Umwelt-Produktdeklaration Baustähle – Erläuterung

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Umwelt-Produktdeklaration Baustähle
Erläuterungen
1
2
| Wichtige Kennzahlen über Baustähle
auf einen Blick
Seite
3
| Zu dieser Broschüre
Seite
4
Impressum:
Umwelt-Produktdeklaration Baustähle
Erläuterungen
Nr. B 103
3
| Umwelt-Produktdeklarationen nach ISO 14025 Seite
4
Herausgeber:
>>bauforumstahl e.V. | Sohnstraße 65 | 40237 Düsseldorf
Postfach 10 48 42 | 40039 Düsseldorf
T: +49(0)211.6707.828 | F: +49(0)211.6707.829
[email protected] | www.bauforumstahl.de
4
| Beispielhafte Einsatzgebiete
von Umweltdaten aus EPDs
Seite
6
Dezember 2010
4.1 | Gebäudezertifizierung
Seite
6
4.2 | Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht
Seite
7
Ein Nachdruck dieser Publikation – auch auszugsweise –
ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers
bei deutlicher Quellenangabe gestattet.
4.3 | Bauproduktenverordnung
Seite
7
5
| Grundlagen der Ökobilanzierung von Baustahl
Seite 10
Titelbild:
Baustoffe aus Stahl, recyclingfähig und sogar
wiederverwendbar.
6
| Exkurs 1:
Ermittlung des Recyclingpotenzials
Seite 14
| Exkurs 2:
Vergleich der EPD- und ökobau.dat-Daten
Seite 16
Bildnachweis:
Titelbild, S. 14 Walzprofile: Salzgitter Mannesmann Stahlhandel | Titelbild, S. 14 Grobbleche: Dillinger Hütte GTS |
Seite 5: Dietmar Feichtinger Architectes ©Sammode-photo
A.Caste | Seite 6: Allmann Sattler Wappner Architekten
© Brigida Gonzales, Stuttgart | Seite 7: © US Green Building
Council | Seite 11: Architekten LIN Finn Geipel + Giulia Andi
© Jan-Oliver Kunze | Seite 14: © Lars Lentz (Erzabbau),
© Třinecké železárny (Hochofen), wulf & partner, Freie Architekten BDA © Roland Halbe (Parkhaus Neue Messe Stuttgart),
© Thomas Wolf (Rückbau), © Salzgitter AG (Stahlschrott) |
Seite 15: BAURCONSULT Architekten Ingenieure © Gerhard
Hagen | Seite 16/17: Ingenhoven architects © Matthias
Reithmeier
7
7.1 | Grundlagen
Seite 16
7.2 | Beispielrechnung Zweigelenkrahmen
Seite 17
8
| Exkurs 3:
Einfluss der Transportentfernungen
»bauforumstahl e.V.
2 EPD Baustähle – Erläuterungen
Seite 18
Seite 19
Autoren:
M.Sc. Diana Fischer und Dipl.-Ing. Bernhard Hauke, PhD
1 | Wichtige Kennzahlen über Baustähle auf einen Blick
Einheit
Produktion 1
End-of-Life 2
Gesamt
Gesamtprimärenergie
MJ/kg
20,13
–7,78
12,35
Primärenergie, nicht erneuerbar
MJ/kg
19,48
–7,70
11,78
Primärenergie, erneuerbar
MJ/kg
0,65
–0,08
0,57
Treibhauspotenzial (GWP 100 Jahre)
kg CO2-Äq./kg
1,68
–0,88
0,8
Ozonabbaupotenzial (ODP)
kg R11-Äq./kg
3,19 · 10–8
1,04 · 10–8
4,23 ·10–8
Versauerungspotenzial (AP)
kg SO2-Äq./kg
3,47 · 10–3
–1,68 · 10–3
1,79 · 10–3
Eutrophierungspotenzial (EP)
kg PO4–3-Äq./kg
2,89 · 10–4
–1,31 · 10–4
1,58 · 10–4
Sommersmogpotenzial (POCP)
kg C2H4-Äq./kg
7,55 · 10–4
–4,57 · 10–4
2,98 · 10–4
kg Sb-Äq./kg
8,77 · 10–3
–3,89 · 10–3
4,88 · 10–3
Wasserverbrauch
kg/kg
6,75
–4,87
1,88
Haldengüter/Abraum
kg/kg
4,51
–2,36
2,51
Hausmüll
kg/kg
4,25 · 10–4
0,01
0,010425
Sondermüll
kg/kg
0,003
–1,79 · 10–3
0,02821
Recyclingfähigkeit
%
100
Durchschnittliche Sammelrate in Europa
%
99
Wiederverwendungsrate
%
11
%
14,45
51,05
65,50
Ressourcenverbrauch (ADP)
Recycled Content/Recyclinganteil:
Pre-consumer & Internal
Post-consumer
Gesamt
VOC-Gehalt
Dichte
%
0
3
kg/m
7.850
E-Modul
MPa
210.000
Schubmodul
MPa
81.000
Poissonzahl (Querdehnzahl)
Wärmeausdehnungskoeffizient
Wärmeleitzahl bei 20 °C
Brandsicherheit
Verhalten bei Kontakt mit Wasser
0,3
K–1
12 · 10–6
W/(m · K)
48 – 58
Baustoffklasse
A1 (nicht brennbar)
Brandgasentwicklung
keine Brandgase
Wasserlöslichkeit
unlöslich
Verhalten bei Hochwasser
keine Auswirkungen
Fettschrift: Nur gültig wenn Stahl der in der Umwelt-Produktdeklaration „Baustähle: Offene Walzprofile und Grobbleche“
angegebenen Hersteller verwendet wurde (siehe Seite 6).
1
Deckt die Prozesse „Rohstoffabbau“ (Modul A1), „Transport“(Modul A2) und „Herstellung“ (Modul A3) der Produktphase ab.
(Vgl. Bild 3: Lebenszyklusphasen der CEN-Normenfamilie für nachhaltige Bauwerke)
2
Entspricht der Gutschrift aus Wiederverwendung und Recycling in Modul D (vgl. Lebenszyklusphasen in Bild 3)
bauforumstahl 3
2 | Zu dieser Broschüre
3 | Umwelt-Produktdeklarationen nach ISO 14025
Diese Broschüre dient als Begleitheft zur Umwelt-Produktdeklaration „Baustähle: Offene Walzprofile und Grobbleche“
(im Folgenden „EPD Baustähle“), die auf der Homepage von
>>bauforumstahl (www.bauforumstahl.de) und beim Institut
Bauen und Umwelt e.V. (www.bau-umwelt.de) kostenlos heruntergeladen werden kann.
