Rentabilität von After-Sales-Services in mittelständischen

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Rentabilität von After-Sales-Services in mittelständischen Unternehmen
des Maschinen- und Anlagenbaus
DISSERTATION
der Universität St. Gallen,
Hochschule für Wirtschafts-,
Rechts- und Sozialwissenschaften
sowie Internationale Beziehungen (HSG)
zur Erlangung der Würde eines
Doktors der Wirtschaftswissenschaften
vorgelegt von
Dominik Blösch
von
Mörigen (Bern)
Genehmigt auf Antrag der Herren
Prof. Dr. Christian Belz
und
Prof. Dr. Sven Reinecke
Dissertation Nr. 4580
Difo Druck GmbH, Bamberg 2017
Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung
der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.
St. Gallen, den 24. Oktober 2016
Der Rektor:
Prof. Dr. Thomas Bieger
Meinen Eltern
VORWORT
I
Vorwort
Die vorliegende Dissertation ist begleitend zu meiner beruflichen Tätigkeit als Unternehmer entstanden. Rückblickend waren die Jahre, in welchen diese Dissertation Form
angenommen hat, eine einzigartige Gelegenheit für mich, ein betriebswirtschaftlich
herausforderndes Themenfeld sowohl aus einer akademischen als auch aus einer unternehmerischen Perspektive zu betrachten. Aus der Verschmelzung beider Denkweisen habe ich persönlich einen Erkenntnisgewinn erzielen können, welchen ich in dieser
Dissertation gleichermassen an Akademiker wie an Praktiker weitergeben möchte.
Ich möchte mich an dieser Stelle für die gute Betreuung und Unterstützung bei meinem Referenten, Herrn Prof. Dr. Christian Belz, bedanken. Er hat mich dazu inspiriert,
allgemein anerkannte Sichtweisen kritisch zu hinterfragen, mir mit den richtigen Fragen Lösungswege gewiesen und mir gleichzeitig den nötigen Freiraum gelassen, damit
ich meine Arbeit nach meinen eigenen Vorstellungen gestalten konnte. Dank gilt auch
meinem Co-Referenten, Herrn Prof. Dr. Sven Reinecke, für seine kritischen Fragen
und Hinweise, welche zu spannenden fachlichen Diskussionen geführt haben.
Zudem gilt mein Dank allen Entscheidungsträgern aus der Privatwirtschaft, welche
sich die Zeit genommen haben, mir ihre Sichtweisen auf After-Sales-Services detailliert darzulegen. Die in den Gesprächen gewährten Einblicke in ihre Tätigkeiten und
Entscheidungsprozesse waren für mich eine über dieses Dissertationsprojekt hinausgehende Bereicherung. Ein besonderer Dank gilt dabei Herrn Dr. Tibor Cselle für die
Vermittlung von zahlreichen interessanten Gesprächspartnern.
Letztendlich möchte ich mich bei meiner Familie bedanken, ohne die die Durchführung dieses Dissertationsprojekts nicht möglich gewesen wäre: Bei Allie, für ihre bedingungslose Unterstützung, Geduld und motivierenden Worte, bei Patrick und Pascale, für die fachlichen Diskussionen und die Aufenthalte in den Bergen. Der grösste
Dank gilt aber meinen Eltern, Peter und Doris, für ihre grenzenlose Unterstützung
meiner akademischen Ausbildung und für alles, was sie mir auf meinen Lebensweg
mitgegeben haben. Ihnen widme ich diese Dissertation.
Zofingen, den 6. November 2016
Dominik Blösch
INHALTSVERZEICHNIS
III
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................ IX
Tabellenverzeichnis ................................................................................................. XI
Abkürzungsverzeichnis.......................................................................................... XII
Zusammenfassung................................................................................................ XIII
Summary .............................................................................................................. XIV
1
Einführung...........................................................................................................1
1.1
Problemstellung ..............................................................................................1
1.2
Stand der Forschung .......................................................................................3
1.2.1
Promotoren industrieller Dienstleistungen ................................................4
1.2.2
Industrielle Dienstleistungen als Herausforderungen ................................6
1.2.3
Kritische Betrachtung industrieller Dienstleistungen ................................8
1.2.4
Synthese zur vorhandenen Literatur........................................................10
1.3
Zielsetzung, Fragestellung und Relevanz ......................................................13
1.3.1
Ziel und Forschungsfrage .......................................................................13
1.3.2
Praktische und akademische Relevanz ....................................................14
1.4
Forschungsmethodik .....................................................................................15
1.4.1
Forschungsmethodologische Einordnung ...............................................15
1.4.2
Forschungsansatz ...................................................................................17
1.5
1.4.2.1
Forschungsdesign ............................................................................17
1.4.2.2
Verwendung von Zitaten und illustrativen Fallbeispielen .................18
Definitionen und Abgrenzungen ...................................................................18
1.5.1
Industrielle Dienstleistungen und After-Sales-Services...........................18
1.5.2
Mittelständische Maschinen- und Anlagenbauer.....................................22
1.5.3
Werkzeugmaschinen ..............................................................................25
1.5.4
Rentabilität .............................................................................................26
IV
2
INHALTSVERZEICHNIS
1.5.4.1
Buchhalterische Definition der Rentabilität......................................26
1.5.4.2
Abgrenzung der Rentabilität bei After-Sales-Services......................27
1.6
Ansatzpunkte für die Rentabilitätssteigerung ................................................29
1.7
Aufbau der Arbeit .........................................................................................33
Theoretische Grundlagen ..................................................................................34
2.1
Kaufentscheidungsprozesse und Kaufverhalten.............................................34
2.1.1
Kaufentscheidungen als Prozesse ...........................................................34
2.1.2
Kaufentscheidungsprozesse in Organisationen .......................................35
2.2
2.1.2.1
Buying-Center-Modell .....................................................................36
2.1.2.2
Prozessmodell von Choffray & Lilien ..............................................37
Kundennutzen ............................................................................................... 39
2.2.1
Das Konzept des Kundennutzens............................................................39
2.2.2
Wissenschaftstheoretische Einordnung von Kundennutzen ....................41
2.2.3
Entstehung von Kundennutzen ............................................................... 41
2.2.3.1
Bewertung von Nutzen ....................................................................42
2.2.3.2
Bewertung von Kosten .....................................................................43
2.2.3.3
Bewertung von Alternativen ............................................................44
2.2.4
Kundennutzen im Kaufentscheidungsprozess .........................................45
2.2.5
Kundennutzen visualisieren: Value Selling.............................................46
2.2.6
Verbindung von Kundennutzen und Rentabilität ....................................47
2.3
Preismanagement ..........................................................................................48
2.3.1
Wissenschaftstheoretische Einordnung von Zahlungsbereitschaft ...........49
2.3.2
Zahlungsbereitschaft in der mikroökonomischen Preistheorie ................49
2.3.2.1
Target Pricing ..................................................................................50
2.3.2.2
Kano-Modell ...................................................................................51
2.3.3
Zahlungsbereitschaft aus verhaltenstheoretischer Perspektive ................52
2.3.3.1
Preiswahrnehmung ..........................................................................53
INHALTSVERZEICHNIS
2.3.3.2
Preisfairness ....................................................................................54
2.3.4
Durchsetzung der Preise am Markt .........................................................56
2.3.5
Besonderheiten des Preismanagements bei After-Sales-Services ............57
2.4
3
V
Kundennutzengeleiteter Optimierungsprozess ...............................................59
2.4.1
Vom Leistungsbündel zum Leistungssystem ..........................................59
2.4.2
Der Customer-Value-Ansatz ..................................................................61
2.4.3
Der CV-Ansatz als kundennutzengeleiteter Optimierungsprozess ..........63
Kundennutzen von After-Sales-Services ..........................................................64
3.1
Zielsetzung ...................................................................................................64
3.2
Methodik ......................................................................................................65
3.2.1
Design ....................................................................................................65
3.2.2
Strukturierung der Interviews .................................................................65
3.2.3
Auswahl der Untersuchungsobjekte ........................................................67
3.2.4
Datensammlung .....................................................................................69
3.2.4.1
3.2.5
3.3
Berücksichtigung ethischer Konflikte ..............................................70
Datenauswertung ....................................................................................70
3.2.5.1
Begriffsabgrenzungen ......................................................................70
3.2.5.2
Anonymität der Studienteilnehmenden ............................................71
3.2.5.3
Auswertungsmethode.......................................................................72
Resultate .......................................................................................................74
3.3.1
Zusammensetzung der Stichprobe ..........................................................74
3.3.2
Bildung von Kundensegmenten ..............................................................77
3.3.2.1
Technische Innovatoren ...................................................................80
3.3.2.2
Reaktive Service-on-Demand-Bezüger ............................................81
3.3.2.3
Interne Servicedienstleister ..............................................................82
3.3.2.4
Strategische Partner .........................................................................84
3.3.2.5
Risikoaverse Service-Profis .............................................................86
VI
INHALTSVERZEICHNIS
3.3.2.6
3.3.3
Grundnutzen von After-Sales-Services ............................................89
3.3.3.2
Ausbildungsniveau der Servicetechniker..........................................90
3.3.3.3
Professionelle Kommunikation ........................................................93
3.3.3.4
Nachvollziehbare Preispolitik ..........................................................94
3.3.3.5
Leistungsvereinbarung zu e-Services ...............................................97
Beobachtungen zum Kaufentscheidungsprozess ................................... 100
3.3.4.1
Vertrauen und Kulanz .................................................................... 100
3.3.4.2
Beurteilungszeitpunkt im Kaufprozess ........................................... 103
3.3.4.3
Entscheider über den Vertragsabschluss ........................................ 105
3.3.4.4
Service als Verhandlungsinstrument .............................................. 106
3.3.5
Zusammenfassung der Resultate........................................................... 107
Diskussion .................................................................................................. 109
3.4.1
Validierung mit der ökonomischen Nutzentheorie ................................ 109
3.4.2
Validierung mit verhaltenswissenschaftlichen Theorien ....................... 110
3.4.3
Validierung durch die Kaufprozesseinordnung ..................................... 112
3.5
4
Kundennutzen und Opportunitäten .........................................................89
3.3.3.1
3.3.4
3.4
Strukturierung der Kundensegmente ................................................87
Implikationen aus der Einnahme der Kundenperspektive ............................ 113
Optimierungsprozess zur Rentabilitätssteigerung ......................................... 114
4.1
Zielkonflikte zwischen Kunden- und Anbieterperspektive .......................... 114
4.1.1
Ziele von After-Sales-Services aus Anbieterperspektive ....................... 115
4.1.2
Spannungsfelder zwischen Kunden und Anbietern ............................... 116
4.2
4.1.2.1
Spannungsfeld 1: Störungsbehebung.............................................. 117
4.1.2.2
Spannungsfeld 2: Preispolitik ........................................................ 118
4.1.2.3
Spannungsfeld 3: Kostenloser Leistungsbezug............................... 118
Lösungskonzepte im Umgang mit den Spannungsfeldern ........................... 119
4.2.1
Expertengespräche und Fallbeispiele .................................................... 119
INHALTSVERZEICHNIS
4.2.2
Fallbeispiele aus der WZM-Branche .................................................... 120
4.2.3
Optimierungen im Leistungssystem ...................................................... 121
4.3
Optimierungsprozess................................................................................... 123
4.3.1
Strategische Ausrichtung des Service-Portfolios................................... 125
4.3.1.1
Festlegung Leistungsumfang im After-Sales-Services-Portfolio .... 125
4.3.1.2
Identifikation der relevanten Kundensegmente .............................. 128
4.3.1.3
Kundensegmentoptimiertes Service-Portfolio ................................ 129
4.3.1.4
Abgrenzung der Abteilung oder eigene Organisationseinheit ......... 134
4.3.2
Kompetenzerweiterung im Service-Team ............................................. 135
4.3.2.1
Technische Kompetenzerweiterung ............................................... 135
4.3.2.2
Verkaufsorientiertes Service-Team ................................................ 138
4.3.2.3
Professionalisierung der Kommunikationsprozesse ........................ 140
4.3.3
Präventive Diagnose ............................................................................. 141
4.3.4
e-Service-Vereinbarungen .................................................................... 144
4.3.4.1
e-Service-Vereinbarungen als unabhängiges Produkt ..................... 145
4.3.4.2
Verrechnung von e-Services über die Kopplung von Leistungen ... 148
4.3.4.3
Nutzenbeurteilung von e-Services nach Kundensegment ............... 148
4.3.5
Visualisierung von Wert und Kosten .................................................... 149
4.3.5.1
Massnahmen zur Visualisierung für einzelne Services ................... 150
4.3.5.2
Einflussnahme im initialen Kaufentscheidungsprozess .................. 155
4.3.6
5
VII
Zusammenfassung des Prozessablaufs .................................................. 156
Schlussbetrachtung ......................................................................................... 158
5.1
Zusammenfassung ...................................................................................... 158
5.2
Implikationen .............................................................................................. 159
5.2.1
Implikationen für die Forschung ........................................................... 159
5.2.2
Implikationen für die Praxis ................................................................. 160
5.3
Limitationen ............................................................................................... 161
VIII
5.4
INHALTSVERZEICHNIS
Ansatzpunkte für weiterführende Forschung ............................................... 163
Literaturverzeichnis............................................................................................... 165
Anhang 1: Interviewleitfaden Studie Kundenperspektive ................................... 180
Anhang 2: Bewertungsraster fallübergreifende Synthese .................................... 184
Anhang 3: Auswertung fallübergreifende Synthese ............................................. 188
Anhang 4: Interviewleitfaden Expertengespräche ............................................... 189
Lebenslauf von Dominik Blösch ............................................................................ 191
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
IX
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Forschungsdesign .................................................................................18
Abbildung 2: Definition industrielle Dienstleistung ...................................................20
Abbildung 3: Fertigungsverfahren WZM-Industrie ....................................................26
Abbildung 4: Einflussfaktoren für die Rentabilitätsoptimierung .................................30
Abbildung 5: Bezugsrahmen ......................................................................................32
Abbildung 6: Aufbau der Arbeit .................................................................................33
Abbildung 7: Prozessmodell von Choffray & Lilien...................................................37
Abbildung 8: Response-Modell ..................................................................................38
Abbildung 9: Entstehung des Kundennutzens ............................................................42
Abbildung 10: Customer-Value Map .........................................................................44
Abbildung 11: Wirkungskette Kundennutzen .............................................................48
Abbildung 12: Kano-Modell ......................................................................................52
Abbildung 13: Customer-Value-Modell .....................................................................62
Abbildung 14: Erarbeitungsprozess CV-Modell .........................................................63
Abbildung 15: Strukturierung der Interviews .............................................................66
Abbildung 16: Ablauf Auswertung der Fallstudien ....................................................73
Abbildung 17: Einordnung nach Industrie ..................................................................75
Abbildung 18: Einordnung nach Werkzeugmaschinentyp ..........................................76
Abbildung 19: Funktion der Interviewpartner ............................................................77
Abbildung 20: Darstellung der Kundensegmente als Matrix ......................................88
Abbildung 21: Zusammenfassung der Resultate ....................................................... 108
Abbildung 22: Zielkonflikte Anbieter- und Kundenperspektive ............................... 116
Abbildung 23: Optimierungen im Leistungssystem .................................................. 122
Abbildung 24: Optimierungsprozess ........................................................................ 124
Abbildung 25: After-Sales-Services nach Leistungskategorie .................................. 127
Abbildung 26: Identifikation Kundensegmente ........................................................ 128
X
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 27: Basis-After-Sales-Services-Portfolio ................................................ 129
Abbildung 28: Ergänzungsprodukte Service- und Wartungsvertrag ......................... 132
Abbildung 29: Optimierungsprozess – Mitarbeitersystem ........................................ 135
Abbildung 30: Optimierungsprozess – Leistungssystem: Konfiguration................... 142
Abbildung 31: Optimierungsprozess – Leistungssystem: Kommerzialisierung ......... 145
Abbildung 32: Optimierungsprozess – Kommunikation ........................................... 150
Abbildung 33: Implementierung des Optimierungsprozesses ................................... 157
TABELLENVERZEICHNIS
XI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Literaturübersicht Gruppe 1 .........................................................................5
Tabelle 2: Literaturübersicht Gruppe 2 .........................................................................7
Tabelle 3: Literaturübersicht Gruppe 3 .........................................................................9
Tabelle 4: Abgrenzung Maschinen- und Anlagenbau .................................................24
Tabelle 5: Unterscheidungsmerkmale Leistungssysteme ............................................60
Tabelle 6: Anforderungen an die Untersuchungsobjekte ............................................69
Tabelle 7: Kriterien: Einstellung und Verhalten zu After-Sales-Services ....................78
Tabelle 8: Kategorisierung der Fälle nach wahrgenommenem Kundennutzen ............78
XII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
B2B
Business-to-Business
B2C
Business-to-Consumer
bzw.
beziehungsweise
CV
Customer-Value
d.h.
das heisst
ERP-System
Enterprise-Resource-Planning-System
f. / ff.
folgende / fortfolgende
F&E
Forschung und Entwicklung
IS
Kundensegment: Interne Servicedienstleister
KMU
Kleine(s) und mittelständige(s) Unternehmen
MEM
Maschinen- Elektro- und Metallbau
RA
Kundensegment: Risikoaverse Service-Profis
RE
Kundensegment: Reaktive Service-on-Demand-Bezüger
S.
Seite(n)
SP
Kundensegment: Strategische Partner
S-R-Modell
Stimulus-Response-Modell
S-O-R-Modell
Stimulus-Organismus-Response-Modell
TI
Kundensegment: Technische Innovatoren
u.a.
unter anderem
VDMA
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer
vgl.
vergleiche
WZM
Werkzeugmaschine(n)
z.B.
zum Beispiel
ZUSAMMENFASSUNG
XIII
Zusammenfassung
Viele mittelständische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus können trotz
Investitionen in ihre produktbegleitenden Dienstleistungen mit diesen keine befriedigenden Renditen erzielen. Das Ziel dieser Dissertation ist die Entwicklung eines Optimierungsprozesses, welcher von den Entscheidungsträgern dieser Unternehmen zur
Rentabilitätssteigerung ihrer After-Sales-Services angewendet werden kann.
Den Erkenntnissen der mikroökonomischen und verhaltenswissenschaftlichen Nutzenund Preistheorie folgend wird Rentabilität als Ergebnis eines kundennutzenorientierten
Leistungs- und Preismanagements identifiziert. Es werden 23 Fallstudien erhoben, in
welchen der Nutzen von After-Sales-Services in industriellen Beschaffungsprozessen
von Werkzeugmaschinen aus Kundenperspektive erforscht wird. Die Studie wird mittels einer fallübergreifenden Synthese ausgewertet. Die als Resultat identifizierten
Kundensegmente und Opportunitäten werden in Expertengesprächen plausibilisiert
und mit Best-Practice-Fallbeispielen aus der Werkzeugmaschinenindustrie ergänzt.
Um After-Sales-Services in mittelständischen Unternehmen zu rentabilisieren, ist in
einem ersten Schritt auf strategischer Ebene ein modular gestaltetes After-SalesServices-Portfolio zu definieren. Dieses ist auf die in den bedienten Kundensegmenten
als relevant betrachteten Leistungen zu fokussieren. Auf operativer Stufe sind nachfolgend im Mitarbeiter- und Leistungssystem vier Optimierungsmassnahmen umzusetzen: Die Erweiterung der fachlichen, kommunikativen und verkaufsorientierten Kompetenzen des Service-Teams, die Verstärkung der präventiven Diagnose, der Abschluss von e-Service-Vereinbarungen sowie die verbesserte Visualisierung von Wert
und Kosten von After-Sales-Services.
Abschliessend wird festgestellt, dass im untersuchten Kontext After-Sales-Services
aus Kundenperspektive den Stellenwert einer Nebenleistung innehaben und mehrheitlich den technischen Kriterien der Maschinen und Anlagen untergeordnet werden. Für
Entscheidungsträger in mittelständischen Maschinen- und Anlagenbauunternehmen
bleibt die Rentabilisierung der After-Sales-Services deshalb auch zukünftig eine Herausforderung. Um diese erfolgreich zu meistern, kann der entwickelte Optimierungsprozess als ein umsetzungsnahes Hilfsmittel beigezogen werden.
XIV
ZUSAMMENFASSUNG
Summary
Despite significant investments in their product-related services, many medium-sized
machinery companies fail to achieve satisfactory margins on these services. The goal
of this dissertation is to develop an optimization process, which supports decision
makers in medium-sized machinery companies in optimizing the profitability of their
after-sales-services.
Based on the findings of microeconomic and behavioral utility and price theory, profitability is identified as a result of customer-oriented value- and price management. 23
case studies are collected, in which the value of after-sales-services in the industrial
purchasing processes of tooling machines is explored from the customers’ point of
view. The analysis is performed via a cross-case synthesis. As a result, customer segments and opportunities are identified and confirmed as plausible by expert interviews.
These findings are supplemented by best-practice case studies in the machine tool industry.
In order to make after-sales-services in medium-sized machinery companies profitable,
one should first configure a modular after-sales-services portfolio on a strategic level.
The configuration should limit itself to the relevant needs of the selected customer
segments. Subsequently, there are four optimizations to be undertaken at the operative
level: the augmentation of the service team’s technical, communication, and salesoriented skills, the pushing of preventive diagnoses, the closing of e-service contracts,
and the enhanced visualization of the value and costs of services.
In conclusion, this thesis finds that customers consider after-sales-services to be supplementary products and secondary to the technical specifications of the machines, in
this context. Therefore, turning a profit with after-sales-services remains a future challenge for the decision makers in medium-sized machinery companies. Being an implementation-oriented tool, the proposed optimization process helps these decision
makers meet this challenge.
EINFÜHRUNG
1
1
Einführung
1.1
Problemstellung
Dienstleistungen gewinnen vermehrt an Bedeutung in der Konfiguration von Leistungen in industriellen Unternehmen, insbesondere bei Maschinen- und Anlagenbauern.
Dies rührt einerseits daher, dass eine Marktposition, welche die Ansprüche des Kunden erfüllen soll, nicht nur aus einem Produkt, sondern aus einer Kombination von
Produkten und Dienstleistungen besteht.1 Andererseits hat die Forschung in den letzten
Jahrzehnten eine Vielzahl von Vorteilen von industriellen Dienstleistungen 2 identifiziert, welche den Ausbau derselben nahelegen. Unter anderem gehört dazu das Versprechen von höheren Margen, stabilen Renditen, Kundenbindungseffekten und Differenzierungsmöglichkeiten.3 Gleichzeitig wird das Volumen des globalen Markts für
industrielle Dienstleistungen in der Wirtschaftsgemeinschaft als signifikant gross und
wachsend betrachtet, was durch Aussagen prominenter Industrievertreter wie Jack
Welch: «The [service] market is bigger than we ever dreamt»4 symbolstark unterstützt
wird.
Auf Grund des hohen Umsatzpotentials und der propagierten Vorzüge industrieller
Dienstleistungen sehen sich Entscheidungsträger in industriellen Unternehmen vermehrt veranlasst, den Wertschöpfungsbeitrag von Dienstleistungen am Umsatz ihres
Unternehmens zu erhöhen bzw. den strategischen Fokus vom physischen Kernprodukt
auf die begleitenden Dienstleistungen zu verlegen. Damit werden die Unternehmen
angehalten, sich vom klassischen Produktgeschäft zu entfernen und sich zu Lösungsanbietern zu entwickeln. Unternehmen versprechen sich dadurch einen zweifach positiven Effekt: eine Umsatzsteigerung, welche, kombiniert mit einer Margenzunahme, zu
einem überproportionalen Gewinnwachstum führen soll.5
1
Belz, Schuh, Groos & Reinecke (1997, S. 28)
2
Der Begriff «industrielle Dienstleistungen» wird im Rahmen dieser Dissertation mit den Begriffen
«produktbegleitende Dienstleistungen» und «produktbezogene Dienstleistungen» gleichgesetzt. Vgl.
zur näheren Definition Kapitel 1.5.1.
3
z.B. Brax (2005, S. 142); Mathieu (2001, S. 458); Oliva & Kallenberg (2003, S. 160); Schuh, Friedli
& Gebauer (2004, S. 10–12)
4
Jack Welch, ehemaliger CEO von General Electrics, zitiert in: Slater (1999, S. 183).
5
Gebauer, Fleisch & Friedli (2005, S. 14)
2
EINFÜHRUNG
Trotz der in der Managementlehre identifizierten Vorzüge von industriellen Dienstleistungen stossen Entscheidungsträger in der Praxis auf Herausforderungen und Problemfelder bei der Entwicklung und Implementierung einer Service-Strategie. Weit verbreitet unter diesen Herausforderungen sind Probleme bei der Schaffung einer ServiceKultur im Unternehmen, der Implementierung eines Service-Controllings sowie der
Verrechenbarkeit von Services.6
Die Vielzahl von Herausforderungen im Umgang mit industriellen Dienstleistungen
hat dazu geführt, dass – trotz ihrer propagierten Vorteile – industrielle Dienstleistungen in vielen Unternehmen nur einen kleinen Anteil am Umsatz ausmachen 7 und nur
eine gleichwertige oder niedrigere Rentabilität aufweisen.8 Diese Situation wird von
Gebauer, Fleisch & Friedli9 als «Service-Paradoxon» bezeichnet, eine Situation, in
welcher Unternehmen trotz massiver Investitionen in das Servicegeschäft keine signifikante Steigerung des Serviceanteils am Gesamtumsatz erreichen können bzw. durch
die überproportionale Kostensteigerung eine Bruttomargensteigerung ausbleibt. Auch
Schuh, Friedli & Gebauer10 beobachten das gleiche Phänomen als Folge eines «Dienstleistungsdschungels».
Die Herausforderungen mit Servicedienstleistungen werden indessen nicht geringer:
Insbesondere im Mittelstand verlangt die zunehmende Spezialisierung auf Nischenprodukte nach einer Ausschöpfung des globalen Marktpotentials, wodurch die Erbringung von Serviceleistungen kostenintensiver wird. Dies fällt in den Hochpreisländern
Mitteleuropas auf Grund des hohen Personalkostenanteils in Services besonders ins
Gewicht. Des Weiteren werden Servicedienstleistungen bedingt durch den technischen
Fortschritt komplexer und in ihrer möglichen Ausgestaltung vielfältiger. Lösungswege
6
z.B. Mathieu (2001, S. 455, 460); Ojasalo (2007, S. 58 ff.); Trachsler (1996, S. 3–5)
7
Lay, Copani, Jäger & Biege (2010, S. 720) stellen im Mittel 16% Serviceanteil am Umsatz in indust-
riellen Unternehmen fest. Gebauer et al. (2005, S. 15 f.) ermitteln, dass in über 65% der industriellen
Unternehmen der Serviceanteil am Umsatz unter 20% liegt.
8
Eggert, Hogreve, Ulaga & Muenkhoff (2014, S. 33 f.); Neely (2008, S. 110, 114); VDMA & McKinsey & Co (2014, S. 31 f.)
9
Gebauer et al. (2005, S. 14–16)
10
Schuh et al. (2004, S. 23)
EINFÜHRUNG
3
aus dem Rentabilitätsdilemma sind deshalb generell, und insbesondere für den Mittelstand, von Interesse für die Praxis und die Wissenschaft.11
Forschung zu industriellen Dienstleistungen und zu deren direkter und indirekter Auswirkung auf die Bruttomargenentwicklung der Unternehmen wird in der betriebswissenschaftlichen Wissenschaftsgemeinschaft seit Jahrzehnten betrieben. Nachfolgend
wird ein Überblick zum Stand der Forschung präsentiert. Zielsetzung und Fragestellung dieser Arbeit werden anschliessend aus der skizzierten Problemstellung aus der
Praxis sowie der Synthese des Forschungsstandes abgeleitet.
1.2
Stand der Forschung
Industrielle Dienstleistungen haben in den letzten Jahrzehnten hohe Aufmerksamkeit
in der Forschung genossen. Einen Überblick über die relevante Literatur liefern sowohl Garbe12 wie auch Baines, Lightfoot, Benedettini & Kay 13. Letztere identifizieren
als Ergebnis eines Literaturreviews 58 Artikel zum Thema «Servitization of manufacturing», wobei der älteste Beitrag auf das Jahr 1976 zurückgeht, in welchem Levitt14
erkannte, dass in der Industrialisierung von Serviceleistungen in produzierenden Unternehmen ein unausgeschöpftes Potential liegt.
Eine eigene Literaturanalyse zum Thema industrielle Dienstleistungen in deutsch- und
englischsprachigen Fachartikeln, Fachbüchern und Dissertationen hat zu einer Erweiterung der von Garbe und Baines et al. identifizierten Werke geführt. Diese Longlist
wurde dann auf jene Publikationen, welche sich auf die für diese Dissertation relevanten Teilaspekte industrieller Dienstleistungen fokussieren, reduziert, welche sind:
-
Chancen und Herausforderungen von industriellen Dienstleistungen
-
Erfolgsfaktoren im Umgang mit industriellen Dienstleistungen
-
Rentabilität von industriellen Dienstleistungen.
11
Beyer (2007, S. 256); Jaeger (2000, S. 28); Malleret (2006, S. 109); Raymond, St-Pierre, Uwizeyemungu & Le Dinh (2014, S. 231 f.); Wörwag (1996, S. 26 f.)
12
Garbe (1998, S. 33 ff.)
13
Baines, Lightfoot, Benedettini & Kay (2009, S. 550 ff.)
14
Levitt (1976, S. 63 ff.)
4
EINFÜHRUNG
Durch die Setzung dieser Schwerpunkte kann der Stand der Forschung mit 20 Publikationen repräsentativ dargestellt werden. Diese lassen sich auf der Metaebene in drei
Gruppen unterteilen, welche mit einigen Überschneidungen chronologisch aufeinander
folgen. Sie werden in den folgenden drei Abschnitten zusammengefasst und zeigen die
historische Entwicklung der Forschungsmethoden und -erkenntnisse.
1.2.1 Promotoren industrieller Dienstleistungen
Die erste Gruppe von Artikeln fasst die Promotoren von industriellen Dienstleistungen
zusammen. Die Autoren dieser Gruppe vertreten in ihren Publikationen die Ansicht,
dass in Dienstleistungen unerschlossene Potentiale zur Rentabilitätssteigerung in produzierenden Unternehmen liegen. Der Fokus der Beiträge liegt im Aufzeigen und Erklären des Potentials industrieller Dienstleistungen sowie im Visualisieren von Strategien für den Übergang vom Produkt- zum Lösungsgeschäft.
Die Artikel sind vorwiegend konzeptioneller Natur, oft mit induktiv gewonnenen Erkenntnissen aus Fallstudien ergänzt. Die folgende Tabelle 1 listet die Beiträge jener
Gruppe sowie ihre inhaltlichen Schwerpunkte und ihre Kernaussagen auf.
EINFÜHRUNG
5
Tabelle 1: Literaturübersicht Gruppe 1
Autoren und Titel
Inhaltliche Schwerpunkte
Ausgewählte Kernaussagen
Levitt (1976): The
industrialization of
service
- Verständnis von Dienstleistungen in produzierenden Unternehmen
- Industrielle Dienstleistungen haben ein
hohes unausgeschöpftes Potential
Vandermerwe &
Rada (1988): Servitization of Business: Adding Value
by Adding Services
- Einführung Begriff «Servitization»
- Strategische Vorteile von Services
- Veränderte Perzeption des
Verhältnisses von Produkten
und Services
- Bedeutung von Services steigt an
- Leistungen bestehen aus einem Bündel
von Produkt, Service, Support, Wissen
und Self-Service
- Services schaffen Wettbewerbs-, Kundenbindungs- und Differenzierungsvorteile
Quinn, Doorley &
Paquette (1990):
Beyond Products:
Services-Based
Strategy
- Strategische Ausrichtung des
Unternehmens auf Grund neuer Opportunitäten im Servicegeschäft
- Wert und Marge werden durch den Service, nicht durch das Produkt, generiert
- Nicht die Produktion, sondern Humankapital und Know-how schaffen nachhaltige Wettbewerbsvorteile
Belz (1991): Erfolgreiche Leistungssysteme – Anleitung
und Beispiele
- Konzeption von Leistungssystemen in der Industrie
- Kritische Erfolgsfaktoren von
Leistungssystemen
- Leistungssysteme in diversen
Branchen, inkl. Fallbeispielen
- Kundenspezifische Problemlösungen
anzubieten, ist der Schlüssel zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen
- Unternehmen können dies mit selektivem Dienstleistungsmanagement oder
integriertem Leistungsmanagement erreichen
- Für den Erfolg im Dienstleistungsgeschäft sind neue Fähigkeiten und Kompetenzen im Unternehmen aufzubauen
Wise & Baumgartner (1999): Go
Downstream: The
New Profit Imperative in Manufacturing
- Strategische Vorteile von Services
- Business-Modelle für «going
downstream»
- Unternehmen geben für Services mehr
Geld aus als für Produkte
- Services haben höhere Margen, benötigt
weniger Kapital, bauen Wettbewerbsbarrieren auf und generieren konstante
Einnahmen
Mathieu (2001):
Service strategies
within the manufacturing sector: benefits, costs and partnership
- Klassifizierung von Services
- Strategische Vorteile von Services
- Umgang mit Herausforderungen bei der Umsetzung einer
Servicestrategie
- Investitionen in Services führen zu Vorteilen auf den Ebenen Finanzen (Marge), Strategie (Wettbewerbsvorteile) und
Marketing (Kundenbedürfnis)
- Unternehmen, die maximal von Service
profitieren wollen, gehen ein hohes
(Kosten)Risiko ein
Belz, Schuh, Groos
& Reinecke (1997):
Industrie als Dienstleister
6
EINFÜHRUNG
Autoren dieser Gruppe argumentieren, dass Services über eine überdurchschnittliche
Rentabilität verfügen. Wie beispielhaft in der Publikation von Wise & Baumgartner15
stammt diese Erkenntnis aus Beobachtungen in ausgewählten Firmen, welche ein gut
organisiertes und profitables Servicegeschäft haben.
1.2.2 Industrielle Dienstleistungen als Herausforderungen
Einem zweiten Forschungszweig zu industriellen Dienstleistungen wurde seit dem viel
beachteten Artikel von Oliva & Kallenberg16 verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt: der
Auseinandersetzung mit den Herausforderungen und Problemen, welche industrielle
Dienstleistungen in der Praxis mit sich bringen.
Anders als bei der vorhergehenden Gruppe haben diese Publikationen die Prämisse,
dass in der Praxis eine grosse Zahl von Unternehmen daran scheitert, eine Servicestrategie erfolgreich umzusetzen und ihnen dadurch Gewinne entgehen. Motiviert durch
Best-Practice-Fallstudien sowie die Erkenntnisse aus den vorhergehenden konzeptionellen Artikeln versuchen die Autoren zu erklären, wieso einige Firmen bei der Umsetzung einer Dienstleistungsstrategie scheitern und was die Erfolgsfaktoren jener
Firmen sind, welche eine erfolgreiche Implementierung trotz dieser Herausforderungen geschafft haben. Auch in dieser Gruppe sind konzeptionelle und qualitative Forschungsarbeiten verbreitet, unterstützend liegen auch quantitative Studien vor. Die von
den Autoren identifizierten Erfolgsfaktoren werden vorwiegend als statische Einflussgrössen betrachtet.
15
Wise & Baumgartner (1999, S. 134)
16
Oliva & Kallenberg (2003)
EINFÜHRUNG
7
Tabelle 2: Literaturübersicht Gruppe 2
Autoren und Titel
Inhaltliche Schwerpunkte
Ausgewählte Kernaussagen
Anderson & Narus
(1995): Capturing
the Value of Supplementary Services
- Entwicklung eines Konzeptes
zur Anpassung von Service
auf Kundensegmente
- Service wird oft am Bedürfnis des Kunden vorbei und unter Wert angeboten
- Standardpakete für breit nachgefragte
Services, welche mit Add-on-Optionen
ergänzt werden, sind erfolgsversprechend
- Erfolg wird wesentlich durch die Selektion von Services beeinflusst
Oliva & Kallenberg
(2003): Managing
the transition from
products to services
- Strategien zum Übergang vom
Produkt- zum Servicegeschäft
- Aufzeigen, wie die Hürden
zur Implementierung einer
Servicestrategie überwunden
werden
- Servicestrategien sind nur bei ausgewählten Firmen erfolgreich
- Erfolgsfaktoren für den Übergang zum
Servicegeschäft sind eine eigene Organisationseinheit, Umstellung der Kultur,
Betrachtung von Service als Wert sowie
die Übernahme von Full-Service
Brax (2005): A
manufacturer becoming service provider – challenges
and a paradox
- Aufzeigen von Herausforderungen beim Übergang vom
Produkt- zum Servicegeschäft
- Es werden fünf Herausforderungen
identifiziert: Marketing, Produktion,
Produktdesign, Kommunikation und
Beziehungsmanagement
- Die Umstellung auf eine Servicekultur
sollte radikal geschehen
Gebauer, Fleisch &
Friedli (2005):
Overcoming the
Service Paradox
- Service-Paradoxon
- Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren beim Auf- und Ausbau
industrieller Dienstleistungen
- Trotz Investitionen in Service übersteigen die Kosten oftmals die Erträge: Die
erwarteten Margen bleiben aus
- Erfolgsfaktoren sind: Kundenfokussierung, Relationship-Marketing, Servicestrategie, eigene Serviceorganisation und eine ausgeprägte Servicekultur
Cohen, Agrawal &
Agrawal (2006):
Winning in the Aftermarket
- Aufzeigen, wie Unternehmen
im After-Sales-Markt erfolgreich sein können
- Erfolg im After-Sales-Markt bedingt
strategische Entscheidungen über: Gestaltung des Service-Portfolios, Wahl
des Geschäftsmodells, Organisationsstruktur, Gestaltung der Supply Chain
und des Controllings
Ojasalo (2007):
Developing Industrial Services – An
Empirical Study
- Identifikation von Herausforderungen, mit welchen Unternehmen beim Auf- und Ausbau des Servicegeschäfts konfrontiert sind
- Als zentrale Herausforderungen werden
identifiziert: Aufbau einer Servicekultur,
Implementierung einer Servicestrategie
und Umgang mit Kundeninteraktionen
Gebauer, Friedli &
Fleisch (2006): Success factors for
achieving high service revenues in
manufacturing companies
8
EINFÜHRUNG
Obwohl die Autoren die Herausforderungen im Umgang mit dem Servicegeschäft anerkennen und hervorheben, vertreten sie mehrheitlich den Standpunkt, dass Services
im Vergleich zum Primärproduktgeschäft des industriellen Unternehmens eine überdurchschnittliche Marge generieren. Diese These wird einerseits mit Einzelfallstudien
begründet17 und andererseits ergänzend mit quantitativen Daten unterstützt, allen voran mit einer vom VDMA18 unter seinen Mitgliedern erhobenen Studie, welche zeigt,
dass die Umsatzrendite von Services signifikant höher liegt als jene des Neumaschinengeschäfts, wo negative Renditen erzielt werden.19
1.2.3 Kritische Betrachtung industrieller Dienstleistungen
In der letzten Dekade kommen hinsichtlich industrieller Dienstleistungen kritische
Stimmen in der Forschung auf. Von den Autoren dieser Gruppe wird hervorgehoben,
dass in einer Mehrheit der Unternehmen, welche gezielt in industrielle Dienstleistungen investiert haben, die erwarteten Ertragssteigerungen ausgeblieben sind, da Einnahmen und Kosten in einem Missverhältnis stehen oder der Serviceanteil am Umsatz
trotz Investitionen gering geblieben ist. Neben der Analyse industrieller Dienstleistungen mit quantitativen Untersuchungen liegt der Beitrag dieser Publikationen darin, die
Überlegenheit von industriellen Dienstleistungen über das Primärproduktgeschäft hinsichtlich der Rentabilität zu relativieren. Es werden Voraussetzungen aufzuzeigen,
welche für die Rentabilisierung von industriellen Dienstleistungen benötigt werden.
17
z.B. bei Anderson & Narus (1995, S. 76). Auch Oliva & Kallenberg (2003) begründen ihre These
z.B. mit einer Einzelfallstudie aus «The Economist» (2000, S. 69 f.).
18
19
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer.
Luczak (1999, S. 1 f.). Die VDMA-Studie wird als Begründung für überdurchschnittlich rentable
Serviceleistungen u.a. auch von Oliva & Kallenberg (2003) und Gebauer et al. (2005) verwendet. Gebauer (2004, S. 4, 130 ff.) unterstützt die vom VDMA aufgestellte These zur erhöhten Dienstleistungsrentabilität unter Verwendung eines eigenen quantitativen Samples.
EINFÜHRUNG
9
Tabelle 3: Literaturübersicht Gruppe 3
Autoren und Titel
Inhaltliche Schwerpunkte
Ausgewählte Kernaussagen
Malleret (2006):
Value Creation
through Service
Offers
- Analyse der Profitabilität von
Services
- Fokus auf kleine und mittelständische Industrieunternehmen
- Profitabilität von Service hängt mit einer grossen installierten Basis zusammen
- Erfolg von Service hängt von dessen
Visualisierung und Verrechenbarkeit
sowie von der gewählten PricingStrategie ab
Fang, Palmatier &
Steenkamp (2008):
Effect of Service
Transition Strategies
on Firm Value
- Auswirkungen des Übergangs
vom Produkt- zum Servicegeschäft auf den Firmenwert
- Der Firmenwert ist negativ beeinflusst,
bis ein Umsatzanteil von Service von
mindestens 20–30% erreicht wird
- Mit dem Kernprodukt des Unternehmens verbundene Services wirken sich
positiver auf den Firmenwert aus
Neely (2008): Exploring the financial
consequences of the
servitization of manufacturing
- Quantitative Untersuchung
über die Verbreitung und die
finanziellen Konsequenzen
von industriellen Dienstleistungen
- Firmen mit hohem Anteil industrieller
Dienstleistungen haben einen höheren
Umsatz, jedoch eine geringere Umsatzrentabilität
- Grosse Unternehmen haben einen höheren Anteil industrieller Dienstleistungen
als kleine Unternehmen
Reinartz & Ulaga
(2008): How to Sell
Service More Profitably
- Profitabilität von Service
- Die meisten Firmen haben kein profitables Servicegeschäft
- Profitabilität wird erreich über: Realisieren, dass man im Servicegeschäft ist,
Industrialisierung des Backoffice, Sensibilisierung des Verkaufs sowie eine
Fokussierung auf die Kundenprozesse
Lay, Copani, Jäger
& Biege (2010): The
relevance of service
in European manufacturing industries
- Quantitative Untersuchung
zur Verbreitung von industriellen Dienstleistungen und zu
deren Zusammenhängen mit
strategischer Orientierung und
Position in der Wertkette
- Der Umsatzanteil, welcher mit Service
generiert wird, ist noch relativ gering
- Der Serviceanteil von Firmen ist unabhängig von deren Position in der Wertkette
- Die Profitabilität von Services ist noch
ungeklärt und verlangt nach weiterer
Forschungsarbeit
Eggert, Hogreve,
Ulaga &
Muenkhoff (2014):
Revenue and Profit
Implications of Industrial Service
Strategies
- Untersuchung der finanziellen
Auswirkungen einer Servicestrategie in Maschinenbauunternehmen in Deutschland
- Servicestrategien führen zu erhöhtem
Umsatz und Umsatzwachstum, reduzieren jedoch die Umsatzrendite
- Die Umsatzrendite steigt wieder an, je
länger ein Unternehmen eine Servicestrategie verfolgt
10
EINFÜHRUNG
Im Vergleich zu den Publikationen in den beiden vorhergehenden Gruppen steht die
Profitabilität von Services in statistisch repräsentativen Durchschnittsunternehmen im
Interessensfokus, während ausgewählte Erfolgsbeispiele in den Hintergrund treten.
Unter der Prämisse, dass Services vielerorts kein überdurchschnittlich rentables Geschäft sind, suchen die Autoren nach Erklärungs- und Lösungsansätzen für diesen
Sachverhalt.
1.2.4 Synthese zur vorhandenen Literatur
Eine Synthese der 20 Publikationen lässt sieben generalisierbare Aussagen zu.
Erstens besteht ein Konsens darüber, dass Dienstleistungen ein hohes Potential haben,
um den Erfolg eines industriellen Unternehmens positiv zu beeinflussen. Zu den
meistgenannten Argumenten der Autoren gehören:
1. Im Servicegeschäft können höhere Margen erzielt werden als im Primärproduktgeschäft.
2. Durch den wiederkehrenden Charakter können stabile Renditen erwirtschaftet
werden.
3. Service ist eine Quelle für Wettbewerbsvorteile und zur Differenzierung von
den Leistungen von Mitbewerbern.
