Skript WS 2006/2007

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Prof. Dr. jur. Brunhilde Steckler
Fachhochschule Bielefeld Fachbereich Wirtschaft
Bürgerliches Recht im Verbundstudiengang BWL/Wirtschaftsrecht
1. Semester (WS 2006/2007)
1.
Einführung in das Wirtschaftsprivatrecht
2.
Rechtsgeschäftslehre
2.1. Grundbegriffe (Rechtsgeschäft, Willenserklärung, Vertrag)
2.2. Rechtssubjekte (Rechtsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit)
2.3. Willensmängel (Anfechtung und Nichtigkeit)
2.4. Vertragsabschluss und Vertretungsregeln
2.5. Vertragsgestaltung, Bedingung und Befristung
2.6. Auslegung von Willenserklärungen
2.7. Verjährungs- und Ausschlussfristen
3.
Juristische Methodenlehre
(Subsumtionstechnik zur Lösung von Fällen im Wirtschaftsprivatrecht)
Gesetzestexte:
BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), HGB (Handelsgesetzbuch), jeweils neuste Auflage.
Studienliteratur (wird in den Präsenzveranstaltungen empfohlen)
Inhalte und methodischer Aufbau:
Die Präsenzveranstaltungen des 1. Studiensemesters schließen Übungen zu insgesamt 5 Lerneinheiten im Bürgerlichen Recht ein.
LE 1: Einführung in das Bürgerliche Recht,
LE 2: Rechtsgeschäftslehre,
LE 3: Stellvertretungsrecht,
LE 4: Grundzüge des Minderjährigenrechts,
LE 5: Unwirksame und anfechtbare Rechtsgeschäfte.
Die hierzu angebotenen Übungen befassen sich im Wesentlichen mit dem Abschluss von Verträgen. Am Beispiel einzelner Fälle werden exemplarisch folgende Fragen behandelt:
(1)
Was ist eine Willenserklärung? Wie ist die Willenserklärung von einer unverbindlichen
Gefälligkeitszusage oder einer Werbemaßnahme abzugrenzen (invitatio ad offerendum)? Unter welchen Voraussetzungen ist eine Willenserklärung rechtswirksam?
(2)
Wie wird ein Vertrag abgeschlossen? Welche Verbraucherschutzregelungen sind bei
Vertragsabschluss zu beachten? Wie werden Allgemeine Geschäftsbedingungen in den
Vertrag einbezogen? Gibt es Besonderheiten für Kaufleute?
(3)
Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus der Anwendung der Vertretungsregeln?
(4)
Welche Möglichkeiten der Vertragsgestaltung ergeben sich aus den allgemeinen Regeln
des Bürgerlichen Rechts? Wie sind Willenserklärungen auszulegen? Welche Fristen
sind zu beachten und wie werden sie berechnet?
2
Steckler, Bürgerliches Recht I (WS 2006/2007)
Fall 1 (Trierer Weinversteigerung)1
In einem Trierer Lokal findet eine Weinversteigerung statt, bei der das Erheben der Hand die
Abgabe eines bestimmten Mehrgebotes bedeutet. Karl Kröger, der sich auf einer Urlaubsreise
in Trier befindet, betritt das Weinlokal, um einen Schoppen zu trinken. Er ist mit den Versteigerungsbräuchen nicht vertraut und wundert sich über die Eintrittsgebühren. Doch hält er dies
für eine Trierer Besonderheit, zahlt und nimmt unter den Bietern Platz. Als die Bedienung
auch nach geraumer Zeit noch keine Bestellung entgegengenommen hat, winkt er sie herbei.
Der Versteigerer wertet das Winken Krögers als Mehrgebot und erteilt ihm den Zuschlag.
Karl Kröger erfährt, dass er ein Fass Pfälzer Wein mit 500 Litern ersteigert hat. Muss er den
Preis bezahlen? §§ 433 Abs. 2, 145 ff BGB.
