Kapitel 4 Ionentransport Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 4. Ionentransport Figur 25: Übersicht der Leitfähigkeit verschiedener Materialien4 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 2 4. Ionentransport 4.1. Grundlegende Überlegungen bis jetzt: nur Wechselwirkung entweder mit Lösungsmittel oder anderem Ion jetzt: Bewegung durch die Umgebung Welche Aspekte sind dafür maßgebend? individuelle Bewegung eines Ions: ungeordnet, random walk Gruppenbewegung: gekoppelte Bewegung verursacht Drift von Ionen und damit einen Massen- und Ladungstransport 3 Arten: - Konzentrationsgradient: Diffusion - Gradient im elektrostatischen Potential: Leitfähigkeit - Bewegungen der Flüssigkeit als ganzes aufgrund Druck/Temperaturgradient: hydrodynamischer Fluss Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 3 4. Ionentransport 4.2. Leitfähigkeit Tauchen zwei Elektroden (im Abstand l) in eine Lösung und liegt eine Spannung U an, so bildet sich in der Lösung ein elektrisches Feld gemäß: E= U ∆Ψ =− l l Auf ein Ion wirkt damit die Kraft U ∆Ψ F = zi eE = zi e = − zi e l l Durch diese Kraft werden die Kationen zur Kathode, die Anionen zur Anode beschleunigt. Da dies nicht im Vakuum stattfindet, setzt die Flüssigkeit dieser Bewegung eine Gegenkraft, die Reibung, entgegen. Diese viskose Gegenkraft ist gegeben durch F = 6ri πηvi Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 4 4. Ionentransport 4.2. Leitfähigkeit Im stationären Zustand ist F = 0, und die Wanderungsgeschwindigkeit der Ionen v im elektrischen Feld ist damit vi = z i eE 6ri πη Die auf die Feldstärke bezogene Geschwindigkeit ist die Ionenbeweglichkeit u, folglich gilt: u= vi ze = i E 6ri πη Interessant ist hier vor allem wie die (theoretische) Ionenbeweglichkeit mit der experimentell messbaren Leitfähigkeit zusammenhängt. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 5 4. Ionentransport 4.2. Leitfähigkeit Herleitung der Strom-Spannungsbeziehung und der Leitfähigkeit Bei einer Restriktion auf binäre Elektrolyten entstehen bei der Dissoziation ν + Ionen der Ladung z+ und ν − Ionen der Ladung z -. Betrachtet man eine Eletrolysezelle des Querschnitts A und der Länge l, an die eine Spannung U angelegt ist, und die Konzentration des Elektrolyten durch c=n/V gegeben ist, ist der durch die Elektroden fließende Strom gleich der Summe der positiven und negativen Ladungen, die pro Zeiteinheit durch eine Referenzfläche hindurchtreten. Dies betrifft aber nur Ionen, die maximal v + ⋅ t (bzw. v − ⋅ t ) von dieser Fläche entfernt sind. A l v+ t Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) v- t 6 4. Ionentransport 4.2. Leitfähigkeit Dies ist damit ein Fluss von ν + cN L v + ⋅ t Einheiten der Ladung z + e und ν − cN L v − ⋅ t Einheiten der Ladung z − e Ersetzt man F = eN L gemäß dem Faraday’schen Gesetz, ergibt sich für den Gesamtfluss der Ladungen, bezogen auf die Fläche A J = F (ν + c v + ⋅ t z+ +ν − c v − ⋅ t z -) und für den Fluss pro Flächen und Zeiteinheit J = F (ν + c v + z+ +ν − c v − z -) Einsetzen der Ionenbeweglichkeit gemäß v = u∙E J = F (ν + c u + z+ +ν − c u − z -)E Wird die elektrische Feldstärke als E=U/l berücksichtigt, ergibt sich J = F (ν + c u + z+ +ν − c u − z -) U l Der Gesamtstrom ist I = JA und damit: I = F (ν + c u + z+ +ν − c u − z -) UA l Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 7 4. Ionentransport 4.2. Leitfähigkeit Formal entspricht diese Formel dem Ohm’schen Gesetz U = RI Experimentell wird diese Gesetzmäßigkeit aber nur für Wechselspannungen beobachtet, da bei Verwendung einer Gleichspannung sich eine elektrolytische Doppelschicht ausbildet, die zur Polarisation und damit zu einem Spannungsabfall in der Lösung