101 11 Bernoulli-Kette und Binomialverteilung 11.1 Definition und Bernoulli-Formel Jedes beliebige Zufallsexperiment kann zu einem Experiment mit zwei Ergebnissen gemacht werden, wenn man bei der Ausführung nur fragt, ob ein bestimmtes Ereignis E eingetreten ist (Treffer T) oder nicht (Niete N), d. h., der Ergebnisraum des Zufallsexperiments kann vergröbert werden in der Form Ω = {T, N}. Die Wahrscheinlichkeit für einen Treffer bezeichnen wir mit P(T) = p und für eine Niete mit P(N) = q = 1 – p. Solche Zufallsexperimente haben einen eigenen Namen: Bernoulli-Experiment Ein Zufallsexperiment heißt Bernoulli-Experiment, wenn sein Ergebnisraum nur zwei Ergebnisse enthält. Ein Tetraeder mit den Seiten 1, 2, 3, 4 wird einmal geworfen. Das Werfen des Tetraeders wird zu einem Bernoulli-Experiment, wenn man z. B. fragt, ob eine 4 geworfen wurde oder nicht. Wenn ein Bernoulli-Experiment mehrmals hintereinander ausgeführt wird, definiert man: Bernoulli-Kette Ein Zufallsexperiment, das aus n unabhängigen Durchführungen eines Bernoulli-Experiments besteht, heißt BernoulliKette der Länge n oder eine n-stufige Bernoulli-Kette. Wenn eine Bernoulli-Kette der Länge n genau k Treffer besitzt, dann besitzt sie auch genau n – k Nieten. Da die Ausführungen des Bernoulli-Experiments unabhängig voneinander erfolgen, 102 Bernoulli-Kette und Binomialverteilung gilt die Produktregel, d. h., die Wahrscheinlichkeiten werden multipliziert. Es gilt: Wahrscheinlichkeit eines Ergebnisses In einer Bernoulli-Kette der Länge n mit der Trefferwahrscheinlichkeit p und der Nietenwahrscheinlichkeit q = 1 – p hat jedes Ergebnis ω mit k Treffern und n – k Nieten die Wahrscheinlichkeit P({ω}) = pk ⋅ qn – k, k = 0, 1, …, n unabhängig davon, an welcher Stelle des n-Tupels die k Treffer stehen. Ein Blumensamen keimt mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 %. Beate steckt zehn Blumensamen in einer Reihe in ein Blumenbeet. Mit welcher Wahrscheinlichkeit keimen nur der zweite und der sechste der Samen nicht? Lösung: Es gilt: n = 10, p = 0,9, q = 0,1 ⇒ P({ω}) = 0,98 ⋅ 0,12 ≈ 0,0043, weil acht der Samen keimen und zwei nicht. Da man die k Treffer in einem solchen Ergebnis-n-Tupel auf n k Plätze verteilen kann, gibt es nk solche n-Tupel mit k Treffern. Es gilt: Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses Für die Wahrscheinlichkeit, in einer Bernoulli-Kette der Länge n mit der Trefferwahrscheinlichkeit p genau k Treffer zu erzielen, gilt die Bernoulli-Formel P(X = k) = kn ⋅ p k ⋅ q n − k (0 ≤ k ≤ n) unabhängig davon, an welcher Stelle des n-Tupels die k Treffer stehen. Die Zufallsgröße X gibt bei einer Bernoulli-Kette in der Regel die Anzahl der Treffer an.