Abb. 1: Vertragsabschluss (Konsens- und Dissensprinzip, §§ 145 ff BGB)
Die Willenserklärung
- Erklärung als objektives Element
- Rechtsbindungswille als subjektives Element
Zwei übereinstimmende Willenserklärungen (Angebot und Annahme):
- mündlich,
- schriftlich
- konkludent
Einigung:
- inhaltlich (§§ 150 II, 154, 155 BGB)
- zeitlich (§§ 146 ff BGB)
Schweigen als Willenserklärung:
- Verkehrssitte oder Verzicht, § 151 BGB
- Handelsbrauch, § 346 HGB
- Geschäftsbesorgungsvertrag, § 362 HGB
Fall 2 (Überlassung von Wohnwagenabstellplätzen)
A handelt mit Wohnwagen und vermietet auch Plätze, auf denen die Wohnwagen abgestellt
werden können. Im Oktober hatte A schon so viele Fahrzeuge, dass der Platz belegt war. Auf
dem Nachbargrundstück betreibt T eine Tankstelle; auch befinden sich dort Garagen, die T
vermietet. Der Geländestreifen zur Grenze des A ist unbebaut; T stellt dort gelegentlich Fahrzeuge ab. Als A bei T war, um zu tanken, sagte A zu T: „Ich habe diesmal so viele Aufträge,
dass mein Platz überquillt, Könntest du mir nicht über den Winter einige Plätze an der Grenze
überlassen? Ich gebe dir die Hälfte der Einstellgebühren ab.“ T antwortet: „Gut, du bist mein
Nachbar, ich überlasse dir 8 Plätze.“ Darauf entgegnet A noch: „Wenn du mal in Schwierigkeiten bist, werde ich dir auch einen Gefallen tun.“ Daraufhin schloss A weitere acht Unterstellverträge ab. Als er den ersten Wohnwagen auf das Grundstück des T fahren wollte, sagte
T, es täte ihm leid, aber er habe so viele Gebrauchtwagen zum Verkauf stehen, dass er den
Platz nicht entbehren könne. Kann A von T Überlassung des Geländestreifens verlangen?
Fall 3 (Das pro forma bestellte Auto)
Asmussen ist bei der Auto-Firma F angestellt und dort für Personalsachen zuständig. Er erhält
zusätzlich zu seinem Gehalt eine Erfolgsprämie, die sich nach der Zahl der verkauften Fahrzeuge richtet. Der Firma F werden dadurch Kaufinteressenten aus dem Bekanntenkreis ihrer
Angestellten zugeführt. Auch Asmussen ist an der Verbesserung seiner Prämie interessiert
und wirbt seinen Freund Feddersen. Dieser will allerdings kein Auto kaufen, und so kommt
man überein, dass Feddersen nur pro forma bestellt und das Fahrzeug selbstverständlich nicht
abzunehmen und auch nicht zu bezahlen braucht. Als Feddersen immer noch zögert, erklärt
Asmussen, der Chef wisse Bescheid. Nun ist Feddersen einverstanden und unterschreibt einen
Steckler, Bürgerliches Recht I (WS 2005/2006)
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Kaufvertrag, der von dem Firmenchef gegengezeichnet wird. Der Chef hatte natürlich keine
Kenntnis von der Absprache zwischen Asmussen und Feddersen. Asmussen hatte sich vorgestellt, dass die pro forma bestellten Fahrzeuge im Folgejahr anderweitig verkauft werden
könnten, was sich wegen einer Absatzflaute nicht realisieren ließ. Als das von Feddersen bestellte Auto eintraf, verlangt die Firma F Abnahme und Zahlung, §§ 116 ff BGB.
Fall 4 (Mausklick als Willenserklärung)
Ein Handelsunternehmen bietet Waren über einen Online-Shop im Internet an. Innerhalb der
Präsentation ist auch die Möglichkeit einer unmittelbaren Bestellung gegeben. Ein Kunde
möchte seine Bestellung stornieren mit folgender Begründung:
(a) Er hätte beim Surfen im Internet versehentlich den Button „Bestellung“ angeklickt, noch
bevor er sich sicher war, dass die Waren im Online-Shop seinen Wünschen entsprachen.
(b) Zu keiner Zeit hätte er eine Bestellung veranlasst. Auf seinem heimischen PC würden aber
die minderjährigen Kinder ihre Mathematik-Hausaufgaben erledigen, spielen und gelegentlich
auch im Internet Surfen. Es wäre möglich, dass eines der Kinder beim Surfen im Internet auch
auf die Homepage des Unternehmens gestoßen und dort eine Bestellung aufgegeben hätten.
Abb. 2: Nichtigkeit und Anfechtung von Willenserklärungen
Nichtigkeit:
- gem. §§ 116 ff BGB wegen fehlender Übereinstimmung von Wille und Erklärung
- gem. §§ 105 ff BGB wegen fehlender Geschäftsfähigkeit
- gem. §§ 125 ff BGB wegen Formmangels
- gem. § 134 BGB wegen Rechtswidrigkeit
- gem. § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit
- gem. § 142 BGB als Rechtsfolge der Anfechtung
Anfechtungsvoraussetzungen: Anfechtungserklärung und Anfechtungsgrund
Anfechtungsgründe: §§ 119 ff BGB
Fall 5 (Die Fax-Erklärung)2
Die Schriftform bei der Übermittlung einer Willenserklärung (nicht: eines Dokuments) ist
Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen. Zu welchem Zeitpunkt wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach dem Gesetz der Schriftform bedarf, wirksam,
wenn sie dem Erklärungsempfänger per Telefax (per eMail) zugeht?
