Sicherheit/Ausrüstung Der große Saugangriff Was man über Zecken wissen sollte Von Christiane Nastarowitz-Bien (Dr. med. vet.) „Igitt, eine Zecke!“ – Wer als Natursportler im Zeckenbiotop unterwegs ist, bringt nicht selten ungebetene „Gäste“ mit nach Hause. Wie schützt man sich und wie gefährlich sind diese Blutsauger? Zecken liegen auf der Lauer Zecken lauern gerne in der Krautschicht des Waldes. Auch im hohen Gras sitzen sie häufig und grundsätzlich überall im Laub, im Unterholz und im Gebüsch. Sie kommen bis in Höhenlage von ca. 1 000 m vor, vereinzelt noch bis in 2 000 m Höhe. Ab ungefähr 7 bis 10° C werden sie aktiv, d.h. die Zeckensaison kann schon sehr früh im Jahr beginnen und bei milden Wintern leicht bis in den Dezember dauern. Es ist ein hartnäckiger Mythos, dass Zecken sich vom Baum aus auf ihr Opfer fallen lassen. Die häufigsten Wirtstiere für Zecken sind Mäuse und andere kleine Säugetiere, so etwas Großes wie ein Mensch ist ein seltener Leckerbissen. Die „Tarzan-Strategie“ scheint vor diesem Hintergrund wenig erfolgsversprechend. Bergsport im Zeckenbiotop – dichtes halbhohes Gestrüpp wie hier im Kanstein bietet Zecken idealen Lebensraum, Foto: C. Schwärzler Wesentlich effektiver ist es für die Zecken, auf niedrigen und halbhohen Pflanzen darauf zu warten, dass ihr Opfer sie im Vorübergehen von dort abstreift. Entsprechend der Größe des zu erwartenden Wirtes warten sie am häufigsten in Bodennähe, erwachsene Zecken klettern bis maximal 1,50 m Höhe. Ihren Wirt erkennen sie dann am Geruch der Haut und auch an den Vibrationen beim Vorübergehen. zündungen im Zentralnervensystem kommen. Schwere Ausfallserscheinungen wie Bewusstseinstörungen und Lähmungen können dann die Folge sein, gerade bei älteren Patienten ist mit lang anhaltenden oder bleibenden Schäden zu rechnen. In 1 bis 2 % der Fälle endet dieser Krankheitsverlauf tödlich. Zecken als Krankheitsüberträger Weitaus häufiger und weiter verbreitet als die FSME ist die durch Bakterien verursachte Borreliose. Die Borreliose kommt fast überall in Europa vor, ungefähr jede fünfte Zecke ist infiziert. Allein in Deutschland erkranken jedes Jahr ca. 60 000 bis 80 000 Menschen an Borreliose - eine ganz andere Dimension als bei der FSME! Die Borrelien wandern erst einige Stunden nach dem Zeckenstich aus dem Darm der Zecke in deren Speicheldrüsen. Erst dann kann die Krankheit übertragen werden. Schnelles Entfernen der Zecke ist also eine sinnvolle Schutzmaßnahme! Die Borreliose verläuft in 3 Stadien: Typisches erstes Anzeichen Tage bis Wochen nach dem Zeckenstich ist die sogenannte „Wanderröte“, eine sich ringförmig ausbreitende Rötung um die Stichstelle. Die Wanderröte ist ein sicherer Hinweis auf Borreliose, sie tritt aber keineswegs bei allen Infizierten auf. Frühe Anzeichen einer Borreliose können auch unspezifische grippeähnliche Symptome (Fieber, Muskelschmerzen) sein. Wochen bis Monate später entwickelt sich bei einigen Patienten das Stadium 2, gekennzeichnet v.a. durch akute Gelenkentzündungen, auch Lähmungen und Herzentzündungen können auftre- FSME FSME-Risikogebiete in Europa (Quelle: www.dgk.de) 10 Die bekannteste, aber keineswegs häufigste durch Zecken auf den Menschen übertragene Erkrankung ist die FSME (Frühsommer-Meningoencephalitis). Sie tritt trotz ihres Namens nicht nur im Frühsommer auf, sondern in der gesamten Zeckensaison. 