führt. Figur 26: Versagen des Ohm’schen Gesetzes bei Gleichspannung durch Ausbildung einer elektrolytischen Doppelschicht5 Unter den erst genannten Voraussetzungen ist also der Korrekturfaktor vor U der reziproke Widerstand 1 A = F (ν + c u + z+ +ν − c u − z -) R l Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 8 4. Ionentransport 4.2. Leitfähigkeit Weil entsprechend ρ=R A l der spezifische Widerstand gegeben ist, ist als dessen Kehrwert die Leitfähigkeit κ definiert als: κ= 1 ρ = Fc(ν + u + z + + ν − u − z − ) Da die so definierte Leitfähigkeit noch konzentrationsabhängig ist, definiert man über Λm = κ c = F (ν + u + z + + ν − u − z − ) die molare Leitfähigkeit eines Elektrolyten. Um die Bewegungen von Ionen besser vergleichen zu können, wird die sogenannte Äquivalentleitfähigkeit Λ eq = κ cz mit z + c + = − z − c − definiert. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 9 4. Ionentransport 4.2. Leitfähigkeit Damit ergibt sich für den Zusammenhang zwischen molarer und Äquivalentleitfähigkeit die Beziehung: Λ m = zΛ eq Aus der Definition der molaren Leitfähigkeit ist ersichtlich, dass sich diese additiv aus den Beiträgen der Kationen und Anionen zusammen Λ m = Fν + u + z + + F ν − u − z − Hier sind Λ + = Fu + z + und Λ − = Fu − z − die molaren Ionenleitfähigkeiten der Kationen und Anionen. Eingesetzt in die obige Gleichung ergibt dies: Λ m = ν + Λ+ + ν − Λ− Erstes Gesetz von Kohlrausch zur unabhängigen Ionenwanderung Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 10 4. Ionentransport 4.2. Leitfähigkeit Experimentelle Überprüfung: - Leitfähigkeit proportional zur Elektrolytkonzentration zunehmen - molare Leitfähigkeit sollte unabhängig von Konzentration sein Figur 27: Abhängigkeit der spezifischen Leitfähigkeit bzw. der molaren Leitfähigkeit von der Konzentration (links und Mitte), Kohlrausch’sches Quadratwurzelgesetz (rechts) 5 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 11 4. Ionentransport 4.2. Leitfähigkeit Stimmt bei hohen Konzentrationen nicht - bei niedrigen Konzentrationen sollte für die molare Leitfähigkeit ein konzentrationsunabhängiger Wert erhalten werden, was sicher nicht der Fall ist (siehe Figur). Geringste Abhängigkeit von der Konzentration bei einwertigen, etwa grösser bei mehrwertigen - Ausnahme: Essigsäure - hier stimmt’s überhaupt nicht. Empirisch gehorchen die anderen Elektrolyten, mit Ausnahme von HOAc, dem analytischen Ausdruck Λc = Λ0 − k c Dies ist das Kohlrausch-Quadratwurzelgesetz. Λ 0 ist dabei der Wert der molaren Leitfähigkeit bei unendlicher Verdünnung, die sogenannte Grenzleitfähigkeit. Ein und mehrwertige Ionen gehorchen dem Gesetz sehr gut - Coulomb-Kräfte müssen damit für die Unterschiede in der Leitfähigkeit verantwortlich sein. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 12 4. Ionentransport 4.2. Leitfähigkeit Die Ionenbeweglichkeiten sind damit konzentrationsabhängig und keine Stoffkonstanten. Stammt die Konzentrationsabhängigkeit tatsächlich von Coulomb-WW der Ionen, so müssen die molaren Leitfähigkeiten aber bei unendlicher Verdünnung (großer Ionenabstand) tatsächlich Stoffkonstanten sein. Dies trifft (siehe Figur) für Konzentrationen von etwa 0.01 M recht gut stimmt, bei höheren nicht. Umgekehrt bedeutet dies jedoch, dass auch bei kleinen Konzentrationen keine unabhängige Ionenwanderung stattfindet und das Kohlrausch-Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung streng genommen nur bei unendlicher Verdünnung gilt, d.h. + Λ 0 = ν + Λ 0 +ν − Λ 0 − Figur 28: Zur Prüfung des Gesetzes der unabhängigen Ionenwanderung5 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 13 4. Ionentransport 4.2. Leitfähigkeit Figur 29: Äquivalentleitfähigkeit