4. Mit industriellen Dienstleistungen kann die Kundenbindung verbessert werden
und es finden regelmässige Interaktionen mit den Kunden statt.20
Zweitens hat eine Auswahl von Firmen mit dem Übergang vom Produkt- zum Lösungsgeschäft signifikante Erfolge – wie höhere Marktanteile sowie gesteigerte Umsätze und Margen – erzielen können.21
Drittens stossen Services in produzierenden Unternehmen auf viele Herausforderungen. Zu den von den Autoren meistgenannten Problemfeldern gehören:
1. Es besteht keine Dienstleistungskultur im Unternehmen: Das Topmanagement
zeigt kein Interesse am Aufbau des Servicegeschäfts.
20
Unter anderen vertreten durch: Anderson & Narus (1995, S. 76); Brax (2005, S. 142); Gebauer et al.
(2005, S. 14 f.); Gebauer et al. (2006, S. 374); Malleret (2006, S. 107); Mathieu (2001, S. 457 f.);
Oliva & Kallenberg (2003, S. 160); Quinn, Doorley & Paquette (1990, S. 59); Vandermerwe & Rada
(1988, S. 318 f.); Wise & Baumgartner (1999, S. 134)
21
Eine Übersicht zu Best-Practice-Fällen liefern z.B. Baines et al. (2009, S. 560).
EINFÜHRUNG
11
2. Die Unternehmen können Services nicht zu dem Preis verrechnen, welcher für
die Deckung der dafür anfallenden Kosten benötigt würde.
3. Es besteht kein systematisches (Kosten-)Controlling. Es ist grösstenteils unbekannt, welche Kosten die Serviceleistungen verursachen.
4. Service wird am Bedürfnis des Kunden vorbei erbracht und ist mangelhaft auf
die Prozesse des Kunden ausgerichtet. 22
Viertens können als Erfolgsfaktoren für den Umgang mit den genannten Herausforderungen von Services folgende Kriterien identifiziert werden:
1. Ein Kulturwandel im Unternehmen, welcher den Fokus der Mitarbeitenden vom
Produkt zur Dienstleistung lenkt.
2. Auslagerung der Serviceabteilung in eine eigene Organisationseinheit.
3. Erbringung eines bedarfsgerechten Angebots, welches auf die Prozesse des
Kunden ausgerichtet ist.
4. Standardisierung und Industrialisierung im Service-Portfolio sowie bei der
Leistungserbringung. 23
Fünftens stellen kontemporäre empirische Untersuchungen in Frage, ob im heutigen
Markt- und Wettbewerbsumfeld auf Grund der damit verbundenen Kosten und geringer Zahlungsbereitschaft des Kunden die Rentabilität von industriellen Dienstleistungen wirklich überdurchschnittlich hoch ist oder ob sie mit jener des Primärproduktgeschäft gleichzieht oder sogar unter dieser liegt.24
22
Unter anderen vertreten durch: Anderson & Narus (1995, S. 73–77); Gebauer et al. (2005, S. 16);
Levitt (1976, S. 73); Malleret (2006, S. 107 f.); Mathieu (2001, S. 455–462); Neely (2008, S. 112);
Ojasalo (2007, S. 61 ff.); Oliva & Kallenberg (2003, S. 161)
23
Unter anderen vertreten durch: Anderson & Narus (1995, S. 79); Cohen, Agrawal & Agrawal (2006,
S. 133); Gebauer et al. (2005, S. 17); Gebauer et al. (2006, S. 377 f.); Malleret (2006, S. 107); Mathieu
(2001, S. 464); Neely (2008, S. 112); Oliva & Kallenberg (2003, S. 166); Reinartz & Ulaga (2008,
S. 92–96)
24
Eggert et al. (2014, S. 33 f.); Fang et al. (2008, S. 12); Lay et al. (2010, S. 723); Neely (2008,
S. 110, 114); Reinartz & Ulaga (2008, S. 91)
12
EINFÜHRUNG
Sechstens ist das Forschungsfeld methodisch von der Fallstudienforschung dominiert,
welche grösstenteils im Kontext von Grosskonzernen durchgeführt wurde.25 Erkenntnisse über die Kundenbedürfnisse wurden indirekt erfragt bei den marktverantwortlichen Personen in den industriellen Unternehmen.
Siebtens sind Erfolgsfaktoren für industrielle Dienstleistungen grösstenteils als einzelthemenvertiefende Publikationen oder Erkenntnissammlungen präsentiert. Prozessorientierte Ansätze, welche auf eine Implementierung in der Praxis ausgerichtet sind,
stellen eine Minderheit dar.26
Betrachtet man die Erkenntnisse aus der Synthese im Kontext der heutigen Situation
im mitteleuropäischen Maschinen- und Anlagenbau, bestätigen sich zwei Sachverhalte: Erstens gibt es auch im heutigen Markt- und Wettbewerbsumfeld Maschinen- und
Anlagenbauer, welche industrielle Dienstleistungen mit einem wachsenden Umsatzanteil und überdurchschnittlicher Profitabilität betreiben.27 Zweitens bestätigt ein Perspektivenwechsel vom ausgewählten Best-Practice-Einzelfall zum statistisch repräsentativen Maschinen- und Anlagenbauer in Mitteleuropa, dass die Rentabilität von industriellen Dienstleistungen hinter den Erwartungen zurückbleibt28 und weitere Forschung zur Klärung der Profitabilität von industriellen Dienstleistungen notwendig
ist.29
25
Jacob & Ulaga (2008, S. 251 f.) stellt die Dominanz von Fallstudien im Forschungsfeld ebenfalls
fest. Die von Baines et al. (2009, S. 560) aufsummierten Fallstudien zeigen die Überrepräsentation von
Grosskonzernen.
26
Eine Ausnahme ist z.B. Reinartz & Ulaga (2008).
27
Baines et al. (2009, S. 560); Baumbach (1998, S. 259 ff.)
28
Während der VDMA im Jahr 1998 überdurchschnittliche Umsatzrenditen bei Services feststellt
(Luczak, 1999, S. 1 f.), kommt der VDMA (2014, S. 31) im Jahr 2014 zur Erkenntnis, dass ein höherer
Serviceanteil im Unternehmen nicht zu einer höheren EBIT-Marge führt. Auch Eggert et al. (2014,
S. 33 f.) sehen einen Margenschwund durch Services in deutschen Maschinenbauunternehmen, welcher sich jedoch bei einer langfristigen Verfolgung einer Servicestrategie vermindert. Fang et al.
(2008, S. 12) stellen die Schwelle für Rentabilität von Service bei einem Umsatzanteil von 20–30%
fest; ein Schwellenwert, welcher im Durchschnitt nicht erreicht wird (Lay et al., 2010, S. 720; Gebauer
et al., 2005, S. 16).
29
Evanschitzky, Wangenheim & Woisetschläger (2011, S. 659); Lay et al. (2010). Backhaus, Frohs &
Weddeling (2007, S. 18) weisen zudem darauf hin, dass die Rentabilität von produktbegleitenden
Dienstleistungen je nach Typ variiert.
EINFÜHRUNG
1.3
13
Zielsetzung, Fragestellung und Relevanz
1.3.1 Ziel und Forschungsfrage
Diese Dissertation beabsichtigt, einen Forschungsbeitrag zum Verständnis der heute
vielerorts mangelnden Rentabilität von industriellen Dienstleistungen im Maschinenund Anlagenbau zu leisten, aus welchem wissenschaftlich fundierte Optimierungsmassnahmen für die Rentabilitätsoptimierung im Dienstleistungsgeschäft in Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus abgeleitet werden können. Der Forschungsbeitrag unterscheidet sich von in der Vergangenheit geförderten Erkenntnissen zu industriellen Dienstleistungen in folgenden vier Aspekten:
1. Fokussierung auf den Kundennutzen: Da Services in einem durchschnittlichen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus nicht über eine höhere
Rentabilität verfügen, wird der Serviceumfang nicht als eine zu maximierende
Grösse, sondern unter dem Gesichtspunkt eines Optimums betrachtet. Dieses
Optimum bemisst sich an dem vom Kunden wahrgenommenen Nutzen.30
2. Datenerhebung beim Kunden: Um den Kundennutzen möglichst unverfälscht
zu erforschen und Wahrnehmungsverzerrungen zu minimieren, 31 wird der Kundennutzen direkt bei den Kunden erfasst: Die Nutzenwahrnehmung wird aus ihrer Perspektive ausgeführt.
3. Mittelständische Unternehmen: Um eine hohe Validität der Erkenntnisse für
die gesamte Branche des Maschinen- und Anlagenbaus zu erlangen, wählt diese
Dissertation mittelständische Unternehmen als Untersuchungsobjekte.32
30
Auch Hildenbrand, Gebauer & Fleisch (2006, S. 83 f.) haben festgestellt, dass der Ansatz von «Je
mehr Dienstleistungen, desto besser» (S. 84) eine fehlgeleitete Strategie ist, welche einer Suche nach
dem optimalen Dienstleistungsumfang, der die Umsatzrendite maximiert, unterlegen ist. Vergleiche
hierzu den Zusammenhang zwischen Kundennutzen und Rentabilität in Kapitel 2.2.6.
31
Belz & Bieger (2006, S. 154); Kasper & Lemmink (1989, S. 202 f.), vgl. auch Kühn, Platte & Wo-
ttawa (2006, S. 109 f.) zum Auftreten von Erwartungsfehlern bei der Erhebung von Fallstudien zum
Servicegeschäft bei Maschinen- und Anlagenbauern.
32
Die in den Fallstudien überdurchschnittlich repräsentierten Grosskonzerne machen z.B. in der
Schweiz einen verhältnismässig kleinen Anteil an der Wirtschaftsleistung aus (Bundesamt für Statistik, 2013b). Die bei Grosskonzernen gewonnenen Erkenntnisse sind nur begrenzt auf den Mittelstand
übertragbar (Brauchlin, 2000, S. 689–692, 699; Gebauer, Paiola & Edvardsson, 2010, S. 124).
14
EINFÜHRUNG
4. Optimierungsprozess: Die gewonnenen Erkenntnisse werden in der Form eines praxisorientierten Optimierungsprozesses aufgearbeitet. Dieser beabsichtigt
ein für Entscheidungsträger praktisches Hilfsmittel zu sein, welches durch seine
Prozesssicht Fragen der zeitlichen Staffelung und Interdependenzen zwischen
den einzelnen Massnahmen berücksichtigt. Zugleich wird er flexibel gestaltet,
damit Raum für unternehmensspezifische Faktoren vorhanden ist.
Zusammenfassend kann das Ziel dieser Dissertation wie folgt formuliert werden:
Entwicklung eines Optimierungsprozesses, welcher von Entscheidungsträgern in mittelständischen Maschinen- und Anlagenbauunternehmen zur Steigerung der Rentabilität ihrer After-Sales-Services angewendet werden kann.
Die Eingrenzung des Optimierungsprozesses auf die After-Sales-Services ergibt sich
daher, da diese – anders als Pre-Sales-Services – im Maschinen- und Anlagenbau über
einen längeren Zeitraum währen und sich mit dem Anstieg der installierten Basis vervielfachen. Aus beiden Gründen haben die After-Sales-Services einen bedeutenden
Einfluss auf die Rentabilität im Maschinen- und Anlagenbau. 33
Auf Basis dieser Zielsetzung resultiert die übergeordnete Forschungsfrage:
Wie können mittelständische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus die Rentabilität ihrer After-Sales-Services steigern?
1.3.2 Praktische und akademische Relevanz
Die gewählte Forschungsfrage ist in der Branche des Maschinen- und Anlagenbaus
von hoher praktischer Relevanz, da Maschinen- und Anlagenbauer über ein wachsendes After-Sales-Services-Portfolio verfügen, jedoch die zunehmende Spezialisierung und Internationalisierung dessen Marktumsetzung stetig komplexer, teurer und
gleichzeitig, bedingt durch den technischen Fortschritt, in der möglichen Ausgestaltung vielfältiger machen.34 Die Rentabilitätsfrage ist damit von hoher Bedeutung.
Die akademische Relevanz dieser Dissertation zeigt sich primär in ihrem Beitrag zur
Erklärung der Rentabilität aus wissenschaftlicher Perspektive, was auf verschiedene
33
Zur Definition des Mittelstands, des Maschinen- und Anlagenbaus und der After-Sales-Services vgl.
Kapitel 1.5.
34
Körner (2002, S. 1)
EINFÜHRUNG
15
Arten geschieht. Einerseits wird – anhand der betrachteten Branche des Maschinenund Anlagenbaus – aufgezeigt, wie Erkenntnisse zur Rentabilität von After-SalesServices in der Vergangenheit gewonnen wurden und wie sich die Forschungsperspektive auf dieses Thema über die Jahre entwickelt hat. Diese Übersicht trägt zum Verständnis bei, welche Aspekte von Rentabilität ausreichend bzw. mangelhaft erforscht
wurden. Sie kann als Ausgangslage für weiterführende Forschung verwendet werden.
Ergänzend wird in dieser Dissertation ein Bezugsrahmen erarbeitet, welcher die wissenschaftlich messbaren und betriebswirtschaftlich beeinflussbaren Treiber von Rentabilität identifiziert. Damit wird ein Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion von
Rentabilität geliefert, welcher hilft, diese als Forschungsobjekt für anwendungsorientierte Forschung greifbar zu machen. Schlussendlich wird aus methodischer Sicht ein
grundsätzlicher Beitrag zur Marketingforschung geleistet durch die in dieser Dissertation angewendete Forschungsmethodik, welche eine direkte Erforschung der Kundenbedürfnisse beim Kunden vornimmt. Da im gewählten Forschungsfeld von AfterSales-Services im Maschinen- und Anlagenbau eine Vielzahl von Studien mit Erkenntnissen zu Kundenbedürfnissen vorhanden sind,35 welche mittels indirekter Befragung von marktverantwortlichen Personen bei Maschinen- und Anlagenbauern gewonnen wurden, zeigt diese Dissertation auf, inwiefern direkt beim Kunden erfasste
Bedürfnisse und Verhaltensweisen mit jenen deckungsgleich sind. Hieraus lassen sich
über den gewählten Kontext dieser Dissertation hinaus Erkenntnisse zur Validität von
indirekt erforschten Kundenbedürfnissen ableiten, welche in der betriebswirtschaftlichen Forschung relevant sind.
1.4
Forschungsmethodik
1.4.1 Forschungsmethodologische Einordnung
Die in dieser Dissertation erforschten Themengebiete sind Teil der Betriebswissenschaftslehre und im Speziellen der Marketingwissenschaften. Die Betriebswirtschaftslehre wird nach dem Verständnis von Ulrich36 als anwendungsorientierte Sozialwissenschaft betrachtet. Dies impliziert, dass diese Arbeit nach der Gewinnung von
«praktisch nützlichem Wissen» (S. 5) strebt, für Probleme, welche in der Praxis ent-
35
vgl. Kapitel 1.2
36
Ulrich (1981, S. 3–26)
16
EINFÜHRUNG
standen sind. Wie von Ulrich vorgeschlagen, findet nachfolgend eine Auseinandersetzung mit dem «Praxisbegriff» (S. 8) statt, welcher primär von den zwei Aspekten Systemabgrenzung und Komplexität beeinflusst ist.
Eine Abgrenzung des Systems wird durch die Festlegung des Kontexts des Bezugsrahmens vorgenommen.37 Dadurch wird anerkannt, dass Erkenntnisse aus anwendungsorientierter Forschung nur unter bestimmten Rahmenbedingungen ihre Gültigkeit haben.38 Die Abgrenzung im Bezugsrahmen findet räumlich (Schweiz), branchenbezogen (Maschinen- und Anlagenbau) sowie auf Stufe Unternehmensgrösse (Mittelstand) statt. Zusätzlich wird das dem Optimierungsprozess zu Grunde liegende AfterSales-Services-Portfolio für Kundensegmente spezifiziert.39
Des Weiteren wird die Komplexität der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anerkannt, in welche das Forschungsobjekt des mittelständischen industriellen Unternehmens als Wirtschaftssubjekt eingebettet ist. Aus diesem Grund ist das Ergebnis dieser
Arbeit kein Modell, welches Wirkungszusammenhänge zwischen Input- und Outputgrössen erklärt, sondern ein Problemlösungsverfahren, welches Praktikern Gestaltungsspielraum offenlässt. So erhebt der Optimierungsprozess keinen Anspruch, alle
möglichen Massnahmen, welche zur Zielerreichung führen können, abzudecken. Er
schliesst die parallele oder sequenzielle Ergreifung weiterer Initiativen seitens des Managements nicht aus.
Die Anerkennung der Komplexität des Forschungsobjekts beeinflusst auch die Wahl
des theoretischen Zugangs sowie der Forschungsmethoden. Bezüglich Ersterem wird
kein eindeutiger theoretischer Zugang gewählt, sondern die Notwendigkeit eines «wissenschaftlichen Pluralismus»40 anerkannt, welcher sich zum Ziel setzt, verschiedene
Theorien parallel anzuwenden. In Bezug auf die Forschungsmethoden führt die Anerkennung der Komplexität dazu, dass für die Gewinnung von Primärdaten qualitative
Forschungsmethoden angewendet werden, welche es gemäss Dyllick & Tomczak41
erlauben, ein vertieftes «Verständnis der untersuchten Zusammenhänge» (S. 75) zu
erlangen, unter Inkaufnahme der Tatsache, dass sich daraus «keine einfachen Verall37
vgl. Kapitel 1.6
38
Raffée & Abel (1979, S. 85 f.)
39
vgl. Kapitel 4.3.1.3
40
Dyllick & Tomczak (2007, S. 70)
41
Dyllick & Tomczak (2007)
EINFÜHRUNG
17
gemeinerungen über den Untersuchungskontext hinaus» (S. 75) ableiten lassen. Betreffend den hier vorliegenden Forschungsbereich des Investitionsgütermarketings haben auch andere Autoren festgestellt, dass sich dieser besser mit qualitativen als mit
quantitativen Methoden erforschen lässt.42
1.4.2 Forschungsansatz
Diese Arbeit wendet einen wissenschaftlichen Pluralismus an, um der Breite und
Komplexität des Forschungsgebiets gerecht zu werden. Es werden zwei grundlegende
Theorien angewandt: Einerseits die mikroökonomische Nutzen- und Preistheorie, welche unter der Prämisse von rational handelnden Individuen den Nutzen bzw. den Preis
als Bestimmungsgrösse zur Erklärung von menschlichem Verhalten herbeizieht, und
andererseits ein verhaltensorientierter Ansatz der Marketingforschung, welcher das
menschliche Entscheidungsverhalten als ein Resultat angewandter Stimuli versteht. 43
Beide Theorien werden im Kontext des organisationalen Beschaffungswesens, der
Preistheorie und des Verkaufsmanagements angewendet.44
1.4.2.1
Forschungsdesign
Der Prozess der Erkenntnisgewinnung nimmt seinen Anfang in einem LiteraturReview und der Aufarbeitung der theoretischen Grundlagen. Auf deren Basis folgt die
Ausarbeitung der Fragen der semi-strukturierten Interviews für die Diskussion des
Kundennutzens und des Entscheidungsverhaltens, welches vor Ort bei Kunden von
Maschinen- und Anlagenbauern erhoben und mit einer fallübergreifenden Synthese
ausgewertet wird. Nach Durchführung und Auswertung werden die Ergebnisse in Expertengesprächen plausibilisiert. Anschliessend werden Best-Practice-Fallbeispiele in
der relevanten Zielgruppe erhoben, welche als Teil einer Synthese von vorhergehenden Erkenntnissen in den Optimierungsprozess einfliessen. Das Forschungsdesign ist
in nachfolgender Abbildung 1 dargestellt:
42
Tomczak (1992, S. 82)
43
Foscht & Swoboda (2011, S. 23 f.); Kuss (2013, S. 271 ff.); Simon & Fassnacht (2009, S. 18, 145)
44
Auf die Verwendung einer generellen Marketingtheorie (z.B. Hunt, 2011, S. 72–84) oder der Einnahmen der «Service-Dominant Logic» (vgl. Vargo & Lusch, 2004 / 2008), wird auf Grund der mangelnden Operationalisierbarkeit von derer Erkenntnissen im gewählten Kontext verzichtet. Vgl. dazu
auch: Kuss (2013, S. 230) und O’Shaughnessy & O’Shaughnessy (2009, S. 791).
18
EINFÜHRUNG
Abbildung 1: Forschungsdesign
Prozessschritt
Literaturanalyse
Methode / Stichprobe
Auswertungsmethode
Literatur-Review
Synthese
Theoretische
Grundlagen
Literatur
Studie: Kundennutzen
von After-Sales Services
Empirisch-induktiv
Semi-strukturierte Interviews
Stichprobe: 23 Kaufprozesse
Fallübergreifende Synthese
Expertengespräche
Analytisch-deduktiv
Semi-strukturierte Interviews
Stichprobe: 9 Experten
Qualitative Inhaltsanalyse
Best-Practice
Fallbeispiele
Empirisch-induktiv
Semi-strukturierte Interviews
Stichprobe: 3 Unternehmen
Fallbeispiele
Erarbeitung
Optimierungsprozess
Kombination von Literatur sowie Erkenntnissen aus den Kundenbefragungen und den
Expertengesprächen / Fallstudien
Quelle: Eigene Darstellung.
1.4.2.2
Verwendung von Zitaten und illustrativen Fallbeispielen
In Kapitel 3, Kundennutzen von After-Sales-Services, werden Kundenzitate aus der
Studie zur Ermittlung des Kundennutzens wiedergegeben. Diese aus den Interviews
stammenden, wortgetreuen Zitate geben einen authentischen Einblick in die Perspektive und Denkweise des Kunden, formuliert in seiner Sprache.45
Als zweites Stilmittel werden Best-Practice-Fallbeispiele zu innovativen Problemlösungsverfahren im Umgang mit After-Sales-Services punktuell und thematisch aufgeführt. Damit wird anhand realer Beispiele gezeigt, wie theoriebasierte Konzepte in der
Praxis erfolgreich umgesetzt werden können.
1.5
Definitionen und Abgrenzungen
1.5.1 Industrielle Dienstleistungen und After-Sales-Services
45
Zur Bedeutung schriftlicher Hinweise in qualitativer Forschung vgl. Lamnek (1995, S. 107 f.).
EINFÜHRUNG
19
Die Definition des Begriffs der Dienstleistung wurde in der Literatur vielerorts umfassend diskutiert, wie beispielsweise bei Rentner46 und Klostermann.47 Beide Autoren
halten fest, dass die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten nicht zu einer einheitlichen Definition des Begriffs der Dienstleistung gefunden hat. Dieser Umstand führt
dazu, dass man entweder von der Verwendung des Begriffs absehen oder diesen ohne
den Anspruch auf allgemeine Gültigkeit für die jeweilige Arbeit definieren sollte.48
Diese Arbeit folgt letzterer Empfehlung und verwendet für den Begriff der Dienstleistung die Definition von Koch:49
«Dienstleistungen sind entgeltliche oder unentgeltliche, immaterielle Leistungen für den Kunden als externen Faktor.»
Aus der Definition gehen drei Abgrenzungsmerkmale von Dienstleistungen hervor:
1. Eine Dienstleistung kann entgeltlich oder unentgeltlich erbracht werden. Sie
wird nicht über die Vergütung, sondern über die «Fähigkeit und Bereitschaft
zur Erbringung einer Leistung» 50 definiert.
2. Eine Abgrenzung zum Sachgütergeschäft erfolgt über das Kriterium der Immaterialität, aus welchem sich die «Nichtlagerbarkeit und Nichttransportfähigkeit»51 einer Dienstleistung ableitet.
3. Eine Dienstleistung wird für einen bzw. mit einem externen Kunden erbracht,
wodurch sie sich von der Eigenleistung abgrenzt.52
Bei dem für diese Dissertation relevanten Teilbereich der industriellen Dienstleistungen handelt es sich um eine Subkategorie von Dienstleistungen, welche sich gemäss
der Definition von Backhaus & Kleikamp53 über die in Abbildung 2 dargestellten drei
46
Rentner (2012, S. 15–26)
47
Klostermann (2008, S. 10–12)
48
Rentner (2012, S. 15)
49
Koch (2010, S. 8)
50
Kleinaltenkamp (2001, S. 40)
51
Koch (2010, S. 8)
52
Koch (2010, S. 8)
53
Backhaus & Kleikamp (2001, S. 79)
20
EINFÜHRUNG
Ebenen eingrenzen lassen. Die Eingrenzung findet über die Art und die Ausprägung
des Nachfragers bzw. des Anbieters statt.
Abbildung 2: Definition industrielle Dienstleistung
Dienstleistungen
Konsumtive Dienstleistungen
Nachfrager: Konsument
Investive Dienstleistungen
Nachfrager: Unternehmen
Rein investive
Dienstleistungen
Anbieter:
Dienstleistungsunternehmen
Funktionelle Dienstleistungen
Anbieter:
Produzierendes Unternehmen
Performance Contracting
Anbieter:
Produzierender Dienstleister
Produktbegleitende /
industrielle Dienstleistungen
Anbieter:
Dienstleistender Produzent
Quelle: In Anlehnung an Backhaus & Kleikamp (2001, S. 97) und Koch (2010, S. 11)
Aus Abbildung 2 ergibt sich, dass es sich bei produktbegleitenden Dienstleistungen
um Leistungen handelt, welche produzierende Unternehmen als Ergänzung zu ihrem
Primärprodukt erbringen, ohne dabei ein Geschäftsmodell zu verfolgen, welches
Dienstleistungen in den Mittelpunkt der Unternehmenstätigkeit stellt. Solche Geschäftsmodelle können unter dem Begriff «Performance Contracting» zusammengefasst werden. Anders als beim Performance Contracting werden bei produktbegleitenden Dienstleistungen Zusatz-, Neben- und Folgeleistungen zum Primärprodukt angeboten. Eine Aufstellung von Lay et al.54 zeigt, dass unter diesen die Beratung zur Produktauslegung, die Schulung, die Inbetriebnahme, die Wartung55 sowie das Engineering am weitesten verbreitet sind. Produktbegleitende Dienstleistungen zur Unterstützung des Primärprodukts werden in den allermeisten industriellen Unternehmen ange-
54
Lay & Erceg (2002, S. 8)
55
Der Begriff «Wartung» wird in dieser Dissertation mit dem Begriff «Instandhaltung» gleichgesetzt.
EINFÜHRUNG
21
boten, während operationelle und finanzielle Dienstleistungen weniger verbreitet
sind.56
Innerhalb der industriellen Dienstleistungen wird eine weitere Unterteilung zwischen
den Pre-Sales-Services und den After-Sales-Services vorgenommen. Entscheidendes
Abgrenzungskriterium ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung, wie aus der nachfolgenden Definition von After-Sales-Services von Dangelmaier, Emmerich &
Gajewski57 hervorgeht:
«Alle Dienstleistungen, die einem Konsumenten eines gekauften Produkts in der
Nachkaufphase zur Verfügung gestellt werden. After-Sales-Dienstleistungen beinhalten demnach alle Zusatz-, Folge- und Nebenleistungen, die als Unterstützung der Primär- beziehungsweise Hauptleistung zum Einsatz kommen.»
Während es sich bei den Pre-Sales-Services um Dienstleistungen vor dem Verkaufsabschluss handelt, wie z.B. Projektierung, Simulationen und Finanzvermittlungen, versteht man unter After-Sales-Services jene Leistungen, welche nach dem Verkauf geleistet werden. Hierzu gehören im Maschinen- und Anlagenbau hauptsächlich Wartungs- und Servicearbeiten, vor Ort oder via e-Services58, sowie das Ersatzteilgeschäft. Installation und Schulung als einmalige Dienstleistungen, welche direkt mit der
Investitionsentscheidung verbunden sind und bei Installation bezogen werden, werden
in der Regel als zum Produktkauf dazugehörende Leistungen gezählt und gehören
nicht zum After-Sales-Geschäft im engeren Sinne, welches sich im Maschinen- und
Anlagenbau auf die Sicherstellung und die Wiederherstellung des Gebrauchsnutzens
eines Investitionsgutes fokussiert. 59
Im After-Sales-Geschäft sind zwei Schlüsselbegriffe in der Praxis verbreitet, welche
für diese Arbeit eine eindeutige Definition verlangen. Dies ist einerseits der Wartungsvertrag, unter welchem ein Vertrag zwischen dem Hersteller bzw. Distributor einer
Maschine oder Anlage und seinem Kunden verstanden wird, welcher eine regelmässi-
56
Lay et al. (2010, S. 720); VDMA & McKinsey & Co (2014, S. 32 f.)
57
Dangelmaier, Emmerich & Gajewski (2006, S. 155)
58
In Anlehnung an Körner (2002, S. 20) wird unter e-Services der standortungebundene Einsatz von
Informations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstützung der investiven Sachgüter des
Kunden verstanden.
59
Baumbach (1998, S. 22 f.)
22
EINFÜHRUNG
ge präventive Wartung des Kaufobjekts vorsieht, inklusive oder exklusive dazugehöriger (Verbrauchs-)Ersatzteile. Andererseits ist es in Abgrenzung dazu der Servicevertrag, welcher Einsätze des Herstellers bzw. Distributors abdeckt, welche auf Grund
von Störungen, Einsatzproblemen oder Fragen seitens des Kunden geleistet werden.
Oftmals beinhaltet ein Servicevertrag garantierte Reaktionszeiten und legt Preise für
Arbeitsstunden und Anfahrt fest. Eine Kombination von Service- und Wartungsverträgen ist möglich.60
Im folgenden Abschnitt werden die als dienstleistende Produzenten klassifizierten Unternehmen näher definiert.
1.5.2 Mittelständische Maschinen- und Anlagenbauer
Eine einheitliche Definition des Mittelstands ist in der Theorie nicht vorhanden; je
nach Land, Institution oder einzelner Studie verwenden die Autoren unterschiedliche
Abgrenzungen für den Mittelstand. 61 Vorhandene Definitionen orientieren sich entweder an quantitativen oder an qualitativen Grössen oder anhand der in empirischen Studien gewählten Kriterien.
Aus quantitativer Sicht zählen in der Schweiz und auf EU-Ebene jene Unternehmen zu
den «mittleren Unternehmen», welche entweder > 50 Mitarbeitende (max. 250) zählen
und einen Jahresumsatz von > EUR 10 Mio. (max. EUR 50 Mio.) erwirtschaften oder
über eine Jahresbilanzsumme von > EUR 10 Mio. (max. EUR 43 Mio.) verfügen.62
Auf EU-Ebene kommt des Weiteren das Kriterium der Unabhängigkeit hinzu, welches
den Anteil des Kapitals oder der Stimmanteile auf 25% begrenzt, der durch ein fremdes Unternehmen gehalten werden darf, welches den übrigen Anforderungen des Mittelstandes nicht entspricht.63 Kabst64 weist jedoch darauf hin, dass die zuständige EUKommission die Grössendefinition für den Mittelstand im Vergleich zu früher bewusst
gesenkt hat, um Förderleistungen gezielt Unternehmen jener Grössenkategorie zuzuführen. Entfernt man sich von der EU-Richtlinie, findet man Definitionen von Mittelstand, welche von 10 bis 1000 Mitarbeitenden im Unternehmen reichen. Die Vermu60
In Anlehnung an Baumbach (1998, S. 142 ff.)
61
Fischl (2006, S. 3); Wolter & Hauser (2001, S. 29)
62
Bundesamt für Statistik (2013a)
63
Fischl (2006, S. 3)
64
Kabst (2008, S. 4)
EINFÜHRUNG
23
tung liegt nahe, dass die international unterschiedlichen Strukturen und Grössen der
Volkswirtschaften zu dieser Vielfalt geführt haben. Eine einheitliche Definition von
Mittelstand auf Grund von quantitativen Kriterien lässt sich folglich nicht feststellen.
Komplexer zeigt sich die Begriffsumschreibung, wenn der Mittelstand auf Grund von
qualitativen Kriterien definiert werden soll: Fischl65 stellt dazu fest, dass aus qualitativer Sicht der Mittelstand vielerorts sinngleich mit Familienunternehmen und eigentümergeführten Unternehmen verwendet wird. Diese Gleichbedeutung wird dadurch begünstigt, dass es sich bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) fast ausschliesslich um Familienunternehmen handelt, was beispielsweise im Fall von
Deutschland auf 95% aller KMU zutrifft.66 Der Mittelstand grenzt sich folglich durch
die Art der Führung und die Eigentümerverhältnisse ab.67 In Familienunternehmen
sind Führung, Organisation und Kultur wesentlich von der Unternehmerfamilie geprägt. Die Verbindung von Kapital und Führung resultiert in einer anderen Beurteilung
von Risiko, da die Erträge die wirtschaftliche Existenz des Inhabers sichern. Das Hinzuziehen des Begriffs des Familienunternehmens zur näheren Definition des Mittelstandes ist jedoch von der Problematik geprägt, dass alleine in Europa 92 unterschiedliche Definitionen von Familienunternehmen vorgefunden werden können. 68
Da sich keine einheitlichen quantitativen und qualitativen Begriffsabgrenzungen vorfinden lassen, schlägt Kabst69 eine Definition des Mittelstandes anhand vorhandener
empirischer Studien im deutsch- und im englischsprachigen Forschungsraum vor. Auf
Basis eines Literaturreviews stellt er fest, dass sich die Empirie vorwiegend auf die
Anzahl Mitarbeitende im Unternehmen stützt, mit einer Spannweite von 100 bis 1000
Mitarbeitenden (S. 4).
Die Arbeitsdefinition von Mittelstand orientiert sich sowohl an quantitativen wie
auch an qualitativen Kriterien. Quantitativ wird die Anzahl Mitarbeitende im Unternehmen verwendet, welche auf die Spannweite von 50 bis 500 Mitarbeitende begrenzt
65
Fischl (2006, S. 3)
66
Arentz & Münstermann (2013, S. 624)
67
Diese Schlussfolgerung wird auch von Fischer (2012, S. 39 f.) geteilt, ausgehend von Beobachtungen, wie sich ein mittelständisches Unternehmen von der einzelnen Sparte eines Grosskonzernes differenziert.
68
Arentz & Münstermann (2013, S. 623)
69
Kabst (2008, S. 4)
24
EINFÜHRUNG
wird. Damit wird die vom Bundesamt für Statistik70 verwendete Spannweite vergrössert und den in der empirischen Forschung verwendeten Grössenkategorien angenähert. Gleichzeitig trägt die Obergrenze von 500 Mitarbeitenden dazu bei, die volkswirtschaftliche Grösse und Struktur der Schweiz zu respektieren, wo die Unternehmen
insbesondere im Vergleich zu Deutschland über eine geringere durchschnittliche Grösse verfügen.71 Aus qualitativer Sicht wird die Einschränkung gemacht, dass nur Unternehmen betrachtet werden, welche wirtschaftlich unabhängig sind. Die wirtschaftliche
Unabhängigkeit wird über die Mehrheit der Stimmrechte definiert, welche nicht in der
Hand eines Unternehmens sein kann, welches ausserhalb der vorhergehenden Mittelstandsdefinition liegt.
Unter Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus werden in dieser Arbeit Produzenten von komplexen Maschinen und Anlagen verstanden, welche als Investitionsgüter72 zur Erfüllung von industriellen Zwecken in Unternehmen eingesetzt werden.
Maschinen und Anlagen werden, insbesondere bei hoch spezialisierten Produkten, in
der Regel international vertrieben. 73 Der Maschinen- und Anlagenbau kann über folgende Kriterien charakterisiert werden:
Tabelle 4: Abgrenzung Maschinen- und Anlagenbau
Kriterium
Maschinenbau
Anlagenbau
Aufgabenumfang
Teillösung für eine Aufgabe
Komplettlösung für eine Aufgabe
Komplexität
Mittlere bis hohe Komplexität
Sehr hohe Komplexität
Fertigungsart
Klein- bis Grossserien
Einmalfertigung bzw. Einzelprojekte
Erstellzeit
Wochen bis Monate
Monate bis Jahre
Auftragsvolumen
CHF 10 000 bis CHF 1 Mio.
Bis zu CHF 100 Mio.
Dienstleistungsstruktur
Primär segmentiert
Individuell
Quellen: Baumbach (1998, S. 10); Belz et al. (1997, S. 36 ff); Körner (2002, S. 21)
70
Bundesamt für Statistik (2013a)
71
Fueglistaller, Fust, Brunner & Althaus (2013, S. 4)
72
Investitionsgüter sind, anders als Konsumgüter, Güter, welche zur Produktion anderer Güter im
industriellen Fertigungsprozess verwendet werden. Es handelt sich infolgedessen um Produktionsanlagen, welche über einen längeren Zeitraum mit After-Sales-Services funktionstauglich gehalten werden
müssen (Meffert, 2000, S. 1215; Meffert, Burmann & Kirchgeorg, 2015, S. 25 f.).
73
Baumbach (1998, S. 9)
EINFÜHRUNG
25
Viele Investitionsgüter lassen sich nicht eindeutig einer Maschine oder Anlage zuordnen. Insbesondere in dem in dieser Arbeit näher betrachteten Segment der Werkzeugmaschinen (WZM) befindet man sich oftmals in einer Zwischenstufe, d.h. bei Maschinen mit einer hohen Komplexität, zum Teil auch hochgradig individualisiert, mit einem Investitionsvolumen von rund einer Million Schweizer Franken. 74
1.5.3 Werkzeugmaschinen
Die vorliegende Forschungsarbeit gewinnt ihre Erkenntnisse innerhalb der Werkzeugmaschinenindustrie, welche in der Schweiz historisch stark verankert ist. 75 Auch
heute gehört die WZM-Industrie als Teilsegment des Maschinen- und Anlagenbaus zu
den bedeutendsten Wertschöpfungserbringern: 2014 hat der gesamte Maschinen- und
Anlagenbau einen Anteil von 11% des gesamtschweizerischen Warenexportes ausgemacht, womit die Schweiz Rang 13 unter den bedeutendsten Maschinenexportländern
der Welt einnimmt. In einer Pro-Kopf-Betrachtung liegt die Schweiz jedoch auf Rang
2, wodurch die Signifikanz dieses Wirtschaftszweiges für die lokale Industrie deutlich
wird. Betrachtet man nur die Werkzeugmaschinen, nimmt die Schweiz Rang 5 unter
den wichtigsten exportierenden Staaten ein.76
Die isolierte Betrachtung von Werkzeugmaschinen erhöht die Homogenität und
dadurch die Aussagekraft der in dieser Dissertation durchgeführten Studie. Die gewonnenen Erkenntnisse können jedoch in vielerlei Hinsicht auch auf andere in der
Schweiz bedeutende Maschinenbausegmente übertragen werden. 77
In der metallverarbeitenden Industrie gehören Werkzeugmaschinen zu den wichtigsten
Produktionsmitteln. 78 Der Zweck von Werkzeugmaschinen dient der Metallbearbeitung, genauer der «Erzeugung von Werkstücken mittels Werkzeugen.»79 Hierbei kommen im engeren Sinne Urform-, Umform-, Trenn- und Fügeverfahren zur Anwendung
(DIN 69651) und im weiteren Sinne ergänzende Fertigungsverfahren der Metallbearbeitung, Beschichtung und Veränderung von Stoffeigenschaften hinzu (Teilbereich
74
vgl. Kapitel 3.3.1
75
Belz, Müller & Walti (1996, S. 1)
76
Swissmem (2015, S. 7, 42 f.)
77
vgl. die Limitationen in Kapitel 5.3
78
Wiechmann (1995, S. 249)
79
Bahmann (2013, S. 1)
26
EINFÜHRUNG
von DIN 8580).80 Nachfolgende Abbildung 3 verschafft einen Überblick über die verschiedenen Verfahren und die damit zusammenhängenden Technologien:
Abbildung 3: Fertigungsverfahren WZM-Industrie
Holzbearbeitung
Metallverarbeitung
Bearbeitung anderer Werkstoffe
Urformen
Umformen
Trennen
Fügen
Beschichten
Veränd. von
Stoffeigensch.
unter anderen:
unter anderen:
unter anderen:
unter anderen:
unter anderen:
unter anderen:
Abscheiden
Giessen
Galvanoplastik
Pressen
Hämmern
Pressen
Wälzen
Biegen
Ziehen
Drehen
Fräsen
Bohren
Schleifen
Erodieren
Füllen
Schweissen
Löten
Kleben
PVD-/ CVDBeschichten
Galvanisieren
Verzinken
Wärmebehandeln
Sintern
Magnetisieren
Quellen: In Anlehnung an Walti (1999, S. 11); DIN 69651; DIN 8580
1.5.4 Rentabilität
Der in dieser Dissertation entwickelte Optimierungsprozess hat eine Steigerung der
Rentabilität der After-Sales-Services zum Ziel. Da die Rentabilität an sich vielen Einflussfaktoren unterliegt, werden in der Folge der Rentabilitätsbegriff und die mit ihm
zusammenhängenden Herausforderungen einer korrekten Abgrenzung diskutiert.
1.5.4.1
Buchhalterische Definition der Rentabilität
Hinsichtlich der buchhalterischen Definition von Rentabilität werden im Controlling
eine Gesamtkapitalrentabilität (Return on Investment), eine Eigenkapitalrentabilität
(Return on Equity) und eine Umsatzrentabilität (Return on Sales) unterschieden.81 Im
Zusammenhang der skizzierten Problemstellung dieser Dissertation eignet sich die
Umsatzrentabilität als Bemessungsgrösse. 82
80
Walti (1999, S. 11)
81
Waibel & Käppeli (2015, S. 119 f.)
82
Die Umsatzrentabilität eignet sich auch für die Betrachtung von Produktgruppen in einem Unternehmen, während die Gesamt- und die Eigenkapitalrendite auf das Gesamtunternehmen fokussiert
sind. Vgl. auch Wöltje (2011, S. 197 ff.).
EINFÜHRUNG
27
Wöltje83 definiert die Umsatzrentabilität als das Verhältnis des Betriebsergebnisses
(Gewinn) zum Umsatz (Ertrag):
𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧𝑟𝑒𝑛𝑡𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡ä𝑡 =
𝐵𝑒𝑡𝑟𝑖𝑒𝑏𝑠𝑒𝑟𝑔𝑒𝑏𝑛𝑖𝑠
𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧
Entfernt man aus dem Betriebsergebnis84 und dem Umsatz den Multiplikator Absatzmenge,85 lässt sich die Rentabilität definieren als:
𝑅𝑒𝑛𝑡𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡ä𝑡 (𝑀𝑎𝑟𝑔𝑒) = 1 −
𝐾𝑜𝑠𝑡𝑒𝑛 𝑑𝑒𝑟 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑠𝑒𝑟𝑏𝑟𝑖𝑛𝑔𝑢𝑛𝑔
𝑉𝑒𝑟𝑟𝑒𝑐ℎ𝑛𝑒𝑡𝑒𝑟 𝑃𝑟𝑒𝑖𝑠
Diese als Marge bezeichnete Führungsgrösse ist in der Praxis verbreitet und wird für
Produkt-, Konkurrenz- und Branchenvergleiche angewendet. 86 Sie lässt sich damit
auch für die Rentabilitätsbeurteilung verwenden. Diese Dissertation definiert Rentabilität obiger Formel folgend als Marge, d.h. als das Verhältnis der Kosten der Leistungserbringung zu dem für die Erbringung dieser Leistung effektiv an den Kunden
verrechneten Preis.
1.5.4.2
Abgrenzung der Rentabilität bei After-Sales-Services
Um die Rentabilität von After-Sales-Services betrachten zu können, muss eine Abgrenzung aller Kosten und Erträge stattfinden, welche mit der Erbringung der AfterSales-Services zusammenhängen. Die kosten- und ertragsseitigen Abgrenzungen unterliegen dabei unterschiedlichen Herausforderungen:
Die Kosten der Leistungserbringung der After-Sales-Services zu identifizieren, ist
mit den klassischen Instrumenten der betriebsbuchhalterischen Kostenrechnung möglich. Der gewählten Definition von After-Sales-Services folgend müssen sämtliche
83
Wöltje (2011, S. 197 f.)
84
Das Betriebsergebnis entspricht dem Umsatz, als Resultat einer Multiplikation von Preis und Absatzmenge, abzüglich der fixen und der mengenabhängigen Kosten (Wöltje, 2011, S. 50 f.).
85
In einer langfristigen Betrachtung können Fixkosten als variable Kosten betrachtet werden (Simon
& Fassnacht, 2009, S. 83 f.). Hierdurch lässt sich die Absatzmenge aus der Rentabilitätsformel mathematisch bereinigen.
