26.10.2016 WAS BEDEUTET ETHIK…. …..IN DER FORSCHUNG? Dr. Claudia Kemper Begriffsbestimmung: Ethik Die Ethik (vom griechischen Ethos: Gewohnheit, Sitte, Brauch, …) ist ein Teilgebiet der Philosophie und befasst sich mit Moral, deren Aufgabe es ist, Kriterien für gutes und schlechtes Handeln und die Bewertung seiner Motive und Folgen aufzustellen. Beruht auf menschlicher Vernunft, d.h. der Fähigkeit zur Erkenntnis der Welt und Ableitung von allgemeinen Zusammenhängen als Grundlage des Handelns 19.04.2016 2 1 26.10.2016 Ethik als Wissenschaft der Moral Moral: aus kultureller und religiöser Erfahrung gebildetes Regel-, Normen- und Wertesystem, das in einer Gesellschaft als Verhaltensmaßstab betrachtet wird. Ethik geht dem theoretischen Fundament auf den Grund. Reflexion von Bewertungsmaßstäben Klarheit bezüglich moralischer Bewertungen und Entscheidungen 19.04.2016 3 Beispiel: Spende Intention Handlung 19.04.2016 Ergebnis 4 2 26.10.2016 Moralisches Handeln Was ist gutes und schlechtes Handeln? Zum Beispiel: Kategorischer Imperativ (Kant) als Menschen eigene Grundnorm: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Oder: „Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ „Gut“ basiert hier auf Nutzen (Glück, Entfaltung der Persönlichkeit, Erfüllung von Ansprüchen, …) für handelnde Person und alle anderen 19.04.2016 5 ETHIK IN DER MEDIZIN MEDIZINETHISCHE PRINZIPIEN Autonomie Nicht-Schaden Fürsorge Gerechtigkeit Beauchamp/Childress 1979 19.04.2016 6 3 26.10.2016 Autonomie Semantischer Ursprung: griechische Antike – „autos nomos“ Selbstgesetzgebung des Staates Heutige Medizin: Ausdruck des mündigen Patienten Abwehrreaktion auf eine ursprünglich paternalistische Medizin Befreiung von äußerer Beeinflussung bzw. Vermeidung von Bevormundung „Informed consent“: Einwilligung nach Aufklärung als Vorbedingung jedes Eingriffs Was der Gesundheit des Patienten nach ärztlicher oder therapeutischer Ansicht dient, muss mit dem, was der autonome Patient will, nicht zwangsläufig in eins fallen. 19.04.2016 7 Nicht-Schaden Anerkennung der Grundrechte Schematische Einteilung der Schadensarten nach Meslin (1989): – Objektiver Schaden (Beeinträchtigung der körperlichen Funktion, Verletzung, Missachtung von Interessen, Missbrauch von Daten) – Subjektiver Schaden (Schmerz, Nichterfüllung meiner Präferenz, sittlicher Schaden) 19.04.2016 8 4 26.10.2016 Fürsorge Auch Prinzip des Wohltuns oder der Benefizienz Unterscheidung „Nicht-Schaden“ von „Fürsorge“ nach Beauchamp und Childress 2001: Nicht-Schaden: Niemanden Übel oder Schaden zufügen Fürsorge: Übel und Schaden verhindern bzw. beseitigen. Gutes tun und Gutes fördern. 19.04.2016 9 Ökonomisierung der Medizin 19.04.2016 10 5 26.10.2016 Menschenbilder Was macht den Menschen im Wesentlichen aus? Leitbild Zielvorstellung Idealvorstellung 19.04.2016 11 Menschenbilder Der Mensch als Maschine Der Mensch als Kunde Der Mensch als atomistisches Einzelwesen Der Mensch als das Machbare Der vulnerable und angewiesene Mensch 19.04.2016 12 6 26.10.2016 Ethik in der Forschung… Autonomie Nicht-Schaden Fürsorge Gerechtigkeit Ökonomie Menschenbild 19.04.2016 13 Medizinische Forschung am Menschen Deklaration von Helsinki Der Arzt soll bei der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit ausschließlich im Interesse des Patienten handeln, wenn die Therapie eine Schwächung des physischen und psychischen Zustandes des Patienten zur Folge haben kann. Medizinischer Fortschritt beruht auf Forschung, die sich letztlich zum Teil auch auf Versuche am Menschen stützen muss. In der medizinischen Forschung am Menschen haben Überlegungen, die das Wohlergehen der Versuchsperson (die von der Forschung betroffene Person) betreffen, Vorrang vor den Interessen der Wissenschaft und der Gesellschaft. 19.04.2016 14 7 26.10.2016 Medizinische Forschung am Menschen Aus den allgemeinen Grundsätzen der medizinischen Ethik sowie aus Deklaration von Helsinki: Rahmen der medizinischen Forschung am Menschen Bei der medizinischen Forschung am Menschen ist es die Pflicht des Arztes, das Leben, die Gesundheit, die Privatsphäre und die Würde der Versuchsperson zu schützen. Medizinische Forschung am Menschen muss den allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen entsprechen, auf einer umfassenden Kenntnis der wissenschaftlichen Literatur, auf anderen relevanten Informationsquellen sowie auf ausreichenden Laborversuchen und gegebenenfalls Tierversuchen basieren. 