Ernährungsprotokolle dar, in denen täglich die Nahrungsaufnahme und damit verbundenen Gefühle und Gedanken dokumentiert werden. Schwierige Situationen oder Gefühle, die symptomauslösend sein können, werden so besser wahrgenommen. Zusammen mit dem Therapeuten und auch der pflegerischen Bezugsperson werden die sich daraus ergebenden individuellen Themen und Schwierigkeiten besprochen und zusammen alternative Umgangsweisen entwickelt. Gewichtskontrollen sind v.a. bei anorektischen Patientinnen nötig, um Verlauf und Fortschritte aufzeigen zu können und allenfalls die aufgegleisten Massnahmen anzupassen. Ein wesentlicher Baustein ist die Gruppe für Patientinnen mit Essstörungen. Sie besteht aus 10 Modulen, die die spezifischen Themen von Patientinnen mit einer Essstörung aufgreifen. Die Gruppe bietet den Patientinnen meist erstmals die Möglichkeit, andere Betroffene zu hören und zu lernen, sich den eigenen bis dahin unausgesprochenen Problemen zu stellen. Zentrale Inhalte sind u.a. ein niedriges Selbstwertgefühl, Umgang mit eigenen Gefühlen oder die Konfrontation mit der eigenen verzerrten Körperwahrnehmung. Die Gruppe kann auch ambulant besucht werden. Praktisch nimmt die regelmässige Begleitung der Patientinnen beim Einnehmen der Hauptmahlzeiten einen wichtigen Bestandteil ein. Auch Kochen und Mahlzeitenplanung müssen trainiert werden. Bei jüngeren Patientinnen, die meist noch zuhause leben, können gemeinsame Familiengespräche sehr sinnvoll sein und werden von uns angeboten. Zum Ende der stationären Behandlung ist es wichtig, rechtzeitig einen guten Übergang in den Alltag herzustellen, was neben der Aufgleisung einer immer notwendigen, regelmässigen Psychotherapie auch die Alltagsplanung mit allen sozialen Herausforderungen beinhalten sollte. ■