86
Waibel & Käppeli (2015, S. 120)
28
EINFÜHRUNG
Kosten erfasst werden, welche für die Erbringung von Zusatz-, Folge- und Nebenleistungen zum Primärprodukt in der Nachverkaufsphase anfallen.
Den für die Erbringung der After-Sales-Services verrechenbaren Preis abzugrenzen,
unterliegt indessen in gewissen Fällen einer grösseren Komplexität. Dies liegt daran,
dass aus Kundensicht ein Leistungsbündel, d.h. ein Verbund von einer physischen Maschine und damit einhergehenden Services, erworben wird, bei welchem eine Trennlinie zwischen den beiden Bestandteilen nicht immer ersichtlich ist. Es kann zwischen
den folgenden Fällen unterschieden werden: 87
1) Die Verrechnung der After-Sales-Services findet separat statt, wie z.B. im Fall
des Verkaufs von Ersatzteilen oder eines Einsatzes des Servicetechnikers gegen
Rechnungsstellung. Die Abgrenzung des verrechneten Preises ist hier trivial.
2) Service wird über den Preis des Primärprodukts abgegolten, wie dies z.B. innerhalb der Garantiezeit oder bei einem aus Kulanzgründen kostenlosen Einsatz
eines Servicetechnikers der Fall ist. Hier haben Hersteller die Herausforderung
festzulegen, welcher Anteil des auf dem Primärprodukt erzielten Preises den
After-Sales-Services angerechnet wird. Erschwerend kommt hinzu, dass diese
interne Zuteilung nicht kongruent sein wird mit der beim Kunden vorhandenen
Zahlungsbereitschaft für die einzelnen Leistungsbestandteile.88 Diese Art der
indirekten Verrechnung überwiegt bei industriellen Dienstleistungen.89
87
Beyer (2007, S. 256 f.); Simon & Damian (1999, S. 159); Trachsler (1996, S. 31–37)
Eine dritte von Beyer (2007, S. 256 f.) und Trachsler (1996, S. 31–37) identifizierte Möglichkeit zum
positiven Einfluss von Services auf den Umsatz des Unternehmens ist die Realisierung von Goodwill,
welchen der Hersteller durch seine Leistungen im After-Sales-Geschäft kreiert. Die Realisierung von
Goodwill bedeutet, dass die Begleichung einer Dienstleistung durch eine Gegenleistung geschieht,
z.B. durch einen nachfolgenden Produktkauf oder den Verzicht auf das Erbringen einer Sonderleistung. Da diese Goodwill-Realisierung buchhalterisch nicht gemessen werden kann, wird sie an dieser
Stelle nicht in die Rentabilitätsbetrachtung einbezogen. Zudem weist Körner (2002, S. 122) darauf hin,
dass die Realisierung von Goodwill mit Unsicherheit behaftet ist und dieser an Bedeutung verliert.
88
89
Belz (1991, S. 94)
Lay et al. (2010, S. 720) stellen fest, dass im Mittel 9% vom Umsatz industrieller Unternehmen
indirekt über ein Preispremium beim Primärprodukt erzielt werden, während im Mittel 7% als eigenständige Serviceleistungen in Rechnung gestellt werden.
EINFÜHRUNG
1.6
29
Ansatzpunkte für die Rentabilitätssteigerung
Unabhängig von der exakten internen Zuweisung von Kosten und Erträgen kann man
aus der Rentabilitätsdefinition folgern, dass eine Steigerung der Rentabilität von AfterSales-Services über zwei Ansatzpunkte erreicht werden kann:
1. Senkung der Kosten für die Leistungserbringung der After-Sales-Services,
durch eine
a. Elimination aller Leistungen, welche beim Kunden keinen relevanten
Nutzen stiften,
b. kosteneffiziente Erbringung der verbleibenden kundenrelevanten Leistungen.
2. Steigerung des auf Grund der After-Sales-Services verrechenbaren Preises –
getrennt oder als Teil des Primärgutpreises – durch eine
a. Maximierung der Zahlungsbereitschaft über eine kundennutzenorientierte Ausgestaltung der Leistung,
b. Durchsetzung der Preise am Markt zur Ausnützung der geschaffenen
Zahlungsbereitschaft mit Hilfe geeigneter Massnahmen des Preis- und
Verkaufsmanagements.
Die Orientierung am Kundennutzen ist sowohl auf Kosten- wie auch auf Preisseite ein
Einflusskriterium. Einerseits erlaubt eine kundennutzenorientierte Leistungsausgestaltung die Elimination von Kosten für die aus Kundenperspektive irrelevante Leistungen. Andererseits maximiert die Erbringung von kundennutzenrelevanten Leistungen
die Zahlungsbereitschaft.90 Abbildung 4 fasst die vier Einflussgrössen und die damit
verbundenen betriebswirtschaftlichen Forschungsfelder zusammen:
90
vgl. auch Kapitel 2.2.6
30
EINFÜHRUNG
Abbildung 4: Einflussfaktoren für die Rentabilitätsoptimierung
Forschungsfeld
Kundennutzen
Kostenmanagement
Einflussfaktor
Elimination von aus Kundensicht
irrelevanten Leistungen
Kosteneffiziente
Leistungserbringung
Senkung der Kosten der Leistungserbringung für After-Sales-Services
Steigerung der Rentabilität von After- = 1 Sales-Services
Steigerung des durch die After-Sales-Services verrechneten Preises
Einflussfaktor
Maximierung der Zahlungsbereitschaft durch kundennutzenorientierte Leistungsgestaltung
Forschungsfeld
Durchsetzung der Preise am
Markt
Kundennutzen / Preismanagement
Quelle: Eigene Darstellung
Um Optimierungen bei den in Abbildung 4 dargestellten Einflussfaktoren vornehmen
zu können, ist die Kenntnis der theoretischen Grundlagen der mit diesen Einflussfaktoren verbundenen Forschungsfelder von Bedeutung. Dies ist einerseits das Forschungsfeld des organisationalen Kaufverhaltens, welches sich mit dem Beschaffungsprozess industrieller Käufer befasst. Es bietet den Rahmen für die Transaktionen, deren
Rentabilisierung angestrebt wird. Innerhalb dieses Rahmens ist das Konzept des Kundennutzens relevant, welches sowohl die Kosten- wie auch die Preisseite der Rentabilitätsformel beeinflusst; einerseits hinsichtlich der Selektion von Leistungen und andererseits in Bezug auf deren Ausgestaltung. Als drittes Forschungsfeld wird das Preismanagement, sowohl hinsichtlich der Wahrnehmung und Interpretation von Preisen
als auch in Bezug auf deren Durchsetzung, erörtert. Die theoretischen Grundlagen dieser Forschungsfelder werden im nachfolgenden Kapitel 2, Theoretische Grundlagen,
untersucht. Das Forschungsfeld des Kostenmanagements wird in dieser Dissertation
nicht grundsätzlich diskutiert, da allgemeine Erkenntnisse über eine kosteneffiziente
Erbringung von Unternehmensleistungen auch auf After-Sales-Services anwendbar
EINFÜHRUNG
31
sind und die hierzu vorhandene Forschung umfassend ist.91 Sämtliche Optimierungsmassnahmen werden jedoch unter dem Gesichtspunkt ihrer Kostenauswirkungen betrachtet.
Die Verbindung der Zielsetzung, des Kontexts, der theoretischen Grundlagen und der
Einflussfaktoren wird in der nachfolgenden Abbildung 5 in einen Bezugsrahmen gesetzt, wie dies von Tomczak92 als Orientierungshilfe für die forschungsgeleitete Lösung praktischer betriebswirtschaftlicher Probleme empfohlen wird. Die einzelnen Bestandteile des Bezugsrahmens werden in den nachfolgenden Kapiteln ausgeführt.
91
vgl. zum Kostenmanagement z.B. Blocher (2008) oder Plinke, Rese & Utzig (2015), spezifisch für
Industrieunternehmen auch Grevener (1994).
92
Tomczak (1992, S. 84)
Quelle: Eigene Darstellung
Ausgangslage: Ungenügend rentable After-Sales-Services
- Visualisierung von
Wert und Kosten
Kommunikation
Umsatzerhöhung durch gesteigerte Zahlungsbereitschaft
und konsequente Preisdurchsetzung
Kontrolle
- Präventive Diagnose
- e-ServiceVereinbarungen
Leistungssystem:
Konfiguration und
Kommerzialisierung
Strategische Ausrichtung des
Service-Portfolios
Kostensenkung durch Elimination und
kosteneffiziente Leistungserbringung
- Kompetenzerweiterung
im Service-Team
Mitarbeitersystem:
Kompetenz
Optimierungsprozess
Kontext: Mittelständische Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau in der Schweiz
Kunde
32
EINFÜHRUNG
Abbildung 5: Bezugsrahmen
Ergebnis: Nachhaltig rentable After-Sales-Services
EINFÜHRUNG
1.7
33
Aufbau der Arbeit
Die Dissertation folgt dem dargestellten Ablauf in Abbildung 6. Alle Erkenntnisse aus
den Studien sind direkt im Hauptteil der Arbeit integriert. Methodische Hilfsmittel
werden im Anhang aufgeführt. Praktiker, welche sich einen Überblick über die Erkenntnisse verschaffen wollen, werden direkt auf die Kapitel 4 und 5 verwiesen.
Abbildung 6: Aufbau der Arbeit
Kapitel / Inhalt
Theorie
1. Einführung
Problemstellung
Zielsetzung
Forschungsmethodik
2. Theoretische Grundlagen
Organisationales Kaufverhalten
Kundennutzen
Preismanagement
Optimierungsprozesse
3. Kundennutzen von
After-Sales-Services
Ziele
Methodik
Resultate
Diskussion
Implikationen
Forschungsmethode
Ergebnis
- Literatur-Review
- Praxisproblem
- Ziel der Arbeit
- Forschungsfrage
- Fallübergreifende
Synthese
- Kundensegmente
- Themen
- Opportunitäten
- Beobachtungen
- Org. Kaufverhalten
- Kundennutzen
- Preismanagement
- CV-Modell
Plausibilisierung
4. Optimierungsprozess zur
Rentabilitätssteigerung
- Expertengespräche
- Spannungsfelder
Zielkonflikte Anbieter - Kunden
Optimierungsprozess
- Fallbeispiele
- Optimierungsprozess
5. Zusammenfassung und
Schlussfolgerung
Zusammenfassung
Schlussfolgerung
Limitationen
Weiterführende Forschung
- Implikationen bzgl.
der Zielerreichung
- Beantwortung der
Forschungsfrage
Quelle: Eigene Darstellung
Nachdem im ersten Kapitel die Problemstellung, die Zielsetzung und die Definitionen
festgehalten wurden, werden im zweiten Kapitel die theoretischen Grundlagen diskutiert. Darauf aufbauend wird im dritten Kapitel die Studie zum Kundennutzen von After-Sales-Services präsentiert. Basierend auf den Studienerkenntnissen wird unter Berücksichtigung von Zielkonflikten im vierten Kapitel der Optimierungsprozess ausgeführt, ehe im abschliessenden fünften Kapitel die Implikationen folgen.
34
2
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Theoretische Grundlagen
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die theoretischen Grundlagen, auf deren konzeptioneller Fundierung die Studie und der darauf aufbauende Optimierungsprozess
basieren.
2.1
Kaufentscheidungsprozesse und Kaufverhalten
2.1.1 Kaufentscheidungen als Prozesse
Als ein Kaufentscheidungsprozess im weiteren Sinne bezeichnet man den Gesamtprozess von der Wahrnehmung eines Produktes durch einen Konsumenten bis zum Produktkauf.93 In den Verhaltenswissenschaften existiert eine Vielzahl von Perspektiven
zur Erklärung von Kaufprozessen, wobei sich diese vorwiegend auf Kaufprozesse bei
Konsumenten fokussieren.94 Im organisationalen Kaufverhalten geniesst das aus der
neobehavioristischen Forschung stammende Stimulus-Organismus-Response-Modell
(S-O-R-Modell)95 als Partialerklärungsansatz Beachtung. Das S-O-R-Modell sieht die
Kaufentscheidung des Konsumenten (Response) nicht im Kausalzusammenhang mit
dem Einsatz von Marketinginstrumenten (Stimuli), sondern durch Konstrukte der individuellen Präferenz- und Nutzenbildung, wie Wahrnehmungen, Emotionen, Bedürfnisse und Motivationen, moderiert. Diese intervenierenden Variablen können nicht direkt
beobachtet werden, lassen sich aber durch Rückschlüsse aus dem beobachteten Verhalten hypothetisch erklären. Die damit verbundenen Herausforderungen in der Reliabilität und Validität der beobachtbaren Variablen stellen zugleich den grössten Kritikpunkt an der Güte und Operationalisierbarkeit des S-O-R-Modells dar. Trotz dieser
Limitation ist das S-O-R-Modell ein Ansatz, welcher eine inhaltliche Strukturierung
für den als sogenannte Black-Box bezeichneten Prozess zwischen Stimulus und
Response ermöglicht.96 Die in dieser Arbeit nachfolgend diskutierten verhaltenswis-
93
Kroeber-Riel & Gröppel-Klein (2013, S. 458)
94
Einen Überblick liefern Foscht & Swoboda (2011, S. 24)
95
Im deutschen Sprachraum ist auch die Bezeichnung S-I-R-Modell verbreitet, wobei das I die «intervenierende Variable» bezeichnet, vgl. z.B. Schauenburg (1999, S. 83).
96
Boetsch (2008, S. 53 f.); Foscht & Swoboda (2011, S. 23 f.); Freter (1979, S. 178); Herrmann (1992,
S. 189 ff.)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
35
senschaftlichen Modelle zum Kaufentscheidungsprozess basieren auf dem S-O-RParadigma.
2.1.2 Kaufentscheidungsprozesse in Organisationen
Kaufentscheidungsprozesse professioneller Käufer werden dem Forschungsfeld des
organisationalen Kaufverhaltens zugeordnet, welches den verhaltensorientierten Ansätzen der Marketingforschung angehört. Dadurch ist dieses interdisziplinär gestaltet
und verbindet Erkenntnisse aus den Disziplinen Psychologie und Soziologie mit der
klassischen ökonomischen Lehre.97 Das organisationale Kaufverhalten setzt sich mit
dem gesamten Beschaffungsverhalten von Organisationen auseinander, wobei der
Kaufentscheidungsprozess im Zentrum steht. Das Beschaffungsverhalten von Organisationen unterscheidet sich vom Kaufverhalten privater Endabnehmer durch das Auftreten von organisationalen Nachfragern, deren Bedürfnis sich aus einer derivativen
Nachfrage ergibt. Die Unternehmen werden durch Repräsentanten vertreten, womit
multipersonelle Kaufentscheidungen stattfinden, welche sich durch formalisierte Prozesse mit hoher Komplexität, Rationalität und Interaktivität auszeichnen.98Auf Grund
dieser markanten Unterschiede zum Business-to-Consumer-Kaufverhalten (B2CKaufverhalten) grenzt sich das organisationale Kaufverhalten als eigenes Forschungsfeld ab.99
Nach Backhaus & Voeth100 existieren zwei Arten von Modellen, welche als Erklärungsansätze für das Kaufverhalten von Unternehmen herbeigezogen werden können:
Partialerklärungsversuche und Totalmodelle, wobei Letztere in Struktur- und Prozessmodelle untergliedert werden. Während die Partialerklärungsversuche sich auf
einen Teilaspekt des Kaufverhaltens konzentrieren, wozu insbesondere Forschungsansätze zum Buying Center gehören, suchen die Totalmodelle nach einem Erklärungsansatz, welcher alle Einflussfaktoren des Beschaffungswesens beinhaltet und deren Zusammenwirken beschreibt. Während Strukturmodelle den Schwerpunkt auf die Zusammenstellung der einzelnen Einflussfaktoren legen, stellen die Prozessmodelle den
97
Kuss (2013, S. 217 ff.)
98
Backhaus & Voeth (2014, S. 8–9, 37); Schauenburg (1999, S. 2)
99
Kuss (2013, S. 218 f.)
100
Backhaus & Voeth (2014)
36
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Ablauf des Kaufprozesses in den Mittelpunkt.101 Anschliessend wird je ein Partial- und
ein Totalmodell vorgestellt, welches für die Erklärung von Wirkungszusammenhängen
in dieser Arbeit zur Anwendung kommt.
2.1.2.1
Buying-Center-Modell
Als Buying Center werden bestimmte Mitglieder einer Organisation oder Dritte bezeichnet, welche beim Kauf von Industriegütern als kollektives Entscheidungsgremium für die Durchführung der Einkaufsentscheidung verantwortlich sind.102
Die Zusammensetzung des Buying Centers variiert von Unternehmen zu Unternehmen
sowie innerhalb des Unternehmens von Kaufentscheidung zu Kaufentscheidung. In
einigen Fällen handelt es sich um ein Gremium mit formellem Status, in anderen um
informelle Gruppen. Aus diesem Grund ist es aus Sicht des Verkäufers mit erheblichen
Schwierigkeiten verbunden, die dem Buying Center angehörenden Personen zu identifizieren und die Machtstrukturen im Entscheidungsgremium zu kennen. Trotz der damit verbundenen Herausforderung ist die Kenntnis über die involvierten Personen, ihr
Informations- und Entscheidungsverhalten, die Funktionsweise der Entscheidungsfindung im Gremium sowie den Umgang mit Präferenzkonflikten unerlässlich, da diese
Faktoren Auswirkungen auf das Entscheidungsverhalten im Kaufprozess haben – und
damit Ansatzpunkte für die Verhaltensbeeinflussung durch den Verkauf sind.103
In einem Buying Center werden gemäss dem Rollenmodell von Webster & Wind104
fünf Rollen unterschieden: Benutzer, Einkäufer, Beeinflusser, Entscheider und Informationsselektierer. 105 Durch die Kenntnis der Rolle der einzelnen Mitglieder im
Buying Center ist es möglich, Rückschlüsse auf ihre Informationsbedürfnisse und
Verhaltensweisen zu ziehen.
101
Backhaus & Voeth (2014, S. 43, 92)
102
Backhaus & Voeth (2014, S. 45)
103
Meffert et al. (2015, S. 99)
104
Webster & Wind (1972, S. 17)
105
Bei Webster & Wind (1972, S. 17) wird die letzte Rolle als «Gatekeeper» bezeichnet, was Backhaus & Voeth (2014, S. 52) mit dem Deutschen Begriff «Informationsselektierer» wiedergegeben.
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1.2.2
37
Prozessmodell von Choffray & Lilien
Das Prozessmodell von Choffray & Lilien106 folgt dem Kaufentscheidungsprozess in
Organisationen. Es untergliedert diesen in drei Hauptphasen: Die erste Phase dreht
sich um die Auswahl der realisierbaren Leistungsalternativen, welche durch die Informationsquellen (Kenntnis über die Alternative) sowie die Restriktionen aus der Umwelt und dem Unternehmen selbst moderiert werden. In der zweiten Phase bilden die
Mitglieder des Buying Centers ihre individuellen Präferenzen, basierend auf den von
ihnen angewandten Bewertungskriterien. In der dritten Phase wird die kollektive Kaufentscheidung gefällt, welche aus den im Buying Center vorhandenen Interaktions- und
Machtstrukturen resultiert. Der Prozess ist nachfolgend schematisch abgebildet:
Abbildung 7: Prozessmodell von Choffray & Lilien
Buying Center
OrganisationsErfordernisse
1) technischer Art
2) finanzieller Art
Realisierbare
Alternativen
Bewertungskriterien
1) physischer Art
2) technologischer Art
3) ökonomischer Art
4) sozialer Art
Bildung organisationaler Präferenzen
Interaktionsstrukturen
Bildung individueller Präferenzen
Individuelle Entscheidungsträger im Buying Center
Umweltrestriktionen
Informationsquellen
In Betracht gezogene Alternativen
Organisationale
Entscheidung
Quelle: In Anlehnung an Choffray & Lilien (1978, S. 22) und Foscht & Swoboda (2011, S. 317)
106
Choffray & Lilien (1978, S. 20 ff.)
38
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Die in Abbildung 7 erkennbaren Hauptphasen werden von Choffray & Lilien107 mit
vier Entscheidungsmodellen verknüpft, welche die Autoren in ihrem Response-Modell
zusammenfassen:
Abbildung 8: Response-Modell
Kontrollierbare
Variablen
Entscheidungsprozess
Externe
Einflussgrössen
Alle verfügbaren Produktalternativen
Marketing Support für das
Produkt
Awareness-Modell
Kommunikationsverhalten
im Buying Center
Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt im
Evoked Set ist
Akzeptanz-Modell
Produktmerkmale
Umweltrestriktionen und
Organisationserfordernisse
Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt als
realisierbar betrachtet wird
Individuelle Bewertungsmodelle
Wahrnehmung und Kriterien
der Entscheidungsträger
Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt von einem
Mitglied des Buying Centers gewählt wird
Gruppenentscheidungsmodelle
Beteiligte Entscheidungsgruppen, Annahmen über die
Beziehungsstrukturen
Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt vom
Buying Center gewählt wird
Quelle: In Anlehnung an Choffray & Lilien (1978, S. 23) und Foscht & Swoboda (2011, S. 318)
Im Awareness-Modell berechnen die Autoren auf Grund der Marketingaktivitäten der
Produkthersteller und der Kommunikation zwischen den Mitgliedern des Buying Centers die Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt wahrgenommen und als mögliche Alternative berücksichtigt wird. Diese Teilmenge der möglichen Alternativen wird als Evoked Set bezeichnet. Im Akzeptanz-Modell werden die jeweiligen Produkteigenschaften den Umweltrestriktionen und den Organisationserfordernissen gegenübergestellt.
Aus der Gegenüberstellung resultiert eine Teilmenge der Produkte, welche alle zwingenden Kriterien erfüllen. Mittels individueller Bewertungsmodelle nehmen die Mitglieder des Buying Centers eine Evaluation der Produkte vor. Hierbei gilt es zu beach-
107
Choffray & Lilien (1978, S. 23 ff.)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
39
ten, dass erhebliche Wahrnehmungsunterschiede beobachtet werden können und das
Marketing des Anbieters die individuelle Entscheidungsfindung beeinflusst. Im letzten
Gruppenentscheidungsmodell fällen die Mitglieder unter vorherrschenden Machtstrukturen eine kollektive Kaufentscheidung unter jenen Produkten, welche zuvor in
der Individualbewertung als gewinnbringende Alternativen bewertet wurden.108
Beim Kaufprozess von After-Sales-Services gilt es zu beachten, dass die Entscheidung
über ihren Bezug während des Evaluationsprozesses des Investitionsgutes geschehen
kann, wenn z.B. bei Kaufabschluss ein Service- oder ein Wartungsvertrag abgeschlossen wird, oder erst zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. nach Ablauf der Garantiezeit einer Anlage oder beim ersten Ausfall einer Maschine.
2.2
Kundennutzen
Wie aus dem Konzept des Buying Centers und aus dem Prozessmodell von Choffray
& Lilien hervorgeht, werden individuelle und kollektive Präferenzen über Produktbzw. Serviceeigenschaften als Entscheidungskriterien im Kaufprozess beigezogen.
Diese formen den Berührungspunkt zwischen dem organisationalen Kaufverhalten und
dem Konzept des Kundennutzens.
2.2.1 Das Konzept des Kundennutzens
Der Begriff des Kundennutzens wird in der Literatur nicht eindeutig verwendet:109 Im
deutschen Sprachgebrauch wird der Begriff oft als Synonym mit Kundenwert110 und
Kundenvorteil111 verwendet, während im englischen Begriff «Customer Value» die
Bedeutungen aller deutschen Begriffe enthalten sind.
Eine von Woodruff112 geführte Diskussion zum englischen Ausdruck Customer-Value
zeigt, dass es eine Reihe von Gemeinsamkeiten gibt, welche mit dem Customer-Value
in Verbindung gebracht werden:
108
Choffray & Lilien (1978, S. 24 f.); Foscht & Swoboda (2011, S. 318 f.)
109
Belz & Bieger (2006, S. 85 ff.)
110
z.B. Matzler (2000, S. 289)
111
z.B. Belz & Bieger (2006, S. 85)
112
Woodruff (1997, S. 141)
40
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
-
Customer-Value wird mit der Nutzung eines Produkts in Verbindung gebracht
und verfügt über keine wertende Komponente.
-
Die Perspektive des Customer-Values ist jene des Käufers, nicht jene des Verkäufers.
-
Customer-Value beinhaltet stets die Abwägung zwischen dem Wertzuwachs
beim Kunden und den dafür notwendigen Aufwendungen des Kunden.
Sowohl Belz & Bieger113 wie auch Matzler114 weisen jedoch darauf hin, dass der Begriff Customer-Value (Belz et al.) bzw. Kundenwert (Matzler) in der betriebswirtschaftlichen Literatur sowohl aus Unternehmensperspektive, d.h. die Profitabilität des
Kunden für das Unternehmen, als auch aus Kundenperspektive, d.h. als den vom Kunden wahrgenommenen Wert einer Leistung des Unternehmens, verstanden werden
kann. Während Matzler den Begriff des «Kundenwerts»115 für sich als Letzteres definiert, integrieren Belz et al. in den Begriff «Customer-Value» beide Perspektiven, d.h.
den Wert des Kunden für das Unternehmen (Kundenwert) und den wahrgenommenen
Wert einer Leistung aus Sicht des Kunden (Kundenvorteil).116
Das Konzept des Kundennutzens grenzt sich von einer isolierten Betrachtung von
Kundenzufriedenheit und Qualität ab: Während bei Kundenzufriedenheit das Erwartungs-Diskonfirmations-Paradigma117 vorherrschend ist, betrachtet Kundennutzen die
Diskrepanz zwischen dem wahrgenommenen Nutzen einer Unternehmensleistung und
den dafür vom Kunden wahrgenommenen Aufwendungen (Kosten) im Vergleich zur
Konkurrenz.118 Der Einbezug von Mitbewerbern bei der Evaluation von Nutzen durch
den Kunden ist infolgedessen ein wesentlicher Aspekt von Kundennutzen, da der
113
Belz & Bieger (2006, S. 86)
114
Matzler (2000, S. 289, 306)
115
Matzler (2000, S. 306)
116
Belz & Bieger (2006, S. 86)
117
Dies bedeutet, dass Zufriedenheit aus einer Gegenüberstellung des wahrgenommenen Nutzens und
der erwarteten Qualität resultiert. Für weitere Ausführungen zum Erwartungs-DiskonfirmationsParadigma vgl. zum Beispiel die Dissertation von Faullant (2007, S. 18 ff.).
118
Matzler (2000, S. 290)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
41
Kunde in einem monopolistischen Marktumfeld keinen Leistungsvergleich anstellen
kann. 119
In dieser Dissertation wird das deutsche Wort «Kundennutzen» verwendet und, wie
bei Schauenburg,120 als der vom Kunden wahrgenommene Nutzen einer Unternehmensleistung, welcher als Diskrepanz zu den wahrgenommenen Kosten unter Einbezug eines Wettbewerbsvergleiches entsteht, verstanden. Die Definition ist damit inhaltlich deckungsgleich mit dem «Kundenvorteil» (Belz et al.) und dem «Kundenwert» (Matzler).
2.2.2 Wissenschaftstheoretische Einordnung von Kundennutzen
Der definierte Begriff des Kundennutzens geht auf die ökonomische Nutzentheorie
zurück. Diese betrachtet das menschliche Verhalten als nutzengelenkt; Individuen versuchen mit ihrem Verhalten ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Der Kundennutzen
ist dabei eine rationale und eindeutig messbare Beurteilungsgrösse, welche der Nutzenevaluation eines Individuums bzw. eines Käuferkollektivs zu Grunde liegt.121
Eine reine Betrachtung von Kundennutzen aus Sicht der ökonomischen Nutzentheorie
wäre aus Sicht der Praxis nicht gewinnbringend, da Menschen in der Realität auf
Grund von unvollständigen Informationen und des Einbezugs von subjektiven Kriterien nicht vollkommen rational handeln.122 Als Ergänzung zur ökonomischen Nutzentheorie wird der Kundennutzen als verhaltenswissenschaftliches Konstrukt betrachtet,
in welchem die individuelle Wahrnehmung und Beurteilung des Kunden den Nutzen
determiniert.123
2.2.3 Entstehung von Kundennutzen
Wie eingangs124 diskutiert, ergibt sich der Kundennutzen aus der Diskrepanz zwischen
dem wahrgenommenen Nutzen für eine Leistung und den dafür wahrgenommenen
119
Schauenburg (1999, S. 5, 24)
120
Schauenburg (1999, S. 5)
121
Teichert (2001, S. 23)
122
Schauenburg (1999, S. 37)
123
Boetsch (2008, S. 25)
124
vgl. Kapitel 2.2.1
42
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Kosten aus Perspektive des Kunden unter Einbezug von Wettbewerbsangeboten.
Matzler125 stellt den Zusammenhang der Einflussgrössen, welche die Entstehung von
Kundennutzen steuern, wie folgt dar:
Abbildung 9: Entstehung des Kundennutzens
Zufriedenheit/
wahrgenommener
Nutzen der
Alternative
Erwartungen
wahrgenommene
materielle
Leistung
wahrgenommene
immaterielle
Leistung
Diskonfirmation
Zufriedenheit/
wahrgenommener
Nutzen
wahrgenommener
Kundennutzen
wahrgenommene
materielle Kosten
wahrgenommene
immaterielle
Kosten
gesamte
wahrgenommene
Kosten
wahrgenommene
Kosten der
Alternative
Quelle: In Anlehnung an Matzler (2000, S. 293)
Wie aus Abbildung 9 zu entnehmen ist, wirken vier Einflüsse direkt auf den Kundennutzen: Kosten und Nutzen der vom Unternehmen offerierten Leistung sowie Kosten
und Nutzen der offerierten Leistungen des Wettbewerbs.
2.2.3.1
Bewertung von Nutzen
Der Begriff Qualität ist eng mit dem Konstrukt des Kundennutzens verbunden, da die
Beurteilung der Qualität einer Leistung deren Nutzeneinschätzung mitbestimmt. Die
verhaltensorientierte betriebswirtschaftliche Forschung betrachtet Qualität aus Perspektive des Kunden und damit als eine Gegenüberstellung von Erwartungen und
wahrgenommener materieller und immaterieller Leistung: Übersteigt die wahrgenommene Leistung die Erwartung, entsteht eine positive Diskonfirmation. Bleibt die Leistung hingegen unter den Erwartungen, entsteht eine negative Diskonfirmation.126
125
Matzler (2000, S. 293)
126
Boetsch (2008, S. 37 f.); Matzler (2000, S. 290 ff.)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
43
Schauenburg127 nimmt eine weitere Untergliederung der Zusammensetzung von Nutzen vor, indem er diesen aufteilt in einen tatsächlichen Produktnutzen, welcher nach
expliziten Kriterien bewertet wird, und eine Marktposition des Anbieters, welche nach
impliziten Kriterien bewertet wird. Dabei definiert er den
-
Produktnutzen als die vom Kunden messbaren Kriterien einer Leistung, welche sich weiter in technischen, kommerziellen und operationellen Produktnutzen unterteilen lassen, und die
-
Marktposition als eine Grösse die dazu dient, die Informationsdefizite eines
Kunden zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung zu kompensieren.
Schauenburg128 argumentiert, dass der «Wissensstand eines Kunden über die Konsequenzen [von] dessen Kaufentscheidung» (S. 7) das Verhältnis zwischen dem wahrgenommenen Produktnutzen und der Marktposition des Anbieters moderiert. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass in der Realität Situationen eintreten, in welchen
Entscheidungsträger auf Grund von unvollständigem Wissen nur beschränkt rationale
Entscheidungen treffen können. Je höher die mit der Kaufentscheidung verbundene
Unsicherheit auf Grund eines tiefen Wissensstandes ist, umso höher wird der Kunde in
seiner Evaluation die Marktposition des Anbieters gewichten – und vice versa (S. 39).
Mit dem Einbezug der Marktposition in die Evaluation von Kundennutzen wird in der
Regel eine Risikominderungserwartung einkalkuliert. In organisationalen Kaufentscheidungsprozessen, in welchen auf Grund persönlicher Karriereüberlegungen ein
risikominimierendes Entscheidungsverhalten vorteilhaft sein kann, nimmt dies eine
wichtige Rolle ein (S. 7, 80).
2.2.3.2
Bewertung von Kosten
Der Einbezug der Kostenperspektive grenzt den Kundennutzen von der reinen Betrachtung von Qualität und Kundenzufriedenheit ab: Entscheidend ist für den Kunden
letztendlich das subjektiv wahrgenommene Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen.
Diese Kosten können sowohl materieller Art sein, wie z.B. Geldleistungen, oder immaterieller Art, wie z.B. Zeitaufwand oder psychische Kosten.129 Insbesondere Belz et
127
Schauenburg (1999, S. 7 ff.)
128
Schauenburg (1999)
129
Boetsch (2008, S. 32)
44
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
al.130 weisen darauf hin, dass umfassende Leistungsangebote aus Kundensicht gleichzeitig mit Kosten und Risiken verbunden sind. So ist z.B. ein umfassendes Angebot an
Dienstleistungen, welches vom Kunden nicht vollumfänglich genutzt wird, aus dessen
Perspektive eine Subventionierung von Leistungen anderer Kunden; ebenso ist eine
massgeschneiderte Dienstleistung in der Regel mit einer intransparenten Preisfindung
verbunden.
2.2.3.3
Bewertung von Alternativen
Die aus Perspektive des Kunden vorgenommene Bewertung von Kosten und Nutzen
misst sich an den Leistungen des Wettbewerbs. Gale & Wood131 stellen diesen Vergleich mit Hilfe der «Customer Value Map» dar, in welcher sie den relativen Preis einer Leistung deren relativem Kundennutzen gegenüberstellen. Die nachfolgende Abbildung 10 zeigt dies schematisch:
Relativer Preis
Abbildung 10: Customer-Value Map
Niedriger wahrgenommener
Kundennutzen
3
4
1
Hoher wahrgenommener
Kundennutzen
2
Relativer Kundennutzen
Quelle: In Anlehnung an Gale & Wood (1994, S. 220)
Mit Hilfe der Customer-Value Map lassen sich Produktalternativen von Anbietern hinsichtlich ihres Kundennutzens klassifizieren. Dem ökonomischen Verständnis der
130
Belz & Bieger (2006, S. 93 f.)
131
Gale & Wood (1994, S. 217 ff.)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
45
Nutzenmaximierung folgend wird ein Käufer in der in Abbildung 10 dargestellten Situation in Produkt 2 und 3 einen gleichwertigen Nutzen feststellen, da sich beide auf
der Gleichgewichtslinie befinden, und diesen Nutzen über denjenigen von Produkt 1
stellen, welches ein mangelhaftes Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist. Die nutzengeleitete Wahl ist aber Produkt 4, welches zwar nicht über den höchsten Nutzen verfügt,
jedoch über das beste wahrgenommene Kosten-Nutzen-Verhältnis.132
Aus den Ausführungen zur Entstehung des Kundennutzens lässt sich festhalten, dass
durch den Einbezug von wahrgenommenen Kosten und Alternativen in das Konzept
des Kundennutzens ersichtlich wird, dass eine Leistungsmaximierung nicht automatisch einer Nutzenoptimierung entspricht. Vielmehr ist ein Leistungsoptimum zu suchen, bei dessen Bestimmung die Zahlungsbereitschaft des Kunden einbezogen werden muss. 133
2.2.4 Kundennutzen im Kaufentscheidungsprozess
Belz et al.134 weisen darauf hin, dass eine prozessorientierte Betrachtung von Kundennutzen wichtig ist, da ein Kunde je nach Phase des Kaufprozesses Produktkriterien
unterschiedlich gewichten wird. Generisch betrachtet spielt der Kundennutzen an zwei
Orten im Kaufprozess eine wichtige Rolle, was sich mit dem Response-Modell von
Choffray & Lilien135 visualisieren lässt. 136 Einerseits sieht man die Verbindung zum
Kundennutzen in der Vorkaufphase in den Produktmerkmalen, welche auf das Akzeptanz-Modell und das individuelle Bewertungsmodell wirken. Hier findet der Abgleich
der Nutzen- und Kosteneigenschaften mit den Angeboten der einzelnen Wettbewerber
statt. Diese werden zuerst an den Erfordernissen von Umwelt und Organisation und im
Anschluss an den individuellen Ansprüchen der Buying-Center-Mitglieder gemessen.
In der Nachkaufphase bilden sich Präferenzen für den Wiederkauf des Produkts oder
den Bezug von After-Sales-Services, welche aus einer Beurteilung des effektiv wahrgenommenen Nutzens während der Nutzungsphase resultieren. Boetsch137 weist darauf
132
Boetsch (2008, S. 44)
133
Hildenbrand et al. (2006, S. 83), vgl. auch Kapitel 2.3
134
Belz & Bieger (2006, S. 94)
135
vgl. Kapitel 2.1.2.2 / Abbildung 7/8
136
Boetsch (2008, S. 55)
137
Boetsch (2008, S. 57)
46
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
hin, dass die der Bewertung und Gewichtung des Kundennutzens zu Grunde liegenden
Kriterien in der Vor- und der Nachkaufphase nicht identisch sind, da der Kunde über
unterschiedliche Informationen verfügt.
2.2.5 Kundennutzen visualisieren: Value Selling
Da Kundennutzen sich über den wahrgenommenen Wert einer Leistung beim Kunden
bemisst, ist dessen Visualisierung durch die vertriebsaktiven Mitarbeitenden des Unternehmens ein Erfolgsfaktor für kundennutzengeleitete Strategien. Ein kundennutzenorientierter Ansatz, welcher vornehmlich bei komplexen Verkaufsprozessen im Business-to-Business-Markt (B2B-Markt) angewendet wird, ist das Konzept des Value
Sellings.138 Das Ziel von Value Selling ist es,
«die eigenen Leistungen nach ihrem Wert für Kunden zu verkaufen. Dazu gilt
es, die Mehrwerte für Kunden sichtbar und wichtig zu machen. Es geht darum,
das Werterlebnis des Kunden zu steigern.»139
Value Selling stellt den Anspruch, dass die beim Kunden hervorgehobenen Mehrwerte
messbare Erfolgsfaktoren mit positiver Wirkung auf Bilanz und/oder Gewinn beim
Kunden sind.140 Value Selling folgt dabei stets einem systematischen Prozess, welcher
sich zwischen einer Verkaufsstrategie und operationalisierbaren Verhaltensanweisungen für Vertriebsmitarbeitende positioniert. 141 Die Umsetzung von Value Selling im
Unternehmen ist umfassend: Sie betrifft nicht nur den Verkauf, sondern sämtliche Personen mit Kundenkontakt. Thematische Schwerpunkte für Optimierungen liegen beim
Value Selling in der Professionalisierung der Verkaufsaktivitäten, der Kundensegmentierung und der Gestaltung der Vorteile für die einzelnen Segmente sowie in der Kundeninteraktion.142
Ein weiteres Instrument zur Visualisierung von Nutzen ist die aus dem Value-Based
Pricing stammende Kundennutzenrechnung. Mit diesem Instrument versuchen Anbieter komplexer Lösungen den durch ihre Leistung entstandenen Wert in der Wertschöp138
Artmann (2014, S. 14)
139
Belz (2006, S. 7)
140
Kaschek (2014, S. 4)
141
Artmann (2014, S. 4)
142
Belz (2006, S. 11 ff.)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
47
fung des Kunden abzubilden und monetär zu bewerten. Die Kundennutzenrechnung
dient damit sowohl der Wertvisualisierung und der Preisfindung wie auch als ein Argumentarium um Preise am Markt durchzusetzen. Der Nachteil ist der mit ihr verbundene Aufwand, da die Kundennutzenrechnung typischerweise für jedes Projekt neu
konfiguriert werden muss und eine Kooperationsbereitschaft des Kunden voraussetzt.143
2.2.6 Verbindung von Kundennutzen und Rentabilität
Um langfristig am Markt erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen nachhaltige Wettbewerbsvorteile schaffen können, indem sie für ihre Kunden ein Angebot kreieren,
welches aus deren Sicht allen verfügbaren konkurrierenden Alternativen überlegen
ist.144 Der Weg zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil führt demnach über eine
«Synchronisierung von Unternehmensleistung und Marktbedürfnissen.»145 Anbieter
müssen ihre Produkte so ausgestalten, dass sie bestmöglich zu den Bedürfnissen der
Kunden passen, oder anders ausgedrückt: Die Unternehmen müssen Kundennutzen
generieren.146
Der Zusammenhang zwischen der Generierung von Kundennutzen und dem wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen wurde in verschiedenen Studien direkt und indirekt untersucht. Boetsch147 hat diese zusammengefasst und den Zusammenhang anhand einer Wirkungskette aufgeschlüsselt:148
143
Voeth & Rabe (2004, S. 1032)
144
Porter (1985, S. xv)
145
Schauenburg (1999, S. 1)
146
Narver & Slater (1990, S. 21)
147
Boetsch (2008)
148
vgl. ergänzend auch Hinterhuber & Hinterhuber (2009, S. 39); Hahn (2002, S. 111 ff.)
48
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Abbildung 11: Wirkungskette Kundennutzen
Belz & Bieger (2004)*, Laitamäki & Kordupleski (1997), Slater (1997)*, Slywotzky (1997)*, Gale (1994)
Huber, Herrmann & Morgan (2001)*, Woodruff & Gardial (1996)*
1
Customer Value
Kundenloyalität
Markterfolg des
Unternehmens
Wirtschaftlicher
Erfolg des
Unternehmens
Rust & Zahorik (1993)*
Buzzell & Gale (1987)
Reichheld & Sasser (1990)*
1
Petrick (2002), Kashyap & Bojanic (2000), Cronin, Brady & Hult (2000),
Cronin, Brady, et al. (1997), Gale (1994), Bolton & Drew (1991), Zeithaml (1998)
* = Studie basiert nicht auf einem empirischen Test
Quelle: Boetsch (2008, S. 48)
Wie aus Abbildung 11 ersichtlich wird, ist ein kundennutzenoptimiertes Verhalten des
Unternehmens ein Treiber für den wirtschaftlichen Erfolg. Dies bedeutet im Kontext
der Rentabilisierung von After-Sales-Services, dass die optimale Ausrichtung des After-Sales-Services-Portfolios auf den Kundennutzen letztendlich zu einer Leistungsrentabilisierung führt.
2.3
Preismanagement
Eine Diskussion der theoretischen Konzepte des Preismanagements ist aus zweierlei
Gründen für eine Optimierung der Rentabilität von After-Sales-Services von Interesse.
Einerseits bietet das Preismanagement Ansatzpunkte zur Maximierung der Zahlungsbereitschaft des Kunden: Dort ist es eng mit dem vorgängig diskutierten Konzept des
Kundennutzens verbunden. Andererseits findet man im Preismanagement Strategien
zur Durchsetzung von Preisen am Markt, mit Hilfe welcher versucht wird, die beim
Kunden maximierte Zahlungsbereitschaft bestmöglich abzuschöpfen. Nachfolgend
werden als Teil des Preismanagements das Konzept der Zahlungsbereitschaft und seine Verbindung zum Kundennutzen aus Perspektive der Mikroökonomie und der Ver-
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
49
haltenstheorie diskutiert, ehe im Anschluss spezifische Themen im Preismanagement
von After-Sales-Services betrachtet werden.
2.3.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung von Zahlungsbereitschaft
Unter der Zahlungsbereitschaft ist gemäss Niederauer149 der
«maximale Betrag zu verstehen, den ein Nachfrager in einer Kauf- bzw. Beschaffungssituation gerade noch als Preis für eine bestimmte Leistung akzeptieren würde.»
Die Zahlungsbereitschaft ist dieser Definition folgend ein subjektiver Wert, welcher
der Käufer einem Produkt bzw. einer Dienstleistung für eine definierte Menge zuweist.150 Anders als bei einem Preis handelt es sich bei der Zahlungsbereitschaft um
eine Kundeninformation. Die zwei in dieser Dissertation verwendeten wissenschaftlichen Perspektiven betrachten einen anderen Aspekt der Zahlungsbereitschaft:151
-
Aus Perspektive der mikroökonomischen Preistheorie steht das Verhältnis von
Kundennutzen und Zahlungsbereitschaft im Mittelpunkt, d.h. es geht um die
Frage, wie sich der Preis auf den Absatz auswirkt.
-
Aus verhaltenstheoretischer Perspektive wird Zahlungsbereitschaft als ein psychologischer Prozess des Preisverhaltens diskutiert, in welchem Aspekte wie
Wahrnehmung, Bewertung, Kenntnis und Fairness von Preisen interessieren.
Im Folgenden wird Zahlungsbereitschaft einzeln aus beiden Perspektiven betrachtet.
