Digitale Transformation in Deutschland 2015 Von Digital Leadern lernen IDC White Paper, gesponsert von SAP Lynn Thorenz Matthias Zacher Februar 2016 EINLEITUNG „Die Digitalisierung erschafft neue Arbeitswelten. Sie ermöglicht neue Geschäftsmodelle über Industrien hinweg.” Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender Deutsche Telekom AG Unternehmen in Deutschland bewegen sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und mit unterschiedlicher Motivation in die digitale Welt. Das Tempo, mit dem sich Branchen und Märkte wandeln, ist rasant. Viele Firmen müssen die Tiefe und Breite der digitalen Veränderung aber erst einmal begreifen, um die Chancen und Herausforderungen auf dem Weg zum Digital Leader zu erkennen und zu meistern. IDC hat im Juli 2015 mehr als 200 Firmen und Organisationen in Deutschland befragt, um zu ermitteln, wo Unternehmen heute in der Digitalen Transformation stehen. Dieses White Paper fasst die wichtigsten Ergebnisse und Einschätzungen der befragten IT- und Fachentscheider zusammen. Die Grundlage dafür bildet das IDC Reifegradmodell zur Digitalen Transformation. Auf Basis der Ergebnisse gibt IDC Empfehlungen, worauf Entscheider besonders achten sollten, um die Digitale Transformation in ihren Unternehmen voranzutreiben. BRANCHEN UND GESCHÄFTSMODELLE IM UMBRUCH Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich zweifelsohne inmitten umfassender Veränderungsprozesse. Die Digitalisierung aller Lebensbereiche schreitet unaufhaltsam voran. Nach IDC Prognosen wird ein Drittel der Top-20-Marktführer in fast jeder Branche bis zum Jahr 2018 durch neue Wettbewerber bedrängt werden, deren Geschäftsmodelle auf den Technologien Cloud Services, Big Data und Analytics, Mobile Computing und Soziale Netzwerke basieren. Zahlreiche Wirtschaftszweige wie beispielsweise Medien, Verlage und die Unterhaltungsindustrie haben bereits radikale Veränderungen ihrer Geschäftsmodelle durchlebt. Andere stehen kurz davor. In Banken und Versicherungen, dem Handel, Telekommunikationsunternehmen und der klassischen Industrie werden umfassende Veränderungen zunehmend deutlicher. Einige Faktoren kann man branchenübergreifend beobachten: • Innovationszyklen werden immer kürzer. • An die Stelle von Produkten treten Lösungen. • Branchenfremde Innovatoren besetzen neue Märkte und Themen. • Die Grenzen zwischen den internen Abläufen eines Unternehmens und seinen Kunden, Partnern und Lieferanten verschwimmen zunehmend. • Informations- und Kommunikationstechnologie wird in den Unternehmen immer stärker vertikal und horizontal vernetzt. • Der kontinuierlich wachsende Anteil der digitalisierten Informationen, Assets und Prozesse automatisiert das Geschäft und ermöglicht völlig neue Geschäftsmodelle. Digitales Denken und Handeln setzt Innovationspotenzial frei. Das sichert vorhandenes Geschäft und öffnet neue Chancen. Wir befinden uns inmitten einer 2 Copyright: IDC, 2016 globalen Digitalen Transformation. Ihre Geschwindigkeit ist atemberaubend und ihre Umsetzung tiefgreifend und umfassend. „Heute ist es nicht mehr nur die gewerbliche Industrie – Stichwort Industrie 4.0 –, sondern es sind auch Banken und andere Finanzdienstleister, die von einer neuen Welle der Digitalisierung erfasst werden.” Dr. Andreas Dombret, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank Langjährige Marktführer wie Kodak (Fotografie) oder Olivetti (Büromaschinen) verschwinden von der Bildfläche oder können sich nur noch in Nischenmärkten behaupten. Neue digitale Unternehmen wie Uber oder Airbnb setzen die jeweiligen Branchen unter Druck und stellen etablierte Geschäftsmodelle in Frage. Dies zeigt deutlich: Wir leben in Zeiten des digitalen Umbruchs. IDC ist daher überzeugt, dass sich jedes Unternehmen, egal welcher Größe und welcher Branche, mit dem digitalen Wandel und neuen Geschäftsmodellen auseinandersetzen muss. Das kann mitunter disruptiv für bestehende Geschäftsmodelle sein, aber für nahezu alle Unternehmen werden sich auch neue Chancen eröffnen. Definition: IDC definiert Digitale Transformation als Herangehensweise, mit der Unternehmen durch den Einsatz digitaler Technologien und Kompetenzen