Demokratie und politisches System • Beitrag 8 IV Wahlkampf 1 von 30 Foto: Julian Stratenschulte © picture alliance / dpa Mit harten Bandagen — wie wird Wahlkampf gemacht? T H C I S N A R O V Auf den hohen Anteil an Nichtwählern macht dieses Transparent aufmerksam, nach der Bundestagswahl 2009 vor dem Reichstag in Berlin. Dr. Christine Koch-Hallas, Mannheim Dauer: 3 bis 4 Stunden Inhalt: Das deutsche Wahlrecht, Wahlrechtsgrundsätze, Funktionen von Wahlen, Protest- und Nichtwähler, Aufgaben und Ziele des Wahlkampfes, Wahlkampfthemen, Wahlen und Medien. Ihr Plus: Zahlreiche Links für die selbstständige Internetrecherche 25 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • Dezember 2012 Demokratie und politisches System • Beitrag 8 IV Wahlkampf 5 von 30 www.bundeswahlleiter.de Wer darf überhaupt wählen? Wann sind die nächsten Landtags-, Bundestags- oder Europawahlen? Und wie viele Wahlkreise gibt es überhaupt? Hier finden Sie Informationen sowie prägnante Erklärungen zu Fragen nach Erst- und Zweitstimme, Wahlrechtsgrundsätzen sowie zum Ablauf von Wahlen. www.bpb.de/politik/wahlen/wahl-o-mat Der Wahl-O-Mat bietet anhand einfacher Thesen einen Einblick in wichtige politische Fragen. Die Lernenden können ihre eigenen Ansichten mit der Position der einzelnen Parteien vergleichen und herausfinden, welche Partei am besten ihre Meinung vertritt. Materialübersicht Stunde 1 Wie funktioniert das bundesdeutsche Wahlsystem? M1 (Tx) Welche Stimme ist entscheidend? — Eine Abstimmung M2 (Ab) Wer darf wählen? — Was das Wahlrecht bestimmt T H C Stunde 2 Desinteresse oder Denkzettel? — Nichtwähler oder Protestwähler M3 (Sb) Die Nichtwähler — politische Normalität oder wachsende Distanz zu den Parteien? M4 (Tx) Das Phänomen der Protestwähler — Denkzettel für die etablierten Parteien? I S N Stunde 3 Was sollte man über den Wahlkampf wissen? M5 (Tx) Aufgaben und Ziele des Wahlkampfes M6 (Ab) Die Themen im Wahlkampf — wichtig oder unwichtig? M7 (Ab) Parteien und ihre Positionen — sechs Positionen suchen ihre Partei A R O Stunde 4 V Inwiefern beeinflussen die Medien die Wahlen? M8 (Fo) Wahlkampf — Parteien suchen ihre Schnittmengen M9 (Tx) Wahlkampf im Web – Chancen und Risiken M 10 (Tx) Methoden der modernen Wahlkampfführung Lernkontrolle M 11 (Lk) Wahlen und Wahlkampf — 10 Dinge, die ich wissen muss M 12 (Lk) Ein schöner Wahltag — Vorschlag für eine Klausur M 13 (Tx) Wahlen und Wahlkampf — ein Glossar Minimalplan Wenn Sie weniger Zeit zur Verfügung haben, können Sie folgendermaßen planen: Stunde 1 Wie Wahlen bei uns funktionieren M 1, M 2 Stunde 2 Wer gegen wen? — Wahlkampf M 5, M 6, M 10 25 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • Dezember 2012 Wahlkampf 6 von 30 Demokratie und politisches System • Beitrag 8 IV M1 Welche Stimme ist entscheidend? — Eine Abstimmung Bei der Bundestagswahl hat jeder Wähler zwei Stimmen zu vergeben. Was meinen Sie, welche Stimme ist wichtiger — die Erststimme oder die Zweitstimme? Informieren Sie sich im Text. Infokasten Mit der Erststimme wählt man die Person, die den Wahlkreis vertritt. ✗ ✗ Mit der Zweitstimme wählt man eine Partei. Abstimmung = Mehrheitswahl Wer die Mehrheit im Wahlkreis erzielt, gewinnt damit das Mandat. Abstimmung = Verhältniswahl So viele Stimmenanteile eine Partei erzielt, so viele Sitze gewinnt sie im Bundestag (BT) Insgesamt die Hälfte der Mandate (= 299) wird an die Gewinner der Wahlkreise vergeben. Die Zahl der Sitze im BT wird auf die Parteien nach dem Anteil an Zweitstimmen verteilt. Gesamtzahl der Wahlkreise: 299 Direktmandate Gesamtzahl der Sitze im Bundestag: 598 Mandate T H C Worüber entscheidet die Erststimme? I S N Die Hälfte der Abgeordneten wird nach relativer Mehrheitswahl direkt in Wahlkreisen gewählt. Diesen