2.3.2 Zahlungsbereitschaft in der mikroökonomischen Preistheorie
Aus mikroökonomischer Sicht ist Zahlungsbereitschaft das Resultat von wahrgenommenem Kundennutzen. Die Mikroökonomie bedient sich dabei des StimulusResponse-Modells (S-R-Modell), wobei der Preis als Stimulus zu einer direkten Reaktion beim Absatz (Response) führt. Infolgedessen muss ein Unternehmen, um mit seinen Leistungen am Markt erfolgreich zu sein, in der Phase der Produkt- bzw. Serviceentwicklung ein Leistungsbündel generieren, dessen Preis die vorhandene Zahlungsbe149
Niederauer (2009, S. 1)
150
Wertenbroch & Skiera (2002, S. 228)
151
Simon & Fassnacht (2009, S. 85)
50
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
reitschaft des Kunden nicht übersteigt. Hierbei gilt zu beachten, dass die einzelnen
Bestandteile eines Leistungsbündels mit separaten Zahlungsbereitschaften versehen
werden können.152 Simon & Damian153 beschreiben den Zusammenhang wie folgt:
«Die Messung des Kundennutzens und der daraus resultierenden Preisbereitschaft
bilden die Basis für jede fundierte Preisentscheidung.» Es gibt unterschiedliche Konzepte, welche Zahlungsbereitschaft und Kundennutzen miteinander verbinden. Zwei
davon werden hier vorgestellt:
2.3.2.1
Target Pricing
Das Target Pricing setzt die Zahlungsbereitschaft an den Beginn jeglicher Produktund Preisgestaltung und richtet diese unbeirrt am Kundenbedürfnis aus. Die Gestaltung des Produkt- bzw. Serviceportfolios beginnt entsprechend bei einem Zielpreis,
welcher auf Grund von Marktinformationen festgelegt werden muss. Die Ausgestaltung des Leistungsbündels mit seinen einzelnen Bestandteilen darf somit den Zielpreis
nicht überschreiten.154 Da Kunden unterschiedliche Nutzenwerte und Zahlungsbereitschaften haben, lohnt es sich, zu Beginn des Prozesses den Markt in Kundensegmente
zu unterteilen, welche mit unterschiedlichen Produkten bzw. Services bedient werden.
Wenn ein Anbieter seine Preise nahe an der maximalen Zahlungsbereitschaft positioniert, kann er seine Erträge optimieren. 155
Beim Target Pricing geht man davon aus, dass die Summe der Zahlungsbereitschaften
für die einzelnen Bestandteile eines Leistungsbündels einen Zielpreis ergeben, welcher
die Zielgrösse für die Durchsetzung eines Preises am Markt vorgibt. Ein Zielpreis
kann als Aggregation oder für jeden Produkt- bzw. Servicebestandteil einzeln erhoben
werden. Zieht man von ihm die vom Unternehmen angestrebte Marge ab, erreicht man
die Zielkosten. Bei der Produkt- bzw. Servicegestaltung wird im Target Pricing darauf
geachtet, dass kein Leistungsmerkmal seine Zielkosten übersteigt, weil es dann zu einem Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen kommt. Sollte dies der Fall sein,
152
Siems (2009, S. 88); Simon & Fassnacht (2009, S. 85)
153
Simon & Damian (1999, S. 159)
154
Das «Target Pricing» wird in der Forschung auch als «Target Costing» bezeichnet und nach dem
Grundsatz umgesetzt, dass eine Leistung die Zielkosten nicht übersteigen darf. Vgl. z.B. Plinke et al.
(2015, S. 249 ff.) oder Siems (2009, S. 71 ff.).
155
Coenenberg, Fischer & Schmitz (1998, S. 373); Simon & Fassnacht (2009, S. 85 f.)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
51
sind solche Produktmerkmale zu eliminieren oder zu modifizieren. Durch die konsequente Anwendung von Target Pricing können sich Unternehmen auf Leistungen konzentrieren, die profitabel erfüllbar sind.156
2.3.2.2
Kano-Modell
Das Kano-Modell wurde entwickelt, um den Zusammenhang zwischen Kundennutzen
und daraus resultierender Zahlungsbereitschaft zu visualisieren. Das Kano-Modell basiert auf der Hypothese, dass die einzelnen Merkmale einer Leistung nicht immer proportional auf den Kundennutzen wirken. Es wird dabei eine Trennung von Basis-,
Leistungs- und Begeisterungsanforderungen des Kunden vorgenommen. Während bei
Ersteren eine im Konkurrenzvergleich überdurchschnittliche Leistung nicht mit zusätzlicher Zahlungsbereitschaft honoriert wird, geht man bei den Leistungsanforderungen
von einem linearen Anstieg der Zahlungsbereitschaft mit zusätzlichem Kundennutzen
aus. Von besonderem Interesse sind aber die Begeisterungsanforderungen der Kunden,
bei welchen die Zahlungsbereitschaft überproportional zum Leistungsniveau steigt. Sie
sind aus Sicht einer Rentabilitätsoptimierung im Leistungsbündel von besonderem Interesse.157 Nachfolgende Abbildung 12 zeigt die Zusammenhänge schematisch auf:
156
Homburg & Daum (1997, S. 107 ff.); Simon & Fassnacht (2009, S. 86)
157
Hinterhuber & Hinterhuber (2009, S. 19–23); Simon & Fassnacht (2009, S. 87 f.)
52
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Abbildung 12: Kano-Modell
Kunde sehr zufrieden,
begeistert
Begeisterungsanforderungen
Leistungsanforderungen
Erwartungen
nicht erfüllt
Erwartungen
übertroffen
Basisanforderungen
Kunde sehr unzufrieden
enttäuscht
Quelle: Simon & Fassnacht (2009, S. 87)
Die Limitation der kundennutzengeleiteten Preisbestimmung besteht im Wettbewerbsumfeld des Unternehmens. Kommt es beispielsweise zu einer preislichen Unterbietung
durch einen Mitbewerber, kann dies den Zielpreis eines Leistungsmerkmals senken, da
die Zahlungsbereitschaft des Kunden durch das Wettbewerbsangebot beeinflusst ist.
Entsprechend sind neben Kundeninformationen auch Wettbewerbsinformationen eine
wichtige Steuerungsgrösse für eine kundennutzengeleitete Preispolitik. 158
2.3.3 Zahlungsbereitschaft aus verhaltenstheoretischer Perspektive
Während sich die mikroökonomische Perspektive auf die Wechselwirkungen von Preis
und Absatzmenge in einer direkt abhängigen Stimulus-Response-Beziehung beschränkt, existieren in den neobehavioristischen Verhaltenswissenschaften anstelle
158
Simon & Fassnacht (2009, S. 89)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
53
eines geschlossenen Erklärungsmodells mehrere Theorien,159 welche sich des S-O-RParadigmas zur Erklärung der Preistheorie bedienen.160 Die vorhandenen Theorien,
Konzepte und Modelle stammen ursprünglich aus dem Konsumgüterbereich, in welchem die Preisforschung stärker verankert ist als im Industriegüterbereich.161 Da aber
der B2B-Verkauf immer mehr Elemente des B2C-Verkaufs übernimmt und auch das
Buying Center eine Zusammensetzung von Individuen ist, welche auf Stimuli individuell reagieren, leisten einige von ihnen auch im industriellen Kaufprozess einen Erklärungsbeitrag.162 Zusätzlich kommen im industriellen Kaufprozess Aspekte hinzu,
welche im Konsumgüterbereich kaum vorhanden sind, wie z.B. die Wirtschaftlichkeitsrechnungen und die Preisverhandlungen.163 Es werden nachfolgend jene Theorien
betrachtet, welche einen Erklärungsbeitrag für den B2B-Kaufentscheidungsprozess
leisten. Dies sind die Preiswahrnehmung, die Preisfairness sowie Strategien zur Preisdurchsetzung.
2.3.3.1
Preiswahrnehmung
Gemäss Diller164 beschäftigt sich die Preiswahrnehmung mit der Aufnahme von
Preisinformationen durch den Kunden. Die Preisinformationen setzen sich aus objektiven Preisen und subjektiven Preiseindrücken zusammen. Die zentrale Theorie zur
Preiswahrnehmung ist die Adaptionsniveautheorie, welche auf Helson165 zurückgeht
und besagt, dass die Käufer einen Stimulus im Verhältnis zu dem bei ihm vorherrschenden Adaptionsniveau beurteilt, wobei das Adaptionsniveau ein Produkt der beim
Käufer vorhandenen preisbezogenen Informationen ist.166 Die Adaptionsniveautheorie
bildet die Grundlage für die darauf aufbauende Theorie der Referenzpreise. Diese besagt, dass die Preiswahrnehmung des Nachfragers nicht absolut, sondern im Verhältnis
zu dem beim Kunden vorhandenen Referenzpreis stattfindet. Dieser Referenzpreis ent159
Eine Übersicht bietet z.B. Simon & Fassnacht (2009, S. 145 ff.) oder Pechtl (2014, S. 31 ff.)
160
Pechtl (2014, S. 31)
161
Simon & Fassnacht (2009, S. 443)
162
Wiechmann (1995, S. 24); Haehnel (2011, S. 13 ff.)
163
Homburg & Jensen (2004, S. 492)
164
Diller (2008, S. 120)
165
Helson (1964)
166
Mazumdar, Raj & Sinha (2005, S. 85)
54
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
spricht dem vom Kunden subjektiv erwarteten Preis für die Leistung: Weicht ein offerierter Preis vom Referenzpreis ab, wird er entsprechend als zu hoch (Verlust für den
Kunden) bzw. zu tief (Gewinn für den Kunden) beurteilt.167
Unterschiedliche Faktoren beeinflussen das Zustandekommen eines Referenzpreises.
Zu den bedeutendsten unter ihnen gehören die beim Kunden vorhandenen Erfahrungen, wozu insbesondere in der Vergangenheit wahrgenommene Preise für die Produkte
dazugehören. Mazumdar, Raj & Sinha168 stellen jedoch fest, dass der Einbezug vergangener Erfahrungen im Investitionsgüterbereich von geringerer Bedeutung ist und
von Kenntnissen des Kunden über Wettbewerbspreise, Preise für unterschiedliche
Leistungskonfigurationen von Produkten sowie über Technologien, die in den Produkten einzelner Hersteller verwendet werden, übersteuert wird.
Ebenfalls mit der Preiswahrnehmung verbunden ist die Qualität einer Leistung; der
Preis kann diese in der Funktion eines Qualitätsindikators unterstützen. 169 Die Qualität
und der Preis sind in der subjektiven Wahrnehmung des Kunden unter bestimmten
Bedingungen zwei miteinander verbundene Grössen. Die Funktion des Preises als
Qualitätsindikator ist dann gegeben, wenn beim Nachfrager wenig Erfahrungen mit
dem Produkt bzw. dessen Anwendungsfeld vorhanden sind, eine hohe Komplexität
vorliegt oder ein hohes wahrgenommenes Kaufrisiko besteht: In diesen Fällen kann
ein hoher Preis als positives Qualitätssignal fungieren und eine positive Wirkung auf
die Kaufentscheidung haben.170
2.3.3.2
Preisfairness
Eng mit der Preiswahrnehmung und der Preiszufriedenheit verbunden ist die wahrgenommene Preisfairness. Friesen171 definiert deren Entstehung wie folgt:
167
Mazumdar et al. (2005, S. 85); Diller (2008, S. 122 f.); Simon & Fassnacht (2009, S. 155 f.). Die
mit der Theorie der Referenzpreise verwandte Prospect-Theory verbindet das theoretische Konzept der
Referenzpreise mit der Nutzentheorie, da sich subjektiv wahrgenommene Gewinne und Verluste relativ zum Referenzpreis als Nutzenfunktion darstellen lassen, welche Aufschluss über die absehbare
Kaufentscheidung des Konsumenten geben kann (Diller, 2008, S. 141).
168
Mazumdar et al. (2005, S. 87)
169
Diller (2008, S. 114–117); Siems (2009, S. 270)
170
von Gizycki (2000, S. 128)
171
Friesen (2008, S. 43)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
55
«Die wahrgenommene Preisfairness eines Konsumenten entspringt dem fortwährenden Vergleich des tatsächlichen Verkaufspreises und dessen Preissetzungsverfahren mit einem subjektiv fairen Referenzpreis bzw. einer fairen Referenztransaktion.»
Zur Erklärung der Funktionsweise der Preisfairness eignet sich die Equity-Theorie,
welche erstmals von Adams172 innerhalb seiner Forschungsarbeit zu den Entstehungsprozessen von Motivation aufgestellt wurde. Sie beschäftigt sich mit der wahrgenommenen Fairness, welche unter den Transaktionspartnern (Käufer bzw. Verkäufer)
herrscht, wobei deren Vergleichsbasis die direkte Austauschbeziehung selbst sowie
indirekte Vergleiche, z.B. zu anderen Kunden, beinhalten kann.173
Der Equity-Theorie folgend besteht wahrgenommene Fairness dann, wenn der Outcome, d.h. die Differenz aller in die Transaktion investierten Ressourcen,174 für beide an
der Transaktion beteiligten Parteien gleich ist. Vereinfacht ausgedrückt heisst dies:
Wenn der Produktnutzen beim Kunden im gleichen Verhältnis zum Gewinn des Herstellers steht, wird die Transaktion als fair betrachtet. Besteht hingegen eine Ungleichheit, führt diese beim Benachteiligten zu Unzufriedenheit und beim Bevorzugten zu
Schuldgefühlen. Individuen tendieren dazu, die aus diesem Spannungsverhältnis entstehende Dissonanz beheben zu wollen, was durch eine Änderung des Outcomes, den
Wechsel der Vergleichsbasis oder den Abbruch der Transaktionsbeziehung möglich
ist.175 Mit der Anerkennung, dass sowohl der Hersteller wie auch der Kunde einen Anspruch auf einen angemessenen Gewinn aus der Transaktion haben, deckt sich die
Equity-Theorie mit dem Dual-Entitlement-Prinzip. Dieses ergänzt den Sachverhalt
dahingehend, dass es besagt, dass Referenzpreise herbeigezogen werden um die Outcomes einer Transaktion zu beurteilen.176
Die Erkenntnisse aus der Equity-Theorie und dem Dual-Entitlement-Prinzip sind bei
der Durchführung von Preiserhöhungen von Bedeutung. Es besteht die Hypothese,
dass Preiserhöhungen auf Grund gestiegener Kosten als fair betrachtet werden; sollten
172
Adams (1966)
173
Simon & Fassnacht (2009, S. 179)
174
Dies sind typischerweise die Herstellungskosten beim Verkäufer und der bezahlte Preis beim Käufer.
175
Siems (2009, S. 246); Simon & Fassnacht (2009, S. 179)
176
Kahnemann, Knetsch & Thaler (1986, S. 285 ff.)
56
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
diese hingegen nur der Gewinnoptimierung dienen, werden sie vom Kunden abgelehnt.177
Die Herausforderung bei der Preisfairness liegt darin, dass zwischen den an der Transaktion beteiligten Parteien auf Grund von Informationsasymmetrien keine vollkommene Transparenz hinsichtlich des Produktnutzens bzw. des erzielten Gewinns vorliegt.
Es besteht daher ein latentes Risiko von Fehleinschätzungen. Deshalb ist der Begriff
des Vertrauens eng verbunden mit der Preisfairness. Das Vertrauen innerhalb einer
Geschäftsbeziehung oder eine gute allgemeine Reputation des Unternehmens kann
dazu beitragen, dass das Urteil über die Preisfairness zu Gunsten des Herstellers ausfällt. Aus diesem Grund gilt: Je höher die Informationsasymmetrie ist, desto wichtiger
ist das Vertrauen. Das Vertrauen nimmt in Transaktionsbeziehungen mit einer signifikanten Investitionssumme, welche zu einer langfristigen Bindung an den Hersteller
führen, einen überdurchschnittlichen Stellenwert ein.178
2.3.4 Durchsetzung der Preise am Markt
Die durch eine kundennutzenoptimierte Leistungsgestaltung und die Anwendung geeigneter Instrumente des Preismanagements maximierte Zahlungsbereitschaft lässt
sich erst durch die Durchsetzung des Preises am Markt effektiv rentabilisieren. Autoren wie Anderson & Narus179 haben festgestellt, dass die effektive Verrechenbarkeit
von Services zu dem von ihnen erbrachten Wert einer der zentralen Erfolgsfaktoren im
Umgang mit allen produktbegleitenden Dienstleistungen ist. Die damit verbundene
Problematik ist jedoch ein branchenübergreifendes Problem,180 welches im Investitionsgüterbereich besonders verbreitet ist. 181 Diese zweite Herausforderung hinsichtlich
des Preis- bzw. Verkaufsmanagements nimmt damit die gleiche Bedeutung ein wie die
177
Krishna (2009, S. 79). Eine weitere Hypothese, welche besagt, dass Kostensenkungen beim Hersteller bei gleichbleibenden Preisen beim Kunden keine Unzufriedenheit auslösen ist in der Praxis
umstritten, da Kunden in der Regel darauf bestehen, an den entstandenen Kostenvorteilen mindestens
teilweise in der Form von Preissenkungen zu partizipieren (Simon & Fassnacht, 2009, S. 180).
178
Simon & Fassnacht (2009, S. 178 f.)
179
Anderson & Narus (1995, S. 81)
180
Loss & Belz (1994, S. 16)
181
Trachsler (1996, S. 277)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
57
Schaffung von Zahlungsbereitschaft, da diese ohne Preisdurchsetzung nicht rentabilisiert werden kann.182
Die Durchsetzung eines Preises am Markt findet beim Kauf einer Maschine oder Anlage und den damit verbundenen produktbegleitenden Dienstleistungen in einer Verhandlung statt, bei welcher der Preis eine zentrale Rolle einnimmt.183 Diese Preisverhandlungen sind aus Sicht eines Herstellers von Maschinen und Anlagen vom Dilemma geprägt, dass der Verkäufer einerseits die maximale Zahlungsbereitschaft des
Kunden abschöpfen möchte und andererseits den Auftrag nicht an einen konkurrierenden Anbieter verlieren will.184 In dieser Situation der Unsicherheit über das Verhandlungsergebnis ist es einem Hersteller möglich, durch gezielte Schulung und Steuerung
der Vertriebsmitarbeitenden Einfluss auf den Verhandlungserfolg zu nehmen.185
Trotz der hohen Bedeutung der Preisverhandlung und ihrer gezielten Beeinflussung
durch Vertriebsmitarbeitende wurde dieses Themenfeld seitens der Industriegütermarketing-Forschung in den vergangenen Jahren zurückhaltend bewirtschaftet: Die vorhandenen Ansätze bedienen sich grösstenteils der bekannten Konzepte aus der Psychologie, der Soziologie und der Managementlehre, welche im Zusammenhang mit Endkonsumenten entwickelt wurden.186 Zu ihnen gehören die preispsychologischen Gesprächstechniken, wie z.B. die Aufsplittung eines Gesamtpreises in Teilmengen oder
die bewusste Verschiebung der Preisdiskussion auf einen geeigneten Verhandlungszeitpunkt. Der Nutzen dieser Taktiken ist jedoch im professionellen Industriegüterkauf
umstritten.187
2.3.5 Besonderheiten des Preismanagements bei After-Sales-Services
After-Sales-Services können als gemeinsame Leistungen, als Teil eines Produktbündels oder in getrennter Form an den Kunden verrechnet werden.188
182
Simon & Damian (1999, S. 159)
183
Voeth & Herbst (2011, S. 207 f.)
184
Voeth & Rabe (2004, S. 1018)
185
Siems (2009, S. 312 f.)
186
Voeth & Rabe (2004, S. 1019 f.)
187
Diller (2008, S. 411–413)
188
vgl. Kapitel 1.5.4.2
58
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Im Fall eines Preisbündels kombiniert ein Anbieter das Angebot von mindestens zwei
Leistungen und bietet diese zu einem Gesamtpreis an, mit dem Ziel, durch das gemeinsame Angebot von Produkten in der Form eines Bündels einen höheren Gesamtpreis abzuschöpfen.189 Im Fall von After-Sales-Services würde dies beispielsweise bedeuten, dass ein Hersteller beim Verkauf einer Werkzeugmaschine einen Preis offeriert, welcher die Nutzung von e-Services ohne zusätzliche Kostenfolgen für den Kunden beinhaltet. Für dienstleistende Produzenten steht als Art der Bündelung die reine
Preisbündelung zur Disposition, bei welcher der Hersteller das Produkt ausschliesslich
als Bündel anbietet.190 Im obigen Beispiel bedeutet dies, dass der Kauf der Werkzeugmaschine den Zugang zu e-Support für den Kunden beinhaltet – es besteht keine
Option, die Werkzeugmaschine verbilligt ohne den e-Support-Zugang zu beziehen.
Trachsler191 spricht in diesem Zusammenhang auch von der Erzielung eines Preispremiums auf den Verkauf einer Maschine durch das im Preis enthaltene Dienstleistungsangebot. Neben der Festlegung des Preises für das Preisbündel muss eine Darstellungsart des Preises für das Bündel festgelegt werden.192 Hier bietet sich beim reinen
Preisbündel die Wahl zwischen einem Gesamtpreis, welcher keine Rückschlüsse auf
den Wertbeitrag des Primärproduktes bzw. der Services zulässt und einer getrennten
Auflistung des Wertbeitrags an. Letztere Variante unterscheidet sich von der getrennten Verrechnung dadurch, dass die Option für den Kunden nicht ausschliessbar ist.
Im Fall einer getrennten Verrechnung der After-Sales-Services wird dem Kunden
die Option geboten, Serviceleistungen gegen ein zusätzliches Entgelt optional zum
Kauf einer Werkzeugmaschine zu konsumieren: Im Beispiel heisst dies, dass der Kunde nur auf seinen Wunsch und gegen Bezahlung e-Services nutzen kann. Es steht dem
Anbieter dabei frei, innerhalb der einzelnen After-Sales-Services selbst weitere Bündelungen vorzunehmen, z.B. die Kopplung einer Garantieverlängerung an den Abschluss
eines Wartungsvertrags.193
189
Siems (2009, S. 211 f., 216)
190
Beyer (2007, S. 256); Bruhn & Meffert (2001, 45 f.); Trachsler (1996, S. 27)
191
Trachsler (1996, S. 31–37)
192
Simon & Fassnacht (2009, S. 306)
193
Trachsler (1996, S. 27 ff.)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.4
59
Kundennutzengeleiteter Optimierungsprozess
Sämtliche aus der Theorie stammenden Konzepte und Modelle sowie die Erfolgsfaktoren aus Praxisbeobachtungen bedürfen für ihre erfolgreiche Multiplikation in weiteren
Unternehmen der Operationalisierung. Diese findet, wenn es um die Gestaltung eines
komplexen Produkt-/Service-Portfolios geht, innerhalb des Leistungssystems des Unternehmens statt. Nachfolgend wird das Konzept von Leistungssystemen beschrieben
und sein Unterschied zu herkömmlichen Leistungsbündeln aufgezeigt. Im Anschluss
wird das Customer-Value-Modell vorgestellt und erläutert, wie dieses als Instrument
für einen Optimierungsprozess eingesetzt werden kann.
2.4.1 Vom Leistungsbündel zum Leistungssystem
Von einem Leistungsbündel spricht man, wenn Sach- und Dienstleistungen von einem
Unternehmen miteinander verbunden werden. Gemäss von Gizycki194 wird unter Leistungsbündeln ein
«gleichzeitiges Angebot von mindestens einer Sachleistung und mindestens einer Dienstleistung verstanden, wobei ein komplementäres Verhältnis zwischen
den Gütern besteht.»
Dabei wird zwischen konsumtiven Güterkombinationen, welche für den Endkonsumenten bestimmt sind, und investiven Leistungsbündeln, welche im B2B-Markt als
Unterstützung der Sachleistung zum Einsatz kommen, unterschieden (S. 27). Der Begriff des investiven Leistungsbündels ist eng verwandt mit jenem der industriellen
Dienstleistung, welche in Ergänzung zu einem Primärprodukt (Sachleistung) erbracht
wird.195 Neben der Unterteilung der Leistungsbündel nach ihren Abnehmern existieren
mehrere Systematisierungen, nach welchen Leistungsbündel eingeordnet werden können, wie z.B. nach der Eigenschaft der Teilleistung oder der Form der Bündelung.196
Bei einem «Leistungssystem» handelt es sich ebenfalls um ein Bündel bestehend aus
mindestens einer Sach- und Dienstleistung, wobei sich dieses jedoch durch eine Reihe
von Unterscheidungsmerkmalen vom klassischen Leistungsbündel abgrenzt. Belz et
194
von Gizycki (2000, S. 26)
195
vgl. Kapitel 1.5.1
196
vgl. von Gizycki (2000, S. 36 ff.)
60
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
al.197 definieren Leistungssysteme als integrierte Lösungen, welche aus einer Kombination von Produkten und Dienstleistungen bestehen und auf spezifische Kundensegmente ausgerichtet sind. Leistungssysteme lösen dabei die Probleme für ausgewählte
Kunden «umfassend und wirtschaftlich» (S. 32). Sie verfolgen das Ziel, das «Kernprodukt zu strukturieren, die vielfältigen Dienstleistungen dem Kunden bewusst zu
machen und sich vom Wettbewerb zu differenzieren.»198 Leistungssysteme nehmen
damit eine angebotsorientierte Sichtweise ein, welche die Leistungen des Unternehmens für Kunden bzw. Kundensegmente strukturiert. Dabei wird das herkömmliche
physische Produkt beibehalten, jedoch mit spezifischem (Dienstleistungs-)Know-how
ergänzt. Die Absicht kann dabei sowohl eine verbesserte Kundenbindung wie auch ein
Wettbewerbsvorteil oder die Durchsetzung höherer Preise sein.199
Leistungssysteme differenzieren sich gemäss Belz et al.200 infolgedessen über die Anwendung von fünf Prinzipen von einem Leistungsbündel:
Tabelle 5: Unterscheidungsmerkmale Leistungssysteme
Prinzip
Umschreibung
Integration
Die Leistungen für den Kunden werden integriert betrachtet und hinsichtlich ihres Synergiepotentials bewertet.
Verrechnung
Durch ein Leistungssystem erbrachte Mehrleistungen werden direkt oder
indirekt verrechnet.
Partizipation und Dialog
Problemlösungen werden zusammen mit Kunden oder Vertriebspartnern
erkannt, realisiert und kommuniziert.
Evolution
Leistungssysteme unterliegend einer fortlaufenden dynamischen Weiterentwicklung, damit sich das Unternehmen von Konkurrenzaktivitäten
differenzieren und sich verändernde Kundenansprüche fortlaufend erfüllen kann.
Relevanz
Leistungssysteme fokussieren sich auf die relevanten Bedürfnisse des
Kunden und eliminieren überflüssige Leistungen.
197
Belz & Bieger (2006, S. 32–34)
198
Belz et al. (1997, S. 28)
199
Belz & Bieger (2006, S. 33, 163)
200
Belz & Bieger (2006, S. 33)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
61
Beim Kauf von Investitionsgütern wie Maschinen und Anlagen handelt es sich um den
Erwerb von Leistungssystemen, welche sich in ihrem Spezifitätsgrad nach Produkttyp
und Kundenanforderung unterscheiden. 201
2.4.2 Der Customer-Value-Ansatz
Während sich ein Leistungssystem stets aus Perspektive des Unternehmens definiert
und sich an dem beim Kunden aufaddierten Nutzen bemisst, bezieht sich ein Kundensystem auf die Anforderungen, Probleme und Bedürfnisse, welche bei den einzelnen
Marktsegmenten, Kundengruppen oder individuellen Käufern entstehen. Erfolgreiche
Unternehmen verfügen über die Fähigkeit, Leistungs- und Kundensysteme zu integrieren und über einen Leistungsansatz umzusetzen.202
Der Customer-Value-Ansatz von Belz et al.203 verbindet das strategische Leistungsund Kundenmanagement des Unternehmens und richtet dieses auf den CustomerValue aus. Der Customer-Value ist als vorgelagerte Grösse des Shareholder-Values zu
verstehen, welcher sowohl den Kundenvorteil (Kundennutzen) wie auch den Kundenwert (Wert von Kunden für den Anbieter) mit einbezieht, und damit den Unternehmenserfolg treibt.204 Der Customer-Value-Ansatz stellt damit die Verbindung zwischen der Perspektive des Kunden und jener des Anbieters her.205 Für die Umsetzung
des Customer-Values in ein strategisches Leistungs- und Kundenmanagement wurde
das «Customer-Value-Modell» (CV-Modell) entwickelt, welches ein umfassender Bezugsrahmen mit verschiedenen Bausteinen ist, der Unternehmensaktivitäten auf eine
Customer-Value-Maximierung ausrichtet. Abbildung 13 zeigt das CV-Modell im
Überblick:
201
Schauenburg (1999, S. 45)
202
Belz & Bieger (2006, S. 21, 33 f.)
203
Belz & Bieger (2006, S. 117 f.)
204
vgl. die Diskussion des Begriffs «Customer-Value» in Kapitel 2.2.1
205
Belz & Bieger (2006, S. 20)
62
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Abbildung 13: Customer-Value-Modell
Diagnose Umfeld
Diagnose Markt und Unternehmen
Strategisches Leistungsund Kundenmanagement
Leistungserstellungsund Nutzungssystem
MitarbeiterSystem:
Mitarbeitervorteil
und
Ressourcen
Leistungssystem:
Anbietervorteil:
Kommunikation
Kunde
Konfiguration
Kommerzialisierung
Kompetenz
Partnersystem
Kooperation
Kontrolle
Quelle: Belz & Bieger (2006, S. 117)
Neben dem strategischen Leistungs- und Kundenmanagement, das die Unternehmensaktivitäten auf den Customer-Value ausrichtet, stehen bei Belz et al.206 die «5 Ks»,
welche die kritischen Erfolgsvariablen für die Operationalisierung von Leistungs- und
Kundensystemen sind, im Modellmittelpunkt. Der Baustein Kompetenz beinhaltet
einerseits die für die Leistungserbringung intern benötigten Kompetenzen und andererseits die Fähigkeiten, Kompetenzen von Externen (z.B. Kunden, Partner) zu administrieren, zu delegieren und zu integrieren (S. 311). Die Anwendung geschieht als
Teil des Mitarbeitersystems. Innerhalb der Konfiguration wird die Leistung des Unternehmens konkretisiert und auf die spezifischen Kundenprobleme gerichtet, so dass
diese gezielt und umfassend gelöst werden. Aus der Konfiguration resultiert die
Marktposition des Unternehmens (S. 219). Bei der Kommerzialisierung geht es um
die Erarbeitung der Strategie, welche es den Unternehmen erlaubt, die auf Grund von
Wettbewerbsdruck erbrachten Mehrleistungen zu ihrem Wert an den Kunden zu verrechnen (S. 283). Die Kooperation befasst sich mit der Frage, welche Leistungen vom
206
Belz & Bieger (2006, S. 138 ff.)
THEORETISCHE GRUNDLAGEN
63
Unternehmen selbst und welche von Partnern erbracht werden sollen. Der Kooperation
liegt die Hypothese zu Grunde, dass im Verbund von aktiven Kooperationspartnern
innovative Lösungen für den Kunden entstehen (S. 344). Im Baustein Kommunikation, welcher als zentrales Bindeglied für Interaktionen innerhalb des Unternehmens
sowie zwischen dem Unternehmen externen Parteien eine übergeordnete Rolle im CVModell einnimmt, geht es um die Festlegung der Kommunikationsstrategien des Unternehmens (S. 258).
2.4.3 Der CV-Ansatz als kundennutzengeleiteter Optimierungsprozess
Das CV-Modell integriert als Prozessmodell die Arbeitsschritte, welche für einen Optimierungsprozess notwendig sind. Sie sind in nachfolgender Abbildung 14 dargestellt.
Abbildung 14: Erarbeitungsprozess CV-Modell
Vorgaben
Diagnose
Der Unternehmensführung
Von Umfeld,
Markt und
Unternehmen, Marktforschung
Strategie und operative
Umsetzung
Kunde
Gestaltung
Kontrolle
Quelle: Belz & Bieger (2006, S. 116)
Industrielle Unternehmen können die Prinzipien der Leistungssysteme nutzen, um die
historisch gewachsenen Dienstleistungen und Zugeständnisse für den Kunden zu bereinigen und ihre Produkt-/Service-Kombinationen zu strukturieren und zu fokussieren. Die Anwendung der in Tabelle 5 aufgeführten Prinzipien unterstützt sie dabei.207
207
Belz & Bieger (2006, S. 33, 163)
64
3
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Kundennutzen von After-Sales-Services
Wie im einleitenden Kapitel dieser Dissertation erörtert,208 steuern die Einflussfaktoren Elimination irrelevanter Leistungen, Maximierung der Zahlungsbereitschaft und
Preisdurchsetzung die Rentabilität von After-Sales-Services. Unter Zuhilfenahme von
theoretischen Erklärungsmodellen aus der mikroökonomischen Nutzentheorie und den
Verhaltenswissenschaften lässt sich ein Zusammenhang zwischen Kundennutzen und
Rentabilität herstellen. Die Beeinflussung des Kundennutzens findet innerhalb eines
Kaufentscheidungsprozesses statt, bei welchem die Mitglieder des Buying Centers
durch eine individuelle Bewertung den wahrgenommenen Nutzen einer Leistung an
den wahrgenommenen Kosten messen, wobei kein absoluter, sondern ein wettbewerbsbezogener Vergleich stattfindet. 209
Um Optimierungsmassnahmen für die Rentabilisierung von After-Sales-Services zu
entwickeln, muss man infolgedessen verstehen, wie innerhalb eines Kaufentscheidungsprozesses aus Perspektive des Kunden Nutzen und Kosten für After-SalesServices wahrgenommen und bewertet werden.
3.1
Zielsetzung
Diese Studie erfasst die Wahrnehmung und Bewertung von Nutzen und Kosten von
After-Sales-Services innerhalb von Kaufentscheidungsprozessen bei Investitionen in
Werkzeugmaschinen aus Perspektive des Kunden. Die Erkenntnisse werden mit der
Absicht gewonnen, Opportunitäten für eine Optimierung des Leistungssystems von
WZM-Herstellern zu identifizieren, um dieses mit geeigneten Massnahmen zu rentabilisieren. Um diese übergeordnete Zielsetzung der Studie zu erreichen, werden in einem
ersten Schritt Nutzenpräferenzen zu After-Sales-Services bei den Kunden identifiziert.
Im Anschluss werden die Kunden gemäss ihren artikulierten Nutzenpräferenzen in
Segmente eingeteilt. Die Identifikation von relevanten Kundensegmenten erlaubt deren Marktbearbeitung mit auf sie optimierten Marketinginstrumenten. Im Anschluss
werden segmentübergreifend die aus Kundenperspektive relevanten Themen identifiziert und durch eine Reflexion der Argumente und Verhaltensweisen der Kunden nach
mit den Themen verbundenen Opportunitäten gesucht, welche aus dem Blickwinkel
208
vgl. Kapitel 1.6
209
vgl. Kapitel 2.2.3
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
65
der Rentabilitätsoptimierung von WZM-Herstellern für die Optimierung ihres Leistungssystems verwendet werden können.
3.2
Methodik
Die Methodik folgt einem in fünf Teilbereiche abgrenzbarem Ablauf: Design, Strukturierung der Interviews, Auswahl der Untersuchungsobjekte, Datensammlung und Datenauswertung.
3.2.1 Design
Die Studie ist aus forschungsmethodologischer Sicht als empirisch-induktiv einzuordnen, da sie empirische Daten aus Gesprächen mit Mitgliedern des Buying Centers von
Kunden von mittelständischen industriellen Unternehmen in einzelnen Fallstudien erfasst, aus welchen anschliessend in einem spezifischen Kontext generalisierbare Resultate abgeleitet werden.210 Die Datensammlung findet mit semi-strukturierten Interviews statt, welche mit einer fallübergreifenden Synthese (engl.: «cross-case synthesis») ausgewertet werden. Es handelt sich um eine qualitative Studie, deren Hauptdatengrundlage eine Befragung von Entscheidungsträgern in Unternehmen ist.
Die Studie untersucht Kaufentscheidungsprozesse über Investitionen in Werkzeugmaschinen, welche über eine After-Sales-Komponente verfügen. Pro Unternehmen wird
ein Kaufentscheidungsprozess analysiert und punktuell mit anderen Kaufentscheidungen des Unternehmens verglichen.
3.2.2 Strukturierung der Interviews
Die Gestaltung der semi-strukturierten Interviews folgt dem Prozess des organisationalen Kaufverhaltens, wie er von Choffray & Lilien211 vorgeschlagen wird, wobei der
Gesamtinvestitionsprozess beachtet wird. Vertiefende Fragen konzentrieren sich auf
die After-Sales-Services als Teilaspekt der Kaufentscheidung. Die Interviews sind teilstrukturiert, wodurch es zu einem Mix zwischen offenen und geschlossenen Fragen
kommt. 212 Der Aufbau der Interviews wird nachfolgend visualisiert:
210
Bortz & Döring (2006, S. 300); Tomczak (1992, S. 77 ff.); Ulrich & Hill (1976, S. 348)
211
Choffray & Lilien (1978), vgl. auch Kapitel 2.1.2.2
212
Buber (2007, S. 421)
66
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Abbildung 15: Strukturierung der Interviews
1. Erfassung der Grundlagendaten des Kunden
2. Kategorisierung der gekauften Werkzeugmaschine
3.1 Awareness
3. Ablauf des
Kaufprozesses,
beteiligte Personen, Entscheidung über AfterSales- Services
3.2 Akzeptanz
3.3 Individuelle Bewertung
3.4 Gruppenentscheidung
4. Offene Abschlussfrage
Quelle: Eigene Darstellung.
Zu Beginn der Interviews werden die Makrodaten des Kunden sowie jene des WZMHerstellers und, falls die WZM nicht direkt vom Hersteller bezogen wurde, des Distributors erfasst.213 Des Weiteren wird das Verhältnis zwischen Kunde und Lieferant
(Erst- oder Wiederholungskauf) erfasst. Die Makro-Einflussgrössen wurden auf Grund
ihres Erklärungscharakters für das organisationale Nachfrageverhalten ausgewählt: Sie
basieren auf dem Segmentierungskonzept für Industriemärkte von Wind & Cardozo.214
Im Anschluss wird in einem zweiten Teil die Mikro-Segmentierung anhand zusätzlicher Messgrössen – personenbezogene Daten und charakterisierende Parameter der
erworbenen WZM – erfasst und diskutiert. Ebenfalls in Anlehnung an Wind & Cardozo werden die vom Kunden wahrgenommene Bedeutung des Kaufs, bemessen am
Kaufpreis und an seiner Einschätzung zur strategischen Bedeutung, sowie seine Einstellung gegenüber dem WZM-Hersteller, bemessen am entgegengebrachten Vertrau213
Kriterien: Unternehmensgrösse (Mitarbeitende, Umsatz), Standort, Eignerstruktur, Branche, Anwendungsbereich der WZM
214
Wind & Cardozo (1974, S. 154), vgl. auch Backhaus & Voeth (2014, S. 124 f.)
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
67
en, erfasst. Des Weiteren wird das interne Know-how des Kunden in Bezug auf die
Technologie der erworbenen WZM erfragt.215 Als für die After-Sales-Services spezifische Mikro-Segmentierungskriterien werden des Weiteren die internen Ausfallkosten
der WZM216 sowie die wahrgenommene Qualitätsklassifizierung217 erfasst.
Anschliessend folgt das Interview dem Prozessablauf des organisationalen Beschaffungswesens von Choffray & Lilien. In einem ersten Themenblock betrifft dies die
Bedeutung der After-Sales-Services bei der Entscheidung, ob das gekaufte Investitionsgut in das Evoked Set aufgenommen wird und inwiefern es in der Kauf- und der
Nachkaufphase effektiv zum Bezug von After-Sales-Services gekommen ist. Der
zweite Themenblock befasst sich mit unternehmensinternen Vorgaben, welche bezüglich der Serviceeigenschaften bestehen. In einem dritten Themenblock wird der Einfluss der einzelnen Bestandteile der After-Sales-Services auf die individuelle Nutzenbewertung erfasst. Neben den entscheidungsrelevanten Faktoren im beobachteten
Kaufprozess werden die Idealvorstellungen der Teilnehmenden erfasst und die individuelle Bewertung von erweiterten Servicemodellen diskutiert. Abschliessend wird die
Bedeutung der After-Sales-Services im Gruppenentscheidungsprozess beurteilt. Das
Gespräch wird mit einer offenen Frage beendet, in welcher die Teilnehmenden sich in
allgemeiner Art und Weise zu gutem bzw. schlechtem Service äussern und ihrerseits
Vorschläge zur verbesserten Ausgestaltung von After-Sales-Services machen können.
Der Gesprächsleitfaden für die semi-strukturierten Interviews ist in Anhang 1 angefügt.
3.2.3 Auswahl der Untersuchungsobjekte
Die Untersuchungsobjekte sind die Käufer von Werkzeugmaschinen – der Kaufprozess wird aus ihrer Sicht diskutiert. Sie werden in dieser Studie als «Kunden» bezeichnet. Die Erfragung des Ablaufs des Kaufprozesses direkt beim Kunden bringt den Vorteil mit sich, dass die «markante[n] Unterschiede zwischen der Eigenwahrnehmung
der Hersteller und der Kundenwahrnehmung in Bezug auf Bekanntheitsgrad, Qualität
215
Wind & Cardozo (1974, S. 154)
216
Die Relevanz der Ausfallkosten beim Kunden wurde in der Vergangenheit als strategiebestimmen-
des Kriterium im After-Sales identifiziert, vgl. Baumbach (1998, S. 27).
217
Die Relevanz der wahrgenommenen Qualität durch den Kunden wird auf Grund des Zusammenhangs zwischen Preis- und Qualitätserwartung aufgenommen. Vgl. dazu Diller (2008, S. 150 f.), von
Gizycki (2000, S. 128) sowie Kapitel 2.3.3.1.
68
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
und Kundennutzen angebotener Dienstleistungen» 218 ausreichend berücksichtigt werden. Des Weiteren eröffnet das Gespräch mit den Kunden die Möglichkeit, ein vertieftes Verständnis des Kaufprozesses mittels qualitativer Forschungsmethoden aufzubauen sowie die kognitiven Vorgänge zu erfassen, welche zur Bildung von artikulierten
und latenten Präferenzen führen, und festzuhalten, wie und wann sich diese im Kaufprozess herauskristallisieren.
Die Grundgesamtheit für diese Studie wird durch den definierten Praxisbegriff nur
hinsichtlich der WZM-Hersteller eingeschränkt,219 d.h., während auf Anbieterseite eine Fokussierung auf mittelständische dienstleistende Produzenten im Maschinen- und
Anlagenbau vorgenommen wird, sind auf Kundenseite keine Einschränkungen vorgegeben, ausser jenen, welche sich aus der Definition des Maschinen- und Anlagenbaus
bzw. dessen Eingrenzung auf die WZM ergeben:220 Sämtliche Kunden müssen über
mindestens eine WZM verfügen, welche sie in den letzten Jahren akquiriert haben. Da
eine Zufallsauswahl aus der Grundgesamtheit nicht umsetzbar ist, wird eine Selektion
der Untersuchungsobjekte nach festgelegten Kriterien vorgenommen. Dieses Vorgehen ist gemäss Eisenhardt221 für fallbezogene qualitative Untersuchungen angebracht,
wenn die Auswahl der Fälle begründet wird.
In der folgenden Tabelle 6 sind die gewählten Anforderungen an die Fälle zusammengefasst. Alle Kriterien wurden im Hinblick auf ihren Erklärungscharakter für den Kontext dieser Arbeit ausgewählt.
218
Müller (1998, S. 270)
219
vgl. Kapitel 1.4.1
220
vgl. Kapitel 1.5.2 / 1.5.3
221
Eisenhardt (1989, S. 537)
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
69
Tabelle 6: Anforderungen an die Untersuchungsobjekte
Kriterium
Anforderung
Begründung
Art der Maschine
WZM gemäss DIN
Stellt die Homogenität der Stichprobe sicher.
69651 und DIN 8580.
Bedeutung der Ma-
Die WZM werden aktiv
After-Sales-Services sollen die Funktionalität der
schinen und Anla-
in der Produktion einge-
WZM erhalten oder erweitern. Damit der Stellen-
gen
setzt.
wert dieser Anforderung gegeben ist, wurden nur
aktiv in der Produktion eingesetzte WZM betrachtet.
Übergang von Be-
Die betrachteten WZM
Nutzen und Gefahr der betrachteten WZM muss-
sitz
sind im Besitz des Kun-
ten durch einen Kaufvorgang in den Besitz des
den.