Veränderungen in ihren Geschäftsmodellen und ihren geschäftlichen Ökosystemen vorantreiben. Geschäftliche Ökosysteme bestehen aus Kunden, Geschäftspartnern, Wettbewerbern und dem Unternehmen selbst. STANDORTBESTIMMUNG – DAS IDC REIFEGRADMODELL ZUR DIGITALEN TRANSFORMATION Überblick Das Thema „Digitale Transformation“ stellt für viele Unternehmen sowohl in Deutschland als auch weltweit noch ein vielschichtiges Thema dar, bei dem sich viele Entscheider vor allem die Frage stellen, wo und wie sie denn genau ansetzen sollen. Häufig fehlt ihnen zudem auch fundiertes Wissen zur Bewertung aktueller Entwicklungen bei ihren Mittbewerbern und in ihren Märkten. IDC hat aus diesem Grund das IDC MaturityScape Benchmark-Modell zur Digitalen Transformation entwickelt. Hierbei handelt es sich um ein fünfstufiges Reifegradmodell, das die Aufgabenfelder der Unternehmen in fünf Dimensionen strukturiert und daraus den Reifegrad ermittelt. Unternehmen gewinnen einen ganzheitlichen Überblick zum Fortschritt der eigenen Digitalen Transformation. Sie können sich mit dem deutschen Markt vergleichen, ihre eigenen Handlungsfelder in den Unternehmensdimensionen identifizieren und dies als Basis für einen Dialog über alle Bereiche hinweg, beispielsweise zwischen der IT und den Geschäftsbereichen, nutzen. Die fünf Dimensionen der Digitalen Transformation Jede Dimension deckt einen Schlüsselbereich in Bezug auf die Anforderungen und Kompetenzen der Digitalen Transformation ab. Sie werden im Reifegrad unabhängig voneinander betrachtet und dienen als Maß des digitalen Reifegrads eines spezifischen funktionalen Bereichs im Unternehmen. Die 3 Copyright: IDC, 2016 ABBILDUNG 1 IDC MaturityScape: Dimensionen und Aufgabenfelder der Digitalen Transformation Leadership Business Model Vision & Innovation • Wahrnehmung und Verständnis der Mechanismen des geschäftlichen Umfelds • Innovation von Geschäftsmodellen • Fähigkeit zu grundlegendem organisatorischen und kulturellen Wandel Optimized Managed Information Data Management, Architecture & Value Creation Repeatable Opportunistic Ad hoc • Datengewinnung • Wertentwicklung der Daten • Wertrealisierung der Daten • Wissen und Zusammenarbeit • Agile Planung und Steuerung • Informationsarchitektur • Finanzielle und wirtschaftliche Wirksamkeit Operating Model WorkSource Processes & Structure Work Culture, Talent & Sourcing • Digitale Vernetzung von Produkten und Dienstleistungen, von Anlagen und Produktionssystemen sowie von internen und unternehmens­übergreifenden Prozessen • Talent Management • Talent Sourcing • Optimierung der Arbeitswelt • Förderung einer digitalen Denkweise und Unternehmenskultur Omni-Experience Multi-faceted Ecosystem Engagement • Entscheidungsfindung auf Basis von Echtzeit-Informationen und im Kontext der Unternehmensstrategie • Organisationsstruktur in operativen Bereichen • Ganzheitlicher Erlebnisansatz für das gesamte Ökosystem (Kunden, Partner, Öffentlichkeit) • Kontinuierliche Innovation • Webbasierte Plattformen für digitale Services und Produkte Quelle: IDC, 2015 • Omnidimensionales Marketing Digitale Transformation auf eine oder wenige Bereiche, beispielsweise rein auf Informationstechnologie, zu begrenzen, greift zu kurz. Diejenigen Disziplinen, die Unternehmen in die Lage versetzen, eine Vision für die Digitale Transformation von Produkten, Dienstleistungen und Erlebnissen zu entwickeln und darauf aufbauend Mehrwerte für das eigene Ökosystem (Partner, Lieferanten, Kunden, eigenes Unternehmen, Mitarbeiter, Wettbewerb) zu schaffen, fasst IDC in der Dimension „Leadership“ zusammen. Die Dimension „Omni-Experience“ beschreibt die Fähigkeit, mit einer umfassenden digitalen Strategie das geschäftliche Umfeld proaktiv und interaktiv einzubinden und so kontinuierlich die Loyalität von Kunden, Partnern und Mitarbeitern zu erwerben und auszubauen. IDC definiert die Dimension „WorkSource“ als die Art und Weise, wie Unternehmen die Arbeitswelt optimieren und effektiv Personalressourcen einsetzen, interne als auch externe Vollzeit- und Teilzeitkräfte, Freiberufler sowie Partner. Die Dimension „Operating Model“ umfasst die Fähigkeit, Prozesse und Arbeitsabläufe zu