Vorlesungen 1-3 - Theoretische Physik

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1
Einführung
1.1
Gegenstand der ED
• Erinnerung – Gegenstand der klassischen Mechanik:
– Bewegung von Körpern bei vorgegebener (Gesamt-)Kraft gegeben
durch Newtonsche Gleichung (für jedes Teilchen)
¨ = F~ ,
m ·~r
(1)
oder durch alternative Formen der mechanischen Bewegungsgleichungen (Hamilton, Lagrange etc.).
Dabei gibt es zwei relevante Fälle:
1. F - äußere Kraft, z.B. Erdanziehung - freier Fall, Wurf, etc. oder
2. F - “innere” Kraft - Wechselwirkungskraft der Teilchen o. Körper
untereinander (z.B. Gravitation, Anziehungskraft zwischen Elektron und Atomkern etc.).
Bei Fehlen externer Kräfte: gekoppelte Bewegungsgleichungen
(Beispiel N = 3):
¨ 1 = F~1 = F~12 + F~13
m1 ·~r
¨ 2 = F~2 = F~21 + F~23
m2 ·~r
¨ 3 = F~3 = F~31 + F~32
m3 ·~r
(2)
zusätzlich erforderlich: Anfangsbedingungen ~ri (0), ~vi (0), i = 1 . . . N .
2
1
F~ij = −F~ji
3
Abbildung 1: “innere” Kräfte (Wechselwirkungen) für 3 Punktteilchen
Allgemeines Resultat der Mechanik (Lösung von (2)):
– Trajektorien ~ri (t), ~vi (t), i=1 . . . N
– Mechanik: nimmt dabei Kräfte als gegeben an und macht keine Aussage über deren Ursache, keine Herleitung ihrer Entstehung aus mikroskopischen Eigenschaften der Materie.
• Gegenstand der Elektrodynamik:
– Untersuchung besonderer Kräfte: aller Kraftwirkungen (externer und
interner) elektromagnetischer Natur
1
– einschließlich der Ursache der Kraft, Rückwirkung der Bewegung der
Körper auf die Quelle der Kraft etc.
Definition(vorläufig): “elektromagnetische” Kräfte: durch Ladungen und Ströme (= bewegte Ladungen) verursachte Kräfte und ihre
Wirkung auf andere Ladungen/Ströme.
Ladung: ist fundamentale Eigenschaft der Grundbestandteile der Materie (Elementarteilchen p, n, e, etc.), genauso wie Masse, Spin usf.
Erfahrung: ∃ Elementarladung e0 , Ladungen treten nur als ganzzahliges Vielfaches von e0 auf1 . Eine genauere Diskussion folgt in Kapitel
2.
– Beispiel (2) oben: betrachten jetzt zwei Punktteilchen mit Massen
mi , Ladungen ei . In diesem Fall ist die Wechselwirkungskraft durch
das Coulombgesetz gegeben.
m1 e1
F~12
m2 e2
Abbildung 2: Coulomb-Kraft zwischen zwei Punktladungen
Erfahrung 1: Kraft zwischen zwei Punktladungen (Coulombkraft):
F12 ∝ e1 ∗ e2
Erfahrung 2: F12 ∝ r12 , sehr langsamer Abfall, daher Kraftwirkung
über großen Abstand r
Erfahrung 3: Kraftwirkung erstreckt sich auch durch “Medium” zwischen Körpern hindurch (zu klären: welchen Einfluss hat das Medium?). Bei allen Erfolgen führt das Coulomb-Kraftgesetz auf einige
Probleme:
– Problem I: Das Coulombgesetz beschreibt eine “Fernwirkung” zwischen Ladungen, die beliebig weit voneinander entfernt sein können.
Wenn diese Ladungen erst erzeugt werden, bleibt die Frage: wie
schnell breitet sich diese Kraftwirkung aus? (Man betrachte als Beispiel die Ionisation eines Atoms, das mehrere Lichtjahre von einer
zweiten Ladung entfernt ist – wie schnell “spüren” sie die gegenseitige Coulomb-Wechselwirkung?). Das Bild der Coulombkraft impliziert eine unendliche Ausbreitungsgeschwindigkeit. Dies steht jedoch
im Widerspruch zur Speziellen Relativitätstheorie.
– Problem II: im allgemeinen Fall besitzt ein geladener Körper eine endliche Ausdehnung (nicht punktförmig), die Gesamtladung ist dann
über den Körper verteilt. Die Kraft zwischen einer beliebigen Ladung
1 Es gibt einige Ausnahmen: Nach dem Standardmodell der Elementarteilchen bestehen
Protonen und Neutronen aus Quarks, die Ladungen ± 13 e0 , ± 23 e0 tragen. Quarks treten aber
nicht frei (einzeln) auf (“confinement”), abgesehen vom sog. “Quark-Gluon-Plasma”, das bei
extremen Temperaturen und/oder Dichten auftritt (“Deconfinement-Übergang”). Aufgrund
der komplizierteren Struktur dieser Elementarteilchen (weitere Quantenzahlen) ist auch deren
Wechselwirkung komplizierter (“Farb-Coulomb-Wechselwirkung”). Interessanterweise ist die
theoretische Beschreibung aber sehr ähnlich der Elektrodynamik und hat zur Theorie der
“Quanten-Chromodynamik” geführt, die aber nicht Gegenstand dieser Vorlesung ist.
2
m1 e1
F~12
m2 e2
Abbildung 3: Die Kraftwirkung einer räumlich ausgedehnten Ladungsverteilung
(Gesamtmasse m2 , Gesamtladung e2 ) auf eine Punktladung genügt i.a. nicht
dem Coulombgesetz.
und diesem Körper i.a. wesentlich komplizierter als die Coulomb–
Kraft, s. Abb. 3.
Alternative: Elektrisches Feld. Aus diesen Problemen resultiert der
Versuch einer alternativen Vorstellung elektrischer (und magnetischer)
Prozesse: Jede Ladung (z.B. Ladung e2 ) ist Quelle eines (elektro-magnetischen)
Feldes, unabhängig davon, ob eine andere Ladung anwesend ist.
