Zecken-Der grosse Saugangriff BB_2009_05

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Sicherheit/Ausrüstung
Der große Saugangriff
Was man über Zecken wissen sollte
Von Christiane Nastarowitz-Bien (Dr. med. vet.)
„Igitt, eine Zecke!“ – Wer als Natursportler im Zeckenbiotop unterwegs ist,
bringt nicht selten ungebetene „Gäste“
mit nach Hause. Wie schützt man sich
und wie gefährlich sind diese Blutsauger?
Zecken liegen auf der Lauer
Zecken lauern gerne in der Krautschicht des
Waldes. Auch im hohen Gras sitzen sie häufig und grundsätzlich überall im Laub, im
Unterholz und im Gebüsch. Sie kommen bis
in Höhenlage von ca. 1 000 m vor, vereinzelt noch bis in 2 000 m Höhe.
Ab ungefähr 7 bis 10° C werden sie aktiv,
d.h. die Zeckensaison kann schon sehr früh
im Jahr beginnen und bei milden Wintern
leicht bis in den Dezember dauern.
Es ist ein hartnäckiger Mythos, dass Zecken
sich vom Baum aus auf ihr Opfer fallen lassen. Die häufigsten Wirtstiere für Zecken
sind Mäuse und andere kleine Säugetiere,
so etwas Großes wie ein Mensch ist ein
seltener Leckerbissen. Die „Tarzan-Strategie“ scheint vor diesem Hintergrund wenig
erfolgsversprechend.
Bergsport im Zeckenbiotop – dichtes halbhohes Gestrüpp wie hier im Kanstein
bietet Zecken idealen Lebensraum, Foto: C. Schwärzler
Wesentlich effektiver ist es für die Zecken,
auf niedrigen und halbhohen Pflanzen darauf zu warten, dass ihr Opfer sie im Vorübergehen von dort abstreift. Entsprechend
der Größe des zu erwartenden Wirtes warten sie am häufigsten in Bodennähe, erwachsene Zecken klettern bis maximal
1,50 m Höhe. Ihren Wirt erkennen sie dann
am Geruch der Haut und auch an den Vibrationen beim Vorübergehen.
zündungen im Zentralnervensystem kommen. Schwere Ausfallserscheinungen wie
Bewusstseinstörungen und Lähmungen
können dann die Folge sein, gerade bei älteren Patienten ist mit lang anhaltenden
oder bleibenden Schäden zu rechnen. In
1 bis 2 % der Fälle endet dieser Krankheitsverlauf tödlich.
Zecken als Krankheitsüberträger
Weitaus häufiger und weiter verbreitet
als die FSME ist die durch Bakterien verursachte Borreliose. Die Borreliose kommt
fast überall in Europa vor, ungefähr jede
fünfte Zecke ist infiziert. Allein in Deutschland erkranken jedes Jahr ca. 60 000 bis
80 000 Menschen an Borreliose - eine ganz
andere Dimension als bei der FSME!
Die Borrelien wandern erst einige Stunden
nach dem Zeckenstich aus dem Darm der
Zecke in deren Speicheldrüsen. Erst dann
kann die Krankheit übertragen werden.
Schnelles Entfernen der Zecke ist also eine
sinnvolle Schutzmaßnahme!
Die Borreliose verläuft in 3 Stadien: Typisches erstes Anzeichen Tage bis Wochen
nach dem Zeckenstich ist die sogenannte
„Wanderröte“, eine sich ringförmig ausbreitende Rötung um die Stichstelle. Die
Wanderröte ist ein sicherer Hinweis auf
Borreliose, sie tritt aber keineswegs bei allen Infizierten auf. Frühe Anzeichen einer
Borreliose können auch unspezifische grippeähnliche Symptome (Fieber, Muskelschmerzen) sein. Wochen bis Monate später entwickelt sich bei einigen Patienten
das Stadium 2, gekennzeichnet v.a. durch
akute Gelenkentzündungen, auch Lähmungen und Herzentzündungen können auftre-
FSME
FSME-Risikogebiete in Europa
(Quelle: www.dgk.de)
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Die bekannteste, aber keineswegs häufigste
durch Zecken auf den Menschen übertragene Erkrankung ist die FSME (Frühsommer-Meningoencephalitis). Sie tritt trotz
ihres Namens nicht nur im Frühsommer
auf, sondern in der gesamten Zeckensaison. 2008 wurden in Deutschland 287 Infektionen gemeldet.