etablieren, um in der Digitalen Transformation neue Geschäftsmodelle operativ umsetzen zu können, beispielsweise durch die digitale Vernet- 4 Copyright: IDC, 2016 zung von Produkten und Dienstleistungen, Vermögenswerten, Mitarbeitern und Geschäftspartnern. Die Dimension „Information“ beschreibt die Fähigkeit, Informationen einen ökonomischen Wert beizumessen und daraus einen Nutzen für das Unternehmen und das geschäftliche Umfeld zu generieren. Digitale Informationen werden als Wettbewerbsvorteil erachtet und für eine bessere Entscheidungsfindung, zur Optimierung von operativen Prozessen und zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle auf Basis erweiterter IT-Architekturen genutzt. Die fünf Reifegradstufen IDC unterscheidet bei der Digitalen Transformation fünf mögliche Reifegradstufen, wobei „Ad hoc“ die geringste Reifegradstufe und „Optimized“ die höchste Reifegradstufe darstellt. Diese fünf Stufen helfen Unternehmen, ihren Status einzuordnen. Optimized Managed Repeatable Opportunistic Ad hoc Überblick über die Reifegradstufen: 5 Ad hoc Auf der Reifegradstufe „Ad hoc“ sind Business- und IT-Initiativen zur Digitalen Transformation nicht aufeinander abgestimmt, kaum mit der Unternehmensstrategie verzahnt und nicht auf die Kunden ausgerichtet. Unternehmen auf dieser Stufe stehen der Digitalisierung abwartend gegenüber. IDC bezeichnet diese Unternehmen als „Digital Resister“. Opportunistic Auf der Reifegradstufe „Opportunistic“ haben Unternehmen die Notwendigkeit erkannt, digital unterstützte Geschäfts- und Kundenstrategien zu entwickeln. Doch diese werden nur in vereinzelten Projekten umgesetzt. Ihr Erfolg lässt sich daher weder planen noch zuverlässig reproduzieren. Diese Unternehmen sind „Digital Explorer“. Repeatable In Unternehmen auf der Reifegradstufe „Repeatable“ sind die Geschäfts- und IT-Strategien unternehmensweit auf die Gestaltung von digitalen Produkten, Services und Kundenerlebnissen abgestimmt. Neue digitale Technologien werden jedoch noch nicht offensiv eingesetzt, um den Markt zu beeinflussen. Die Unternehmen sind mit der Digitalisierung vertraut und lassen sich als „Digital Player“ einstufen. Copyright: IDC, 2016 Managed Auf der Reifegradstufe „Managed“ sind die Fähigkeiten zur Digitalen Transformation fest in den Unternehmen verankert. Ein integriertes und abgestimmtes Transformations-Management führt zu einem kontinuierlichen Angebot von digital unterstützten Produkten, Dienstleistungen und Erlebnissen, bei denen der Kunde im Mittelpunkt steht. Diese Unternehmen sind führend in der Digitalisierung und werden „Digital Transformer“ genannt. Optimized Unternehmen auf der Reifegradstufe „Optimized“ setzen offensiv neue digitale Technologien und Geschäftsmodelle ein, um Märkte zu beeinflussen und neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen. Aktuelle Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem geschäftlichen Umfeld dienen kontinuierlich als Basis für weitere Innovationen. Diese Unternehmen sind marktbestimmend mithilfe der Digitalisierung und werden als „Digital Disruptor“ bezeichnet. Die Digitale Transformation hat in Deutschland gerade begonnen Der IDC MaturityScape Benchmark zeigt deutlich: Zahlreiche Unternehmen haben mit der Digitalen Transformation ihrer Organisation und ihrer Geschäftsmodelle begonnen (Abbildung 2). Die Digitale Transformation ist zwar in Deutschland angekommen, die Mehrheit der Firmen und Organisationen aber steht noch am Anfang. 20 Prozent der Befragten nehmen eine abwartende Haltung ein. Die Business- und IT-Initiativen zur Digitalen Transformation sind weder aufeinander abgestimmt noch wurden Ziele bisher überhaupt definiert. Digitale Technologien werden nur genutzt, um Risiken zu begegnen. Für die meisten dieser Unternehmen wird die Digitale Transformation eine schrittweise Neupositionierung oder sogar einen Paradigmenwechsel in der Beziehung zwischen IT und Fachabteilung bedeuten. 