Auf der Ackerdistel (Cirsium arvense) lebt eine Vielfalt von Tieren, die sich im Laufe einer langen Entwicklung ihrem stacheligen Wirt angepasst haben. Text: Willi Lierath Foto: Paul Busselen, Kulak Treffpunkt Distel Fotos: Siegfried Keller H auptnutzniesser des Lebensraumes Ackerdistel sind «Primärverbraucher» wie Schmetterlingsraupen, Schild-, Bock- und Rüsselkäfer, die sich vom Blattgewebe ernähren. Die Blüten liefern Schmetterlingen, Schwebfliegen und vielen anderen Insekten Nektar und Pollen. Die Bohr- 18 Natürlich | 7-2004 fliege benutzt die Distelblüte für ihre Nachkommen. Sie legt darin ihre Eier ab und die Larven graben Gänge durch den Blütenkopf. Zikaden, Blattläuse und Wanzen haben sich andere Nahrungsgründe erschlossen, sie saugen Siebröhrensaft ihres Wirtes. Die heranreifenden Samenkörner bieten sogar Vögeln Nahrung. Nur in einzelnen Naturgärten darf die Ackerdistel wachsen. Ihre Heimat sind die Wiesen und Felder, Schutthalden und Wegraine, wo sie sich dank ihrer Vermehrungsfähigkeit ungeheuer ausbreiten kann. In den Gärten kommt der Same an seidigen Fächerschirmen schwebend, und bald entwickelt sich eine dunkel- Hummeln: Blütenbesucher und Bestäuber der Disteln. Garten NATUR Rüsselkäfer: Larinus turbinatus (1) und seine Larve im Blütenkopf der Distel (2). grüne, wehrhafte Blattrosette. Wer die Distel wachsen lässt, dem verschafft sie faszinierende Einblicke in die Natur. Wohnung und Ernährung Gelbe Fliegen mit rotgrün schillernden Augen scheinen von den Blütenknospen magisch angezogen zu werden. Es sind Bohrfliegen (Trypetidae der Arten Xyphosia miliaria und Orelia ruficauda). Die Weibchen beider Arten starten heftige Angriffsflüge auf die Konkurrenz. Sie versenken ihre Eier in die Knospen, und die Larven entwickeln sich im Blütenboden. Die Bohrfliege (Urophora cardui) beansprucht für ihre Fortpflanzung einen ganz anderen Bereich der Ackerdistel. Ihre Nachkommenschaft entwickelt sich in den unteren stärkeren Blattstielen. Das hübsche Flügelmuster dieser Fliege, ein gutes Unterscheidungsmerkmal, spielt auch bei der Paarung eine Rolle. Es wird von dem Männchen durch Spreizen und heftige Bewegungen der Flügel in den verschiedensten Formen dem Weibchen präsentiert. Körperliche Eigenschaften lassen bei den Bohrfliegen eine Anpassung an eine spezifische Wirtspflanze erkennen. Bei Urophora cardui ist die Länge des bohrförmig zugespitzten Hinterleibs auffällig. Mit seiner Hilfe können 1 die Fliegen die Eier in das ziemlich feste Pflanzengewebe versenken. Eiablage und Larvensekrete führen bei dieser Bohrfliege zur Ausbildung von Gallen, die erst prall und saftig grün, später aber unansehnlich werden. In ihrem Inneren entwickeln sich die Larven. Sicher vor Feinden sind sie aber in ihrer Abgeschlossenheit keineswegs. Winzige Schlupfwespen gelangen in das Galleninnere und benutzen sie selber als Brutstätte. Käfer als Distelbewohner Zum ökologischen Beziehungsgefüge der Ackerdistel gehören auch Käfer. Einige von ihnen mussten sich zu Spezialisten entwickeln, um ihre Art hier behaupten Distelbohrfliege: Urophora stylata (3), die Schlupfwespe Torymus chloromerus (4) sowie die Larven beider Insekten (5). Interessant ist der unterschiedeliche Entwicklungsstand beider Tiere während der Überwinterung (Schlupfwespe in der Mitte). 3 5 2 zu können. Die Schildkäfer (Cassida vibex) sind durch ihren schildkrötenartigen Rückenpanzer gegen Feinde, aber auch gegen Stacheln ihres Wirts geschützt. Sie können also in dem stacheligen Gefilde ungestört ihrer Nahrungsaufnahme nachgehen. Ihre Larven haben ganz eigene Schutzvorrichtungen entwickelt. Sie halten es wie die Disteln und sind an allen Körperseiten durch Stacheln geschützt. Der noch fehlende Rückenpanzer wird durch eine Kotmaske ersetzt, die sich aus abgestreiften Häuten und eben Exkrementen am Hinterleibende auftürmt. Die Puppen sind ähnlich ausgestattet: Flach und stachelbesetzt an ein Distelblatt gepresst, entgehen sie ihren Feinden. 