Fall 6 (Schriftform für Verbraucherkreditgeschäfte)3
Verträge, in denen nicht gewerblichen Verbrauchern Finanzierungshilfen oder Zahlungsaufschübe gewährt werden, bedürfen der Schriftform, vgl. §§ 499, 492 Abs. 1 BGB. Bei den über
das Internet geschlossenen Verträgen stellt sich daher die Frage nach der Schriftform, sofern
die Unterschrift mit einem Scanner in das Vertragsdokument eingefügt wird. Welche Auffassung vertreten Sie?
Fall 7 (Kalkulationsirrtum)4
Der Unternehmer U bestellt bei der Firma F einen Massenartikel zum Preis von 2,80 € bei
Abnahme von 1.000 Stück. Nach Vertragsabschluß erkennt U, dass seine Kalkulation von
unrichtigen Voraussetzungen ausging: die von ihm hergestellte Ware kann bei einem Stückpreis von 2,80 € für das betreffende Materialteil nicht am Markt abgesetzt werden. Er will den
Auftrag stornieren lassen und beruft sich auf seinen Irrtum.
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Steckler, Bürgerliches Recht I (WS 2006/2007)
Fall 8 (Rechenfehler bei den Lohnkosten)
A hatte einige Baufirmen wegen Vergabe eines größeren Auftrages für einen Anbau an sein
Geschäftshaus angeschrieben. An einem Dienstag fand die entscheidende Verhandlung statt.
Zunächst erschien für die Firma B der Inhaber B selbst. Er bot die Ausführung des Auftrages
zum Festpreis von 760.000 € an. B hatte eine auf drei Schreibmaschinenseiten geschriebene
„Kalkulation“ vorliegen, von der er A eine Abschrift gab. A überflog diese und ging dann
näher auf die von B vorgesehene Einschaltung eines Subunternehmens ein. A bemerkte nicht,
dass beim letzten Einzelposten, den eigenen Lohnkosten des B, ein Rechenfehler unterlaufen
war. Zwar waren die gesamten Arbeitsstunden richtig ausgerechnet, auch war der Betrag für
die einzelne Arbeitsstunde richtig eingesetzt, doch hätte das Ergebnis der Multiplikation richtig 170.000 € betragen; eingesetzt waren aber 107.000 €. Nachdem die anderen Angebote
höher lagen - das nächst günstigste lautete über 800.000 € - erteilte A dem B den Auftrag.
Später bemerkt B den Fehler und überlegt, ob er den Vertrag anfechten kann. §§ 119 ff, 631
BGB.
Fall 9 (Inhaltsirrtum)
König bestellt bei Vogt „ein Gros“ einer bestimmten Weinsorte. Es stellt sich heraus, dass
König unter einem Gros 12 Stück, also ein Dutzend verstanden hat, das „Gros“ jedoch nach
lokalem Sprachgebrauch 12 Dutzend umfasst. Daraufhin werden 12 Dutzend der bestellten
Ware geliefert. Was kann König tun?
Fall 10 (Erklärungsirrtum)
Vogt bietet seinem Geschäftspartner König die Lieferung eines bestellten Artikels zum Stückpreis von 9,80 € an. König hält diesen Preis für äußerst günstig und will 1.000 Stück ordern.
Er diktiert seiner Sekretärin eine entsprechende Bestellung. Diese verschreibt sich und fügt
statt 1.000 die Zahl 10.000 ein. Als König kurz vor Geschäftsschluss neben verschiedenen
anderen Schriftstücken in der ihm überreichten Unterschriftenmappe auch die betreffende Bestellung unterzeichnet, entgeht ihm dieses Versehen. Vogt erhält die Ordner über 10.000
Stück und bestätigt entsprechend. Erst jetzt stellt sich das Versehen heraus. Nunmehr weigert
sich König, mehr als die ursprünglich gewollten 1.000 Stück abnehmen.
Fall 11 (Lieferung kompatibler Produkte)5
Ein Händler veranlasst eine Ausschreibung zur Lieferung von Originalverbrauchsmaterialien
(hier: Druckerpatronen eines bestimmten Herstellers). Daraufhin wird ihm die Lieferung
kompatibler Produkte eines anderen Herstellers angeboten. Der Händler weist die Lieferung
zurück und beruft sich auf einen Dissens. Ist ein Vertrag zustande gekommen? §§ 145 ff
BGB.
