Verhaltenstherapeutische Methoden und Einzelverfahren Klinisches Kolloquium Dozent: Dipl. Psych. Caroline Kuhn Referenten: Timo Michels & Jan Richter Überblick 1. 2. 3. 4. 5. 6. Aktivitätsaufbau Kontrolle verdeckter Prozesse Selbstverbalisation und Angstbewältigung Expositionsbehandlung Aufbau sozialer Kompetenz Entspannungstraining Aversionsbehandlung Stimuluskontrolle Reaktionsverhinderung … 1. Aktivitätsaufbau Behandlungsverfahren Verstärkte Initiierung von aktiven Handlungen / Erhöhung des Aktivitätsniveaus Aktivitäts-Verstärkung & Aversions-Reduktion Erfassung von quantitativem Auftreten von Aktivitäten Aktivitätsaufbau Indikation / Kontraindikation Indikation: - - Unterdurchschnittliches Aktivitätsniveau Kleinste Tätigkeiten werden überbewertet & vermieden Grüblerisches & initiativloses Verhalten ● Kontraindikation: - - Eindeutige Kriterien fehlen. In wenigen Fällen kann es zu unkontrolliertem Emittieren von Aktivität kommen Wiederbelebung von Interaktionsmöglichkeiten, welche aggressive und autoaggressive Tätigkeiten erleichtern Aktivitätsaufbau Durchführung Phase I – Instruktion & Messung des Aktivitätsniveaus - - Prüfung des inaktiven Verhaltens, Wahrnehmung schärfen & Konsequenzen aufzeigen Nützlichkeit des Aktivitätsaufbaus aufzeigen. Aktivitäten werden festgesetzt. Registrierung – Protokollierung durch den Patienten Auswertungszeitraum 3-10 Tage mit mehreren Patientenkontakten Aktivitätsaufbau Durchführung Phase II – Erhöhung des allgemeinen Aktivitätsniveaus - Auswahl der Aktivitäten bis zur nächsten Sitzung - Aktivitätsausbau - Verstärkung der Aktivitäten durch Therapeuten Aktivitätsaufbau Durchführung Phase III – Aufbau spezifischer Verhaltensweisen - Signale für Aktivität erkennen - Einüben der Aktivität durch sehr konkrete Anleitung - Signierung spezifischer Tätigkeiten Aktivitätsaufbau Wirksamkeit Schnelle & verständliche Vermittlung der Therapiestrategien Selbstinitiierte Handlungsaktivität wirkt nachhaltig positiv Gute Wirksamkeit bei depressiven und geriatrischen Patienten im stationären Kontext Erfolg durch die Realisierung, dass Probleme mit aktivem & zielgerichtetem Verhalten beeinflussbar sind 2. Kontrolle verdeckter Prozesse: Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes Behandlungsverfahren/Struktur Der Aufmerksamkeitsfokus für neue und schon gespeicherte Informationen wird auf pos. Wahrnehmungen sowie Gedächtnisinhalte zur Selbstbewertung gerichtet Pos. selbstbezogene Informationen eher in gehobener Stimmung zugänglich & umgekehrt Überwiegen neg. Selbstkognitionen wird ein Teufelskreis aufrechterhalten. Daher ist eine Balance notwendig Lenkung der Aufmerksamkeit auf das Selbst intensiviert die Stimmungen, Bewertungen & die internale Attribution Fokus auf pos. Selbstaspekte oder Erinnerungen Kontrolle verdeckter Prozesse: Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes Indikation / Kontraindikation Indikation: Bei neg. Selbstkonzept, Selbstwertproblemen, Gefühlen der Mindertwertigkeit, Depressionen, bei Suizidgefährdung, Sozialphobien und generalisierten Angstsyndromen, Zwangsgedanken, sex.Problemen, Essstörungen und Suchtverhalten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anwendung sind: - Ausreichendes Problemverständnis des Therapeuten Kenntnis der funkt. Zusammenhänge mit anderen Problembereichen Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und Zielvariablen Vorangegangene Patienten-Informationsberücksichtigung (Motivation) Nachvollziehbar und verständlich vermitteltes Konzept der Methode Geduldig-empathisches Vorgehen in langsamen