Kunden übergegangen sein, um eine Abgrenzung
zu produzierenden Dienstleistern / Performance
Contracting vorzunehmen (vgl. Kapitel 1.5.1).
Internationalität
Analyse von nationalen
Schweizer Maschinen- und Anlagenbauer expor-
und internationalen Kun-
tieren eine Mehrheit ihrer Produkte ins Ausland.222
denbedürfnissen.
Die Bedürfnisse der ausländischen Kunden sind
entsprechend mindestens so wichtig wie jene der
Binnenmarktkunden. Diesem Umstand wird damit
Rechnung getragen, dass in die Stichprobe sowohl
Kunden aus der Schweiz als auch aus Deutschland
einbezogen werden.223
Aktuelle und rele-
Investition in den letzten
Aus Gründen der Aktualität und der Relevanz
vante Investition
5 Jahren zu mindestens
wurden ausschliesslich Kaufprozesse diskutiert,
CHF 100 000.– /
welche max. 5 Jahre zurücklagen und eine Investi-
EUR 80 000. –
tion in eine Werkzeugmaschine zu einem Betrag >
CHF 100 000.– (Schweiz) bzw. > EUR 80 000.–
(Deutschland) beinhalteten.
3.2.4 Datensammlung
Die Daten werden in persönlichen Gesprächen mit den Mitgliedern des Buying Centers der Kunden erhoben. Wo vorhanden, werden firmeninterne Dokumente, wie z.B.
vorgegebene konzerninterne Investitionsanträge, in die Analysen mit einbezogen. Pro
222
223
Swissmem (2015, S. 8)
Aus Gründen der praktischen Umsetzbarkeit wurden keine weiteren Länder in die Stichprobe einbezogen. Die damit verbundenen Limitationen werden in Kapitel 5.3 diskutiert.
70
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Kunde wird mit zwei bis fünf Mitgliedern des Buying Centers ein Interview geführt. In
jedem Fall wird die Anwesenheit der im Kaufprozess federführenden Person verlangt.
Ergänzend sind, je nach Kunde, Inhaber, Einkäufer, Techniker, Maschinisten und
Entwickler zusätzlich eingeladen am Gespräch teilzunehmen. Durch die Involvierung
eines breiten Personenkreises wird das Buying Center repräsentativ wiedergegeben.
3.2.4.1
Berücksichtigung ethischer Konflikte
Die ethischen Gesichtspunkte der Forschung und der Schutz der Interessen der an der
Studie Teilnehmenden sind insbesondere in der qualitativen Forschung, wo eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Untersuchungsobjekten stattfindet, zu berücksichtigen.224 Das in dieser Studie gewählte Forschungsdesign beinhaltet einen potentiellen
ethischen Konflikt, da basierend auf den von den Studienteilnehmenden offengelegten
Präferenzen und dem bei ihnen beobachteten Verhalten Erkenntnisse über die Rentabilisierung von Leistungen ihrer potentiellen Lieferanten abgeleitet werden, welche damit, direkt oder indirekt, zu einer Schlechterstellung der Studienteilnehmenden als
Wirtschaftssubjekte führen könnten. Um einen ethischen Konflikt zu vermeiden, werden die Studienteilnehmenden im Voraus über die Zielsetzung der Studie informiert
und darüber aufgeklärt, in welcher Form und mit welcher Absicht die aus den Interviews gewonnenen Daten verwendet werden. Des Weiteren ist die Anonymität der
Studienteilnehmenden sichergestellt.225
3.2.5 Datenauswertung
3.2.5.1
Begriffsabgrenzungen
Da in diesem und den nachfolgenden Kapiteln dieser Dissertation verschiedene Perspektiven eingenommen werden, werden nachfolgend zur Übersicht und Verständlichkeit für den Leser zentrale Begriffe für den Kontext dieser Arbeit einheitlich definiert.
Unter Anbietern werden mittelständische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus in der Schweiz verstanden. Sie sind die Zielgruppe, für welche der Optimierungsprozess erarbeitet wird. Alle themenspezifischen Fallbeispiele, welche als Teil
224
225
Flick (2011, S. 56 ff.)
Das Vorgehen zur Sicherstellung ethischen Handelns in der qualitativen Forschung folgt der Empfehlung von Flick (2011, S. 63–66).
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
71
des Optimierungsprozesses in Kapitel 4 aufgeführt sind,226 wurden bei Unternehmen
erhoben, welche sich als «Anbieter» klassifizieren.
Als Kunden werden Unternehmen bzw. ihre Entscheidungsträger bezeichnet, welche
WZM in einer industriellen Fertigung einsetzen. Alle in den Fallstudien befragten Entscheidungsträger bzw. ihre Unternehmen als Arbeitgeber sind den «Kunden» zugeordnet.227 Die Kunden unterliegen keiner Restriktion in der Unternehmensgrösse: Diese
kann von Mikrounternehmen bis Grosskonzerne reichen.
Unter Werkzeugmaschinen-Herstellern (WZM-Hersteller) werden sämtliche Hersteller von Werkzeugmaschinen bzw. ihre Distributoren verstanden, unabhängig von
ihrer Grösse und ihrem Standort. Die «Anbieter» sind eine Teilmenge aller global
existierenden WZM-Hersteller.
Als Experten werden Führungskräfte und Fachverantwortliche der Werkzeugmaschinenbranche bezeichnet, welche langjährige Erfahrung im After-Sales-Geschäft haben.
Sie sind bei Maschinen- und Anlagenbauern oder bei auf Service und Verkauf spezialisierten Distributoren beschäftigt. Sie können infolgedessen in Unternehmen angestellt sein, welche zu den «Anbietern» gehören.228
3.2.5.2
Anonymität der Studienteilnehmenden
Die in der Studie erhobenen Daten werden in anonymisierter Form ausgewertet, was
den Unternehmen bei der Anfrage für die Partizipation an der Studie mitgeteilt wird.
Eine Anonymisierung ist wichtig, um die Bereitschaft der Unternehmen zu erhöhen,
an der Studie teilzunehmen. Da innerhalb der Gespräche interne Prozesse, Unternehmensvorgaben, kritische Feedbacks zu Schlüssellieferanten sowie Zahlungsbereitschaften für Leistungsbestandteile erfragt werden, ist ein unvoreingenommenes Antwortverhalten ohne gewährte Anonymität nicht möglich; die Validität der Studie würde infolgedessen durch die Nennung von Firmen- und Personendaten korrumpiert.229
Des Weiteren mindert die Auswertungsmethode der fallübergreifenden Synthese den
Mehrwert einer Nennung von Firmen- und Personendaten, da idealtypische Fälle und
226
Eine Übersicht über die Fallbeispiele findet sich in Kapitel 4.3.2.
227
vgl. auch die Anforderungen an die Werkzeugmaschinen der Kunden in Tabelle 6
228
vgl. dazu die Expertengespräche in Kapitel 4.3.1
229
Bortz & Döring (2006, S. 327); King & Bruner (2000, S. 94)
72
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
nicht Einzelbetrachtungen ausformuliert werden. Dank der gewährten Anonymität
können bei der Präsentation der Resultate der Studie Statements von Kunden unverfälscht und authentisch wiedergegeben werden.230
3.2.5.3
Auswertungsmethode
Die Auswertung der Befragung erfolgt in der Form einer fallübergreifenden Synthese,
auf deren Grundlage allgemein verwendbare Erkenntnisse abgeleitet werden können.
Die Auswertung wird direkt als fallübergreifende Synthese dargestellt, auf eine Ausführung der einzelnen Fallstudien wird auf Grund der Grösse der Stichprobe verzichtet.231
Wie von Yin232 empfohlen, werden die im Kaufverhalten identifizierten Unterschiede
in den Fällen mittels eines Bewertungsrasters (engl.: «word tables») ausgewertet. Innerhalb dieses Rasters können Gemeinsamkeiten und Kontraste ausgewertet werden,
wobei eine argument- und theoriegestützte Interpretation einer numerischen Auswertung von Vorkommnissen vorzuziehen ist.
Die Auswertung erfolgt in sechs Teilschritten, welche in der nachfolgenden Abbildung
16 schematisch dargestellt sind:
230
Die Statements wurden um Unternehmensbezeichnungen und Produktmarken bereinigt. Dies ist in
den Statements durch Platzhalter zu erkennen.
231
Yin (2014, S. 164–170, 186)
232
Yin (2014, S. 165–167)
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
73
Abbildung 16: Ablauf Auswertung der Fallstudien
Buying Center
Organisations-Erfordernisse
1) technischer Art
2) finanzieller Art
realisierbare
Alternativen
Bildung individueller
Präferenzen
Total 27 Kriterien
Bildung organisationaler
Präferenzen
Individuelle Entscheidungsträger im Buying Center
Umweltrestriktionen
1) physischer Art
2) technologischer Art
3) ökonomischer Art
4) sozialer Art
Unternehmen
WZM
Kaufprozess
Services
Interaktionsstrukturen
1.
2.
3.
4.
Bewertungskriterien
Bewertungsraster
Informationsquellen
in Betracht gezogene
Alternativen
organisationale
Entscheidung
Fall 1
Fall …
Fall 23
Segment 1
Fall 7
Fall …
Fall n
Fall-Beschreibung
Segment …
Fall 1
Fall …
Fall n
Fall-Beschreibung
Segment 5
Fall 2
Fall n
Bewertungsraster
Kriterium 1
Kriterium …
Fall-Beschreibung
Identifikation relevante Themen aus Kundenperspektive und
Beobachtungen zum
Kaufverhalten
Kriterium 27
Themen, Opportunitäten und
Beobachtungen
Thema 1
Diskussion
Thema …
Beobachtung 4
Quelle: Eigene Darstellung.
In einem ersten Schritt wird, am Prozessmodell von Choffray & Lilien233 orientiert, ein
Bewertungsraster erstellt, in welchem 27 Kriterien in vier Kategorien ausgearbeitet
werden. In diesen Kriterien lassen sich die verschiedenen Ausprägungen des Kaufentscheidungsprozesses systematisch wiedergeben.
233
Choffray & Lilien (1978)
74
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
In einem zweiten Schritt werden die 27 Kriterien pro Fall bewertet, wobei pro Kriterium zwei bis sechs Ausprägungen möglich sind. Eine vollständige Liste aller Kriterien
ist in Anhang 2 und die Bewertung pro Fall ist in Anhang 3 angefügt.
In einem dritten Schritt werden die Fälle anhand ihrer Ausprägungen in Kundensegmente zusammengefasst. Es werden fünf Kundensegmente gebildet, welche gleichartige Fälle zusammenfassen. Diese werden im Anschluss beschrieben.
In einem vierten Schritt werden die innerhalb der fünf Kundensegmente aus Kundenperspektive relevanten Themen identifiziert und durch eine Reflexion der Argumente
und Verhaltensweisen der Kunden nach mit den Themen verbundenen Opportunitäten
für Optimierungsmassnahmen des Leistungssystems von WZM-Herstellern gesucht.
Ergänzt wird diese Ausführung durch Beobachtungen des Kaufverhaltens. In der anschliessenden Diskussion folgt eine Validierung mit bestehenden Theorien.
3.3
Resultate
Die Interviews wurden im Zeitraum von Juli bis Dezember 2015 durchgeführt. Gesamthaft wurden 23 Kaufentscheidungen untersucht. In den dafür durchgeführten Interviews wurden 48 Personen befragt. Wenn mehr als eine Person im Unternehmen
beteiligt war, wurden die Interviews als Gruppengespräche geführt.
Die Gespräche wurden alle persönlich vor Ort geführt und haben zwischen 40 und 120
Minuten gedauert. Ergänzend zu den Interviews wurde in den meisten Fällen eine Besichtigung des Unternehmens und der betrachteten Werkzeugmaschine vorgenommen.
Die Gespräche wurden elektronisch aufgezeichnet, zusätzlich wurden Notizen gemacht. Aus der Nachbearbeitung resultierten 205 Seiten Interviewprotokolle.
Nachfolgend werden die Ergebnisse präsentiert und diskutiert. Dazu wird zu Beginn
ein Überblick über die Stichprobe gegeben, ehe gemäss dem in Abbildung 16 skizzierten Ablauf die Datenauswertung präsentiert wird.
3.3.1 Zusammensetzung der Stichprobe
Die 23 Kunden haben ihren Standort zu zwei Dritteln in der Schweiz (16 Unternehmen) und zu einem Drittel in Deutschland (7 Unternehmen). Sie sind der Maschinen-,
Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) zuzuordnen. In der nachfolgenden Abbildung 17 sind sie nach Industriezweig aufgeschlüsselt:
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
75
Abbildung 17: Einordnung nach Industrie
KOMPONENTENFERTIGUNG
12
MASCHINEN- UND ANLAGENBAU
2
NACHSCHLEIFSERVICE
1
WERKZEUGBESCHICHTUNGEN
2
WERKZEUGHERSTELLUNG
6
0
2
4
6
8
10
12
14
Quelle: Eigene Darstellung.
Bei der Grösse der Kunden, der Art und Struktur ihrer Anteilseigner und dem Marktumfeld, in welchem sie sich bewegen, wurde nach einer breiten Verteilung gesucht,
um möglichst vielfältige Fälle betrachten zu können. Der kleinste Kunde ist ein inhabergeführtes Mikrounternehmen mit einem Jahresumsatz von CHF 2 Mio. mit 7 Mitarbeitenden, der grösste Kunde ein börsennotierter, global agierender Konzern mit einem Jahresumsatz von über CHF 13 Mrd. und 80 000 Mitarbeitenden.
Alle in den Kaufprozessen betrachteten WZM waren im Besitz der Kunden und aktiv
in der Produktion eingesetzt. Abbildung 18 zeigt die technische Zuordnung der WZM
nach ihrem Typ:
76
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Abbildung 18: Einordnung nach Werkzeugmaschinentyp
BESCHICHTUNGSANLAGE
3
DREH-, FRÄS- U. SCHLEIFZENTRUM
11
ERODIERMASCHINE
1
FEINSCHNEIDEPRESSE
1
HÄRTEOFEN
2
LASERSCHWEISSMASCHINE
1
SCHLEIFMASCHINE
2
SINTHERANLAGE
1
BÜRSTMASCHINE
1
0
2
4
6
8
10
12
Quelle: Eigene Darstellung.
Wie aus Abbildung 18 hervorgeht, sind knapp die Hälfte der betrachteten Werkzeugmaschinen den Dreh-, Fräs- und Schleifzentren zugeordnet. Dies rührt einerseits daher,
dass es sich um eine Sammelkategorie handelt, d.h., darin enthalten sind z.B. auch reine Dreh- und Fräszentren. Andererseits sind diese Zentren sehr flexibel, weshalb sie,
insbesondere in der Komponentenfertigung, in einem Grossteil der Unternehmen vorhanden sind. In einer technischen Kategorisierung (5er-Skala von Low-End bis HighEnd) wurden alle Maschinen im Vergleich zu evaluierten Konkurrenzprodukte bei mittel bis hoch eingeordnet. Diese Verteilung ist kaum erstaunlich, da sowohl die Schweiz
wie auch Deutschland qualitätsorientierte Fertigungsstandorte sind. Dies zeigt sich
auch in den Herkunftsländern der WZM, wo Maschinen und Anlagen in den betrachteten Fällen am häufigsten aus Deutschland, der Schweiz und aus Japan kamen: Für den
Weltmarkt bedeutende Hersteller aus Taiwan waren in dem Sample nicht vertreten,
was ebenfalls mit der Qualitätsorientierung von Mitteleuropa zu erklären ist.234 Die
Beschaffungskosten der Maschinen betrugen im Mittel CHF 850 000.–, bei einer
Spannweite von CHF 90 000 bis CHF 3,5 Mio.
Bei den Kunden wurde stets mit jenen Personen gesprochen, welche im Kaufentscheidungsprozess eine Schlüsselrolle in der Entscheidungsfindung gespielt hatten. Bei
234
Swissmem (2015, S. 42)
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
77
kleineren Kunden (< CHF 20 Mio. Umsatz) war dies in der Regel der CEO, bei grösseren waren Produktions-, Bereichs- und Abteilungsleiter die Hauptansprechpartner,
an einigen Stellen mit Unterstützung von Technikern und F&E-Mitarbeitenden. Nachfolgende Abbildung 19 zeigt die Zusammensetzung der Interviewpartner nach Funktion:
Abbildung 19: Funktion der Interviewpartner
ABTEILUNGSLEITER
11
BEREICHSLEITER
5
CEO
14
EINKAUF
4
F&E / TECHNIKER
9
PRODUKTIONSLEITER
5
0
2
4
6
8
10
12
14
16
Quelle: Eigene Darstellung.
3.3.2 Bildung von Kundensegmenten
Segmente fassen Kunden auf Grund ihrer homogenen Marktreaktion in Gruppen zusammen mit dem Ziel, den heterogenen Bedürfnissen der einzelnen Marktteilnehmer
mit passenden Marketinginstrumenten zu begegnen und divergierende Preispräferenzen für einzelne Leistungsbestandteile zwischen den Kunden zu respektieren.235 Bei
der Bildung der Kundensegmente wurden die Einstellung und das Verhalten der Kunden hinsichtlich von After-Sales-Services als Segmentierungskriterien verwendet.
Nachfolgende Tabelle 7 zeigt die darin enthaltenen Kriterien in einer Übersicht.236
235
Meffert et al. (2015, S. 174); Simon & Fassnacht (2009, S. 85 f.)
236
vgl. auch Anhang 2 und 3
78
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Tabelle 7: Kriterien: Einstellung und Verhalten zu After-Sales-Services
Kriterium
Beschreibung
Einstellung zu Service-
Beurteilung der allgemeinen Einstellung zu After-Sales-Services auf Basis
und Wartungsleistungen
getroffener Aussagen und des dokumentierten Entscheidungsverhaltens der
Kunden im untersuchten Kaufprozess und in Kaufprozessen für andere
WZM im Unternehmen.
Zahlungsbereitschaft für Antworten in den Interviews zur Zahlungsbereitschaft für e-Services.
e-Services
Beschaffungsverhalten
Angaben zum Beschaffungsverhalten für Ersatzteile: via Hersteller oder im
für Ersatzteile
freien Markt. Auswertung der angegebenen Begründungen.
Abschluss von Service-
Abschluss eines Service- und/oder Wartungsvertrages im untersuchten Fall,
und Wartungsverträgen
Begründungen für den Abschluss / Nichtabschluss von Service- und Wartungsverträgen.
Die Kriterien charakterisieren den – effektiven oder geplanten – Konsum von AfterSales-Services nach dem Kauf der WZM, die Zahlungsbereitschaften für Serviceeinsätze, Ersatzteile und e-Services sowie die generelle Einstellung und Offenheit der
Entscheidungsträger hinsichtlich der After-Sales-Services. Sie zeigen damit in ihrer
Gesamtheit den vom Kunden wahrgenommenen Nutzen der After-Sales-Services,
welcher aus den artikulierten Präferenzen und dem beobachtbaren Verhalten bestimmt
werden kann. 237 Unter Berücksichtigung von Kontextfaktoren wurden die einzelnen
Fälle gemäss einer Punkteskala bewertet und in Terzile eingeteilt:
Tabelle 8: Kategorisierung der Fälle nach wahrgenommenem Kundennutzen
Vom Kunden wahrgenommener
Punkte aus Bewertung
Anzahl Fälle
4–7 Punkte
8 Fälle
Mittel
8–11 Punkte
9 Fälle
Hoch
13–16 Punkte
6 Fälle
Nutzen von After-Sales-Services
Tief
237
Die Wahl des Kundennutzens als Segmentierungskriterium leitet sich aus dem Ziel dieser Arbeit
sowie der Verbindung zwischen dem Kundennutzen und der Rentabilität ab. Vgl. dazu Kapitel 1.3 und
2.2.6.
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
79
In der Folge wurde die numerische Zuteilung einer qualitativen Analyse für jeden einzelnen Fall durch eine profunde Analyse der Text- und Audioprotokolle mit den fallspezifischen Besonderheiten geprüft, zu deren Beurteilung auch die übrigen 23 Kriterien verwendet wurden. Diese Prüfung hat zwei Sachverhalte ergeben:
Erstens hat sie gezeigt, dass Gemeinsamkeiten in den Fällen auf Grund von Unternehmensdaten, wie der Unternehmensgrösse, der Eignerstruktur und der Zusammensetzung des Buying Centers, zustande kommen, während den mit den einzelnen Kaufentscheidungen verbundenen Kriterien der Werkzeugmaschine, wie deren wahrgenommene Ausfallkosten, technische Klassifizierung oder strategische Bedeutung, ein
geringer Erklärungscharakter zukommt. Selbst die von den Kunden eingeschätzten
Folgekosten beim Ausfall einer Werkzeugmaschine zeigen keinen eindeutigen Zusammenhang mit dem Abschluss von Service- oder Wartungsverträgen auf, welche bei
Maschinenausfällen für eine grössere Sicherheit beim Kunden sorgen sollten.
Zweitens führt die Untergliederung der Fälle in Terzile auf Grund des wahrgenommenen Kundennutzens von After-Sales-Services für das erste Terzil nicht zu einer homogenen Gruppe, aus deren Zusammenfassung Verhaltensgemeinsamkeiten abgeleitet
werden können. Das erste Terzil benötigt eine weitere Unterteilung in Subgruppen. In
der ersten Subgruppe, den technischen Innovatoren, wurden zwei Fälle eingeteilt, bei
welchen die Kunden in eine neuartige und innovative Technologie investiert haben,
welche zum Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes führen sollte. Treiber und Entscheider waren in beiden Fällen die Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Die zweite
Subgruppe, die reaktiven Service-on-Demand-Bezüger, fasst jene drei Fälle zusammen, in welchen Kunden sich aus prinzipiellen Gründen gegen den Bezug von externen After-Sales-Services stellen und diese, in der Form eines notwendigen Übels, ausschliesslich reaktiv beziehen. Der dritten Subgruppe, den internen Servicedienstleistern, wurden jene Kunden zugeteilt, welche über ein höchst professionelles Servicemanagement verfügen, dieses jedoch aus Gründen der Kompetenz, der Verfügbarkeit
und der Reaktionszeit mit internen Personen besetzen. Entgegen der in den anderen
beiden Subgruppen vorherrschenden Skepsis gegenüber After-Sales-Services setzen
diese Kunden einen strategischen Fokus auf eben diese Services, befriedigen ihre Bedürfnisse jedoch mittels interner Ressourcen.
Nachfolgend wird jedes Kundensegment beschrieben: nicht in der Form eines einzelnen Falls, sondern als Idealtyp, welcher als Synthese aus allen diesem Segment zugeordneten Fällen resultiert. Alle Inhalte stammen aus der fallübergreifenden Synthese.
80
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
3.3.2.1
Technische Innovatoren
Das Segment der technischen Innovatoren ist das kleinste identifizierte Segment, ihm
wurden zwei Fälle zugeordnet. Die darin enthaltenen Kunden haben den Nutzen von
After-Sales-Services als tief wahrgenommen.
Bei den technischen Innovatoren handelt es sich um kleine bis mittelgrosse Kunden,
welche sich mit technischen Innovationen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Die Erbringung von technischen Spitzenleistungen steht im Zentrum ihrer Strategie, unabhängig von ihrer Branchenzugehörigkeit. Die dafür notwendige technische Kompetenz
ist bei den Schlüsselmitarbeitenden vorhanden und zieht sich bis ins Topmanagement.
Die beschafften Werkzeugmaschinen sind ausschliesslich Neuheiten im Markt in einem frühen technischen Reifegrad. Entsprechend tief sind zu Beginn die Ausfallkosten, da ein Lernprozess und ein Marktaufbau nach dem Erhalt der Maschine einkalkuliert sind.
Der Kaufprozess charakterisiert sich dadurch, dass er von technischen Kriterien dominiert ist und die F&E-Abteilung als (Mit-)Entscheider auftritt. Das Vertrauen in die
technische Kompetenz des WZM-Herstellers spielt beim Kauf eine wichtige Rolle, da
sich die technischen Innovatoren in der Nutzungsphase der Maschine einen Knowhow-Austausch wünschen. Überlegungen zu den After-Sales-Services sind in den
Kaufprozessen weitgehend irrelevant, da die technischen Kriterien stets die Überhand
haben. Dies begründet sich mit der Fachkompetenz in diesen Unternehmen, welche ein
unabhängiges Agieren des WZM-Herstellers in der Nutzungsphase erlaubt.
Eine gute Servicequalität heisst für einen technischen Innovator, dass die Servicetechniker des WZM-Herstellers vor Ort beim Kunden über ein herausragendes Knowhow im Umgang mit den WZM verfügen. Da von diesen Unternehmen nur High-Tech
gekauft wird, erwarten sie in den ersten Jahren nach dem Kauf der Maschine überhaupt keine Kosten für Services, da jeder Ausfall einer Enttäuschung gleichkommen
würde. Entsprechend wichtig ist die Kulanz seitens des WZM-Herstellers, sollten unvorhergesehene Kosten entstehen.
Service- und Wartungsverträge schliessen die technischen Innovatoren kaum ab, da
sie selbst über eine gute Fachkompetenz verfügen und die Ausfallkosten in der Regel
nicht kritisch sind. Wichtig ist ihnen aber, dass die von ihnen gekauften Maschinen mit
Standardkomponenten gefertigt sind, welche qualitativ hochwertig sind und eine langjährige Ersatzteilverfügbarkeit haben: Beides vermittelt diesen Kunden Sicherheit.
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
81
Charakterisierende Statements von Mitarbeitenden aus diesem Kundensegment:
«Wir wollen nicht ein Produkt am Ende der Lebensspanne kaufen, so als Trittbrettfahrer, das ist nicht unser Stil.» (Fall 1)
«Ziel war das High-End. Damals kamen die [Technologie des Herstellers] auf, das
gesamte System war völlig neu am Markt: Das gab es noch nicht. Natürlich war ein
gewisses Risiko dabei, wenn man so etwas kauft. Wissen, dass es so in Ordnung war,
tut man immer erst danach; das ist bei jeder Investition so. Aber wir haben schon das
Ziel verfolgt: Wir wollen da oben mitspielen.» (Fall 15)
3.3.2.2
Reaktive Service-on-Demand-Bezüger
Dem Segment der reaktiven Service-on-Demand-Bezüger wurden drei Fälle zugeordnet. Diese Kunden haben den Nutzen von After-Sales-Services als tief wahrgenommen.
Die Kunden in dieser Gruppe sind inhabergeführte Betriebe, welche dem Mittelstand
zuzuordnen sind. Sie sind geprägt von den Ansichten und dem Verhalten des geschäftsführenden Inhabers.
Die von diesen Kunden gekauften Werkzeugmaschinen sind hochwertige Produkte,
welche bei regionalen Partnern (WZM-Herstellern oder Distributoren) gekauft werden.
Dabei wird ein partnerschaftlicher Umgang mit den WZM-Herstellern angestrebt, dessen Basis langjähriges Vertrauen und Zufriedenheit sind.
Dies zeigt sich im Kaufprozess der Investitionsgüter, wo nur wenige – in der Regel
altbekannte – WZM-Hersteller in Betracht gezogen werden oder, sollte es zu einem
Vertrauensbruch gekommen sein, als Sanktionsmassnahme bewusst nach einer Alternative gesucht wird. Der Selektionsprozess folgt keiner strukturierten Vorgabe, die
Präferenzen des geschäftsführenden Inhabers setzen die Leitplanken. After-SalesServices fliessen in die Evaluation ein, jedoch nicht als rational messbare Kriterien,
sondern im Unterbewusstsein der involvierten Personen. Dies geschieht zu Beginn des
Prozesses und ist ein Argument dafür, warum die Kunden primär die regionalen Partner berücksichtigen, zu welchen ein Vertrauensverhältnis besteht. Infolgedessen werden auch WZM-Hersteller aus asiatischen Ländern – mit der Ausnahme von Japan –
nicht berücksichtigt, weil jenen aus Sicht der Entscheidungsträger der reaktiven Service-on-Demand-Bezüger der Ruf anhaftet, qualitativ minderwertige Produkte zu fabrizieren.
82
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Das Verhalten der reaktiven Service-on-Demand-Bezügern ist im Bereich Service und
Instandhaltung reaktiv: Probleme werden bei Entstehung angegangen und es gibt kaum
Massnahmen, welche auf die Vermeidung der Problementstehung zielen. Die Ersatzteilverfügbarkeit steht als Kriterium für herausragende Servicequalität an erster Stelle, gefolgt von einer schnellen Reaktionszeit, kompetenten Mitarbeitenden und einer
offenen und ehrlichen Kommunikation. Trotz der hohen Ansprüche wird erwartet, dass
dieses Angebot kostengünstig erbracht wird; die Zahlungsbereitschaft ist für alle Arten
von Service niedrig. Die reaktiven Service-on-Demand-Bezüger suchen nach Eigenlösungen, z.B. durch die unabhängige Beschaffung von Ersatzteilen oder den Einsatz
interner Techniker. Alle Kosten der After-Sales-Services werden auf eine persönliche
Art wahrgenommen, wodurch die Schuldfrage für die Entscheidungsträger im Fokus
steht: Liegt sie beim WZM-Hersteller, wird auch mehrere Jahre nach dem Kauf der
Maschine eine grosse Kulanz erwartet.
Service- und Wartungsverträge sind bei diesen Kunden schwierig zu platzieren,
wenn doch, dann nur bei Schlüsseltechnologien in den ersten zwei bis drei Jahren nach
dem Kauf. Hauptgrund für die Zurückhaltung ist die Perzeption der Kunden, dass Service- und Wartungsverträge für den WZM-Hersteller ein höchst lukratives Geschäft
sind – und man folglich selbst zu hohe Preise bezahlt. Des Weiteren bestehen in diesen
Kunden oft interne Ausweichmöglichkeiten in der Produktion, womit Ausfälle abgefedert werden können. Die Kunden möchten jegliche Art von (Fix-)Kosten für den Service minimieren, da bei einem Ausfall Handlungsspielraum besteht. Die Platzierung
von erweiterten Servicemodellen, wie z.B. einem Performance Contracting, ist bei diesen Kunden chancenlos.
Charakterisierende Statements von Mitarbeitenden aus diesem Kundensegment:
«Wir haben ca. 140 Maschinen. Wenn wir für jede Maschine einen Wartungsvertrag
hätten, hätten wir ca. 1 Mio. Fixkosten für Wartung, das ist nicht tragbar. Dafür könnten wir fünf Unterhaltsmechaniker anstellen.» (Fall 9)
«Ich will die Kosten dann bezahlen, wenn sie anfallen.» (Fall 9)
3.3.2.3
Interne Servicedienstleister
Dem Segment der internen Servicedienstleister wurden drei Fälle zugeordnet. Sie haben den Kundennutzen von After-Sales-Services als tief wahrgenommen.
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
83
Die Kunden, welche der Gruppe der internen Servicedienstleister zugeordnet sind,
sind börsennotierte Konzerne, welche über eine Vielzahl von Produktionsstandorten
im In- und Ausland verfügen. Sie verfügen über Marktmacht im Beschaffungswesen
und sind in ihrer Branche als Markt- und/oder Technologieführer bekannt. Die Führungsstrukturen dieser Kunden sind professionell und rational organisiert. Als Zulieferer von Komponenten für die MEM-Industrie und die Automobilindustrie sind sie in
internationale Produktionsnetzwerke eingebunden, wo auf Grund der strikten Anwendung von Just-in-time-Prinzipien exakt getimte Produktionsabläufe ein kritischer Erfolgsfaktor sind.
Die von diesen Kunden beschafften Werkzeugmaschinen werden von etablierten
WZM-Herstellern gefertigt, wobei es sich sowohl um regionale wie auch um internationale Firmen handeln kann.
Der Kaufprozess folgt einer internen Vorgabe. Er ist strukturiert und durchläuft mehrere Genehmigungsstufen. Anders als bei vergleichbaren professionell organisierten
und international vernetzten Unternehmen spielt das Angebot an After-Sales-Services
im Selektionsprozess kaum eine Rolle, da man sich auf interne Ressourcen verlässt.
Hauptgrund dafür ist die Reaktionszeit beim Ausfall einer Maschine: Während viele
WZM-Hersteller eine 24h-Eingriffszeit als unterstes Limit im Angebot haben, ist ein
Ausfall von vier Stunden für diese Unternehmen bereits an der Schmerzensgrenze. Des
Weiteren erschweren interne Vorgaben, wie z.B. das Verbot zum Remote-Anschluss
von Maschinen aus Sicherheitsgründen, die Erbringung von Serviceleistungen für externe Personen. Da der Maschinenpark dieser Kunden über eine beträchtliche Grösse
verfügt, ist die Auslastung qualifizierter interner Servicetechniker möglich, was aus
Perspektive dieser Kunden den Kostenvorteil beim internen Personal hat.
Spitzenleistungen in der Servicequalität können bei den internen Servicedienstleistern
durch eine schnelle Reaktionszeit und kompetente Mitarbeitende des WZM-Herstellers
erreicht werden, wobei die Verfügbarkeit dieser Mitarbeitenden am Telefon zur Unterstützung des internen Wartungsteams des Kunden wichtig ist. Die Telefonunterstützung wird als Ergänzung zur internen Kompetenz geschätzt, genauso wie eine gute
Schulung nach dem Neuproduktkauf, damit die Mitarbeitenden die Maschine optimal
nutzen können und das Wartungsteam anfallende Arbeiten selbst vornehmen kann. Die
internen Servicedienstleister sind beim Thema Ersatzteile sehr preissensitiv: Da sie die
Ersatzteile grösstenteils selbst verbauen, wollen sie keine hohe Marge bezahlen, die
andere Serviceleistungen mitfinanziert, welche sie nicht beziehen.
84
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Hinsichtlich Service- und Wartungsverträgen haben WZM-Hersteller einen schwierigen Stand bei den internen Servicedienstleistern. Solche Verträge werden nur für
Maschinen abgeschlossen, welche einerseits eine hohe technische Komplexität haben
und andererseits nicht zum Standardportfolio im Maschinenpark des Kunden gehören.
In diesem Fall können interne Techniker diese Maschinen nicht selbst unterhalten und
ein Service- oder Wartungsvertrag wird in Betracht gezogen. Ansonsten ist es schwierig, bei diesen Kunden im Kaufprozess mit Serviceleistungen zu punkten. Beliebt sind
aber vertragliche Konditionen zum Ersatzteilgeschäft und zu Reaktionszeiten, jedoch
ohne Fixkostenanteil. Interne Servicedienstleister nutzen ihre Marktmacht aktiv, um
solche für den WZM-Hersteller nachteilhaften Verträge durchzusetzen.
Charakterisierende Statements von Mitarbeitenden aus diesem Kundensegment:
«Das Problem bei unseren Produktionsmaschinen ist der Stillstand. Wenn wir 48
Stunden warten müssen, bis eine Reaktion erfolgt, dann sind schon wieder 100 000
Teile nicht gefertigt worden, also können wir uns dies gar nicht leisten. Wir brauchen
sehr schnelle Reaktionszeiten und wir haben festgestellt, dass wir selber Personal bereitstellen müssen, um diese Stillstandzeiten so weit wie möglich gegen null zu bringen.» (Fall 8)
«Bei Werkzeugmaschinen haben wir nirgends einen Servicevertrag, man nimmt heute
an, dass das auch so funktioniert.» (Fall 23)
3.3.2.4
Strategische Partner
Das Segment der strategischen Partner ist das grösste und heterogenste Kundensegment, welchem neun Fälle zugeordnet wurden. Die Kunden dieses Segments haben
eine durchschnittlich hohe Wahrnehmung des Nutzens von After-Sales-Services.
Die den strategischen Partnern zugeordneten Kunden setzen sich aus Mikro-, Kleinund Mittelstandsunternehmen zusammen. Diese sind teilweise vom Inhaber geführt,
teilweise mit externen Geschäftsführern besetzt. Sie sind in verschiedenen Branchen
vorzufinden und bewirtschaften ein Spektrum von rein regionalen Zulieferbetrieben
bis hin zu internationalen Partnern, welche in die Wertschöpfungskette von Grosskonzernen eingebunden sind.
Die von den strategischen Partnern akquirierten Werkzeugmaschinen sind vielfältig,
sowohl hinsichtlich technischer Kriterien wie auch in Bezug auf die Ausfallkosten. Es
werden WZM von einem Hersteller bzw. Distributor in der Region gekauft, da die Nä-
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
85
he zum WZM-Hersteller geschätzt wird und man qualitativ hochwertige Produkte im
Haus haben möchte. Die Unternehmen suchen sich gerne mittelständische WZMHersteller, mit deren Strategie sie sich identifizieren können.
Der Kaufprozess findet in diesen Unternehmen nicht nach einer strukturierten Vorgabe statt, vereinfachte Formen der Wirtschaftlichkeitsrechnung vor dem Kaufentscheid
sind aber üblich. Die Qualität und die Verfügbarkeit von After-Sales-Services spielen
für diese Kunden im Kaufprozess formell und informell eine wichtige Rolle. Die Antizipation über die Serviceleistung eines potentiellen WZM-Herstellers auf Grund von
persönlicher Erfahrung, Mund-zu-Mund-Propaganda oder mit dem Herstellerland in
Verbindung gebrachten Assoziationen spielt bei der Vorselektion der WZM-Hersteller
eine Schlüsselrolle. Die Kosten für Services werden vor dem Kauf nicht systematisch
verglichen oder bewertet – der Evaluationsprozess dreht sich vermehrt um die technischen Kriterien und die Leistungskriterien der Services.
Aus Sicht der strategischen Partner ist eine herausragende Servicequalität nur in einem partnerschaftlichen Umgang zwischen Kunde und WZM-Hersteller möglich: Ist
dieser gegeben, spielen die Kosten eine untergeordnete Rolle – sowohl bei Technikern
des WZM-Herstellers beim Vor-Ort-Einsatz wie auch bei e-Services, für welche
durchaus eine Zahlungsbereitschaft besteht. Die Anforderungen an das Qualitätsniveau
des WZM-Herstellers sind hoch, sowohl bei der Kompetenz der Mitarbeitenden wie
auch bei der Reaktionszeit und der Ersatzteilverfügbarkeit. Die Soft-Faktoren, d.h.
eine gute Kommunikation, ernst genommen zu werden, Proaktivität und Kulanz des
Lieferanten, spielen im Gesamtpaket der Zufriedenheit eine übergeordnete Rolle. Das
auch auf persönlicher Ebene partnerschaftliche Verhältnis zu den WZM-Herstellern
lässt sich daran erkennen, dass aus den Interviews mit den strategischen Partnern die
umfassendsten Empfehlungen an den Service der WZM-Hersteller gekommen sind.238
Service- und Wartungsverträge werden je nach Risikoüberlegung abgeschlossen,
v.a. auch bei neuen WZM-Herstellern, in vielen Fällen steht aber das gegenseitige
Vertrauen im Vordergrund, welches keines Vertrags bedarf. Für die Unternehmen dieser Gruppe steht die strategische Partnerschaft im Fokus; sie sehen sich selbst als strategische Partner des Herstellers, wenn es um die Optimierung der WZM geht, und be-
238
z.B. die Empfehlung, Service im Organigramm hoch oben anzusiedeln, Verkaufsschulung bei Servicetechnikern durchzuführen oder den Aufbau eines Netzwerkes unter den Kunden zu fördern.
86
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
trachten den WZM-Hersteller als ihren strategischen Partner, wenn es zur Implementierung hochwertiger Technologien in der eigenen Produktion kommt.
Charakterisierende Statements von Mitarbeitenden aus diesem Kundensegment:
«Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man zu Firmen, welche ähnlich strukturiert
sind wie wir, das heisst, welche ähnlich ticken, einfacher einen konstruktiven Draht
findet.» (Fall 12)
«Ich sehe [den WZM-Hersteller] sicherlich mehr als Partner an als er mich, denn ich
mache damit Werbung, ich stehe da dahinter. Es war immer schon der Traum für
mich, irgendwann eine [WZM-Hersteller]-Anlage zu kaufen. Auch früher schon, als
ich noch Angestellter war, habe ich immer von sowas geträumt.» (Fall 20)
3.3.2.5
Risikoaverse Service-Profis
Dem Segment der risikoaversen Service-Profis wurden sechs Unternehmen zugeordnet. Sie haben den Kundennutzen von After-Sales-Services als hoch wahrgenommen.
Wie bei den internen Servicedienstleistern handelt es sich auch bei den risikoaversen
Service-Profis um grosse bis sehr grosse (> 500 Mitarbeitende) Kunden, welche über
globale Produktions- und Vertriebsnetzwerke verfügen. Sie unterliegen einer professionellen externen Führung und sind typischerweise an der Börse kotiert.
Zur Beschaffung ihrer Werkzeugmaschinen bedienen sich die risikoaversen ServiceProfis auf dem globalen Markt, wobei weder Standort noch Kulturkreis des WZMHerstellers eine signifikante Rolle spielen. Etablierte Hersteller werden geschätzt.
Der Kaufprozess ist strukturiert, in den grössten Unternehmen auch fragmentiert und
auf mehrere Personen und Abteilungen aufgeteilt. Maschinen und WZM-Hersteller
durchlaufen nur einmalig den gesamten Kaufprozess – Folgebestellungen, z.B. auf
Grund eines Kapazitätsausbaus, sind vereinfacht möglich. Die After-Sales-Services
sind im Kaufprozess ein fester Bestandteil eines Pflichtenheftes, welches nach Akzeptanz durch den WZM-Hersteller zu einem Lastenheft wird. Sie fliessen damit in die
Evaluation ein. Dennoch sind die After-Sales-Services selbst bei den risikoaversen
Service-Profis nicht gleichwertig mit der WZM, sondern eher ein Hygienefaktor, d.h.
eine unverhandelbare Voraussetzung, und/oder ein letzter kaufentscheidender Faktor
bei zwei technisch und preislich vergleichbaren Alternativen.
Eine ausgezeichnete Servicequalität heisst für risikoaverse Service-Profis, dass die
Maschinenverfügbarkeit maximal ist. Wie dies vom WZM-Hersteller erreicht wird,
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
87
spielt eine untergeordnete Rolle, implizit erwarten sie jedoch den Verbau von hochwertigen Komponenten, eine schnellstmögliche Reaktionszeit mit kompetentem Personal sowie eine hohe Ersatzteilverfügbarkeit. Die Kunden erwarten, dass dieses Servicepaket an allen global bedeutenden Produktionsstandorten erbracht werden kann.
Die risikoaversen Service-Profis schliessen für viele Maschinen einen Service- und
Wartungsvertrag ab und verlagern die Verantwortung für die Funktionalität der Maschinen zum WZM-Hersteller. Die Verfügbarkeit einer Maschine ist ihnen wichtig,
jedoch haben sie in der Regel interne Ausweichmöglichkeiten. Da ihr Fokus auf dem
Kerngeschäft liegt, tendieren sie dazu, die Service- und Wartungsarbeiten auszulagern.
Die Preise werden im Gesamtkontext betrachtet und rational abgewogen, wodurch z.B.
Offenheit gegenüber zahlungspflichtigen e-Services besteht.
Charakterisierende Statements von Mitarbeitenden aus diesem Kundensegment:
«Total Cost of Ownership ist, was uns am Ende interessiert. Klar verhandeln wir Servicepakete hinsichtlich des Gesamtpakets – wie viele Anlagen wir abnehmen –, aber
das sind Details. […]. Die Ausfallzeiten und die Zuverlässigkeit der Anlagen sind
wichtig, wenn sie eine hohe Wertschöpfung zum Produkt beitragen. Fällt die Anlage
aus und wir können die Teile verschrotten, dann ist dies für uns deutlich teurer […].»
(Fall 18)
«Mir geht es beim Service immer um die Verfügbarkeit: Wie schnell ist der Service
hier, wenn ich Probleme habe mit meiner Maschine?» (Fall 19)
3.3.2.6
Strukturierung der Kundensegmente
Als Synthese von den festgestellten Gemeinsamkeiten und Unterschiede in bzw. zwischen den Kundensegmenten, lassen sich diese anhand von zwei Achsen strukturieren:
Einerseits bestehen signifikante Unterschiede in der Verfügbarkeit von internen
Ressourcen beim Kunden für das Erbringen von After-Sales-Services. Sind die internen Ressourcen hoch, bedeutet dies, dass sowohl die technische Kompetenz wie auch
die Zeitressourcen von Mitarbeitenden vorhanden sind, um After-Sales-Services zu
einem Grossteil selbst erbringen zu können. Die zweite Achse kann als die beim Kunden ausgeübte Professionalität im Umgang mit After-Sales-Services zusammengefasst werden. Sie beinhaltet die Bedeutung, welche die Entscheidungsträger des Kunden den After-Sales-Services zuschreiben, und die Stufe der Professionalität, mit der
diese mit ihnen umgehen, was sich z.B. über Wartungspläne und die Anwendung von
88
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
rationalen Kostenkalkulationen unter Einbezug von Opportunitätskosten zeigt. Eine
Einordnung der fünf Segmente auf diesen Achsen zeigt die nachfolgende Matrix:239
Interne Ressourcenverfügbarkeit
Abbildung 20: Darstellung der Kundensegmente als Matrix
Technische Innovatoren
Interne Servicedienstleister
Strat.