~r − ~r2
m2 e2
~r
~r2
Abbildung 4: Ladung e2 als Quelle des elektrischen Feldes, das den ganzen Raum
ausfüllt, E2 (r) = E(e2 , r − r2 ). Die Bedeutung von r2 bleibt noch zu klären.
3
Bemerkungen zum elektromagnetischen (EM) Feld:
– Das EM - Feld ist eigenständige Realität, bedarf keines Trägers (existiert auch im Vakuum)
– Kraftwirkung entsteht, wenn andere Ladung (Masse m1 , Ladung e1 )
am Ort ~r in Feld E2 der Ladung 2 gebracht wird. In dieser Vorstellung befindet sich das Feld E2 überall im Raum, also auch am
Ort von Ladung 1, und in ihrer unmittelbaren Nähe, daher spricht
man bei dieser Feldtheorie auch von Theorie der “Nahwirkung” (im
Unterschied zur “Fernwirkung”, s.o.).
– Doppelfunktion der Ladung: sie erzeugt eine Wirkung (EM Feld) und
erfährt selbst eine Wirkung im Feld anderer Ladungen.
– Feldkonzept wird analog ausgedehnt auf Strom einer Ladung [I~ ∝
e · ~v ]); dies führt zum Magnetfeld mit der Feldstärke B.
Test durch Experiment: Nur die Kraft (auf eine Probeladung 1) F~12 ist
messbar, nicht das Feld selbst. Daher: Kriterium der Gültigkeit der EM
Feldtheorie: Reproduktion der korrekten Kräfte.
Bemerkung: wir sehen in Kürze, dass das EM-Feld die Lorentzkraft erzeugt,
~ r, t) + e1 ~v1 × B.
~
F~1 (~r, t) = e1 · E(~
(3)
c
Hier ist E: Gesamt-El.-Feld aller Ladungen, B: Gesamt-Magnetfeld aller
Ströme im System. Glg. (3) reproduziert Coulombgesetz zwischen Punktladungen als Spezialfall.
Aktualisierte Definition der Elektrodynamik:
Mit diesem neuen Konzept ergibt sich ein neuer Gegenstand der Elek~
~ und seiner Betrodynamik: sie ist die Theorie des EM-Feldes (E,
B)
wegungsgleichungen (der Maxwell-Gleichungen). Dies ist eine völlig allgemeine Theorie, die eine außerordentlich breite Klasse physikalischer Effekte beschreibt und, nach heutigem Stand, bestens durch Experimente
bestätigt ist.2
In der Elektrodynamik untersuchen wir drei Hauptthemen:
I. Grenzfall: zeitunabhängiger (statischer) Ladungen: Entkopplung in:
∗ “Elektrostatik” (bestimmt durch Ladungen, reines E-Feld)
∗ “Magnetostatik” (Magnete/Ströme, reines B-Feld)
Dies sind Fälle zeitunabhängiger und voneinander unabhängiger Fel~ B
~
der E,
II. Allgemeiner Fall: bewegte und zeitlich veränderliche Ladungen:
∗ zeitabhängige Felder
∗ E und B nicht mehr unabhängig
∗ neue Phänomene, z.B. Propagation des Feldes, EM-Wellen etc.
2 Bestätigte
Abweichungen oder Versagen der Maxwellgleichungen sind nicht bekannt.
4
III. Spezielle Relativitätstheorie: Einteilung in E und B - Feld ist willkürlich
(ist abhängig vom Koordinatensystem des Beobachters) – es existiert
nur ein einheitliches EM - Feld.
Es gibt eine weitere Vereinheitlichung: die Relativistische Quanten-Elektrodynamik führt zu einer Vereinheitlichung der Beschreibung von Ladungen und Feldern. Beide sind untrennbar verknüpft durch Prozesse wie Paarerzeugung/vernichtung (dabei entstehen Photonen bzw. werden Photonen “vernichtet”).
Eine zentrale Rolle spielt hier die Äquivalenz von Masse und Energie, sowie die
Quantisierung des EM Feldes (Feldenergie und -Impuls). Dies ist Gegenstand
der gesonderten Vorlesung Quantenstatistik und Quantenfeldtheorie am ITAP.
Schließlich sei auf die Rolle des Mediums hingewiesen, in dem sich das EM Feld
ausbreitet. Die Eigenschaften dieses Mediums (Gas, Flüssigkeit, Festkörper etc.)
führen zu wichtigen Änderungen der Eigenschaften des Feldes im Vergleich zum
Vakuum. Dies ist Gegenstand der Medienelektrodynamik, die insbesondere die
Optik, Transporttheorie (z.B. elektrische Leitfähigkeit) und Magnetismus umfasst und wird in der Vorlesung Theorie der Teilchen und Felder behandelt.
Vor Beginn der Entwicklung der Theorertischen Konzepte der Elektrodynamik
sei noch auf wichtige historische Vorarbeiten verwiesen.
1.2
Historische Bemerkungen
Wichtige Grundlagen der Elektrodynamik wurden über viele Jahrhunderte geschaffen. Hervorzuheben sind vor allem (Auswahl):
• 1785: A. Coulomb: Kraft zwischen Punktladungen
• 1820: C. Oersted: Ablenkung von Magneten durch Ströme
• 1822: A.-M. Ampere: Strom als Ursache des Magnetismus
• 1831: M. Faraday: Induktion (Stromfluss durch Bewegung von Magneten),
Feldbegriff
• 1864: J.C. Maxwell: Feldgleichungen, Vorhersage EM-Wellen
• 1880: H. Hertz: Nachweis EM-Wellen
• 1900: M. Planck: Quanten-Natur des EM-Feldes
• 1905: A. Einstein: spezielle Relativitätstheorie, Äquivalenz von E und B;
endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit (v ≤ c) der Kraftwirkung/Felder
• ca. 1950: Quanten-Elektrodynamik (R. Feynman, S.-I. Tomonaga, F. Dyson,
J. Schwinger,...)
Zusätzliche Informationen sind z.B. im Buch von Greiner[Gre02] zu finden.
