3. Mechanische Eigenschaften von Kristallen 3.1. Elastizität eines Festkörpers Kontinuumsnäherung: Kristall = homogenes, kontinuierliches Medium, λ » a zur Beschreibung von statischen Verschiebungen, Ultraschallwellen Verwendung des Hookeschen Gesetzes für kleine Auslenkungen: - Dehnung: bei Längenänderung ∆l => Dehnung ∆l/l = ε Spannung σD = F/A (Kraft/Fläche) = E·ε (Hooke) E = linearer Elastizitätsmodul Bsp: Al E = 7,2·1010 N/m2, d.h. für ∆l/l = 0,01 ist σ = 7,2·108 N/m2 nötig! Größtes E für Kohlenstoff-Nanoröhrchen E = 1·1015 N/m2 - Querkontraktion bei Dehnung: Poisson-Zahl ν = − ∆d / d ∆l / l Al: ν = 0,34 - Volumenänderung bei Dehnung: V = ld2 für kleine Änderungen: ∆V σ = (1 − 2ν ) V E für ∆V > 0, ν < 0,5 50 - Allseitiger (hydrostatischer) Druck: ∆p ∆V ∆p = − K oder V Kompressionsmodul ∆V = − κ∆p V Kompressibilität Bsp: Al K = 7,5·1010 N/m2 - Scherung: hier σS || Ebene A Schubspannung, Scherspannung: σS = µ·θ µ = Schubmodul Bsp: Al µ = 2,7 ·1010 N/m2 Für elastisch isotrope Medien: nur 2 unabhängige elastische Konstanten: E = 1+ ν 2µ Messung der elastischen Konstanten: - Statisch: Messen von σ = f(ε) im linearen Bereich Analog für µ und K - Dynamisch: Messung der Schallgeschwindigkeit E: Longitudinalwellen v = E ρ ρ = Dichte µ µ: Transversalwellen v= ρ 51 Spannung-Dehnungs-Diagramm In Einkristallen sind die elastischen Konstanten richtungsabhängig Hookesches Gesetz: σij = Cijkl ε kl σ, ε Tensoren, Cijkl Elastizitätsmoduln Cijkl ist Tensor 4. Stufe mit 34 = 81 Komponenten. Da aber σ, ε symmetrisch => Cijkl hat nur maximal 62 = 36 unabhängige Komponenten. Bei Kristallen höherer Symmetrie ist die Zahl der unabhängigen Komponenten viel kleiner: kubisch: 3, hexagonal: 5, tetragonal: 6, orthorhombisch: 9, isotrop: 2 52 3.2. Gitterschwingungen - Phononen Wellen in Gittern mit einer Atomsorte hier: hochsymmetrische Richtungen, z.B. In kubischen Kristall [100], [110], [111] rein transversale und rein longitudinale Wellen Longitudinalwelle Transversalwelle Ganze Netzebenen schwingen parallel bzw. senkrecht zu K. Longitudinaler Fall: Lösung des Problems einer linearen Kette, bei der Auslenkung der Atome parallel zur Kraft ist (=longitudinal): Entsprechend dem Hookeschen Gesetz wird angenommen, dass die Kraft auf die Ebene s durch Auslenkung der Ebene s+p proportional zum Unterschied der Auslenkungen ist: Cp = Kraftkonstante zwischen 2 Fs = ∑ C p (u s + p − u s ) Ebenen im Abstand p 53 p Bewegungsgleichung einer Ebene: M = Masse des Atoms Lösung in Form von ebenen Wellen: d 2u s ∑p Cp (u s+ p − u s ) = M dt 2 u s + p = u 0ei [( s + p ) qa −ωt ] q = Wellenzahl des Phonons, a = Ebenenabstand eingesetzt, aus Symmetriegründen ist Cp = C-p ω2 = 2 ∑ Cp (1 − cos(pqa ) ) M p>0 Dispersionsrelation Spezialfall: nur WW mit nächsten Nachbarn, d.h. p = 1 2C 2C ⎛ qa ⎞ ω2 = 1 (1 − cos(qa ) ) = 1 2 sin 2 ⎜ ⎟ M M ⎝ 2⎠ ω= 4C1 ⎛ qa ⎞ sin⎜ ⎟ M ⎝ 2 ⎠ 54 1. Brillouin-Zone enthält alle Informationen über die Gitterschwingungen eines Kristalls (alle physikalisch sinnvollen Werte) => q > π/a beschreibt Auslenkung, die bereits durch ein Wellenvektor -π/a ≤ q ≤ π/a beschrieben ist (im realen Raum: Wellen mit λ > 2a) Atom Brillouin-Zonengrenze: q = ± π/a u s (q ) = u 0ei [sqa − ωt ] ⇒ u s ( π / a ) = u 0 e ± isπ eiωt = u 0 ( −1)s eiωt stehende Welle! => Es kann sich im Kristall keine laufende Welle mit q = ± π/a ausbreiten. Welle mit qmax = π/a wird Bragg-reflektiert (s. Definition der Brillouin-Zonengrenze) Überlagerung von Welle mit reflektierter Welle ergibt stehende Welle. Geschwindigkeit elastischer Wellen im Kristall Phasengeschwindigkeit v ph = Gruppengeschwindigkeit v g = ω q dω C1 ⎛1 ⎞ = a cos⎜ qa ⎟ dq M ⎝2 ⎠ 55 Gitter mit zwei Atomen in der primitiven Elementarzelle (mit