Partner
Reaktive Serviceon-Demand-Bezüger
Risikoaverse Service-Profis
Professionalität im Umgang mit After-Sales Services
Quelle: Eigene Darstellung.
Zusammenfassend lässt sich aus der Beurteilung der Kundensegmente Folgendes festhalten: Risikoaverse Service-Profis beurteilen den Kundennutzen von After-SalesServices als hoch, weshalb sie sowohl über eine positive Einstellung wie auch über ein
ausgeprägtes Nutzenverhalten verfügen. Ähnlich ist dies bei den strategischen Partnern, wobei diese eine selektivere Herangehensweise haben und das Vertrauen in den
WZM-Hersteller, die Technologie und die Ausfallkosten von Fall zu Fall neu beurteilen. Eine tiefe Nutzenbeurteilung für die am Markt verfügbaren After-Sales-Services
nehmen die reaktiven Service-on-Demand-Bezüger, die internen Servicedienstleister
sowie die technischen Innovatoren vor: Während die reaktiven Service-on-DemandBezüger die After-Sales-Services prinzipiell als zu teuer erachten, betrachten die internen Servicedienstleister die Angebote kritisch, welche nicht ihren Bedürfnissen entsprechen, v.a. hinsichtlich der Reaktionszeit und der Kompetenz der Servicemitarbeitenden. Im letzteren Fall, bei den technischen Innovatoren, ist es der mangelnde Be239
Sowohl Baumbach (1998, S. 106 ff.) wie Zollikofer-Schwarz (1999, S. 33) verwenden als Segmentierungskriterien mit der «Technischen Kompetenz und Ressourcen» und der «OutsourcingBereitschaft» ähnliche Kriterien zur Segmentierung.
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
89
darf an After-Sales-Services, welcher einen Kundennutzen nicht ersichtlich macht, da
die von ihnen bezogenen Maschinen einen experimentellen Charakter haben. Die bei
den technischen Innovatoren vorhandene hohe Fachkompetenz in Kombination mit
geringen Ausfallkosten schmälert den Nutzen der After-Sales-Services generell.
3.3.3 Kundennutzen und Opportunitäten
Aus der fallübergreifenden Synthese lassen sich fünf Themen identifizieren, welche
aus Perspektive des Kunden einen signifikanten Einfluss auf die Stiftung bzw. die
Minderung des Kundennutzens haben und aus welchen sich zugleich Opportunitäten
für die Rentabilitätsoptimierung im Leistungssystem von Anbietern ergeben. 240
3.3.3.1
Grundnutzen von After-Sales-Services
Betrachtet man den After-Sales als isolierten Leistungskatalog, sehen die Kunden den
Grundnutzen als erfüllt an, wenn ein WZM-Hersteller in der Lage ist, im Fall eines
ungeplanten Ausfalls der Werkzeugmaschine, typischerweise im Fall des Bruchs einer
Komponente oder einer Störung, diese innert kurzer Zeit funktionsfähig zu machen,
also den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. In den Worten der Kunden wurde
dies wie folgt formuliert:
«Im Endeffekt muss die Maschine wieder gleich funktionieren wie vorher, das ist das
Wichtigste.» (Fall 21)
«Letztendlich muss ich sagen: Da habe ich eine Störung, und du musst wissen, was
hier Sache ist.» (Fall 13)
«Ich würde [für die Gestaltung von gutem Service] den Fokus auf die Kompetenz der
Servicemitarbeiter und die Schnelligkeit setzen; wie schnell sie bei Störungen vor Ort
sind.» (Fall 14)
Aus Kundensicht bedingt dies, dass der WZM-Hersteller über einen ausreichend grossen Pool an Mitarbeitenden im Service verfügt (e-Service, Techniker im Feld), welche
im Bedarfsfall zeitliche Ressourcen besitzen und über ein ausreichendes Kompetenzniveau verfügen, um den Ausfall zu beheben. In vielen Fällen ist zusätzlich die Verfügbarkeit des passenden Ersatzteils in der gleichen Zeitspanne notwendig.
240
Um die Leserlichkeit zu vereinfachen, werden die Opportunitäten direkt bei den zugehörigen Resultaten diskutiert, obwohl sie aus methodischer Sicht auf die Diskussion vorgreifen.
90
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Zusammenfassend lässt sich zum Kundennutzen festhalten:
Kundennutzen 1: Die zeitnahe Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der
Werkzeugmaschine stiftet aus Kundenperspektive relevanten Nutzen.
In den Gesprächen mit den Kunden wurde ersichtlich, dass die Erfüllung des Grundnutzens der After-Sales-Services ausreicht, um dem WZM-Hersteller im After-SalesBereich ein sehr gutes Leistungszeugnis auszustellen: Wird der Grundnutzen überzeugend erfüllt, treten übrige Leistungsmerkmale sowie Preisdiskussionen in den Hintergrund. Dies zeigt sich darin, dass umfassendere Service-Integrationsmodelle, wie z.B.
Performance Contracting oder die Übernahme der Funktionalitätsverantwortung für
eine Werkzeugmaschine durch den Hersteller, bei den Kunden nicht verbreitet sind
und deren Praxistauglichkeit von den Kunden angezweifelt wird. Für WZM-Hersteller
liegt in der Konzentration auf die zeitnahe Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit
der Werkzeugmaschine die Opportunität, sein Leistungssystem durch eine Fokussierung auf diese Anforderung zu verschlanken und dadurch Kostenvorteile durch Elimination irrelevanter Services zu realisieren.
Zusammenfassend lässt sich die Opportunität ableiten:
Opportunität 1: Kostenvorteile in der Leistungserbringung lassen sich durch
ein auf die zeitnahe Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschinen beim Kunden fokussiertes Leistungssystem erreichen.
In den fünf Kundensegmenten findet die formulierte Erkenntnis gleichermassen ihre
Gültigkeit: Die Wiederherstellung der Produktionsfähigkeit ist für alle Kunden von
hoher Relevanz.
3.3.3.2
Ausbildungsniveau der Servicetechniker
Die Servicetechniker sind, neben den Verkäufern, nach dem Kauf einer Werkzeugmaschine jene Personen, welche den WZM-Hersteller beim Kunden vor Ort und/oder
telefonisch vertreten. Das Verhalten der Techniker im Fall einer Anlagenstörung ist
der vom Kunden meistgenannte Treiber für die Zufriedenheit mit den After-SalesServices des WZM-Herstellers. Aus Perspektive der Kunden werden seitens der
WZM-Herstellers nicht genügend Ressourcen in die Ausbildung dieser Techniker investiert. Diese Tendenz hat aus Kundenperspektive in den letzten Jahren zugenommen.
Kunden nehmen die technische Kompetenz bei reinen Servicefirmen, welche Dienst-
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
91
leistungen für verschiedene Hersteller erbringen, als tiefer wahr als bei betriebseigenem Personal des WZM-Herstellers. Eine Auswahl an Aussagen von Kunden zu diesem Thema:
«Der Hersteller bringt Unmengen Neuerungen auf den Markt. […]. Wenn ich einen
Servicetechniker habe von dieser Firma, kann es sein, er steht vor der Maschine und
sagt: ‹Den Typ habe ich jetzt noch nie gesehen.› Dies ist dann nicht sehr vertrauenserweckend, wenn man bedenkt, dass dieser Mann die Maschine zum Laufen bringen
sollte.» (Fall 13)
«Bei Serviceverträgen ist wichtig, dass die Reaktionszeiten eingehalten werden und
dass das Servicepersonal nicht alibimässig vorbeikommt; derjenige, der vorbeikommt,
hat die Ausbildung zu haben, dass er reagieren kann.» (Fall 6)
«Es gibt einen Maschinenpartner wo wir sagen, wir wollen diesen oder diesen Servicemonteur, aber diesen sicher nicht.» (Fall 5)
«Für uns ist es wichtig, dass wenn wir anrufen, jemand Kompetentes am Telefon ist.»
(Fall 10)
«Das Schlimmste ist, es kommen ein oder zwei Monteure und nach drei Tagen wissen
sie immer noch nicht, wo der Fehler ist. Das ist das Schlimmste, was man haben
kann.» (Fall 9)
Die Begründungen für die hohe Bedeutung kompetenter Servicetechniker sind vielfältig: Erstens stehen die Kosten im Vordergrund: Da ein Servicetechniker in der Regel
im Stundensatz bezahlt wird, hat der Kunde Interesse an einer zielgerichteten Problemlösung. Zweitens hat der Kunde das Bedürfnis zu spüren, dass sein Lieferant für
sein eigenes Produkt eine hohe Kompetenz hat, was ihm ein Gefühl der Sicherheit
vermittelt. Drittens sind für einen Kunden die Folgekosten eines Ausfalls, seien es Lieferverzögerungen oder der interne Koordinationsaufwand, hoch und er hat ein Interesse, mit einem kompetenten Mann vor Ort bzw. am Telefon das Problem effizient zu
lösen.241
Zusammenfassend lässt sich zum Kundennutzen festhalten:
Kundennutzen 2: Ein überdurchschnittliches Kompetenzniveau der Servicetechniker erhöht den Kundennutzen.
241
vgl. Kundennutzen 1
92
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Betrachtet man diese Nutzenpräferenz des Kunden aus dem Blickwinkel einer Opportunität für eine Rentabilitätsoptimierung im Leistungssystem des WZM-Herstellers,
lässt sich feststellen, dass aus Kundensicht die einer Serviceleistung entgegengebrachte Zahlungsbereitschaft von der Qualität der Dienstleistung beeinflusst ist: Selbst in
Unternehmen des Segments der reaktive Service-on-Demand-Bezüger, welche unter
allen Käufertypen die kritischste Haltung gegenüber Serviceleistungen einnehmen,
besteht die Ansicht, dass professionelle Servicekompetenz ihren Preis haben darf –
mindestens dann, wenn sie vor Ort erbracht wird. In den Gesprächen wurde dies wie
folgt von den Entscheidungsträgern formuliert:
«Ich finde diese Firma ein Paradebeispiel: So muss ein Service sein und dann darf er
auch etwas mehr kosten. Die kann man anrufen und am nächsten Tag geht die Maschine wieder – auch wenn sie in zwei Teile zerbrochen ist. […] Wir hatten einmal den
Fall, wo wir nicht wussten, wo der Ursprung des Fehlers war. Am nächsten Morgen
hatten wir drei Paletten von Material angeliefert bekommen – sie hätten alles austauschen können. Das ist Qualität und das schätzt man auch.» (Fall 9)
«Auch ein schlechter Servicemonteur kostet 130 Franken pro Stunde, die Kosten sind
nicht entscheidend.» (Fall 3)
«Ich bezahle gerne einen Hunderter mehr, wenn die Maschine dafür einen Tag früher
wieder läuft. Diesen Hunderter hat man dadurch locker wieder gespart.» (Fall 10)
Zusammenfassend lässt sich die Opportunität ableiten:
Opportunität 2: Ein überdurchschnittliches Kompetenzniveau der Servicetechniker erhöht die Zahlungsbereitschaft für Serviceeinsätze beim Kunden.
Ein Zugewinn von Kundennutzen durch ein überdurchschnittliches Kompetenzniveau
des Servicetechnikers ist in allen Kundensegmenten vorhanden, die Verknüpfung dieses Zugewinns mit einer erhöhten Zahlungsbereitschaft ist jedoch bei den risikoaversen Service-Profis weniger ausgeprägt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Unternehmensstruktur und -kultur bei den risikoaversen Service-Profis ein weniger ausgeprägtes Kostenbewusstsein hervorbringt und weil Serviceeinsätze öfters durch Wartungs- und Serviceverträge abgegolten werden.
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
3.3.3.3
93
Professionelle Kommunikation
Ein weiteres aus Kundenperspektive wichtiges Thema im Zusammenhang mit dem
Nutzen von After-Sales-Services ist die Kommunikation mit dem WZM-Hersteller im
Falle eines ungeplanten Ausfalls einer Werkzeugmaschine. Die Kunden bemängeln,
dass die Kommunikation unprofessionell ablaufe. Sie beschreiben die Situation beim
Ausfall einer Maschine als stressbehaftet, da eine Unsicherheit herrscht, wann die Produktionsanlage wieder funktionsfähig ist und welche Konsequenzen daraus für ihre
Kundenaufträge sowie für vor- und nachgelagerte Produktionsschritte entstehen. In
dieser Situation ist es dem Kunden wichtig, dass er mit seinen Problemen beim WZMHersteller ernst genommen wird und Planungssicherheit wiederhergestellt werden
kann. Folgende Zitate von Kunden illustrieren dies:
«Kurze und unbürokratische Wege wo man sagt: ‹Alles ist organisiert, Montagmorgen
sitzt einer da.› Mehr brauche ich gar nicht zu wissen.» (Fall 20)
«Wichtig ist, dass der Maschinenhersteller offen kommuniziert. Es kann immer mal
sein, dass er nur vier Servicemonteure hat, aber acht grosse Kunden, welche gleichzeitig ein Problem haben. Dann erwarten wir, dass er uns sagt: ‹Hört zu, Leute, es wird
nächste Woche am Dienstag› – und nicht: ‹Wir schauen dann mal morgen.› – Und
morgen heisst es dann, dass es nicht gehe, sondern übermorgen werde.» (Fall 5)
«Stellen Sie sich vor, Sie rufen bei der Feuerwehr an und da geht niemand ran. Sobald
Sie dort sind, wissen Sie, Sie sind versorgt […] – jetzt haben Sie jemanden an der
Strippe und der hat ihnen die ganze Last abgenommen.» (Fall 20)
Wie aus den Statements ersichtlich ist, wird nicht nur die schnellstmögliche Reaktion,
sondern auch das professionelle Management der Kommunikation als nutzenstiftend
erachtet. Ein Idealprozess sollte aus Kundensicht über die folgenden Schritte ablaufen:
Entgegennahme des Anrufes, schneller Rückruf mit einem Aktionsplan, verlässliche
Termine für Technikereinsätze, fortlaufende Information des Kunden bei relevanten
Neuigkeiten und kein Abschluss des Vorfalls, bevor der Kunde artikuliert, dass das
Problem vollständig gelöst ist. Mit einem solchen Betreuungspaket fühlt sich der Kunde wohl, kann Stress reduzieren und die internen Abläufe auf den Aktionsplan optimieren.
Zusammenfassend lässt sich zum Kundennutzen festhalten:
94
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Kundennutzen 3: Ein professionelles Kommunikations- und Informationsmanagement des WZM-Herstellers erhöht den Kundennutzen.
Aus den mit der Position der Kunden verbundenen Argumenten lassen sich keine direkten Rückschlüsse über eine Erhöhung der Zahlungsbereitschaft für die Ausübung
eines professionellen Kommunikations- und Informationsmanagements ziehen. Jedoch
haben die Kundengespräche gezeigt, dass der WZM-Hersteller mit einer ehrlichen,
proaktiven und professionellen Kommunikation die mit dem Grundnutzen242 von After-Sales-Services verbundenen Leistungsanforderungen an Reaktionszeit und Ersatzteilverfügbarkeit unter gleichbleibender Nutzenwahrnehmung mindern kann.
Zusammenfassend lässt sich die Opportunität ableiten:
Opportunität 3: Ein professionelles Kommunikations- und Informationsmanagement des WZM-Herstellers mindert die Leistungsansprüche des Kunden
hinsichtlich Reaktionszeit und Ersatzteilverfügbarkeit.
Die Bedeutung einer guten Kommunikation korreliert nur indirekt mit der Zuordnung
der Fälle zu den fünf Segmenten: Vielmehr ist die Eignerstruktur des Unternehmens
von Bedeutung. Eine professionelle Kommunikation wird vor allem in inhabergeführten Unternehmen geschätzt, in welchen der Inhaber persönlich viel Verantwortung
trägt und im Alltagsgeschäft involviert ist, wie dies in Mikro-, Klein- und Mittelstandsunternehmen beobachtet werden konnte. Inhabergeführte Unternehmen sind in
den Segmenten reaktive Service-on-Demand-Bezüger und strategische Partner am
weitesten verbreitet.
3.3.3.4
Nachvollziehbare Preispolitik
Die Diskussion von Preisen für After-Sales-Services, seien dies Ersatzteile, Anfahrtspauschalen oder Technikereinsätze vor Ort, hat bei den Interviewteilnehmenden emotionale Reaktionen ausgelöst. Es lässt sich feststellen, dass unter den Kunden die Meinung vorherrscht, dass After-Sales-Services für den WZM-Hersteller ein höchst lukratives Geschäft sind. Jene Entscheidungsträger, welche seit längerem in Kaufprozesse
für WZM involviert sind, haben auch eine zunehmende Verschärfung dieses Problems
festgestellt: Während aus Perspektive des Kunden die Leistung tendenziell abnimmt,
242
vgl. Kundennutzen 1
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
95
werden die Preise für Services konstant erhöht, da diese, im Vergleich zu früher, einen
wesentlichen Beitrag zur Unternehmensfinanzierung des WZM-Herstellers leisten
müssen. Folgende Aussagen illustrieren diese Ansichten repräsentativ:
«Wenn ich Maschinenverkäufer wäre, würde ich Wartungsverträge anpreisen, viel
lieber als eine Maschine zu verkaufen, weil es eine sichere Sache ist: Wenn die Maschine kaputt ist, dann kommt man halt wieder und sonst macht man die jährlichen
Inspektionen.» (Fall 9)
«Mit den Jahren ist das Problem Service generell schlimmer geworden. Service war
früher eine völlig bezahlbare und vernünftige Sache. […] Heute treibt es einem die
Tränen in die Augen, was da für Angebote kommen. Da kann ich zwei Nullen wegstreichen und dann machen wir es selber und haben noch einen Riesengewinn gemacht. Da hat man manchmal schon den Eindruck, die Firmen müssen sich ausschliesslich über Service finanzieren. Dies ist ein Eindruck, der generell da ist und
damals, vor 15 Jahren, noch nicht da war.» (Fall 15)
Am meisten wurde das Thema Preise im Bereich der Ersatzteile diskutiert. Die Kunden unterschieden hier zwischen jenen Teilen, welche vom WZM-Hersteller selbst
gefertigt sind, und Komponenten, bei welchen der WZM-Hersteller bzw. seine Serviceniederlassung nur als Zwischenhändler fungieren. In ersterer Kategorie tritt der
WZM-Hersteller in einer monopolistischen Stellung auf: Bis auf einen Einzelfall wurde in allen Kaufprozessen angegeben, dass Ersatzteile dieser Art nur beim WZMHersteller bezogen werden und die Preise selten ein Thema sind. In letzterer Kategorie
stossen hohe Margen der WZM-Hersteller weitgehend auf Unverständnis, da die Kunden nicht einsehen, welchen Wertschöpfungsanteil der WZM-Hersteller einbringt. Des
Weiteren bemängeln die Kunden, dass die WZM-Hersteller aktiv versuchen, den
Markt mit Ersatzteilen zu kontrollieren und die Preise hoch zu halten. Beides führt aus
Sicht der Kunden zu einer unfairen Preispolitik. Nachfolgende Kundenaussagen illustrieren dies:
96
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
«Wenn der Maschinenhersteller es nicht schafft, seine eigenen Ersatzteile zu verkaufen, macht er irgendwo grobe Fehler.» (Fall 11)
«Im Bearbeitungszentrumsbereich bei Fräsmaschinen haben wir schon sehr schlechte
Erfahrungen gemacht, wir bekommen ein Teil, welches der Hersteller auch einkauft,
zum dreifachen Preis. Dort macht es dann schon Sinn, wenn man das Teil selbst beschafft.» (Fall 13)
«Der freie Markt spielt bei den Ersatzteilen nicht, wie er sollte.» (Fall 22)
«Die Ersatzteile, das weiss man, sind das, womit [der WZM-Hersteller] das Geld verdient. […] Diese Pille muss man einfach schlucken, dagegen kann man nichts machen.» (Fall 10)
Die Kunden haben artikuliert, dass sie sich grundsätzlich einen Bezug von Ersatzteilen
via den WZM-Hersteller wünschen, da damit der interne Koordinationsaufwand minimiert wird und die Passgenauigkeit des Ersatzteils sicherstellt ist. Dass der WZMHersteller auf Fremdteile einen Zuschlag von 20 bis 40% legt, wird vom Kunden als
gerecht betrachtet, wobei die relative Marge mit der absoluten Preishöhe abzunehmen
hat. Eine aus Kundensicht faire Preispolitik bei Ersatzteilen würde deren Bezug via
WZM-Hersteller fördern.
«Ob eine Pumpe CHF 3000.– oder CHF 3300.– kostet, das ist nicht entscheidend. Für
mich ist entscheidend, ob die Pumpe innert zehn Minuten gewechselt ist oder ob man
noch irgendeinen Plastikschlauch verlängern muss.» (Fall 12)
Zusammenfassend lässt sich zum Kundennutzen festhalten:
Kundennutzen 4: Eine aus Kundenperspektive unfaire Preispolitik mindert den
vom Kunden wahrgenommenen Nutzen von After-Sales-Services.
Betrachtet man das vom Kunden verwendete Argumentarium, welches die Nutzenminderung durch die angewandte Preispolitik erklärt, lässt sich eine Opportunität für
WZM-Hersteller erkennen: Kunden stören sich nicht primär an der absoluten Preishöhe, sondern an dem für sie nicht ersichtlichen Zusammenhang zwischen der Wertschöpfung des Herstellers und dem Preis. Kunden unterlassen dabei eine kritische Reflexion über die Kosten, welche beim WZM-Hersteller auch bei gehandelten Ersatzteilen auf Grund von Lagerung, Garantieleistungen, Logistik und Administration entstehen, oder darüber, dass es die damit erzielten Gewinne sind, welche kostenlose e-
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
97
Support-Leistungen ermöglichen. Da seitens des WZM-Herstellers keine Transparenz
über die Entstehung der Preise und der dahinterliegenden Kosten besteht, vertreten
Kunden die Auffassung, dass im Ersatzteilgeschäft auf ihre Kosten übermässige Gewinne erwirtschaftet werden. Zudem empfinden sie es als störend, dass dort, wo kein
Wertschöpfungsanteil vorhanden ist, hohe Margen erzielt werden.
Auch bei den Anfahrtspauschalen, dem zweiten Streitpunkt in der Preispolitik, zeigt
sich dieses Verhaltensmuster: Der Nutzen des Kunden ist beeinträchtigt, wenn eine
vollwertige Anfahrtspauschale zu bezahlen ist, obwohl Kunden Kenntnis davon haben,
dass der Servicetechniker den Termin mit anderen Einsätzen in der Region verbinden
konnte. Erkennen Kunden jedoch eine Verhältnismässigkeit zwischen der verrechneten Anfahrtspauschale und der effektiven Anfahrtszeit, sind diese Kosten für sie in
Ordnung.
Zusammenfassend lässt sich die Opportunität ableiten:
Opportunität 4: Es besteht eine positive Korrelation zwischen der Preisakzeptanz von After-Sales-Services durch den Kunden und den durch ihn wahrgenommenen Kosten für ihre Leistungserbringung.
Die Visualisierung des Zusammenhangs von Kosten und Leistung ist im Segment der
reaktiven Service-on-Demand-Bezüger sowie bei den technischen Innovatoren von
besonderer Bedeutung. Die geringste Aussagekraft besteht bei den risikoaversen Service-Profis, wo die totalen Kosten als Teil einer Wirtschaftlichkeitsrechnung unabhängig von der mit ihnen verbundenen Marge oder der wahrgenommenen Preisfairness
eine Rolle spielen.
3.3.3.5
Leistungsvereinbarung zu e-Services
Der e-Support, welcher im Gespräch mit den Kunden als die Gesamtheit der Services
über Kommunikationsmedien wie Telefon, Videokonferenz, die Auswertung von
elektronischen Fehlerprotokollen und den Remote-Zugriff auf eine Werkzeugmaschine
definiert wurde, gewinnt aus Sicht des Kunden an Bedeutung, da er einen schnellen
und komfortablen Weg bietet, Maschinenstörungen zeitnah zu beheben. Dabei gilt es
jedoch zu beachten, dass zum Zeitpunkt der Durchführung der Studie die Verfügbarkeit von Remote-Zugriff auf WZM vielerorts nicht gegeben war (bei Erodier-, Schleifund CNC-Maschinen z.B. ist Remote-Zugriff kaum verbreitet), auf ausgewählten
98
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
technisch komplexen Maschinen (z.B. Beschichtungsmaschinen, automatisierten Bearbeitungszentren) jedoch seit Jahren zum Standard gehört.
Im Zentrum der Diskussion steht aus Kundenperspektive nicht der unbestrittene Nutzen dieser modernen Zugriffsmöglichkeiten, sondern die Bezahlung für die Nutzung
dieser Services. Die Erwartungshaltung vieler Kunden lässt sich aus den folgenden
Statements erkennen:
«Man hat die Erwartung, dass Telefonsupport kostenlos ist, weil es seit Jahrzehnten so
ist in dieser Branche. In der EDV-Branche ist es hingegen seit Jahrzehnten den anderen Weg herum und dort gibt es keinen Widerstand.» (Fall 11)
«Wenn ich da jetzt eine Rechnung kriegen würde, wäre ich schon überrascht. Wobei
man sich die Frage nie stellt, wenn ein Monteur hier vor Ort ist – dann gibt es eine
Rechnung. Aber ich gehe davon aus, dass die Firmen dies auch wissen und in ihren
Gemeinkosten ein bis zwei Leute miteinplanen.» (Fall 19)
Die Tatsache, dass e-Services in der Vergangenheit kostenlos waren, ist die meistgenannte Begründung für die mangelnde Bereitschaft zur Bezahlung. Kunden erwarten,
dass dieser Umstand auch dem WZM-Hersteller bekannt ist, weshalb er für e-Services
anfallende Kosten in die Marge der Werkzeugmaschine einrechnet.
Zusammenfassend lässt sich zum Kundennutzen festhalten:
Kundennutzen 5: Eine separate Verrechnung von e-Services mindert deren vom
Kunden wahrgenommenen Nutzen.
Es sind jedoch Unterschiede in der Erwartungshaltung in den einzelnen Kundensegmenten zu erkennen. Während für reaktive Service-on-Demand-Bezüger, technische
Innovatoren und interne Servicedienstleister eine Bezahlung für e-Services tendenziell
auf Widerstand stösst, zeigen sich strategische Partner und vor allem die risikoaversen Service-Profis aufgeschlossener bezüglich der Verrechnung dieser Dienste. Zudem
lässt sich feststellen, dass die Verrechnung von e-Services für Kunden aller Segmente
in anderen Geschäftsbereichen auf Akzeptanz stösst, wie z.B. im Bereich Steuerungen
und Software: Dort ist eine Begleichung von e-Support normal und wird von den
Kunden nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Entfernt man sich in der Diskussion mit dem Kunden von der historischen Trennung
zwischen kostenlosen e-Services und kostenpflichtigen Vor-Ort-Einsätzen von Ser-
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
99
vicetechnikern, findet man den gemeinsamen Nenner im Ziel dieser Leistungen: der
Wiederherstellung der Produktionsfähigkeit. Insbesondere jene Kundensegmente mit
höherer Professionalität im Umgang mit After-Sales-Services erkennen, dass dieses
Ziel unabhängig von der Art der Supportleistung im Fokus steht und sich die Bezahlung an der Zielerreichung orientieren muss. Kunden haben dies wie folgt formuliert:
«Wenn die Gegenleistung stimmt und es etwas gebracht hat, dann sind die Kosten gerechtfertigt und dann ist die Verrechnung in Ordnung.» (Fall 12)
«Ein guter Service heisst, die Stillstandzeit der Maschine minim zu halten. Wie sie das
hinbekommen, spielt für uns keine Rolle.» (Fall 3)
«Wenn es telefonisch, per E-Mail oder Internet geht, dann ist uns dies sogar lieber:
Dann sparen wir die Fahrkosten, die sind manchmal höher als die Stunden, die der
Techniker hier verbringt.» (Fall 12)
Um eine Umstellung auf ein Bezahlmodell herbeizuführen, in welchem e-Services
gleichermassen verrechnet werden können wie Vor-Ort-Einsätze, ist aus Kundenperspektive ein proaktives Vorgehen des WZM-Herstellers gefragt. Kunden erwarten eine
Kontaktaufnahme zur Besprechung und schriftlichen Vereinbarung der Konditionen
oder sie erwarten, bereits vor der Investition in die Werkzeugmaschine darüber informiert zu werden. Wichtig ist die Klärung der Frage, welcher Leistungsbezug im eSupport Kostenfolgen hat. Kunden wollen sicherstellen, dass WZM-Hersteller nicht
für Beratungsleistungen ohne Erfolgsergebnis oder die Erstellung von Offerten, welche später durch die Verrechnung eines Technikereinsatzes oder eines Ersatzteils abgegolten sind, bezahlt werden. Kunden erwarten von den WZM-Herstellern eine kundennutzenoptimierte Preisgestaltung als Voraussetzung für die Verrechnung von eServices, bei welcher sie die Kostenkontrolle behalten.
Repräsentativ dafür ist folgendes Statement aus der Praxis:
«Ohne Vorinformation würde man eine Rechnung über telefonischen Support nicht
akzeptieren. Man müsste im Voraus, bereits beim Kauf der Maschine, Kenntnis darüber haben, was es kostet.» (Fall 11)
100
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Zusammenfassend lässt sich die Opportunität ableiten:
Opportunität 5: Die Akzeptanz für die Verrechnung von e-Services steigt durch
den Abschluss einer kundennutzenoptimierten Leistungsvereinbarung zu eServices.
Die erhöhte Akzeptanz für die Verrechnung von e-Services durch den Abschluss von
kundennutzenoptimierten Leistungsvereinbarungen trifft auf Kunden in allen Segmenten zu, wird jedoch mindestens bei den reaktiven Service-on-Demand-Bezügern und
den technischen Innovatoren immer noch auf Widerstand stossen.
3.3.4 Beobachtungen zum Kaufentscheidungsprozess
Neben den aus der Kundenperspektive relevanten Themen mit einem signifikanten
Einfluss auf die Stiftung bzw. die Minderung des Kundennutzens hat die fallübergreifende Synthese vier Beobachtungen zum Kaufverhalten beim Investitionsprozess für
eine WZM ersichtlich gemacht, welche mit den After-Sales-Services zusammenhängen. Aus ihnen lassen sich weder Aussagen über den Kundennutzen noch Opportunitäten ableiten, sie leisten jedoch einen Erklärungsbeitrag zum Kaufverhalten und eröffnen Ansatzpunkte für eine Einflussnahme des Service- und Verkaufsteams im Kaufentscheidungsprozess.
3.3.4.1
Vertrauen und Kulanz
Vertrauen hat sich in den Kaufprozessen zu einem Schlüsselthema entwickelt, sobald
Fragen angesprochen wurden, welche sich um das Thema Garantie und Verträge zu
den After-Sales-Services drehten. Aus Kundenperspektive sind Verträge zwar ein Mittel, um interne und externe Absicherungen vorzunehmen, eine Durchsetzungsmöglichkeit gegenüber dem WZM-Hersteller zu haben und schriftlich festgehaltene, klare
Verhältnisse über einen Sachverhalt zu schaffen. Nach Vertragsabschluss verlieren die
Verträge aber in den meisten Fällen für den Kunden an Bedeutung, da im Alltagsgeschäft gemeinsam mit dem WZM-Hersteller nach Lösungen gesucht werden muss –
und dies geschieht weitgehend unabhängig von den vertraglich vereinbarten Konditionen. Aus Kundensicht wird der Sachverhalt von Entscheidungsträgern wie folgt beschrieben:
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
101
«Wenn eine Maschine steht, dann bringt es auch nichts, wenn man vorher alles verhandelt hat, sondern dann ist es einfach das Wichtigste, dass die Maschine so schnell
wie möglich wieder läuft.» (Fall 10)
«Man kann alles Mögliche vertraglich regeln. Wenn es dann nicht geht, dann geht es
nicht. Was nützt es dann, wenn es geregelt wurde?» (Fall 3)
«Letzten Endes ist es Vertrauen. Man schaut nie in den Vertrag rein.» (Fall 16)
Der Nutzen eines Vertrages wird dem Vertrauen in den WZM-Hersteller untergeordnet. Der Grund für die hohe Gewichtung von Vertrauen liegt in der Art des AfterSales-Geschäfts: Dieses lässt sich nur erschwert mit rational messbaren Kriterien definieren, welche für den Kunden einen garantierten Nutzen bringen. So sind z.B. in vielen Serviceverträgen garantierte Reaktionszeiten enthalten, jedoch keine garantierte
Wiederherstellung der Funktionalität. Folgende Aussage aus der Praxis erläutert die
Problematik:
«Der Hersteller garantiert 24h-Service. Rechtlich sieht dies so aus: Der muss halt jemanden schicken nach 24 Stunden. Der wird auch jemanden schicken nach 24 Stunden. Nur was dann passieren kann ist, dass da halt einer kommt, der hat zwei Hände
und zwei Beine und steht an der Maschine und ist halt da. Wie kann ich jetzt gewährleisten, dass der Mann sich auskennt?» (Fall 16)
Servicemitarbeitende haben aus Sicht des Kunden deshalb die Chance, das geforderte
Vertrauen durch gute Leistungen herzustellen – und geniessen ihrerseits gleichzeitig
ein hohes Ansehen bei den Kunden: Empfehlungen, welche sie abgeben, sind mit einer
höheren Glaubwürdigkeit versehen. Sie werden, anders als der Verkauf, als neutral
und sachlich betrachtet.
«Die Bindung zum Servicemitarbeiter ist enger. Er weiss meistens vor dem Verkäufer,
was im Betrieb vor sich geht: ob andere Produkte evaluiert werden und was für Probleme vorhanden sind.» (Fall 11)
Wenn Kunden wiederholt unzufrieden mit den After-Sales-Services eines WZMHerstellers sind, findet eine Sanktionierung nicht über die Einklagung auf Basis eines
Vertragswerks statt – ausser vielleicht bei den internen Servicedienstleistern –, sondern mit dem Ausschluss des WZM-Herstellers für zukünftige Investitionen. Diesen
Sachverhalt kann man bei einer separaten Betrachtung all jener Fälle beobachten, in
102
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
welchen eine WZM von einem bestehenden Lieferanten gekauft wurde: In all jenen
Fällen war die Einschätzung des Vertrauens hoch, während beim Erstkauf tiefere Vertrauensverhältnisse akzeptiert wurden. Hinzu kommt, dass Entscheidungsträger negative Empfehlungen an andere Kunden erteilen, welche selbst im Beschaffungsprozess
sind. Diese Negativempfehlungen haben ein grosses Gewicht, wenn man beachtet,
dass als Hauptgrund für den Aufbau von Vertrauen beim Erstkauf Referenzbesuche
genannt wurden:
«Wenn man über drei Länder hinweg fragen gehen kann und von niemandem hört,
dass der Service stimmt, dann sagt man irgendeinmal: ‹Da hat man keine Lust darauf.›» (Fall 9)
«Es geht extrem schnell, dass man sich den Namen kaputt macht, wenn man den Service nicht bieten kann, welchen man leisten müsste. Es spricht sich sehr schnell auf
dem Markt herum.» (Fall 7)
Das Thema Vertrauen hängt aus Kundensicht eng mit dem Umgang von Kosten im
Schadensfall zusammen. Eine Diskussion von vereinbarten und gewünschten Konditionen, wie z.B. der Garantiezeit, hat gezeigt, dass Kunden die Leistung des WZMHerstellers nicht an den vertraglich vereinbarten Konditionen bemessen, sondern nach
einer Art «Verursacherprinzip» bewerten. Dies bedeutet, dass Kunden eine eigene
Vorstellung von der Funktionsfähigkeit einer Maschine haben, welche sie als genügend erachten. Erfährt eine Kernkomponente der WZM kurz nach Ablauf der Garantiezeit einen Defekt, wird dieser Vorfall von den Kunden wie folgt bewertet: Ist er auf
Grund eines Bedienfehlers eingetreten, so wird – mindestens moralisch – keine Zahlung des WZM-Herstellers verlangt; weder innerhalb noch ausserhalb der Garantiezeit.
Wird jedoch als Schadensverursacher der WZM-Hersteller betrachtet, z.B. auf Grund
des Einsatzes von qualitativ minderwertigen Komponenten, wird – unabhängig von
der Garantiezeit – ein kostenloser Ersatz gefordert. Jeder Kunde hat dabei eine individuelle Vorstellung davon, in welchem Fall der WZM-Hersteller als Verursacher betrachtet werden muss und für welchen Zeitraum der kulante Umgang mit daraus entstehenden Kosten erwartet werden kann. Wird die Erwartung an die Kulanz nicht erfüllt, kommt es zum Bruch des Vertrauens in den WZM-Hersteller.
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
103
«Wir schauen uns erstmal an, wie so etwas passiert sein kann: War es ein MaschinenBedienfehler? Wenn es offensichtlich ein Bedienfehler ist, was auch vorkommt, dann
muss ich sagen, dann versucht man da nicht etwas auszuhandeln, weil im Endeffekt
müssen Sie ja mit den Lieferanten auf Dauer auskommen. […]. Wenn wir jetzt der
Meinung sind, dass es wirklich auf einen Konstruktionsfehler zurückzuführen ist, was
wir auch schon gehabt haben, da versucht man dann schon, dies irgendwie nachzuweisen und da einigt man sich dann meistens irgendwie auf: ‹Der Monteureinsatz ist
bezahlt, aber das Ersatzteil wird kostenfrei geliefert.›» (Fall 16)
«Die Erwartung an eine gewisse Kulanz ist vorhanden, zumal wir routinierte Anwender haben an den Maschinen. Nicht sachgerechter Gebrauch kann man bei uns eigentlich ausschliessen: Dies ist oft ein Vorbehalt wegen Kulanzablehnung.» (Fall 12)
«Je nachdem, wie ein Hersteller sich zu Fabrikationsfehlern stellt, hat er am Schluss
eher eine positive oder eine negative Nachrede. Die positive merkt man sich vielleicht,
die negative aber hundertprozentig.» (Fall 5)
Zusammenfassend ist folgendes Kaufverhalten beobachtbar:
Kaufverhalten 1: Kunden betrachten After-Sales-Services als ein Vertrauensgeschäft. Sie beurteilen die Interaktionen mit den Herstellern anhand eines subjektiven Fairness-Standards, welcher losgelöst von vertraglichen Vereinbarungen ist. Ein vom Kunden wahrgenommener Vertrauensmissbrauch führt zu einer Sanktionierung des Herstellers bei zukünftigen Investitionsentscheidungen.
Die Bedeutung von Vertrauen für nachfolgende Investitionsentscheidungen trifft für
alle Kundensegmente zu. Am wichtigsten ist das Thema aber für die strategischen
Partner, wo ein hohes Vertrauen eine zwingende Kaufvoraussetzung ist. Auch eine
Sanktionierung des Herstellers auf Grund mangelnder Kulanz ausserhalb von Garantiezeiten wird in allen Kundensegmenten angewendet, ist bei den risikoaversen Service-Profis jedoch weniger ausgeprägt, weil bei ihnen Sachverhalte am rationalsten
beurteilt werden.
3.3.4.2
Beurteilungszeitpunkt im Kaufprozess
After-Sales-Services lenken im Kaufprozess für eine WZM einen geringen Teil der
Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger auf sich: In der Hälfte aller in dieser Studie
104
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
betrachteten Kaufentscheidungsprozesse wurde After-Sales-Services während des
ganzen Prozesses im Buying Center nie formell zur Sprache gebracht.
Betrachtet man jene Fälle, wo ein echter Evaluationsprozess zwischen verschiedenen
Produktalternativen stattgefunden hat, erhöht sich der Stellenwert der After-SalesServices. Findet eine Evaluation statt, wird in aller Regel zu Beginn des Kaufprozesses
eine Selektion der möglichen WZM-Hersteller auf Grund einer Beurteilung von deren
After-Sales-Kompetenz vorgenommen. Diese kann auf Grund eines Pflichtenhefts,
rationaler Kriterien (z.B. Sprache der Techniker, Distanz zur Servicestelle) oder weicher Kriterien (z.B. Nationalität, ethische Überlegungen) zustande kommen. Im letzteren Fall ist die Beurteilung von Subjektivität geprägt.
Ein zweites Mal kommt eine Leistungs- und Kostenbeurteilung der After-SalesServices im Prozess der Investition in eine WZM kurz vor Vertragsunterzeichnung zur
Sprache, wenn alle technischen Kriterien geklärt sind. Dies geschieht dann, wenn noch
zwei Alternativen zur Auswahl stehen und vergleichbare Produkt-/Preisofferten vorliegen: In diesem Fall kann eine Differenzierung über After-Sales-Services einen Entscheidungsvorteil bringen.
«Die technischen Kriterien sind an erster Stelle, danach kommt der Service. Eine umgekehrte Reihenfolge wäre unlogisch.» (Fall 4)
«Es werden ethische Regeln angewendet: Aus gewissen Ländern, wo gewisse Grundgesetzgebungen nicht eingehalten werden, werden keine Maschinen gekauft.» (Fall 11)
«Der Preis für Service ist eigentlich ein höchst relevanter Punkt nach dem Kaufentscheid, doch wir haben nicht einmal einen Preisvergleich gemacht.» (Fall 14)
«Meistens passiert das Gespräch zum Servicevertrag im letzten Gespräch des Kaufvertrages. Bevor einer unterschreibt sagt er: ‹Oh Moment, Service.›» (Fall 17)
«Wenn du zuletzt zwei Maschinen hast und dir überlegst, welche du nehmen sollst,
dann fragst du dich, wer bietet den besseren Service an.» (Fall 23)
«Die Soft Facts darf man nicht unterschätzen. Die Soft Facts spielen mit hinein, auch
wenn alle sagen, dies stimmt nicht, doch dies ist die Realität.» (Fall 4)
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
105
Zusammenfassend ist folgendes Kaufverhalten beobachtbar:
Kaufverhalten 2: Wenn eine Evaluation der After-Sales-Services bei der Investition in eine Werkzeugmaschine stattfindet, findet diese zu Beginn und, im Fall
vergleichbarer Produkt-/Preisofferten, erneut am Ende des Kaufentscheidungsprozesses statt.
In den Kundensegmenten der internen Servicedienstleister und der risikoaversen Service-Profis, bei welchen ein strukturierter Evaluationsprozess unter Zuhilfenahme eines Pflichtenhefts erfolgt, findet eine Vorselektion durch die WZM-Hersteller selbst
statt: Stellen sie eine Offerte, akzeptieren sie das Pflichtenheft und die darin formulierten Anforderungen an die After-Sales-Services. Bei dieser Art des Kaufprozesses können die After-Sales-Services kaum einen Beitrag zur Leistungsdifferenzierung beitragen, fliessen jedoch in die Wirtschaftlichkeitsrechnung des Kunden ein.
In den übrigen drei Kundensegmenten findet eine Vorselektion auf Grund von rationalen oder weichen Faktoren statt. Die Subjektivität der Entscheidungsträger befindet
darüber, ob ein WZM-Hersteller in die engere Auswahl kommt. Auch in diesen Kundensegmenten ordnen sich After-Sales-Services den technischen Kriterien in der Bedeutung unter.
3.3.4.3
Entscheider über den Vertragsabschluss
Industrielle Kaufentscheidungen finden in einem Buying Center statt und sind klassische Mehrpersonenentscheidungen, welche sich über einen längeren Zeitraum hinwegziehen.243 Die Kaufprozessanalyse in den vorliegenden Fallstudien konnte diese
Aussagen bestätigen: Bis auf Firmen in der Grössenkategorie der Mikrounternehmen
waren in allen Kaufprozessen mehrere Personen bzw. Institutionen beteiligt und die
Kaufprozesse hatten im Mittel eine Dauer von eineinhalb Jahren, gemessen von der
Artikulierung des Bedürfnisses bis zum Kaufabschluss.
Isoliert man den involvierten Personenkreis, wenn es um die Entscheidung geht, ob für
eine Maschine beim Kaufabschluss oder nach Ablauf der Garantiezeit ein Vertrag zu
After-Sales-Services abgeschlossen wird,244 verkleinert sich der Kreis der involvierten
243
244
Backhaus & Voeth (2004, S. 328 ff.)