5
2
Grundbegriffe und Grundgleichungen der Elektrodynamik
In diesem Kapitel werden die Grundlagen des EM Feldes diskutiert und seine
Bewegungsgleichungen – die Maxwell-Gleichungen – begründet. Wir beginnen
mit der Untersuchung der Quellen des EM-Feldes: geladene Teilchen bzw. bewegten Ladungen (Ströme).
2.1
Ladungen und Ströme
2.1.1
Ladung und Ladungsdichte
1. Diskrete Beschreibung: für Punktladungen lassen sich die WechselwirkungsKräfte (Coulombkräfte) zu jedem Zeitpunkt in einem diskreten Bild bestimmen. Dabei genügt die Kenntnis von ~ri (t) – der Teilchen-Trajektorien,
die ins Coulombgesetz einzusetzen sind. Für Elementarladungen (Elektron, Proton etc.) ist dabei die Ladung e = ±e0 , wobei e0 = 1.6 ∗ 10−19 C.
SI-Einheit der Ladung: [e] = 1 C (Coulomb) = 1 As
Sind die geladenen Teilchen verschieden von Elementarladungen (sie seien aber dennoch nahezu punktförmig, z.B. mehrfach geladene Ionen, Moleküle etc.), kann sich die Ladung häufig auch zeitlich ändern,3 ei = ei (t) =
Ni (t) ∗ e0 , Ni ∈ N, was zu einer weiteren Zeitabhängigkeit der Coulombkräfte führt.
~r1
×
e2
e1
~r2
e3
~r3
Abbildung 5: Das Feld mehrerer Punktladungen ist additiv und im allgemeinen
zeitabhängig – durch die Bewegung der Ladungsträger, ~ri (t) und die Änderung
der Ladung, ei (t).
2. Wir betrachten jetzt räumlich ausgedehnte geladene Körper (dies ist der
allgemeine Fall). Dann ist die Gesamtladung ∆Q über ein endliches Volumen ∆V verteilt, und es ist zweckmäßig, zu einer Kontinuums-Beschreibung überzugehen:
Ersetzung: Ladung → Ladungsdichte am Ort ~r zur Zeit t:
ρ(~r, t) = ρ(x, y, z, t),
~r ∈ ∆V.
Verknüpfung erfolgt durch die Gesamtladung:
Z
∆Q(t) =
ρ(x, y, z, t) dV.
∆V
3 etwa
durch Ionisations- oder Rekombinationsprozesse
6
(4)
(5)
Gesamtladung∆Q(t)
V olumen∆V
~r
o×
Abbildung 6: Verteilung der Ladung über einen ausgedehnten Körper
3. Verbindung beider Beschreibungen:
benötigen Ladungsdichte für Punktladungen, Fall 1) → 2) durch
∆V → 0:
∆Q
ρ(~r, t) = lim
∆V →0 ∆V
Diese Definition folgt direkt aus (5) mit dem Resultat:
ρ(~r, t) =
N
X
i=1
ei · δ[~r − ~ri (t)]
(6)
(7)
Hier bezeichnet δ die (singuläre) Dirac-Deltafunktion4 , deren Eigenschaften in Abschnitt 2.1.2 diskutiert werden. Der Beweis von (7): erfolgt auf
S. 11.
Bemerkung: die Verwendung der δ-Funktion ist lediglich eine mathematische Erleichterung. Tatsächlich kommt in der Physik der Grenzfall ∆V →
0 nicht vor, und damit auch keine infinite Ladungsdichte. Selbst für elementare Ladungen (z.B. Ionen) lässt sich immer eine endliche Größe ∆V
finden, über die sich die Ladung ∆Q verteilt. Dies ist eine Konsequenz der
Quantenmechanik, die das klassische Bild von (“echten”) Punktladungen
korrigiert. Die relevante Größenordnung, die aus der Quantenmechanik
folgt, ist ∆V ≈ 1Å3 (∆x, ∆y, ∆z ≈ 1Å)
(
ei Ladung ∈ ∆V, ρ ≈ ei /Å3
∆Q(t) =
(8)
0 Ladung 6∈ ∆V, ρ → 0.
Aufgrund der kleinen (großen) Werte für ∆V (ρ) wird häufig als mathematische Vereinfachung ∆V → 0 und ρ → δ verwendet, da das Rechnen
mit diesen Funktionen hinreichend einfach ist, wenn man ihre Grundeigenschaften kennt.5
4 Genau
5 Über
genommen, handelt es sich um eine Distribution.
Probleme, die aus Divergenzen oder Unstetigkeiten herrühren, brauchen wir uns
7
3
2
N
1
4
Abbildung 7: Ladungsdichte für System von Punktladungen (peaks). In einem
realen physikalischen System haben die peaks eine endliche Höhe und Breite.
Dies ist eine Konsequenz der Quantennatur der Mikroteilchen.
2.1.2
Mathematischer Einschub: Distributionen. δ-Funktion und ΘFunktion
Ladungsdichten in der Elektrodynamik lassen sich häufig durch mehrdimensionale Deltafunktionen approximieren, die sich auf eine eindimensionale Funktion
zurückführen lassen. Zum Beispiel gilt für die 3-dimensionale Deltafunktion:
δ(~r) = δ(x)δ(y)δ(z).
(9)
Damit genügt es im Folgenden, die Eigenschaften der eindimensionalen Funktion zu untersuchen.
Definition Dirac-δ-Funktion:
(
0,
x 6= 0
δ(x) =
und
∞, x = 0
R∞
δ(x) dx = 1.
−∞
δ ist nicht stetig, Distribution6
keine ernsthaften Gedanken zu machen, da das zugrunde liegende System immer ein endliches
Volumen hat.
6 Eine strenge Definition erfolgt in der Analysis in der Distributionen-Theorie. Eine kompakte Darstellung findet man z.B. in Ref. [ph-00]
8
2
γ
δ
y
2γ
y
x0 − γ
x0
1
y
x
x0 + γ
x
Θ
x0
Abbildung 8: δ - Distribution Darstellung durch Cauchy - Folgen, Formel (10)
x
Abbildung 9: Heaviside - Funktion
Θ(x − x0 ) und ihre Ableitung, δ(x − x0 )
Wichtige Eigenschaften der δ-Funktion:
In den Eigenschaften unten seien f (x), h(x) beliebige reelle Funktionen, h sei
differenzierbar.
