MARKENFÜHRUNG TITEL MARKENARTIKEL 10/2010 HANDEL RECHT 22 Geprüfte Kreativität Gute Werbung kann durch Pretesting (noch) besser werden. Denn nur, wenn die Markenbotschaft verständlich und konsistent ist, überzeugt sie auch den Konsumenten. WER HEUTE AN WERBUNG DENKT, der denkt längst nicht mehr nur an klassische TV-Spots. Die digitale Revolution hat die Medienlandschaft verändert. Inzwischen gibt es eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Kanäle, um Markenbotschaften zu kommunizieren. Das stellt das hergebrachte Verständnis von Werbung auf die Probe, weil aus den neuen Medien auch neue Formen der Mediennutzung durch Konsumenten resultieren. Das führt zu einer gewissen Verunsicherung auf Seiten von Werbetreibenden und Marktforschern. Dementsprechend wird oft die Frage gestellt, was nun eigentlich gute Werbung ausmacht. Müssen wir das Rad neu erfinden? Kreatividee im Dienst der Marke Nein, denn das zentrale Kriterium für gute Werbung ist nach wie vor, wie gut ein Werbemittel für die Marke arbeitet. Schließlich ist dies der strategische Zweck von Markenkommunikation. Hier müssen die Medien trotz aller Unterschiede am Ende den gleichen Weg gehen: Sie müssen die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Marke bedienen und das erzeugte Interesse positiv nutzen, um vom Produkt zu begeistern und eine nachhaltige Marken-Kundenbeziehung aufzubauen. Sieht man einmal von der aktiven Informationssuche durch Konsumenten im Internet ab, so spielt bei diesem Prozess immer die Kreatividee eine zentrale Rolle. Ob klassische TV-Werbung, Printmedien, Radio oder Werbung im Internet: Funktioniert die Kreatividee nicht, funktioniert auch das Werbemittel nicht. Medien und ihre Stärken Unterschiedliche Medien bieten unterschiedliche Möglichkeiten, Kreativideen umzusetzen, Interesse zu erzeugen und zur Auseinandersetzung anzuregen: · TV kann die Macht bewegter Bilder mit dem Einsatz von Musik, Geräuschen und gesprochener wie geschriebener Sprache kombinieren und außerdem auf eingespielte Sehgewohnheiten zurückgreifen. · Im Internet lassen sich diese Mittel ebenfalls nutzen, darüber hinaus gibt es aber noch die Möglichkeit der Verlinkung, mit der sich ein ausgeprägtes Informationsinteresse bis hin zum Dialog aufgreifen und bedienen lässt. · Print ermöglicht den Einsatz von Bildern und geschriebener Sprache. Zudem können Konsumenten bei der Betrachtung einer Printanzeige verweilen, anstatt die Betrachtungsgeschwindigkeit »aufgezwungen« zu bekommen, wie bei TV-Werbung. · Radio arbeitet dagegen vor allem mit Geräuschen, Musik und gesprochener Sprache. Dabei bietet dieses Fotos: Boeringer Ingelheim; TNSInfratest SERVICE Jede Kreatividee kann in unterschiedlichen Medien kommuniziert werden. Und das um so besser, je besser die verschiedenen Kampagnenteile aufeinander abgestimmt werden. Im Kern der Kampagne für das Hustenmittel Mucosolvan steht die sprachliche Metapher: »Den Husten mit MARKENARTIKEL 10/2010 TITEL HANDEL WIRKSAMKEIT DER ADEVAL™-EMPFEHLUNGEN RECHT Motivation 85 Motivationsleistung der ursprünglichen Werbemittel 75 SERVICE Motivationsleistung der auf Basis inhaltlicher AdEvalEmpfehlungen überarbeiteten Werbemittel 65 Pretests können helfen, Kommunikationsideen zu verbessern. Das zeigt der Vergleich der ursprünglichen Spots mit den aufgrund der AdEval-Empfehlungen verbesserten Versionen. Die Werbewirkung konnte so um durchschnittlich 21 Prozent gesteigert werden. 