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Wahlkampf
Demokratie und politisches System • Beitrag 8
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Fachliche Hinweise
Die politischen Parteien sind im Dauerwahlkampf. Jedes Jahr findet mindestens eine Wahl statt.
Gewählt wird auf der Ebene der Kommunen, der Bundesländer, des Bundes und der Europäischen
Union. Die Parteien wollen in möglichst vielen Parlamenten mit ihren Mitgliedern vertreten sein und
viele Sitze gewinnen, um ihre Politik durchsetzen zu können. Dafür müssen sie stets werben.
Wie wird in Deutschland gewählt?
In Deutschland gilt bei Bundestags- und Landtagswahlen das personalisierte Verhältniswahlrecht.
Jeder wahlberechtigte Bürger hat zwei Stimmen zu vergeben. Während die Abgeordneten über die
Erststimme in den 299 Wahlkreisen durch Direktwahl bestimmt werden (relative Mehrheitswahl),
werden mit der Zweitstimme die 299 Abgeordneten durch Landeslisten der Parteien bestimmt (reine
Verhältniswahl). Die Direktkandidaten werden nach relativer Mehrheitswahl bestimmt, wie viele
Sitze eine Partei im Bundestag erhält, hängt jedoch allein — mit Ausnahme der Überhangmandate
— vom Anteil der Zweitstimmen ab. Die 598 Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden
nach Artikel 38 des Grundgesetzes in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl
gewählt (Wahlrechtsgrundsätze). Als Besonderheiten kennt das deutsche Wahlsystem die 5-Prozent-Klausel, die Grundmandatsklausel sowie die Überhangmandate.
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Vorteile und Nachteile
Wesentliche Vorteile des Verhältniswahlsystems sind zum einen, dass der „Wählerwille“ abgebildet
wird, da eine Partei entsprechend ihrem Anteil an Stimmen einen Anteil der Sitze im Parlament
erhält, und dass auch kleinere Parteien ein angemessenes politisches Mitwirkungsrecht erhalten.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass das Ergebnis der Wahl nur wenig durch den Zuschnitt der
Wahlkreise beeinflusst wird. Ein Nachteil des Verhältniswahlsystems besteht in der Gefahr der Zersplitterung des Parlaments, wenn sehr viele Parteien dort vertreten sind, wie beispielsweise in Italien oder der Weimarer Republik. Dadurch ist die Regierungsbildung meist erschwert, da die Bildung
von Koalitionen nötig wird und die Regierungen tendenziell instabiler sein können. Auch kann der
Wähler nicht entscheiden, welche Koalitionspartner regieren und er hat keinen direkten Einfluss auf
die Kandidaten, die in das Parlament einziehen, da die Listen in der Regel von den Parteien aufgestellt werden.
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Was hat es mit dem Phänomen der Nicht- und Protestwähler auf sich?
Die Wahlbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland hat seit 1949 auf allen Ebenen des politischen Systems unterschiedlich stark abgenommen und sie sinkt tendenziell weiter. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Nichtwähler bei Bundestagswahlen um knapp zehn Prozent
gestiegen. Besonders auffallend ist die niedrige Wahlbeteiligung bei Kommunal-, Regional-, Landtags- und Europawahlen. Unter den Experten existieren zwei entgegengesetzte Thesen: Die Krisenthese, die davon ausgeht, dass hinter der Wahlenthaltung überwiegend Politikverdrossenheit,
Protest und eine Ablehnung des Systems stehen, und die Normalisierungsthese, die die steigenden
Nichtwählerzahlen als eine längerfristige Normalisierung, im Vergleich zu anderen westlichen
Demokratien, betrachtet.
Ein anderes Phänomen stellen die Protestwähler dar, die für Kandidaten einer Partei stimmen, für
deren Wahl es nur eine geringe Chance gibt. Im Zusammenhang mit der bundesdeutschen Politik ist
die Verwendung des Begriffs jedoch problematisch, da er häufig als Erklärung für den Zulauf für
rechts- oder linksextremistische Parteien benutzt wird, wobei die Gefahr einer Verharmlosung und
Verschleierung extremistischer Gesinnungen besteht. Tatsächlich herrscht Uneinigkeit darüber,
welchen Anteil die Protestwähler an der Zahl der Gesamtwähler ausmachen, da nicht klar erkennbar
ist, bei wem es sich tatsächlich um einen Protestwähler handelt und wer sich nur als solcher ausgibt,
um dahinter seine extremistischen Überzeugungen zu verstecken.
