Kapitel 3 Rationale Zahlen

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Kapitel 3
Rationale Zahlen
3.1
Die rationalen Zahlen
(Körper, Abzählbarkeit)
Was ist mit der Gleichung z · q = w in Z?
Für gegebene z, w ∈ Z ist diese Gleichung in der Menge der ganzen Zahlen
im Allgemeinen nicht lösbar, was die Einführung einer Division motiviert.
Man erweitert Z auf die Menge der rationalen Zahlen1 (auf die Menge der
Brüche)
n
o
m
−1
Q := q : q =
= m · n , m ∈ Z, n ∈ N .
n
Die algebraische Struktur der rationalen Zahlen.
Neben der Addition tritt nun die Multiplikation als weitere Struktureigenschaft auf:
Als algebraische Struktur sind die rationalen Zahlen versehen mit den
beiden Verknüpfungen Addition und Multiplikation ein so genannter
Körper.
Besonders zu beachten ist dabei, dass die Eigenschaften bzgl. der beiden Verknüpfungen nicht nur getrennt voneinander betrachtet werden.
Zusätzlich ist das Zusammenspiel zwischen Addition und Multiplikation
1
Auch die rationalen Zahlen werden hier nur heuristisch eingeführt.
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Kapitel 3. Rationale Zahlen
im dritten Punkt der folgenden Definition geregelt.
Definition 3.1.
Körper
Eine Menge K versehen mit zwei Verknüpfungen ,,+” und ,,·” heißt Körper
(K,+,·), falls:
i) K ist bzgl. der Addition + eine kommutative Gruppe mit neutralem
Element (Nullelement) 0.
ii) K − {0} ist bzgl. der Multiplikation · eine kommutative Gruppe mit
neutralem Element (Einselement) 1.
iii) Für alle a, b, c aus K gilt das Distributivgesetz
a · (b + c) =
{za · c }.
|a · b +
V ereinbarung: P unkt− vor Strichrechnung
Bemerkungen.
i) Die Addition rationaler Zahlen unterscheidet sich natürlich nicht von
der ganzer Zahlen. Dies spiegelt sich im ersten Teil der Definition
wider.
ii) Bezüglich der Multiplikation ist die Gruppeneigenschaft auf K−{0}
erfüllt. In einem Körper existiert insbesondere kein multiplikatives
Inverses zum Nullelement (bzgl. der Addition definiert).
Einfacher ausgedrückt: Man darf nicht durch Null teilen.
iii) Das inverse Element q̂ einer rationalen Zahl q wird als q −1 =
zeichnet (Schreibweise: z · q −1 = zq = z/q).
1
q
be-
Die eindeutige Lösung der Gleichung z · q = w (zu gegebenen z, w)
ist q = w/z.
Typische Beispiele anderer Körper sind die reellen und die komplexen Zahlen, weitere Beispiele werden in den Übungen zu diesem Kapitel vorgestellt.
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Die kurze Diskussion der Ordnungsrelation aus Kapitel 2.1 überträgt sich
unmittelbar auf Q. Wie das Beispiel der komplexen Zahlen belegen wird,
gilt das aber nicht für jeden Körper.
Q als abzählbare Menge.
Jede natürliche Zahl ist auch eine rationale Zahl. Da die Umkehrung falsch
ist, enthält Q mehr Elemente als N oder Z.
Dennoch ist Q nicht qualitativ größer als N”, was mithilfe des Begriffes
”
abzählbar präzisiert wird. Wie es der Name besagt, kann eine abzählbare
Menge durchnummeriert werden, d.h. jedes Element erhält eine eindeutige
Nummer und kann anhand dieser Nummer eindeutig identifiziert werden.
Definition 3.2.
Abzählbare Menge
Eine Menge A heißt abzählbar (unendlich), falls eine bijektive Abbildung
Φ: N→A
existiert.
Wie eine solche Abbildung im Falle der rationalen Zahlen aussehen kann
(Φ ist ja in keiner Weise eindeutig bestimmt), ist in Tabelle 3.1 schematisiert.
Ausgehend von der 0 folgt man der Pfeilen und gibt dabei jedem Bruch
eine Nummer. Bei dieser Prozedur werden jedoch die rot eingefärbten
Brüche nicht mitgezählt, da sie bereits als dieselbe rationale Zahl mit
einer lediglich anderen Bruchdarstellung vorgekommen sind.
Man vergewissere sich, dass tatsächlich alle Brüche in dem Schema erfasst
sind.
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Kapitel 3. Rationale Zahlen
...
...
...
−2 ← −1
0 → 1
2 → 3 ...
↓
↑
↓
↑
↓
−2/2
−1/2 ← 0/2 ← 1/2
2/2
3/2 . . .
↓
↑
↓
−2/3 → −1/3 → 0/3 → 1/3 → 2/3
3/2 . . .
..
..
..
..
..
..
.
.
.
.
.
.