In den letzten Jahren wurden viele Zertifizierungssysteme entwickelt, mit denen die ökologische oder sogar nachhaltige
Qualität eines Gebäudes bestimmt werden kann. Beispiele
sind das von der Deutschen Gesellschaft Nachhaltiges Bauen
entwickelte DGNB-Siegel oder das amerikanische LEED (Leadership in Energy and Environmental Design). Die Zertifizierungssysteme stellen unterschiedliche Anforderungen an die umweltbezogene Leistung von Gebäuden. Um eine vergleichbare
Überprüfung der Gebäudequalität vornehmen zu können, müssen bei einer Zertifizierung auch die verwendeten Bauprodukte
in die Betrachtung einbezogen werden.
Die Broschüre enthält neben einer Zusammenfassung wesentlicher umweltrelevanter Informationen über Stahl (Seite 3)
allgemeine Angaben zur Erstellung und Anwendung von
Umwelt-Produktdeklarationen (engl. EPD = Environmental
Product Declaration) sowie über die zugehörige Produktdeklaration hinausgehende Informationen zur Ökobilanzierung von
Baustahl.
Hinweis:
Die spezifischen Produktkennzahlen in dieser Broschüre und
in der EPD Baustähle beziehen sich auf alle von folgenden
Herstellern erzeugten warmgewalzten Profile und Grobbleche:
• ArcelorMittal
• Dillinger Hütte GTS
• Ilsenburger Grobblech GmbH
• Peiner Träger GmbH
• Stahlwerk Thüringen
Für andere Hersteller sind entweder deren eigene EPDs
oder Durchschnittsdaten, z. B. aus der ökobau.dat
(www.nachhaltigesbauen.de) zu verwenden. In den Durchschnittsdaten werden aber auch außereuropäische Hersteller
abgebildet, bei denen die Umweltbelastungen aufgrund anderer
Produktionstechnologien unter Umständen höher sind, als
mit jenen Verfahren, die sich aufgrund der umfangreichen
Umweltschutzgesetze der letzten Jahrzehnte in Europa
etabliert haben.
Bild 1: Deckblatt der EPD
„Baustähle: Offene Walzprofile
und Grobbleche“
4 EPD Baustähle – Erläuterungen
Aufgrund der Vielzahl von Herstellungsprozessen, die hinter
jedem Bauprodukt stehen (Rohstoffabbau, Transport zum Werk
und zur Baustelle, Verarbeitung usw.), ist es den Produktanwendern jedoch nicht möglich, die vollständigen Produktdaten für
ein Gebäude zu sammeln und aufzuarbeiten. Diese Aufgabe
muss von den Herstellern der Produkte übernommen werden,
da nur sie neben dem benötigten Fachwissen auch die zwingend
erforderliche Einsicht in firmeninterne Daten über Rohstoffherkunft, Produktions- und Verarbeitungsprozesse oder den
Energieverbrauch haben.
Die Dreiländerbrücke bei Weil am Rhein stellt eindrucksvoll die Merkmale der Stahlbauweise unter Beweis: architektonische Qualität und innovative Konstruktion.
Zu Beginn der Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden wurden für viele Produkte aus den zur Verfügung stehenden Durchschnittsdaten Ökobilanzen erstellt und als so genannte „ökobau.dat“ vom Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung unter www.nachhaltigesbauen.de veröffentlicht.
Die Entwicklung dieser Grunddatenbank war ein wichtiger Schritt
auf dem Weg zur ökologischen Betrachtung von Bauwerken.
Bei der Verwendung der Daten ist zu beachten, dass
– die ökobau.dat nur die Ergebnisse der Ökobilanz, aber keine
darüber hinausgehenden Produktinformationen enthält.
– durch die Pauschalisierung überdurchschnittlich umweltfreundlich produzierende Hersteller benachteiligt werden.
– einige Daten in der ökobau.dat nicht unabhängig geprüft
und daher mit einem Sicherheitsaufschlag von 10 % versehen wurden.
Damit die Qualität der Umwelt-Produktdeklarationen gesichert
ist, gibt es Zertifizierungsstellen die die Richtigkeit der Grundlagen und Angaben in einer EPD von einem Sachverständigen
unabhängig überprüfen lassen. So wird sichergestellt, dass die
in der ISO 14025 angegebenen Regeln zur Ökobilanzierung, zum
Inhalt einer EPD etc. eingehalten werden.
Eine Zertifizierungsstelle in Deutschland ist das Institut Bauen
und Umwelt e.V. (IBU). Bereits zertifizierte EPDs werden auf der
Internetseite www.bau-umwelt.de kostenlos online zur Verfügung gestellt. Zukünftig wird die ökobau.dat auch um vom
IBU geprüfte Umwelt-Produktdeklarationen erweitert.
Jeder einzelne bzw. auch ein Verband unterschiedlicher Hersteller kann daher auf freiwilliger Basis eine so genannte Umwelt-Produktdeklaration (Environmental Product Declaration,
EPD) erstellen. Hierfür werden zunächst die für eine Bilanzierung erforderlichen Informationen, beispielsweise Angaben zu
Menge und Art der für die Produktion benötigten Rohstoffe, gesammelt. Aus den erhobenen Daten wird dann eine herstellerspezifische Ökobilanz erstellt, deren Ergebnisse in einer EPD
veröffentlicht werden. Darüber hinaus enthalten viele Deklarationen weitergehende Produktinformationen, etwa über bauphysikalische Eigenschaften.
bauforumstahl 5
4 | Beispielhafte Einsatzgebiete
von Umweltdaten aus EPDs
4.1 | Gebäudezertifizierung
Mit Zertifizierungssystemen, wie dem Deutschen Gütesiegel
Nachhaltiges Bauen (DGNB) oder dem US-amerikanischen
Leadership in Energy and Environmental Design (LEED), wurden
Instrumente entwickelt, die Energieeffizienz und Nachhaltigkeit
von Bauwerken zu bewerten. In die ganzheitliche Gebäudebewertung gehen neben nutzungsbezogenen Verbrauchskennzahlen auch Informationen über die verwendeten Baustoffe
und Bauprodukte ein. Ein unmittelbarer Vergleich einzelner
Baustoffe ohne den Gesamtkontext des zu erstellenden Gebäudes ist jedoch nicht möglich und auch nicht vorgesehen.
Erfüllungsgrad
66,6%
DGNB (Deutsches Gütesiegel nachhaltiges Bauen)
Von den 43 im aktuellen DGNB-System (Version 2009) bestehenden Kriteriensteckbriefen zur Bestimmung der Gebäudequalität beziehen sich zehn auf umweltrelevante Produktinformationen (siehe Bild 2).
Die DGNB gibt bei der Bewertung keine baustoffbezogenen
Grenzwerte an. Ziel ist es vielmehr, ein insgesamt optimiertes
Gebäude zu erstellen. Die in das Bauwerk eingehenden Produkte stellen dabei nur einen Teil der Gesamtbewertung dar.
Im Rahmen der Zertifizierung werden daher alle Lebensphasen,
von der Herstellung der Baustoffe über die Nutzungsphase bis
zur Wiederverwertung der Bauteile bzw. der Deponierung des
nach dem Abriss nicht mehr verwertbaren Bauschutts, berücksichtigt. Weitere Informationen zur Durchführung einer Ökobilanzierung enthält Kapitel 5.
