GRUNDLAGEN III, Teil I WELLEN 1. Was sind Wellen? 2. Warum

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GRUNDLAGEN III, Teil I WELLEN
KAPITEL A
Einleitung
1. Was sind Wellen?
Im weitesten Sinne verstehen wir unter einer Welle die Ausbreitung einer Störung einer physikalischen Größe im Raum. Die entsprechende Größe wäre bei Oberflächenwellen im Wasser die Position der Oberfläche, bei Schallwellen der Druck, bei elektromagnetischen Wellen
das E- oder B-Feld. Als Modell eines Wellenleiters können wir uns nebeneinander hängende
Pendel vorstellen, die durch elastische Federn miteinander gekoppelt sind. Stößt man ein Pendel an, so wird die Störung über die Kopplungsfedern an die Nachbarn übertragen. Mit der
Störung der Gleichgewichtslage geht im allgemeinen ein Energietransport einher, wohingegen das Medium selbst im Mittel ruht. Die einzelnen Bestandteile eines Mediums können
harmonische Schwingungen um eine Ruhelage ausführen, aber im Zeitmittel bleiben sie in
Ruhe. Entscheidend für den Wellencharakter ist allerdings nicht das sinusförmige Verhalten,
sondern das Ausbreiten der Störung. In diesem Sinne sind alle Signale Wellen.
Ist die gestörte Größe eine Vektorgröße ξ, so gibt ihr Richtungsverhalten die Polarisation der
Welle wieder. Es gibt longitudinale Wellen, wenn ξ parallel zur Ausbreitungsrichtung k
liegt, transversale Wellen ( ξ⊥ k), elliptisch polarisierte Wellen ( ξ beschreibt eine Ellipse in
einer Ebene senkrecht zu k) und Mischformen.
2. Warum befaßt man sich mit Wellen?
Wellen eignen sich zur Informationsübermittlung. Der Mensch nutzt dies im täglichen Leben
mit Hilfe von Schallwellen und Licht aus. Die gesamte Optik beruht auf Wellenphänomenen.
Besonders seit es mit der Erfindung des Lasers möglich ist, fast ideal sinusförmige Wellen zu
erzeugen, hat die Optik einen gewaltigen Aufschwung genommen. Aktuelle Themen sind die
Bildverarbeitung und die optische Nachrichtenübermittlung. Alle Anwender der immer noch
expandierenden Lasertechnik benötigen solide Grundkenntnisse der Wellenoptik. Licht ist eine elektromagnetische Welle. Die Störgröße ist also das elektrische bzw. magnetische Feld.
Elektromagnetische Wellen spielen außer bei der Ausbreitung im freien Raum bei der Signalübertragung auf Leitungen eine Rolle. Die Kenntnis ihres Verhaltens ist daher bei allen
Messungen schneller Vorgänge wichtig.
Da die Ausbreitungseigenschaften von Wellen von den Parametern des Ausbreitungsmediums abhängen, eignen sich Wellen zur Diagnostik dieser Medien. Bekannt sind die Ultraschalluntersuchung im menschlichen Körper, die Erforschung des Erdinnern mit seismischen
Wellen, weniger bekannt vielleicht Plasmawellen zur Diagnose von Plasmen oder Gravitationswellen zur Gewinnung on Information aus dem Weltraum.
Mit der Energie, die eine Welle transportiert, kann man gezielt Körper beeinflussen, z.B.
Plasmen heizen. Mit nichtlinearen Effekten kann man z.B. Gleichströme induzieren und vieles mehr.
Eine der wichtigsten Anwendungen der Wellenphysik für Physiker liegt darin begründet, daß
sie die Grundlage der Quantenmechanik ist, d.h. um die Welt aus ihren kleinsten Bausteinen
heraus zu verstehen, ist es notwendig, sich mit dem Wellencharakter der Grundbausteine vertraut zu machen.
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Abb. 1: Welle als Verschiebung eines Signals
3
.
Das räumlich-zeitliche Verhalten von Wellen
Wir betrachten ein Signal, das zu einem bestimmten Zeitpunkt im Raum durch eine Funktion
y = f(z) beschrieben wird. Als Beispiel könnten wir uns denken y = ze-z.
Abb. 2: Räumlich- zeitliches Verhalten einer Welle
Nach einer Zeit t soll es nach rechts gewandert sein:
y = f(z-z0), z.B.y = (z − z 0 )e −(z−z 0 )
Wandert es mit konstanter Geschwindigkeit v nach rechts (z0 = vt), so wird es dargestellt
durch y = f(z-vt), eine linkslaufende Welle durch y = f(z+vt).
Im z(t)-Diagramm durchläuft jede Phase (die Spitze, der Anfang...) eine Gerade der Steigung
v. Bei einem Schnitt mit z1 = const gilt y = f(z1-vt), für t1 = const y = f(z-vt1). Die Formen im
Zeit- und Ortsraum sind also bei einer rechtslaufenden Welle spiegelbildlich.