Die FSME beschränkt sich auf bekannte Risikogebiete, in denen bis zu 20 % der Zecken infiziert sein können. Deutschlands Risikogebiete liegen insbesondere in Bayern
und Baden-Würtemberg. In Hessen, Thüringen und Rheinland-Pfalz sind einige Landkreise stark betroffen. In den Alpenländern
gehören v.a. Teile Österreichs, der Schweiz
und Sloweniens zu den Risikogebieten.
Das FSME-Virus wird übertragen, sobald
die Zecke mit dem Blutsaugen beginnt.
Etwa jeder dritte Infizierte erkrankt ein bis
zwei Wochen später mit grippeähnlichen
Symptomen (Fieber, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden). Meistens ist die
Krankheit nach einigen Tagen ausgestanden, es kann aber auch zu heftigen Ent-
Borreliose
Berliner Bergsteiger 05/2009
Sicherheit/Ausrüstung
wegs sind. Außerhalb der Risikogebiete ist
die Impfung sinnlos. Der Impfstoff ist zwar
grundsätzlich gut verträglich, wer aber auf
Impfungen empfindlich reagiert (z.B. bei
einigen chronischen Erkrankungen), sollte
sein tatsächliches Infektionsrisiko sorgfältig abwägen.
Schutz vor dem Saugangriff
Blutsaugende Zecke
Foto: Baxter BioScience (Quelle: www.dgk.de)
ten. In einzelnen Fällen folgt Monate bis
Jahre später das Stadium 3 mit chronischen
Gelenks-, Nerven- und Hautveränderungen.
Die Borreliose ist zwar mit Antibiotika behandelbar, die Behandlung ist allerdings
langwierig und schlägt umso besser an,
je früher sie beginnt. In späten Stadien
ist der Erfolg fraglich, bleibende Schäden
sind möglich. Sollte die typische Wanderröte fehlen oder unbemerkt bleiben, ist eine
sichere Diagnose schwierig. Alle anderen
Symptome sind unspezifisch und zeigen
sich z.T. erst lange nach dem Zeckenstich.
Der Erreger selbst ist kaum nachweisbar,
Antikörper treten erst 4 bis 6 Wochen nach
der Infektion auf und nicht jede Infektion
führt zu einer Erkrankung. Aufgrund dieses diagnostischen Dilemmas scheint die
„Modekrankheit“ Borreliose derzeit gerne
als Erklärung für zahlreiche Krankheitsbilder unbekannter Ursache herangezogen zu
werden.
Andere Erkrankungen
In den letzten Jahren treten in Deutschland
zunehmend neue Zeckenarten auf, die auch
bisher eher „exotische“ Krankheiten übertragen können (z.B. Babesiose). Bei Hunden ist das schon ein großes Problem, aus
der Humanmedizin hört man davon (noch?)
wenig.
Als erstes wird für gewöhnlich „Schutzkleidung“ beim Aufenthalt im Zeckenbiotop empfohlen. Fest schließende Schuhe
– einige Spezialisten raten sogar zu Gummistiefeln -, lange Hosen, die man in die
Socken steckt, Mütze … wie realistisch ist
das im Sommer? Wer allerdings unbedingt
barfuß in Sandalen durchs Zeckengelände
laufen muss, ist ein gefundenes Fressen.
Denn, erinnern wir uns, die Zecken lauern
v.a. bodennah und reagieren auf Geruch…
Eine einfache und gute Schutzmaßnahme
ist die Anwendung von Repellentien, das
sind Substanzen, die den Zecken das Stechen verleiden. Ich selbst habe gute Erfahrungen mit Autan gemacht, es wirkt aber
gegen Zecken nicht so lange wie gegen Mücken (nur 4 statt 8 Stunden). Da die Zecke
auf der Suche nach der schönsten Einstichstelle auf dem Wirt herumläuft, sollte man
das Mittel großflächig anwenden (auch
unter der Kleidung). Wer meint, dass diese
böse Chemie ungesund sei, möge sich überlegen, wie gesund im Vergleich dazu eine
Borreliose-Behandlung ist (langfristig Antibiotika mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen und bei Späterkennung mit ungewissem Erfolg). Da ist Autan das kleinere
Übel! „Sanfte Medizin“ wie z.B. Knoblauch
wirkt höchstens abschreckend auf Mitmenschen, aber nicht auf hungrige Parasiten.
