technische universität münchen - M10

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TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN
Zentrum Mathematik
Prof. Dr. Dr. Jürgen Richter-Gebert, Martin von Gagern
Projektive Geometrie SS 2013
www-m10.ma.tum.de/ProjektiveGeometrieSS13
Lösungen zu Aufgabenblatt 5 (27. Mai 2013)
— Präsenzaufgaben —
Aufgabe 1. Bracket-Polynome
a) Es seien A bis F sechs Punkte in allgemeiner Lage. Die Gleichung [ABC][DEF ] − [ABD][CEF ] = 0 ist genau
dann erfüllt, wenn die Geraden (A∨B), (C ∨D) und (E ∨F ) durch einen gemeinsamen Punkt gehen. Beweisen Sie
diesen Zusammenhang anders als in der Vorlesung, indem Sie sich auf einen Spezialfall zurückziehen, in dem zumindest zwei der Geraden parallel sind, und interpretieren Sie die Determinanten als orientierte Dreiecksflächen.
Begründen Sie, warum dieser Spezialfall die Allgemeinheit nicht beschränkt.
b) Geben Sie ein Bracket-Polynom an, das genau dann Null wird, wenn der Punkt K auf der folgenden Geraden
(A ∨ B) ∧ (C ∨ D) ∨ (E ∨ F ) ∧ (G ∨ H)
liegt. Nehmen Sie dabei an, dass die Punkte hinreichend allgemein liegen, so dass diese Gerade tatsächlich
eindeutig definiert ist.
c) In den vorangegangenen Teilaufgaben wurden degenerierte Situationen ausgeschlossen, indem eine hinreichend
allgemeine Lage der Punkte postuliert wurde. Welche Aussagekraft haben die jeweiligen Bracket-Polynome noch,
wenn diese Annahmen nicht mehr gelten und degenerierte Situationen auftreten?
Lösung:
a) Durch eine projektive Transformation können die Geraden parallel gemacht werden, indem der Schnittpunkt
ins Unendliche geschoben wird. Damit kann man die geometrische Aussage auch formulieren als Bedingung,
dass die dritte Gerade zu den zwei vorgegebenen parallel sein soll. Um über Determinanten als orientierte
Dreiecksflächen zu reden, sollte man weiterhin annehmen, dass alle Punkte endlich sind und durch Vektoren mit
z = 1 repräsentiert werden.
Es seien A ∨ B und E ∨ F zueinander parallele Geraden im Abstand h zu einander. Der Abstand des Punktes C
zu A ∨ B sei c, der Abstand des Punktes D zu dieser Geraden sei d. Damit ergeben sich die Determinanten als
0 = [ABC][DEF ] − [ABD][CEF ] = kA − Bkc · kE − F k(h − d) − kA − Bkd · kE − F k(h − c)
= c(h − d) − d(h − c) = ch − cd − dh + dc = (c − d)h
Da h aufgrund der allgemeinen Lage nicht Null ist, ist die Gleichung genau dann erfüllt, wenn c = d ist, was
bedeutet, dass diese beiden Punkte und gleichen Abstand zu A ∨ B haben, so dass die von ihnen aufgespannte
Gerade auch parallel zu den anderen beiden ist.
Das Bracket-Polynom ist multihomogen, so dass die Wahl der Repräsentanten die Allgemeinheit nicht beschränkt.
Außerdem ist die Verschiebung eines Punktes ins Unendliche durch eine projektive Transformation machbar, die
ebenfalls die Gleichung nicht beeinflusst. Daher ist der Beweis allgemeingültig.
1
b) Auf den Ausdruck in Teilaufgabe a) war man in der Vorlesung ja über folgende Überlegung gekommen: Der
Schnittpunkte P = (A ∨ B) ∧ (C ∨ D) ist genau die Linearkombination von A und B, die mit C und D kollinear
ist.
