Demokratie Staatsform? – die beste Der Physiker und Autor Dr. Günter Dedié hat in seinem Facebook-Auftritt EmergenzNetzwerk einen Artikel über die Demokratie publiziert (29.5.), den wissenbloggt dankend übernimmt. Dedié geht es um die Merkmale inklusiver und extraktiver Sozialordnungen, die er in Bezug zu symbiotischen bzw. schmarotzenden Systemen und ihren emergenten Wechselwirkungen bringt. Aus dieser Sicht unternimmt er die Bewertung einiger Staatsformen und Staaten mitsamt ihrer Erfolgsfaktoren. Dabei findet er keine Korrelation zwischen der Staatsform Demokratie und dem Wohlstand für Viele, aber stattdessen eine Korrelation des Wohlstands mit den inklusiven Unternehmen der Industrie. Demokratie – die beste Staatsform? Der aktuelle G7-Gipfel mit seinen abstrusen Abschottungs- und Sicherheits-Maßnahmen (22 000 Polizisten, 6 000 Kriminalbeamte, Kosten 150 Mio. €) ist ein guter Anlass, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Um das Ergebnis gleich vorweg zu nehmen: Für den Wohlstand der Bürger ist offenbar nicht die Staatsform, sondern die kooperativen Merkmale der Industrie-Unternehmen entscheidend. Ausgangspunkt für die Überlegungen dazu sind die Untersuchungen der amerikanischen Forscher Daron Acemoglu und James A. Robinson, die auf der Basis jahrelangen Feldforschungen den Unterschied von inklusiven und extraktiven Sozialordnungen herausgearbeitet haben (vgl. die Notizen vom 1.11. und 18.11.2014 in dieser fb page). Einige Merkmale inklusiver Sozialordnungen sind: Die breite aktive Beteiligung der Bürger in Bildung, Wirtschaft und Politik, Die Existenz von persönlichem Eigentum. Ein allgemein verbindliches Rechtssystem und eine zentrale Institution, die Ordnung und Recht gewährleistet. Eine Vielfalt im wirtschaftlichen Wettbewerb ohne Beschränkung des Zugangs. Einige Merkmale extraktiver Sozialordnungen sind: Macht, Reichtum und Entscheidungen sind in der Hand einer kleinen selbst ernannten „Elite“, die meist schlecht qualifiziert ist (durch Geburtsrecht oder Parteibuch), sich aber „anmaßt“ (Friedrich von Hayek), zu wissen, was wahr oder richtig ist. Unzureichende Gewaltenteilung: Legislative, Jurisprudenz und Exekutive – sowie in unserer Zeit die Medien – sind in der Hand der „Elite“. Die Bürger werden mehr oder weniger offensichtlich als Sklaven des Systems erzogen und behandelt. Extraktive Sozialordnungen sind instabil, und ihre Aufrechterhaltung erfordert einen großen militärischen und finanziellen Aufwand. Sie können vielleicht schon aus dieser Kurzbeschreibung die Verwandtschaft der inklusiven und extraktiven Sozialordnungen den symbiotischen bzw. schmarotzenden Systemen und ihren emergenten Wechselwirkungen erkennen. Entscheidende Merkmale dabei sind die Prinzipien des Pluralismus und der Subsidiarität: Die Möglichkeit der Mitwirkung aller beteiligten Bürger und ihre (persönliche) Verantwortung dafür. Inklusiven und extraktiven Merkmale können nicht nur die Staaten selbst, sondern alle Institutionen der Sozialordnung haben. In modernen Sozialordnungen sind das beispielweise die Industrie- und Finanzunternehmen, Medien-Unternehmen, politische Parteien, Vereine, Familien, aber auch die Staaten untereinander. Bew ertung von Staaten und Institutionen Die Demokratie wird in der westlichen Welt immer als der entscheidenden Erfolgsfaktor moderner Staaten „verkauft“. Die Frage ist nun, ob das auch stimmt. Dazu habe eine Reihe von Staatsformen, Staaten und ihre Institutionen verglichen, insbesondere im Hinblick auf ihre inklusiven oder extraktiven Merkmale (vgl. Bild). Diese Darstellung kann nur eine erste Übersicht sein, sie bietet sicher viele Möglichkeiten zur Diskussion und für Verbesserungen. Sie zeigt aber, dass es keine Korrelation zwischen der Staatsform Demokratie und dem Wohlstand für Viele gibt (bzw. dem Trend dorthin wie im Fall von China und Vietnam), sondern eine Korrelation des Wohlstands mit den inklusiven Unternehmen der Industrie. Verstärkt oder abgeschwächt wird diese Korrelation durch die Merkmale der Finanz-Unternehmen. Einige Anmerkungen dazu: Wahlen finden in allen genannten Staaten statt (mit Ausnahme der absoluten Monarchien). Ob und in welchem Umfang die Wahlen de facto einen Einfluss auf die politischen Entscheidungen der Staaten haben, darf selbst für die Demokratien im heutigen Deutschland, der EU und der USA bezweifelt werden. Der Erfolg einer Sozialordnung für den Wohlstand ihre Bürger kommt offenbar vom Pluralismus an der Stelle, an der Mehrwert geschaffen wird, und nicht vom ideologischen Anspruch, eine Demokratie zu sein. In den kommunistischen Staaten waren die Unternehmen der zentralen Planung des Staates unterworfen und wurden von der Partei regiert. Sie waren deshalb nicht selbständig im Sinne des Pluralismus. Viele westliche Demokratien wie die USA, GB, D und andere haben sich zu Plutokratien entwickelt, wo das Geld und seine Helfershelfer regieren, und nicht das Volk. Ein Beispiel für diesen Trend ist der sog. Piketty-Split (vgl. meine Notiz vom 18.11.2014): Der Vermögensanteil der Superreichen hat sich in den USA seit 20 Jahren zu Lasten der restlichen Bevölkerung verfünffacht. In anderen Plutokratien sieht es ähnlich aus. Die extraktive Rolle der USA manifestiert sich in dem riesigen Militärbudget, das das Land seit Jahrzehnten benötigt (vgl. Bild). Die Medien haben sich in den letzten Jahrzehnten leider nicht zur dringend notwendigen „Vierten Gewalt“ entwickelt, die ein Gegengewicht zu Staat und Parteien bildet, sondern zu Propaganda-Sprachrohren der Herrschenden und ihrer Ideologien. Außerdem zur Überflutung der Bürger mit Desinformation und seichter Unterhaltung, um sie von wichtigeren Themen abzulenken. Die Meinungsfreiheit in den Demokratien ist zwar größer als in den Diktaturen, aber sie ist nur gefühlt und hat keine Auswirkung auf den Staat und die Parteien: Die sog. öffentliche Meinung wird vom Staat und den ihm hörigen Medien produziert und den Bürgern unauffällig suggeriert. Das ist bekanntlich die subtilste aber wirksamste Form der geistigen Bevormundung … Weiterführende Literatur: D. Acemoglu, J. A. Robinson: Warum Nationen scheitern, Fischer 2013 G. Dedié: Die Kraft der Naturgesetze, tredition 2014 Link zu Dediés wb-Artikeln und dem originalen DemokratieArtikel Zusätzliche Links von wissenbloggt: Europa auf dem Weg in die Post-Demokratie? Westliche Werte auf dem Prüfstand Philosophie um Sicherheit und Freiheit und Ungleichheit Zukunftsfähige Gesetze? Politik 2.0 und 3.0 – Servolenkung für den Staat