1. δ(x) kann als Grenzwert stetiger Funktionen dargestellt werden, z.B.
2γ
= 2πδ(x − x0 ).
(10)
γ→0 (x − x0 )2 + γ 2
R
Dabei verwendet man das unbestimmte Integral dx x21+1 = arctan x, das
in den Grenzen −∞ und ∞ π ergibt.
Der Grenzübergang ist aus der γ-abhängigen Breite und Höhe des Peaks
der Kurve offensichtlich, s. Abb. 8.
lim
2.
Z
∞
−∞
Z
dx δ(x − x0 )f (x) = f (x0 )
∞
−∞
dx δ 0 (x − x0 )f (x) = −f 0 (x0 )
3. δ(x) = δ(−x)
4. f (x)δ(x) = f (0)δ(x), z.B. xδ(x) = 0
P δ(x−x0 )
5. δ[h(x)] = i |h
0 (x )| , h(x0i ) = 0
0i
Beispiel 1: δ[a · x] =
δ(x)
|a| ,
Beispiel 2.: δ(x2 − a2 ) =
6. δ(x − x0 ) =
7.
Rx
−∞
1
2π
R∞
−∞
a ∈ R, a 6= 0
δ(x−a)
2|a|
dk eik(x−x0 ) ,
δ(x+a)
2|a|
+
k ∈ R,
(
0, x < x0
dx0 δ(x0 − x0 ) = Θ(x − x0 ) =
1, ≥ x0
Θ : Heaviside-Funktion (oder Sprungfunktion)
Aus der Inversion dieser Definition folgt: δ(x − x0 ) = Θ0 (x − x0 ), siehe
Abbildung 9
9
∆V
~ri
∆Vi
Abbildung 10: diskretisiertes Volumen: ∆V = N ∆Vi
8. “Einheiten”: [δ(x)] =
1
[x] ,
[Θ(x)] = 1,
folgt aus Defintion von δ durch Integral sowie 7.
für die Einheit der 3D-Deltafunktion folgt: [δ(r)] =
1
m3
Beweis von Formel (7):
für eine einzelne Punktladung e1 bei ~r1 (t) gilt offensichtlich:
ρ(~r, t) = e1 δ[~r − ~r1 (t)], mit
(
Z
e1 , ~r1 (t) ∈ ∆V
ρ(~r, t) dV =
0, sonst,
∆V
wegen der Definition der δ - Distribution
Betrachte jetzt ein System aus N Punktladungen, vgl. Abb. 7. Verwende dabei
Definition des Volumenintegrals:
Sei ei im Folgenden die Ladung in der Zelle mit Index i.
Z
∆V
ρ(~r) dV =
lim
N
X
∆Vi →0
i=1
N →∞
N ∗∆Vi =const.
ρ(~ri )∆Vi =
||
0 + 0 + ... + e1 + 0 + ...
nur i-te Zelle trägt zum i-ten Summanden bei
ei
∆Vi
oder, direkt durch Einsetzen:
Z
XZ
X
ρ dV =
dV ei δ [~r − ~ri (t)] =
ei = ∆Q
∆V
i
i
Bemerkung: wie bereits erwähnt, ist der Limes lim physikalisch nicht reali∆V →0
sierbar und nicht relevant: ∃ min. Längenskala, z.B. atomare Längenskala ∆xA .
Wenn wir makroskopische Längenskalen L verwenden, mit L ∆xA (typisch
in der Elektrodynamik), sind Rechnungen mit ∆xA → 0 und ∆Vi → 0 möglich
und mathematisch oft vorteilhaft. δ(x) und θ(x) bilden hierfür einen geeigneten
Apparat.
Einheit der Ladungsdichte: [ρ] =
[Q]
[V ]
=
C
m3 ,
10
da [δ(x)] = m−1
2.1.3
Strom und Stromdichte
Ladung: verknüpft mit Anzahl der Elementarladungen im Volumenelement
Strom: Ladungsfluss pro Zeiteinheit durch
Fläche → abhängig von Ladungszahl
und Geschwindigkeit also von ~ri und ~vi
Abbildung 11: Schnappschuss
des Volumenelements mit Ladungstrajektorien
~ 1 (t), ~v1(t)
e1 , r1
∆F
∆I(t) : Strom durch Fläche ∆F
∆I(t) = lim
∆Fi
∆t→0
∆Q(∆F )
∆t
Abbildung 12: Fluss von Ladungen durch Fläche ∆F
• a.) N Punktladungen: diskrete Beschreibung
PN ei
∆I = lim
i=1 ∆t
∆t→0
• b.) kontinuierliche Verteilung des Stromes über Fläche ∆F :
Kontinuumsbeschreibung mittels Stromdichte ~j (Vektorfeld)
Z
~j(~r, t) df~ = I(t)
(11)
∆F
Hierbei ist ~j(~r, t) df~ als Skalarprodukt aufzufassen, mit df~||~n – lokale
Flächennormale
Verwende Def. des Flächenintegrals: Zerlege ∆F = N ∗ ∆Fi
PN
~ r, t)∆F~i
Damit folgt: I(t) =
lim
i=1 j(~
∆Fi →0
N →∞
∆F =N ∗∆Fi
• Stromdichte ist allgemeines Konzept (wie Ladungsdichte). Benötigen daher auch Stromdichte für ein System von N Punktladungen, Fall a.):
Resultat (die Ladungen seien zeitunabhängig):
~j(~r, t) =
N
X
i=1
˙ i (t)δ[~r − ~ri (t)]
ei~r
• Dimension: aus Einheit von [I] = A =
[j] =
re”).
[I]
[F ]
=
A
m2
=
1
cm
s m3 .
C
s
(12)
und Definition (11) folgt:
Hier ist A die SI-Einheit des Stromes (“Ampe-
11
Bemerkung:
~j = in (12) ist bestimmt durch ~ri (t), ~vi (t) – die Phasenraumtrajektorien aller
Ladungen.