P = λA + µB
0 = [CDP ] = λ[CDA] + µ[CDB]
µ = −[CDA]
λ = [CDB]
P = [CDB]A − [CDA]B
Auf diese Weise kann man auch den in der Aufgabe vorkommenden zweiten Schnittpunkt Q ausdrücken, und
dann die Kollinearität als weitere Determinante schreiben:
P = [CDB]A − [CDA]B
Q = [GHF ]E − [GHE]F
0 = [P QK] = [[CDB]A − [CDA]B, [GHF ]E − [GHE]F, K]
= [CDB][GHF ][AEK] − [CDB][GHE][AF K] − [CDA][GHF ][BEK] + [CDA][GHE][BF K]
c) Die konstruktiv formulierte Variante gilt dann nicht mehr unbedingt, da Schnittpunkt oder Verbindungsgerade
nicht mehr eindeutig definiert sein müssen. Was bleibt ist eine Existenzaussage: Es gibt Punkte, die die Rolle von
P und Q erfüllen können, und mit denen alle fünf in der Aufgabenstellung implizit beschriebenen Kollinearitäten
gelten. Eventuell sind diese Punkte nicht mehr eindeutig definiert.
Aufgabe 2. Konstruierbares Maximum
Gegeben sei eine projektive Basis 0, 1, ∞ auf einer Zeichengeraden. Aus diesen Punkten lassen sich mit den von-StaudtKonstruktionen für Addition und Multiplikation weitere Punkte konstruieren, die bezüglich der Skala bestimmten Zahlen entsprechen. m(n) sei die größtmögliche Zahl, die auf diese Weise konstruiert werden kann, wenn die Konstruktion
maximal n Punkte enthalten darf. Dabei sollen alle Punkte mitgezählt werden: die drei vorgegebenen, das Endresultat,
sowie alle Zwischenergebnisse und sonstigen Hilfspunkte, die für die von-Staudt-Konstruktionen verwendet werden.
Wird ein Hilfspunkt von mehreren von-Staudt-Konstruktionen verwendet, ist er dennoch nur ein mal zu zählen.
a) Geben Sie eine Formel (ggf. mit Fallunterscheidungen) an, die m(n) für alle n ∈ {3, 4, 5, . . . } errechnet.
b) Untersuchen Sie asymptotisch das Verhalten von m(n).
c) Mit der in den meisten Computerprogrammen verwendeten Gleitkommadarstellung in doppelter Genauigkeit
(double precision floating point numbers) sind endliche Zahlen nur dann darstellbar, wenn sie kleiner als 21024
sind. Wie viele Punkte reichen aus, um eine Inzidenzkonfiguration anzugeben, die diese Schranke sprengt?
d) Bereits deutlich kleinere natürliche Zahlen können als Gleitkommazahlen nicht mehr exakt widergegeben werden:
oberhalb von 253 werden natürliche Zahlen eventuell auf Vielfache von Zweierpotenzen gerundet. Wie viele
Punkte benötigt man zum Durchbrechen dieser Schranke?
Lösung:
Mit m(n) wird laut Aufgabenstellung die maximale mit n Punkten konstruierbare Zahl bezeichnet. n < 3 geht nicht,
da drei Punkte bereits vorgegeben sind. Für n = 3 ergibt sich m(3) = 1, da dies der größte vorgegebene Punkt ist.
Ausgehend von diesen drei Punkten kann eine Multiplikation keine neuen Punkte ergeben, so dass die erste Konstruktion eine Addition sein muss, die 1 + 1 = 2 berechnet, da alle anderen Operationen nur wieder zu bekannten Punkten
führen. Die Addition benötigt vier Hilfspunkte abseits der Rechengerade sowie einen Punkt für das Ergebnis, was zu
einer Gesamtzahl von 8 führt, also m(8) = 2.
