5 ZUSAMMENFASSUNG Erstes Beispiel des Bautypus Propylons taucht in der Bronzezeit in Troja IIc auf. Von der mykenischen bis in die archaische Zeit treten keine weiteren Propyla in Erscheinung. Die archaischen Propyla zeigen trotz der längeren zeitlichen Unterbrechung eine Fortführung der Architektur mykenischer Propyla. Es scheint so, als ob sich die Architekturform des Propylons in Troja bei den mykenischen, später bei den griechischen Propyla weiterentwickelt habe. Jedoch darf man trotz der architektonischen Fortführung nicht voraussetzen, daß die mykenischen Propyla die Vorbilder der archaischen waren, weil die Zeitspanne zwischen beiden Gruppen sehr lang ist. Das Normalpropylon stellt die ursprüngliche Form des Propylons dar. Diesen Typ kann man nach den Kombinationen der Säulenstellungen in Gattungen untergliedern. Wenn man die Stellung der kleinasiatischen Propyla im Normaltypus in der Typologie nach Grundund Aufriß erforscht, stellt sich heraus, daß bei vielen kleinasiatischen Propyla Architekturformen der Propyla vorgezogen wurden, die von den gewöhnlichen kanonischen Leitformen der Zeit abweichen oder, wenn ein Propylon nach den Leitformen errichtet worden war, in die Architekturformen dieser Gattung Neuerungen eingetragen wurden. Die Gründe für die abweichenden Entwürfe konnten bei einigen Beispielen in der Baupolitik der Städte oder der Herrscher sowie in Besonderheiten der Architekten festgestellt werden. Das erste Beispiel in Kleinasien begegnen wir in Larisa. Während die Propyla auf dem griechischen Festland eine kanonische Form (beidseitig in antis), schon genommen hatten, zeigte das Propylon des Kybele -Heiligtums aus der Zeit um 425 v. Chr. zwar die Architekturgestaltungen der klassischen Propyla, doch unterschied es sich in ganzen von dieser Leitform. Den kanonischen Leitformen im Westen folgen in Kleinasien erstmals die beiden Propyla des Zeus-Heiligtums in Labraunda und des Artemis-Heiligtums in Amyzon, alle aus der Zeit vom 351-344 v. Chr. Diese wurden im Unterschied zu ihren Vergleichen in ionischer Ordnung aufgebaut. Das Propylon des Apollon-Heiligtums in Knidos vom 300 v. Chr. kann mit seinem Grundriß mit einer Halle und vier Säulen in antis in keine der kanonischen Gattungen des Normaltypus bis in diese Zeit eingeordnet werden. Bei ihm wurden grundrißtypologisch eine Stoa und aufrißtypologisch ein Normalpropylon zusammengefaßt. Das Propylon des Rathauses in Milet vom 175-164 v. Chr. zeigt die beliebte Gattung des Normaltypus. Hier zeigt sich eine Neuerung bei der Propylonarchitektur. Bis in diese Zeit hatten nur die freistehenden oder an der Temenosmauer erichteten Propyla zwei Schaufassaden, hingegen die Propyla, die sich an eine Halle angeschlossen haben oder zwischen den Hallen sowie den Räumen hinter der Hofhalle eingebaut worden waren, nur eine. Das Propylon setzt sich erstmals bei dem milesischen Propylon bis zur Säulenreihe der Hofhalle fort. Der Verkehr in der Halle wurde aber dadurch nicht behindert, weil man die Antenmauern hier verkürzte. Diese Lösung wurde auch beim Propylon des Ptolemaions in Kyrene und des Hafenheiligtums auf Kos übernommen. In der letzten Entwicklungsstufe dieser Neuerung wurde das Propylon mit seinem gesamten Baukörper in die Halle integriert und es wurde auf die übliche Bestandteile eines Propylons wie Türwand und Antenmauer verzichtet. Die Bauelemente des Propylons ersetzten die der Hofhalle. Diese Stufe beobachten wir beim Propylon der Agora in Magnesia. Sein Grundriß unterscheidet sich von den kanonischen Formen und bildet ein Unikum bei den hellenistischen Propyla. Das Propylon erweist die Eigenschaften der hermogeneischen Architektur. Vergleichsbeispiele zu seinem Grundriß finden sich erst etwas später in der Kaiserzeit. Auch haben die Architekten des Propylons des DemeterHeiligtums in Pergamon die letzten beliebten Formen der Propylonarchitektur auf die Seite geschoben. Bei seiner Planung wurde wahrscheinlich eine alte seltene Form, die Form des Propylons des Demeterheiligtums in Eleusis, als Vorbild genommen. Sowohl sein Grundriß als auch seine Ordnung spiegelte das Bauprogramm der Attaliden wieder. 