Basis) Bsp: NaCl, Si, Ge NaCl in [111]: Ebenen enthalten jeweils nur eine Atomsorte weitere Annahmen: WW nur zwischen nächsten Nachbarn, Kraftkonstanten gleich Bewegungsgleichungen: d 2 u 2s +1 M1 = C(u 2s + 2 + u 2s − 2u 2s +1 ) 2 dt d 2 u 2s M2 = C(u 2s +1 + u 2s −1 − 2u 2s ) 2 dt 56 Lösung: Wellen mit verschiedenen Amplituden für M1- und M2 Netzebenen u 2s +1 = ξei [( 2s +1) qa −ωt ] u 2s = ηei [2sqa −ωt ] Einsetzen und Gleichungssystem lösen − ω M1ξ = Cη(e + e ) − 2Cξ − ω2 M 2η = Cξ(eiqa + e −iqa ) − 2Cη 2 iqa − iqa 2 ⎡ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 1 1 1 1 4 sin 2 (qa ) ⎤ 2 ⎟⎟ ± C ⎢⎜⎜ ⎟⎟ − ω = C⎜⎜ + + ⎥ M M M M M M ⎝ 1 1 2 2 ⎠ 2 ⎠ ⎢⎣⎝ 1 ⎥⎦ Lösung für kleine q: sin2qa ≈ 0 ⎛ 1 1 ⎞ ⎟⎟ ω12 = 2C⎜⎜ + ⎝ M1 M 2 ⎠ (optischer Zweig) weiter entwickeln: sin2qa ≈ qa ω22 = 2C q 2a 2 M1 + M 2 (akustischer Zweig) Lösungen für qmax = ± π/2a ω2 = 1 2C , M1 ω22 = 2C M2 57 M1 > M2 1/ 2 Allgemein: in N-atomiger Basis gibt es 3 akustische Zweige (2TA+1LA) und (3N-3) optische Zweige ( 2(N-1) TO, (N-1) LO) Bsp: Auslenkung der Teilchen in den TA und TO Zweigen: für q = 0 findet man durch Einsetzen ξ / η = − M 2 / M 1 , d.h. die Atome schwingen gegeneinander. Bei entgegengesetzter Ladung von M1 und M2 (z.B. NaCl) kann diese Bewegung durch das elektrische Feld einer Lichtwelle angeregt werden => „optischer Zweig“ Frequenzlücke für 2C 2C <ω< M1 M2 „Energielücke“ => keine oszillatorische Lösung => nur Lösung, falls q komplex, Welle wird also räumlich gedämpft. Phononen = quantisierte Gitterschwingungen, harmon. Oszillator mit E = hω(n + 1 / 2) n = Besetzungszahl Quasiteilchen (existiert nicht im Vakuum) 58 3.3. Experimentelle Bestimmung von Dispersionskurven: Inelastische Neutronenstreuung - Wiederholung elastische Streuung: E = E0, |k| = |k0| r r r r K = k − k0 = G Bragg r hG = Impuls, der an das Gitter übertragen werden kann r r Bragg-Reflex nur, falls hK = hG r - Inelastische Streuung: E ≠ E0 , Impuls hK kann nun zum Teil dazu verwendet werden, elastische Wellen anzuregen, oder: Phononen zu erzeugen! r r r r r K = k '− k 0 = G ± q + Phonon wird erzeugt - Phonon wird vernichtet Energieerhaltung: E = E ' ± hω 0 2 2 h 2 k 20 h k ' oder : = ± hω(q) 2m 2m ω = f(q) Dispersionsrelation 59 Inelastische Neutronenstreuung r r - Messgrößen: k 0 , k ' , E 0 , E ' => ω(q) z. B. mit Dreiachsspektrometer - Monochromator: nur n mit E0 r - n treffen in bestimmter Richtung k 0 auf Probekristall r und werden in anderer Richtung k ' beobachtet - Messung der Energie der gestreuten n mit Analysator 60 Beispiele: Al (fcc) => 1. Brillouinzone bcc KBr 61 Infrarotabsorption Betrachtet werden Ionen mit Ladung ±e, Grenzfall q ≈ 0 − iω t Das elektrische Feld einer Lichtwelle E e führt zu erzwungenen Schwingungen => Addition eines Kraftterms ±eE in den Bewegungsgleichungen. − ω2 M1ξ = 2C(η − ξ ) + eE − ω2 M 2η = 2C(ξ − η) − eE ξ= (e / M1 ) E , ωT2 − ω2 η= − (e / M 2 ) E ωT2 − ω2 E = Amplitude des elektrischen Feldes am Ort des Ions und ω2 = 2C⎛⎜ 1 + 1 ⎞⎟ = 2C der Grenzwert des optischen Zweigs, µ = reduzierte Masse T ⎜M M ⎟ µ ⎝ 1 2 ⎠ Diese Gleichungen beziehen sich auf ein transversales optisches Phonon. Resonanz für ω = ωT ! Ne 2 / µ E Polarisation: P(ionisch ) = Ne(ξ − η) = 2 ergibt eine frequenzabh. 2 ωT − ω Dielektrizitätskonstante ωT2 [ε(0) − ε(∞)] ε(ω) = ε(∞) + 2 ωT − ω2 − iωγ Beitrag der (Rumpf-) Elektronen bei hohen Frequenzen Dämpfung 62 Folge: in einem gewissen Bereich wird die ε negativ => der Brechungsindex n = ε 1/2 wird imaginär => es existieren keine oszillatorischen Lösungen der Wellengleichung in diesem Frequenzbereich (≠ verbotenen Frequenzlücke bei Bragg-Reflexion), eine e.m. Welle kann sich nicht im Kristall ausbreiten => Strahlung wird reflektiert 63