Beachte:
˙ i sind i.a. von einander unabhängig. Daraus folgt:
~ri und ~vi =~r
→ ~j nicht aus ρ bestimmbar! (im allgemeinen gilt also j 6= ρ̇)
Daher: selbst bei ρ = const ist Stromfluss möglich
Beispiel: rotierende, homogen geladene Kugel
(
ρ0 innen
ρ(~r, t) = ρ(~r) =
0 außen
ρ̇ ≡ 0
dennoch gilt ~j(~r, t) 6= 0 (Wirbelstrom)
12
2.1.4
Ladungserhaltung. Kontinuitätsgleichung
Betrachten Volumen V
F
• Ladung in V zur Zeit t:
R
QV (t) = V ρ(~r, t) dV
~jin
~jout
• Zeitliche Änderung der Ladung in
V
V: dQ
dt
Abbildung 13: Strom
• Strom (Ladungen pro Zeit) durch durch die Randfläche F
von Volumen V
Oberfläche F von V:
Integral über gesamte Oberfläche
IF (t) =
I
~j(~r, t) df~
F (V )
(
Vorzeichen des Gesamtstroms =
+ = in
− = out
df~||~nout Normale aus V heraus (Konvention)
Postulat von der Erhaltung der Ladung:
wenn in V keine Ladungen erzeugt oder vernichtet werden (z.B. durch Ionisation,
Rekombination, chem. Reaktionen, etc.), gilt:
dQV
+ IF = 0
dt
(13)
Diese Bilanzgleichung folgt aus der physikalischen Erfahrung analog zum Energieerhaltungssatz.
> 0, bei IF < 0 (Zufluss von Ladungen nach V überwiegt)
Dabei ist
dQV
dt
bzw.
< 0, bei IF > 0 (Abfluss überwiegt).
dQV
dt
Aus (13) folgt, nach Einsetzen der Definition von Ladung und Strom:
Z
I
d
~j(~r, t) df~ = 0
ρ(~r, t) dV +
dt
F
(14)
Bemerkungen:
• Glg. (13) ist integrale Aussage über Eigenschaft des Gesamtvolumens
• Ladungserhaltung ist ähnlich Teilchenerhaltung, aber nicht äquivalent!
z.B. Änderung der Teilchenzahl möglich und gleichzeitig dQ
dt = 0
Beispiel: s. Abbildung 14
Betrachten jetzt Ableitung der lokalen Ladungserhaltung mit Hilfe des Satzes
von Gauß.
13
−e
V
e
Zahl positiv und negativ geladener Teilchen je um 1 verringert
Abbildung 14: Entfernen einer positiven
und negativen Ladung aus V verringert
Teilchenzahl, aber Gesamtladung bleibt
unverändert.
14
Satz: F~ (~r) steht senkrecht auf der durch den Punkt ~r gehenden Äquipotentialfläche
Definition Äquipotentialfläche: Oberfläche mit U (~r) = U0 = const.
Beweis: Vektor δ~r liege in der Äquipotentialfläche, d.h. → U (~r) = U (~r+δ~r) = U0
Differenz:
U (~r + δ~r) − U (~r) '
∂U (~
r)
∂~
r
· δ~r = 0
Da i.a. beide Faktoren endlich, muss gelten:
∂U (~
r)
∂~
r
= ∇U (~r) = −F~ (~r) ⊥ δ~r
Da δ~r beliebig → Beweis gültig für gesamte Äquipotentialfläche
q.e.d.
Schlussfolgerung: Vektor grad U weist in Richtg. der stärksten Änderung v. U
Definition Fluss des Vektorfeldes F durch eine beliebige Fläche A:
Φ≡
Z
F~ (~r) df~
(15)
A
Sonderfall: Fluss durch geschlossene Fläche. Mit Satz von Gauss folgt
Z
I
~
~
F (~r) df =
div F~ (~r) dV
V
A(V )
Im Folgenden werden häufig die Eigenschaften von div, grad, rot → benötigt: s.
dazu Abschnitt 2.1.5 sowie die Übungsaufgaben.
2.1.5
Eigenschaften von div, grad, rot
1. Laplace - Operator
div grad U (~r) = ∆U (~r)
mit Laplace-Operator ∆ ≡
∂2
∂x2
+
∂2
∂y 2
+
(16)
∂2
∂z 2
Beweis: verwende Notation “Nabla” (Vektor):
∂
∂
∂
∂
∂
∂
∇ = ~ex ∂x
+ ~ey ∂y
+ ~ez ∂z
= ∂x
, ∂y
, ∂z
damit folgt:
∇U (~r) ≡ grad U (~r) = Vektor (für U – Skalar)
∇F~ (~r) ≡ div F~ (~r) = Skalar (für F~ – Vektor)
Gleichung (16) lässt sich schreiben als
∇(∇U (~r)) =
(∇ · ∇)
↑
Skalarprodukt
U (~r) ≡ ∆U (~r)
q.e.d.
2. Es gilt
rot rot F~ (~r) = grad div F~ (~r) − ∆F~ (~r)
15
(17)
Beweis: rot F~ ≡ ∇ × F~ ,
rot rot F~ ≡ ∇ × (∇ × F~ )
aus Vektoranalysis ist bekannt:
~a × (~b × ~c) = ~b(~a~c) − ~c(~a~b) = ~b(~a~c) −
(~a~b)
~c
↑
Skalarprodukt
in Vektoranalysis sind dies zwei äquivalente Ausdrücke
hier: ~a, ~b → Differentialoperatoren, wirken auf F~
→ F~ muss rechts stehen, d.h. der letzte Ausdruck ist zu verwenden
damit: ∇ × (∇ × F~ ) = ∇ · (∇F~ ) − (∇∇)F~
↑
grad
q.e.d.
↑
div(Skalar)
↑
∆
3. Es gilt
div rot F~ ≡ 0
Beweis: div rot F~ = ∇(∇ × F~ )
=
↑
Eigenschaft Spatprodukt
F muss hier rechts bleiben!