Wie funktioniert Wahlkampf in Deutschland?
Wer eine Bundestagswahl gewinnt, erlangt Macht auf Zeit. Diese Macht nutzt der Gewinner dazu,
seine politischen Zielvorstellungen umzusetzen und so die Zukunft des Landes mit zu gestalten. Um
jedoch eine Wahl zu gewinnen, muss im Vorfeld ein harter und intelligenter Wahlkampf geführt wer25 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • Dezember 2012
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Demokratie und politisches System • Beitrag 8
Wahlkampf
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den, der möglichst viele Wählerinnen und Wähler für das eigene Parteiprogramm begeistert. Als
Wahlkampf wird im engeren Sinne das direkte Werben von Parteien oder Kandidaten um Stimmen
kurz vor einer Wahl bezeichnet. Im Wahlkampf sind die Parteien die zentralen Akteure. Sie präsentieren den Bürgerinnen und Bürgern ihre Ziele und werben um ihre Zustimmung und Sympathien, um
schließlich am Wahltag ihre Stimme zu erhalten. Der Wahlkampf erfüllt hauptsächlich drei Funktionen: Information der Bürger, Mobilisierung und Motivierung der Wählerschaft, und Identifikation,
die sich vor allem an die eigenen Mitglieder und Anhänger einer Partei richtet.
In den letzten Jahren hat eine grundlegende Veränderung des Wahlkampfes stattgefunden. Während der traditionelle Wahlkampf vor allem durch die Werbung der Kandidaten vor Ort und das Werben mit Wahlplakaten gekennzeichnet war, nimmt die Bedeutung der Massenmedien zu.
Amerikanische Methoden haben Einzug in den deutschen Bundestagswahlkampf gehalten: TVDuelle, perfekt inszenierte Parteitage, Image-Inszenierungen und Onlinekampagnen. Alle Parteien
lassen sich mittlerweile von professionellen Agenturen vermarkten, schließlich können kleine Fehler
alles entscheiden. Auch das Internet als Wahlkampfinstrument ist spätestens seit dem äußerst
erfolgreichen Wahlkampf 2.0 des US-Präsidenten Barack Obama zu einem zentralen Thema bei den
Wahlen geworden.
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Didaktisch-methodische Hinweise
Während der heißen Wahlkampfphase verfolgt die Mehrheit der Menschen in Deutschland mit
Spannung die Wahlprognosen und am Wahlabend das Ergebnis der Wahl. Die Aufgabe der Schule,
insbesondere des Politikunterrichts, besteht darin, gerade für die Heranwachsenden das Thema
politische Wahlen interessant zu gestalten und durch attraktive Materialien Zugangsbarrieren zu
überwinden.
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Stundenverlauf
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Stunde 1
Wie funktioniert das bundesdeutsche Wahlsystem?
Intention
Die Schülerinnen und Schüler sollen die wesentlichen Grundsätze des bundesdeutschen Wahlsystems kennenlernen.
Die Lernenden sollen gleich zu Beginn aktiv selbst eine Entscheidung treffen. In
M 1 setzen sie sich damit auseinander, was Erst- und Zweitstimme bedeuten.
Darüber hinaus diskutieren sie, welche Vor- und Nachteile dieses Wahlsystem
hat und sie erfahren, wie Überhangmandate zustande kommen. M 2 macht die
Lernenden mit den Wahlrechtsgrundsätzen vertraut.
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Materialien
M 1–M 2
Stunde 2
Desinteresse oder Denkzettel? – Nichtwähler oder Protestwähler
Intention
Die Schülerinnen und Schüler lernen den Unterschied von Nicht- und Protestwählern kennen und können beide Positionen kritisch beurteilen.