Zertifizierungssystem der DGNB greift auf
die Produktinformationen der EPD zurück
01 Treibhauspotenzial (GWP)
02 Ozonschichtabbaupotenzial (ODP)
03 Ozonbildungspotenzial =
Sommersmogpotenzial (POCP)
04 Versauerungspotenzial (AP)
05 Überdüngungspotenzial =
Eutrophierungspotenzial (EP)
06 Risiken für die lokale Umwelt (u. a. VOC Gehalt)
08 Sonstige Wirkungen auf die globale Umwelt
(aktuell nur relevant für Holz)
10 Nicht erneuerbarer Primärenergiebedarf
11 Gesamtprimärenergiebedarf und Anteil
erneuerbarer Primärenergie
42 Rückbaubarkeit, Recyclingfreundlichkeit,
Demontagefreundlichkeit
Bild 2: Die von der DGNB-Software generierte Grafik fasst die Ergebnisse der
Gebäudebewertung zusammen. Die markierten Zahlen betonen jene Kriterien,
zu denen Informationen über die verwendeten Bauprodukte abgefragt werden.
Bei der Planung des Dornier Museums
in Friedrichshafen wurde viel Wert
auf den höchst effizienten Einsatz von
Ressourcen gesetzt.
6 EPD Baustähle – Erläuterungen
Neben der Umweltfreundlichkeit der Bauprodukte können auch
andere Eigenschaften von Baustoffen Einfluss auf die Gebäudequalität haben, z. B. die Brennbarkeit, die das Brandschutzkonzept beeinflusst und somit auf den Kriteriensteckbrief 33
(Brandschutz) einwirkt.
LEED (Leadership in Energy and Environmental Design)
Bei dem aus Amerika stammenden LEED-System werden einzelne Umweltschutzziele verfolgt und ihre Unterstützung belohnt. Zur Förderung des Stoffkreislaufs beispielsweise werden
Punkte für einen besonders hohen (10–20 %) Recyclinggehalt
der verwendeten Bauprodukte, gemessen an den Gesamtkosten
für Materialien, vergeben. In der für 2012 geplanten Neuauflage
von LEED werden zudem auch vollständige Ökobilanzierungen
durchgeführt. Hierzu befindet sich ein Kriteriensteckbrief gerade
in der Pilotphase. Erprobt wird unter anderem die Beachtung
einer Ökobilanz der verwendeten Bauprodukte. Da Amerika auch
Mitglied der Internationalen Organisation für Normung (ISO) ist,
werden Umwelt-Produktdeklarationen nach ISO 14025 hier wahrscheinlich ebenfalls als Datengrundlage Verwendung finden.
Auch bei LEED zukünftig stärkerer Fokus auf die
Bewertung von Bauprodukten
4.2 | Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind bis zum
12. Dezember 2010 dazu verpflichtet, die neue EU-Abfallrahmenrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Für die Bau- und
Immobilienwirtschaft sind zwei Inhalte der Abfallrahmenrichtlinie besonders relevant:
• Ab 2020 ist für Bau- und Abbruchabfälle eine Recycling- und
Verwertungsquote von 80 % vorgesehen. (In der EPD nachgewiesen für Baustahl: 99 %)
• Mit dem Ziel der Schonung von Umwelt und Ressourcen
durch die Vermeidung von Abfall wurde eine neue Abfallhierarchie eingeführt:
1. Vermeidung
2. Vorbereitung zur Wiederverwendung
3. Recycling
4. sonstige Verwertung, z. B. energetische Verwertung
5. Beseitigung
Neue Abfallrahmenrichtlinie:
Baustoffe sind so auszuwählen, dass sie hochwertig
wiederverwendet bzw. recycled werden können
Stahl wird nach dem Rückbau zu 88 % recycled, 11 % können
sogar direkt wiederverwendet werden. Der Rest ist auf Sammelverluste bei Kleinteilen zurückzuführen. Die nachgewiesene
hochwertige Verwendung von Stahl und Stahlschrott unterstützt
die Abfallwirtschaftsziele der EU.
Wassereffizienz
4.3 | Bauproduktenverordnung
Regionale Zusatzpunkte
Innovatives Design
Lage und Anbindung
Materialien und Ressourcen,
z.B. Wiederverwendungs und Recyclinganteil
In der aktuellen Fassung der Bauproduktenrichtlinie werden
wesentliche Anforderungen an Bauwerke genannt, die hohe
Qualitätsansprüche an die verwendeten Bauprodukte stellen.
Neben den die statische Bemessung beeinflussenden Materialeigenschaften gehören hierzu gesundheitsrelevante Einflussfaktoren, wie die zu vermeidende Freisetzung gefährlicher
Stoffe, beispielsweise flüchtiger organischer Verbindungen
(VOC).
Neue Bauproduktenverordnung fordert zukünftig
eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen
Innenraumluftqualität
Energie und Atmosphäre
Aufmerksamkeit und Belehrung
Nachhaltige Bauplätze
Mitte 2011 wird die neue Bauproduktenverordnung in Kraft
treten. Durch ihre Ausgestaltung als Verordnung wird sie – im
Gegensatz zu einer Richtlinie – umgehend in den EU-Mitgliedsstaaten gültig sein. Die Novelle wird eine zusätzliche grundlegende Anforderung an Bauwerke beinhalten: „Basisanforderung 7: Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“.
Fortan wird entsprechend der Verordnung mehr Wert auf die
Recyclingfähigkeit, Umweltfreundlichkeit und Dauerhaftigkeit
der Bauwerke gelegt werden. Die ökologische Wertigkeit der
verwendeten Bauprodukte wird hierzu entscheidend beitragen.
Tabelle 1: Umweltbereiche, die bei LEED bewertet werden.
bauforumstahl 7
Dr. Michaela Lambertz arbeitet als Projektpartnerin bei Drees & Sommer in Düsseldorf
und hat als DGNB-Auditorin bereits 7 Büround Verwaltungsgebäude erfolgreich auf
dem Weg zum DGNB-Vorzertifikat (3 x Silber,
4 x Gold) begleitet.
DGNB-Auditorin
In den vergangenen Jahrzehnten wurden in Deutschland viele Gesetze und Verordnungen
erlassen, die die Energieeffizienz von Gebäuden verbessern sollen. Das DGNB-Zertifikat geht
nun noch einen Schritt weiter und zieht auch die Ökobilanz der eingebauten Produkte in die
Betrachtung ein. Glauben Sie, dass bei Weiterentwicklung des DGNB-Zertifikats zukünftig noch
mehr Wert auf die ökologische Qualität der Bauprodukte gelegt wird?
avon bin ich überzeugt. Unabhängig von einer Zertifizierung wird die Bedeutung der
sogenannten grauen Energie, die in den Baustoffen steckt, mit sinkendem Energiebedarf
für die Gebäudekonditionierung zunehmen. Gebäudehülle und Technische Gebäudeausrüstung
werden immer effizienter. Damit steigt die ökologische Bedeutung der verbauten Materialien.