Dies können ein Service- und/oder Wartungsvertrag sowie fixierte Konditionen für den späteren
Bezug von Service in Regie sein.
106
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Personen. In knapp der Hälfte aller Fälle hat eine einzelne Person über Service entschieden: der CEO des Unternehmens – ausser in börsennotierten Gesellschaften, in
welchen Abteilungsleiter diese Funktion innehatten. Im Gegensatz dazu waren bei
Mehrpersonenentscheidungen die Bereichs-, die Abteilungs- und die Produktionsleiter
die federführenden Entscheidungsträger, nur in einzelnen Fällen waren Techniker und
F&E-Mitarbeitende beteiligt. In allen Fällen war der Hauptentscheider über einen Vertrag zu After-Sales-Services die für den Gesamtevaluationsprozess der Investition verantwortliche Person.
Keine Relevanz hat in der Frage der After-Sales-Services der Einkäufer, welcher nur
in jenen Firmen überhaupt eine Funktion einnimmt, wo die Entscheidung über die After-Sales-Services auf Grund der Firmenpolitik von Anfang an vorgegeben ist und der
Einkäufer diese gemäss den vorhandenen Richtlinien umzusetzen hat.
Zusammenfassend ist folgendes Kaufverhalten beobachtbar:
Kaufverhalten 3: Die Entscheidung über den Abschluss einer After-SalesService-Vereinbarung als Teil des Kaufentscheidungsprozesses bei Investitionen in Werkzeugmaschinen wird vom Hauptverantwortlichen für den Kaufprozess weitgehend alleine gefällt.
Bei risikoaversen Service-Profis und internen Servicedienstleistern ist die Frage über
den Abschluss einer After-Sales-Service-Vereinbarung zum Kaufentscheidungszeitpunkt oftmals durch die Firmenpolitik vorbestimmt. In den übrigen Kundensegmenten
konzentriert sich die Entscheidung auf den Hauptverantwortlichen für den Kaufprozess. In Mikro- und Kleinunternehmen ist dies in der Regel der CEO, in mittelständischen Unternehmen ist es der Produktions-, der Abteilungs- oder der Bereichsleiter. In
inhabergeführten mittelständischen Unternehmen entscheidet der geschäftsführende
Inhaber über den Abschluss einer Service-Vereinbarung.
3.3.4.4
Service als Verhandlungsinstrument
Da After-Sales-Services als produktbegleitende Dienstleistungen den Charakter einer
Nebensächlichkeit haben,245 erwarten Kunden, dass sie für die Realisierung von Preisnachlässen verwendet werden können. Dies betrifft vor allem die vom WZMHersteller veranschlagen Kosten für Installation und Schulung. Des Weiteren erwarten
245
vgl. auch Kundennutzen 1 und Kapitel 3.3.4.2
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
107
Kunden, dass sie die Garantie als Verhandlungsergebnis um sechs bis zwölf Monate
verlängern können – ohne Kostenfolgen für sie. Die Kunden haben dies wie folgt beschrieben:
«Die meisten Hersteller tun sich schwer, preislich etwas nachzugeben, aber bei solchen Serviceleistungen oder Schulungen sind für sie Brutto- und Nettowert immer sehr
unterschiedlich. […] Zudem hat der Verhandlungsführer die Kompetenz, direkt darüber zu entscheiden. Wenn es um monetäre Nachlässe geht, läuft es über die Geschäftsleitung.» (Fall 19)
«Die Geschenke im Service sind das, was das Gesamtangebot am Ende abrundet.»
(Fall 16)
Zusammenfassend ist folgendes Kaufverhalten beobachtbar:
Kaufverhalten 4: Kunden erwarten, dass sie beim Kauf einer Werkzeugmaschine Preisnachlässe durch reduzierte oder wegfallende Kosten für After-SalesServices realisieren können.
Die Erwartung über die «Geschenke im Service» sind bei Entscheidungsträgern in allen fünf Segmenten beobachtbar.
3.3.5 Zusammenfassung der Resultate
Nachfolgende Abbildung 21 fasst die Resultate der Studie zusammen:
108
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
Abbildung 21: Zusammenfassung der Resultate
Nutzen aus Kundenperspektive
Opportunitäten für WZM-Hersteller
1: Die zeitnahe Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschine stiftet
aus Kundenperspektive relevanten Nutzen.
1: Kostenvorteile in der Leistungserbringung lassen sich durch ein auf die zeitnahe
Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit
der Werkzeugmaschinen beim Kunden fokussiertes Leistungssystem erreichen.
2: Ein überdurchschnittliches Kompetenzniveau der Servicetechniker erhöht den Kundennutzen.
2: Ein überdurchschnittliches Kompetenzniveau der Servicetechniker erhöht die Zahlungsbereitschaft für Serviceeinsätze beim
Kunden.
3: Ein professionelles Kommunikations- und
Informationsmanagement des WZMHerstellers erhöht den Kundennutzen.
3: Ein professionelles Kommunikations- und
Informationsmanagement des WZMHerstellers mindert die Leistungsansprüche
des Kunden hinsichtlich Reaktionszeit und
Ersatzteilverfügbarkeit.
4: Eine aus Kundenperspektive unfaire
Preispolitik mindert den vom Kunden wahrgenommenen Nutzen von After-SalesServices.
5: Eine separate Verrechnung von eServices mindert deren vom Kunden wahrgenommenen Nutzen.
4: Es besteht eine positive Korrelation zwischen der Preisakzeptanz von After-SalesServices durch den Kunden und den durch
ihn wahrgenommenen Kosten für ihre Leistungserbringung.
5: Die Akzeptanz für die Verrechnung von eServices steigt durch den Abschluss einer
kundennutzenoptimierten Leistungsvereinbarung zu e-Services.
Beobachtungen zum Kaufverhalten
1: Kunden betrachten After-Sales-Services als ein Vertrauensgeschäft. Sie beurteilen die Interaktionen mit den Herstellern anhand eines subjektiven Fairness-Standards, welcher losgelöst von
vertraglichen Vereinbarungen ist. Ein vom Kunden wahrgenommener Vertrauensmissbrauch
führt zu einer Sanktionierung des Herstellers bei zukünftigen Investitionsentscheidungen
2: Wenn eine Evaluation der After-Sales-Services bei der Investition in eine Werkzeugmaschine
stattfindet, findet diese zu Beginn und, im Fall vergleichbarer Produkt-/Preisofferten, erneut am
Ende des Kaufentscheidungsprozesses statt.
3: Die Entscheidung über den Abschluss einer After-Sales-Service-Vereinbarung als Teil des
Kaufentscheidungsprozesses bei Investitionen in Werkzeugmaschinen wird vom Hauptverantwortlichen für den Kaufprozess weitgehend alleine gefällt.
4: Kunden erwarten, dass sie beim Kauf einer Werkzeugmaschine Preisnachlässe durch reduzierte oder wegfallende Kosten für After-Sales-Services realisieren können.
Quelle: Eigene Darstellung.
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
3.4
109
Diskussion
Eine Gegenüberstellung der aus der fallübergreifenden Synthese gewonnenen Resultate mit vorhandenen theoretischen Erklärungsansätzen aus der Marketingforschung erhöht die Validität dieser qualitativen Studie.246 Als Theorien eignen sich sowohl die
mikroökonomische Nutzentheorie wie auch verhaltenswissenschaftliche Ansätze und
die Modelle des organisationalen Kaufverhaltens.
3.4.1 Validierung mit der ökonomischen Nutzentheorie
Sowohl in der mikroökonomischen Nutzentheorie wie auch in den Verhaltenswissenschaften wird eine Trennung zwischen Grund- und Zusatznutzen eines Gutes vorgenommen.247 Während die After-Sales-Services als produktbegleitende Dienstleistungen an sich als ein Zusatznutzen der Investition in eine Werkzeugmaschine betrachtet
werden können, zeigt die vom Kunden artikulierte Nutzenpräferenz (Kundennutzen 1),
dass bei einer isolierten Betrachtung von After-Sales-Services deren Grundnutzen in
der zeitnahen Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschine gesehen wird. Dies bedeutet für den Kunden letztendlich den Erhalt seiner Produktionsfähigkeit. Die Erfüllung dieser Anforderung an den Grundnutzen ist für den Kunden ein
zwingendes Erfordernis. Dass sich daraus eine Opportunität zur Elimination von Leistungen ergibt (Opportunität 1), ist für den Kunden nicht nur nutzenneutral, sondern
kann nutzensteigernd sein, wenn der Kunde weiss, dass er nur für die von ihm bezogenen Leistungen bezahlt und nicht indirekt Dienstleistungen mitfinanziert, welche andere Kunden des WZM-Herstellers, möglicherweise seine Konkurrenten, beziehen.248
Die aus der Kompetenzsteigerung der Techniker erhöhte Zahlungsbereitschaft für Serviceeinsätze (Opportunität 2) ist in Verbindung mit der mikroökonomischen Nutzentheorie wie folgt zu betrachten: Gut ausgebildete Techniker stiften bei den Kunden
einen relativen Nutzenvorteil, da sie Störungen effizient und effektiv beheben. Dies
führt zu einer tieferen Anzahl verrechneter Stunden und zu internen Kostenvorteilen.
Letztere zeigen sich durch eine geringere Bindung der Mitarbeitenden des Kunden
sowie durch kürzere Produktionsausfälle. Für die Erzielung dieses Nutzenvorteils sind
die Kunden bereit, einen überdurchschnittlichen Preis zu bezahlen. Unter Anwendung
246
Bortz & Döring (2006, S. 328); Yin (2014, S. 165–167)
247
Herrmann (1998, S. 163)
248
Belz & Bieger (2006, S. 93)
110
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
des Target-Pricing-Modells gilt es für WZM-Hersteller abzuwägen, wie ein ideales
Verhältnis zwischen Mitarbeiterkompetenz – und damit verbundenen Personal- und
Ausbildungskosten – und Zahlungsbereitschaft für Serviceeinsätze kompetenter Personen auszugestalten ist.249
Eine Einordnung der vom Kunden formulierten Nutzenpräferenz hinsichtlich des
Grundnutzens von After-Sales-Services (Opportunität 1) und des Ausbildungsniveaus
der Servicetechniker (Opportunität 2) in das Kano-Modell250 lässt auf Grund der Aussagen der Kunden die Hypothese zu, dass es sich bei der zeitnahen Wiederherstellung
der Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschine – je nach Kundensegment – um eine
Leistungsanforderung handelt, wobei die Geschwindigkeit der Störungsbehebung das
Leistungskriterium ist. Dessen Erfüllung hängt mit dem Ausbildungsniveau der Techniker zusammen, welches den Charakter einer Leistungs- oder Begeisterungsanforderung hat und bei den Kunden eine proportionale bis überproportionale Zahlungsbereitschaft auslöst.251 Da die in der Studie angewandte qualitative Fallstudienforschung
nicht dem Forschungsideal zur Ergründung dieses Zusammenhangs entspricht, ist an
dieser Stelle keine in Geldwert quantifizierbare Aussage über dessen Ausprägung
möglich. 252
3.4.2 Validierung mit verhaltenswissenschaftlichen Theorien
Unter den verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen leisten die Equity-Theorie, das Erwartungs-Diskonfirmations-Paradigma, die Theorie der Referenzpreise sowie das Dual-Entitlement-Prinzip einen Erklärungsbeitrag.
Die verminderten Leistungsansprüche des Kunden hinsichtlich der Reaktionszeit und
der Ersatzteilverfügbarkeit durch ein professionelles Kommunikations- und Informationsmanagement (Opportunität 3) sind partiell mit dem Erwartungs-DiskonfirmationsParadigma und der Nutzentheorie zu erklären: Kunden haben beim Ausfall eine Erwartung an die Geschwindigkeit der Störungsbehebung. Wird diese Erwartung früh-
249
vgl. Kapitel 2.2
250
vgl. Kapitel 2.3.2.2
251
Simon & Fassnacht (2009, S. 88)
252
Für die Gewinnung von Informationen über den Zusammenhang der Zahlungsbereitschaft mit den
Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen wird als Forschungsmethode ConjointMeasurement empfohlen. Vgl. dazu Simon (1993, S. 88).
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
111
zeitig mit professionellen und proaktiven Informationen bewirtschaftet, kann sie durch
den WZM-Hersteller gelenkt werden, wodurch sich der Kunde auf die neue Situation
einstellen kann und Unzufriedenheit minimiert wird: Dadurch bestehen mehr Handlungsspielräume für den WZM-Hersteller. Des Weiteren hat eine verbesserte Planbarkeit beim Kunden auch positive Kostenfolgen, wodurch der Nutzen einer zeitnahen
Funktionalitätswiederherstellung gemindert wird.
Zur Erklärung des Kundenverhaltens in den Bereichen Preisakzeptanz (Opportunität
4) und e-Service-Vereinbarungen (Opportunität 5) eignet sich ein Mix aller obengenannten verhaltenswissenschaftlichen Ansätze, welche im Zusammenspiel auftreten.
Im ersten Fall, der Preisakzeptanz, beurteilt der Kunde auf Grund einer Preisvorstellung, welchen insbesondere bei am Markt erhältlichen Ersatzteilen ein konkreter Referenzpreis zu Grunde liegt, die Preise für After-Sales-Services. Wenn die Abweichung
zum Referenzpreis zu gross ist, stösst dies auf Ablehnung beim Kunden.253 Als Auslöser der Unzufriedenheit, welche durch eine nicht nachvollziehbare Preispolitik entstehen kann, wird von den Kunden das Argument einer ungleichmässigen Margenverteilung genannt, da die Kunden – als Folge einer intransparenten Preispolitik – die Differenz zum Referenzpreis mit einem Margengewinn beim WZM-Hersteller erklären und
andere Faktoren, wie z.B. Lager- und Administrationskosten sowie Risikozuschläge,
ausser Acht lassen. Die von den Kunden wahrgenommene Marge übersteigt infolgedessen die Marge, welche sie bei ihren eigenen Produkten aufschlagen können,
wodurch sie ein Ungleichgewicht in der Transaktionsbeziehung zu ihren Lieferanten
wahrnehmen. Der Equity-Theorie folgend führt dies zu Unzufriedenheit bzw. gemindertem wahrgenommenem Kundennutzen. 254
Das gleiche Zusammenspiel der Theorien kann im zweiten Fall zur Begründung einer
Steigerung der Verrechnungsquote durch e-Services-Vereinbarungen beigezogen werden: Werden die Leistungen kundennutzengerecht ausgestaltet und visualisiert und die
dafür entstehenden Kosten transparent gemacht, tendieren nach der Equity-Theorie die
Kunden dazu, dem WZM-Hersteller einen fairen Gewinnanteil zuzugestehen. 255 In
umgekehrter Richtung wirkt die Equity-Theorie im Fall der Forderung nach einem
Vertrauensverhältnis und nach Kulanz (Kaufverhalten 1). Dort liegt aus Perspektive
253
Simon & Damian (1999, S. 155 f.)
254
Simon & Fassnacht (2009, S. 179)
255
Simon & Fassnacht (2009, S. 179)
112
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
des Kunden ein Ungleichgewicht zu seinen Ungunsten vor, falls der Kunde das Verschulden des Schadens beim WZM-Hersteller sieht und dieser nicht für den Schaden
aufkommt.
Unabhängig von obigen Theorien, aber ebenfalls mit verhaltenswissenschaftlichen
Ansätzen erklärbar sind die vom Kunden erwarteten Preisnachlässe durch reduzierte
oder wegfallende Kosten für After-Sales-Services beim Entscheid über die Investition
in eine WZM (Kaufverhalten 4). Diese Kundenerwartung lässt sich mit der in der Vergangenheit von Maschinen- und Anlagenbauern angewandten Preisdurchsetzungsstrategie im Verkauf erklären: Wie Diller256 festhält, waren früher Preisspreizungen verbreitet und die Kunden waren es gewohnt, grosszügige Rabatte in Preisverhandlungen
abzuholen, welche auch in der Form von Zusatzleistungen gegeben werden konnten.
Es ist auch davon auszugehen, dass Verkäufer in der Vergangenheit ihrerseits Services
unter Ausnutzung des psychologischen Effekts des «Silver Lining Principle»257 bewusst als für sie kostengünstigere Alternative zu Rabatten auf das Primärprodukt positioniert haben.
3.4.3 Validierung durch die Kaufprozesseinordnung
Ordnet man die Beobachtungen zum Zeitpunkt der Beurteilung der After-SalesServices (Kaufverhalten 2) und der entscheidungsrelevanten Person im Buying Center
(Kaufverhalten 3) bei Investitionen in Werkzeugmaschinen in das Prozesserklärungsmodell des organisationalen Kaufverhaltens von Choffray & Lilien258 ein, wird ersichtlich, dass After-Sales-Services in den Kundensegmenten der risikoaversen Service-Profis und der internen Servicedienstleister an den Organisationserfordernissen
gemessen werden, während sie bei den übrigen Kundensegmenten zu Beginn der individuellen Nutzenbewertung an den persönlichen, oft subjektiven Präferenzen der Entscheidungsträger selektioniert werden. Innerhalb der vertiefenden individuellen Nutzenbewertung spielen die After-Sales-Services als Leistungskriterien nachfolgend eine
untergeordnete Rolle. Diese bestätigt sich ebenfalls durch Kaufverhalten 3: Die Ent256
Diller (2008, S. 412)
257
Das «Silver Lining Principle» besagt, dass die Segregation von kleinen Zugewinnen (z.B. ein kos-
tenloses Schulungsmodul nach Installation einer Maschine) bei einem gleichzeitig grossen Verlust
(Kosten für die Maschine) vom Kunden in seinem Wert höher betrachtet wird, als wenn der gleiche
Kostenbetrag als Rabatt gewährt würde (Thaler, 2008, S. 21).
258
vgl. Kapitel 2.1.2.2
KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES
113
scheidung über den Abschluss von Service-Vereinbarungen wird von einem kleinen
Personenkreis gefällt, da sie nicht im Interessensmittelpunkt steht.259
3.5
Implikationen aus der Einnahme der Kundenperspektive
Die Einnahme der Kundenperspektive bei der Nutzenbeurteilung und die Beobachtung
des Kaufentscheidungsverhaltens haben zur Abgrenzung von fünf Kundensegmenten
und zur Identifikation von fünf Opportunitäten für Optimierungen im Leistungssystem
geführt, welche durch vier relevante Beobachtungen zum Kaufentscheidungsverhalten
bei Investitionen in Werkzeugmaschinen ergänzt werden.
Die Generalisierbarkeit der Resultate ist auf Grund der Anzahl betrachteter Kaufentscheidungsprozesse und der vertieften Auseinandersetzung mit dem Argumentarium
der Kunden möglich. Dennoch gilt es zu beachten, dass die Resultate von den Kunden
der fünf Segmente, wie bei den einzelnen Opportunitäten und Beobachtungen ausgeführt, unterschiedlich gewichtet werden; diese Limitation wird im Fall der Opportunitäten auch auf die auf ihnen basierenden Optimierungsmassnahmen übertragen.
259
vgl. auch Anhang 3 – Kriterium: Bedeutung der After-Sales-Services für die Gesamtentscheidung
114
4
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Optimierungsprozess zur Rentabilitätssteigerung
In diesem Kapitel werden in einem ersten Teil die von den Kunden artikulierten nutzenstiftenden Themen den Zielen im After-Sales-Geschäft der Anbieter von Maschinen und Anlagen gegenübergestellt. Daraus werden Zielkonflikte identifiziert, zu deren Umgang die fünf identifizierten Opportunitäten einen Lösungsbeitrag leisten. Anschliessend wird unter deren Berücksichtigung der Optimierungsprozess für die Rentabilisierung der After-Sales-Services präsentiert.
4.1
Zielkonflikte zwischen Kunden- und Anbieterperspektive
Die Beziehung zwischen «Kunden» und «Anbietern»260 unterliegt einem fortlaufenden
Spannungsverhältnis, welches von widersprüchlichen und deckungsgleichen Zielen
geprägt ist. Während der Kunde das Ziel verfolgt, eine Leistung zu konsumieren, welche über einen für ihn maximalen Kundennutzen verfügt, ist der Anbieter an der langfristigen Sicherstellung einer profitablen Kundenbeziehung interessiert, welche sich
sowohl am aktuellen wie auch am zukünftigen Ertragspotential des Kunden bemisst.261
Stellt man den Kundennutzen als Treiber sowohl der Kundenbindung wie auch des
Unternehmenserfolgs ins Zentrum der Beziehung,262 zeigt sich, dass die Ziele von
Kunden und Anbietern hinsichtlich der Erfüllung eines Kundennutzens deckungsgleich sind. Beide Parteien haben ein Interesse daran, dass der Kundennutzen der erbrachten Leistung jenem des Konkurrenzangebots überlegen ist.263 Ein Zielkonflikt
zwischen den Kunden und den Anbietern entsteht jedoch in der Verteilung der Gewinne, welche bei der Transaktion entstehen.
In der ökonomischen Theorie wird dieses Spannungsfeld mit der Konsumenten- und
der Produzentenrente erklärt: Während eine Konsumentenrente durch eine den Marktpreis übersteigende Zahlungsbereitschaft für eine Leistung entsteht, bildet sich eine
Produzentenrente durch die Differenz, um welche die Produktionskosten einer Leistung unter dem Marktpreis liegen. Setzt man Nutzenmaximierung beim Konsumenten
und Gewinnmaximierung beim Produzenten voraus, zeigt sich der Zielkonflikt darin,
260
vgl. die Begriffsabgrenzungen zu Kunden und Anbietern in Kapitel 3.2.5.1
261
Hinterhuber & Hinterhuber (2009, S. 38)
262
vgl. Kapitel 2.2.6
263
Boetsch (2008, S. 44)
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
115
dass der Anbieter versuchen wird, seine Produzentenrente zu maximieren, was – in der
Regel auf Kosten des Kundennutzens – einerseits durch Preismaximierung und andererseits durch Kostenminimierung erreicht werden kann.264
Während die ökonomische Theorie den Zielkonflikt zwischen Konsument und Produzent in seinen Grundsätzen verständlich macht, bedarf es in der betriebswirtschaftlichen Praxis unter realen Marktbedingungen einer differenzierten Betrachtung der Ziele, welche die Anbieter mit ihrem After-Sales-Services-Portfolio verfolgen. Diese Ziele werden im nachfolgenden Unterkapitel aufgeschlüsselt. Im Anschluss werden die
Spannungsfelder aufgezeigt, welche sich zwischen den Zielen der Anbieter und den
aus der Untersuchung des Kundennutzens resultierenden Nutzenpräferenzen der Kunden ergeben.
4.1.1 Ziele von After-Sales-Services aus Anbieterperspektive
Das aus der Problemstellung abgeleitete Ziel von Anbietern im Bereich der AfterSales-Services ist deren Rentabilisierung. Es gilt jedoch zu beachten, dass neben diesem Ziel die positiven Auswirkungen von After-Sales-Services auf den Absatz von
WZM sowohl auf strategischer Ebene wie auch für das Marketing und den Verkauf
eine hohe Signifikanz haben.265 Die Nutzung von After-Sales-Services als Verkaufsförderungsinstrument für das Primärproduktgeschäft ist denn auch der Hauptgrund für
deren Einsatz.266 Das Akquisitionspotential der After-Sales-Services entfaltet sich dabei primär in Verbindung mit der Kundenbindung: Sind Kunden dank dem kundenorientierten Einsatz von After-Sales-Services über den Nutzungszyklus der Werkzeugmaschine mit den Leistungen des Anbieters zufrieden, entsteht eine Kundenbindung und
daraus ergeben sich Akquisitionschancen. Durch den nachweislichen Zusammenhang
zwischen Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und Rentabilität ergänzen sich die
Zielsetzungen.267
264
Böhmann, Warg & Weiss (2013, S. 76); Pechtl (2014, S. 16). Kuarta & Nam (2010, S. 144) liefern
empirische Daten für den Zielkonflikt und stellen fest, dass eine gewinnmaximierende Strategie für
den Hersteller nicht zu einer für den Kunden maximalen Nutzensituation führt.
265
Eine Zusammenfassung der wichtigsten neun Ziele, welche Maschinen- und Anlagenbauer mit
After-Sales-Services verfolgen, findet sich bei Sanche (2002, S. 29 ff.).
266
Sanche (2002, S. 29 f.)
267
Sanche (2002, S. 37 ff.), vgl. auch Abbildung 11
116
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Während auf Stufe der Geschäftsleitung und des Marketings eine Zielkongruenz hinsichtlich der After-Sales-Services besteht, sind in den Unternehmen auf Stufe Verkauf
Zieldivergenzen festzustellen. 268 Diese zeigen sich dadurch, dass für den Verkauf in
vielen Unternehmen kein Anreiz besteht, After-Sales-Services gewinnbringend zu
vermarkten, da die Provisionssysteme auf den Absatz von Maschinen und Anlagen
ausgelegt sind. Die Integration von After-Sales-Services in das Anreizsystem sowie
die Verankerung des Service als gewinnbringende Abteilung in der Unternehmenskultur wurden deshalb als Erfolgsfaktoren für Service identifiziert. 269
4.1.2 Spannungsfelder zwischen Kunden und Anbietern
Stellt man die Ziele, welche sich aus der Herleitung der nutzenstiftenden bzw. der nutzenmindernden Themen aus Kundenperspektive ergeben, den Zielen der Anbieter gegenüber, so lassen sich drei Spannungsfelder identifizieren. Sie sind in Abbildung 22
aufgeführt und werden in den nachfolgenden Abschnitten begründet.
Abbildung 22: Zielkonflikte Anbieter- und Kundenperspektive
Gemeinsames Ziel: Kundennutzen
Spannungsfelder bei der Zielerreichung
Kundenperspektive
Schnelle und professionelle
Störungsbehebung
Nachvollziehbare Preispolitik
Kostenloser Leistungsbezug
von Services
Anbieterperspektive
Gleichmässige Auslastung der
Mitarbeiterkapazitäten, hoher
Lagerumschlag
Hohe Margen, geringe
Vergleichbarkeit
Hohe Verrechnungsquote
nach dem WZM-Verkauf
Quelle: Eigene Darstellung.
268
Schmidt (2008, S. 237 f.)
269
Anderson & Narus (1995, S. 82 f.); Reinartz & Ulaga (2008, S. 94 f.)
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
4.1.2.1
117
Spannungsfeld 1: Störungsbehebung
Aus der Diskussion des Grundnutzens von After-Sales-Services im WZM-Markt hat
sich bei den Kunden herauskristallisiert, dass sie diesen in einer schnellen Problemlösung seitens des WZM-Herstellers sehen, primär beim Ausfall einer Produktionsmaschine. Durch die Erfüllung dieses Bedürfnisses, wird Nutzen gestiftet (Kundennutzen
1). Um dieser Leistungsanforderung zu entsprechen, sehen die Kunden beim WZMHersteller den Bedarf an qualifiziertem Personal (Kundennutzen 2), welches bei einem
Ausfall über freie Ressourcen verfügt. Zusätzlich ist die Lagerverfügbarkeit passender
Ersatzteile ein notwendiges Anforderungskriterium. Des Weiteren erwarten die Kunden vom WZM-Hersteller, dass er das Informationsmanagement im Fall einer Störung
professionell ausführt (Kundennutzen 3).
Die Ansprüche des Kunden sind aus Sicht des Anbieters mit Herausforderungen verbunden und stehen unterschiedlich stark im Widerspruch zu seinen Zielen. Während
für den Kunden die Verfügbarkeit von Personal entscheidend ist, besteht beim Anbieter der Wunsch, die Servicetechniker fortlaufend auf einem konstanten Auslastungsniveau zu halten: Er strebt einen Personalbestand an, welcher auf eine über das Jahr geglättete Auslastung ausgelegt ist und nicht auf den Spitzenbedarf, welcher auf einen
parallelen Ausfall von Maschinen bei mehreren Kunden ausgelegt ist.270 Ein zweiter
Konflikt besteht bei der Ersatzteilverfügbarkeit: Die vom Kunden gewünschte Lagerverfügbarkeit von Ersatzteilen bedingt beim Anbieter Kapitalbindungskosten sowie
das Risiko, dass ein zu hoher Bestand an Ersatzteilen vom Kunden möglicherweise
niemals abgerufen wird, was Abschreibungsverluste auf dem Warenlager nach sich
zieht.271 Ein geringerer Konflikt besteht hinsichtlich des Ausbildungsniveaus der
Techniker und des professionellen Informationsmanagements: Beide Aspekte werden
auch von Anbietern favorisiert, stossen aber in der Operationalisierung an Herausforderungen, wie die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal, das Lohnniveau sowie
die Zeit, welche für die Aus- und Weiterbildung von Technikern investiert werden
kann.
270
Wildemann (2006, S. 57 f.)
271
Baumbach (1998, S. 163)
118
4.1.2.2
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Spannungsfeld 2: Preispolitik
Das zweite Spannungsfeld besteht in der vom WZM-Hersteller angewandten Preispolitik. Der Kunde hat den Anspruch, dass die Preispolitik des WZM-Herstellers in seiner Wahrnehmung fair und nachvollziehbar ist (Kundennutzen 4). Fairness ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn für den Kunden nur ein bedingter Wertschöpfungsanteil ersichtlich ist.
Aus Sicht des Anbieters ist Transparenz im Preissystem bzw. bei seinen Leistungskosten mit Risiken verbunden. Transparenz erlaubt die Identifikation jener Produkte mit
überdurchschnittlicher Marge durch den Kunden – wodurch diese Produkte umgehend
zum Objekt von Preisverhandlungen werden. Des Weiteren erlaubt Transparenz auch
Vergleichbarkeit im Wettbewerb und wird bei Verfügbarkeit eines direkten Wettbewerbsangebots zu einem intensivierten Preiskampf führen. 272
4.1.2.3
Spannungsfeld 3: Kostenloser Leistungsbezug
Kunden sind es gewohnt, dass ihnen e-Services und Beratungsleistungen in der Nachkaufphase als über den Kaufpreis der WZM abgegoltene Leistungen zur Nutzung ohne
Kostenfolgen zur Verfügung stehen. Historisch gesehen waren solche Leistungen im
WZM-Markt stets ohne Kostenfolgen, was auch die Argumentationsgrundlage dafür
ist, dass sich dies in Zukunft nicht ändern soll (Kundennutzen 5).
Für Anbieter sind kostenlose e-Services und Beratungsleistungen ein zweischneidiges
Schwert: Einerseits sind sie eine Möglichkeit, den Kontakt zum Kunden aufrechtzuerhalten, Opportunitäten für Investitionen in Neuprodukte oder Upgrades frühzeitig zu
erkennen und direkte Feedbacks über die eigenen Produkte zu erhalten,273 andererseits
binden sie Ressourcen von kompetenten Mitarbeitenden, deren Arbeitseinsatz keinen
unmittelbaren Umsatz generiert. Eine für den Anbieter ideale Lösung entspricht einer
Situation, in welcher sich die aufgewendeten Arbeitsstunden für Supportleistungen am
Telefon oder per Remote-Zugriff verrechnen lassen, ohne dass dies zu einer reduzierten Frequenz des Kundenkontakts führt. Ob diese Verrechnung mit einem Rahmenvertrag oder auf Grund der Nutzung entsteht, ist sekundär: Wichtig ist aus Perspektive des
272
Diller (2008, S. 114–117)
273
Sanche (2002, S. 30)
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
119
Anbieters, dass während des gesamten Lebenszyklus einer Maschine fortlaufend eine
Rendite erzielt werden kann.274
4.2
Lösungskonzepte im Umgang mit den Spannungsfeldern
Um After-Sales-Services zu rentabilisieren, müssen Anbieter einen erfolgreichen Umgang für die Zieldivergenzen finden und diese in der Form von Optimierungsmassnahmen in ihr Leistungssystem einfliessen lassen.
Für die Identifikation von Optimierungsmassnahmen innerhalb der drei Spannungsfelder wird in der vorhandenen Literatur über Kundennutzen sowie über Preis- und Verkaufsmanagement nach erklärenden Theorien und innovativen Ansätzen gesucht, welche erfolgreiche Lösungskonzepte bieten. Diese werden mit den in der Studie zum
Kundennutzen von After-Sales-Services identifizierten Opportunitäten und Beobachtungen ergänzt, welche zuvor in Expertengesprächen mit Führungspersonen in Unternehmen des Werkzeugmaschinenbaus plausibilisiert wurden. Ergänzt wird der Optimierungsprozess mit ausgewählten thematischen Fallbeispielen, innerhalb deren innovative und erfolgreiche Lösungskonzepte aus mittelständischen Unternehmen der
Werkzeugmaschinenbranche vorgestellt werden.
4.2.1 Expertengespräche und Fallbeispiele
Die Expertengespräche haben mit neun Führungspersonen aus vier Unternehmen in
der Werkzeugmaschinenbranche im Juni und im Juli 2016 stattgefunden. Als Experten
wurden Entscheidungsträger mit langjähriger Berufserfahrung im Maschinen- und Anlagenbau in der Werkzeugmaschinenbranche sowie Fachspezialisten für den Bereich
Kundendienst und After-Sales-Services identifiziert.
Die Selektion der Experten fand nicht nach einer Zufallsauswahl, sondern nach gezielten Kriterien statt, wie dies für qualitative Untersuchungen empfohlen wird.275 Für die
Selektion der Experten stand nicht deren Person im Vordergrund, sondern die Unternehmen, in welchen sie beruflich tätig waren. Es wurden Unternehmen ausgesucht,
welche in der Studie zum Kundennutzen von den Kunden als leistungsstarke und innovative Akteure im After-Sales-Geschäft bezeichnet worden waren.
274
Brax (2005, S. 142); Wise & Baumgartner (1999, S. 134)
275
Eisenhardt (1989, S. 537)
120
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Die Expertengespräche haben drei Ziele verfolgt: Erstens wurden die in der Studie
zum Kundennutzen identifizierten Opportunitäten und Beobachtungen mit den Experten plausibilisiert. Zweitens wurde mit den Experten erörtert, inwiefern die von den
Kunden artikulierten Bedürfnisse den Zielsetzungen in ihren Unternehmen widersprechen. Drittens wurden in jenen Fällen, in welchen Experten in mittelständischen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus tätig waren,276 erfolgreiche und innovative Lösungsansätze für einzelne Praxisprobleme im Umgang mit After-Sales-Services
diskutiert. Diese wurden im Anschluss unter Einbezug von zusätzlichem Informationsmaterial zu thematischen Fallbeispielen aufgearbeitet.
Wie auch bei der Studie zum Kundennutzen wurde den Gesprächsteilnehmenden Anonymität zugesichert, um vertrauliche Themen, wie z.B. Produktmargen und Massnahmen zur Beeinflussung des Kundenentscheidungsverhaltens, offen diskutieren zu können. Die betroffenen Unternehmen werden deshalb nicht namentlich genannt, sondern
als OBERFLÄCHENMASCHINEN AG, ZERSPANUNGSMASCHINEN AG und
PRÄZISIONSMASCHINEN AG bezeichnet.
Die Gespräche mit den Experten, welche je nach Fall als Gruppen- oder Einzelgespräche stattgefunden haben, sind dem in Anhang 4 abgebildeten Leitfaden gefolgt. Sie
sind aus forschungsmethodologischer Sicht hinsichtlich der Ergebnisplausibilisierung
analytisch-deduktiv und hinsichtlich der Fallbeispiele empirisch-induktiv, da dort vom
erfolgreichen Einzelfall ausgehend nach generalisierbaren Lösungsansätzen für Praxisprobleme gesucht wird.277 Alle Gespräche haben zwischen 90 und 120 Minuten
gedauert. Sie wurden aufgezeichnet und schriftlich protokolliert.
4.2.2 Fallbeispiele aus der WZM-Branche
Die Fallbeispiele wurden mit folgenden drei Maschinen- und Anlagenbauern geführt,
welche die für die Zielgruppe gültigen Einschränkungen erfüllen. 278
276
Unternehmen, welche sich als «Anbieter» klassifizieren: vgl. Kapitel 2.3.5.1
277
Popper (2002, S. 7 f.)
278
Mittelständische Maschinen- und Anlagenbauer in der Werkzeugmaschinenbranche, welche sich
als dienstleistende Produzenten klassifizieren (vgl. Kapitel 1.5.1 / 1.5.2).
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
121
Die OBERFLÄCHENMASCHINEN AG ist ein mittelständisches Unternehmen mit
Sitz in der Westschweiz. Das Unternehmen stellt High-End-Maschinen für die Oberflächenveredlung von metallischen Bau- und Werkteilen her. Seine Kunden verteilen
sich auf Europa, Nord- und Südamerika sowie Asien.
Die ZERSPANUNGSMASCHINEN AG gehört zu einer inhabergeführten mittelständischen Industriegruppe mit Sitz in der Schweiz. Sie produziert hochpräzise Zerspanungsmaschinen für die Feinbearbeitung. Mit einer installierten Basis von über
1000 Maschinen weltweit gehört sie zu den Marktführern in ihrer Technologie.
Die PRÄZISIONSMASCHINEN AG ist ein dem Mittelstand angehörendes Unternehmen, welches Präzisionsmaschinen für Fräs- und Bohrapplikationen herstellt. Das
inhabergeführte Unternehmen hat über 10 000 Werkzeugmaschinen bei Kunden im
europäischen Markt installiert.
4.2.3 Optimierungen im Leistungssystem
Als Ergebnis der Triangulation zwischen Literatur, Opportunitäten und Beobachtungen aus der Studie zum Kundennutzen sowie den Fallbeispielen werden vier operative
Optimierungsmassnahmen formuliert, welche durch die strategische Ausrichtung des
Service-Portfolios als vorausgehende Massnahme ergänzt werden. Die nachfolgende
Abbildung 23 zeigt im Überblick, welche Optimierungen für die drei Spannungsfelder
identifiziert werden konnten und wie sich diese innerhalb der Gestaltungsdimensionen
des Customer-Value-Modells einordnen lassen.
122
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Abbildung 23: Optimierungen im Leistungssystem
Dimension im
Leistungssystem
Lösungsansätze in den Spannungsfeldern
Schnelle und
professionelle
Störungsbehebung
Strategie
Mitarbeitersystem:
Kompetenz
Leistungssystem:
Konfiguration und
Kommerzialisierung
Kommunikation
Nachvollziehbare
Preispolitik
Kostenloser
Leistungsbezug von
Services
Strategische Ausrichtung des Service-Portfolios
Kompetenzerweiterung im
Service-Team
Präventive Diagnose
e-ServiceVereinbarungen
Visualisierung von
Wert und Kosten
Quelle: Eigene Darstellung.
Dem ersten Spannungsfeld «Störungsbehebung» wird mit zwei Massnahmen begegnet. Erstens mit der Erweiterung der Kompetenz im Service-Team, 279 welche sowohl
technische wie auch kommunikative und verkaufsorientierte Kompetenzen der Techniker und der Innendienstmitarbeitenden umfasst. Die Erkenntnisgrundlage bilden die
Opportunitäten 1, 2 und 3. Zweitens wird die Implementierung des Serviceprodukts
der präventiven Diagnose vorgeschlagen. Mit beiden Massnahmen werden zwei Wirkungspfade verfolgt: Einerseits sollen durch verstärkte Prävention die Störungen auf
ein Minimum reduziert werden, andererseits sollen, falls trotzdem eine Störung auftritt, die erweiterten Kompetenzen der Servicemitarbeitenden zur schnellen Störungsbehebung beitragen.280
279
Das Service-Team fasst alle im After-Sales-Service aktiven Personen des Anbieters zusammen,
insbesondere den Innendienst, e-Service-Mitarbeitende und Servicetechniker im Aussendienst.
280
Die beiden Massnahmen werden in den Kapiteln 4.3.2 und 4.3.3 ausgeführt.
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
123
Der im zweiten Spannungsfeld «Preispolitik» vom Kunden wahrgenommenen Nutzenminderung durch die Preispolitik des Anbieters kann mit der Visualisierung von
Wert und Kosten von Services entgegengetreten werden. Die Erkenntnisgrundlage
bildet Opportunität 4. Es werden Mittel aufgezeigt, wie der Verkauf und das ServiceTeam Wert und Kosten verbessert an den Kunden kommunizieren können – und damit
sowohl die Preisdurchsetzung verbessern wie auch den Nutzen erhöhen.281
Dem dritten Spannungsfeld: «Kostenloser Leistungsbezug» kann mit der Massnahme e-Service-Vereinbarungen begegnet werden, welche, basierend auf der Erkenntnis
in Opportunität 5, eine Akzeptanz von e-Service-Verrechnungen ohne signifikante
Nutzenverluste beim Kunden herbeiführen kann.282
4.3
Optimierungsprozess
Nachfolgend wird der Optimierungsprozess vorgestellt, welcher für die Rentabilisierung der After-Sales-Services in mittelständischen Unternehmen des Maschinen- und
Anlagenbaus als Synthese dieser Dissertation vom Autor vorgeschlagen wird.
Die Darstellung der aus dieser wissenschaftlichen Arbeit gewonnenen Erkenntnisse in
der Form eines Optimierungsprozesses erhöht deren Praxisorientierung, da die Massnahmen von Entscheidungsträgern Schritt für Schritt umgesetzt werden können. Es gilt
dabei zu beachten, dass die vorgeschlagenen Optimierungen nicht den Anspruch auf
Vollständigkeit erheben, da Rentabilität ein Ergebnis vieler direkt und indirekt wirkender Einflussfaktoren ist. Vielmehr ist der Optimierungsprozess als ein pragmatischer Ansatz zur Zielerreichung zu verstehen, welcher konkrete Massnahmen vorschlägt, welche mit vertretbarem Aufwand unter kalkulierbarem Risiko umsetzbar
sind. Nachfolgende Abbildung 24 zeigt den Optimierungsprozess grafisch:
281
Die Massnahme wird in Kapitel 4.3.5 ausgeführt.
282
Die Massnahme wird in Kapitel 4.3.4 ausgeführt.
124
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Abbildung 24: Optimierungsprozess
Strategische Ausrichtung des
Service-Portfolios
Mitarbeitersystem:
Kompetenz
- Kompetenzerweiterung
im Service-Team
Leistungssystem:
Konfiguration und
Kommerzialisierung
- Präventive Diagnose
- e-ServiceVereinbarungen
Kommunikation
- Visualisierung von
Wert und Kosten
Kunde
Kontrolle
Quelle: Eigene Darstellung. Strukturierung in Anlehnung an Belz & Bieger (2006, S. 117)
Für die Darstellung der Ergebnisse wird als konzeptionelle Grundlage das CustomerValue-Modell in vereinfachter Form verwendet, dessen Strukturierung sich eignet, um
die verschiedenen in der Praxis bei den Maschinen- und Anlagenbauern vorhandenen
Leistungssysteme abzubilden und die einzelnen Bestandteile thematisch zuzuordnen.283 Wie in Abbildung 24 ersichtlich ist, beinhaltet der Optimierungsprozess neben
der strategischen Ausrichtung des Service-Portfolios auf operativer Stufe vier Massnahmen, welche sich auf das Mitarbeiter- und Leistungssystem sowie die Kommunikation aufteilen.
Ergänzt werden die Massnahmen durch eine Erfolgskontrolle, welche fortlaufend, aber
spätestens am Ende des Prozesses, durchzuführen ist und auf Grund von deren Ergebnissen es zu Neuausführungen oder Anpassungen der einzelnen Massnahmen kommen
kann. 284 Entscheidungsträger können die Massnahmen in der aufgeführten Reihenfolge
erarbeiten. Zusätzlich ist am Ende des Kapitels ein ergänzender Vorschlag für das Implementierungsvorgehen enthalten.
283
Belz & Bieger (2006, S. 33, 163). Vgl. auch Kapitel 2.4.3
284
Zur Erfolgskontrolle des Marketings vgl. Reinecke & Janz (2007, S. 139 ff.)
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
125
4.3.1 Strategische Ausrichtung des Service-Portfolios
Bevor Optimierungen im Mitarbeiter- und Leistungssystem vorgenommen werden
können, sind auf der strategischen Dimension die Leitplanken des Optimierungsprozesses vorzugeben. Hierzu gehören die Festlegung des im After-Sales-ServicesPortfolio enthaltenen Leistungsumfangs sowie die Klärung der Frage, auf welche
Kundensegmente das Portfolio ausgelegt werden soll. Anschliessend ist die Serviceorganisation festzulegen, welche die definierten Leistungen am Markt umsetzt.
4.3.1.1
Festlegung Leistungsumfang im After-Sales-Services-Portfolio
Die Festlegung des Leistungsumfangs im After-Sales-Services-Portfolio gibt die strategische Ausrichtung für die Serviceabteilung und das Produktmanagement vor: Sie
hat infolgedessen weitreichende Implikationen für die Kosten- und Ertragssituation.
