Dr. J. Reinhardt Wintersemester 2014/15 Theoretikum zur Vorlesung Theoretische Physik III für Lehramtskandidaten Lösungen zu Blatt 13 Aufgabe 1 a) Zu berechnen ist die Transformation der Laplace~ 2 und ∇ ~ 2 von den Einteilchen- zu RelativOperatoren ∇ 1 2 und Schwerpunktskoordinaten. In kartesischen Komponenten ~r1 = (x1 , y1 , z1 ), ~r2 = (x2 , y2 , z2 ), ~r = (x, y, z), ~ = (X, Y, Z) ist die Umrechnung mittels der KettenreR gel der Differentiation einfach (M = m1 + m2 ): ® r ® r2 ® R ® r1 ∂ ∂x ∂ ∂X ∂ ∂ m1 ∂ = + =− + , ∂x1 ∂x1 ∂x ∂x1 ∂X ∂x M ∂X ∂x ∂ ∂X ∂ ∂ m2 ∂ ∂ = + = + ∂x2 ∂x2 ∂x ∂x2 ∂X ∂x M ∂X Gemischte Ableitungen der Art ∂y/∂x1 treten offensichtlich nicht auf. Für die zweiten Ableitungen finden wir ∂2 ∂2 m21 ∂ 2 m1 ∂ ∂ = + −2 , 2 2 2 2 ∂x1 ∂x M ∂X M ∂x ∂X ∂2 m22 ∂ 2 m2 ∂ ∂ ∂2 = + +2 2 2 2 2 ∂x2 ∂x M ∂X M ∂x ∂X usw. Für die dreidimensionalen Laplace-Operatoren gelten demnach die Transformations~ = (∂/∂x, ∂/∂y, ∂/∂z) und ∇ ~ s = (∂/∂X, ∂/∂Y, ∂/∂Z) beziehungen, mit ∇ m21 ~ 2 m1 ~ ~ 2 2 ~ ~ ∇1 = ∇ + 2 ∇s − 2 ∇ · ∇s M M , 2 ~2=∇ ~ 2 + m2 ∇ ~ ·∇ ~s . ~ 2 + 2 m2 ∇ ∇ 2 2 M s M Der Operator der totalen kinetischen Energie lässt sich dann wie folgt umschreiben: h̄2 ~ 2 m22 ~ 2 m1 ~ ~ m2 ~ ~ h̄2 ~ 2 m21 ~ 2 ∇ + 2 ∇s − 2 ∇ · ∇s − ∇ + 2 ∇s + 2 ∇ · ∇s T̂ = T̂1 + T̂2 = − 2m1 M M 2m2 M M h̄2 1 1 ~ 2 h̄2 ~ 2 h̄2 ~ 2 h̄2 ~ 2 = − + ∇ − ∇s = − ∇ − ∇ = T̂r + T̂s 2 m1 m2 2M 2µ 2M s ~ ·∇ ~ s haben sich mit der reduzierten Masse µ = m1 m2 /(m1 + m2 ). Die Mischterme mit ∇ weggehoben. 1 b) Ausgedrückt durch die transformierten Koordinaten lautet die stationäre ZweiteilchenSchrödingergleichung 2 h̄2 ~ 2 − h̄ ∇ ~ 2 + V (~r ) Ψ(~r, R) ~ = EΨ(~r, R) ~ . − ∇ 2µ 2M s ~ = φ(R)ψ(~ ~ Mit dem Produktansatz für die Wellenfunktion Ψ(~r, R) r ) lässt sich diese Dif~ abhängigen Teil: ferentialgleichung separieren in einen nur von ~r und einen nur von R 1 h̄2 ~ 2 ~ 1 h̄2 ~ 2 − ∇ + V (~r ) − E ψ(~r ) = ∇ φ(R) . ~ 2M s ψ(~r ) 2µ φ(R) Da die beiden Seiten dieser Gleichung von unterschiedlichen (und unabhängigen) Variablen abhängen, kann sie nur erfüllt werden, wenn beide Ausdrücke konstant sind. Wir identifizieren diese Konstante mit der negativen Energie der Schwerpunktsbewegung −Es und erhalten ein System von zwei ungekoppelten Schrödinger-Gleichungen: h̄2 2 ~ − ∇ + V (~r ) ψ(~r ) = (E − Es )ψ(~r ) = Er ψ(~r ) , 2µ h̄2 ~ 2 ~ ~ . ∇ φ(R) = Es φ(R) − 2M s Hierbei ist Er die Energie der Relativbewegung, so dass für die Gesamtenergie gilt E = Er + Es . Offenbar gelingt in der Quantenmechanik dasselbe Kunststück wie in der klassischen Mechanik: Das Zweikörperproblem lässt sich auf zwei ungekoppelte Einkörperprobleme zurückführen, wobei sich das Schwerpunktssystem wie ein freies Objekt der Gesamtmasse M verhält. Aufgabe 2 (a) Die Wellenfunktion erfüllt ist die stationäre Schrödinger-Gleichung − h̄2 d2 ψ − α δ(x) ψ = Eψ 2m dx2 Normalerweise (d. h. für beschränkte Potentiale) müssen sowohl die Wellenfunktion ψ(x) sowie deren Ableitung dψ/dx an jedem Punkt stetig sein. Da aber das Deltapotential bei x = 0 unendlich wird, gilt die zweite Bedingung im vorliegenden Fall nicht. Um dies zu verstehen, integrieren wie die Differentialgleichung über ein schmales Intervall −ǫ bis +ǫ: Z ǫ Z ǫ Z ǫ h̄2 d2 ψ − dx −α dx δ(x)ψ(x) = E dx ψ 2m −ǫ dx2 −ǫ −ǫ also dψ h̄2 dψ (+ǫ) − (−ǫ) − αψ(0) ≃ 2ǫEψ(0) . − 2m dx dx Der Term auf der rechten Seite verschwindet im Grenzfall ǫ → 0. Also macht die erste Ableitung der Wellenfunktion an der singulären Stelle einen Sprung gemäß dψ dψ 2mα (+ǫ) − (−ǫ) = − 2 ψ(0) . dx dx h̄ 2 (b) Wir suchen Lösungen der Schrödinger-Gleichung für gebundene Zustände (E < 0). Das Potential ist überall gleich Null, außer am Punkt x = 0. Also gilt für x 6= 0 die freie Schrödinger-Gleichung r −2mE d2 ψ 2 =κ ψ mit κ= >0. 