So wird es immer sinnvoller und attraktiver werden, für weitere Effizienzmaßnahmen die
Bauprodukte mit einzubeziehen. Das DGNB-Gütesiegel wird diesen Prozess aus meiner Sicht
beschleunigen. Im Rahmen der Zertifizierung stehen erstmals die Bauprodukte mit ihrem
ökologischen Fußabdruck im Fokus der Planung.
D
Umwelt-Produktdeklarationen werden von den Herstellern unter anderem erstellt, um möglichst
viele Informationen zu liefern, die bei einer Gebäudezertifizierung erforderlich sind. Hat sich
durch die Zunahme der am Markt vorhandenen Deklarationen Ihre Arbeit als DGNB-Auditorin
erleichtert und – wenn ja – worin liegt der Vorteil von Umwelt-Produktdeklarationen gegenüber
anderen Umweltdaten, beispielsweise aus der Datenbank ökobau.dat?
s ist deutlich wahrnehmbar, dass Hersteller immer aktiver werden, umfangreiche (Umwelt-)
Informationen zu ihren Produkten zur Verfügung zu stellen. Die DGNB-Zertifizierung schafft
hier unter anderem den Anreiz. Die Nachfrage nach diesen Informationen steigt und die Hersteller reagieren entsprechend. Der Vorteil der Umwelt-Produktdeklarationen für die Hersteller
ist, dass sie die Möglichkeit erhalten, sich gegenüber Wettbewerbern abzusetzen und bestimmte
Produktqualitäten von Dritten verifiziert darzustellen. Die ökobau.dat liefert hingegen gemittelte
Angaben unabhängig von bestimmten Produkten. Die gemittelten Werte einer Datenbank
können zu ungünstigeren Ergebnissen führen als herstellerspezifische Angaben aus UmweltProduktdeklarationen.
E
Immer wieder ist zu lesen, dass Baustoffe keinesfalls allein auf Grundlage ihrer massen- oder
volumenbezogenen Kennwerte in „ökologisch gut“ und „nicht gut“ eingestuft werden können
und dürfen. Wie kann in frühen Projektphasen ermittelt werden, welcher Konstruktionswerkstoff, sich unter Beachtung ökologischer und gesundheitlicher Anforderungen am besten für
ein bestimmtes Bauvorhaben eignet?
8 EPD Baustähle – Erläuterungen
ie Identifizierung des aus ökologischer und gesundheitlicher Sicht optimalen Werkstoffes
ist eine komplexe Aufgabe. Die erste Anforderung an den Baustoff wird sicher sein, dass
er die an ihn gestellten technischen Anforderungen erfüllen muss (z. B. Standfestigkeit).
Im zweiten Schritt ist entscheidend, dass sein Einsatz zu einer guten energetischen Qualität
des Gebäudes führt (z. B. Luftdichtigkeit und thermische Qualität der Außenhülle). Spätestens
an dritter Stelle wird der ökologische Aspekt des Baustoffs selbst relevant. Bei der Wahl eines
geeigneten Baustoffs werden hier seine ökologischen Fußstapfen entscheidend. Dazu gehören
zum Beispiel das mit der Herstellung verbundene Treibhauspotenzial, der Energiebedarf und
das Versauerungspotenzial.
D
Wichtig bei der Beurteilung der unterschiedlichen Materialien ist tatsächlich, wie Sie sagen, die
Wahl einer geeigneten Bezugsgröße. Allein volumen- und massenbezogene Berechnungen sind
hier meist nicht zielführend. Stellt sich beispielsweise die Frage, ob eine mit wetterfestem
Stahl verkleidete Fassade gegenüber einer Aluminium verkleideten Fassade aus ökologischer
Perspektive zu bevorzugen ist, wäre es nicht richtig, ein Kilogramm Aluminium einem Kilogramm
wetterfestem Stahl gegenüber zu stellen. Die passende Bezugsgröße wäre in diesem Fall ein
Quadratmeter Fassade, also die erforderliche Menge des Baustoffs, um einen Quadratmeter
Fassade herzustellen.
Der Einbauort, die Anordnung im Bauteil und damit zusammenhängend die Lebens- bzw.
Nutzungsdauer des Baustoffs im Gebäude ist neben der Wahl der richtigen Bezugsgröße entscheidend, um die ökologische Qualität eines Baustoff für das jeweilige Projekt beurteilen zu
können. Muss ein Bauteil beispielsweise mehrmals während der Nutzungszeit des Gebäudes
ausgetauscht werden, kann die Gesamt-Umweltauswirkung trotz bei isolierter Betrachtung
günstigeren Ausgangswerten schlechter sein als bei einem Bauteil, das zunächst schlechtere
Umweltdaten aufweist, aber im Laufe der Nutzungszeit des Gebäudes nicht erneuert werden
muss.
Der Baustoff kann also nicht projektunabhängig bewertet werden. Seine Rolle im Gebäudegesamtkonzept spielt eine entscheidende Rolle für die Beurteilung seiner ökologischen und
gesundheitlichen Qualität.
Neben ökologischen Aspekten werden im DGNB-System unter anderem auch Angaben zu
sozialen und wirtschaftlichen Kriterien abgefragt. Können Sie ungefähr angeben, wie hoch der
tatsächliche Einfluss der Materialwahl für die Tragkonstruktion auf die ökologische Gebäudequalität und die Gesamtbewertung eines Gebäudes ist?
ie Materialwahl der Tragkonstruktion beeinflusst insbesondere die Ökobilanz des
Gebäudes, die gebäudebezogenen Lebenszykluskosten, die Instandhaltungsfreundlichkeit
sowie die Rückbaubarkeit und Recyclingfreundlichkeit des Baukörpers. Aufgrund der Bedeutung
dieser Themen in der DGNB-Gesamtbewertung beeinflusst die Baustoffwahl mehr oder weniger
direkt mehr als ein Drittel des Zertifizierungsumfangs.
D
Sowohl in der im Dezember 2010 in Kraft tretenden Abfallrahmenrichtlinie als auch in der
für 2011 geplanten Bauproduktenverordnung wird der Wiederverwendungsfähigkeit bzw.
der Recyclingfähigkeit von Baumaterialien ein hoher Stellenwert zugesprochen. Wie werden
diese neuen Anforderung im DGNB-System berücksichtigt?
as DGNB-System wird darauf sicher reagieren. Schon jetzt sind im DGNB-System Ziele
wie Recyclingfreundlichkeit und Rückbaubarkeit des Baukörpers bei der Betrachtung der
technischen Qualität des Gebäudes berücksichtigt. Wenn Richtlinien und Verordnungen hier
Vorgaben machen, erleichtert dies sicher die Bewertung.