Schritten Kontrolle verdeckter Prozesse: Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes Durchführung Konzeptvermittlung: Vom Klient gebrachte Bsp. aufgreifen und Zusammenhang von Selbstkonzept und Gefühlslage erklären & auf die Selbsteinflussnahme durch diese Methode hinweisen Einführung & Entlastung: Ungefähren zeitlichen Rahmen festsetzen, in dem ein Thema besprochen / pos. Aspekte gefunden werden sollen Exploration spezifischer pos. Selbstkonzeptanteile - Selbstkonzeptfragebogen mit auszufüllenden pos. Eigenschaftsbegriffen (selbstsicher, tatkräftig usw.) Frage: Wann halten sie jmd. für sympathisch oder kompetent? Kontrolle verdeckter Prozesse: Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes Durchführung Dimensionen oder Eigenschaften besitzen unterschiedliche situationsbezogene Selbstbewertungen. Hilfreich sind: - - - Detaillierte Beschreibungen um lebhaft-emotionale Bilder zu aktivieren Gegenwartsorientierung bzw. Bezug auf die letzten 1-2 Wochen Beschreibungen wie „selbstsicher“ - situativ untergliedern Erfahrungen der Gegenwart einbeziehen, da somit die Gefahr mit dem Vergleich der oft „besseren Vergangenheit“ reduziert wird Gefundene Selbstbeschreibungen müssen valide & glaubwürdig und vom Klienten als richtig akzeptiert werden ● Gratwanderung – zwischen „so pos. wie möglich und so neg. wie nötig“ zu formulieren. Ergebnisse werden schriftlich festgehalten & regelmäßig gelesen. Evtl. Koppelung an häufig vorkommende Ereignisse Kontrolle verdeckter Prozesse: Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes Durchführung Erweiterung: Klienten sollten pro Tag ein neues Statement oder eine Aspekt-Ergänzung für ihr Verhalten finden & festhalten. Die Aufgaben des Therapeuten: – – – – Hilfe & Verstärkung für adäquate Formulierungen Anerkennung von Teilerfolgen Regelmäßige Protokollführung beobachten Überhöhte Kriterien der pos. Selbstbewertung hinterfragen & bearbeiten Kontrolle verdeckter Prozesse: Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes Wirksamkeit Vorformen dieser Methode zeigten eine schnelle und anhaltende Besserung bei schwerer chronischer Depression und Zwangsgedanken Bei schwer depressiven Patienten zeigten 30min. Aufmerksamkeitsablenkung Kurzzeiteffekte, die zu einer sign. Abnahme der depressiven Stimmung im Gegensatz zu einer 30min. Konfrontation mit neg. Kognitionen führten Mimischer Ausdruck bei pos. Selbstbewertungen höher Das Verfahren ist leicht erlernbar, kurz- oder längerfristig anwendbar und zeitlich ökonomisch. Es kann & sollte jedoch mit anderen Verfahren kombiniert werden 3. Selbstverbalisation und Angstbewältigung Behandlungsverfahren Sehr viele Handlungen werden durch Selbstinstruktionen und Selbstverbalisationen „mit-gesteuert“ & der Erfolg hängt von den Inhalten dieser ab. Hier geht es um den Aufbau fehlender oder den Umbau problematischer „innerer Monologe“ bzw. verbaler Selbstinstruktionen Unterschiedliche Formen des Sebstverbalisationstrainings zur Angstbewältigung Die Methoden zur kognitiven Umstrukturierung ähneln sich im formalen Ablauf, zeigen aber Unterschiede bzgl. der zu verändernden Kognitionen Ziel: Selbstinstruktionen so zu verändern, dass sie problembewältigend anstatt problemaufrechterhaltend wirken Selbstverbalisation und Angstbewältigung Behandlungsverfahren Meist Kombination mit anderen Therapien (z.B. operante Konditionierung, Modellernen, soz. Kompetenztraining) Die kognitive & sprachliche Ebene ist bei Angstreaktionen durch Intervention bes. zugänglich Der aktive Einsatz des Klienten bei der Angstreduktion: – – – – – – – – Gedanken