32 Prozent der Unternehmen verstehen sich als „Digital Explorer“. Die Digitalisierung ist in diesen Organisationen angekommen und befeuert das Business gezielt in einzelnen Geschäftsfeldern. Aber das Geschäftspotenzial ist längst noch nicht ausgeschöpft, allenfalls angerissen. Zwar sind hier beispielsweise digitale Kundenerlebnisse und Produkte inkonsistent und noch nicht ausreichend integriert, aber die Firmen können den Nutzen der Digitalisierung mit jedem weiteren Schritt erkennen. Beispielsweise ist für viele Handelsunternehmen und Vertriebsabteilungen der Online-Handel bereits ein wichtiger und häufig existenzsichernder Unternehmenszweig. Sie erkennen aber auch, dass sie ihr Geschäftsmodell mit der Digitalisierung weiterer Unternehmensbereiche wie Logistik, Service und Kundenmanagement verbessern und ausbauen können und auch müssen, wenn sie mit dem Markt Schritt halten wollen. 6 Copyright: IDC, 2016 ABBILDUNG 2 IDC MaturityScape Benchmark: Reifegrad der Digitalen Transformation in Deutschland 2015 Opportunistic Repeatable Ad hoc Managed Optimized Initiativen, die sich lediglich auf Teilaspekte beschränken bzw. eine Dimension in den Vordergrund stellen, werden aufgrund der Komplexität der Anforderungen in Business, Informationstechnologie, Prozessen und Unternehmenskultur scheitern oder nicht den gewünschten Erfolg erzielen. Nur die umfassende Transformation auf allen Ebenen führt ein Unternehmen zum Status des „Digital Disruptor“, der mithilfe der Digitalisierung starken Einfluss auf Märkte erzielt und, mehr noch, der in der Lage ist sein Geschäftsmodell in digitales Gold zu münzen. 7 Digital Resister Digital Explorer Digital Player Digital Transformer Digital Disruptor 20 % 32 % 29 % 12 % 6% Die „Digital Player“ (29 Prozent) sind bereits einen Schritt weiter. Sie bieten ihren Kunden digital angereicherte Dienstleistungen und Erfahrungen an. Ihre Geschäfts- und IT-Strategien sind unternehmensweit auf die Gestaltung von digitalen Produkten, Services und Kundenerlebnissen abgestimmt. Allerdings setzen sie digitale Technologien noch nicht offensiv ein, um im Markt eine führende Rolle einzunehmen. Für sie stehen Prozessoptimierung, Agilität und Flexibilität im Mittelpunkt. Vielfach bedeutet das, die bestehende Angebots- und Produktpalette auf den Prüfstand zu stellen. Einige Firmen trennen sich konsequent von Produkten und Bereichen, die nicht zum Kernportfolio gehören. Andere Unternehmen, beispielsweise aus dem klassischen produzierenden Gewerbe, modifizieren ihre Produkte mit IT. Dadurch eröffnen sich z. B. neue Lösungsansätze, von denen sich einige erst auf den zweiten Blick zeigen: Werkstoffe oder Halbfabrikate werden mit RFID intelligent und können mit Systemen unterschiedlichster Art kommunizieren. Daraus erwachsen neue Ökosysteme und Geschäftsmodelle. Für viele Unternehmen ist das noch Zukunftsmusik, allerdings nicht mehr für alle. Die „Digital Transformer“ — immerhin 12 Prozent der befragten Unternehmen — verfügen über ein kontinuierliches Angebot von digital unterstützen Produkten, Dienstleistungen und Erlebnissen, bei denen der Kunde im Mittelpunkt Copyright: IDC, 2016 steht. Strategischer Vorteil der „Digital Transformer“ ist, den Wettbewerbern ein Stück voraus zu sein. Das ist nur mit einem integrierten und abgestimmten Transformations-Management möglich, das alle Aufgabenfelder des Unternehmens umfasst und kontinuierlich weiterentwickelt wird. „Die Digitalisierung wird weiter Fahrt aufnehmen. Alle großen Trends der Branche werden heute schon durch Digitalisierung getrieben oder treiben sie selbst voran. Wir werden Schritt für Schritt eine neue Innovationskultur bei Daimler etablieren. Nur so können wir die Stärken eines Weltkonzerns noch enger mit den Stärken eines Start-ups verknüpfen.“ Dr. Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG An der Spitze der Digitalen Transformation stehen die „Digital Disruptor“. Das ist ein noch kleiner Anteil von Unternehmen (6 Prozent), der offensiv neue digitale Technologien und Geschäftsmodelle nutzt, um Märkte zu beeinflussen und neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen. Aktuelle Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem geschäftlichen Umfeld dienen kontinuierlich als Basis für weitere Innovationen. Diese Unternehmen gestalten bestehende Märkte neu oder schaffen zu eigenen Bedingungen neue Märkte. Sie sind dem Wettbewerb immer einen Schritt voraus. Unternehmen in den Reifegradstufen „Digital Transformer“ und „Digital Disruptor“ sind zweifelsohne Digital Leader. Basis ihres Geschäftserfolgs sind digitale Technologien und Geschäftsmodelle, die sie umfassend und offensiv einsetzen und weiterentwickeln. Die Digitale Transformation nimmt in Deutschland zwar langsam Fahrt auf. Im Vergleich mit den USA liegen deutsche Firmen aber klar zurück. Das ist insbesondere bei den Digital Leadern der Fall. Und so verwundert es nicht, dass bei der Nennung von Digital Leadern immer wieder vor allem US-Unternehmen wie Uber oder Airbnb als Beispiele aufgeführt werden. Diese gehen die Digitale Transformation mit Risikobereitschaft und Experimentierfreude an. Ihre zweifelsohne interessanten digitalen Geschäftsmodelle sind häufig eine Wette auf die Zukunft. In Deutschland kommen Innovatoren und Digital Leader auch aus dem klassischen deutschen Mittelstand. Ihre Stärke: durchdachte und modifizierte Geschäftsmodelle. Ihre Schwäche: Kommunikation nach außen und somit fehlende Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Die Automobilindustrie als eine der Leitindustrien in Deutschland hat die Digitalisierung als ein Schwerpunktthema definiert. Andere Branchen ziehen nach: Financial Services, Handel und Maschinenbau reichern ihre Geschäftsmodelle immer umfassender digital an und reißen Branchengrenzen ein. Deutsche Unternehmen starten Digitale Transformation in Etappen Die Digitale Transformation ist derart komplex, weil sie alle Aufgabenfelder eines Unternehmens erfasst. Für die Unternehmen bedeutet das in der Regel, dass sie die verschiedenen Aufgabenfelder mit unterschiedlicher Intensität und Geschwindigkeit transformieren. Nur wenige Unternehmen sind in der Lage, alle fünf Dimensionen gleichzeitig und mit derselben Intensität weiterzuentwickeln. IDC empfiehlt Unternehmen, Prioritäten zu setzen, um ihre Geschäftsmodelle voranzubringen und ihre Marktposition auszubauen. 8 Copyright: IDC, 2016 Strategie steht noch am Anfang 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Ad hoc Opportunistic Repeatable Managed Optimized In der Dimension „Leadership“ liegt der Anteil der Unternehmen auf den Reifegradstufen „Repeatable“ bis „Optimized“ mit 53 Prozent deutlich höher als in den anderen Dimensionen. Mit „Leadership“ formulieren Unternehmen ihre Strategie der Digitalen Transformation. Sie bereitet das Fundament der unternehmerischen Vision. Allerdings haben lediglich knapp 6 Prozent der Befragten die höchste Reifegradstufe erreicht. Nur in der Dimension „Information“ ist der Anteil geringer. Die meisten Unternehmen befinden sich im Bereich „Leadership“ im Mittelfeld. Das bedeutet: eine hohe Zahl von Unternehmen hat die Digitale Transformation gezielt in Angriff genommen, d. h. Strategien entwickelt, Projekte umgesetzt und somit erste Erfolge erzielt. Aber trotzdem ist die Zahl der Unternehmen, die ihre digitale Vision leben und ihre Märkte dadurch beeinflussen, noch gering. Ansätze wie Industrie 4.0 oder die rasanten Entwicklungen in der Finanzindustrie, hervorgerufen durch sogenannte FinTechs, bestätigen diese Entwicklung. Die Konzepte sind häufig so neu, dass sie eine iterative Diskussion der Strategie in den Unternehmen erfordern. Definieren Sie Schwerpunktthemen und entwickeln Sie Grundsätze, auf welche Art und Weise das bisherige Geschäftsmodell nachhaltig verändert werden kann und soll. Für traditionelle Organisationen ist das häufig der einzige Weg in der Auseinandersetzung mit innovativen Ideen und gegenüber agilen Unternehmen. WorkSource zwischen Flexibilität und Beharrungsvermögen 35 30 25 20 15 10 5 0 Ad hoc Opportunistic Repeatable Managed Optimized Beim Thema „WorkSource“ profitieren deutsche Unternehmen von der hohen Qualität der fachlichen Ausbildung. Damit besitzen sie eine sehr gute Ausgangsbasis zur erfolgreichen Weiterentwicklung dieser Dimension, in der immerhin knapp die Hälfte einen mittleren oder hohen Reifegrad erreicht hat. Allerdings erfordert die Digitale Transformation spezifische HR-Prozesse, kontinuierlich neues Fachwissen und veränderte Formen der Zusammenarbeit. Der „Kampf“ um die