D
bauforumstahl 9
5 | Grundlagen der Ökobilanzierung von Baustahl
Im vorherigen Kapitel wurde gezeigt, dass Umwelt-Produktdeklarationen im Rahmen der Gebäudezertifizierung nach
DGNB genutzt werden können. Um die bei einer Zertifizierung
anfallende Datenmenge zu strukturieren, wird der Lebenszyklus des Gebäudes in unterschiedliche Phasen unterteilt.
Bild 3 stellt diese Phasen dar. Bei einer Gebäudebilanzierung
sind stets alle fünf Phasen zu berücksichtigen.
Wenn Baustoffe, beispielsweise Baustahl, vielfältige Einsatzmöglichkeiten bieten, können die Hersteller keine allgemeine
Auskunft über die Bau-, Nutzungs- und Abbauprozesse geben.
Diese Phasen sind abhängig von der jeweiligen Funktion des
eingebauten Bauteils im Gebäude, der Gebäudekonzeption
und den auf der Baustelle vorhandenen Baugeräten. In solchen
Fällen können in der Umwelt-Produktdeklaration lediglich
Hinweise zu möglichen Einsatzgebieten sowie Informationen
zum Verhalten bei außergewöhnlichen Einwirkungen gegeben
werden, die entsprechend der angestrebten Nutzung zu berücksichtigen sind.
Für die Module A1 bis A3 und D, also die Produktphase und
das Recycling, ist eine allgemeine Darstellung der Stoffströme
jedoch möglich. Daher wurden diese Phasen in der EPD „Baustähle“ abgebildet. Hierfür wurde eine Ökobilanz erstellt, deren
Schritte im Folgenden erläutert werden.
Schritt 1 – Sachbilanz
Zunächst wird ein Modell aufgebaut, in dem sämtliche bei der
Herstellung bzw. dem Lebensende des Produkts anfallende
Stoff- und Energieströme abgebildet werden. Zur Erstellung der
EPD Baustähle wurden von den teilnehmenden Herstellerwerken
mehrere hundert unterschiedliche Daten, zum Beispiel Wasserverbrauch, Strombedarf und Materialeinsatz etc., abgefragt.
Anschließend wurde aus den werksspezifischen Kennzahlen ein
Modell für die Ökobilanzierung erstellt. Angaben, die von den
Herstellern nicht selbst geliefert werden konnten, beispielsweise zum Energieverbrauch beim Abbau von Eisenerz, wurden
aus Durchschnittsdaten ergänzt. Die so erstellte Sachbilanz
diente als Grundlage für den nächsten Schritt.
Herstellung
Für Baustahl gibt es zwei unterschiedliche Herstellungsrouten:
− Beim Hochofenverfahren wird Stahl im Wesentlichen aus
Eisenerz, Kokskohle, Kohle und Schrott (bis zu 35 %) hergestellt und anschließend gewalzt.
− Im Elektrolichtbogenofen wird Stahlschrott eingeschmolzen
und anschließend ebenfalls zu neuen Stahlprodukten gewalzt.
Bei den teilnehmenden Stahlwerken werden beide Verfahren
angewandt, sodass in der EPD ein Mix aus Hochofen- und
Elektroroute abgebildet wird.
Obwohl es sich bei Baustahl um so genannte „unlegierte“
Stähle handelt, werden bei beiden Produktionswegen in geringem Umfang Legierungselemente wie Silizium und Nickel beigefügt. Durch diese Zusätze und das Walzverfahren lässt sich
die Stahlgüte präzise steuern.
„Lebensende“ von Baustahl
Nachdem ein Gebäude rückgebaut wurde, werden die einzelnen
Stofffraktionen getrennt und – sofern möglich – einer neuen
Nutzung zugeführt. Bei Stahl hat sich seit Jahrzehnten ein gut
funktionierendes Kreislaufsystem etabliert:
− Wiederverwendung: Oftmals können Stahlbauteile ganz
oder teilweise wieder neu genutzt werden. Die direkte Wiederverwendung vermeidet eine Einschmelzung und spart somit
Energie.
− Recycling: Stahl kann ohne Qualitätsverlust unendlich oft
recycled werden. Für das Herstellen von Stahl aus Schrott
wird weniger Energie verbraucht, als für die Primärproduktion
im Hochofen. Auch deshalb ist Schrott ein weltweit gefragter
Rohstoff.
Vor dem
Lebensbeginn
des Gebäudes:
Produktphase
Bauphase
Nutzungsphase
Lebensende des
Gebäudes
Über das Lebensende
des Gebäudes
hinausgehende
Gutschriften und
Belastungen
= Lebensende des
Produkts
A1: Rohstoffabbau
A2: Transport
A3: Herstellung
A4: Transport
A5: Bau- und
Installationsstadium
B1: Nutzung
B2: Instandhaltung
B3: Reparatur
B4: Ersatz
B5: Erneuerung
B6: Betrieb
B7: betrieblicher
Wasserverbrauch
C1: Abbau- und
Abriss
C2: Transport
C3: Abfallaufbereitung
C4: Deponie
D: Wiederverwendung,
Recycling,
Verwertung
= Ersatz von
Primärproduktion
Bild 3: Lebenszyklusphasen von Bauprodukten und Gebäuden nach der CEN-Normenfamilie für nachhaltige Bauwerke
10 EPD Baustähle – Erläuterungen
Nach dem Lebensende eines Gebäudes wird durchschnittlich
99 % der eingebauten Baustähle gesammelt und einer neuen
Nutzung zugeführt. In unterschiedlichen Studien, beispielsweise vom Steel Construction Institute (SCI) konnte nachgewiesen werden, dass die Wiederverwendungsrate von Baustahl
bei ca. 11 % liegt. Demnach verbleiben ungefähr 88 % für das
Recycling.
Baustahl ist zu 100 % recyclingfähig und wird sogar
zu 11 % wiederverwendet
Schritt 2 – Wirkungsabschätzung
Nachdem alle bei der Herstellung und dem Lebensende anfallenden Prozesse in einer Sachbilanz abgebildet wurden, kann
mit Hilfe eines Computerprogramms ermittelt werden, welche
Umwelteinwirkungen entstehen. Zu den aktuell betrachteten
Einflüssen zählen der Primärenergiebedarf, das Treibhauspotenzial, das Versauerungspotenzial, das Ozonschichtzerstörungspotenzial usw. Die Ergebnisse der Wirkungsabschätzung von
dem in der EPD deklarierten Baustahl sind in Kapitel 1 zusammengefasst.
Schritt 3 – Sensitivitätsanalyse
Im letzten Schritt, der Sensitivitätsanalyse, werden die der Ökobilanzierung zugrunde liegenden Annahmen überprüft. Hierbei
werden für nicht oder nur vage bekannte Parameter unterschiedliche Szenarien abgeschätzt und bilanziert. So kann überprüft
werden, welchen Einfluss die nicht hinreichend bekannten
Annahmen auf das Gesamtergebnis der Bilanzierung haben.
Bei der Bilanzierung der in der EPD abgebildeten Lebensphasen
„Herstellung“ und „Recyclingpotenzial“ von Baustahl waren
alle wesentlichen Parameter bekannt, sodass keine Annahmen
getroffen werden mussten.
