Kapitel II. Vektoren und Matrizen

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Kapitel II. Vektoren und Matrizen
§1 Vektorräume
A Körper
Auf der Menge R der reellen Zahlen hat man zwei Verknüpfungen:
Addition: R × R −→ R(a, b) 7−→ a + b
Multiplikation: R × R −→ R(a, b) 7−→ a · b
(Der Malpunkt wird oft weggelassen.)
Regeln: Für alle a, b, c ∈ R gilt:
(A1) a + (b + c) = (a + b) + c
(A2)
a+b =b+a
(A3)
a+0=a
(A4) Zu jedem a ∈ R gibt es genau ein x ∈ R mit a + x = 0
(Diese Zahl wird mit −a bezeichnet.)
(M1) a(bc) = (ab)c
(M2)
ab = ba
(M3) a · 1 = a
(M4) Zu jedem a 6= 0 aus R gibt es genau ein y ∈ R mit
ay = 1 (Diese Zahl wird mit a−1 oder a1 bezeichnet).
(D) (a + b)c = ac + bc
Allgemein definiert man: Eine Menge K, zusammen mit 2 Verknüpfungen
+ : K × K −→ K, (a, b) 7−→ a + b (Addition),
· : K × K −→ K, (a, b) 7−→ a · b (Multiplikation)
nennt man einen Körper, wenn es in K Elemente 0 6= 1 gibt, so dass die
obigen neun Regeln ( Axiome“) gelten. Das Element 0 heißt neutrales Ele”
ment der Addition oder Null und 1 heißt neutrales Element der Multiplikation oder Eins. −a = Negatives von a; a−1 = Reziprokes oder
Inverses von a 6= 0.
Beispiele: Außer R gibt es noch weitere Körper.
a) Sei Q = Menge der rationalen Zahlen ab , wobei a, b ∈ Z und b 6= 0.
Q ist ein Körper, mit den gleichen Verknüpfungen wie R, denn:
a a′
aa′
a
a′
· ′ =
∈
Q,
falls
und
aus Q sind,
b b
bb′
b
b′
a a′
ab′ + a′ b
a
a′
+ ′ =
∈ Q, falls und ′ aus Q sind,
b
b
bb′
b
b
1
Also sind + und · Verknüpfungen auf Q.
Die Regeln (A1) bis (A3), (M1) bis (M3) und (D) gelten in Q, da sie
in R gelten.
(A4) Aus r = ab ∈ Q folgt −r = −a
∈Q
b
a
(M4) Aus r = b ∈ Q, r 6= 0 folgt a 6= 0 und
1
r
=
b
a
∈ Q.
b) Später wird der Körper der komplexen Zahlen eingeführt:
C = {a + ib | a, b ∈ R} mit i2 = −1.
c) In der Zahlentheorie werden sogenannte endliche Körper (das sind
Körper mit nur endlich vielen Elementen) eingeführt.
Abkürzende Schreibweisen: Sei K ein Körper, a, b ∈ K und n ∈ N.
a − b := a + (−b) ; ab := a · b−1 , falls b 6= 0
n
n · a : |a + a +
| · a{z. . . a}
{z. . . + a} und a := a
n−mal
n−mal
Dabei: 0 · a := 0
(−n) · a := −(n · a)
und
und
0
a := 1
a−n := (an )−1
B Vektorräume: Sei K ein Körper.
V sei eine nicht leere Menge, zusammen mit zwei Verknüpfungen
+ : V × V −→ V, (x, y) 7−→ x + y (Additon)
· : K × V −→ V, (a, x) 7−→ a · x(Skalarmultiplikation)
V heißt Vektorraum über K, wenn die folgenden Rechenregeln (VektorraumAxiome) gelten:
Für alle x, y, z ∈ V und alle a, b ∈ K ist
(A1) x + (y + z) = (x + y) + z
(A2)
x+y =y+x
(A3) Es gibt genau ein Element in V - welches mit 0 bezeichnet wird -,
für das gilt
x + 0 = x für alle x ∈ V
(A4) Zu jedem x ∈ V gibt es genau ein y ∈ V mit
x+y =0
2
(Dieses Element wird mit −x bezeichnet ( Negatives“ von x).)
”
(SM1) (ab)x = a(bx)
(SM2) 1 · x = x
(SM3) a(x + y) = ax + ay
(SM4) (a + b)x = ax + bx
Die Elemente eines Vektorraums V heißen die Vektoren in V.
Schreibe x − y für x + (−y).
Rechenregel (Übungsaufgabe): Für x, y ∈ V und a ∈ K gilt
0 · x = 0, a · 0 = 0
(−a)x = −(ax) = a(−x); (−1)x = −x
Aus ax = 0 folgt: a = 0 oder x = 0
a(x − y) = ax − ay
Beispiele:
a) Sei n ∈ N, n ≥ 1 und K n die Menge der n–Tupel
 