2
0
1
2
Addition 1 + 1 = 2
∞
0
1
2 3
Wiederholte Addition 1 + k
∞
Jetzt kommt die Multiplikation ins Spiel: ausgehend von den bereits existierenden Konstruktionselementen kann man
mit nur zwei weiteren Punkten eine Multiplikation ausführen. Da auch eine Addition ausgehend von den bestehenden
Elementen zwei weitere Punkte benötigen würde, macht es keinen Sinn, an dieser Stelle weiter Additionen auszuführen.
Mit einer einzigen Multiplikation erhält man m(10) = 4.
0
1
2
4
Multiplikation 2 · 2 = 4
∞
0 1 2
4
8
Wiederholte Multiplikation 2 · 2k = 2k+1
∞
Man kann jetzt weiter die Zahl 2 auf das jeweils neueste Ergebnis multiplizieren, und erhält somit Zahlen 2k aus
Konstruktionen mit 2k + 6 Punkten. Es geht aber noch besser: Ausgehend von der 4 kann man diese auch mit sich
selbst multiplizieren, um somit die 16 ohne Umweg über die 8 zu konstruieren. Diese neue Konstruktion zum Quadrieren
benötigt einen weiteren Hilfspunkt auf der Geraden im Unendlichen, und somit insgesamt drei neue Punkte. Deshalb
ist für 12 Punkte noch die Multiplikation mit 2 günstiger, und m(12) = 8.
3
∞
0
0
1
2
4
16
2
∞
1 2
4
16
Wiederholte Quadratur 2(2
Quadratur 4 = 16
k
Mit Quadrieren erhält man m(13) = 42 = 16 und allgemein m(3k + 7) = 2(2
)
k
256
) 2
k
= 2(2
·2)
= 2(2
k+1
)
für k ≥ 1.
Wenn die Schranke n keine komplette Quadratur zulässt, könnte mit den verbleibenden Punkten noch eine Multiplikation in Frage kommen. Bei zwei zusätzlichen Punkten multipliziert man am günstigsten die vorletzte Zahl auf die letzte,
1
um so statt der zweiten eine dritte Potenz zu berechnen. Auf diese Weise erhält man etwa m(15) = 43 = 2(2 ·3) = 64
k
und allgemein m(3k + 12) = 2(2 ·3) .
Mit nur einem einzigen Punkt lässt sich keine zusätzliche von-Staudt-Konstruktion mehr anfertigen. Wenn man jedoch
eine Quadratur ausfallen lässt, so kann man statt dieser zwei Multiplikationen ausführen. Dies bringt jedoch keinerlei
Gewinn: statt über Quadrieren mit drei Punkten von x2 auf x4 zu kommen, kommt man über Multiplizieren zunächst
mit zwei Punkten auf x3 und dann ebenfalls auf x4 , mit insgesamt vier weiteren Punkten. Da kann man den letzten
verfügbaren Punkt genausogut verfallen lassen.
a) Asymptotisch ist lediglich das wiederholte Quadrieren relevant. Jede Quadratur benötigt dabei drei Punkte, so
dass sich das asymptotische Verhalten ergibt als:
n m ∈ Θ 2(2 3 )
b) Um m direkt in Abhängigkeit von n auszudrücken, kann man wie folgt umformen:
m(3k + 7) = 2(2
k
)
n
(2 3
m(n + 7) = 2
(2
m(n) = 2
)
n−7
3
m(3k + 12) = 2(2
k ∈ {1, 2, 3, . . . }
)
k
·3)
n
(2 3
n ∈ {3, 6, 9, . . . }
m(n + 12) = 2
·3)
n
(2 3 −4 ·3)
n ∈ {10, 13, 16, . . . }
m(n) = 2
Insgesamt ergeben sich also folgende Formeln:

1





2
n
3·2 3 −4
m(n) =
2


n−7 


 2b 3 c
2
k ∈ {0, 1, 2, . . . }
n ∈ {0, 3, 6, . . . }
n ∈ {12, 15, 18, . . . }
für 3 ≤ n ≤ 7
für 8 ≤ n ≤ 9
für n ≥ 12, n mod 3 = 0
sonst
c) 1024 = 210 , weshalb mit 3 · 10 + 7 = 37 Punkten bereits eine Konfiguration formuliert werden kann, die den
Rahmen des Darstellbaren sprengt.