Das nur 120 Tonnen schwere Tragwerk des 32 Meter hohen Aussichtsturms
der Cité du Design in Saint-Etienne wurde im Werk vormontiert und vor seiner
Aufstellung durch vier Mobilkräne im Liegen zusammengeschweißt.
bauforumstahl 11
Christine Hackenbracht ist Architektin und arbeitet
bei der URS Deutschland GmbH als DGNB-Auditorin
(drei abgeschlossene Zertifizierungen plus zwei
aktuell laufende). Darüber hinaus wird sie bald ihre
Prüfung als LEED Accredited Professional ablegen.
Gegenwärtig ist sie für das LEED Management zweier
Projekte für amerikanische Kunden, von denen eines
in Deutschland und eines in den Niederlanden
gebaut wird, zuständig.
LEED Professional
Welche Anforderungen stellt LEED an die verwendeten Bauprodukte, welchen Mehrwert sehen
Sie in EPDs für die LEED-Zertifizierung und welche Lücken weisen die EPDs des Instituts Bauen
und Umwelt e.V. (IBU) Ihrer Meinung nach auf, um LEED besser gerecht zu werden?
ei LEED werden bestimmte Produktzertifikate verlangt, die auf den amerikanischen Markt
zugeschnitten sind und in den USA vergeben werden. Dies erschwert eine LEED-Zertifizierung in Deutschland, da es hier beispielsweise bei Teppichböden nur einen Hersteller gibt, der
über dieses amerikanische Zertifikat verfügt. Insbesondere bei Ausschreibungen schränkt dies
den Wettbewerb sehr ein und führt somit dazu, dass die Materialkosten übermäßig hoch sein
können. Zudem wird bei LEED sehr viel Wert auf den so genannten „Recycled Content“, also den
Anteil von recycelten Materialien in einem Produkt, gelegt.
B
In den deutschen Umwelt-Produktdeklarationen des IBU sind diese für eine LEED-Zertifizierung
erforderlichen Informationen nicht vorgesehen, sodass ich mir Daten hierüber bisher an anderer
Stelle suchen musste. Das wäre aber sicher ein Thema, bei dem geprüft werden sollte, ob derartige Angaben nicht auch in EPDs ergänzt werden können. Wenn beispielsweise der Recyclinganteil in den Deklarationen wirklich ausgewiesen wäre, würde dies die Produktvielfalt sicherlich
fördern.
Wir haben uns bei der Erstellung unserer EPD dazu entschlossen, den gesamten Stahlabsatz
der teilnehmenden Hersteller abzubilden. Wird sich diese internationale Ausrichtung Ihrer
Meinung nach dauerhaft durchsetzen, oder wird es zukünftig in jedem Land eigene Deklarationen geben?
as ist eine schwierige Frage, es kommt natürlich darauf an, in welcher Sprache die EPDs
verfasst sind. Grundsätzlich sind die EN- und auch die ISO-Normen in ganz Europa gültig,
und alles was sich in diesem Rahmen bewegt, wird sich auch sicherlich auf ganz Europa auswirken. Beispielsweise strebt die DGNB auch eine Internationalisierung an, die LEED ja bereits
hat, und je einheitlicher die Produktinformationen vermittelt werden, desto besser werden sie
sich auch verbreiten. Wenn international gültige EPDs vorliegen, werden sie sicherlich auch
Anwendung finden.
D
Bei LEED wird aber im allgemeinen nicht auf EPDs direkt verwiesen, wie dies bei der DGNB
geschieht, sondern der Bauherr muss den spezifischen Recyclinganteil und die Schadstoffarmut
seiner eingebauten Produkte nachweisen. Aus welchen Quellen diese Informationen genau
stammen, ist dann nicht relevant.
12 EPD Baustähle – Erläuterungen
Bei einer LEED-Zertifizierung werden Wiederverwendung und die Nutzung von Materialien mit
hohem Recyclinggehalt positiv bewertet. Baustahl zeichnet sich durch einen hohen so genannten „Recycled Content“ aus. Zudem lassen sich viele Stahlbauteile nach der Nutzung in einem
neuen Bauwerk wiederverwenden. Wie groß ist der Vorteil dieser Eigenschaften bei einer LEEDZertifizierung?
ei LEED wird der Recyclinganteil anhand der Baukosten ermittelt. Daher muss zunächst
überprüft werden, wie groß der Anteil des Stahls an den gesamten Baukosten ist. Ich
denke, LEED ist in Deutschland noch nicht so weit verbreitet, dass die LEED-Anforderungen
Einfluss auf die Konstruktionsweise der Gebäude haben. Aktuell wird mehr Wert auf die
Energieeffizienz von Gebäuden gelegt, weil der Gesetzgeber dieses auch fordert. Auch bei
LEED liegt der Schwerpunkt auf der Energieeffizienz, für diesen Bereich werden die meisten
Punkte vergeben. Die Berechnung und Bewertung der Energieeffizienz wird in den dem LEEDSystem zugrunde liegenden amerikanischen Normen allerdings anders berechnet als es in
der Energieeinsparverordnung (EnEV) vorgegeben wird, und Maßnahmen, die in der EnEV
positiv bewertet werden, führen nicht zwangsläufig auch bei LEED zu einer guten Bewertung.
Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass die Frage, welche Baumaterialien zu einer optimalen
Bewertung führen, bisher nicht im Vordergrund der Betrachtung steht.
B
Während in der aktuellen LEED-Version nur wenige baustoffbezogene Aspekte abgefragt werden,
soll die wahrscheinlich 2012 erscheinende Version die ökologische Qualität, beispielsweise
ausgedrückt durch das Treibhauspotenzial und den Primärenergiebedarf, stärker berücksichtigen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
einer Meinung nach werden sich die Systeme dauerhaft angleichen. Bei der Weiterentwicklung von LEED wird natürlich die Entwicklung in Europa und bei der DGNB beachtet,
und genauso hat sich die DGNB bei der Entwicklung der Steckbriefe auch an LEED orientiert.
Die US-Amerikaner verbrauchen nicht nur sehr viel Primärenergie sondern auch viel Wasser,
und ich denke, in den USA werden entsprechende Schritte eingeleitet werden müssen, um eine
dauerhafte Reduktion des Ressourcenverbrauchs und der Umweltbelastungen zu erreichen.
Von daher ist es sinnvoll, dass auch diese ökologischen Grundlagen noch mehr in das System
eingehen werden.
M
Wo sehen Sie die Zukunft der Gebäudezertifizierung? Bei LEED, DGNB oder einem neuen
„internationalen“ System?
ch denke, dass es in 10 Jahren noch immer verschiedene Systeme geben wird, vielleicht
sogar in 20 Jahren. Die Systeme werden sich sicherlich mehr ähneln, zumal die DGNB gerade
mit einem internationalen System versucht, ausländische Bauherren und Investoren anzusprechen. Aber wir stellen bei unserer Arbeit fest, dass international aufgestellte Investoren und
Bauherren eher zu LEED tendieren, weil das DGNB-System als sehr komplex gilt oder verkannt
wird. Zudem glauben viele, dass sie mit einer LEED-Zertifizierung internationalen Standard
erreichen. Im Moment kann man deshalb noch nicht sagen, welches System sich insbesondere
hier in Deutschand besonders gut verbreiten wird.