als Funktion der Konzentration (rechts oben), Tabellierung von Äquivalent- und molaren Grenzleitfähigkeiten5 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 14 4. Ionentransport 4.2. Leitfähigkeit Beispiele: 1) Berechnen Sie die molare Grenzleitfähigkeit von wässrigen Lösungen von LiBr und BaCl2 bei 298 K 2) Berechnen Sie die molare Leitfähigkeit und die Leitfähigkeit einer 0.01M NaI-Lösung 3) Die Beweglichkeit eines negativen Ions eines 1:1 Elektrolyten in wässriger Lösung bei 298 K beträgt 6.85x10-8 m2 s-1 V-1. Wie groß ist die molare Leitfähigkeit dieses Ions? 4) Die Grenzleitfähigkeiten von KCl, KNO3 und AgNO3 betragen 149.9, 145 und 133.4 S cm2 mol-1. Wie groß ist die Grenzleitfähigkeit von AgCl? Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 15 4. Ionentransport 4.3. Messung der Gesamtleitfähigkeit 1. Widerstandsmessung: Strom-Spannungskurve: Probleme (Überspannung, siehe vorne) Wheatstone’sche Brückenschaltung Abgleichbedingung: R1 R3 = R2 R4 Figur 30: Schema der Wheatstone’schen Brückenschaltung6 Konzept der Zellkonstante Problematisch, Widerstand aus Dimensionen der Zelle zu bestimmen, da Strom im inneren unbekannt. Daher Eichung mit bekannter Substanz (z. B. KCl-Lösung) durchführen: R* berechnen, über C κ= R* die Zellkonstante berechnen und über diese Zellkonstante dann Messwiderstand bestimmen. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 16 4. Ionentransport 4.3. Messung der Gesamtleitfähigkeit 1.a. Hochfrequente Wechselspannung (< 1 kHz) um Ausbildung einer elektrischen Doppelschicht zu verhindern 1.b. Vierpolmethode: Spannungsabfall im Elektrolyten wird mit stromloser Sonde ermittelt, d.h. es treten keine Überspannungseffekte auf. 1.c. Elektrische Impedanzspektroskopie: im Prinzip Bestimmung der Impedanz (= Wechselstromwiderstand) und der Phasendifferenz von Strom und Spannung als Funktion der Anregungsfrequenz. Dies liefert Widerstand und Kapazität der Elektrodenanordnung und daraus die Leitfähigkeit. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 17 4. Ionentransport 4.3. Messung der Gesamtleitfähigkeit Strom- und Spannungsmessung Zweileitermessung Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) Vierleitermessung 18 4. Ionentransport 4.4. Einzelionenleitfähigkeiten - Überführungszahlen Bis jetzt: nur Gesamtleitfähigkeit, keine Einzelionenleitfähigkeiten Das Konzept der Überführungszahlen Diese geben den Bruchteil jenes Stromes an, der von einer spezifischen Ionensorte verursacht wird. Es gilt: I+ t = I I− und t + + t − = 1 und t = I + − da der Beitrag der Kationen zum Gesamtstrom mit deren Beweglichkeit zusammenhängt z + u +ν + t = + + + z u ν + z − u −ν − + Für einen symmetrischen Elektrolyten vereinfacht sich dies zu u+ t = + u + u− + + Da ebenso die Ionenleitfähigkeiten mit der Ionenbeweglichkeit zusammenhängen, gilt auch: t = Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) ν + Λ+ 19 Λ 4. Ionentransport 4.4. Einzelionenleitfähigkeiten - Überführungszahlen Figur 31: Überführungszahlen verschiedener Salze5 Streng genommen gelten diese Gleichungen nur für ideale Verdünnung - da dies aber experimentell nicht zugänglich ist, muss abgeschätzt werden, für welchen Konzentrationsbereich diese Näherung sinnvoll ist. Durch die Normierung auf die Summe der Beweglichkeiten, sind die Überführungszahlen nur wenig konzentrationsabhängig. Bis zur Grenze der Gültigkeit der Debye-Hückel - Näherung (0.01 M), kann t ± = t 0± gesetzt werden. Kann man diese Überführungszahlen messen? Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 20 4. Ionentransport 4.4. Einzelionenleitfähigkeiten - Überführungszahlen Methode der bewegten Grenzfläche Prinzip: Die auf die elektrische Beweglichkeit bezogene Wanderungsgeschwindigkeit wird gemessen. Dies funktioniert bei verschiedenfärbigen Kationen und Anionen. Wird eine KNO3-Lösung mit KMnO4 unterschichtet und eine Spannung angelegt, kommt es zur Wanderung der Ionen im elektrischen Feld und zu einer Verschiebung der Grenzfläche, aus der bei Kenntnis der Spannung und der Elektrodengeometrie die Überführungszahl bestimmt werden kann. Weil gilt q+ t = + q + q− + und sich die Anzahl bzw. die dabei transportierte Ladung als cVN L bzw. cVN L ez + = cVz + F angeben lässt, ist die Überführungszahl über cVz + F t = bestimmbar. It + Figur 32: Schema der Methode der bewegten Grenzfläche2 Voraussetzung: gleiche Konzentration mit gemeinsamen Ion und gleicher Äquivalent-leitfähigkeit Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 21 4. Ionentransport 4.4. Einzelionenleitfähigkeiten - Überführungszahlen Hittorf-Methode Prinzip: Die Konzentrationsänderungen in einer dreiteiligen Elektrolysezelle die durch die unterschiedlichen Beweglichkeiten verursacht werden, werden gemessen. Das Verhältnis der meßbaren Konzentrationsabnahme ∆c Kathodenraum ∆c Anodenraum ist dem Verhältnis der Ionenbeweglichkeiten und damit dem Verhältnis der Überführungszahlen t− t+ bzw. t+ = c Anodenraum c Anodenraum + c Kathodenraum Figur 33: Bestimmung der Überführungszahlen nach Hittorf in einer dreikammerigen Elektrolysezelle4,5 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 22 4. Ionentransport 4.4. Einzelionenleitfähigkeiten - Überführungszahlen Hittorf-Methode Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 23 4. Ionentransport 4.5. Diffusion Nicht nur Wanderung im elektrischen Feld, sondern zusätzlich auch aufgrund von Konzentrationsgradienten. Zentrale Größe: chemisches Potential (siehe vorher), d.h. wird eine Masseneinheit vom Ort des chemischen Potentials µ(1) zu einem Ort mit µ(2) gebracht, ist dafür eine Arbeit W=µ(2)-µ(1) aufzuwenden, bzw. dW = µ ( x + dx ) − µ ( x) = µ ( x) + dµ dµ dx − µ ( x) = dx dx dx Damit ist aber eine Kraft dW = − Fdx verknüpft. dµ Daraus folgt für die treibende Kraft, die für den Stofftransport maßgebend ist F = − dx p ,T Mit der Definition der Konzentrationsabhängigkeit des chemischen Potentials gemäß µ = µ 0 + RT ln c (nur ideale Lösung) ergibt sich weiter: ∂ RT ∂c ∂ ln c F = − (µ 0 + RT ln c ) = − RT =− ∂x c ∂x p ,T ∂x p ,T Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 24 4. Ionentransport 4.5. Diffusion Figur 34: Bilanzquader zur Bestimmung der Diffusion (links) und Zusammenhang zwischen Diffusionsfluss und Konzentrationsgradient (rechts)3 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 25 4. Ionentransport 4.5. Diffusion Wie ist diese Kraft mit der Ionenbeweglichkeit verknüpft? Teilchenfluss ↔ Kraft ↔ Konzentrationsgradient Die Wanderungsgeschwindigkeit ergibt sich im Wesentlichen aus Beschleunigung gemäß Kraft aufgrund des Konzentrationsgradienten und Bremsung durch die Reibung. Da ν jedoch proportional der beschleunigenden Kraft F ist, und diese wiederum dem Konzentrationsgradienten, muss auch der Teilchenfluss J proportional zu diesem Konzentrationsgradienten sein. J = − Bc dµ BRTc dc dc =− = −D dx c dx dx 1. Ficksches Gesetz der Diffusion D…Diffusionskoeffizient [m2s-1]. Die Wanderungsgeschwindigkeit ist also: v=− D dc D = F c dx RT Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 26 4. Ionentransport 4.5. Diffusion Figur 35: Übersicht verschiedener Transportphänomene3 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 27 4. Ionentransport 4.5. Diffusion Korrektur des Diffusionskoeffizienten im Fall einer realen Lösung Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 28 4. Ionentransport 4.5. Diffusion Damit ist eine Beziehung zwischen der wirksamen Kraft und der resultierenden Geschwindigkeit hergestellt. Welche Kraft zur Berechnung verwenden? Brauche einen anderen Ausdruck, der diese beiden Größen miteinander verknüpft. Früher: v = uE verursacht von einer Kraft ezE bzw. für ein Mol zFE. Daraus folgt uE = D zFE RT u= ezD kT D= ukT ez Einstein-Beziehung zwischen Diffusionskoeffizienten und der Ionenbeweglichkeit. Anhand dieser Gleichung können weitere Beziehungen zwischen dem Diffusionskoeffizienten und Parametern der Lösung hergeleitet werden. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 29 4. Ionentransport 4.5. Diffusion Die Transportprozesse der Diffusion und der Leitfähigkeit können über folgende Überlegung verknüpft werden: Die Einzelionen-Äquivalentleitfähigkeiten sind gegeben durch ( z + ) 2 D + Fe ( z + ) 2 D + F 2 Λ =u z F = = kT RT + + + (ebenso für Anion) Die Summe für Kation plus Anion, gewichtet mit der Anzahl der Ionen pro Formeleinheit ergibt F2 + + 2 + Λ= (ν ( z ) D + ν − ( z − ) 2 D − ) RT Nernst-Einstein-Beziehung Mit dieser Formel können aus Messungen der Leitfähigkeiten die Diffusionskoeffizienten bestimmt werden (bzw. auch die Leitfähigkeit aus Diffusionsmodellen berechnet werden). Weil die Wanderungsgeschwindigkeit sowohl aus v = uE als auch über v = gilt: D= kT 6rπη ezE 6rπη Stokes-Einstein-Beziehung Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 30 4. Ionentransport 4.5. Diffusion Unmittelbar damit verknüpft ist die experimentelle Beobachtung, dass das Produkt Λ0η für ein bestimmtes Ion in verschiedenen Lösungsmitteln fast den gleichen Wert aufweist (Waldensche Regel). Dies gilt jedoch nur unter Missachtung der Solvatation (diese führt zu einem unterschiedlichen hydrodynamischen Radius und damit zu einer Änderung der Viskosität) → Näherungsregel! Figur 36: Überprüfung der Waldenschen Regel5 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 31 4. Ionentransport 4.6. Abweichung vom Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung a. Extrem hohe Leitfähigkeiten der H+ und OH- Ionen Sehr große Leitfähigkeit, obwohl große Hydrathülle; Mechanismus läuft über Grotthus-Mechanismus - keine Wanderung der Ionen, sondern Ladungstransport über umklappen der Wasserstoffbrückenbindungen. Figur 37: Grotthus-Mechanismus der H und OH-Ionenwanderung5 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 32 4. Ionentransport 4.6. Abweichung vom Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung b. Starke Konzentrationsabhängigkeit schwacher Elektrolyte Für schwache Elektrolyte muss die nicht vollständige Dissoziation berücksichtigt werden. Betrachtet man eine Dissoziation (zB. HOAc) gemäß MA(aq) ⇔ M + (aq) + A − (aq) verschiebt sich beim Verdünnen das Gleichgewicht nach rechts. Das Dissoziationsgleichgewicht kann formuliert werden als [ M + (aq)][ A − (aq)] (αc)(αc) α 2 K= = = c [ MA(aq)] (1 − α )c 1 − α mit α....Dissoziationsgrad Dies führt dazu dass die gemessene Leitfähigkeit um den Faktor α geringer ist als die hypothetisch mögliche unter der Voraussetzung der vollständigen Dissoziation, d.h. Λ = αΛ0m Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 33 4. Ionentransport 4.6. Abweichung vom Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung Die Gleichung der Gleichgewichtskonstanten K kann geschrieben werden als 1 α = 1+ αc K bzw. mit der Definition des Dissoziationsgrades erhält man das Ostwald’sche Verdünnungsgesetz Λc 1 1 = 0 + Λ Λ K ( Λ0 ) 2 Figur 38: Überprüfung des Ostwald‘schen Verdünnungsgestzes5 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 34 4. Ionentransport 4.6. Abweichung vom Gesetz der unabhängigen Ionenwanderung Beispiele 1) Der Widerstand einer 0.01M HOAc-Lösung hat den Wert 2200 Ohm. Die Zellkonstante der Messzelle beträgt 0.367 cm-1. Berechnen Sie die Dissoziationskonstante K, den pKWert und den Dissoziationsgrad. 