aufspüren und analysieren Übung & Erarbeitung kognitiver Alternativen Herstellung leichter bis mittelschwerer Phantasie-Angstreaktionen Wahrnehmung aufkommender Angst Verbleiben in Angstsituationen Aktive Bewältigung durch Selbstverbalisation Selbstverstärkung durch vorgestellte Verhaltensweisen in Angstsituationen Üben unter realen Bedingungen Selbstverbalisation und Angstbewältigung Indikation / Kontraindikation Indikation: Bei nahezu allen neurotischen Störungen ist das Selbstinstruktionstraining vorteilhaft. Gute Erfolge bei Streßbewältigung, Hyperaktivität sowie Lernund Leistungsstörungen. Bei Schizophrenie ebenfalls hilfreich Kontraindikation: Selbstverbalisationsverfahren, wie alle Methoden der kogn. Verhaltenstherapie, werden nicht eingesetzt, wenn Rahmenbedingungen, Umgebungsvariablen oder gesellschaftliche Einflüsse die psychische Problematik stabilisieren oder forcieren Selbstverbalisation und Angstbewältigung Durchführung Erhebung des bisherigen inneren Sprechens Zusammenhang: Selbstverbalisation und Problemverhalten Erklärung, dass unter Hilfestellung eine effektive Bewältigung und Kontrolle der Ängste möglich wird Erarbeitung neuer, problembewältigender und zielfördernder Selbstverbalisationen Kurz- und langfristige Konsequenzen (negative & positive) der Selbstverbalisation werden besprochen Selbstverbalisation und Angstbewältigung Durchführung Das Training zur Angstbewältigung ist eher ein Sammelbegriff verschiedener Verfahren mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Gemeinsamkeiten bei Zielsetzung und Durchführung: – – – – Eigenständiges frühes Erkennen von Angst Identifikation entscheidender Signale der Angstauslöser und Angstreaktionen Erlernen von Gegenstrategien, Angst wird nicht mehr zu vermeiden versucht Gelernte Strategien auch in der natürlichen Umgebung umsetzen (Übergang zum Selbstmanagement) Selbstverbalisation und Angstbewältigung Wirksamkeit Erlernte Umgangsmöglichkeiten mit der Angst erhöhen die Kompetenz und bilden eine Prävention gegen psychische Störungen Erlernte kognitive Reaktionsmuster, Strategien, Pläne und Ziele der Therapie führen neben der Veränderung der Hauptsymptomatik z.B. zur Modifikation im zwischenmenschlichen Bereich Isolierter Einsatz der Selbstverbalisationstherapie nur bei leichten psychischen Störungen angebracht Bei der Angstbewältigung ist eine wesentliche Veränderung nur bei Verfahrenskombinationen angezeigt 4. Expositionsbehandlung Expositionsbehandlung Behandlungsverfahren graduell massiert In sensu Systematische Desensibilisierung Flooding in sensu In vivo Habituationstraining Flooding in vivo Expositionsbehandlung Indikation / Kontraindikation Indiziert bei Phobien, Zwangsstörungen, Eßstörungen (Bulimie) sowie in der Rückfallprophylaxe bei Suchtmittelabhängigkeiten Kontainduziert sind reflexartige Anwendung, fehlende Motivation des Patienten, Exposition in kurzen Zeitintervallen, Langzeitbegleitung durch den Therapeuten Expositionsbehandlung Durchführung Systematische Desensibilisierung Flooding Expositionsbehandlung Wirksamkeit Erfolgsquote zwischen 60-80% bei Angstund Zwangsstörungen (Langzeitkatamnese) Bei schweren Phobien, Zwängen mit Panikattacken und multisymptomaler Gestörtheit ist Flooding weit überlegen 5. Aufbau sozialer Kompetenz Aufbau sozialer Kompetenz Behandlungsverfahren Sehr komplex, zielorientiert Vereint Vielzahl verhaltenstherapeutischer Methoden (Exposition, Verstärkung, Modelllernen, Selbstkontrolle…) Rollenspiele in Gruppensetting Neuerfahrung vermiedener sozialer Situationen ohne negative