4 NATUR Garten Fotos: Walter Schön Raupe, Puppe und Falter des Distelfalters. Er ist ein spezialisierter Bewohner der Distel. Der Scheckhornbock (Agapanthia villo-soviridescens) lebt als Larve in den Markkanälen der Disteln. Allerdings ist er nicht allein auf die Ackerdistel angewiesen. Das ist bei Rüsselkäfern anders. Hier ist Raumaufteilung vonnöten, wenn der Artbestand gesichert werden soll. Der gelb bestäubte Larinus planus durchlebt seine Larvenzeit in den Knospen der Disteln, während der Distelgallenrüssler seinen Wirt in Bodennähe zur Bildung von Gallen veranlasst. Andere Rüsselkäfer halten nur den Status Gäste. Den Gästen zuzuordnen sind auch Käfer, die Disteln als Jagdgebiet beanspruchen. Der Weichkäfer (Cantharis fuska) versteht es, in diesem stacheligen Gelände Beute zu machen. Symbiotische Beziehung zum Distelfalter Auch Schmetterlinge müssen, wenn sie oder ihre Raupen von der Ackerdistel leben wollen, Anpassungsstrategien entwickeln. Ein Beispiel ist der Distelfalter, der in einer symbiosehaften Beziehung zur Ackerdistel und anderen Distelarten steht. Er ist ein Wanderschmetterling, der aus dem Süden zu uns kommt, da er unsere Winter nicht überstehen kann. Er legt, um Nahrungskonkurrenz unter den eigenen Raupen weitgehend auszuschalten, seine Eier immer nur einzeln an die Spitze einer Distelpflanze ab. Die erwachsene Raupe lebt dann jedoch in einem stängelnahen Gespinst, in dem sie auch ihre Exkremente unterbringt und sich verpuppt. Der Schmetterling selbst saugt an den verschieden20 Natürlich | 7-2004 artigsten Blüten, auch an denen der Ackerdistel. Andere Schmetterlinge, wie etwa das Blutströpfchen (Zygaena filipendulae), besuchen Distelblüten, während ihre Raupen sich von Kleearten ernähren. Und schliesslich gibt es Falter, deren Raupen zu den Distelblattverzehrern gehören, während sie selbst keine Beziehung zum stacheligen Wirt ihrer Raupen haben. In diesen Kreis gehört die hübsch gestreifte Raupe der Erbseneule. Eifrige Distelblütenbesucher sind die Schwebfliegen. Auch sie haben in diesem Habitat eine Doppelfunktion. Einmal bestäuben sie die Blüten, bringen aber auch, wenn es sich um zoophage (fleischfressende) Arten handelt und die betreffende Distel von Blattläusen besiedelt wird, ihre Eier im Blattwerk unter. Ihre wurmförmigen Larven machen aber meist nicht allein Jagd auf die Saftsauger. Marienkäfer und Florfliegen samt Nachwuchs nutzen ebenfalls das Nahrungsangebot. Wanzen sind ebenfalls im Stachelverhau zu Hause. Sie sind zum Teil Saftsauger, besaugen aber auch die Samen der Ackerdistel. Zu ihren Blütenbesuchern und Bestäubern müssen auch Hummeln, Wildbienen und andere Insekten gerechnet werden. Jäger als Regulatoren Die Ansammlung einer grossen Zahl auf Disteln lebender Wesen hat natürlich auch Jäger auf den Plan gerufen. Trotz Schutzgespinst ist die Distelfalterpuppe von der Schwarzen Schlupfwespe (Pimpla instigator) nicht sicher. Den Blattläusen rücken gleich mehrere Arten stechfreudiger Schlupfwespen auf den Leib. Die vielen Blattlausmumien sind jeweils ein Beweis ihrer erfolgreichen Tätigkeit. Fast jeder Distelbewohner hat einen Gegenspieler. Die Blattlausjäger werden selbst zu Gejagten. Der Siebenpunkt- Garten NATUR Blutströpfchen (Zygaena filipendulae) sind rege Besucher der Distel. Foto: René Berner Marienkäfer hat in der Brackwespe (Perillitus coccinellae) einen Feind. Schwebfliegeneier und -larven werden von den Schlupfwespen (Diplazon laetorius) parasitiert. Die Zikadenlarve in ihrem Schaumnest muss die Zikadenwespe (Neoganatopos ambrodes) fürchten, die sie mit ihren Greiffüssen packt und Eier in ihren Körper ablegt, und die Larve der Erzwespe (Perilampus chrysopae) wartet auf vorüberkommende Florfliegenlarven. Wer sich fliegend oder krabbelnd der Ackerdistel nähert, gerät sofort in den Wirkungskreis der Jäger, die mit Gift und Fangnetz ihrer Beute nachstellen. Die Gartenkreuzspinne spannt ihre weit ausladenden Netze in die Flugschneisen zwischen den Disteln, und die Krabben- und Raubspinnen bewegen sich hurtig im Gekräut, um Beute zu machen. ■ Anzeigen GRATIS-Hautpflege-Test! Gönnen Sie Ihrer Gesichtshaut fünf Tage Erholung von der Chemie Ihrer üblichen Crèmes. Testen Sie GRATIS und unverbindlich! 18488-07 SanoLife Skin-Repair pflegt die Haut ohne chemische und sogar ohne natürliche Wirkstoffe: mit Phi-Lambda-Technology®, der «Homöopathie des 21. Jahrhunderts». Ja, ✂ ich bin an Wirkstoff-freier Hautpflege interessiert. 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