55 45 Quelle: TNS Infratest 35 25 15 MARKENFÜHRUNG Durchschnittliche Verbesserung geringeres Ausgangsniveau: höheres Ausgangsniveau: + 32 % + 13 % insgesamt: + 21 % 1 Medium für die Fantasie besonders viel Spielraum, weil das, was gesagt wird vom Hörer »ausgemalt« werden kann und ihm nicht fertig gezeigt wird. Ansprache über mehrere Sinneskanäle Gute Werbung weiß um diese spezifischen Stärken der jeweiligen Medien. Einen besonderen Vorteil bietet dabei die Vermittlung von Werbebotschaften über mehrere Sinne gleichzeitig. Dies führt zu einer besseren Aufnahme von Werbebotschaften ins Gedächtnis und zu einer höheren Glaubwürdigkeit. Das bedeutet aber nicht, dass (wie noch Marshall McLuhan glaubte) TV der Star unter den Medien ist, weil darüber prinzipiell die meisten Sinne angesprochen werden können. Was am Ende zählt, ist nicht das Bombardement möglichst vieler Sinneskanäle, sondern der Gesamteindruck der Marke, der im Kopf des Konsumenten entsteht. Womit wir wieder bei der Kreatividee wären. Denn sie muss dafür sorgen, dass ein konsistentes und positives Bild der Marke entsteht, mit dem Konsumenten sich auseinandersetzen wollen. Dabei gilt: Keine Irrelevanz, Langeweile oder verwirrendes Durcheinander! Jede Kreatividee kann in unterschiedlichen Medien kommuniziert werden. Und das um so besser, je besser die verschiedenen Kampagnenteile aufeinander ab- gestimmt werden. Wie das aussehen kann, zeigt der folgende Fall eines Hustenmittels, wo sowohl TV als auch Radio eingesetzt werden. Im Kern der Kampagne steht eine sprachliche Metapher: »Den Husten mit sich herumschleppen«. Für die TV-Kampagne wurde diese sprachliche Metapher bildlich und akustisch umgesetzt: Gleich zu Beginn schleppt ein gezeichneter Mann, untermalt von einem Hustengeräusch, an einem Seil das Wort Husten mit sich herum. »Schleppen Sie Ihren Husten nicht mit sich herum« wird gesagt. Man sieht die Wirkweise von Mucosolvan und wie der Mann, von seinem Husten befreit, das Wort weg kickt und strahlt. Die Produktleistung wird dabei durch den Claim am Ende des Films (»1 – 2 – 3 hustenfrei«) unterstrichen. Beim Radiospot wurden das Hustengeräusch und die sprachliche Metapher (»Schleppen Sie Ihren Husten nicht mehr länger mit sich herum!«) genutzt. Dies wurde durch Musik und den am Ende des Spots vorgetragenen Claim unterstrichen. Was der TV-Spot sprachlich und bildlich zeigen konnte, kommunizierte der Radio-Spot also nur über die Tonschiene. Auch wenn längst nicht jeder kombinierte Einsatz verschiedener Medien automatisch zum Erfolg führt, so zeigt doch dieses Beispiel, dass man crossmedial mit sich herumschleppen«. Für die TV-Kampagne wurde sie bildlich und akustisch umgesetzt. Beim Radiospot wurden das Hustengeräusch und die sprachliche Metapher (»Schleppen Sie Ihren Husten nicht mehr länger mit sich herum!«) genutzt. 23 MARKENFÜHRUNG TITEL MARKENARTIKEL 10/2010 HANDEL RECHT SERVICE 24 konvergierenden Aussagen in unterschiedlichen Medien operieren kann. Aufgrund der zentralen Rolle von Kommunikationsideen für den Werbeerfolg liegt in der Bewertung und Verbesserung der konkreten Inszenierung der Beitrag von Pretests zu erfolgreicher Werbung. Werden sie als Hilfe zur Verbesserung der Marketingideen verstanden, so sind sie keinesfalls die Kreativitätskiller, als die sie gerne verschrien werden. Pretests müssen aufzeigen, ob die jeweiligen Spots oder Plakate funktionieren und für die Marke arbeiten. Unsere Erfahrung zeigt, dass kreative Ideen wesentlich überzeugender sind als langweiligere Ideen, sofern sie verstanden werden und relevante Verbraucherbedürfnisse auf den Punkt bringen. Vorab testen und verbessern lohnt Wie eine solche Beurteilung und Unterstützung