2008 wurden in Deutschland 287 Infektionen gemeldet. Die FSME beschränkt sich auf bekannte Risikogebiete, in denen bis zu 20 % der Zecken infiziert sein können. Deutschlands Risikogebiete liegen insbesondere in Bayern und Baden-Würtemberg. In Hessen, Thüringen und Rheinland-Pfalz sind einige Landkreise stark betroffen. In den Alpenländern gehören v.a. Teile Österreichs, der Schweiz und Sloweniens zu den Risikogebieten. Das FSME-Virus wird übertragen, sobald die Zecke mit dem Blutsaugen beginnt. Etwa jeder dritte Infizierte erkrankt ein bis zwei Wochen später mit grippeähnlichen Symptomen (Fieber, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden). Meistens ist die Krankheit nach einigen Tagen ausgestanden, es kann aber auch zu heftigen Ent- Borreliose Berliner Bergsteiger 05/2009 Sicherheit/Ausrüstung wegs sind. Außerhalb der Risikogebiete ist die Impfung sinnlos. Der Impfstoff ist zwar grundsätzlich gut verträglich, wer aber auf Impfungen empfindlich reagiert (z.B. bei einigen chronischen Erkrankungen), sollte sein tatsächliches Infektionsrisiko sorgfältig abwägen. Schutz vor dem Saugangriff Blutsaugende Zecke Foto: Baxter BioScience (Quelle: www.dgk.de) ten. In einzelnen Fällen folgt Monate bis Jahre später das Stadium 3 mit chronischen Gelenks-, Nerven- und Hautveränderungen. Die Borreliose ist zwar mit Antibiotika behandelbar, die Behandlung ist allerdings langwierig und schlägt umso besser an, je früher sie beginnt. In späten Stadien ist der Erfolg fraglich, bleibende Schäden sind möglich. Sollte die typische Wanderröte fehlen oder unbemerkt bleiben, ist eine sichere Diagnose schwierig. Alle anderen Symptome sind unspezifisch und zeigen sich z.T. erst lange nach dem Zeckenstich. Der Erreger selbst ist kaum nachweisbar, Antikörper treten erst 4 bis 6 Wochen nach der Infektion auf und nicht jede Infektion führt zu einer Erkrankung. Aufgrund dieses diagnostischen Dilemmas scheint die „Modekrankheit“ Borreliose derzeit gerne als Erklärung für zahlreiche Krankheitsbilder unbekannter Ursache herangezogen zu werden. Andere Erkrankungen In den letzten Jahren treten in Deutschland zunehmend neue Zeckenarten auf, die auch bisher eher „exotische“ Krankheiten übertragen können (z.B. Babesiose). Bei Hunden ist das schon ein großes Problem, aus der Humanmedizin hört man davon (noch?) wenig. Als erstes wird für gewöhnlich „Schutzkleidung“ beim Aufenthalt im Zeckenbiotop empfohlen. Fest schließende Schuhe – einige Spezialisten raten sogar zu Gummistiefeln -, lange Hosen, die man in die Socken steckt, Mütze … wie realistisch ist das im Sommer? Wer allerdings unbedingt barfuß in Sandalen durchs Zeckengelände laufen muss, ist ein gefundenes Fressen. Denn, erinnern wir uns, die Zecken lauern v.a. bodennah und reagieren auf Geruch… Eine einfache und gute Schutzmaßnahme ist die Anwendung von Repellentien, das sind Substanzen, die den Zecken das Stechen verleiden. Ich selbst habe gute Erfahrungen mit Autan gemacht, es wirkt aber gegen Zecken nicht so lange wie gegen Mücken (nur 4 statt 8 Stunden). Da die Zecke auf der Suche nach der schönsten Einstichstelle auf dem Wirt herumläuft, sollte man das Mittel großflächig