19.04.2016 15 Medizinische Forschung am Menschen Die Planung und Durchführung eines jeden Versuches am Menschen ist eindeutig in einem Versuchsprotokoll niederzulegen. Dieses Protokoll ist einer besonders berufenen Ethikkommission zur Beratung, Stellungnahme, Orientierung und gegebenenfalls zur Genehmigung vorzulegen, die unabhängig vom Forschungsteam, vom Sponsor oder von anderen unangemessenen Einflussfaktoren sein muss. Diese unabhängige Kommission muss mit den Gesetzen und Bestimmungen des Landes, in dem das Forschungsvorhaben durchgeführt wird, im Einklang sein. 19.04.2016 16 8 26.10.2016 Medizinische Forschung am Menschen Die Kommission hat das Recht, laufende Versuche zu überwachen. Der Forscher hat die Pflicht, die Kommission über den Versuchsablauf zu informieren, insbesondere über alle während des Versuchs auftretenden ernsten Zwischenfälle. Der Forscher hat der Kommission außerdem zur Prüfung Informationen über Finanzierung, Sponsoren, institutionelle Verbindungen, potentielle Interessenkonflikte und Anreize für die Versuchspersonen vorzulegen. 19.04.2016 17 Medizinische Forschung am Menschen Jedem medizinischen Forschungsvorhaben am Menschen hat eine sorgfältige Abschätzung der voraussehbaren Risiken und Belastungen im Vergleich zu dem voraussichtlichen Nutzen für die Versuchsperson oder andere vorauszugehen. Dies schließt nicht die Mitwirkung von gesunden Freiwilligen in der medizinischen Forschung aus. 19.04.2016 18 9 26.10.2016 Medizinische Forschung am Menschen Bei jeder Forschung am Menschen muss jede Versuchsperson ausreichend über die Ziele, Methoden, Geldquellen, eventuelle Interessenkonflikte, institutionelle Verbindungen des Forschers, erwarteten Nutzen und Risiken des Versuchs sowie über möglicherweise damit verbundene Störungen des Wohlbefindens unterrichtet werden. Die Versuchsperson ist darauf hinzuweisen, dass sie das Recht hat, die Teilnahme am Versuch zu verweigern oder eine einmal gegebene Einwilligung jederzeit zu widerrufen, ohne dass ihr irgendwelche Nachteile entstehen. Nachdem er sich vergewissert hat, dass die Versuchsperson diese Informationen verstanden hat, hat der Arzt die freiwillige Einwilligung nach Aufklärung ("informed consent") der Versuchsperson einzuholen; die Erklärung sollte vorzugsweise schriftlich abgegeben werden. Falls die Einwilligung nicht in schriftlicher Form eingeholt werden kann, muss die nicht-schriftliche Einwilligung formell dokumentiert und bezeugt werden. 19.04.2016 19 Ethisch relevante Fragen in Therapiestudien Wie kann Ihre Studie zur Verbesserung der Versorgungsqualität beitragen? Nehmen an Ihrer Studie besonders vulnerable Probanden teil (z.B. Schwangere, Menschen mit schweren Gesundheitsstörungen, Kinder oder Jugendliche, Menschen mit Demenzerkrankungen oder geistigen Behinderungen)? Wenn ja, wie werden deren Patienten-/Probandenrechte geschützt? Welche Gefahren bzw. unerwünschte Ereignisse (Eintrittswahrscheinlichkeit) sind mit der Studienteilnahme verbunden, und welche Mechanismen sind in die Studienplanung eingearbeitet, um die Studienteilnehmer hiervor zu schützen? 19.04.2016 20 10 26.10.2016 Ethisch relevante Fragen in Therapiestudien Welche Abbruchregeln gibt es in der Studie? Welche Maßnahmen sind im Falle des Eintretens unerwünschter Maßnahmen vorgesehen? Wie sind die Patienten während der Studie versichert? Zum Datenschutz ergriffenen Maßnahmen Können sich aus der Finanzierung Interessenkonflikte ergeben, die die Ergebnisse beeinflussen können? Wie wird ggf. eine Kontrollgruppe gebildet? 19.04.2016 21 Ethikkommission Interdisziplinäres Gremium, das Wissenschaftler hinsichtlich ethischer und rechtlicher Gesichtspunkte berät Schriftliche Stellungnahme zu vorgelegten Forschungsvorhaben am Menschen Voraussetzung für Publikationen Kein Ethik-Komitee (Hilfe bei ethischen Fragen und Konflikten des klinischen Alltags)! 19.04.2016 22 11 26.10.2016 Fazit Was bedeutet Ethik in der Forschung? Ethische Orientierung während des gesamten Forschungsprozesses! Forschungsprozess nach Bortz & Döring (2006). Forschungsmethoden und Evaluation. Heidelberg: Springer. 19.04.2016 23 12