170 Dagegen sehen wir bei einem anderen attalidischen Bau in Pergamon, bei dem Propylon des Athena-Heiligtums, die Übernahme der Mode der Zeit. Das Propylon des ApollonHeiligtums in Klaros und des Hekateions in Lagina besaßen auch die Formen einer von den beliebten Gattungen des Normaltypus in hellenistischer Zeit. Neben dem Normaltypus tritt in hellenistischer Zeit ein weiterer Typ, Propylon mit Hallenarchitektur, bei der Propylonarchitektur auf. Das Normalpropylon und Hallenpropylon unterscheiden sich voneinander sowohl im Grundriß als auch im Aufriß grundsätzlich. Dieser Typ gewinnt weder in hellenistischer noch in römischer Zeit an Popularität in der Propylonarchitektur. Zwei Beispiele dieses Typus befinden sich in hellenistischer Zeit beim Temenos auf Samothrake und beim Athena-Heiligtum in Lindos auf Kos, ein kaiserzeitliches bei der Agora in Ephesos. Von der Kaiserzeit an zeigt sich parallel zu den Änderungen im politischen Leben und demzufolge zu den in der sozialen Struktur auch Neuerungen in der Propylonarchitektur. Der Anstieg des Wunschs nach Selbstdarstellung und Propaganda des Kaiserhauses und der einzelnen Personen sowie der Städte hat bei der Gestaltung und Ausstattung der Propyla eine bedeutende Rolle gespielt. Ab der frühen Kaiserzeit tauchen neben dem Normaltypus vollkommen neue Propylontypen, Bogentorpropylon und Ädikulapropylon, im Grund- und Aufriß auf, deren Formen zum Erfüllen dieser Wünsche bessere Möglichkeiten als die der Normalpropyla bieten. Während das Propylon im Normaltypus Raumcharakter besaß, bildeten die Propyla der neuen Typen eher eine Schaufassade. Bei einigen Propyla im Normaltypus oder mit Hallenarchitektur in griechischer und römischer Zeit wurde nachgewiesen, daß sie Sitzplätze enthielten. Demnach wurden sie nicht nur als Eingang, sondern auch als Aufenthaltsraum benutzt. Bei ihnen wurden in griechischer Zeit keine Standbilder gestellt. Dagegen wurden bei den neuen römischen Typen Attika, Nischen, Ädikulen und verkröpfte Gebälk für die Aufstellung der Standbilder der Mitglieder und Götter des Kaiserhauses sowie der Privatpersonen in die Propylonarchitektur einbezogen. Die Propyla diesen beiden Typen demonstrierten im allgemeinen die römische Architektur. Es scheint, daß die Veränderungen des geistigen und politischen Verständnisses die Gestaltung der Propyla im Normaltypus in römischer Zeit kaum beeinflußt haben. Wenn man die Fassaden des im Normaltypus errichteten Propylons des römischen Marktbaus in Athen, des Hofes des dorischen Tempels in Sagalassos, des AthenaHeiligtums in Priene, des Gebäudes C in Korinth (alle vier aus der frühen Kaiserzeit), der hadrianischen Bibliothek in Athen und des Asklepieions in Pergamon betrachtet, sieht man, daß das typische Fassadenschema des griechischen Normalpropylons bei diesen Beispielen gewahrt worden ist. Neben diesen Propyla, die hinsichtlich der Fassadengestaltung die hellenistische Tradition fortsetzten, tauchten in römischer Zeit auch Normalpropyla auf, bei denen sich durch die Bereicherung der Bauelemente, z. B. durch die hohen Sockel für die Säulen oder durch einen Bogen im Giebelfeld, entsprechend der Architekturmode der Zeit eine reicher ausgestaltete Ansicht zeigt. Dagegen wurde bei dem Propylon der Thermenanlage in Perge und des Forums in Lepcis Magna beide von der severischer Zeit sowie dem hadrianischen Propylon in Termessos auf den Giebel verzichtet. Der Grundriß der Normalpropyla bleibt gegenüber dem der griechischen Vorbilder meistes unverändert. Jedoch kann man in seltenen Fällen auch im Grundriß bei einigen Propyla dieses Typs Änderungen beobachten, die von Änderungen in der sozialen Struktur bedingt worden sein sollen. Der Kernteil hellenistischer Propyla, die zwischen den Hofhallen eingebaut war, war der Tradition der Normalpropyla entsprechend mit einer Türwand in zwei Teile unterteilt, wenn sie auch ziemlich klein ausfiel. Dieser Teil wurde bei den einigen in derselben Art aufgebauten Propyla in römischer Zeit parallel zu den Veränderungen im geistigen Leben ganz anders geformt. Beim Propylon des Vedius-Gymnasiums aus der Regierungszeit des Antoninus Pius (138-161) des Ostgymnasiums aus der Regierungszeit des Septimus Severus (193-211) in Ephesos sowie bei dem der Agora in Side kann man diese 171 Umbildung erkennen. Dieser Teil bestand nur aus einer Halle und war an den Seitenwänden mit Bodennische geschmückt, in denen Standbilder gestellt worden waren. Das Propylon des Asklepieions in Pergamon ist mit seinem gesamten Aussehen in den Normaltypus einzuordnen. Jedoch weicht seine Architektur von den traditionellen Formen der Normalpropyla ab. Die Bauform des Torbaus erinnert an die hadrianishe Bauten des Kaiserhauses. Somit kann