Fall 12 (Angebot und Annahme)6
Vogt bietet König den Kauf einer Maschine zum Barzahlungspreis von 30.000 € an. König ist
im Moment nicht liquide und telegrafiert zurück: „nehmen das Angebot mit Zahlungsziel 60
Tage nach Empfang der Ware an“. Da Vogt selbst auf den schnellen Eingang von Barmitteln
angewiesen ist, verkauft er die Maschine 2 Tage nach Empfang der Mitteilung von König an
einen Interessenten gegen Barzahlung. Mittlerweile hat sich die Liquidität von König verbessert, er telegrafiert eine Woche später an Vogt: „nehmen die Barzahlungsbedingungen an"
und verlangt die Lieferung der Maschine. §§ 433 Abs. 1, 146, 150 Abs. 2 BGB.
Fall 13 (Schlüssiges Verhalten)
V schreibt dem K, er biete ihm 100 to Silozement für 2.900,- € ab Werk in X an. K antwortet,
er wünsche 150 to zu kaufen, aber zum Preis von nur 4.000,- € ab Werk in X oder zum Preis
von 4.200,- € frei Großbaustelle in Y. Darauf entgegnet V, er werde den Zement frei Großbaustelle in Y für 4.400,- € liefern. K lässt sich die Lieferung gefallen, beginnt auch mit dem
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Verbrauch des Zements, zahlt aber nur 4.200,- €. Kann V die restlichen 200,- € fordern?
§§ 433 Abs. 2, 146, 150 Abs. 2 BGB.
Fall 14 (Skier im Frühling)
A, Inhaber eines Sportgeschäftes, bestellte beim Skihersteller Zischer am 20.2. 3 Paar Ski des
Modells „Imperator“ (Preis für ein Paar: 520 €). Zischer lieferte 3 Paar Ski „Matador Super“
(Preis: 580 €) mit dem Vermerk: „Ihre Bestellung vom 20.2.“ A ließ die Ski in das Schaufenster stellen. Zwei Wochen später kam bei A eine Sendung der Firma Zischer an, die 3 Paar Ski
„Imperator“ enthielt mit dem Vermerk: „Ihre Bestellung vom 20.2.“ Da inzwischen warmes
Frühlingswetter herrscht, möchte A am liebsten alle 6 Paar wieder zurückschicken. Wäre er
dazu berechtigt? §§ 145 ff BGB.
Fall 15 (Ein postalischer Fehler)
Die G-GmbH bot dem Rohstofflieferanten V in Hamburg am 02. Mai „freibleibend“ 20 t
Bauxit zum Preis von 60.000,- € an. V telefonierte daraufhin am 06. Mai mit K, einem Aluminiumhersteller in Rostock, wobei er ihm die 20 t Bauxit zum Preis von 90.000,- € anbot. K
bat sich eine Überlegungsfrist aus; V erwiderte, er halte sich an diese Offerte bis zum 31. Mai
gebunden.
K bestellte die 20 t Bauxit bei V schriftlich; dieses Schreiben war - wie auch aus dem Poststempel ersichtlich - am 24. Mai zur Post gegeben worden. Es ging jedoch infolge einer ungeklärten Verzögerung auf dem Postwege erst am 05. Juni bei V ein. Nun bestellte V am 06.
Juni bei der G-GmbH das am 02. Mai angebotene Bauxit. Die G-GmbH antwortete am 08.
Juni sie könne wegen der rasch gestiegenen Weltmarktpreise allenfalls für 70.000,- € liefern.
V wollte auf diesen Preis ohne Rückfrage bei K nicht eingehen und teilte daher dem K am 24.
Juni mit, das Bauxit koste jetzt 105.000,- €. Mit diesem Preis war K nicht einverstanden.
Ist V berechtigt, von der GmbH die Lieferung von 20 t Bauxit zum Preis von 60.000,- € zu
verlangen? Ist K berechtigt, von V Lieferung des Bauxit für 90.000,- € zu fordern?
Fall 16 (Erklärungsmittel)
Vogt in Hamburg bietet König in Stuttgart am 1. September per Telex die Lieferung eines
größeren Postens frisch eingetroffener Tomaten zum Sonderpreis an. Bei König bleibt dieses
Angebot bis 3. September aus Versehen liegen. Am 4. September nimmt König das Angebot
brieflich an. Der Brief geht am 6. September (einem Samstag) im Postfach des Vogt ein und
wird am darauf folgenden Montag, 8. September, dort der Verkaufsabteilung vorgelegt. Diese
hatte jedoch bereits am 5. September anderweitig über die Ware verfügt. König besteht nunmehr auf Lieferung zum angegebenen Sonderpreis. §§ 147, 150, 433 BGB.