4. Die harmonische Welle
Die harmonische Welle hat die Form einer Sinusfunktion, für t = 0 bedeutet dies
y = y0sin(kz). Dies entspricht der Darstellung bei Schwingungen y = y0sin(ωt). Wir nennen y0
die Amplitude, kz die Phase. Durchlaufen wir die gesamte Periode von kz = 0 bis kz = 2π, so
soll z von 0 bis λ variieren: kλ = 2π.
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Abb. 3: Größen zur Beschreibung einer Welle
k = 2π
λ
k nennt man die Wellenzahl. Sie ist das räumliche Pendant zur Kreisfrequenz mit
ω = 2π/T = 2πν .
Damit erhält eine rechtslaufende Welle die Gestalt
y = y 0 sin k(z−vt) = y 0 sin 2π  z − v t 
λ λ
Für z = 0 erhält man das Zeitverhalten y = y0sin kvt. Daraus schließen wir, daß
kv= ω
da k = 2π/λ, folgt
Abb. 4: Zusammenhang von Wellenlänge,
Schwingungszeit und Phasengeschwindigkeit
einer Welle
2π v = 2π und damit λ =v, λ ⋅ ν =v
λ
T
T
Stellen Sie sich vor, Sie wollten die Geschwindigkeit von Oberflächenwellen im Wasser messen. Sie könnten die zeitliche Periode T aus der Schwingung der Oberfläche an einem Ort,
z.B. an einem Pfahl bestimmen, die räumliche Periode direkt ermitteln, z.B. durch die Entfernung eines Stockes, an dem die Oberflächenschwingung mit der am Pfahl in Phase ist. Da die
Zeit, die ein Kamm braucht, um an die Position des Vorläufers zu kommen, T ist, wird die
Geschwindigkeit v = λ/T, wie oben formal abgeleitet wurde. Wir stellen also eine harmonische, rechslaufende Welle dar als
y = y 0 sin (kz − ωt)
oder in der komplexen Schreibweise
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∼ ∼
y=y 0 e i(kz−ωt)
wobei der Realteil gemeint ist.
5. Überlagerung von Wellen
a) Einleitung
Abb. 5: Lineare Superposition von Wellen
Typisch für eine Klasse von Wellen, die sogenannten linearen Wellen, ist die Tatsache, daß
sie sich ungestört überlagern. Speist man z.B. in ein Kabel an entgegengesetzten Enden
gleichzeitig Signale ein, so laufen sie aufeinander zu, überlagern sich in der Mitte zu einem
Gesamtsignal und trennen sich wieder in einzelne Signale, ohne ihre Form zu ändern. Ein-
Abb.6: Zerlegung einer Welle in Rechteckpulse
drucksvoll läßt sich dies mit einer numerischen Simulation zeigen.
Die Überlagerungsmöglichkeit ist an die Linearität des Systems geknüpft. Ein typisch nichtlinearer Effekt wäre z.B. die Erwärmung des Wellenleiters durch Energieverluste und dadurch
bedingte Änderung der Ausbreitungseigenschaften für Wellen unterschiedlicher Amplituden.
Abb. 7: Faltung eines Signals mit der Impulsantwort des
Übertragers
Die Linearität von Wellen erlaubt es, komplizierte Wellenformen in einfachere Elementarbestandteile zu zerlegen. Häufig verwandte Zerlegungen sind die in Rechteckpulse
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y(x) = Σ a i rect(x − x i )
Kennt man die Impulsantwort eines Übertragers, so läßt sich die Antwort auf einen beliebigen
Puls ermitteln, indem man diesen mit der Impulsantwort faltet. Im Grenzübergang unendlich
schmaler Rechteckfunktionen werden diese zu Deltafunktionen. Die Zerlegung in Stufenfunktionen läßt sich auf die in Rechteckfunktionen zurückführen, da zwei um ∆z versetzte
Stufenfunktionen gleicher Stufenhöhe und umgekehrten Vorzeichens eine Rechteckfunktion
ergeben.
Die Zerlegung in gedämpfte Schwingungen unterschiedlicher Frequenz führt zur LaplaceTransformation. Wir befassen uns in Folgendem nur mit der Fourierzerlegung.
b) Fourierzerlegung (Jean Baptiste Fourier ,1768-1830)
α) Fourierreihe
Wenn die zu zerlegende Funktion f(t) = f(t+T) periodisch ist, kann man sie durch einen
Ansatz
f(t)
= a0 +a1sinωt+a2sin2ωt+ ...+b1cosωt+b2cos2ωt+...
∞
∞
n=1
n=1
= a 0 + Σ a n sin nωt+ Σ b n cos nωt
(1)
darstellen. Dabei ist ω = 2π/T.
Um die Koeffizienten an und bn zu bestimmen, wählen wir aufgrund des Satzes von Euler
sin ωt = 1 (e iωt − e −iωt ), cos ωt = 1 (e iωt + e −iωt )
2
2i
einen komplexen Ansatz
f(t) =
∞
Σ
n=−∞
c n e inωt
(2)
Zur Berechnung von cm wird die Gleichung (2) mit e −imωt multipliziert und über eine Periode
integriert. Dabei wird für n ≠ m
T
∫0 c n e i(n−m)ωt dt = 0
da dies der Mittelwert einer periodischen Funktion ist.