aussehen kann, sei an einem Werbespot aus dem Snack-Bereich erläutert: Eine Gruppe Jugendlicher fährt zu einem Event, wobei sie während der Fahrt Chio Chips mit Dipp verzehren. Oder besser: Verzehren wollen, weil irgendwie immer etwas stört – mal eine scharfe Kurve, mal eine Unebenheit auf der Fahrbahn. Und so bekleckern sich die Protagonisten des Spots zunehmend mit Dipp. Doch es kommt noch schlimmer: Am Ende der Fahrt wird der Fahrer durch das attraktive Hinterteil einer jungen Dame abgelenkt, was fast einen Unfall verursacht. Die daraus resultierende Vollbremsung führt dazu, dass der Held – nun über und über mit Dipp bekleckert – kopfüber aus der geöffneten Tür des zum Stehen gebrachten Wagens hängt. Die rote Masse auf seinem Gesicht könnte Blut sein – ist es aber nicht, wie er durch ein Augenzwinkern klar macht: Ist nur Dipp und alles nur Spaß. Würze auf eigene Gefahr! Wie die Analyse des Spots ergab war vor allem die letzte Szene von entscheidender Bedeutung: Nur Konsumenten, die sie wahrnahmen, verstanden den Humor des Spots. Andere meinten, einen Autounfall zu sehen, was zu erheblichen Irritationen führte. Empfeh- Dr. Roland Schneider ist Head of Marketing & Media Research und Head of Business Development bei Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG Self-Medication. Zuvor hat er u.a. für Infratest Gesundheitsforschung den Bereich Ernährungsepidemiologie und Public-Health-Forschung betreut. lung: Auf jeden Fall die Endszene beibehalten, wenn möglich stärken. Ansonsten geht einer sehr gut funktionierenden kreativen Inszenierung buchstäblich auf dem letzten Meter die Luft aus! Ein paar Daumenregeln Wie schon betont, gibt es keine Rezepte dafür, wie man erfolgreiche Werbung macht. Es gibt aber durchaus Einsichten, die man nicht ignorieren sollte. Dazu gehört, dass Werbung die Stärken des jeweils genutzten Mediums ausnutzen sollte. Die Möglichkeit, eine Botschaft über mehrere Sinneskanäle gleichzeitig zu kommunizieren, ist dabei von besonderem Wert, wenn auch nicht für sich alleine entscheidend. Ein weiterer Punkt ist der Einsatz crossmedialer Kampagnen, die vor allem dann Erfolg versprechen, wenn sie gut miteinander harmonieren beziehungsweise konvergierende Botschaften vermitteln. Trotz aller Unterschiede zwischen verschiedenen Medien ist dies durchaus machbar. Funktionieren wird es aber nur dann, wenn die Kommunikationsidee die Zielgruppe von der Marke überzeugt. Dazu muss sie in der Lage sein, die Markenbotschaft verständlich und konsistent zu vermitteln. Neben der Erzeugung von Relevanz ist dabei auch die Fähigkeit von besonderer Bedeutung, klar auf den Punkt zu kommen! Und last but not least steckt der Teufel im Detail, wie vor allem das Chips-Beispiel zeigt: Es können einzelne Szenen sein, an denen sich das Wohl und Wehe einer Kampagne entscheidet. Und dies meistens nicht, weil sie für sich alleine alles entscheiden, sondern weil sie innerhalb der Gesamtaussage des Werbemittels eine zentrale Rolle spielen. Für den Erfolg ist also die intensive Auseinandersetzung mit den Details der Kreatividee und ihrer Bedeutung für das Gesamtverständnis der Botschaft eines Werbemittels durch die Zielgruppe wichtig. Und genau hierfür ist der diagnostische Pretest eine geeignete Unterstützung. Henning Rossa, Dr. Roland Schneider Henning Rossa ist Director Brand & Communications and Consumer & Retail bei TNS Infratest Germany. In Deutschland ist er als Mitglied im Consumer & Retail Board verantwortlich für Marken- und Kommunikationsforschung sowie für unterschiedliche Teilmärkte u.a. OTC.