d) 3 · 24 = 48 < 53 < 64 = 26 , weshalb bereits ab 3 · 6 + 7 = 25 Punkten selbst ganzzahlige Koordinaten nicht mehr
unbedingt exakt wiedergegeben werden können. Man könnte also mit 25 Punkten die Zahl 264 konstruieren und
mit zwei weiteren Punkten die Zahl 1 dazu addieren. Das Ergebnis wäre eine Konfiguration mit 27 Punkten, von
denen manche vom Computer nicht mehr unterschieden werden können.
4
— Hausaufgaben —
Aufgabe 3. Doppelverhältnisse in CP1
CP1 ist die projektive Gerade über C. Stellen Sie sich diese vor als die komplexe Zahlenebene (also die Ebene, in der
Realteil und Imaginärteil zwei reelle Koordinaten sind), zusammen mit einem weiteren Punkt im Unendlichen. Punkte
in dieser Zeichenebene werden homogen durch Vektoren aus zwei komplexen Zahlen beschrieben.
a) Überlegen Sie sich, weshalb in dieser Zeichenebene Doppelverhältnisse auch von nicht-kollinearen Punkten sinnvoll definiert sind, ohne dass man dazu einen Punkt angeben müsste, von dem aus dieses zu betrachten sei.
b) Geben Sie (möglichst einfache) Koordinaten an für vier Punkte, so dass drei davon ein gleichseitiges Dreieck
bilden, und der vierte in der Mitte dieses Dreiecks liegt. Berechnen Sie ein Doppelverhältnis dieser vier Punkte.
c) Berechnen Sie ein Doppelverhältnis von vier Punkten, die ein Quadrat bilden.
d) Überlegen Sie sich, möglichst ohne viel zu rechnen, wie viele andere Werte bei den eben ausgerechneten Doppelverhältnissen durch Vertauschen der Reihenfolge auftreten können, und welche Werte sich so ergeben.
Lösung:
a) Die „Ebene“ ist im Sinne der projektiven Geometrie gar keine Ebene, sondern eine Gerade über dem Körper
C. Die Anschauung als reelle Ebene ändert daran nichts. Da die Vektoren nur zwei Einträge haben, ist in den
Determinanten gar kein Platz, um noch einen dritten Punkt als „Blickpunkt“ einzubauen. Für vier beliebige
Zahlen ist das Doppelverhältnis also entweder eine komplexe Zahl oder unendlich.
b) Mögliche Koordinaten sind
0
A=
1
2
B=
1
C=
√ −1 + 3i
1
√ −1 − 3i
D=
1
Da die zweite Koordinate überall 1 ist, kann man die Determinante [AB] auch schreiben als a − b, wobei a die
erste Komponente von A sei. Damit ergibt sich das Doppelverhältnis
√
√
√
(a − c)(b − d)
3 − 3i
(1 − 3i)(2 + 1 + 3i)
√
√
√
=
(A, B; C, D) =
=
(a − d)(b − c)
(1 + 3i)(2 + 1 − 3i)
3 + 3i
√
√
√
√
6 − 6 3i
1
3
(3 − 3i)(3 − 3i)
√
√
=
= −
i
=
12
2
2
(3 + 3i)(3 − 3i)
c) Man wählt wieder alle Koordinaten in Standard-Einbettung, etwa so:
a=1
b=i
c=0
d=1+i
Damit ergibt sich
(A, B; C, D) =
(a − c)(b − d)
(1 − 0)(i − 1 − i)
−1
=
=
= −1
(a − d)(b − c)
(1 − 1 − i)(i − 0)
1
Die vier Punkte liegen also in harmonischer Lage.
