Prof. Dr. Dr. h.c. (Barcelona) Roland Benz Lehrstuhl für Biotechnologie Theodor-Boveri-Institut der Universität Würzburg D-97074 Würzburg Am Hubland Tel.: 0931 888-4501 Fax: 0931 888-4509 e-mail:[email protected] Zusammenfassung des Vortrags im Bauerngerätemuseum Hundszell/Ingolstadt "Biotechnologie: Fluch oder Segen?" am Sonntag, 12. Oktober 2008. Einleitung: Historie der Biotechnologie. Bereits seit mehreren Tausend Jahren wurde die Biotechnologie unbewusst zur Produktion von Lebensmitteln benutzt. Grundlagen und Methoden der Biotechnik: Weiße Biotechnologie: Produktion von Lebensmitteln, Organischen Säuren Aminosäuren und Enzymen durch Fermentationsprozesse Rote Biotechnologie: Herstellung von Arzneimitteln, Entwicklung neuer Therapien Grüne Biotechnologie: Anwendung der Biotechnologie in der Landwirtschaft Graue Biotechnologie: Anwendung der Biotechnologie in der Umwelt: Abwasserreinigung, Biogasgewinnung, Entsorgung kontaminierter Böden Blaue Biotechnologie: Biotechnologische Produkte aus dem Meer Abgrenzung Biotechnologie – Gentechnik als Teilgebiet der Biotechnologie Klassische Züchtungsverfahren sind seit vielen Jahrhunderten bekannt, ohne dass unsere Vorfahren Kenntnis der Gentechnik hatten. Ohne Gentechnik wurden viele Nutzpflanzen erzeugt und in ihren Leistungen ständig verbessert. Durch analoge Verfahren wurde auch die tierische Leistung auf den verschiedensten Gebieten gesteigert. Verstanden werden die Vorgänge dabei, seitdem Gregor Mendel im letzten Jahrhundert die Vererbungslehre begründet hat. Diese ist auch heute noch gültig und beschreibt die Vorgänge, die bei der Befruchtung der Eizelle durch Spermen auftreten. Die Vereinigung von Eizelle und Sperma führt zu einer Reorganisation des genetischen Materials, wobei beide zu jeweils 50% zu den 100% genetischen Materials des neuen Organismus beitragen. Ein Meilenstein in der Entwicklung der molekularen Biotechnologie sind die Untersuchungen von Watson und Crick, die in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts gezeigt haben, dass das genetische Material von Zellen in einer Doppelschraube organisiert ist. Dabei paaren sich jeweils 2 Basen von den 4 Basen (Adenin, Thymin, 2 Guanin und Cytosin) der so genannten Desoxyribonukleinsäuren (auch DNS oder DNA genannt), die das Erbmaterial, das Genom ausmachen. Von der Abfolge von jeweils drei Basen der DNS ist eine Aminosäure bestimmt, die auch als genetischer Code bezeichnet wird. Verschiedene Tripletts von Basen kodieren für etwa 20 Aminosäuren, wobei die Zuordnung zwischen Basentriplett und Aminosäure eindeutig ist, aber verschiedene Tripletts für die gleiche Aminosäure kodieren können. Die Abfolge der Aminosäuren ist wichtig für die Funktion des dabei entstehenden Proteins (auch Eiweiß genannt). Die Proteinbiosynthese erfolgt in verschiedenen Ebenen, die Transkription und Translation genannt werden, auf die ich hier aus Zeitgründen nicht näher eingehen will. Die genetischen Vorgänge bei der Vermehrung von Zellen oder bei der Zeugung sind nie ganz frei von Fehlern, die z. B. zum Austausch einer Base in einem Triplett führen können. Das kann zum Austausch von Aminosäuren in Eiweißsequenzen und zum Defekt der jeweiligen Eiweißfunktion führen, die sich dann ihrerseits als Erbkrankheit manifestieren kann. Beispiele dafür sind die Sichelzellenanämie, die durch Austausch einer Aminosäure im Hämoglobin verursacht wird oder die Zystische Fibrose (auch als Mukoviszidose bekannt), die als Folge des Ausfalls der Chloridtransportfunktion des Lungenepithels auftritt. Auch Umwelteinflüsse auf die Gene sind bekannt. Dabei handelt es sich Effekte von ionisierenden Strahlen (UV-, Röntgen- und -Strahlung) und von chemischen Substanzen (halogenierte Kohlenwasserstoffe) auf das genetische Material, die dabei eine mutierende Wirkung auslösen. Diskutiert wird so die Entstehung von Tumoren und von Blutkrebs. Seit dem Beginn der molekularen Genetik hat die Kenntnis der Gene verschiedener Organismen stark zugenommen. So ist zum Beispiel das Genom verschiedener Bakterien vollständig bekannt. Seit einigen Jahren bestehen verschiedene ehrgeizige Projekte das Genom einzelner Modellorganismen, wie das der Hefe Saccharomyces, der Pflanze Arabidopsis, der Fruchtfliege Drosophila und des Menschen vollständig durchzusequenzieren. Diese Sequenzierungen sind in vielen Fällen, etwa auch im Fall des Menschen bereits abgeschlossen. Die Sequenzierung des Genoms weiterer Organismen ist derzeit in Bearbeitung. Von Interesse ist momentan aus nahe liegenden Gründen das Genom von pathogenen Organismen. Insgesamt ist festzuhalten, dass das menschliche Genom ungleich viel größer ist als das von Bakterien. In einem viel strapazierten Vergleich werden dabei das Bakteriengenom mit einem Buch mit 1000 Seiten und das menschliche Genom mit einer Bücherei aus 1000 Bänden mit jeweils 1000 Seiten verglichen. Das menschliche Genom umfasst insgesamt etwa 30.000 Gene, die für Proteine kodieren, das heißt die Möglichkeit diese Proteine zu produzieren. 