Verständliche Wissenschaft

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31.01.2007
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KA R R IE R E , KÖP FE & KON Z EPTE
Florian Bredenbruch
(geb. 1976), Biologiestudium
1996 bis 2002 an der Universität Hannover. 2002–2006 Doktorarbeit bei PD Dr. Susanne
Häußler am Helmholtz-Zentrum
für Infektionsforschung (HZI) in
Braunschweig. Im Januar 2006
Doktorprüfung bei Prof. Dr. Jürgen Wehland an der Technischen
Universität Braunschweig. Seit 2006 Forschung am
HZI zum Themengebiet „Chronische Pseudomonas
Infektionen“.
ó Florian Bredenbruch ist gelungen, was oft
so schwer fällt. Komplexe Forschungsergebnisse so zu erklären, dass auch Verwandte
und Freunde verstehen, was man da den ganzen Tag im Labor eigentlich macht. Er arbeitete während seiner Doktorarbeit in der Nachwuchsgruppe „Chronische Pseudomonas
Infektionen“ bei PD Dr. Susanne Häußler am
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
am „Einfluss des Pseudomonas Quinolon Signals auf die interbakterielle Kommunikation
von Pseudomonas aeruginosa“. Dem NichtWissenschaftler verrät diese Überschrift
natürlich noch nicht viel. Deshalb hat Bredenbruch sein Thema unter dem Titel „Fit
durch Brudermord“ für den Laien aufbereitet. Innerhalb eines Monats hat er die knapp
100 Seiten seiner mit sehr gut bewerteten
Doktorarbeit auf knappe vier Seiten eingeschmolzen. Mit dieser allgemein verständlichen Version hat Bredenbruch sich dann
um den Klaus-Tschira-Preis 2006 für verständliche Wissenschaft beworben – und
gewonnen.
Sein Forschungsobjekt, das Bakterium P.
aeruginosa ist ein opportunistisches Humanpathogen. Das bedeutet: Für Menschen mit
einem intakten Immunsystem ist das Umweltbakterium eigentlich harmlos. Bedrohlich ist
der Keim jedoch für Mukoviszidose-Patien-
˚ Abb. 1: Pseudomonas aeruginosa in einem
Netz von gefärbter extrazellulärer DNA
Klaus-Tschira-Preis, Bereich Biologie
Verständliche Wissenschaft
FLORIAN BREDENBRUCH UND MILENA WOZNICZKA
HELMHOLTZ-ZENTRUM FÜR INFEKTIONSFORSCHUNG, BRAUNSCHWEIG
ten, weil er chronische Infektionen in der Lunge hervorruft. Für Menschen mit Mukoviszidose kann das Bakterium das Todesurteil
bedeuten. Mukoviszidose ist eine Erbkrankheit, bei der die Lunge einen zähen Schleim
bildet, der kaum abtransportiert werden
kann. In diesem Schleim vermehrt sich P.
aeruginosa stark und bildet einen Biofilm. Im
Biofilm sind die Mikroorganismen geschützt
und bilden eine erstaunliche genetische Vielfalt aus. Durch diese Diversität überleben die
Keime Stress, wie z. B. eine Antibiotikatherapie, leichter. Mit den derzeit zur Verfügung
stehenden klassischen Therapiemethoden
lässt sich diese chronische P. aeruginosaInfektion nicht heilen.
Um den Biofilm und die damit verbundene
Diversität aufbauen zu können, müssen die
Bakterien koordiniert zusammenarbeiten. Sie
kommunizieren mithilfe winziger Signalmoleküle (Autoinducer). Diese interbakterielle
Kommunikation, das Quorum Sensing, ermöglicht den Bakterien, zelldichteabhängig Gene
zu regulieren und bei einer genügend große
Masse einen Biofilm zu bilden. Eins der Quorum Sensing-Signalmoleküle ist das „Pseudomonas Quinolon Signal“, kurz PQS. Bredenbruch fand heraus: PQS ist offenbar weniger
ein Signal- als vielmehr ein Stressmolekül.
Die Bakterien bringen damit ihre Artgenossen
um – unter Stressbedingungen opfern sich
Teile der bakteriellen Gemeinschaft und stellen damit Ressourcen für die Überlebenden
bereit. Bei genauerem Hinsehen wird das
eigentliche Motiv für diesen „Brudermord“
klar. Wichtig ist, dass man dafür den Nutzen
für die ganze Population betrachtet. Bei Nährstoffmangel oder unter Antibiotika-Stress,
kann es durchaus zum Überleben der Art beitragen, wenn sich Teile der Gemeinschaft
opfern und damit Ressourcen für die Überlebenden bereitstellen. Die „ermordeten“ Bakterien setzen ihre DNA frei, die zum einen
als Nährstoff und zum anderen für das Aneinanderheften der Bakterien im Biofilm verwendet wird. PQS-negative Mutanten, begehen zwar keinen Brudermord, setzen aber
auch keine DNA mehr frei. Sie können dann
die genetische Vielfalt in Biofilmen nicht
mehr aufbauen, die eine wichtige Rolle für
das Überleben der Pseudomonaden unter
Stressbedingungen und damit bei der Aufrechterhaltung der chronischen Infektion im
Patienten zu spielen scheint. Für eine effektive Bekämpfung muss man den richtigen
Ansatzpunkt, die Achillesferse des Biofilms,
finden. Es gibt wahrscheinlich einen an die
PQS-Produktion gekoppelten Schutzmechanismus, damit sich die Population nicht ungebremst selbst umbringt. Könnte man diesen
Schutzmechanismus lahmlegen, wäre ein
neues Handwerkszeug gegeben, um chronische Pseudomonas-Infektionen von Mukoviszidose-Patienten zu bekämpfen.
ó
Korrespondenzadresse:
Dr. Florian Bredenbruch
Postdoc in der Helmholtz-HochschulNachwuchsgruppe
CPIN bei PD Dr. Susanne Häußler
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
GmbH
Inhoffenstraße 7
D-38124 Braunschweig
[email protected]
www.helmholtz-hzi.de/de/forschergruppen/
zell_und_immunbiologie/chronische_
pseudomonas_infektionen
Klaus-Tschira-Preis für verständliche
Wissenschaft
„Ihr Wissen interessiert uns“, so riefen die Studienstiftung des deutschen Volkes und die
Klaus-Tschira-Stiftung bundesweit junge Naturwissenschaftler auf, ihre herausragenden Forschungsergebnisse allgemein verständlich darzustellen. Über 80 Forscher fassten die Ergebnisse ihrer Doktorarbeiten in Artikeln zusammen. Sechs von ihnen wurden im Oktober
2006 für ihre Beiträge mit dem Klaus-TschiraPreis für verständliche Wissenschaft ausgezeichnet. Der Preis ist mit je 5.000,- Euro dotiert. Die preisgekrönten Artikel sind in einer
Sonderbeilage des Novemberhefts 2006 von
„Bild der Wissenschaft“ veröffentlicht.
Einsendeschluss für die kommende Wettbewerbsrunde ist der 28. Februar 2007.
Weitere Informationen im Internet unter:
www.klaus-tschira-preis.info.
BIOspektrum | 01.07 | 13. Jahrgang
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