2 dx h̄2 Die allgemeine Lösung dieser Differentialgleichung lautet in den beiden Raumbereichen ψI (x) = A e−κx + B e+κx für x < 0 , ψII (x) = C e−κx + D e+κx für x > 0 , Die Forderung nach Normierbarkeit der Wellenfunktion führt auf A = 0 und D = 0 (der exponentiell ansteigende Anteil der Wellenfunktion muss verschwinden). Als Anschlussbedingung bei x = 0 fordern wir die Stetigkeit der Wellenfunktion ψII (0) = ψI (0) woraus folgt C = B. Zusätzlich muss die Steigung der Wellenfunktion die Sprungbedingung dψI 2mα dψII (0) = (0) − 2 ψ(0) dx dx h̄ erfüllen, also 2mα B h̄2 Dies liefert die Eigenenergie oder −κC = κB − 2 E=− κ= mα . h̄2 y(x) Knick 2 h̄ 2 mα κ =− 2 . 2m 2h̄ Es existiert also, unabhängig von der Stärke des Potentials, immer genau ein gebundener Zustand. Die zugehörige normierte Wellenfunktion lautet einfach √ ψ(x) = κ e−κ|x| . x Anmerkung: Zum gleichen Resultat gelangt man auch, wenn man die Eigenwertgleichung für das Kastenpotential mit endlicher Breite a und Tiefe V0 betrachtet und den Wert V0 gegen Unendlich gehen lässt, mit der Nebenbedingung V0 a = α = const. (c) Die Streuwellenfunktion besteht aus einer einlaufenden und einer reflektierten Welle im Bereich x < 0 und einer transmittierten Welle im Bereich x > 0: ψI (x) = A eikx + B e−ikx für x < 0 ψII (x) = C eikx für x > 0 q mit k = 2mE , E > 0. Die Anschlussbedingungen bei x = 0 lauten wieder h̄2 ψII (0) = ψI (0) also C =A+B , dψII dψI 2mα (0) = (0) − 2 ψ(0) dx dx h̄ also 3 ikC = ik(A − B) − 2mα C. h̄2 Einsetzen von C aus der ersten Gleichung in die zweite Gleichung liefert ik + 2mα (A + B) = ik(A − B) oder h̄2 − mα mα B. 2 A = ik + h̄ h̄2 Für den Reflexionskoeffizienten R bedeutet dies mα 2 mα 2 2 jrefl B 2 h̄2 R= = = h̄ = . mα 2 mα 2 jein A 2 + k 2 + ik h̄ h̄2 Der Transmissionskoeffizient T lautet 2 mα B 2 jtrans C 2 A + B 2 h̄2 = = T = = 1 + = 1 − mα jein A A A 2 + ik h̄ 2 2 ik k = = mα . 2 mα 2 + ik + k h̄2 h̄2 Wie es sein muss, gilt die Beziehung R+T = 1 (Erhaltung des Wahrscheinlichkeitsstroms). Mit wachsener kinetischer Energie sinkt der Reflexionskoeffizient vom Wert R = 1 (Totalreflexion bei k = 0) monoton bis auf R = 0. Da R und T nur vom Quadrat des Parameters α abhängen, macht es für die Streuung am Deltapotential keinen Unterschied, ob das Potential attraktiv oder repulsiv ist! Zusatzaufgabe (a) Zu lösen ist die Schrödinger-Gleichung − h̄2 d2 ψ h a i a + αδ x − ψ(x) = Eψ(x) . − αδ x + 2m dx2 2 2 Für E < 0 muss die Wellenfunktion in den drei Teilbereichen unter Berücksichtigung der Normierbarkeit folgende allgemeine Form haben: ψI = A eκx ψII = B eκx + Ce−κx ψIII = D e−κx q mit κ = −2mE , E < 0. Da das Potential spiegelsymmetisch ist, haben die Wellenfunkh̄2 tionen “gute Parität”. (b) Gerade Lösung: D = A, C = B Die Anschlussbedingungen bei x = −a/2 lauten wieder a a ψII (− ) = ψI (− ) 2 2 a dψI a 2mα dψII a (− ) = (− ) − 2 ψ(− ) dx 2 dx 2 2 h̄ 4 Dies führt auf B e−κa/2 + eκa/2 = A e−κa/2 , 2mα −κa/2 Ae . h̄2 Analoge Anschlussbedingungen gelten auch