3 Das Leben auf der Erde ist etwa 5 Milliarden Jahre alt. Die ersten Lebewesen waren Prokaryonten, also Bakterien, die mehr als 4 Milliarden Jahre die Erde beherrscht haben. Seit etwa 700 Millionen Jahren gibt es höhere Zellen, die Eukaryonten. Offenbar gibt es eine gemeinsame Wurzel aller Lebewesen. Dieses bedeutet, dass auch der genetische Code universell ist und von allen Organismen verstanden wird. Die Mechanismen der Replikation bei der Zellteilung sind ebenfalls universell. Weiter sind Transkription (die Überschreibung der genetischen Information vom Genom auf eine Nucleinsäurekopie, der Boten-Ribonucleinsäure) sowie die so genannte Translation (die Umsetzung des genetischen Codes bei der Proteinbiosynthese) ebenfalls universell. Als Folge kann die genetische Information für jedes Protein eines bestimmten Organismus in jeden anderen Organismus transferiert werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dieses Protein im so genannten Wirtsorganismus hergestellt werden. Als Beispiel dafür wurde die Produktion der beiden Insulinketten A und B durch das Darmbakterium Escherichia coli genannt. Die für beiden Proteine kodierenden Gene werden in sogenannte Plasmide (kleine zirkuläre DNA) eingebracht, die neben den genannten Genen jeweils auch das Gen für eine Antibiotikaresistenz für Selektionszwecke enthalten. Anschließend wird das Plasmid in Bakterien eingebracht und dort vermehrt. Nach der Vermehrung wird die Synthese der beiden Insulinketten angedreht. Damit wird klar was unter Gentechnik verstanden wird. Es ist die Neukombination von Nucleinsäuren mit Hilfe von Bakterien. Darunter wird verstanden: Die Herstellung von Proteinen für medizinische und technische Anwendungen. Die Herstellung von transgenen Tieren und Pflanzen. Die Gendiagnostik. Die Somatische Gentherapie Unter Gentechnik wird nicht verstanden: Die Extrakorporale Befruchtung Embryoteilung und Embryotransfer bei Nutztieren Klonierung von Organismen (Schaf "Dolly") Die Anwendung der Gentechnik und die Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen werden in der Bundesrepublik durch das Gentechnikgesetz vom 20. Juni 1990 in den Novellierungen vom 16. 12. 1993 und vom 1. 4. 2008 kontrolliert. Das Gesetz sieht verschiedene Stufen vor: 1. Kein Risiko 2. Geringes Risiko 3. Mäßiges Risiko 4. Hohes Risiko 4 Ein weiter Bereich der Gen-Revolution ist die Anwendung der Gentechnik im Agrarbereich. Basis für die Herstellung von transgenen Pflanzen aller Art ist die Möglichkeit fast alle Pflanzen aus einer einzigen Pflanzenzelle etwa auch aus einer transgenen Pflanzenzelle zu regenerieren. Zurzeit werden drei Bereiche der Herstellung von transgenen Pflanzen näher untersucht: 1. Verbesserung der Herbizidwirkung. 2. Abwehr von tierischen Schädlingen an Pflanzen. 3. Verbesserung der Leistung von Pflanzen. Die Anwendung der Gentechnik in der Medizin und im medizintechnischen Bereich erlaubt die Produktion neuartiger und effektiver Arzneimittel: Herstellung von Hormonen, Interferonen, Impfstoffen, Blutgerinnungsfaktoren und Antikörpern mit Hilfe der Gentechnik. Bekannt sind 25 verschiedene Produkte. Die mir bekannte Liste erscheint repräsentativ für die Erzeugung verschiedener Produkte aber nicht vollständig zu sein. Die Produktion erfolgt wie bereits für das Insulin berichtet über den Transfer und der Expression des entsprechenden Gens in dem Darmbakterium Escherichia coli. Von der Verwendung geht keine Gefährdung für die Patienten aus, da nur die Produkte eingesetzt werden. Insgesamt existiert eine weit größere Akzeptanz der gentechnisch hergestellten Produkte im medizinischen Bereich verglichen mit der von transgenen Pflanzen. Insbesondere deren Anbau in Feldversuchen ist als äußerst problematisch anzusehen.