Nach jedem Aufenthalt im Zeckenbiotop
ist die sorgfältige Kontrolle der Haut entscheidend, um Zecken möglichst schnell zu
entfernen (bevor sie Borreliose übertragen
können). Abgesucht werden müssen nicht
nur die „unbekleideten“ Körperstellen. Denn
die Zecken wandern vor dem Einstich gerne
zu Bereichen mit dünner, feuchter Haut,
wie Leistenbeuge und Achselhöhle, insbesondere bei Kindern findet man sie auch oft
am Kopf (z.B. Ohren).
Zecke gefunden –was nun?
Weg damit! Dazu braucht man keinen Arzt,
sondern nur ein passendes Werkzeug. Es
gibt eine Vielzahl an Patenten, ich finde
Zeckenzangen oder -haken (O’Tom) besonders praktisch. Entscheidend ist, die Zecke
nahe an der Haut zu fassen, ohne sie zu
quetschen. Das geht mit diesen Geräten
besonders leicht. Zur Not tut es auch eine
Pinzette, das erfordert aber schon mehr Geschick (insbesondere, wenn man sich selbst
an schwer erreichbaren Stellen eine Zecke
entfernen muss). Dann wird die Zecke herausgedreht oder -gezogen… das ist völlig
egal, Zecken haben kein Gewinde. Hauptsache, das Vieh bleibt ganz.
Die Verwendung von Öl, Nagellack, Vereisung usw. vor der Entfernung ist übrigens völlig kontraproduktiv, da die Zecke
bei dieser Misshandlung im Todeskampf
auch noch die letzte Borrelie in die Stichstelle erbricht – und genau das wollen wir
ja vermeiden! Die entfernte Zecke entsorgt
man am besten, indem man sie im Ausguss
wegspült. (Zerquetschen geht auch, setzt
aber Blut und Krankheitserreger frei.)
Bleiben Teile der Zecke in der Haut (meist
Mundwerkzeuge, selten der Kopf), ist das
nicht tragisch. Davon geht keine Borreliose-Gefahr mehr aus und der Körper stößt
den Fremdkörper in der Regel problemlos
ab. Kommt es zu einer stärkeren Entzündung, ist allerdings der Gang zum Arzt angebracht. Gut vier Wochen sollte die Stichstelle noch im Auge behalten werden – tritt
die typische Wanderröte auf, gibt es nur
eins: Ab zum Arzt und sofort eine antibiotische Therapie beginnen!
Quellen:
www.dgk.de (Homepage des Deutschen
Grünen Kreuz)
Deutsche Impfempfehlungen für die Kleintierpraxis (Bundesverband praktischer
Tierärzte)
www.zeckeninfo.de (von Novartis)
„Zeckenimpfung“
Gegen Zecken kann man nicht impfen! Auch
eine Borreliose-Impfung für Menschen gibt
es nicht. (Nur für Hunde ist ein BorrelioseImpfstoff auf dem Markt, der aber nicht
gegen alle Borrelien-Stämme wirkt.) Wichtigste Schutzmaßnahme ist also die Vermeidung von Zeckenstichen und ggf. die
schnelle Entfernung der Blutsauger!
Eine Impfung gibt es nur gegen die FSME.
Diese Impfung ist allen zu empfehlen, die
in Risikogebieten im Zeckenbiotop unterBerliner Bergsteiger 05/2009
„Wanderröte“ nach Zeckenstich - ringförmig
breitet sich die Rötung um die Stichstelle aus
Foto: Autan (Quelle: www.dgk.de)
Wartende Zecke auf einem Strauch
Foto: Baxter BioScience (Quelle: www.dgk.de)
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