Materialien
M 3–M 4
Wie sich in Deutschland die Wahlbeteiligung entwickelt hat, erfahren die Lernenden in der zweiten Stunde. In M 3 analysieren sie die Ursachen und Motive
für die Stimmenthaltung bei politischen Wahlen. In M 4 geht es um die Wahlentscheidung von Protestwählern. Dabei werden die Lernenden dazu angeregt,
über ihr eigenes Wahlverhalten nachzudenken.
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25 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • Dezember 2012
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Wahlkampf
Demokratie und politisches System • Beitrag 8
IV
Stunde 3
Was sollte man über den Wahlkampf wissen?
Intention
Die Lernenden kennen die Funktion und die Aufgabe des Wahlkampfes und
können sich kritisch mit den Positionen der Parteien auseinandersetzen.
Materialien
M 5–M 7
In der dritten Stunde beschäftigen sich die Lernenden mit spannenden Fragen:
Welche Themen stehen auf der Agenda ganz oben und welche Positionen vertreten eigentlich die einzelnen Parteien? Mehr über die Funktion von Wahlkämpfen lernen die Schülerinnen und Schüler in M 5. Ihre eigene Meinung zu
politischen Themen ist schließlich in M 6 gefragt und in M 7 werden sie aufgefordert, sich mit den einzelnen Parteien und ihren Programmen auseinanderzusetzen.
Stunde 4
Inwiefern beeinflussen die Medien die Wahlen?
Intention
Die Schülerinnen und Schüler kennen traditionelle und neue Methoden der
Wahlkampfführung und können ihre Vor- und Nachteile bewerten.
Materialien
M 8–M 10
Die Karikatur auf der Farbfolie (M 8) lenkt die Aufmerksamkeit auf die Rolle von
Wahlplakaten. Darin manifestieren sich Wahlversprechen und die Bemühungen der Parteien, ihre Botschaften plakativ und werbewirksam zu formulieren.
In M 9 sollen die Lernenden anhand eines Textes die Vor- und Nachteile des
Internetwahlkampfes herausarbeiten und reflektieren, wie wichtig für sie selbst
das Internet als Wahlkampfplattform ist. Mit dem Text in M 10 lernen die Schülerinnen und Schüler die Methoden der modernen Wahlkampfführung kennen.
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Lernkontrolle
M 11 ist eine spielerische Lernkontrolle in Form eines Multiple-Choice-Testes und dient darüber
hinaus auch als Vorbereitung auf die Klausur. Die Klausur selbst (M 12) greift die zentralen Aspekte
der Unterrichtseinheit auf: Wahlsystem und Wahlrechtsgrundsätze, Nicht- und Protestwähler,
Wahlkampf(-entwicklung). M 13 fasst die wichtigsten Begriffe in einem Glossar zusammen.
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Ergänzendes Material
Berg, Thomas (Hg.): Moderner Wahlkampf. Blick hinter die Kulissen, Leske + Budrich, 2002.
Amerikanisierung und Politmarketing — was bedeutet das? Was heißt modern im Zusammenhang
mit Wahlkampf? In diesem Buch werden Einblicke in die Techniken der modernen Wahlkampfgestaltung vorgestellt, wie beispielsweise Elemente des Projekt- und Kommunikationsmanagements,
die Vermarktung der politischen Aussage, der Personalisierung u. Ä.
Internetadressen
Die Parteien präsentieren sich und ihre Wahlprogramme im Internet unter folgenden Adressen:
www.cdu.de
www.csu.de
www.spd.de
www.fdp.de
www.gruene.de
www.die-linke.de
www.piratenpartei.de
www.abgeordnetenwatch.de
Welche Ziele und Lösungsvorschläge haben Ihre Abgeordneten? Wie viele Abgeordnete haben für
oder gegen einen bestimmten Gesetzentwurf gestimmt? Abgeordnetenwatch ermöglicht es, Landtags- und Bundestagsabgeordnete per Mail persönlich zu befragen. Im Archiv sind frühere Fragen
und Antworten einsehbar. Getragen wird dieses Projekt von einem überparteilichen Verein.