Fall 17 (Online-Auktionen)7
Nach den Bedingungen eines Online-Auktionshauses ist die Eröffnung der Homepage durch
den Anbieter nach vollständiger Eingabe aller erforderlichen Angaben als ein verbindliches
Angebot anzusehen. Das höchste Gebot innerhalb der Laufzeit der Internet-Auktion ist die
Annahme, durch die ein Kaufvertrag zustande kommt. Der Bieter wird durch eine automatische e-Mail von dem Vertragsabschluss benachrichtigt. Entsprechen diese Bedingungen, welche sowohl der Verkäufer als auch der Käufer bei Anmeldung zur Teilnahme an der Auktion
akzeptieren, den Regeln des Bürgerlichen Rechts?
Fall 18 (Vertragsänderung durch Rechnungsaufdruck)
K hat von V für € 6.000,- Schrauben gekauft. Nach dem Kaufvertrag kann K bei Zahlung innerhalb von zwei Wochen seit Rechnungseingang 2 % Skonto abziehen. Auf der Rechnung
heißt es dagegen: Zahlbar innerhalb von zwei Wochen ohne Abzug. Kann V den vollen Betrag über € 6.000,- verlangen? §§ 433 Abs. 2, 145 ff BGB.
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Steckler, Bürgerliches Recht I (WS 2006/2007)
Abb. 3: Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag
Anwendung der §§ 150 Abs. 2, 155, 305 f BGB:
Beispiel A:
- Angebot des Verkäufers mit Verkaufsbedingungen
- Annahme des Bestellers mit Einkaufsbedingungen
Beispiel B:
- Angebot des Bestellers mit Einkaufsbedingungen
- Annahme des Verkäufers mit Verkaufsbedingungen
Beispiel C:
- Angebot des Verkäufers mit Verkaufsbedingungen
- Annahme des Bestellers
Beispiel D:
- Angebot des Bestellers mit Einkaufsbedingungen
- Annahme des Verkäufers
Beispiel E:
- Angebot des Verkäufers mit Verkaufsbedingungen
- Annahme des Bestellers mit Einkaufsbedingungen
- Lieferung der Ware und rügelose Entgegennahme
Abb. 4: Auszug aus Allgemeinen Einkaufsbedingungen (Muster)8
Text gut lesbar auf der Vorderseite der Bestellung: „Wir bestellen hiermit bei Ihnen unter
ausschließlicher Geltung unserer rückseitig abgedruckten Einkaufsbedingungen.“
§1
(Allgemeines - Geltungsbereich)
(1)
Unsere Einkaufsbedingungen gelten ausschließlich; entgegenstehende oder von unseren Einkaufsbedingungen abweichende Bedingungen des Lieferanten erkennen wir
nicht an, es sei denn, wir hätten ausdrücklich schriftlich ihrer Geltung zugestimmt.
Unsere Einkaufsbedingungen gelten auch dann, wenn wir in Kenntnis entgegenstehender oder von unseren Einkaufsbedingungen abweichender Bedingungen des Lieferanten die Lieferung des Lieferanten vorbehaltlos annehmen.
(2)
Alle Vereinbarungen, die zwischen uns und dem Lieferanten zwecks Ausführung
dieses Vertrages getroffen werden, sind in diesem Vertrag schriftlich niederzulegen.
(4)
Unsere Einkaufsbedingungen gelten auch für alle künftigen Geschäfte mit dem Lieferanten. ...
§2
(Angebot)
(1)
Der Lieferant ist verpflichtet, unsere Bestellung innerhalb einer Frist von 2 Wochen
anzunehmen. ...
Fall 19 (AGB in Online-Verträgen)9
In einer Online-Präsentation wird die Möglichkeit von Vertragsabschlüssen gegeben. Auf der
Einführungsseite des Angebots wird auch auf die Teilnahmebedingungen hingewiesen, die
sich über sieben Bildschirmseiten erstrecken und fünfzehn Unterpunkte enthalten. Werden die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Online-Verträgen wirksam?
Steckler, Bürgerliches Recht I (WS 2005/2006)
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Fall 21 (Widerruf von Haustürgeschäften)10
Die Firma F handelt mit Bauelementen. Berger bestellte am 12.01. bei einem Anruf des Vertreters der Firma F diesen zur Abgabe eines „Angebotes“ in seine Wohnung und dort schlossen sie am 15.01. einen Vertrag über Lieferung und Einbau von Kunststofffenstern in das
Haus Bergers, nachdem der Vertreter der Firma F die Fenster ausgemessen hat. Berger hat
den Vertrag, der keine Belehrung über ein Widerrufsrecht nach den §§ 312, 355 ff BGB enthält, widerrufen. Die Firma F verlangt Abnahme der Fenster und Zahlung des vereinbarten
Preises von 23.000,- € nebst Zinsen. §§ 631, 640, 651 BGB.