besten Talente benötigt angepasste IT-gestützte Rekrutierungs- und Einstellungsprozesse, die sowohl den HR-Abteilungen als auch Bewerbern und Mitarbeitern hohe Flexibilität und Transparenz ermöglichen. Integrieren Sie „Digital Natives“ gezielt in Ihr Unternehmen. Sie sind vertraut und versiert im Umgang mit neuen Technologien und bringen frische Denkweisen ins Unternehmen. Die Wissensarbeiter erfolgreicher Firmen arbeiten immer umfassender abteilungs- und teamübergreifend in Projekten zusammen. Deutsche Unternehmen vorne im Bereich „Operations“ 35 30 25 Ebenfalls auf einem guten Weg sind deutsche Unternehmen bei der Transformation ihrer Organisationsstrukturen und operativen Prozesse. 51 Prozent 20 15 10 5 0 9 Ad hoc Opportunistic Repeatable Managed Optimized haben einen mittleren oder hohen Reifegrad erreicht. Dieses Ergebnis passt auch dazu, dass deutsche Firmen in der Regel ein großes Augenmerk auf Effizienz und Optimierung legen. Copyright: IDC, 2016 Sieben Prozent der Befragten sehen ihr Unternehmen sogar bereits als „Optimized“ in diesem Bereich. Das ist die häufigste Nennung unter allen Aufgabenfeldern. Ein hoher Reifegrad in dieser Dimension lässt sich nur dann erreichen, wenn auch die übrigen Aufgabenfelder bzw. Dimensionen umfassend digitalisiert und transformiert sind. Das Resultat: Diese Firmen nehmen eine marktbestimmende Position in der Digitalen Transformation ein. Sie investieren permanent in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, die sich genau an den Anforderungen der Kunden orientieren. Sie kennen diese, weil ihre internen digitalen Prozesse und Projekte auch digital mit den externen Märkten, Geschäftsabläufen und Lieferanten verknüpft sind. Das ermöglicht es ihnen, kontinuierlich und übergangslos Innovationen am Markt zu platzieren und interne Abläufe zu optimieren. Dieses Vorgehen hat sich bei vielen Organisationen in Deutschland bewährt. Es impliziert aber immer auch die Gefahr eines „Overengineering“, das zulasten der Flexibilität und Schnelligkeit gehen kann. Informationstechnologie und Omni-Experience hinken in deutschen Unternehmen hinterher Der Einsatz von innovativer Informationstechnologie ist noch stark zurückhaltend 40 35 30 25 20 15 10 5 0 10 Ad hoc Opportunistic Repeatable Managed Optimized Eine erfolgreiche Digitalisierung lässt sich nur mit einer flexibel einsatzbaren, skalierbaren und hocheffizienten Informations- und Kommunikationstechnologie erreichen. Sie ist die Grundvoraussetzung für die umfassende Digitalisierung von Assets und Daten. Sie ermöglicht die Integration und Nutzung neuer Informations- und Datenklassen. Auf dieser Basis sind Unternehmen in der Lage, Abläufe über Abteilungs- und Unternehmensgrenzen zu verknüpfen, zu automatisieren und zu optimieren. Informationssilos können endlich überwunden werden. Cloud Computing, Mobility, Daten und deren Analyse sowie Social Media sind die Basistechnologien für eine erfolgreiche Digitale Transformation. Diejenigen Unternehmen, die diese Technologien kombinieren und in ihren Geschäftsmodellen verschmelzen, sind klar auf dem Weg zum Digital Leader. Viele Unternehmen in Deutschland laufen Gefahr, die weltweit zu verzeichnende Beschleunigung der Geschäftsprozesse nur unzureichend in ihrer IT abzubilden, oder versäumen es, moderne, kostengünstige und effiziente ITLösungen einzusetzen. Ein Unternehmensalltag ohne Informationstechnologie lässt sich heute nicht mehr effizient gestalten. Dennoch befinden sich knapp 60 Prozent der Unternehmen auf den Stufen „Ad hoc“ oder „Opportunistic“. Dieses Ergebnis ist umso kritischer zu bewerten, als Informationstechnologie der zentrale Enabler der Digitalen Transformation ist. Modernisieren Sie Ihre IT auf der Basis von Cloud Computing, Analytics, Social Media und mobilen Lösungen. Copyright: IDC, 2016 Partner und Kunden interaktiv einbinden statt verwalten 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Ad hoc Opportunistic Repeatable Managed Optimized Die Kommunikation und Interaktion mit allen Akteuren im geschäftlichen Umfeld ist in vielen Unternehmen noch nicht ausreichend entwickelt und aufeinander abgestimmt. Digitale Technologien sind