25 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • Dezember 2012
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Wahlkampf
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Demokratie und politisches System • Beitrag 8
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M2
Wer darf wählen? — Was das Wahlrecht bestimmt
Entscheidend für das Wahlrecht ist, dass es von der Bevölkerung als gerecht und sachgemäß empfunden wird. Es sind daher so genannte Wahlrechtsgrundsätze festgelegt worden, die die Grundlage jeder Wahl bilden. Diese sind im Grundgesetz verankert.
Die Wahlrechtsgrundsätze finden Sie in Artikel 38 des Grundgesetzes.
1. Welche Spielregeln gelten für Wahlen? — 5 Wahlrechtsgrundsätze
Aufgabe: Bringen Sie die durcheinandergeratenen Buchstaben in die richtige Reihenfolge.
A
GAMLELIEN
B
HEGMIE
C
RFIE
D
MTILARBUTNE
E
CLIGHE
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A
2. Wer darf bei der Bundestagswahl wählen? — Aussagen zum Wahlrecht
H
C
Aufgabe: Welche der folgenden Aussagen stimmen und welche nicht? Begründen Sie Ihre Entscheidung anhand des Grundgesetzes (Artikel 38).
stimmt
stimmt nicht
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A
Wer mit 18 noch keinen Schulabschluss hat, darf trotzdem wählen.
B
Nur wer die deutsche Staatsangehörigkeit hat, darf wählen.
C
Wer keine Steuern zahlt, darf auch nicht wählen.
D
Das Wahlrecht kann Personen aberkannt werden, die wegen
Schwerverbrechen verurteilt sind.
E
Wenn man gegen Demokratie und Grundrechte ist, darf man nicht
wählen.
F
Die Stimmen von Männern und Frauen zählen gleich viel.
G
Die Stimmen der Erstwähler werden gewichtet, sie zählen doppelt.
H
Der Wahlleiter kann die Stimme für ungültig erklären, wenn ihm
die gewählte Partei nicht zusagt.
I
Wer nicht wählen geht, muss mit einem Bußgeld rechnen.
J
Verheiratete haben das Recht, gemeinsam in einer Wahlkabine
ihre Stimme abzugeben.
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3. Abstimmung per Internet?
Es wird immer häufiger über die elektronische Form einer Wahl über das Internet nachgedacht.
Aufgabe: Überlegen Sie sich jeweils ein bis zwei Vorteile und Nachteile, die eine Wahl per Internet
mit sich bringen könnte.
Vorteile:
Nachteile:
25 RAAbits Politik • Berufliche Schulen • Dezember 2012
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Demokratie und politisches System • Beitrag 8
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M3
Die Nichtwähler — politische Normalität
oder wachsende Distanz zu den Parteien?
Nichtwähler sind Personen, die sich nicht an Wahlen beteiligen. Dazu hier zwei Schaubilder:
Wahlbeteiligung Bundestagswahl 2009 nach Alter (in %)
80,0
63,0
59,1
60
61,2
65,1
68,9
72,4
73,2
74,8
72,8
71,4
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40
20
0
unter
21
21-25
25-30
30-35
35-40
40-45
45-50
H
C
50-60
60-70
70 und
mehr
Insgesamt
Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen seit 1949 (in %)
S
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91,1 90,7 88,6 89,7
86,0 87,8 87,7 86,8 86,7
84,3
80 78,5
60
40
20
0
82,2 79,1
77,7
77,8 79,0
71,4
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1949 1953 1957 1961 1965 1969 1972 1976 1980 1983 1987 1990 1994 1998 2002 2005 2009
Aufgaben
1. Beschreiben Sie die beiden Schaubilder. Was fällt Ihnen auf?
2. Was könnten mögliche Gründe für die Nichtbeteiligung aneiner Wahl
sein?
3. Welche Ursache könnte es haben, dass vor allem junge Menschennicht
zur Wahl gehen? Erläutern Sie.
4. „Wer nicht wählt, darf auch nicht meckern!“ Diskutieren Sie diese
Aussage in der Klasse.
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© Watterson. Dist. By UNIVERSAL PRESS SYNDICATE. Reprinted with permission. All rights reserved.
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Zeichnung: Plassmann/CCC, www.c5.net
Parteien suchen ihre Schnittmengen
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Grafik: Dagina Burger
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