Abb. 5: Widerrufsrechte gem. § 355 BGB
Haustürgeschäft gem. § 312 BGB,
Fernabsatzvertrag gem. §§ 312b, 312d BGB.
Verbraucherdarlehensvertrag gem. § 495 BGB,
Zahlungsaufschub und sonstige Finanzierungshilfen gem. §§ 499, 495 Abs. 1 BGB,
Finanzierungsleasingverträge gem. §§ 500, 495 Abs. 1 BGB,
Teilzahlungsgeschäfte gem. §§ 501, 495 Abs. 1 BGB,
Ratenlieferungsverträge gem. § 505 BGB,
Existenzgründungsdarlehen gem. § 507 BGB.
Fall 22 (Kaufmännisches Bestätigungsschreiben)11
Kaufmann A hat am 1.4. vom Kaufmann B mündlich 10 to Stahlträger, Profil X, in Längen zu
5 m, fix und fertig geschnitten, zum Preise von 19.000,- € zur sofortigen Lieferung gekauft. B
schreibt am 3.4. an A: Ich bestätige Ihnen, dass Sie am 1.4. von mir 10 to ... zu dem am Tage
der Lieferung geltenden Preis gekauft haben. A antwortet nicht. Am 15.4. liefert B zum Tagespreis von 9.500,- €. Muss A für die Träger 19.500,- € zahlen?
Abb. 6: Das kaufmännische Bestätigungsschreiben
Handelsbrauch unter Kaufleuten gem. § 346 HGB:
- Kaufleute (mindestens der Empfänger muss Kaufmann sein !)
- mündlicher Vertragsabschluß
- schriftliche Zusammenfassung
- unmittelbare Absendung
- Redlichkeit des Absenders
- Schweigen des Empfängers
Rechtsfolge: Festlegungs- und Beweisfunktion
Fall 23 (Auftragsbestätigung)
K bestellt nach dem Katalog für 2003 bei V Maschinen des Typs X zum Preise von je 698,- €.
2004 hat sich der Preis auf 718,- € erhöht. V schickt dem K eine „Auftragsbestätigung“, in der
es heißt: Wir bestätigen dankend den uns erteilten Auftrag. Die Maschinen X kostet nach unserem Katalog, gültig 1.1.2004, 718,- €. K beantwortet das Schreiben nicht. Muss er die Maschinen abnehmen und mit 718,- € je Stück bezahlen? §§ 433 Abs. 2, 150 Abs. 2 BGB.
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Steckler, Bürgerliches Recht I (WS 2006/2007)
Abb. 7: Die Regeln der Stellvertretung gem. §§ 164 ff BGB
- Zulässigkeit der Vertretung
- Handeln im fremden Namen
- Vertretungsmacht
Die Vertretungsmacht entsteht durch Gesetz oder durch Vertrag.
Rechtsfolge wirksamer Vertretung: Die von dem Vertreter abgegebene Willenserklärung
wirkt für oder gegen den Vertretenen.
Vertretung ohne Vertretungsmacht: §§ 177, 179 BGB.
Fall 24 (Kaffeeverkauf durch Vermittlungsvertreter)
V hat vor einigen Tagen seine neue Tätigkeit als Reisender und Vermittlungsvertreter der
Firma K-AG, Kaffeeimport und Großrösterei, übernommen. Am späten Nachmittag besuchte
er den A, Inhaber mehrerer Lebensmittelfilialbetriebe in der Stadt S, und stellte sich als Vertreter der Firma K-AG vor. Er unterbreitete seine Angebote. A erklärte, er nehme sofort
15.000 Packungen der Sorte „Gold-Braun-Kaffee“, die Packung für 7,20 €. V versuchte, Verbindung mit seiner Firma aufzunehmen, konnte aber, da es inzwischen 18.00 Uhr war, niemanden mehr erreichen. Da A auf sofortigen Vertragsabschluß bestand und V die Gelegenheit
für günstig hielt, schloss V namens der Firma K mit A einen entsprechenden Kaufvertrag. Am
nächsten Tag teilte V dies der Geschäftsleitung der K-AG mit. Diese erklärte, man habe gerade am Vortage die Preise erhöht und könne keinesfalls mehr für 7,20 € pro Packung liefern.
Welche Ansprüche hat A? §§ 177, 179, 433 BGB.