~ex
∇ × ∇ = ∂x
∂x
~ey
∂y
∂y
(18)
= (∇ × ∇)F~
~ez ∂z = 0,
∂z da Determinante mit 2 identischen Zeilen.
4. Für gegebene Funktion ρ(~r) existiert eindeutige Lösung U (~r) der PoissonGleichung
∆U (~r) = ρ(~r) ,
für die lim U = 0 und lim
|~
r |→∞
∂U
|~
r |→∞ ∂r
=0
Beweis später in Kapitel ...
[Bemerkung: Poissongleichung ist DGL 2. Ordnung; Lösung enthält 2 Konstanten, die durch Asymptotenbedingungen festgelegt sind]
16
2.1.6
Fundamentalsatz der Vektoranalysis
Satz: Jedes Vektorfeld F~ (~r) mit lim F~ (~r) = 0 und lim ∂xi F~ (~r) = 0
|~
r |→∞
|~
r |→∞
lässt sich eindeutig in eine Summe aus einem quellenfreien und einem wirbelfreien
Anteil zerlegen, d.h.
F~ (~r) = F~q (~r) + F~w (~r),
(19)
mit divF~q (~r) = 0, d.h. F~q (~r) ist quellenfrei
und rotF~w (~r) = 0, d.h. F~w (~r) ist wirbelfrei
Bemerkungen:
1. daraus folgt für das Gesamtfeld: div F~ ≡ div F~w (~r), also F~w trägt alle
Quellen von F ,
2. analog gilt: rot F~ ≡ rot F~q (~r), d.h. F~q trägt alle Wirbel von F~ ,
3. Das Verschwinden der Funktion F und ihrer Ableitungen im Unendlichen
ist physikalisch motiviert, da jedes Feld begrenzte Ausdehnung besitzt
(Energieerhaltung).
Beweis des Fundamentalsatzes: Unter Verwendung der Eigenschaften (1)–
(4) von Vektorfeldern aus Abschnitt 2.1.5 ist der Beweis elementar:
1. Konstruiere F~q aus gegebenem F~ :
rot F~q = rot F~
rot rot F~ = rot rot F~q = grad div F~q − ∆F~q = −∆F~q
(2)
||
0
→ besitzt wegen (4) eindeutige Lösung F~q für gegebenes F~
2. Konstruiere F~w aus gegebenem F~ :
div F~w = div F~
grad div F~ = grad div F~w = rot rot F̃w + ∆F̃w
(2)
||
0
→ besitzt wegen (4) eindeutige Lösung F~w für gegebenes F~
3. Gesamtfeld ist gegeben durch Summe (19) mit den Beiträgen aus der
Lösung von zwei Poissongleichungen:
∆F~w = grad div F~ ,
∆F~q = −rot rot F~
Fazit: beliebiges Vektorfeld F~ ist durch seine Quellen (div F~ ) und Wirbel (rot F~ )
eindeutig bestimmt. Dies liefert den Ausgangspunkt für die Aufstellung der
Maxwell-Gleichungen.
17
2.2
Die Maxwell - Gleichungen
Konsequenz des Fundamentalsatzes: Bestimmung des EM-Feldes erfordert Bestimmung der Quellen Q und Wirbel W der beiden Vektorfelder E(r, t) und
B(r, t).
Feldgleichungen haben daher folgende allgemeine Struktur:
divE(r, t)
=
QE (r, t),
divB(r, t) = QB (r, t),
rotE(r, t)
=
WE (r, t),
rotB(r, t) = WB (r, t).
(20)
(21)
Damit sind E(r, t) und B(r, t) bestimmt. Kopplung beider Felder erfolgt über
die Quell- und Wirbelterme. Die beiden Divergenz-Gleichungen sind skalar, die
Rotor-Gleichungen sind Vektorgleichungen (sind Gleichungen für drei skalare
Komponenten.)
Bemerkungen:
- Die Maxwellgleichungen sind – streng genommen – in voller Allgemeinheit
nicht herleitbar. Der Fundamentalsatz liefert ein mathematisches Argument für
ihre Struktur – dass sich damit aber alle elektromagnetischen Phänomene beschreiben lassen, ist nicht zu beweisen, sondern nur durch experimentelle Befunde einzeln zu überprüfen. Derzeit gibt es keine zwingenden experimentellen
Daten, die begründete Zweifel an den Maxwell-Gleichungen hervorrufen oder
Korrekturen und Zusatzterme nötig machen.
- Die Maxwellgleichungen stellen ein fundamentales Naturgesetz dar – wie die
Newtonschen Gleichungen oder die Schrödingergleichung. Verwendet man ein
anderes geeignetes Postulat als Ausgangspunkt, lassen sich die Maxwellgleichungen daraus ableiten. Ein Beispiel ist das Prinzip der kleinsten Wirkung
mit seiner Verallgemeinerung auf Vektorfelder. Dies erfordert eine LagrangeFunktion des EM Feldes, die dann postuliert werden muss (sie ist in der Tat
gut bekannt und wird im Rahmen der Speziellen Relativitätstheorie behandelt.).
Verbleibende Aufgabe: Finden von QE , QB , WE , WB in den Maxwell-Gleichungen (20, 21). Dabei wird zunächst von bekannten einzelnen experimentellen
Beobachtungen ausgegangen. In einem zweiten Schritt erfolgt die Verallgemeinerung mit Hilfe des mathematischen Apparates der Vektorfelder.
2.2.1
Elektromagnetische Wechselwirkung
Die Quellen und Wirbel des elektromagnetischen Feldes sind eine Konsequenz
der elektrischen und magnetischen Kräfte. Die historische Erfahrung hat gezeigt,
dass in der Natur drei verschiedene derartige Kräfte vorkommen7 :
1. Kraft zwischen zwei Ladungen q, Q im Abstand r (Punktladungen)
Q·qr
.
(22)
r2 r
Sie wurde von C.A. Coulomb 1785 entdeckt und kann attraktiv oder repulsiv sein, in Abhängigkeit vom Vorzeichen der Ladungen.
FQ = Kq
7 Heute wissen wir, dass alle nur verschiedene Varianten einer einheitlichen elektromagnetischen Wechselwirkung sind. Dies wird sich aus den Maxwellgleichungen ergeben.