d) Es gibt immer eine Permutation der Punkte, die einen bestimmten der vier Punkte an die erste Stelle bringt, ohne
den Wert des Doppelverhältnisses zu ändern. Aus diesem Grund schränkt die Wahl, den Mittelpunkt A immer an
erster Stelle zu nehmen, die Möglichkeiten noch nicht ein. Die verbleibenden drei Möglichkeiten entsprechen den
Symmetrien des Dreiecks. Dabei kann man jedoch Rotationen um den Ursprung als projektive Transformationen
auffassen, unter denen das Doppelverhältnis bekanntlich invariant ist. Lediglich eine Änderung des Drehsinns
ist (unter Beibehaltung des Mittelpunkts) keine projektive Transformation. Eine Operation, die den Drehsinn
ändert, indem sie C und D vertauscht,
ist die Konjugation. Dabei wird auch das Ergebnis konjugiert, so dass
√
der zweite mögliche Wert 12 + 23 i ist.
Hinweis: Eine projektive Abbildung ist in CP1 wie in jeder projektiven Geraden durch drei Punkte und deren
Bilder definiert. Eine so aufgestellte Transformation, die den Drehsinn des Dreiecks ändert, vertauscht jedoch
den Mittelpunkt mit dem Fernpunkt, so dass sich das Doppelverhältnis der vier Punkte ändert.
Das Quadrat hat harmonische Lage, und somit je nach Wahl der Reihenfolge eines der drei dafür bezeichnenden
Doppelverhältnisse: −1, 12 oder 2. Das entspricht den drei Möglichkeiten, mit welchem der drei anderen Punkte
der Punkt A ein Paar bildet, da harmonische Lage ja eine Eigenschaft von zwei unsortierten Punktepaaren ist.
5
Aufgabe 4. Teilverhältnisse
a) In RP2 sei ein nicht degeneriertes Dreieck gegeben durch seine Eckpunkte A1 , A2 , A3 . Die Seiten werden durch
Punkte Bi unterteilt, wobei Bi auf der Verbindungsgerade von Aj und Ak liegt, für {i, j, k} = {1, 2, 3}. Alle
bisher beschriebenen Punkte seien endlich. Fertigen Sie eine Skizze dieser Konfiguration an.
b) Es sei Fi der Fernpunkt der Verbindungsgerade Aj ∨ Ak für {i, j, k} = {1, 2, 3}. Mit diesem sei das sogenannte
Teilverhältnis ti mit Hilfe des Doppelverhältnisses definiert als
ti = −(Ai+1 , Ai+2 ; Bi , Fi )
wobei die Indizes modulo 3 gerechnet werden. Beschreiben Sie das so definierte Teilverhältnis als ein Verhältnis
euklidischer Längen. Welche Rolle spielt die Orientierung dabei?
c) In der Standardeinbettung mit auf z = 1 normierten Repräsentanten können Sie 3 × 3-Determinanten auch als
orientierte Dreiecksflächen auffassen. Verwenden Sie diese Interpretation, um die oben definierten Teilverhältnisse
ti äquivalent als Verhältnisse von Flächen zu beschreiben. Verwenden Sie bestehende Punkte der Konfiguration
als Ecken dieser Flächen.
d) Im Folgenden soll das Produkt der drei Teilverhältnisse, also t = t1 · t2 · t3 , genauer untersucht werden. Drücken
Sie dieses Produkt mit Hilfe der Determinanten aus Teilaufgabe c) aus.
e) Begründen Sie, weshalb Sie die in Teilaufgabe c) eingeführte Normierungsbedingung auf z = 1 für den Wert von
t keine Rolle mehr spielt.
f) Untersuchen Sie, ob die so berechnete Größe t unter projektiven Transformationen invariant ist. Wie verhält sich
diese Größe insbesondere, wenn Punkte der Konfiguration auf die Gerade im Unendlichen abgebildet werden?