man sagen, daß die Architektur des Propylons die Baupolitik der Pergamener oder des Kaiserhauses wiederspiegelte. Wenn man die Bedeutung der Propyla anhand der Architekturformen, Inschriften, Plastikwerke und Ausstattungen erforscht, ergeben sich folgende Möglichkeiten der Interpretationen: Die Benutzung der Adjektive propylaios und propylaia als Epitheton zu Götternamen zeigt uns die Existenz des Torkults bei den Griechen. Die Göttinnen Hekate und Artemis trugen den Beinamen Propylaia; während die Götter Apollon, Hermes, Herakles und Poseidon den Beinamen Propylaios besaßen. Sie sollen ihre Kultstätte am besten bei den Propyla gehabt haben. Die Funde und antiken Quellen geben uns Anhaltspunkte zum Nachweis der Verehrung der Türgötter am Propylon also des sakralen Charakters des Propylons. Nach deren Aussagen befanden sich am Propylon Götterstandbilder, Hermen, Reliefs oder Perirranterien. Daß vor dem Propylon Götter angebetet wurden, um Schutz zu erhalten, wissen wir durch die antiken Autoren. Neben diesen Gebeten sollen auch rituelle Reinigungszeremonien vor den Eingängen bzw. vor den Propyla stattgefunden haben. Das erweisen uns die Mitteilungen der antiken Schriftsteller, die sich auf die Vorschriften beziehenden Inshriften, die Wasserkanäle oder Brunnen am Propylon. Die griechischen Propyla wurden hinsichtlich der dekorativen Einzelformen ganz schlicht verziert. Wenn das Propylon mit Relief geschmückt war, wurden abgesehen von den Waffenreliefs am Propylon des Bouleuterions in Milet und des Athenaions in Pergamon, Themen sakralen Charakters gewählt. Sie stellten die Attribute der Heiligtumsinhaber/Innen dar oder beziehen sich einfach darauf, daß das Gebäude hinter dem Tor eine religiöse Bedeutung hat. Ab der frühen Kaiserzeit wurden die Propyla durch ihre Architektur, Bauplastik, Ausstattungen und Weihinschriften zu profanen Gebäuden. Im Gegensatz zum Normalpropylon mit Tempelansicht haben die bereits erwähnten neuen Typen der Propyla der Kaiserzeit, Bogentor-und Ädikulapropylon, in ihrer Architektur vollkommen profane Formen. Sie deuten Macht und Prunk an. Darüber hinaus verlieren auch die in römischer Zeit ohne Giebel gebauten Propyla des Normaltypus an ihrer sakralen Erscheinung. Die Propyla dieser neuen Typen und auch die römischen Beispiele des Normaltypus sind schon in der frühen Kaiserzeit mit Reliefbüsten oder Attributen der Schutzgötter, mit Skulpturen des Kaiserhauses und mit Reliefdarstellungen, die sich auf das Kaiserhaus beziehen, ausgestattet. Bei den Reliefs und Skulpturen wurden die militärische Macht, Sieghaftigkeit, die Feierlichkeiten und die Götter des Kaiserhauses und die Kontinuität sowie die Abstammung des römischen Reiches thematisiert. Zudem kommen im 2. Jh. n. Chr. neue Schutzgötter des Kaiserhauses und neue mytologische Themen zum Repertoire der plastischen Ausstattung der Propyla hinzu. Überdies kommen Skulpturen privater Personen in der Ausstattung der Propyla vor. Seine Stelle am Gebäude und in der Stadt sowie die geringen Aufbaukosten machten die Propyla als Repräsentationsbau unter den anderen Bautypen beliebter. Sie wurden schon seit der klassischen Zeit zur privaten und öffentlichen Selbstdarstellung benutzt, wobei sich diese Art der Repräsentation bis in die römische Zeit nur in den Inschriften oder in wenigen Beispielen in den Bauformen manifestiert. Ab dem 2. Jh. v. Chr. finden die Namen einzelner Bürger und ihrer Familien Platz auf den Weihinschriften von Propyla. Im Unterschied zu den zuvor genannten Beispielen wurden bei ihnen nicht nur Weihende und Empfänger genannt, sondern es taucht neben diesen der Name der Person auf, für den oder zu dessen Wohl das Gebäude erbaut worden ist. Durch die Weihinschrift gewinnt das Propylon eine politische Bedeutung. Während die Propyla in 172 der klassischen und hellenistischen Zeit nur den Göttern und dem Demos geweiht waren, waren sie in römischer Zeit neben den Göttern und Demos auch dem Kaiserhaus geweiht. Im 2. Jh. n. Chr. durfte der Stifter an der Weihinschrift allein auftreten. Hier wurde auf die Namen der Herrscher oder Götter als Empfänger oder Ehrenpersonen verzichtet. Dadurch wurde das Propylon mit der Zeit immer mehr zu einem Repräsentationsbau des Kaiserhauses und der privaten Bürgern bzw. zu einem profanen Gebäude. Die sakrale Bedeutung des griechischen Propylons zum Schutz gegen Verbrecher und äußeres Übel wurde bei diesen neuen Typen zurückgedrängt. 173