Konsequenzen Bsp.: Assertiveness-Training-Programm (ATP) – Ziele: Sich erlauben eigene Ansprüche zu haben, Ansprüche zu äußern und Ansprüche durchzusetzen Aufbau sozialer Kompetenz Indikation / Kontraindikation Indikation: – – Generell bei allen klinischen Störungen Besonders bei: Sozialen Ängste Depressiven Störungen Kontraindikation: – in akuten psychotischen Phasen, bei extrem aggressivem Verhalten, sehr starker Angst, sehr geringen sprachlichen Fähigkeiten und bei Ehe- und Partnerproblemen, bei denen besser eine Paartherapie zum Einsatz kommen sollte Aufbau sozialer Kompetenz Durchführung Planungsteil Trainingsteil (Rollenspiel) Besprechung & Modellauf Trainingslauf (Rollenspiel) Hausaufgaben Aufbau sozialer Kompetenz Wirksamkeit Trainings Sozialer Kompetenzen führen im Gebiet zwischenmenschlicher Kompetenzen zu positiven Effekten Indirekt können sie auch die Hauptsymptomatik von Störungen verbessern, in denen soziale Schwierigkeiten nicht das Charakteristikum der Störungen darstellen. 6. Entspannungstraining Entspannungstraining Behandlungsverfahren Ziel: – Lernen physiologische Reaktion bei Angst und Anspannung zu kontrollieren / modifizieren Beispiele: – – – Autogenes Training Progressive Relaxation Gestufte Aktiv-Hypnose Entspannungstraining Indikation / Kontraindikation Indiziert, z.B. bei Nervosität, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, funktionelle Magen-Darm-Störung, Herz-Kreislauf-Störungen, Angina pectoris, Bluthochdruck oder Erröten… Kontraindiziert, evtl. bei Angstpatienten, Hypochondrie, problematischer TherapeutPatienten-Beziehung, organischen Leiden wie Herzfunktionsstörungen, Atemwegserkrankungen, neurologischen Erkrankungen Entspannungstraining Durchführung am Beispiel der PME Edmund Jacobson (1885-1976) Entspannung als allgemeines Heilmittel Grundprinzip: kurzes Anspannen einzelner Muskelgruppen; Konzentration auf Anspannungsempfinden; dann maximale Entspannung Anwender soll lernen geringste Anspannungen wahrzunehmen Entspannungstraining Wirksamkeit Entspannung als hilfreiches, jedoch nicht unbedingt notwendiges Verfahren Verfahren beeinflussen physiologische Reaktionen Von Wirksamkeit kann jedoch nur bedingt gesprochen werden (Schachter-Hypothese) Aversionsbehandlung Sind verschiedene Behandlungsverfahren die gemeinsam haben, dass ein aversiver Reiz an ein ungewolltes Verhalten gekoppelt und somit zukünftig verringert wird Basiert auf dem Paradigma der klassischen oder operanten Konditionierung Beispiel klassisch: Gleichzeitig Emetikum & Alkohol Beispiel operant: Alkohol mit Elektroschock bei Zugriff Stimuluskontrolle Die Beeinflussung von direkt beobachtbarem oder verdecktem Verhalten auf einen Reiz hin, der durch Kontrolle das Zielverhalten beeinflusst Beispiele: Hut abnehmen, wenn man Respekt zollt, an einer roten Ampel anhalten Stimuli für erwünschtes & unerwünschtes Verhalten müssen u.a. diskriminiert, in natürlicher Umgebung geübt, mit bekannten Stimuli assoziiert werden Sie ist keine eigenständige Form der Intervention. Muss in positiv verstärkendes Verhalten implementiert werden Reaktionsverhinderung Bei Behandlung von Zwangssyndromen Verhinderung der Zwangsrituale beim Durchführen von Konfrontationsmaßnahmen Exposition + Reaktionsverhinderung stellen erfolgreichste Form der Zwangsbehandlung dar Ohne Reaktionsverhinderung besteht die Gefahr, dass die Patienten die auftretende Habituation und das Ausbleiben der befürchteten Katastrophe fälschlich auf ihr Zwangsritual zurückführen oder dass erst gar keine Angst und damit auch keine Lernsituation eintritt.