x1
 x2 
 
x =  ..  , xi ∈ K für i = 1, . . . , n
.
xn
   
x1
y1
x1 = y1
 ..   .. 
..
Gleichheit: x =  .  =  .  = y genau dann, wenn
.
xn
yn
xn = yn


x1 + y1


Addition: x + y =  ... 
xn + yn
Skalare Multiplikation:


ax1
 ax2 


a · x =  .. 
 . 
axn
3
Aus den Körperaxiomen folgt:
 
0


K n ist ein K–Vektorraum mit Null = 0 =  ... .
0
Veranschaulichung im Falle V = R2 .
Wähle in der Zeichenebene E einen Punkt 0 und lege durch 0 ein kartesisches Koordinatensystem.
x2–Achse
λv =
x2
x1
0
−v =
λx1
λx2
x1
v=
x2
.
.
.
x1–Achse
−x1
−x2
Identifiziere jedenvon0 ausgehenden anschaulichen
Vektor v mit dem
x1
x1
Koordinatenpaar
seines Endpunkts: v =
x2
x2
• −v ist der zu v entgegengesetzte Vektor gleicher Länge.
λx1
• λ > 0 : λv =
hat die gleiche Richtung wie v, aber die λ–fache
λx2
Länge.
Interpretiere v als im Punkt 0 angreifende Kraft: λv ist dann das
λ–fache der Kraft v.
4
• v + w ergänzt das Dreieck (0, v, w) zu einem Parallelogramm ( Kräfte”
Parallelogramm“ für die resultierende Kraft.)
v+w =
x1 + y1
x2 + y2
v
w=
y1
y2
Die schraffierten Dreiecke sind offenbar kongruent. Folglich ist das Viereck
(0, w, v + w, v) ein Parallelogramm.
b) Sei I ⊆ R ein Intervall. Wir bezeichnen mit RI die Menge der Funktionen f : I −→ R.
f ist eine Vorschrift, die jedem x ∈ I einen eindeutig bestimmten Wert
y = f (x) ∈ R zuordnet. Definiere die Funktion
f + g durch (f + g)(x) := f (x) + g(x) und
λ · f durch (λf )(x) := λ · f (x)
Damit wird RI zu einem R-Vektorraum mit der Nullfunktion
(f (x) = 0 für alle x ∈ I) als Null.
Sei V nun ein beliebiger Vektorraum über K ( K–Vektorraum“).
”
Definition: Eine Teilmenge W ⊆ V heißt linearer Teilraum oder Untervektorraum von V , wenn W die Null enthält und abgeschlossen ist unter
Addition und Skalarmultiplikation, d.h. wenn gilt:
0 ∈ W,
aus x, y ∈ W folgt x + y ∈ W ,
ist λ ∈ K, x ∈ W, so auch λx ∈ W.
5
Damit wird innerhalb des Untervektorraums W eine Addition und
Skalarmultiplikation induziert
W × W −→ W, (x, y) 7−→ x + y; K × W −→ W, (a, x) 7−→ ax
(1.1) Bemerkung: Ist W ⊆ V ein Untervektorraum, so ist W bezüglich der
induzierten Addition und Skalarmultiplikation ein Vektorraum.
Beweis: Es ist lediglich zu zeigen: Ist x ∈ W so auch −x:
Wegen x ∈ W und W Untervektorraum ist auch −x = (−1)x ∈ W (siehe
obige Rechenregel).
Summenschreibweise: Sind x1 , x2 , x3 ∈ V so gilt
(x1 + x2 ) + x3 = x1 + (x2 + x3 ).
Lasse daher die Klammern weg und schreibe für das Resultat x1 + x2 + x3 .
Rekursiv erklären wir:
x1 + x2 + x3 := (x1 + x2 ) + x3
x1 + x2 + x3 + x4 := (x1 + x2 + x3 ) + x4
Ist x1 + x2 + . . . + xn schon erklärt, so setzt man
x1 + x2 + . . . + xn + xn+1 = (x1 + x2 + . . . + xn ) + xn+1
P
Abkürzende Schreibweise mit dem Summenzeichen :
m
X
xk := x1 + x2 + . . . + xm
k=1
(Entsprechende Schreibweisen sind in K erklärt.)
Aus den Axiomen ergeben sich weitere Regeln:
m
m
m
P
P
P
xk +
yk =
(xk + yk )
k=1
m
P
k=1
m
P
k=1
λ·
xk =
(λxk )
mk=1 k=1
P
P
λk x = m
k=1 λk x
k=1
m
P
k=1
λk xk +
m
P
k=1
µk xk =
m
P
(λk + µk )xk , u.s.w.
k=1
Beispiele von Untervektorräumen:
6
a) V ist ein Untervektorraum ( UVR“) von V.
”
b) {0} ist ein UVR von V. (Schreibe dafür 0).
c) Man kann auch lineare Gleichungssysteme mit Koeffizienten aus K (anstelle R) definieren. Alle Aussagen in Kapitel I gelten dann entsprechend. Sei also
n
X
aij xj = 0, i = 1, . . . , m
j=1
ein homogenes lineares Gleichungssystem in n Unbekannten x1 , 
. . . , xn
x1
 .. 
mit Koeffizienten aij aus K. Gesucht sind seine Lösungen x =  . 
xn
in K . Nach Kapitel I, §2 gilt: 0 ist eine Lösung. Sind x, y Lösungen
und ist a ∈ K, so sind auch x + y und ax Lösungen.
n
Fazit: Die Lösungsmenge L eines homogenen linearen GLS in n Unbekannten ist ein UVR des K n , der sogenannte Lösungsraum des
linearen Gleichungssystems.
d) Für Teilmengen M, N ⊆ V definieren wir die Summe
M + N = {m + n | m ∈ M und n ∈ N}
Sind U1 , U2 ⊆ V Untervektorräume, so sind auch ihre Summe U1 + U2
und ihr Durchschnitt U1 ∩ U2 = {x ∈ V | x ∈ U1 und x ∈ U2 }
Untervektorräume.
Beweis: Seien u1 + u2 , v1 + v2 aus U1 + U2 mit ui, vi ∈ Ui , i = 1, 2
u1 + v1 ∈ U1 und u2 + v2 ∈ U2 , da beides UVRe sind. Es folgt
(u1 + U2 ) + (v1 + v2 ) = (u1 + v1 ) + (u2 + v2 ) ∈ U1 + U2
a ∈ K : au1 ∈ U1 und au2 ∈ U2 , da beides UVRe sind. Also ist
a(u1 + u2 ) = au1 + au2 ∈ U1 + U2 . Ferner ist 0 = 0 + 0 ∈ U1 + U2 .
Analog zeigt man, dass U1 ∩ U2 ein UVR ist (ÜA).
Offenbar ist U1 ⊆ U1 + U2 , U2 ⊆ U1 + U2 , also auch U1 ∩ U2 ⊆ U1 + U2 .
Konkretes Beispiel:
7
a) Die Gleichungen x1 +x2 +x3 = 0 bzw. 2x1 +4x2 +3x3 = haben UVRe E1
bzw. E2 als Lösungsmengen. Fasse jeweils x2 und x3 als freie Variable
auf. Nach Gauß (I, 4.2) besteht E1 aus den Vektoren der Form
 
