096_116_BIOsp_0107.qxd 106 31.01.2007 11:22 Uhr Seite 106 KA R R IE R E , KÖP FE & KON Z EPTE Florian Bredenbruch (geb. 1976), Biologiestudium 1996 bis 2002 an der Universität Hannover. 2002–2006 Doktorarbeit bei PD Dr. Susanne Häußler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Im Januar 2006 Doktorprüfung bei Prof. Dr. Jürgen Wehland an der Technischen Universität Braunschweig. Seit 2006 Forschung am HZI zum Themengebiet „Chronische Pseudomonas Infektionen“. ó Florian Bredenbruch ist gelungen, was oft so schwer fällt. Komplexe Forschungsergebnisse so zu erklären, dass auch Verwandte und Freunde verstehen, was man da den ganzen Tag im Labor eigentlich macht. Er arbeitete während seiner Doktorarbeit in der Nachwuchsgruppe „Chronische Pseudomonas Infektionen“ bei PD Dr. Susanne Häußler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung am „Einfluss des Pseudomonas Quinolon Signals auf die interbakterielle Kommunikation von Pseudomonas aeruginosa“. Dem NichtWissenschaftler verrät diese Überschrift natürlich noch nicht viel. Deshalb hat Bredenbruch sein Thema unter dem Titel „Fit durch Brudermord“ für den Laien aufbereitet. Innerhalb eines Monats hat er die knapp 100 Seiten seiner mit sehr gut bewerteten Doktorarbeit auf knappe vier Seiten eingeschmolzen. Mit dieser allgemein verständlichen Version hat Bredenbruch sich dann um den Klaus-Tschira-Preis 2006 für verständliche Wissenschaft beworben – und gewonnen. Sein Forschungsobjekt, das Bakterium P. aeruginosa ist ein opportunistisches Humanpathogen. Das bedeutet: Für Menschen mit einem intakten Immunsystem ist das Umweltbakterium eigentlich harmlos. Bedrohlich ist der Keim jedoch für Mukoviszidose-Patien- ˚ Abb. 1: Pseudomonas aeruginosa in einem Netz von gefärbter extrazellulärer DNA Klaus-Tschira-Preis, Bereich Biologie Verständliche Wissenschaft FLORIAN BREDENBRUCH UND MILENA WOZNICZKA HELMHOLTZ-ZENTRUM FÜR INFEKTIONSFORSCHUNG, BRAUNSCHWEIG ten, weil er chronische Infektionen in der Lunge hervorruft. Für Menschen mit Mukoviszidose kann das Bakterium das Todesurteil bedeuten. Mukoviszidose ist eine Erbkrankheit, bei der die Lunge einen zähen Schleim bildet, der kaum abtransportiert werden kann. In diesem Schleim vermehrt sich P. aeruginosa stark und bildet einen Biofilm. Im Biofilm sind die Mikroorganismen geschützt und bilden eine erstaunliche genetische Vielfalt aus. Durch diese Diversität überleben die Keime Stress, wie z. B. eine Antibiotikatherapie, leichter. Mit den derzeit zur Verfügung stehenden klassischen Therapiemethoden lässt sich diese chronische P. aeruginosaInfektion nicht heilen. Um den Biofilm und die damit verbundene Diversität aufbauen zu können, müssen die Bakterien koordiniert zusammenarbeiten. Sie kommunizieren mithilfe winziger Signalmoleküle (Autoinducer). Diese interbakterielle Kommunikation, das Quorum Sensing, ermöglicht den Bakterien, zelldichteabhängig Gene zu regulieren und bei einer genügend große Masse einen Biofilm zu bilden. Eins der Quorum Sensing-Signalmoleküle ist das „Pseudomonas Quinolon Signal“, kurz PQS. Bredenbruch fand heraus: PQS ist offenbar weniger ein Signal- als vielmehr ein Stressmolekül. Die Bakterien bringen damit ihre Artgenossen um – unter Stressbedingungen opfern sich Teile der bakteriellen Gemeinschaft und stellen damit Ressourcen für die Überlebenden bereit. Bei genauerem Hinsehen wird das eigentliche Motiv für diesen „Brudermord“ klar. Wichtig ist, dass man dafür den Nutzen für die ganze Population betrachtet. Bei Nährstoffmangel oder unter Antibiotika-Stress, kann es durchaus zum Überleben der Art beitragen, wenn sich Teile der Gemeinschaft opfern und damit Ressourcen für die Überlebenden bereitstellen. Die „ermordeten“ Bakterien setzen ihre DNA frei, die zum einen als Nährstoff und zum anderen für das Aneinanderheften der Bakterien im Biofilm verwendet wird. PQS-negative Mutanten, begehen zwar keinen Brudermord, setzen aber auch keine DNA mehr frei. Sie können dann die genetische Vielfalt in Biofilmen nicht mehr aufbauen, die eine wichtige Rolle für das Überleben der Pseudomonaden unter Stressbedingungen und damit bei der Aufrechterhaltung der chronischen Infektion im Patienten zu spielen scheint. Für eine effektive Bekämpfung muss man den richtigen Ansatzpunkt, die Achillesferse des Biofilms, finden. Es gibt wahrscheinlich einen an die PQS-Produktion gekoppelten Schutzmechanismus, damit sich die Population nicht ungebremst selbst umbringt. Könnte man diesen Schutzmechanismus lahmlegen, wäre ein neues Handwerkszeug gegeben, um chronische Pseudomonas-Infektionen von Mukoviszidose-Patienten zu bekämpfen. ó Korrespondenzadresse: Dr. Florian Bredenbruch Postdoc in der Helmholtz-HochschulNachwuchsgruppe CPIN bei PD Dr. Susanne Häußler Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH Inhoffenstraße 7 D-38124 Braunschweig [email protected] www.helmholtz-hzi.de/de/forschergruppen/ zell_und_immunbiologie/chronische_ pseudomonas_infektionen Klaus-Tschira-Preis für verständliche Wissenschaft „Ihr Wissen interessiert uns“, so riefen die Studienstiftung des deutschen Volkes und die Klaus-Tschira-Stiftung bundesweit junge Naturwissenschaftler auf, ihre herausragenden Forschungsergebnisse allgemein verständlich darzustellen. Über 80 Forscher fassten die Ergebnisse ihrer Doktorarbeiten in Artikeln zusammen. Sechs von ihnen wurden im Oktober 2006 für ihre Beiträge mit dem Klaus-TschiraPreis für verständliche Wissenschaft ausgezeichnet. Der Preis ist mit je 5.000,- Euro dotiert. Die preisgekrönten Artikel sind in einer Sonderbeilage des Novemberhefts 2006 von „Bild der Wissenschaft“ veröffentlicht. Einsendeschluss für die kommende Wettbewerbsrunde ist der 28. Februar 2007. Weitere Informationen im Internet unter: www.klaus-tschira-preis.info. BIOspektrum | 01.07 | 13. Jahrgang