nur unzureichend vorhanden und die Interaktion auf Basis moderner Technologie und lückenloser Vernetzung nur eingeschränkt möglich. Aus diesem Grund kann kein konsistentes digitales Kundenerlebnis rund um Produkte und Dienstleistungen geschaffen werden. Um dieses zu erreichen, ist es erforderlich, immer mehr Informationsquellen einzubeziehen. Unternehmen müssen die digitalen Kommunikationskanäle nutzen, um mit Kunden und Partnern kontinuierlich im Dialog zu stehen und die daraus gewonnenen Informationen miteinander zu verknüpfen. Je umfassender die Orchestrierung dieser Quellen umgesetzt wird, umso genauer kann das Kundenfeedback in die Produkt- und Unternehmensstrategie einfließen. Das haben viele Unternehmen noch nicht im Griff. In der Dimension „Omni-Experience“ stehen 55 Prozent der Befragten noch ganz am Anfang. Aus Sicht von IDC sind webbasierte Plattformen für digitale Services und Produkte sowie Lösungen für omnidimensionales Marketing Erfolgsfaktoren für die Digitale Transformation dieses Aufgabenfelds. Es liegt auf der Hand: Das geschäftliche Umfeld kann nur dann optimal erschlossen werden, wenn alle Stakeholder technologisch auf Augenhöhe miteinander agieren. Hierzu ist es erforderlich, das klassische Marketing mit digitalen Komponenten wie MarketingAutomation, Content Marketing, Kunden-Analyse, E-Commerce und MultikanalFähigkeit miteinander zu vernetzen. ERFOLGSFAKTOREN DER DIGITAL LEADER Die Befragung zeigt deutlich: Die meisten Unternehmen in Deutschland befinden sich im IDC MaturityScape Benchmark-Modell noch am Anfang der Digitalen Transformation. Ziel dieser Firmen und Organisationen muss es sein, strukturiert, aber zügig die nächsten Schritte ihrer Innovationsprozesse zu gehen. Der Wettbewerb wartet nicht. Wertvolle Impulse für den eigenen Entwicklungsprozess liefern die Erfahrungen der sogenannten Digital Leader. Diese haben mit den Stufen „Managed“ und „Optimized“ bereits eine fortgeschrittene Stufe im Reifegradmodell erreicht und nehmen somit eine führende Rolle in der Digitalen Transformation ein. Sie setzen in den einzelnen Dimensionen auf folgende Erfolgsfaktoren: 11 Copyright: IDC, 2016 TABELLE 1 Erfolgsfaktoren der Digitalen Transformation Dimension Erfolgsfaktoren Leadership • Umfassendes Wissen über das geschäftliche Umfeld; branchenintern und branchenübergreifend • Koordination aller Aktivtäten über eine formale Institution, z. B. ein Kompetenzzentrum für „Digital Excellence“ • Wandel der Unternehmenskultur hin zu einer Innovationskultur Omni-Experience • Intelligente Automatisierung der Kommunikation und Interaktion über alle internen und externen Kanäle im Ökosystem mit Hilfe von Multi-Channel-Lösungen • Plattformen als Kontakt- und Kommunikationspunkte und zur Kundenaktivierung und Kundenbindung • Nutzung der Innovationstreiber und neuen Kerntechnologien wie Internet der Dinge, Robotik und natürliche Schnittstellen in der Mensch-Maschine-Kommunikation WorkSource • Produktivität und Flexibilität interner und externer Ressourcen • Förderung von Talenten und der Zusammenarbeit durch Bereitstellung von Daten und Informationen in Kollaborationsplattformen • Kultur der Innovation auf Basis eigenständig agierender Teams und mit Hilfe von Incentives und Belohnungen Operating Model • Kontinuierliche Einführung digital angereicherter Produkte und Services • Interne und externe Verknüpfung digitaler Projekte und Prozesse mit dem Ziel des „Digital Enterprise“ • Finden neuer digitaler Anwendungsfelder und Erschließen neuer Märkte auf digitaler Basis Information • Schaffung einheitlicher Datenmodelle als Basis für digitale Projekte und Prozesse • Einführung einer zusammenhängenden Informationsarchitektur auf Basis von Cloud Computing, Big Data, Mobility und Social Enterprise • Nutzung hoch entwickelter Informations- und Analysefähigkeiten zur Schaffung neuer digitaler Mehrwerte. Quelle: IDC, 2015 12 Copyright: IDC, 2016 FAZIT: NOCH ZU GERINGE ADAPTION DER DIGITALEN TRANSFORMATION IN DEUTSCHLAND „Der Unterschied zwischen der vordigitalen und der heutigen Welt ist vergleichbar mit einem Wechsel des Aggregatzustandes: War die Welt früher fest und voller Gewissheiten, so ist sie heute flüssig und ständig in Bewegung.