2) Wie groß sind der Diffusionskoeffizient, die molare Grenzleitfähigkeit und der hydrodynamische Radius des Sulfat-Ions? Die Beweglichkeit beträgt 8.29x10-4 cm2 s-1V-1. Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 35 4. Ionentransport 4.7. Experimenteller Nachweis der Effekte der Ionenwolke Wir wissen: starke Elektrolyten liegen stets vollständig dissoziiert vor. Eine Konzentrationsabhängigkeit muss damit auf interionische bzw. Solvatations- Wechselwirkungen zurückzuführen sein. Wie können die Effekte der Ionenwolke durch Leitfähigkeitsexperimente sichtbar gemacht werden? 1) Relaxationseffekt: Ionenwolke erzeugt um das positive Ion ein negatives Zusatzpotential, dessen Minimum sich am Ort des ruhenden Ions befindet. Bewegt sich das Zentralion, kann sich die Ionenwolke nicht sofort neu bilden → es entsteht ein elektrisches Zusatzpotential, gegen das das Ion transportiert werden muss. Die Größe dieses elektrischen Feldes hängt ab von der Schnelligkeit der Readjustierung der Ionenwolke. 2) Elektrophoretischer Effekt: Das elektrische Feld wirkt nicht nur auf das Ion, sondern auch auf die Ionenwolke, die sich damit aber in entgegen gesetzte Richtung wie das Ion bewegt. Da die Ionenwolke versucht, das Ion mitzuziehen, entsteht eine zusätzliche Kraft, gegen die das Ion bewegt werden muss. 3) Debye-Falkenhagen-Effekt: Hochfrequente Wechselspannung (10-100 MHz) sorgt dafür, dass die Asymmetrie der Ionenwolke verschwindet → Leitfähigkeit nimmt zu. 4) 1.Wien’sche Effekt: Bei sehr großen Feldstärken (~ 2∙105 Vcm-1) wird die Geschwindigkeit so groß, dass die Ionen aus ihrer Wolke herauslaufen und sich keine Ionenwolke mehr bilden kann. Kein Relaxations bzw. elektrophoretischer Effekt → Leitfähigkeit nimmt zu. 5) 2.Wien’sche Effekt: In einem starken elektrischen Feld nimmt der Dissoziationsgrad eines schwachen Elektrolyten zu → Leitfähigkeit nimmt zu. Eine erweiterte Theorie versucht diese Effekte mit zuberücksichtigen (Debye-Hückel-Onsager Theorie) - sie liefert im Prinzip ähnliche Ausdrücke Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 36 4. Ionentransport 4.8. Anwendungen der Ionenleitfähigkeit (siehe Analytik-Vorlesungen) 1. Konduktometrische Titration 2. Elektrophorese 3. Isoelektrische Fokussierung Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 37 4. Ionentransport 4.9. Ionenleitung in Festkörpern In idealen Festkörpern keine Ionenbewegung möglich, daher Leitung über Fehlstellen, z.B. SchottkyFehlstellen (Leerstellen von Kation und Anion) oder Frenkel-Fehlstellen (Kation in Zwischengitterplatz und Kation-Leerstelle). Dabei können diese Fehlstellen intrinsisch (also auch im thermodynamischen Gleichgewichts des Kristalls vorkommen) oder extrinsisch sein (Dotierung). Beispiele: NaCl, AgS (Transport der Ag+ Ionen im Zwischengitter/Zwischengitterstoßmechanimus), Na2O-Al2O3 (Bewegung der Na+ Ionen zwischen schichtartiger Elementarzellenstruktur), PbO2, PbS, ZnO. Prominenter extrinsischer Ionenleiter: ZrO2 mit Y2O3 dotiert („YSZ“), für 2 Yttriumionen entsteht eine Sauerstoff-Leerstelle-Sauerstoff kann über die Leerstelle wandern. ZrO2 → Zr 4+ + 2O 2− und Y2 O3 → 2YZr3+ + 3OO2 − + VO Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 38 4. Ionentransport 4.9. Ionenleitung in Festkörpern Figur 39: Struktur des Na2O-Al2O3 Ionenleiters (Mitte) bzw. Temperaturabhängigkeit der Leitfähigkeit verschiedener Festkörper-Ionenleiter (links) 4 Figur 40: Materialien und Anwendungen als Funktion der Ionen- und Elektronenleitfähigkeit (rechts) 4 Physikalische Chemie III/2 (Elektrochemie) 39