18
2. Kraft zwischen zwei Stromelementen (Ampere-Gesetz):
dF~I = KI · I1 I2
d~s1 × (d~s2 × ~r12 )
.
3
r12
(23)
3. Kraft auf bewegte Ladung q (v ist ihre Geschwindigkeit) im Magnetfeld8 :
FB = KB qv × B.
(24)
Hier sind Kq , KI und KB skalare reelle Konstanten, die vom verwendeten Einheitensystem abhängen und in Abschnitt 2.2.3 diskutiert werden.
2.2.2
Fundamentale Wechselwirkungen der Materie
Die elektromagnetische Wechselwirkung, die die obigen drei Kräfte einschließt,
ist eine der 4 bekannten fundamentalen Wechselwirkungen
1.)elektromagnetische, αEM ∼
1
137



)
elektroschwache WW
1
“Standardmodell”
2.)schwache WW, αw ∼ 30


3.)starke WW, αs ∼ 1
4.) Gravitation
Bemerkungen:
• Die elektromagnetische WW umfasst alle Kräfte, die auf geladene Teilchen im EM Feld wirken, insbesondere die drei Kräfte in Abschnitt 2.2.1
und wurde durch Maxwell 1864 formuliert. In der modernen quantisierten Beschreibung (Quantenelektrodynamik) sind die Träger der WW die
Photonen (inklusive der Plasmonen), die Energie- und Impulsaustausch
zwischen Ladungen vermitteln. Die Stärke der Wechselwirkung wird durch
die Kopplungskonstante αEM 9 charakterisiert.
• Die schwache WW involviert Leptonen und Quarks und ist u.a. verantwortlich für den radioaktiven β-Zerfall, sie wird vermittelt durch schwere
Eichbosonen (sie wird im Standardmodell durch den Higgs-Mechanismus
erklärt).
• Die starke WW wirkt zwischen den Quarks im Standardmodell der Elementarteilchen (die WW koppelt an die sogenannte Farbladung der Quarks
und wird durch die Gluonen übertragen.
• Die Gravitation mit der Kraft
FG = −G
M ·mr
,
r2 r
G = 6.67 · 10−11
m3
kgs2
(25)
ähnelt der Coulombkraft, ist aber immer attraktiv und von den Massen
der beteiligten Körper abhängig. Die Graviationstheorie geht zurück auf
Newton, ihre moderne Formulierung wird in Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie gegeben.
8 der
9α
magnetische Anteil der Lorentzkraft
e2 1
= 4π
ist die Sommerfeld-Feinstrukturkonstante
~c
EM
0
19
• Vergleich der WW-Stärken: auf typischen Längenskalen der Kernmaterie,
mit mittleren Abständen der Nukleonen um rkern ∼ 1fm = 10−15 m) ist
die starke WW die stärkste aller Wechselwirkungen mit einer dimensionslosen Kopplungskonstanten αs ∼ 1. Auf den selben Längenskalen ist die
schwache WW ca. 30 mal schwächer, aber immer noch 4 mal stärker als
die EM WW. Auf Abständen r rkern sind die starke und schwache WW
vernachlässigbar, und die EM WW dominiert, sofern die wechselwirkenden
Körper geladen sind.
• Vergleich von Gravitation und EM WW für das Beispiel zweier Protonen
(alle Größen in SI-Einheiten):
Kq |Q2P |
e20
1012 1011
|FQ |
=
=
≈
|FG |
G MP2
4π0 G
4π 8.85· 6.67
1.6 · 10−19
1.6710−27
2
≈ 1036 !
Damit ist die Gravitation gegenüber der EM WW immer vernachlässigbar,
wenn die beiden Körper signifikante Ladungen tragen.10
Vereinheitlichung der WW-Theorien:
• Erste Vereinheitlichung (engl: “unification”) gelang zwischen EM WW
und schwacher WW zur sog. “elektroschwachen WW” durch Glashow,
Weinberg und Salam, die dafür 1979 den Nobelpreis bekamen.
• Vereinheitlichung von elektroschwacher und starker WW: dies gelang durch
die Quantenchromodynamik (Standarmodell der Elementarteilchen), für
die Gross, Politzer und Wilczek 2004 den Nobelpreis bekamen. Damit
ist eine einheitliche Quantenfeldtheorie von drei der vier fundamentalen
WW gegeben. Ihre Bestätigung erfordert insbesondere den Nachweis des
Higgs-Bosons, was u.a. Gegenstand der aktuellen Experimente am LHC
(CERN) ist. Diser Nachweis scheint inzwischen gelungen zu sein, wobei
noch Details der Eigenschaften offen sind.
• “Grand Unification” – die einheitliche Theorie aller vier WW steht noch
aus. Hauptproblem ist das Fehlen einer systematischen Quantentheorie
der Graviation. Hier gibt es diverse Ansätze über “strings”, “branes” oder
“Schleifengravitation” u.a., die allerdings noch weit von einem Abschluss
entfernt sind.
Mehr Informationen findet man z.B. im Physik-Lexikon [ph-00]
10 Andererseits erfolgt –wegen der Stärke und langen Reichweite der EM WW
(Coulombkraft)– i.a. rasch eine Neutralisierung, d.h. ohne externe Felder ist jedes System
bestrebt, einen Ladungsüberschuss der einen Sorte durch zusätzliche Ladungen der anderen
Sorte bzw. durch Ladungstransport (vgl. Kontinuitätsgleichung) auszugleichen. Bei niedrigen
Temperaturen erfolgt darüber hinaus Rekombination positiver und negativer Ladungen, d.h.
Bildung neutraler Atome und Moleküle).