Lösung:
a) Jedes Bi liegt beliebig auf der Ai gegenüberliegenden Dreieckskante. Es kann auch auf der Verlängerung der
Kante liegen, also außerhalb der Strecke (Ai+1 , Ai+2 ), auch wenn das die nachfolgende Skizze nicht illustriert.
A1
B2
B3
A2
B1
A3
b) Man kann einfach eine Basis auf der Geraden annehmen, in der der Punkt Fi tatsächlich ein Fernpunkt ist.
a2 b1 a3 1
·
1 1 1 0
(a − b1 )(−1)
[A2 , B1 ][A3 , F1 ]
b1 − a2
=− 2
t1 =
= − =
[A2 , F1 ][A3 , B1 ]
(−1)(a3 − b1 )
a3 − b1
a2 1 · a3 b1 1 0 1 1 Die Tatsache, dass der Punkt Fi tatsächlich der Fernpunkt der Geraden ist, stellt sicher, dass sich die Differenzen
der Koordinaten tatsächlich als (gerichtete) euklidische Längen (bezüglich einer unbekannten aber wohldefinierten
Einheitslänge) auffassen lassen. Für das Teilverhältnis ti gilt also:
|ti | =
kBi , Ai+1 k
kAi+2 , Bi k
wobei kX, Y k als Schreibweise für die euklidische Distanz zwischen zwei Punkten X und Y gemeint ist.
Da die Distanzen im Doppelverhältnis mit Vorzeichen eingehen, muss man sich noch das Vorzeichen überlegen.
Aus der Gleichung oben kann man ablesen, dass das Vorzeichen genau dann positiv ist, wenn der Punkt Bi
zwischen den Punkten Ai+1 und Ai+1 liegt.
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c) Man kann das Teilverhältnis t1 auch schreiben als
t1 =
[B1 , A2 , A1 ]
[A3 , B1 , A1 ]
Die anderen Teilverhältnisse ergeben sich entsprechend zyklisch. Dass diese Gleichung zu obiger gleichwertig ist,
sieht man, wenn man die Determinanten als (doppelte) Dreiecksflächen betrachtet. Beide Dreiecke haben eine
Kante auf der Geraden A2 ∨ A3 , so dass der Abstand des Punktes A1 von dieser Geraden eine für beide Dreiecke
gleiche Höhe ist. Diese kürzt sich aus dem Bruch, so dass sich die Flächen wie die Grundseiten verhalten, und
die orientierten Flächen entsprechend wie die orientierten Grundseiten.
d)
t = t1 · t1 · t3 =
[B1 , A2 , A1 ][B2 , A3 , A2 ][B3 , A1 , A3 ]
[A3 , B1 , A1 ][A1 , B2 , A2 ][A2 , B3 , A3 ]
e) Die Punkte Ai kommen im Zähler wie im Nenner jeweils zweimal vor, die Bi jeweils einmal. Die Vorfaktoren
von Vielfachen kürzen sich daher aus dem Bruch, weshalb sie auf das Ergebnis keinen Einfluss haben.
f) Die Größe t ist projektiv, weil Zähler und Nenner wie gerade beschrieben multihomogen sind und gleiche Signatur
haben. Die Unabhängigkeit vom Repräsentanten wurde gerade gezeigt. Bei Transformation mit einer Matrix M
kürzt sich die dritte Potenz deren Determinante, da sie sich aus jeder einzelnen Bracket rausziehen lässt.
Man erhält also ausgehend von dem euklidischen Konzept „Längenverhältnis“ eine projektiv invariante Funktion,
die selbst dann noch sinnvoll definiert ist, wenn einzelne Objekte der Konfiguration im Unendlichen landen und
man nicht mehr sinnvoll von einzelnen Längen reden kann.
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