 
−1
−1



λ1 1 + λ2 0  mit bel. Zahlen λ1 , λ2 ∈ R.
0
1
 
 
−1
−1



1
0  aufgeAnschaulich. E1 ist die von den Vektoren
und
0
1
3
spannte Ebene im R .
 
 3
−2
−2
Entsprechend wird E2 von  1  und  0  aufgespannt.
0
1
x1 + x2 + x3
= 0
E1 ∩ E2 = Lösungsmenge des GLS
:
2x
+
4x
+
3x
1
2
3 = 0
1 1 1
1 1 1
, freie Variable x3 . Nach Gauß. G = E1 ∩ E2
2 4 3
0 2 1 
− 12
ist die von dem Vektor − 12  aufgespannte Gerade.
1
 
 
−1
2



1
b) E1 ∪ E2 ist kein
UVR, denn
∈ E1 , −1 ∈ E
0
0
     
−1
2
1
aber  1  + −1 = 0 liegt weder in E1 , noch in E2 .
0
0
0
8
c)
 
   
1
−1
2
0 =  1  + −1 ∈ E1 + E2 ,
0
0
0
 
   
0
1
−1
1 = 0 +  1  ∈ E1 + E2 , da E1 + E2 UV R, E1 ⊆ E1 + E2
0
0
0
 
   
0
1
−1
0 = 0 +  0  ∈ E1 + E2 , da E1 + E2 UV R, E1 ⊆ E1 + E2
1
0
1
Da E1 + E2 UVR

  ist, folgt:
 Für alle x, y, z ∈ R ist
x
1
0
0
y  = x 0 + y 1 + z 0 ∈ E1 + E2 . Also ist E1 + E2 = R3 .
z
0
0
1
9
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