bei x = +a/2. Diese beinhalten aber wegen der vorausgesetzten Symmetrie der Wellenfunktion ψ(x) = ψ(−x) keine zusätzliche Information und müssen nicht berücksichtigt werden. Einsetzen der ersten in die zweite Gleichung führt auf 2mα Bκ e−κa/2 − eκa/2 = Bκ e−κa/2 + eκa/2 − 2 B e−κa/2 + eκa/2 . h̄ oder 2mα 2κeκa/2 = 2 e−κa/2 + eκa/2 . h̄ Diese Eigenwertbedingung ist eine transzendente Gleichung für den Parameter κ: mα κ = 2 1 + e−κa . h̄ Ungerade Lösung: D = −A, C = −B Die Anschlussbedingungen bei x = −a/2 lauten jetzt B e−κa/2 − eκa/2 = A e−κa/2 , 2mα Bκ e−κa/2 + eκa/2 = Aκ e−κa/2 − 2 Ae−κa/2 h̄ also 2mα Bκ e−κa/2 + eκa/2 = Bκ e−κa/2 − eκa/2 − 2 B e−κa/2 − eκa/2 . h̄ Dies führt auf die transzendente Gleichung mα κ = 2 1 − e−κa . h̄ Diskussion der Lösungen: Die graphische Lösung der beiden transzendenten Gleichungen κ = f± (κ) mit f± (κ) = mα −κa ) ist schematisch in den beiden Abbildungen dargestellt, wobei verschieden 2 (1 ± e h̄ große Werte von a angenommen wurden. Bκ e−κa/2 − eκa/2 = Aκ e−κa/2 − 5 Für das positive Vorzeichen (gerade Wellenfunktion) gibt es offensichtlich immer genau eine Lösung (Schnittpunkt der Funktion f+ (κ) mit der Geraden κ). Für das negative Vorzeichen (ungerade Wellenfunktion) kommt es hingegen darauf an, mit welcher Steigung df− (0) > 1, also die Funktion f− (κ) bei κ = 0 losläuft. Ist diese Steigung groß genug, dκ mαa > 1, dann existiert ein Schnittpunkt mit der Geraden und es gibt einen zweiten h̄2 gebundenen Zustand mit ungerader Parität. Andernfalls ist f− (κ) = κ nur bei κ = 0 erfüllt. Diese Lösung (nicht normierbare Wellenfunktion, die überall im Raum konstant ist) entspricht aber keinem gebundenen Zustand . E Das bedeutet: Ist der Abstand zwischen den Poh̄ a mα ” h̄2 dann gibt es zwei tentialtöpfen“ größer als a > mα h̄2 gebundene Zustände. Für kleine Abstände a < mα − mα 2h̄ existiert hingegen nur ein (gerader) gebundener Zustand. Im Grenzfall a → ∞ verschwindet die Exponentialfunktion in den Eigenwertgleichungen. Der gerade und der ungerade Zustand haben dann 2 , die gleiche Energie Eg (∞) = Eu (∞) = − mα 2h̄2 identisch mit der “atomaren Bindungsenergie” aus −4 mα 2h̄ Aufgabe 2. Die numerisch berechneten Energien als Funktion des Abstands a sind nebenstehend abgebildet. Bei Verringerung des Abstands a spalten die Zustände auf. Der gerade (“bindende”) 2 (wegen κ = 2 mα ). Zustand sinkt energetisch ab bis hin zum Grenzwert Eg (0) = −4 mα 2h̄2 h̄2 Physikalisch entspricht dies einer anziehenden Kraft zwischen den beiden Atomen“. Die ” Energie des ungeraden ( antibindenden“) Zustands wächst hingegen solange an, bis er ” E = 0 erreicht und aus dem gebundenen Spektrum verschwindet. Typische gerade und ungerade Wellenfunktionen sehen so aus: 2 2 2 2 2 Das Problem des Doppel-Deltapotentials kann als sehr simples Modell für ein zweiatomares Molekül, z. B. das Wasserstoffmolekül H2 , angesehen werden. Das Phänomen der bindenden und antibindenden Molekülzustände tritt ganz ähnlich auch in einer Rechnung in drei Dimensionen und mit realistischen Potentialen auf. Allerdings besteht ein wichtiger Unterschied: Im Molekül gibt es eine zusätzliche potentielle Energie aufgrund der Abstoßung der positiv geladenen Kerne. Dies führt zu einem Abbiegen der Gesamtenergie nach oben bei kleinen Abständen a → 0 und somit zu einem Energieminimum bei einer endlichen molekularen “Bindungslänge”. 6