20
2.2.3
Technischer Einschub: Einheitensysteme der Elektrodynamik
Vor der Untersuchung der EM Kraftwirkungen müssen wir uns mit den Konstanten Kq , KI , KB in den Formeln für die Kräfte beschäftigen. Historisch haben
sich verschiedene Einheitensysteme entwickelt, in denen diese Konstante unterschiedliche Ausdrücke annehmen. Die zwei dominierenden Systeme sind das
Gauss-System (CGS) und das internationale Einheitensystem (SI), die beide
weite Verbreitung gefunden haben. Das wird deutlich am Beispiel des Coulombgesetzes. Dort gibt es eine unterschiedliche Wahl der Konstante Kq :
Kq =

1
 1
4π0
≈9·
m2
109 N
A2 s2
,
Gaußsystem o. CGS
,
MKSA(SI)
Bermerkung: für später führen wir auch folgende Abkürzung ein:
(
4π, Gauß
K̄q ≡ 4πKq = 1
SI
0 ,
Problem: Koexistenz beider Systeme in der Forschungs- und Technikliteratur.
• Forschungsliteratur (Theor. Physik) verwendet i.a. CGS,
dies entspricht der intrinsischen Symmetrie E–B-Feld (beide haben gleiche Einheit), entspricht auch der relativistischen einheitlichen Natur des
elektromagnetischen Feldes.
• Technischer Standard: i.a. SI
Verbreitete Maßeinheiten. Aber: führt zu “künstlichen” Faktoren in Gleichungen, die für Herleitungen störend sind.
⇒ Kenntnis beider Systeme nötig
• wir verwenden in der Theorie (Gleichungen): CGS
für Anwendungen, zahlenbasierte Rechnungen: Übergang zu SI-Einheiten
d.h. folgendes Vorgehen:
Formel CGS → Formel SI → Zahlenwerte mit SI-Einheiten
Beispiel Coulombkraft:
qQ
1 q ∗ Q∗
F~ = 3 ~r =
~r , [Q∗ ] = 1 C = 1 As,
r
4π0 r3
(CGS)
[Q] =
1C
√
[ 0 ] ;
(SI)
Bei Einsetzen der Längen in m, der Ladungen in As sowie des SI-Wertes für
0 erhalten wir natürlich den Zahlenwert der Kraft sofort in N, ohne dass die
Einheiten bei Umformungen der Formeln mitgeführt werden müssen.
(Die “unnatürliche” Einheit ist im Gauß-System der Preis für die “natürliche”
(einfache) Formel. Diese Einheiten werden wir in der Regel nicht benötigen, für
die Umrechnung werden Tabellen angegeben.)
Festlegung der Koeffizienten in den Kraftausdrücken:
Das vollständige Maßsystem wird festgelegt durch alle Kräfte (Messgrößen).
Jede Kraft enthält einen Koeffizienten, der vom Einheitensystem abhängt:
21
1. Coulombkraft → Kraft zwischen Ladungen → Koeffizient Kq
F~c = Kq · qQ r~r3 ,
Kq wurde oben angegeben.
2. Kraft zwischen Strömen (Ampere-Gesetz) → KI
d~s1 × (d~s2 × ~r12 )
dF~12 = KI · I1 I2
3
|{z}
r12
{z
}
dim= A2 |
dimensionslos
Gleiche Einheit wie im Coulombgesetz:
h i
[q]2
KI
s2
1
2
Kq [r]
2 = KI [I] ;
Kq = m2 → [Geschwindigkeit[2
Wahl von KI :
(
KI =
(
, CGS
0 µ0 , SI
Konistenz der Systeme: 0 µ0 =
Test:
KI
Kq
=
1
c2
µ0
4π
, CGS
, SI
(26)
1
c2
1
c2
erfüllt, vgl. (28).
3. Lorentzkraft auf bewegte Ladung im B-Feld → KB
~
F~L = KB q · ~v × B
Wahl:
(
KB =
1
c
1
, CGS
, SI
(27)
Dabei tauchen im SI-System die Konstanten 0 und µ0 auf, in CGS die Lichtgeschwindigkeit c. Die Standardwerte sind:
c = 2.99792458 · 108
m
- Lichtgeschwindigkeit
s
1
1
AsV −1 m−1 - Dielektrizitätskonstante des Vakuums
4π 9 · 109
µ0 = 4π · 10−7 V sA−1 m−1 - magnetische Permeabilität des Vakuums
0 =
(28)
SI-Einheiten:
• SI-Grundeinheiten der Mechanik:
[l] = 1 m, [m] = 1 kg, [t] = 1 s (MKS)
abgeleitet: [F ] = 1 kg ms−2 ≡ 1 N
• SI-Einheiten der Größen der Elektrodynamik
Krafteinheit universell: [F ] = 1 N
→ Vergleich der Kräfte 1-3 mit diesen Einheiten legt (im jeweiligen Maßsystem) die Einheiten aller Größen fest.

→ Einheit von Q 
→ Einheit von I
vollständig bestimmt durch (mechanische) Grundeinheiten

→ Einheit von B
22
SI: historisch bedingt wurden besondere ED-Einheiten festgelegt. Dies basiert auf Definition einer 4. Grundeinheit: [I] = 1 A
Erweiterung → MKSA-System. Daraus abgeleitet werden insbesondere:
SI-Einheit der Ladung:
[Q] = [I] · [t] = As ≡ C (“Coulomb00 )
SI-Einheit des Magnetfeldes: aus 3. folgt:
[B] =
[F ]
[Q][v]
=
Ns
Asm
=
V As
||
Nm
Am2
=
Vs
m2
≡ 1 T (“Tesla”)
CGS-Einheiten:
EM-Größen erhalten mechanisch festgelegte Einheiten, wie oben skizziert.
z.B. folgt Einheit der Ladung aus Coulombgesetz und mechanischer Krafteinheit:
p
[Q] = [F ][r]2
Obwohl alle Einheiten mechanisch abgeleitet sind, gibt es eine Vielzahl
historisch eingeführter Einheiten-Namen.
Eine Übersicht zu beiden Einheitensystemen wird als Tabelle zum download bereitgestellt, s. auch [Gre02]
23
Literatur
[Gre02] Greiner, Walter: Klassische Elektrodynamik - Theoretische Physik,
Band 3 der Reihe Greiner - Theoretische Physik. Harri Deutsch, 6.
Auflage, 2002.
[ph-00] Lexikon der Physik. Spektrum Akademischer Verlag, 2000.
24
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