Fall 25 (Vertretung ohne Vertretungsmacht)
A ist Angestellter bei der größeren Baufirma F. Er wird von der Geschäftsleitung zur Baumaschinenausstellung nach München geschickt, um sich über die Neuerungen zu informieren
und der Geschäftsleitung Bericht zu erstatten. Eine Vollmacht zum Ankauf von Maschinen
wird ihm nicht erteilt. Auf der Messe entdeckt A eine äußerst günstige Gelegenheit zum Erwerb einer Asphaltiermaschine. Da er annimmt, die Geschäftsleitung werde mit einem Ankauf einverstanden sein, schließt er im Namen seiner Firma mit dem Baumaschinenverkäufer
B einen diesbezüglichen Vertrag ab, erklärt jedoch ausdrücklich, dass er „im Moment noch
keine Legitimation habe“. Die Firma F beurteilt die technischen Möglichkeiten der Maschine
skeptisch und will von einem Ankauf Abstand nehmen. Kann der Baumaschinenverkäufer B
Abnahme und Zahlung verlangen? §§ 177, 179, 433 BGB.
Fall 26 (Anscheins- und Duldungsvollmacht)12
Das bekannte Bauunternehmen Klotz unterhält eine ständige Geschäftsbeziehung zu der kleineren Baufirma Bauer. Bei größeren Bauaufträgen arbeitet die Firma Bauer häufig im Unterauftrag für die Firma Klotz.
Die Firma Bauer gerät in finanzielle Schwierigkeiten und hofft auf eine gute Auftragslage.
Deshalb möchte Bauer sich an der Ausschreibung eines geplanten Technologiezentrums beteiligen, sieht aber nur geringe Chancen, den Auftrag zu erhalten. Infolgedessen wendet er
sich an Klotz mit der Bitte, an der Ausschreibung teilzunehmen. Im Erfolgsfall würde Bauer
den Auftrag als Subunternehmer ausführen und dadurch den Fortbestand seines Unternehmens retten. Klotz ist einverstanden und erhält den Zuschlag.
Steckler, Bürgerliches Recht I (WS 2005/2006)
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Bauer beginnt mit der Ausführung des Bauauftrags, hat aber wegen anhaltender Zahlungsschwierigkeiten Probleme bei der Materialbeschaffung. In seiner Not bestellt er Baumaterialien im Namen des Klotz bei der Ziegelei Zeisig. Da jeder Branchenkundige weiß, dass der
Bauauftrag für das Technologiezentrum an Klotz gegangen war, lieferte Zeisig das Material
an Bauer, sendet aber gleichzeitig eine Kopie des Lieferscheins an Klotz. Insgesamt erfolgen
dreizehn Lieferungen von Baumaterialien, die ersten zwölf konnte Bauer bezahlen, dann wurde über sein Unternehmen das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Firma Zeisig verlangt Zahlung der dreizehnten Materiallieferung von Klotz. Dabei beruft
sich Zeisig darauf, dass Klotz die Lieferscheine in Kopie erhalten und auch gesehen habe und
sich vermutlich wegen der bestehenden Geschäftsverbindung zu Bauer nicht zu einem Widerspruch habe entschließen können. Klotz erwidert, die Lieferscheine seien in seinem Betrieb
routinemäßig abgeheftet worden in der Annahme, es handele sich um eigene Bestellungen.
Abb. 9: Einrede der Verjährung
Voraussetzungen: Verjährungseinrede und Ablauf der Verjährungsfrist
- allgemeine Verjährungsfrist 3 Jahre gem. § 195 BGB
- Ansprüche gem. § 196 BGB verjähren in 10 Jahren
- Ansprüche gem. § 197 BGB verjähren in 30 Jahren
- Ansprüche aus kaufvertraglicher Gewährleistung verjähren gem. § 438 BGB
- Ansprüche aus werkvertraglicher Gewährleistung verjähren gem. § 634a BGB
Rechtsfolge: Dem Anspruch steht die Verjährungseinrede entgegen.
Achtung: Verjährungsbeginn! Hemmung der Verjährungsfrist!
Fall 27 (Einrede der Verjährung)
Ein Großhändler beliefert am 15. September 2002 einen Einzelhändler mit Waren, die dieser
in seinem Geschäft weiterverkaufen will. Wann verjähren die Kaufpreisforderungen des
Großhändlers gegen den Einzelhändler? Kommt es darauf an, ob die Waren für den privaten
Bedarf des Einzelhändlers oder für seinen Geschäftsbetrieb bestimmt sind?