Tabelle 3.1: Q ist abzählbar.
Bei dieser Art der Nummerierung der rationalen Zahlen hat nach der Tabelle 3.1 etwa der Bruch −2/3 die Nummer 7.
Zusammenhang mit Dezimalzahlen?
Es gilt beispielsweise2
1
= 0.5 ,
2
1
= 0.333 · · · = 0.3 ,
3
1
= 0.16 ,
6
8
= 1.142857 .
7
Analoges ist auch im Allgemeinen richtig: Jede rationale Zahl lässt sich als
abbrechende oder periodische Dezimalzahl schreiben und umgekehrt stellt
jede abbrechende oder periodische Dezimalzahl eine rationale Zahl dar.
Sind rationale Zahlen aber auch eindeutig als Dezimalzahl darstellbar? Die
Antwort ist nein, was die Beispiele
1
= 0.5 = 0.49 ,
2
9
= 0.45 = 0.449 .
20
belegen.
Verlangt man von der Dezimaldarstellung aber zusätzlich, dass sie nicht
abbricht, so erhält man die Charakterisierung
Q = {nicht-abbrechend periodische Dezimalzahlen} .
2
Eine systematischer Untersuchung der Dezimaldarstellung folgt nach der Diskussion von Zahlenreihen.
Kapitel 3. Rationale Zahlen
3.2
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Übungsaufgaben zu Kapitel 3
Aufgabe 1.* Es sei M die Menge M = {0, 1} versehen mit den Verknüpfungen “+” und “·”, die über folgende Verknüpfungstabellen definiert
seien:
+ 0 1
0 0 1
1 1 0
sowie
· 0 1
0 0 0 .
1 0 1
Verifizieren Sie anhand der Tabellen, dass (M, +, ·) ein Körper ist.
Aufgabe 2.
i) * In der Menge R2 = R × R sei die Addition komponentenweise und
die Multiplikation wie folgt erklärt:
(a) (x1 , x2 ) · (y1 , y2 ) = (x1 y1 + x2 y2 , x1 y2 + x2 y1 );
(b) (x1 , x2 ) · (y1 , y2 ) = (x1 y1 − x2 y2 , x1 y2 + x2 y1 ).
Handelt es sich jeweils um einen Körper?
ii) Es sei n ∈ N fixiert. In der Menge Q2 = Q × Q sei die Addition
komponentenweise und die Multiplikation wie folgt erklärt:
(q1 , q2 ) · (p1 , p2 ) = (q1 p1 − nq2 p2 , q1 p2 + q2 p1 ) .
Handelt es sich um einen Körper?
Aufgabe 3.* Zeigen Sie, dass die Vereinigung abzählbarer Mengen abzählbar ist.
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Kapitel 3. Rationale Zahlen
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben.
Aufgabe 1. (vgl. Aufgabe 1, Kapitel 2.4) Nach den Tabellen
+ 0 1
0 0 1
1 1 0
sowie
· 0 1
0 0 0
1 0 1
ist beispielsweise
1+0=0+1=1
und
1·1=1.
Das additive Inverse der 1 ist wegen
1+1=0
die 1 selbst, das multiplikative Inverse der 1 ist ebenfalls die 1, die
gleichzeitig das neutrale Element bzgl. der Multiplikation ist.
Auf diese Weise werden sukzessive alle Regeln verifiziert.
Aufgabe 2.
i) Als Einselement kommt in beiden Fällen nur (1, 0) infrage.
(a) Zu gegebenem (x1 , x2 ) ∈ R2 ergibt sich als Kandidat für das multiplikative Inverse
1
(x1 , −x2 ) .
x21 − x22
Für 3 x1 = ±x2 existiert also kein multiplikatives Inverses und es
handelt sich nicht um einen Körper.
(b) Hier ist der Kandidat
x21
1
(x1 , −x2 )
+ x22
für das multiplikative Inverse definiert, falls x1 und x2 nicht beide
verschwinden, d.h. für alle (x1 , x2 ), die nicht gleich dem Nullelement sind.
3
Notation: x1 = ±x2 bedeutet x1 = x2 oder x1 = −x2 .
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Alle anderen Regeln können leicht nachgerechnet werden – es handelt sich um einen Körper.4
Aufgabe 3.5 Es seien A1 , Φ1 und A2 , Φ2 zwei abzählbare Menge bzw. bijektive Abbildungen nach Definition 3.2.
Zu A = A1 ∪ A2 betrachtet man beispielsweise Φ: N → A,
Φ1 (m) für n = 2m − 1 mit einem m ∈ N (n ungerade);
Φ(n) =
Φ2 (m) für n = 2m
mit einem m ∈ N (n gerade).
4
5
Tatsächlich ist mit dieser Multiplikation der Körper der komplexen Zahlen C eingeführt.
Es gilt sogar: Die abzählbare Vereinigung abzählbarer Mengen ist abzählbar.
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