Direktmandaten gilt die Erststimme. Kandidaten, die also in einem Wahlkreis die meisten Erststimmen gewonnen haben, ziehen in den Bundestag ein. Die Erststimme macht den „personalisierten“ Teil des Wahlsystems aus, weil der Wähler damit eine bestimmte Person seines Wahlkreises wählt und somit Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Bundestages nimmt. Die Zahl der Direktmandate in einem Bundesland wird auf die, dieser Partei hier zustehende Gesamtsitzzahl angerechnet. * * A R O relative Mehrheitswahl = wer am meisten Stimmen erhält, hat gewonnen V Worüber entscheidet die Zweitstimme? Die Zahl der Sitze im Bundestag wird auf die Parteien, gemäß deren Anteil an Zweitstimmen, verteilt. Dabei bleiben Parteien unberücksichtigt, die weder 5 Prozent der gültigen Stimmen (5-ProzentKlausel) noch drei Direktmandate (Grundmandate) errungen haben. Anschließend werden die jeder Partei zustehenden Sitze auf die Bundesländer verteilt. Mit der Zweitstimme entscheidet man sich für eine Partei. Damit wird die Zusammensetzung des Bundestages gewählt. Deshalb ist die Zweitstimme wichtiger als die Erststimme. Die meisten Parteien sind zwar bundesweite Organisationen, treten aber zur Wahl mit Landeslisten an. Eine Partei kann in einem Bundesland mehr Direktmandate gewinnen, als ihr dort Sitze anhand der Zweitstimmen zustehen. Sie behält aber auf jeden Fall alle gewonnenen Direktmandate. Die überzähligen nennt man Überhangmandate. Dadurch vergrößert sich die Gesamtanzahl der Bundestagssitze. Aufgaben 1. Formulieren Sie einen Merksatz dazu, welche Stimme die entscheidende bei der Bundestagswahl ist. Begründen Sie den Begriff. 2. Was bedeutet Überhangmandat? Erklären Sie. 3. Prinzipiell gibt es für Kandidaten zwei Wege in den Bundestag. Erläutern Sie, welche beiden das sind. 25 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • Dezember 2012 Wahlkampf 8 von 30 Demokratie und politisches System • Beitrag 8 IV M2 Wer darf wählen? — Was das Wahlrecht bestimmt Entscheidend für das Wahlrecht ist, dass es von der Bevölkerung als gerecht und sachgemäß empfunden wird. Es sind daher so genannte Wahlrechtsgrundsätze festgelegt worden, die die Grundlage jeder Wahl bilden. Diese sind im Grundgesetz verankert. Die Wahlrechtsgrundsätze finden Sie in Artikel 38 des Grundgesetzes. 1. Welche Spielregeln gelten für Wahlen? — 5 Wahlrechtsgrundsätze Aufgabe: Bringen Sie die durcheinandergeratenen Buchstaben in die richtige Reihenfolge. A GAMLELIEN B HEGMIE C RFIE D MTILARBUTNE E CLIGHE T H C 2. Wer darf bei der Bundestagswahl wählen? — Aussagen zum Wahlrecht Aufgabe: Welche der folgenden Aussagen stimmen und welche nicht? Begründen Sie Ihre Entscheidung anhand des Grundgesetzes (Artikel 38). I S N A Wer mit 18 noch keinen Schulabschluss hat, darf trotzdem wählen. B Nur wer die deutsche Staatsangehörigkeit hat, darf wählen. C Wer keine Steuern zahlt, darf auch nicht wählen. D Das Wahlrecht kann Personen aberkannt werden, die wegen Schwerverbrechen verurteilt sind. stimmt stimmt nicht A R O V E Wenn man gegen Demokratie und Grundrechte ist, darf man nicht wählen. F Die Stimmen von Männern und Frauen zählen gleich viel. G Die Stimmen der Erstwähler werden gewichtet, sie zählen doppelt. H Der Wahlleiter kann die Stimme für ungültig erklären, wenn ihm die gewählte Partei nicht zusagt. I Wer nicht wählen geht, muss mit einem Bußgeld rechnen. J Verheiratete haben das Recht, gemeinsam in einer Wahlkabine ihre Stimme abzugeben. 