anwenden (auch unter der Kleidung). Wer meint, dass diese böse Chemie ungesund sei, möge sich überlegen, wie gesund im Vergleich dazu eine Borreliose-Behandlung ist (langfristig Antibiotika mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen und bei Späterkennung mit ungewissem Erfolg). Da ist Autan das kleinere Übel! „Sanfte Medizin“ wie z.B. Knoblauch wirkt höchstens abschreckend auf Mitmenschen, aber nicht auf hungrige Parasiten. Nach jedem Aufenthalt im Zeckenbiotop ist die sorgfältige Kontrolle der Haut entscheidend, um Zecken möglichst schnell zu entfernen (bevor sie Borreliose übertragen können). Abgesucht werden müssen nicht nur die „unbekleideten“ Körperstellen. Denn die Zecken wandern vor dem Einstich gerne zu Bereichen mit dünner, feuchter Haut, wie Leistenbeuge und Achselhöhle, insbesondere bei Kindern findet man sie auch oft am Kopf (z.B. Ohren). Zecke gefunden –was nun? Weg damit! Dazu braucht man keinen Arzt, sondern nur ein passendes Werkzeug. Es gibt eine Vielzahl an Patenten, ich finde Zeckenzangen oder -haken (O’Tom) besonders praktisch. Entscheidend ist, die Zecke nahe an der Haut zu fassen, ohne sie zu quetschen. Das geht mit diesen Geräten besonders leicht. Zur Not tut es auch eine Pinzette, das erfordert aber schon mehr Geschick (insbesondere, wenn man sich selbst an schwer erreichbaren Stellen eine Zecke entfernen muss). Dann wird die Zecke herausgedreht oder -gezogen… das ist völlig egal, Zecken haben kein Gewinde. Hauptsache, das Vieh bleibt ganz. Die Verwendung von Öl, Nagellack, Vereisung usw. vor der Entfernung ist übrigens völlig kontraproduktiv, da die Zecke bei dieser Misshandlung im Todeskampf auch noch die letzte Borrelie in die Stichstelle erbricht – und genau das wollen wir ja vermeiden! Die entfernte Zecke entsorgt man am besten, indem man sie im Ausguss wegspült. (Zerquetschen geht auch, setzt aber Blut und Krankheitserreger frei.) Bleiben Teile der Zecke in der Haut (meist Mundwerkzeuge, selten der Kopf), ist das nicht tragisch. Davon geht keine Borreliose-Gefahr mehr aus und der Körper stößt den Fremdkörper in der Regel problemlos ab. Kommt es zu einer stärkeren Entzündung, ist allerdings der Gang zum Arzt angebracht. Gut vier Wochen sollte die Stichstelle noch im Auge behalten werden – tritt die typische Wanderröte auf, gibt es nur eins: Ab zum Arzt und sofort eine antibiotische Therapie beginnen! Quellen: www.dgk.de (Homepage des Deutschen Grünen Kreuz) Deutsche Impfempfehlungen für die Kleintierpraxis (Bundesverband praktischer Tierärzte) www.zeckeninfo.de (von Novartis) „Zeckenimpfung“ Gegen Zecken kann man nicht impfen! Auch eine Borreliose-Impfung für Menschen gibt es nicht. (Nur für Hunde ist ein BorrelioseImpfstoff auf dem Markt, der aber nicht gegen alle Borrelien-Stämme wirkt.) Wichtigste Schutzmaßnahme ist also die Vermeidung von Zeckenstichen und ggf. die schnelle Entfernung der Blutsauger! Eine Impfung gibt es nur gegen die FSME. Diese Impfung ist allen zu empfehlen, die in Risikogebieten im Zeckenbiotop unterBerliner Bergsteiger 05/2009 „Wanderröte“ nach Zeckenstich - ringförmig breitet sich die Rötung um die Stichstelle aus Foto: Autan (Quelle: www.dgk.de) Wartende Zecke auf einem Strauch Foto: Baxter BioScience (Quelle: www.dgk.de) 11