I
Aber das DGNB-System gilt doch als besonders investorenfreundlich, weil die
ökonomischen Aspekte stärker als in anderen Systemen bewertet werden?
a, das stimmt schon, aber man muss dazu auch sagen, dass einerseits die Zertifizierungsgebühren hoch sind, und andererseits auch die Benchmarks bei der Bewertung der Lebenszykluskosten sehr hoch angesetzt sind, so dass einige Investoren Schwierigkeiten haben, sie
zu erreichen bzw. gute Punktzahlen zu bekommen. Hinzu kommt, dass die Ermittlung der
einzelnen Kosten bei einer GU- oder GÜ-Ausschreibung kaum möglich ist, da die Kalkulationen
in den seltensten Fällen offen gelegt werden.
J
bauforumstahl 13
6 | Exkurs 1:
Ermittlung des Recyclingpotenzials
Wie in Tabelle 1 sichtbar ist, wird für die in der Umwelt-Produktdeklaration „Baustähle“ deklarierten Stahlprodukte am Lebensende („End-of-Life“) eine „Gutschrift“ erteilt. Diese wird auch
als „Recycling-Potenzial“ bezeichnet, da sie Ausdruck der hervorragenden Wiederverwendungs- und Recyclingfähigkeit von
Baustahl ist.
Hintergrund der Berechnung ist, dass durch das Wiederverwenden bzw. Recyceln von Bauprodukten Ressourcen geschont
werden. Bei Betrachtung der Stoffkreislaufs von Stahl werden
diese „vermiedene Belastungen“ gut sichtbar:
Stahl wird benutzt, nicht verbraucht
Erzabbau und
-aufbereitung
Reduktion
im Hochofen
Stahlerzeugung/
Produktphase
88 %
Recycling
Stahlschrott
sortieren
und aufbereiten
Wie
11%
e nd
verw
d er
ung
Bauphase
Lebensende
Gebäude –
Rückbau
Bild 4: Das Kreislaufsystem von Stahl
ermöglicht, einmal in den Kreislauf
eingebrachte Ressourcen über viele
Generationen hinweg zu nutzen und
trägt so maßgeblich zu einem zukunftsfähigen – nachhaltigen – Bauen bei.
14 EPD Baustähle – Erläuterungen
Nutzungsphase
460 kg Stahlschrott
300 kg Schrott
160 kg Schrott
540 kg Roheisen
Hochofenroute, 700 kg
Elektroofenroute, 300 kg
Baustahlerzeugung
Rückführung
Recyclinggehalt
1.000 kg Baustahl
Herstellung Gebäude
Nutzung Gebäude
Rückbau Gebäude
Recyclingrate
= 88 %
Wiederverwendungsrate
= 11%
110 kg Stahlprodukte
880 kg Stahlschrott
aus dem System
110 kg wiederverwendbare Produkte
= vermiedene Aufwendungen für
Rohstoffabbau und Herstellung
420 kg zusätzlicher Schrott
= vermiedene Produktion
aus primären Rohstoffen
Bild 5: Schematische Darstellung der
Berechnung des Recycling-Potenzials
von Baustahl
Stahl ist ein regenerativer Baustoff: Nach der Nutzung lässt er
sich sammeln und entweder wiederverwenden oder neu einschmelzen. Bei einem angenommenen Produktionsmix von
70 % Hochofenstahl und 30 % Elektrostahl und einem Einsatz
von 25 % Stahlschrott in der Hochofenroute werden 110 kg
wiederverwendbare Produkte sowie 420 kg zusätzlicher
Stahlschrott gewonnen. Diese wiederverwendbaren Produkte
und der zusätzliche Schrott mindern den Bedarf an primären
Rohstoffen und schonen so die natürlichen Ressourcen.
Die unverkleideten Stahlprofile der
mit dem DGNB-Zertifikat in Silber ausgezeichneten Vileda Hauptverwaltung
beweisen eindrucksvoll, dass innovative Konzepte im Brandschutzbereich
zu hochwertigen gestalterischen
Lösungen führen können.
bauforumstahl 15
7 | Exkurs 2:
Vergleich der EPD- und ökobau.dat-Daten
7.1 | Grundlagen
Wie in Kapitel 2 erwähnt, sind die Daten aus dieser Broschüre
bzw. der zugehörigen Umwelt-Produktdeklaration nur für die
von den teilnehmenden Herstellern produzierten Baustähle
gültig. Für andere Hersteller müssen – sofern vorliegend –
andere Deklarationen oder die Daten aus der ökobau.dat angesetzt werden. Die folgenden Tabellen belegen, dass die verifizierten Daten aus der EPD besser sind als die Daten aus der
ökobau.dat:
Die Europäische Investitionsbank
Luxemburg erhielt als erstes
Gebäude auf dem Festland die
BREEAM-Auszeichnung „excellent“.
Einheit
Produktion
End-of-Life =
Recyclingpotenzial
Summe
Gesamtprimärenergie
MJ/kg
24,16
–7,64
16,53
Primärenergie, nicht erneuerbar
MJ/kg
23,2
–7,92
15,28
Primärenergie, erneuerbar
MJ/kg
0,96
0,28
1,25
Treibhauspotenzial (GWP 100 Jahre)
kg CO2-Äq.
1,71
-0,57
1,14
Ozonabbaupotenzial (ODP)
kg R11-Äq.
3,87 · 10–8
2,78 · 10–8
6,65 · 10–8
Versauerungspotenzial (AP)
kg SO2-Äq.
4,82 · 10–3
–2,01 · 10–3
2,81 · 10–3
Eutrophierungspotenzial (EP)
kg PO4–3-Äq.
4,57 · 10–4
–1,93 · 10–4
2,64 · 10–4
Sommersmogpotenzial (POCP)
kg C2H4-Äq.
7,38 · 10–4
–3,31 · 10–4
4,07 · 10–4
kg Sb-Äq.
10,5 · 10–3
–4,31 · 10–3
6,19 · 10–3
Einheit
Produktion
End-of-Life =
Recyclingpotenzial
Summe
Gesamtprimärenergie
MJ/kg
20,13
–7,78
12,35
Primärenergie, nicht erneuerbar
MJ/kg
19,48
–7,70
11,78
Primärenergie, erneuerbar
MJ/kg
0,65
–0,08
0,57
Treibhauspotenzial (GWP 100 Jahre)
kg CO2-Äq.
1,68
–0,88
0,80
Ozonabbaupotenzial (ODP)
kg R11-Äq.
3,19 · 10–8
1,04 · 10–8
4,23 · 10–8
Versauerungspotenzial (AP)
kg SO2-Äq.