3. Abstimmung per Internet? Es wird immer häufiger über die elektronische Form einer Wahl über das Internet nachgedacht. Aufgabe: Überlegen Sie sich jeweils ein bis zwei Vorteile und Nachteile, die eine Wahl per Internet mit sich bringen könnte. Vorteile: Nachteile: 25 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • Dezember 2012 Wahlkampf 12 von 30 Demokratie und politisches System • Beitrag 8 IV M4 Das Phänomen der Protestwähler — Denkzettel für die etablierten Parteien? Bei Wahlanalysen taucht häufig der Begriff Protestwähler auf. Warum dieser Begriff nicht eindeutig ist, wird im folgenden Text deutlich. Was sind Protestwähler? 5 10 Der Begriff Protestwähler bezeichnet einen Wähler, der durch seine Wahlentscheidung seinen politischen Protest ausdrücken will. Er stimmt in der Regel für Kandidaten einer extremen Partei, für deren Wahl es nur eine geringe Chance gibt, und drückt damit seine Unzufriedenheit mit den Kandidaten der großen politischen Parteien aus. Von anderen Wählerinnen und Wählern unterscheiden sich die Protestwähler, dass sie keinen Wechsel, sondern ein Umdenken erzielen möchten. T H C I S N 15 A R O V Zeichnung: Uli Stein 30 20 25 Nur Protest oder doch extreme Ansichten? Meistens wird der Begriff als Erklärung für den Zulauf für rechts-, aber auch linksextremistische Parteien benutzt. Es herrscht jedoch Uneinigkeit darüber, welchen Anteil die Protestwähler an der Zahl der Gesamtwähler stellen, da nicht klar zu erkennen ist, bei wem es sich tatsächlich um einen Protestwähler handelt und wer sich nur als ein solcher ausgibt, um seine wahre Gesinnung zu verbergen. Stimmen für Spaßparteien Als alternative Protestparteien eignen sich bei ausreichender Aufmerksamkeit auch sogenannte Spaßparteien mit radikalen Forderungen, deren Stimmengewinn öffentliches Aufsehen erregt und in der vom Protestwähler gewünschten Weise interpretiert wird: nämlich negativ und als Aufforderung an eine oder mehrere Parteien zur Veränderung des bisherigen Verhaltens. Aufgaben 1. Was unterscheidet einen Protestwähler von anderen Wählerinnen und Wählern? 2. Welche Gefahren ergeben sich aus der steigenden Zahl von Protestwählern für die Stabilität einer Demokratie? 3. In einer politischen Diskussion wirft ein Kandidat einem anderen vor, seine Partei sei populistisch. Was meint er damit? Erklären Sie diesen Begriff. 25 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • Dezember 2012 Demokratie und politisches System • Beitrag 8 IV Wahlkampf 13 von 30 M5 Aufgaben und Ziele des Wahlkampfes Wer kämpft im Wahlkampf? Staat Als Wahlkampf wird im engeren Sinne die politische Auseinandersetzung von Parteien und Wählervereinigungen um Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zu Personen und Programmen bezeichnet. In der Regel stehen sich verschiedene Bewerber gegenüber, denen es darum geht, besser als ihre Mitbewerber dazustehen. Vereine STOP AKW Verbände Medien Parteien Bürgerinitiativen Warum wird Wahlkampf immer wichtiger? Da die traditionelle Bindung an Parteien abnimmt, gewinnt der Wahlkampf zunehmend an Bedeutung. Unterschieden wird nach dem sogenannten „Vorwahlkampf“ und der „heißen Phase“, die die letzten drei bis vier Wochen vor dem Wahltag betrifft. Bevölkerung T H C Parteien nehmen eine zentrale Stellung im politischen System ein. Welche Funktionen hat der Wahlkampf? 1. Kirchen Wissenschaft I S N Im Wahlkampf wird verstärkt informiert in Form von Wahlprogrammen, politischen Äußerungen der Kandidaten, Anzeigen der Parteien etc. Der Wähler verfügt theoretisch also gerade während des Wahlkampfes über ein großes Angebot, sich mit den Zielsetzungen und Problemlösungskompetenzen der Parteien auseinanderzusetzen. Jedoch reduzieren die Parteien und Kandidaten die politischen Probleme oft auf öffentlichkeitswirksame Schlagwörter und einprägsame Redewendungen, um so ihren Kompetenzvorsprung gegenüber dem Konkurrenten deutlich zu machen. Dies führt häufig zu einer Informationsvernebelung anstelle eines wirklichen Informationsangebotes. 