Für n = m wird der e-Faktor 1
11
T
∫0 c n e i(n−m)ωt dt = Tc n
T
c n = 1 ∫ f(t)e −inωt dt
T0
(3)
Um auf die Entwicklungskoeffizienten in Gl. (1) zu kommen, wenden wir wieder den Satz
von Euler an und beachten, daß
c-n = cn*, cn = un+ ivn, c-n = un - ivn
un = (cn + cn*)/2
Dann ist nach Gl. (2)
∞
f(t) = c 0 + Σ c n e inωt + c n ∗ e −inωt
∞
n=1
= c 0 + Σ (u n + iv n )e inωt + (u n − iv n )e −inωt
n=1
∞
= c 0 + Σ 2u n cos nωt − 2iv n sin nωt
n=1
T
a 0 = 1 ∫ f(t)dt,
2T 0
T
bn = 1 ∫ f(t)cos nωtdt,
T0
T
a n = 1 ∫ f(t)sin nωtdt
T0
(4)
Abb. 8: Ergänzung einer nichtperiodischen Funktion f(t) zu
einer periodischen f*(t)
Bei der Berechnung der Koeffizienten ist es vorteilhaft, die Symmetrieeigenschaften der
Funktion f(t) auszunutzen.
β) Das Fourierintegral
Die Fourierreihe läßt sich nur bei periodischen Funktionen anwenden. Eine nichtperiodische
Funktion f(t), die nur in einem begrenzten Intervall [0,t0 ] von Null verschieden ist, kann man
in diesem Intervall durch eine Fourierreihe darstellen, indem man sie durch eine periodische
Funktion f*(t) ersetzt, die aus einer Wiederholung von f(t) im Abstand t0 besteht (s. Abb.8).
f*(t) wird durch die Fourierreihe streng dargestellt, f(t) nur in dem Intervall [0,t0]. Die Darstellung im gesamten Bereich verbessert sich, wenn man die Periodendauer vergrößert und
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wird über die gesamte t-Achse korrekt für T → ∞ . Dieser Grenzübergang führt zum Fourierintegral. Für eine Periodendauer T gilt nach Gl. 3 mit ω0 = 2π/T .
f(t) =
∞
Σ c n e inω0t , c n = T1
n=−∞
T/2
f(t)e −inω t dt
∫
−T/2
0
Da die Amplituden cn beim Grenzübergang gegen 0 gehen, führen wir neue Amplutuden ein:
an = cnT
f(t) = 1
T
∞
Σ
n=−∞
T/2
a n e inω 0 t mit a n = ∫ f(t)e −inω 0 t dt
T/2
Für den Grenzübergang T → ∞ ersetzt man nω0. durch ω, an durch a(ω) und 1/T durch ∆ω/2π.
Der letzte Schritt ist möglich, da
∆ω = 2π∆ν = 2π  n + 1 − n  = 2π
T
T
T
Damit ergeben sich die Formeln für die Fouriertransformation
f(t) = 1
2π
∞
∫
−∞
∞
a(ω)e iωt dω, a(ω) = ∫ f(t)e −iωt dt
−∞
γ) Bedeutung der Fourierzerlegung
Der Satz von Fourier sagt aus, daß man jede periodische Funktion in Grundwellen und ihre
Oberwellen zerlegen kann. Die zu zerlegende Funktion braucht dabei nicht einmal stetig zu
sein. Das Fourierintegral erlaubt die Zerlegung einer nichtperiodischen Funktion . a(ω) spielt
dabei die Rolle einer frequenzabhängigen Amplitude. Die harmonischen Elementarwellen
lassen sich im allgemeinen leichter behandeln als der ursprüngliche Wellenzug. Man denke
z.B. an ein Signal, das in eine elektrische Schaltung eingespeist wird. Wenn das Wechselstromverhalten der Schaltung bekannt ist, und man möchte die Verzerrung eines Pulses durch
die Schaltung ermitteln, zerlegt man ihn nach Fourier in sinusförmige Signale, bestimmt für
jede Frequenz das Übertragungsverhalten und setzt den Ausgangsimpuls aus den Elementarwellen am Ausgang zusammen. Bei der akustischen Übertragung oder bei Meßschaltungen
legt man dabei Wert auf eine möglichst naturgetreue Reproduktion des Eingangsimpulses. In
anderen Situationen, z.B. bestimmten Fragestellungen der Bildverarbeitung, möchte man im
Frequenzraum manipulieren, etwa um erhöhte Kontraste zu erzielen, oder wie bei der Frequenzvervielfachung von Laserstrahlung, um aus der bewußten Erzeugung von Oberwellen
Strahlung höherer Frequenz zu bekommen.
Die Zerlegung einer Welle gibt häufig Auskunft über die beteiligten Elementarprozesse, etwa
bei Schwingungen von Maschinenteilen. Daher ist Frequenzanalyse ein wichtiges diagnostisches Intrument. Auch optische Spektroskopie, in gewissen Grenzen auch die Funktion des
menschlichen Gehörs, kann man als Frequenzanalyse auffassen.
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