Fall 28 (Die nicht bezahlte Schrottpresse)
Maschinenhändler V verkaufte und lieferte im Jahre 2000 an K, Inhaber eines Metall verarbeitenden Betriebes, eine Schrottpresse zum Preise von 65.000 €. Es wurde vereinbart, dass V
sich das Eigentum bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises vorbehält. Infolge eines
Versehens unterblieb die Zahlung des Kaufpreises. Im Januar 2004 wurde dies von V bemerkt. Auf die Mahnung des V hin berief K sich auf die Verjährung der Forderung. V fragt
nach der Rechtslage. §§ 433 Abs. 2, 985 BGB.
Fall 29 (Konkurrenzklausel im Mietvertrag; einfache Vertragsauslegung) 13
Die V-Gesellschaft vermietete an D Geschäftsräume zum Betrieb einer Drogerie. Der Mietvertrag enthält folgende Bestimmung: „Der Vermieter darf innerhalb der von ihm errichteten
Wohnsiedlung keine Geschäftsräume an ein Unternehmen der gleichen Branche vermieten.“
V beabsichtigt, innerhalb der Wohnsiedlung Geschäftsräume an einen Supermarkt zu vermieten, der auch Seife, Kosmetikartikel, Filme u. a. führen will. Kann D von V Unterlassung dieser Vermietung verlangen? §§ 133, 157 BGB.
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Steckler, Bürgerliches Recht I (WS 2006/2007)
Fall 30 (Konkurrenzklausel im Gesellschaftsvertrag; ergänzende Vertragsauslegung)14
A und B waren Gesellschafter einer oHG, die im Bezirk Z Autozubehör aus Glas vertrieb, u.
a. Innen- und Außenspiegel. Der Gesellschaftsvertrag enthielt folgende Bestimmungen:
§ 15: „Kündigt ein Gesellschafter, bleibt die Gesellschaft bestehen; der Kündigende scheidet
aus. Er verpflichtet sich, im Z-Bezirk 5 Jahre lang nicht in derselben Branche tätig zu sein.“
§ 16: „Ein Gesellschafter scheidet aus, wenn über sein Vermögen der Konkurs eröffnet wird,
ferner wenn ein wichtiger Grund für die Auflösung der Gesellschaft oder für den Ausschluss
des Gesellschafters vorliegt und dies durch gerichtliche Entscheidung festgestellt wird.“
Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts wurde B aus der Gesellschaft ausgeschlossen,
weil er seine Pflichten vorsätzlich verletzt hatte. Daraufhin übernahm B die Vertretung einer
Konkurrenzfirma im Z-Bezirk. A fragt, ob er von B Unterlassung verlangen kann.
Abb. 10: Auslegungsregeln
Auslegung von Willenserklärungen:
§ 133 BGB: Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu
erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Auslegung von Verträgen:
§ 157 BGB: Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf
die Verkehrssitte erfordern.
Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen:
Rechtsprechung: Verständnis des Durchschnittsverbrauchers.
§ 305c Abs. 2 BGB: Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
Fußnoten:
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6
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8
9
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11
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Steckler, Kompendium Wirtschaftsrecht, Ludwigshafen/Rhein, 6. Auflage 2002, S. 455.
BGH, Urt. v. 30.7.1997, NJW 1997, 3169.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.11.1997 –Schriftform bei eingescannter Unterschrift, NJW 1998, 1650.
Klunzinger, Übungen im Privatrecht, 8. Auflage, München 2003, S. 53 (Fall 38).
OLG Hamm, Urteil vom 8.9.1997, NJW-CoR 1998, 180 = OLGR Hamm 1998, 21 – Nichterfüllung
und Dissens bei Verbrauchsmaterial eines Fremdherstellers.
Klunzinger, Übungen im Privatrecht, 8. Auflage, München 2003, S. 73 (Fall 59).
BGH, Urt. v. 7.11.2001, NJW 2002, 323.
Westphalen, Friedrich Graf von, Allgemeine Einkaufsbedingungen, München 1990, S. 9 ff.
OLG Köln, Urteil vom 21.11.1997, CR 1998, 244 – Verträge über BTX-Dialoge mit Anmerkung Ernst,
NJW-CoR 1998, 304; LG Freiburg, NJW-RR 1992, 1018 – BTX-AGB.
BGH, Urt. v. 1.3.1990, NJW 1990, 1732.
Baumbach/Hopt, 29. Auflage München 1995, § 346 Rn. 16 ff.
Heinrichs in Palandt, 60. Aufl. München 2001, § 173 Rn. 11 ff (Duldungsvollmacht), Rn. 14 ff (Anscheinsvollmacht).
Wörlen, BGB AT, Köln, 6. Auflage 2001, Rn. 145 ff.
Heinrichs in Palandt, a.a.O., § 157 Rn. 2.
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