2. A R O V Im Wesentlichen geht es beim Wahlkampf um die Motivierung und Mobilisierung des eigenen Wählerpotenzials, aber auch der Wählerschaft insgesamt. 3. Das Ziel der verstärkten Identifikation richtet sich vor allem auf die Mitglieder und Anhänger der Parteien selbst. Gerade in einer Zeit verstärkter Außendarstellung der Parteien besteht für diese Wählergruppen leichter die Möglichkeit, sich zu ihnen zu bekennen. Nach: Medien und Wahlkampf. Aus Politik und Zeitgeschichte (B 15—16/2002); Wichard Woyke: Stichwort: Wahlen. Ein Ratgeber für Wähler, Wahlhelfer und Kandidaten, 11. überarb. Aufl., Opladen: VS Verlag 2005. Aufgaben 1. Was versteht man unter dem Begriff Wahlkampf? Erklären Sie. 2. Welche drei zentralen Funktionen hat der Wahlkampf? Finden Sie jeweils ein passendes Stichwort und setzen Sie dies als Überschrift über den Absatz. 3. Welche Probleme können sich für Bürgerinnen und Bürger aus der Informationspolitik der Parteien und Kandidaten im Wahlkampf ergeben? Zusatzaufgabe für die Schnellen Im Wahlkampf setzen die Parteien verschiedene Mittel ein, um in Kontakt mit den Wählerinnen und Wählern zu kommen. Welche Mittel sind das? Erstellen Sie dazu eine Mind-Map. 25 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • Dezember 2012 IV Demokratie und politisches System • Beitrag 8 Wahlkampf 27 von 30 M 12 Ein schöner Wahltag – Vorschlag für eine Klausur 1. Ein schöner Wahltag Vielleicht sollte ich ihm nicht immer alles einfach glauben? Am Donnerstag war Bundestagswahl. Mein Liebster wollte schon lange mal mit mir wählen gehen. Wir hatten einen Familienstimmzettel, obwohl wir nur verlobt sind. Aber mein Schatz meinte, man müsse den Frauen möglichst früh klar machen, wo es in der Politik langgeht. Nachdem wir am Eingang die Wahlgebühr von 10 Euro bezahlt hatten, suchten wir uns eine Wahlkabine aus. Dann überlegten wir uns lange, welchen Namen wir eintragen sollten. Ich sagte zwar, dass man nur ein Kreuzchen machen darf, aber mein Schatz meinte, Kreuzchen seien für Analphabeten. T H C Der Wahlleiter kontrollierte schließlich den Stimmzettel, ob wir auch alles richtig gemacht hatten und dann durfte ich den Umschlag in die große Truhe werfen, auf der das Wort „Wahlurne“ stand. I S N Den kurzen Heimweg traten wir mit einem Taxi an — kostenlos, weil die Partei für alle, die sie gewählt hatten, die Taxigebühr von bis zu 5 Euro bezahlte. Mein Liebster erklärte mir später, dass dies die berühmte 5-Prozent-Klausel sei. War das ein schöner Wahltag! 2. Die Funktion von Wahlen A R O In der repräsentativen Demokratie übt das Volk die von ihm ausgehende Staatsgewalt durch Wahlen aus. Sie sind das wichtigste Instrument politischer Mitwirkung, da sie zum einen politische Macht konstituieren und zum anderen Herrschaft legitimieren. Wahlen gelten als Entscheidung zwischen politischen Alternativen, die die Bildung einer auf Zeit gewählten Regierung und die Einsetzung eines Parlaments ermöglichen sollen, das diese Regierung trägt und kontrolliert. V Nach: Kevenhörster, Paul: Entscheidungen und Strukturen in der Politik., Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden, 3. Aufl., 2008. Aufgaben 1. Lesen Sie den ersten Text aufmerksam durch. Finden Sie die Fehler und erklären Sie diese auch auf der Grundlage der Wahlrechtsgrundsätze. 2. Was versteht man unter a) Nichtwählern und b) Protestwählern? Notieren Sie dies in Stichworten. 3. Lesen Sie den Text zur Funktion von Wahlen. Formulieren Sie daraus einen Satz, mit dem Sie einen Nichtwähler überzeugen möchten, doch zur Wahl zu gehen. 4. Welche Funktionen hat der politische Wahlkampf? Nennen Sie drei und erklären Sie eine ausführlich. 5. Was zeichnet den modernen Wahlkampf aus? Beschreiben Sie. 25 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • Dezember 2012