“ Dirk Beckmann, Geschäftsführer der Agentur „artundweise“ Mit Blick auf andere Länder – insbesondere auf die USA, das Land, aus dem nach wie vor die meisten Digital Leader kommen – besteht in Deutschland ein erheblicher Nachholbedarf. Die Digital Leader setzen auf vollständig digitale Geschäftsmodelle. Zwei Eigenschaften zeichnen diese Digital Leader aus. Zum einen sind alle Aufgabenfelder bzw. Dimensionen weitgehend oder vollständig digitalisiert und zum anderen nutzen und verknüpfen sie vollumfänglich Cloud Computing, Mobility, Big Data und Social Media zu einer umfassend integrierten Informationsarchitektur. Die überwiegende Zahl der Unternehmen in Deutschland hat einen vergleichbaren digitalen Reifegrad noch nicht erreicht. Sie haben begonnen, die Digitale Transformation punktuell umzusetzen, haben aber noch keine einheitliche Vorgehensweise und die internen und externen Prozesse sind nicht konsistent aufeinander abgestimmt. Während sie in der Unternehmensführung, bei Prozessen und Arbeitsabläufen und der Nutzung interner und externer personeller Ressourcen vorangeschritten sind, besteht in der Zusammenarbeit und Kommunikation mit und im Ökosystem sowie in der Nutzung der Informationstechnologie und der Daten noch Nachholbedarf. Es liegt auf der Hand, dass nur sehr wenige Organisationen in der Lage sind, alle Aufgabenfelder gleichzeitig mit derselben Intensität digital zu transformieren, denn nur sehr wenige Unternehmen starten die Digitalisierung auf der grünen Wiese. Es gilt, die Balance zwischen Agilität in der Entwicklung neuer Geschäftsideen und Kontinuität der geschäftlichen Entwicklung zu wahren. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich mit einer klaren Vision auf diejenigen Felder zu konzentrieren, die einen erfolgreichen Marktangang unterstützen. Ansonsten entsteht möglicherweise ein Ungleichgewicht, wenn sich ein Unternehmen zu stark auf nur eine Dimension konzentriert. Ein Aspekt ist für alle Firmen, auch im Hinblick auf den globalen Wettbewerb, von zentraler Bedeutung: Unternehmen müssen heute starten und dürfen nicht länger abwarten und zusehen, wie sich ihre Märkte und ihre Wettbewerber digital transformieren. Die Gefahr, vom Wettbewerb überholt zu werden, steigt exponentiell, je länger Unternehmen abwarten. Das Potenzial für neue Geschäftsmodelle ist riesig. Branchen verschmelzen immer stärker miteinander. Daraus ergeben sich Ansätze für neue Strategien, Kooperationen und Produkte. Die Digitale Transformation schafft in jeder Branche neue Chancen. 13 Copyright: IDC, 2016 METHODIK Die Ergebnisse dieses White Papers basieren auf einer branchenübergreifenden Befragung von 202 deutschen Unternehmen zum Stand der Digitalen Transformation in ihren Organisationen im Juli 2015. Die Segmentierung der Befragungsteilnehmer stellt sich wie folgt dar: • 15 Prozent kommen aus Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern, weitere 39 Prozent sind in Unternehmen der Größenklasse 1.000 bis 4.999 Mitarbeiter beschäftigt. Die restlichen 46 Prozent beschäftigen zwischen 500 und 999 Mitarbeiter. • Befragt wurden Unternehmen aus mehr als 20 Branchen. Unternehmen aus der Fertigungsindustrie sind mit einem Anteil von 32 Prozent am häufigsten vertreten. 18 Prozent der Unternehmen kommen aus der Branche Handel (Groß- und Einzelhandel) und weitere 9 Prozent bieten Dienstleistungen für Unternehmen an. • An der Befragung beteiligten sich sowohl IT- als auch Fachentscheider, die mit 51 Prozent bzw. 49 Prozent in der Stichprobe vertreten sind. 14 Copyright: IDC, 2016 COPYRIGHT-HINWEIS Die externe Veröffentlichung von IDC Informationen und Daten – dies umfasst alle IDC Daten und Aussagen, die für Werbezwecke, Presseerklärungen oder anderweitige Publikation verwendet werden – setzt eine schriftliche Genehmigung des zuständigen IDC Vice President oder des jeweiligen Country-Managers bzw. Geschäftsführers voraus. Ein Entwurf des zu veröffentlichenden Textes muss der Anfrage beigelegt werden. IDC behält sich das Recht vor, eine externe Veröffentlichung der Daten abzulehnen. 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