3,47 · 10–3
–1,68 · 10–3
1,79 · 10–3
Eutrophierungspotenzial (EP)
kg PO4–3-Äq.
2,89 · 10–4
–1,31 · 10–4
1,58 · 10–4
Sommersmogpotenzial (POCP)
kg C2H4-Äq.
7,55 · 10–4
–4,57 · 10–4
2,98 · 10–4
kg Sb-Äq.
8,77 · 10–3
–3,89 · 10–3
4,88 · 10–3
Ressourcenverbrauch (ADP)
Tabelle 2: Bilanzierungsergebnisse für Profilstähle aus der ökobau.dat
Ressourcenverbrauch (ADP)
Tabelle 3: Bilanzierungsergebnisse der EPD „Baustähle“
16 EPD Baustähle – Erläuterungen
Das folgende kleine Beispiel zur Ökobilanzierung eines Zweigelenkrahmens verdeutlicht die Differenzen zwischen den unterschiedlichen Datengrundlagen und zeigt zudem, dass eine
Bewertung der ökologischen Qualität von Stählen nur in einem
Gesamtsystem möglich ist, bei dem auch die Festigkeit der
Materialien berücksichtigt wird.
Treibhauspotenzial
S235
S460
ökobau.dat
1,83 · 1,14 =
2,09 t CO2-Äq.
1,4 · 1,14 =
1,60 t CO2-Äq.
EPD
„Baustähle“
1,83 · 0,8 =
1,46 t CO2-Äq.
1,4 · 0,8 =
1,12 t CO2-Äq.
S235
S460
ökobau.dat
1,83 · 16,53 =
30,25 GJ
1,4 · 16,53 =
23,14 GJ
EPD
„Baustähle“
1,83 · 12,35 =
22,60 GJ
1,4 · 12,35 =
17,29 GJ
7.2 | Beispielrechnung Zweigelenkrahmen
Mit den alleinigen Umweltdaten kann noch keine Aussage über
die ökologische Qualität eines Baustoffes gemacht werden.
Seine Effizienz lässt sich nur in einem baulichen Kontext bestimmen. Eine einfach zu berechnende typische Konstruktion
ist der Zweigelenkrahmen. An ihm wird im Folgenden gezeigt,
welchen Einfluss die Wahl der Stahlgüte und die Quelle der
Daten auf das Bilanzierungsergebnis haben kann.
Ökologische Kennzahlen:
ökobau.dat und EPD-Werte (vgl. vorheriges Kapitel)
Untersuchte Stahlsorten:
S235 und S460 (HEA- und IPE-Stahlprofile)
Erforderliche
Massen
S235
S460
1,83 Tonnen
1,4 Tonnen
Primärenergiebedarf
Ergebnisse:
1. Die Verwendung der in der EPD deklarierten Stähle leistet
auch bei geringen Abnahmemengen einen wertvollen
Beitrag zur Ressourcenschonung und dem Klimaschutz.
2. Durch die Wahl einer höheren Stahlgüte kann die ökologische
Qualität der funktionalen Einheit – in diesem Fall dem Zweigelenkrahmen – insgesamt verbessert werden. Das geringere
Eigengewicht der Konstruktion kann zudem dazu führen,
dass die Fundamente kleiner ausgeführt werden können,
wodurch weitere Umweltbelastungen vermieden werden.
Für die Herstellung brauchen die Produzenten
zwar pro Tonne etwas mehr Energie als für andere
Baustoffe, dafür kann mit einer Tonne Stahl aber
auch wesentlich mehr Bauwerk errichtet werden.
Knut Göppert, Geschäftsführer beim Ingenieurdienstleister Schlaich Bergermann und Partner (SBP)
bauforumstahl 17
8 | Exkurs 3:
Einfluss der Transportentfernungen
Bisher werden die Transportwege der Baumaterialien vom
Werkstor bis zur Baustelle nicht in den Zertifizierungssystemen
der DGNB berücksichtigt (Stand Version 2009). Im Sinne der
Nachhaltigkeit sollte jedoch auch auf eine effiziente Beschaffungspolitik geachtet werden. Während kleinere Wege – zum
Beispiel die in Europa typischen Transportradien von 500 km –
vernachlässigt werden können, können längere Transportwege
das Gesamtergebnis deutlich beeinflussen.
Von den aufstrebenden BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien
und China) wird erwartet, dass sie ihre Waren zukünftig stärker
auf dem europäischen Markt anbieten wollen. Hierfür müssen
Stahlprodukte durchschnittlich folgende Strecken zurücklegen:
Brasilien:
10.000 km Seefracht + 200 Bahnkilometer
Russland:
2.200 km Bahnkilometer
Indien: Bombay – Deutschland:
12.000 km Seefracht + 200 Bahnkilometer bis Bombay
China: Shanghai – Deutschland:
20.000 km Seefracht + 500 Bahnkilometer bis Shanghai
Innerhalb Europas werden Waren durchschnittlich weitere
300 km bis zum Einbauort transportiert.
Für den Transport von einer Tonne über eine Strecke von 1 km
(= 1 Tonnenkilometer „tkm“) können der ökobau.dat die
folgenden Umweltdaten entnommen werden. Verpackungen
(Container) werden zur Vereinfachung nicht berücksichtigt.
Treibhauspotenzial
Primärenergiebedarf
[kg/tkm]
[MJ/tkm]
Containerschiff
0,0145
0,1782
Bahntransport
0,0286
0,5864
Pro Tonne transportiertem Stahl wird die Umwelt
zusätzlich belastet:
Treibhauspotenzial
Primärenergiebedarf
[kg/t]
[MJ/t]
Brasilien
159
2.075
Russland
72
1.466
Indien
185
2.432
China
310
4.033
Europa
14
293
Verglichen mit dem in der EPD angegebenen Primärenergiebedarf von 12.350 MJ/Tonne und dem Treibhauspotenzial von
800 kg/Tonne können bei langen Transportwegen von Stahlprodukten zusätzliche Umweltbelastungen von über 30 % entstehen.
Bei der Ökobilanz müssen die Transportwege vom
Werkstor zur Baustelle stärkere Berücksichtigung
finden
Die Autoren
M.Sc. Diana Fischer
Dipl.-Ing. Bernhard Hauke, PhD, VDI
Studium des Bauingenieurwesens an der Universität
Duisburg-Essen. Referentin
für Nachhaltigkeit bei
>>bauforumstahl in Düsseldorf.
Seit November 2010 wiss. Mitarbeiterin Universität DuisburgEssen.
Studium des Bauingenieurwesens
an der TH Darmstadt und der
University of Tokyo. Statiker,
Design Manager und Leiter Stahlbauplanung bei HOCHTIEF Consult
in Frankfurt.
Seit 2008 Geschäftsführer
>>bauforumstahl in Düsseldorf.
18 EPD Baustähle – Erläuterungen
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»bauforumstahl ist ein auf das Bauwesen spezialisiertes,
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