Die Wahl eines fokussierten After-Sales-Services-Portfolios ist für die Rentabilisierung von After-Sales-Services empfehlenswert: Einerseits lassen sich dadurch Kostenreduktionen durch Leistungselimination erzielen285 und andererseits entspricht es dem
vom Kunden artikulierten Bedürfnis, dass bei After-Sales-Services eine schnelle Störungsbehebung durch den Einsatz kompetenter Mitarbeitender und verfügbarer Ersatzteile im Vordergrund steht (Kundennutzen 1). Des Weiteren bietet ein fokussiertes
Portfolio die Möglichkeit, After-Sales-Services zu standardisieren und dadurch weitere
Kostenvorteile zu erzielen.286
285
Kostenreduktionen lassen sich durch die Elimination von Leistungen realisieren, welche einen für
den Kunden geringfügigen Nutzen haben. Vgl. hierzu Kapitel 1.6 und Opportunität 1.
286
Anderson & Narus (1995, S. 79); Cohen et al. (2006, S. 133); Reinartz & Ulaga (2008, S. 94). Vgl.
zu den Vorteilen der Standardisierung und den damit verbundenen Herausforderungen auch Haedrich
(1997, S. 22 ff.).
126
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Fallbeispiel OBERFLÄCHENMASCHINEN AG: Kostenoptimierungen durch
Standardisierung
Wartungsleistungen an den Werkzeugmaschinen gehören zu den Haupttätigkeiten der
Servicetechniker der OBERFLÄCHENMASCHINEN AG, welche beim Kunden vor
Ort erbracht werden. Dies ist beim internationalen Kundenstamm des Unternehmens
nicht selten mit Reisetätigkeiten verbunden. Vor der Standardisierung des ServicePortfolios folgten die Wartungseinsätze keinem festen Ablauf. Die Wahl der vom
Techniker mitgeführten Ersatzteile beruhte auf seiner persönlichen Einschätzung und
die Einzigartigkeit jedes Serviceeinsatzes führte zu hohen internen Logistikkosten.
Diese unbefriedigende Situation hat das Management dazu veranlasst, im Bereich der
Wartung eine Standardisierung der Leistung vorzunehmen.
Die Standardisierung wurde mittels der Schaffung des einheitlichen Serviceprodukts
«Wartungsvertrag» umgesetzt. Die OBERFLÄCHENMASCHINEN AG hat davon
mehrfach profitieren können: Erstens wurde durch eine detaillierte interne Prozessvorgabe über die Ausführung der Wartungsleistungen die Qualität der Wartungsarbeiten
einheitlich, effizient und hochstehend. Zweitens wurde die Logistik der Ersatzteile
vereinfacht, indem ein vordefiniertes Paket an Ersatzteilen zum Kunden mitgenommen
und dort verbaut wird. Die dadurch erleichterte Handhabung im ERP-System hat nicht
nur zu erheblichen Kostenvorteilen geführt, sondern stellt auch sicher, dass ein Techniker alle benötigten Ersatzteile mitführt. Der Kunde profitiert seinerseits von einem
attraktiven Paketpreis und einer höheren Maschinenverfügbarkeit dank präventivem
Unterhalt.
Wandelt man die vom Kunden artikulierten Bedürfnisse bezüglich der After-SalesServices in Leistungen um, bietet sich eine Strukturierung nach den Dimensionen Prävention, Reaktion, Risikoabsicherung und Material an. Nachfolgende Abbildung 25
zeigt die Services nach Leistungskategorie.287
287
Sowohl die Schulung nach Inbetriebnahme wie auch die Anwendungsberatung, welche unabhängig
von Störungen oder Komplikationen stattfinden, werden nicht als Teil des After-Sales-Portfolios betrachtet, da sie in der Regel einmalig und mit einer Investitionsentscheidung verbunden sind. Kunden
haben diese Themen kaum je als Teil des After-Sales-Leistungsspektrums betrachtet und es gab keine
von Kunden artikulierten nutzenstiftenden oder nutzenmindernden Leistungsaspekte.
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
127
Abbildung 25: After-Sales-Services nach Leistungskategorie
Prävention
Reaktion
Risikoabsicherung
Material
Präventive Diagnose
Störungsbehebung
vor Ort
Reaktionszeit
Ersatzteile
Wartung
Preise
Störungsbehebung
mit e-Services
Verfügbarkeit von
Ersatzteilen
Garantieverlängerung
Quelle: Eigene Darstellung.
In die Prävention fallen jene Leistungen, welche vor dem Aufkommen einer Störung
der WZM ausgeführt werden. Die Prävention vermindert das Aufkommen von Maschinenausfällen und daraus entstehenden Folgekosten beim Kunden.288
In die Sparte Reaktion fallen spontane Einsätze von Technikern vor Ort oder per eService, welche sich auf Grund von technischen Fragen oder Maschinenstörungen ergeben können. Sie erbringen, zusammen mit dem Ersatzteilgeschäft, die Kernleistung
für den vom Kunden geforderten Grundnutzen von After-Sales-Services (Kundennutzen 1).289
Die Risikoabsicherung umfasst eine vertragliche Garantie über Reaktionszeiten bei
Störungen, Preise für Ersatzteile, Anfahrt und Arbeitsstunden sowie Garantien über die
Verfügbarkeit von Ersatzteilen für vordefinierte Zeiträume. Des Weiteren sind Garantieverlängerungen mögliche Risikoabsicherungen.290
Der in Abbildung 25 aufgeführte maximale Leistungsumfang ist in einem nächsten
Schritt auf die vom Anbieter bedienten Kundensegmente anzupassen und damit weiter
zu fokussieren.
288
Baumbach (1998, S. 88 f.)
289
vgl. z.B. Rainfurth, Tegtmeyer & Lay (2005, S. 105)
290
Baumbach (1998, S. 144 ff.)
128
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
4.3.1.2
Identifikation der relevanten Kundensegmente
Die fallübergreifende Synthese hat die individuellen Nutzenpräferenzen bei den AfterSales-Services nach Kundensegmenten gezeigt.291 Anbieter sollten deshalb entscheiden, welchen Segmenten sie die strategisch höchste Bedeutung zuordnen. Bei der Selektion der Kundensegmente bieten sich der Einbezug des aktuellen Kundenstamms
sowie die zukünftig beabsichtigte Entwicklung des Kundenstamms an. Nachfolgende
Abbildung 26 fasst die fünf identifizierten Kundensegmente und ihre Erkennungsmerkmale zusammen:
Interne Ressourcenverfügbarkeit
Abbildung 26: Identifikation Kundensegmente
Technische Innovatoren
KMU
High-End-Produkte
F&E-Orientierung
Reaktive Serviceon-Demand-Bezüger
Interne Servicedienstleister
Strategische
Partner
KMU
Partnerschaftlich
Qualitätsorientiert
Mittelstand
Inhabergeführt
Regionale Partner bevorzugt
Grosskonzerne
Just-in-Time Lieferketten
Risikoaverse Service-Profis
Mittelstand bis Grosskonzern
Hoher Spezialisierungsgrad
Professionalität im Umgang mit After-Sales Services
Quelle: Eigene Darstellung. Weitere Details zu den Kundensegmenten in Kapitel 3.3.2
Für die Identifikation der relevanten Kundensegmente bietet sich ein pragmatisches
Vorgehen an, da sich einzelne Bestandskunden möglicherweise in allen fünf Segmenten finden lassen. Eine Fokussierung auf die Mehrheit der Bestandskunden oder auf
das strategische Kundensegment der Zukunft ist deshalb empfehlenswert.
291
vgl. ergänzend die Ausführungen in Kapitel 3.3.2
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
4.3.1.3
129
Kundensegmentoptimiertes Service-Portfolio
Nach der Identifikation der für den Anbieter relevanten Kundensegmente kann aus der
Gegenüberstellung der einzelnen After-Sales-Services mit ihrem wahrgenommenen
Nutzen in den Kundensegmenten ein fokussiertes und standardisiertes After-SalesServices-Portfolio zusammengestellt werden, welches im Einklang mit den Bedürfnissen des Kundensegments ist.292 Es bietet sich ein modularer Aufbau des Portfolios
an.293 Die Ausgangslage bildet das nachfolgend ausgeführte Basis-After-SalesServices-Portfolio mit den dazugehörigen Marketinginstrumenten. Dieses Portfolio
eignet sich für den Einsatz in allen Kundensegmenten.
Abbildung 27: Basis-After-Sales-Services-Portfolio
Marketing-Instrument
Bedientes Segment
Inhalt
Konzept
Alle
Service-Konzept
Organisation des
Service
ProduktDatenblatt
Alle
Präventive Diagnose
e-Services
Preisliste
Alle
Ersatzteile
Kostensätze Techniker
Präventive Diagnose
Vertrag /
Zusatz im
Kaufvertrag
Alle
Garantieverlängerung
Garantien: Ersatzteile
Quelle: Eigene Darstellung.
292
Cohen et al. (2006, S. 133); Gebauer et al. (2006, S. 377), vgl. auch Opportunität 1 sowie die Ausführung zum Value Selling in Kapitel 2.2.5
293
Anderson & Narus (1995, S. 79)
130
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Um eine Strukturierung im Service-Portfolio vorzunehmen, ist das Konzept des AfterSales-Service mit seinen Leistungsbestandteilen übersichtlich zu gestalten und schriftlich festzuhalten. Das Konzept sollte mindestens für eine interne Kommunikation ausgelegt sein; es bietet sich jedoch ein polyvalent nutzbares Dokument für Mitarbeitende
und Kunden an. Durch das Niederschreiben des Servicekonzepts wird dieses greifbar
gemacht, Produkte werden eindeutig benannt und mit Leistungsmerkmalen ausgestaltet.294 Als Teil des Servicekonzepts ist die Definition der garantierten zeitlichen Verfügbarkeit von Ersatzteilen empfehlenswert: In der Regel sind dies zehn Jahre nach
Verkauf einer Maschine. Es bietet sich an, dies auf Anfrage des Kunden schriftlich zu
gewährleisten, eventuell in Verbindung mit Preisgarantien.295
Bei der präventiven Diagnose wird ein Servicetechniker des Anbieters zur Inspektion
der Werkzeugmaschine zum Kunden geschickt. Der Techniker inspiziert die Maschine
und stellt Schwachstellen und Probleme frühzeitig fest. Im Gegensatz zur Wartung
umfasst die präventive Diagnose keine Unterhaltsarbeiten und impliziert keinen Ersatzteilkonsum. Es handelt sich infolgedessen um ein auf minimalen Preis und maximale Kostenkontrolle durch den Kunden ausgelegtes Serviceprodukt.296 Für die Vermarktung der präventiven Diagnose wird als Marketinginstrument die Erstellung eines
Produktdatenblatts empfohlen, welches für die externe Kommunikation optimiert ist.
Inhalt des Produktdatenblatts sollte eine Beschreibung des Leistungsumfangs sein,
welcher in einer präventiven Diagnose enthalten ist. Ein gleiches Vorgehen ist für die
e-Services zu wählen: Auch hier empfiehlt sich die Ausarbeitung eines für die externe
Kommunikation geeigneten Produktdatenblatts. Dieses benötigt eine Beschreibung der
e-Services-Leistungen sowie eine Regelung über deren Verrechnung. 297
294
Neely (2008, S. 112); Reinartz & Ulaga (2008, S. 94)
295
Eine vertraglich festgelegte Mindestdauer für die Verfügbarkeit von Ersatzteilen wird von jenen
Unternehmen, welche dem Lieferanten ein Pflichtenheft auferlegen, oftmals verlangt: Die Gewährleistungspflicht kann dort durch die Annahme des Pflichtenhefts geschehen (z.B. Fall 6). Anders als bei
garantierten Reaktionszeiten ist nach den Aussagen der Kunden weder die Verrechnung von Preisnoch von Verfügbarkeitsgarantien für Ersatzteile realistisch.
296
Die präventive Diagnose als Optimierung in der Leistungskonfiguration wird in Kapitel 4.3.3 ausgeführt.
297
Die Leistungskonfiguration der e-Services wird als Teil der Optimierungsmassnahme: e-ServiceVereinbarungen in Kapitel 4.3.4 beschrieben.
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
131
Für die Bedienung der Nachfrage nach Ersatzteilen sowie für den Einsatz von Servicetechnikern298 ist eine mit einem Gültigkeitsdatum versehene Preisliste als Minimalanforderung ausreichend, um dieses Serviceprodukt mit Marketinginstrumenten zu unterstützen.299 Ergänzend wird für die präventive Diagnose eine Preisliste benötigt, welche den Preis für die Diagnose pro Maschinentyp angibt. Für die Einsätze von Technikern zur Störungsbehebung und die Wartung von Maschinen wird im Basis-AfterSales-Service-Portfolio ausschliesslich von einer Leistung nach Aufwand ausgegangen, deren Umfang im Einzelfall variiert. 300 Auf Grund der allgemeinen Vertrautheit
der Kunden mit Service- und Wartungsleistungen in Regie muss ein Produktdatenblatt
nicht zwingend vorhanden sein.
Als Zusatz zum Kaufvertrag wird eine Regelung für die Preisfestlegung zur Garantieverlängerung benötigt. Diese kann als Festpreis, als Festpreis pro Maschinenkategorie oder als prozentualer Zuschlag auf die Kaufsumme festgelegt werden. Als Zeitperiode für eine Verlängerung bietet sich ein Jahr an. Eine Garantieverlängerung als Produkt im Portfolio zu führen, bietet sich aus Überlegungen der Preisdurchsetzung an.301
Das Basis-After-Sales-Services-Portfolio ist auf Kunden ausgerichtet, welche den
Nutzen von After-Sales-Services generell kritisch betrachten. Es ist damit angemessen
für die Bedienung der Kundensegmente der reaktiven Service-on-Demand-Bezüger,
der technischen Innovatoren und der internen Servicedienstleister. Wenn die vom Anbieter produzierten Werkzeugmaschinen einen geringen Service- und Wartungsaufwand haben, kann es für die Bedienung von strategischen Partnern ausreichend sein.
Den Anbietern, welche risikoaverse Service-Profis und strategische Partner zu ihren
Kunden zählen, können zusätzlich folgende Services als bedarfsgerechte Ergänzung
im Portfolio empfohlen werden:
298
Servicetechniker-Einsätze können auf Grund von Störungsbehebungen, Wartungsarbeiten oder eServices notwendig sein. Möglich sind sowohl identische Stundensätze wie auch die Diskriminierung
zwischen diesen Leistungen, wie dies z.B. bei der ZERSPANUNGSMASCHINEN AG gemacht wird,
wo erfahrene Servicetechniker im e-Service zu höheren Ansätzen verrechnet werden.
299
Hinweise zur nutzenvermittelnden Visualisierung von Preisen finden sich in der Optimierungsmassnahme: Visualisierung von Wert und Kosten in Kapitel 4.3.5.
300
Wie aus der fallübergreifenden Synthese ersichtlich ist, kommt der Abschluss von Wartungs- und
Serviceverträgen in einigen Kundensegmenten prinzipiell nicht in Frage (vgl. Anhang 2/3). Ihre Aufnahme ins After-Sales-Services-Portfolio eignet sich daher nicht für alle Anbieter.
301
Auf die Garantieverlängerung wird in Kapitel 4.3.5 näher eingegangen.
132
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Abbildung 28: Ergänzungsprodukte Service- und Wartungsvertrag
Marketing-Instrument
Bedientes Segment
Inhalt
ProduktDatenblatt
Risikoaverse
Wartungsvertrag
Service-Profis
Servicevertrag
Strategische Partner
Vertrag
Risikoaverse
Wartungsvertrag
Service-Profis
Servicevertrag
Strategische Partner
Quelle: Eigene Darstellung.
Anders als bei den gleichartigen Leistungen in Regie verpflichtet sich der Kunde beim
Abschluss eines Wartungs- und Servicevertrages zum wiederkehrenden Leistungsbezug. Dadurch geht der Kunde eine finanzielle Verpflichtung ein, verfügt aber im Gegenzug über eine höhere Planungs- und Kostensicherheit.302 Dieses Bedürfnis konnte
in den Segmenten der risikoaversen Service-Profis und der strategischen Partner festgestellt werden, 303 weshalb Wartungs- und Serviceverträge jenen Anbietern empfohlen
werden, welche Kunden in diesen Segmenten bedienen.304
Sowohl für Service- wie auch für Wartungsverträge ist die Ausarbeitung eines Produktdatenblatts empfehlenswert, in welchem die in diesen Services enthaltenen Leistungen und Kundenmehrwerte kommuniziert werden. Zusätzlich wird für den Abschluss ein Vertrag benötigt.
302
Baumbach (1998, S. 145)
303
vgl. Anhang 2/3
304
Mindestens im Fall der risikoaversen Service-Profis liegt die Erklärung für die Nachfrage nach
Wartungs- und Serviceverträgen auch in der firmeninternen Absicherung der Entscheidungsträger.
Vgl. hierzu Kapitel 2.2.3.1
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
133
Die Möglichkeiten der Ausgestaltung der Wartungs- und Serviceverträge sind vielfältig. Zunächst ist eine Abgrenzung zur präventiven Diagnose wichtig. Der Wartungsvertrag sollte neben der Inspektion auch Reinigungsarbeiten und mindestens den
Wechsel von Verbrauchsersatzteilen umfassen. Ein Wartungsvertrag sieht eine wiederkehrende Tätigkeit vor: Verbreitet sind halbjährliche oder jährliche Intervalle.305
Beim Servicevertrag ist eine Mehrleistung gegenüber der Aufbietung von Technikern
in Regie hervorzuheben. Diese Mehrleistung kann eine garantierte Reaktionszeit sein
und/oder Arbeitsleistungen zum Pauschalpreis enthalten, welche sich auf alle Einsätze
von Technikern beziehen oder auf den Bereich e-Services beschränken können.306 Die
von den Kunden in den Segmenten risikoaverse Service-Profis und strategische Partner artikulierten Bedürfnisse lassen ein Nutzenoptimum beim Kunden mit folgender
Ausgestaltung vermuten:
-
Ein Wartungsvertrag zum Pauschalpreis mit jährlichen Inspektions- und Instandhaltungsarbeiten inklusive aller Verbrauchsersatzteile, welche eines regelmässigen Wechsels bedürfen.
-
Ein Servicevertrag zum Pauschalpreis, in welchem sich der Anbieter zu garantierte Reaktionszeiten von 24 Stunden im e-Service und 48 Stunden für VorOrt-Einsätze verpflichtet und in welchem e-Service-Leistungen unabhängig von
der Intensität ihrer Nutzung abgegolten sind. 307
Sowohl der Wartungs- wie auch der Servicevertrag sollten auf einen Abschluss zum
Kaufzeitpunkt der Werkzeugmaschine ausgerichtet sein und für den Nutzungszeitraum
der ersten fünf Jahre der Maschine ausgelegt werden.308 Die beiden Verträge können
einzeln oder in Ergänzung abgeschlossen werden. Aus dem Leistungsspektrum der
Verträge ergibt sich, dass bei Abschluss eines Wartungsvertrags der Bezug von prä-
305
Bei der OBERFLÄCHENMASCHINEN AG beinhaltet ein Wartungsvertrag z.B. in den ersten
zwei Jahren nach dem Erwerb einer Maschine durch den Kunden alle sechs Monate eine Wartung.
306
Von den Kunden in den Interviews genannte Ausgestaltungen von Serviceverträgen. Vgl. auch
Baumbach (1998, S. 145).
307
Einsätze von Technikern beim Kunden inklusive Anfahrt werden auch bei einem Servicevertrag als
Regieleistungen empfohlen.
308
Kunden in allen Segmenten stimmen überein, dass für sie Service- und Wartungsverträge für einen
Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nach der Investition in eine Werkzeugmaschine den Hauptnutzen
haben. Für ältere Maschinen werden Leistungen in Regie bevorzugt.
134
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
ventiven Diagnosen bzw. bei Abschluss eines Servicevertrags die e-ServiceVereinbarungen hinfällig werden.
Nachdem die strategische Ausrichtung des After-Sales-Services-Portfolios festgelegt
worden ist, ist über die Service-Organisation zu befinden, welche die definierten Leistungen am Markt umsetzt.
4.3.1.4
Abgrenzung der Abteilung oder eigene Organisationseinheit
Die Messbarkeit der aktuellen Rentabilität von Service und eine Erfolgskontrolle des
Optimierungsprozesses verlangen nach einer Abgrenzung der mit Services erwirtschafteten Umsätze und der dafür anfallenden Kosten.309 Die Abgrenzung kann rein
buchhalterisch oder zusätzlich durch die Schaffung einer eigenständigen Serviceabteilung als Organisationseinheit geschehen.
Für das im vorhergehenden Unterkapitel fokussierte After-Sales-Service-Portfolio bietet sich in der Regel eine eigenständige Serviceabteilung an, damit sich die AfterSales-Services als eigenes Geschäftsfeld entwickeln können.310 Die Gründung einer
eigenständigen Organisationseinheit erhöht den Stellenwert von Service im Unternehmen, da Services damit sowohl in der Aufbauorganisation wie auch in der Ertragsrechnung sichtbar werden. Dies erleichtert dem Service-Team die Durchsetzung seiner
Ansprüche, insbesondere gegenüber dem Verkauf, und mindert intrapersonelle Zielkonflikte zwischen den Produktions- und Dienstleistungstätigkeiten der Mitarbeitenden.311 Eine eigene Serviceabteilung trägt auch auf kultureller Ebene zur Wahrnehmung des Stellenwerts von Services im Unternehmen bei. Sie ist nachweislich ein Erfolgsfaktor für das Servicegeschäft.312
Ob als eigene Organisationseinheit oder rein buchhalterisch abgegrenzt – es gilt zu
beachten, dass ein Teil des Verkaufsumsatzes bei Neu- oder Ersatzverkäufen der Serviceabteilung angerechnet werden sollte, weil diese in der Garantiezeit – und möglicherweise darüber hinaus – nicht separat in Rechnung gestellte Leistungen für den Kun-
309
vgl. Kapitel 1.5.4.2 und Kapitel 2.3.5
310
Cohen et al. (2006, S. 133); Gebauer et al. (2006, S. 378); Oliva & Kallenberg (2003, S. 166)
311
Rainfurth (2003, S. 143); Rainfurth et al. (2005, S. 106)
312
Gebauer et al. (2005, S. 17); Mathieu (2001, S. 464); Reinartz & Ulaga (2008, S. 92 f.)
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
135
den erbringt. Die interne Verrechnung steigert das Wert- und Kostenbewusstsein hinsichtlich von Services im Unternehmen. 313
4.3.2 Kompetenzerweiterung im Service-Team
Eine Kompetenzerweiterung im Service-Team ist als Massnahme zur Optimierung des
Spannungsfelds «Störungsbehebung» vorgesehen, hat aber auch eine Wirkung auf die
übrigen beiden Spannungsfelder. Im Customer-Value-Modell eingeordnet findet die
Optimierung im Mitarbeitersystem statt, welches der Gestaltungsdimension Kompetenzen zuzuordnen ist.314 Ausgehend davon, dass die Kompetenz eines Mitarbeitenden
seine Leistung wesentlich beeinflusst,315 ist es das Ziel dieses Optimierungsschritts,
das Service-Team mit verbesserten technischen, kommunikativen und verkaufsorientierten Kompetenzen auszustatten.
Abbildung 29: Optimierungsprozess – Mitarbeitersystem
Strategische Ausrichtung des
Service-Portfolios
Mitarbeitersystem:
Kompetenz
- Kompetenzerweiterung
im Service-Team
Leistungssystem:
Konfiguration und
Kommerzialisierung
- Präventive Diagnose
- e-ServiceVereinbarungen
Kommunikation
- Visualisierung von
Wert und Kosten
Kunde
Kontrolle
Quelle: Eigene Darstellung. Strukturierung in Anlehnung an Belz & Bieger (2006, S. 117)
4.3.2.1
Technische Kompetenzerweiterung
Die Bedeutung der technischen Kompetenz des Service-Teams wurde von Kunden in
allen Segmenten als nutzenstiftende Anforderung definiert (Kundennutzen 2). Ist die
313
Körner (2002, S. 121)
314
vgl. Kapitel 2.4.3
315
Varca (2004, S. 459)
136
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
technische Kompetenz überzeugend, ist der Kunde mit der Serviceleistung zufrieden –
die Kosten für den Serviceeinsatz treten dann in den Hintergrund (Opportunität 2). Die
Erweiterung der technischen Kompetenz im Service-Team ist infolgedessen eine
zweckmässige Investition, welche sich in Verbindung mit den passenden kommunikativen und verkaufsorientierten Fähigkeiten über die konsequente Verrechnung von
Leistungen rentabilisieren lässt.
Das nachfolgende Fallbeispiel der PRÄZISIONSMASCHINEN AG illustriert ein Erfolgsmodell der technischen Kompetenzerweiterung: 316
Fallbeispiel PRÄZISIONSMASCHINEN AG: Kompetenz im Service-Team
Die technische Kompetenz der Service-Mitarbeitenden wird bei der PRÄZISIONSMASCHINEN AG als zentraler Erfolgsfaktor für das Servicegeschäft betrachtet. Der
Schlüssel zur Kompetenz des Service-Teams liegt aus Perspektive des Managements
in den folgenden Aspekten: Erstens verfügt die PRÄZISIONSMASCHINEN AG über
einen hohen Eigenfertigungsgrad mit der Konzentration auf einen Produktionsstandort,
welcher auch die Servicezentrale beherbergt. Durch diese kompakte Aufstellung findet
ein fortlaufender informeller Know-how-Austausch zwischen dem Engineering, der
Produktion und dem Service-Team statt. Zweitens finden als Teil des Kompetenzmanagements der PRÄZISIONSMASCHINEN AG formalisierte technische Meetings
zwischen Produktion und Service statt. Diese werden durch interne Weiterbildungen
für das Service-Team, in der Regel zwei bis drei Wochen pro Jahr, ergänzt. Drittens
wird der Know-how-Transfer zwischen erfahrenen und unerfahrenen Mitarbeitenden
im Service-Team gefördert, nach Möglichkeit durch gemeinsame Arbeitsausführungen
beim Kunden, wobei der Kunde von einem reduzierten Preis profitiert. Viertens verfügt die PRÄZISIONSMASCHINEN AG über ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem. Dieses sieht die Protokollierung jeder durch das Service-Team erfassten Maschinenstörung beim Kunden vor und verlangt für jede dieser Störungen eine Massnahme seitens der Produktion oder des Engineerings, welche wiederum in den Knowhow-Pool des Service-Teams einfliesst.
316
Die Kompetenz des Service-Teams der PRÄZISIONSMASCHINEN AG wurde in den Kundeninterviews mehrfach als gutes Beispiel für kompetenten Service genannt.
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
137
Aus dem Fallbeispiel der PRÄZISIONSMASCHINEN AG können folgende generalisierbare Erkenntnisse für die Erweiterung der technischen Kompetenz des ServiceTeams abgeleitet werden:
1. Die technische Weiterbildung des Service-Teams ist mit einem Einsatz finanzieller Ressourcen des Anbieters verbunden, da Mitarbeitende einen Teil ihrer
Arbeitszeit in die Weiterbildung investieren müssen.317
2. Die Erweiterung der technischen Kompetenz ist durch betriebsinterne Massnahmen realisierbar.
3. Der formelle und der informelle Austausch im Service-Team sowie zwischen
diesem und der Produktion fördern die technische Kompetenz. Der Transfer
von Know-how von den erfahrenen Mitarbeitenden an die weniger kundigen
Kollegen fördert dies zusätzlich.318
4. Ein Qualitätsmanagementsystem kann zur Erweiterung der technischen Kompetenz im Service-Team beitragen, da es den Prozess von der Problemaufnahme
bis zur Problemlösung formalisiert und visualisiert.319
Die hier aufgezeigten Massnahmen stellen ein Weg zum Ausbau der technischen
Kompetenz im Service-Team dar, welcher durch weitere Massnahmen der Personalentwicklung, wie z.B. interne Schulungen oder Coachings, ergänzt werden kann.320
Die für die Erweiterung der technischen Kompetenz vorgeschlagenen Massnahmen
lassen sich im Bereich Know-how-Austausch mit der Schulung von Verkaufs- und
Interaktionskompetenzen verbinden. Diese werden nachfolgend ausgeführt.
317
Homburg, Günther & Fassnacht (2000, S. 74 ff.) weisen darauf hin, dass Unternehmen, welche
Ressourcen in die Personalausbildung im Dienstleistungsgeschäft investieren, mit produktbegleitenden
Dienstleistungen erfolgreicher sind.
318
Der Austausch zwischen den Teams und innerhalb des Service-Teams wird auch von Koch (2010,
S. 208, 203 f.) als Erfolgsfaktor für die Kompetenzerweiterung im Service von produktbegleitenden
Dienstleistungen identifiziert.
319
Auch Molina, Montes & Fuentes (2004, S. 1011) stellen den Zusammenhang zwischen einem Qualitätsmanagementsystem und dem Know-how-Transfer fest.
320
vgl. dazu z.B. Gülpen (2004)
138
4.3.2.2
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Verkaufsorientiertes Service-Team
Die Mehrkosten, welche durch Investitionen in die technische Kompetenz der Mitarbeitenden im Service-Team entstehen, müssen mit überproportionalen Umsatzsteigerungen kompensiert werden, um einen positiven Rentabilitätseffekt zu erzielen. Ein
Weg, um dieses Ziel zu erreichen, ist der Ausbau der Verkaufs- und Interaktionskompetenz des Service-Teams, welche für die Erbringung produktbegleitender Dienstleistungen neben den technischen Kompetenzen ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist.321 Servicetechniker können dabei von einer Vertrauensposition beim Kunden profitieren,
welche ihnen eine höhere Glaubwürdigkeit gibt.322
Die positiven Effekte durch den Einsatz von Verkaufs- und Interaktionskompetenzen
im Service-Team können sich direkt über die zusätzliche Vermarktung von AfterSales-Services, wie z.B. den Verkauf von präventiven Diagnosen, zeigen. 323 Alternativ
sind indirekte Auswirkungen auf den Ertrag möglich, wie z.B. durch die Wahrnehmung einer Informationsfunktion durch das Service-Team, welche dem Verkauf Ansatzpunkte für die Platzierung von Neu- und Ersatzinvestitionen oder Upgrades gibt.324
Während im letzteren Fall die Etablierung eines Austauschs zwischen Verkauf und
Service, die durch die gemeinsame Nutzung eines Customer-RelationshipManagement-Tools erleichtert werden kann,325 die nötigen Impulse setzt, benötigt das
Service-Team für die direkte Vermarktung von Serviceprodukten erweiterte Verkaufsund Interaktionskompetenzen. Die Schaffung dieser Kompetenzen im Service-Team
kann mit umfassenden organisatorischen Massnahmen verbunden sein, welche in die
Bereiche Rekrutierung, Weiterbildung, Beurteilung und Vergütung hineinreichen können.326
Einen pragmatischen Ansatz zur Kompetenzerweiterung wählen Dickhardt, Dickhardt
& Erceg327 mit einem Massnahmenpaket, welches für mittelständische Industrieunter-
321
Erceg (2005, S. 155 ff.); Koch (2010, S. 211)
322
vgl. die Herleitung von Kaufverhalten 1
323
vgl. auch die Massnahmen: «Präventive Diagnose» und «Visualisierung von Wert und Kosten».
324
Sanche (2002, S. 29 f., 42 f.)
325
vgl. z.B. Perna & Baraldi (2014, S. 210)
326
Koch (2010, S. 212)
327
Dickhardt, Dickhardt & Erceg (2005)
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
139
nehmen geeignet ist. Mit diesem Massnahmenpaket wird das Ziel verfolgt, dass Mitarbeitende mit Kundenkontakt den Nutzen von produktbegleitenden Dienstleistungen
den Kunden vermitteln und diese mit treffenden Verkaufsargumenten überzeugen
können. Folgendes Vorgehen kann auf Basis des Prozesses von Dickhardt et al. 328 zur
Zielerreichung angewendet werden:
1. Erstellung eines Leitfadens zur Dienstleistungsvermittlung: Pro After-SalesService empfiehlt sich die Erstellung eines Dokuments, in welchem ein Leistungsbeschrieb und die Kundenvorteile der Serviceleistung enthalten sind. Das
After-Sales-Services-Portfolio definiert das Leistungsspektrum. Die im Zuge
seiner Festlegung erstellten Produktdatenblätter können als Informationsgrundlage verwendet werden.329 Es bietet sich ein tabellarischer Zusammenzug aller
Leistungen und Kundenvorteile an.
2. Aufbau einer Checkliste mit den dienstleistungsrelevanten Kriterien: Diese
betreffen einerseits die Kunden- und andererseits die Dienstleistungsaspekte.
a. Die Kundenkriterien betreffen die Bedürfnisse der einzelnen Kunden:
Diese wurden innerhalb der fünf Kundensegmente identifiziert.330 In den
Beschreibungen der Kundensegmente lassen sich ihre Dienstleistungspräferenzen wiederfinden.
b. Die dienstleistungsrelevanten Kriterien lassen sich für After-SalesServices von den beim Kunden eingesetzten WZM ableiten. Es bietet
sich an, eine tabellarische Übersicht über die verfügbaren After-SalesServices pro Werkzeugmaschine zu erstellen. Hierbei sind folgende Aspekte einzubeziehen: Art der WZM,331 Kaufzeitpunkt332 und vom Kunden bezogene After-Sales-Services.333
328
Dickhardt et al. (2005, S. 196 ff.)
329
vgl. Kapitel 4.3.1.3
330
Wie in Kapitel 3.3.2 ausgeführt, wurden die identifizierten Kundensegmente auf Grund ihrer Ho-
mogenität hinsichtlich Einstellung und Verhalten zu After-Sales-Services gebildet, womit das Vorgehen deckungsgleich mit jenem von Dickhardt et al. (2005, S. 199) ist.
331
Der Typ bestimmt die Einsatzmöglichkeiten von Services, z.B. ob die Maschine einen Fernzugriff
durch den e-Support zulässt.
140
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
3. Erstellung eines Dienstleistungsargumentariums: Aus der Synthese von
Kundenvorteilen pro After-Sales-Service, den Bedürfnissen in den einzelnen
Kundensegmenten und dem möglichen Leistungsspektrum pro WZM lässt sich
ein Dienstleistungsargumentatrium zusammenstellen, welches vom ServiceTeam verwendet werden kann.
Zur initialen Implementierung der Verkaufs- und Interaktionskompetenzen im ServiceTeam sind nach Dickenhardt et al.334 regelmässige Workshops empfehlenswert. Diese
können mittel- und langfristig im Rahmen weiterer Ausbildungsmodule mit Knowhow-Transfer von erfahrenen Mitarbeitenden zu weniger erfahrenen Kollegen ergänzt
werden.335
4.3.2.3
Professionalisierung der Kommunikationsprozesse
Neben einer schnellen Problemlösung im Störungsfall einer Werkzeugmaschine ist
dem Kunden eine professionelle Kommunikation ein Anliegen: Professionelle Kommunikation trägt zur Entspannung der Situation bei, bildet gegenseitiges Vertrauen
und erlaubt dem Kunden, seine Produktionsplanung auf die neuen Umstände auszurichten, um negative Folgen in der Form von Kosten sowie Umsatz- und Reputationsschäden zu minimieren (Kundennutzen 3). Sie ist eine Verbesserungsmassnahme, welche beim Innendienst ansetzt und zwei übergeordnete Ziele erfüllen soll: Erhalt oder
Wiederherstellung der Kundenzufriedenheit auf der Beziehungsebene sowie die Sicherstellung der Planungssicherheit beim Kunden. Diese Ziele können aus Perspektive
des Kunden erreicht werden, wenn die internen Kommunikationsprozesse folgende
Grundsätze befolgen:336
332
Der Kaufzeitpunkt moderiert die Angebotsverfügbarkeit einiger After-Sales-Services, z.B. der Garantieverlängerung oder die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wartungs- oder Servicevertrag abgeschlossen wird.
333
Das Service-Team braucht Kenntnis darüber, ob der Kunde z.B. eine Garantieverlängerung, einen
Wartungs- oder einen Servicevertrag abgeschlossen hat. Basierend auf den noch nicht konsumierten
Leistungen kann eine Verkaufsstrategie zurechtgelegt werden.
334
Dickhardt et al. (2005, S. 201)
335
vgl. dazu Kapitel 4.3.2.1
336
Artikulierte Kundenbedürfnisse in der fallübergreifenden Synthese, vgl. Herleitung Kundennutzen
3.
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
141
1. Der Kunde ist bis zum Zeitpunkt der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit
seiner Werkzeugmaschine darüber informiert, welches der nächste Schritt im
Problemlösungsverfahren ist und wann dieser Schritt erfolgt.
2. Der Kunde wird frühzeitig und proaktiv informiert, sollte eine vom Anbieter
kommunizierte Information über den nächsten Schritt im Problemlösungsverfahren oder über dessen Zeitpunkt nicht wie kommuniziert eintreffen.
3. Der Kunde wird proaktiv informiert, sollte der Anbieter im Problemlösungsprozess zu einer Erkenntnis kommen, deren Informationsgehalt dem Kunden zusätzliche Planungssicherheit verschafft.
Zur Umsetzung dieser kundenorientierten Kommunikationspolitik eignen sich Schulungen, Prozessvorgaben und die Unterstützung mit geeigneten Softwarelösungen, wie
z.B. Ticket-Systemen.337
4.3.3 Präventive Diagnose
Die präventive Diagnose zielt auf das Spannungsfeld mit den Polen eines kostenlosen
Leistungsbezugs (Kunde) bzw. einer konsequenten Verrechnung aller e-ServiceLeistungen (Anbieter) ab. Sie ist im Customer-Value-Modell dem Leistungssystem im
Bereich Konfiguration zuzuordnen.338
337
vgl. Bertam, Voida, Greenberg & Walker (2010)
338
vgl. Kapitel 2.4.2
142
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Abbildung 30: Optimierungsprozess – Leistungssystem: Konfiguration
Strategische Ausrichtung des
Service-Portfolios
Mitarbeitersystem:
Kompetenz
- Kompetenzerweiterung
im Service-Team
Leistungssystem:
Konfiguration und
Kommerzialisierung
- Präventive Diagnose
- e-ServiceVereinbarungen
Kommunikation
- Visualisierung von
Wert und Kosten
Kunde
Kontrolle
Quelle: Eigene Darstellung. Strukturierung in Anlehnung an Belz & Bieger (2006, S. 117)
Die präventive Diagnose ist ein Serviceprodukt, welches den Ursprung der beim Kunden negativ behafteten Maschinenausfälle und der beim Lieferanten schwierig planbaren Serviceeinsätze bekämpft. Bei einer präventiven Diagnose beurteilt ein Techniker
des Anbieters, je nach Technologie und Maschinentypus ausschliesslich vor Ort oder
in Ergänzung mit elektronischem Datenmaterial, die Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschine und identifiziert Schwachstellen im Bereich Soft- und Hardware, welche den zukünftigen Betrieb stören könnten. Das Leistungsspektrum einer präventiven
Diagnose beschränkt sich im Gegensatz zu Wartungstätigkeiten auf Analyseaufgaben.339
Die präventive Diagnose grenzt sich zu einem Wartungsauftrag über folgende Aspekte
ab: Erstens muss es sich um ein verhältnismässig kostengünstiges Produkt handeln, da
nur die Arbeitsleistung eines Technikers bezahlt werden muss. Zweitens darf mit der
präventiven Diagnose keine Verpflichtung verbunden sein, im Anschluss Arbeiten
vornehmen zu lassen. Drittens muss nach Abschluss der Diagnose ein Dialog mit dem
Kunden stattfinden, in welchem die Empfehlungen des Technikers diskutiert werden,
einzelne vorgeschlagene Massnahmen mit Kostenfolgen transparent aufgezeigt werden
339
Baumbach (1998, S. 142 f.)
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
143
und der Kunde entscheidet, ob, wann und in welchem Umfang Wartungsarbeiten vorgenommen werden.340
Die präventive Diagnose führt zu einem Nutzengewinn beim Kunden und beim Anbieter. Ersterer profitiert von einer kostengünstigen und frühzeitigen Erkennung von
Schwachstellen seiner Produktionseinheit, wodurch sich Folgekosten vermeiden lassen. Er behält aber gleichzeitig die Kostenkontrolle. Beim Anbieter sind die entstehenden Gewinne vielschichtig. Erstens lassen sich Kapazitätsauslastungen der Servicemitarbeitenden glätten, was langfristig betrachtet die Personalkosten im Service optimiert. 341 Zweitens kann das Geschäft mit Ersatzteilen intensiviert werden, da Teile
nicht am Ende ihrer Lebenszeit, sondern kurz zuvor gewechselt werden. Drittens findet eine regelmässige Interaktion mit dem Kunden statt, welche stets Opportunitäten
für Neu- und Ersatzinvestitionen eröffnet.342 Viertens erhöht sich beim Kunden die
Maschinenverfügbarkeit, wodurch der Ruf des Anbieters als Qualitätslieferant profitiert und die allgemeine Zufriedenheit des Kunden zunimmt.343 Sollte die Maschine
trotz regelmässiger präventiver Diagnosen einen Ausfall haben auf Grund einer Komponente, welche in der Diagnose als Schwachstelle identifiziert, jedoch vom Kunden
nicht behoben wurde, ist der Verschuldungsgrad des Anbieters für die mit dem Ausfall
verbundenen Unannehmlichkeiten geringer. Fünftens profitiert der Anbieter in der
Folge von einem höheren Vertrauensverhältnis in der Kunden-Lieferanten-Beziehung,
was für zukünftige Investitionsentscheidungen von hoher Bedeutung ist (Kaufverhalten 1). Auf Grund der umfassenden Vorteile des Einsatzes der präventiven Diagnose
ist deren preisliche Positionierung defensiv, aber mindestens kostendeckend zu wählen, um die Eintrittsbarriere beim Kunden tief zu halten.
340
Best-Practice aus der ZERSPANUNGSMASCHINEN AG: Diese Differenzierungsmerkmale erklären, warum die präventive Diagnose im Vergleich zum klassischen Wartungsvertrag am Markt ohne
Hindernisse durchgesetzt werden kann. Siehe auch Fallbeispiel Präventive Diagnose.
341
Wildemann (2006, S. 57 f.)
342
Brax (2005, S. 142)
343
Sanche (2002, S. 43 f.)
144
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Fallbeispiel ZERSPANUNGSMASCHINEN AG: Präventive Diagnose
Bei der ZERSPANUNGSMASCHINEN AG wurden nur für eine Handvoll der über
tausend weltweit in Betrieb stehenden Maschinen ein Service- oder ein Wartungsvertrag abgeschlossen. Diese bieten aus Sicht des Managements einen zu geringen Nutzen
für den Kunden. Anders verhält es sich bei der präventiven Diagnose, welche als
schlankes Serviceprodukt zum Festpreis angeboten wird: Dieses lässt sich in regelmässigen Abständen, in der Regel auf Anfrage durch das Service-Team und ohne vertragliche Bindung, bei einer Mehrheit der Kunden platzieren. Die ZERSPANUNGSMASCHINEN AG sieht die Gründe hierfür in der Transparenz und der Kostenkontrolle,
welche vollständig in der Hand des Kunden verweilt. Die ZERSPANUNGSMASCHINEN AG beabsichtigt, die präventive Diagnose in Zukunft weiter zu verstärken,
und bildet zu diesem Zweck zusätzliches Servicepersonal aus.
4.3.4 e-Service-Vereinbarungen
Die e-Service-Vereinbarungen sind neben der präventiven Diagnose die zweite Massnahme im Spannungsfeld «kostenloser Leistungsbezug». Sie ist im Customer-ValueModell dem Leistungssystem im Bereich Kommerzialisierung zuzuordnen. 344
Als Ausgangslage für diese Optimierungsmassnahme wird von einer Situation ausgegangen, in welcher Anbieter die e-Service-Leistungen gar nicht oder nur im geringen
Ausmass verrechnen können. Folglich hat die Verrechnung von e-Services einen signifikanten Einfluss auf die Steigerung der Rentabilität von After-Sales-Services, da ein
Umsatzzuwachs bei einer gleichbleibenden Kostensituation herbeigeführt wird.
344
vgl. Kapitel 2.4.2
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
145
Abbildung 31: Optimierungsprozess – Leistungssystem: Kommerzialisierung
Strategische Ausrichtung des
Service-Portfolios
Mitarbeitersystem:
Kompetenz
- Kompetenzerweiterung
im Service-Team
Leistungssystem:
Konfiguration und
Kommerzialisierung
- Präventive Diagnose
- e-ServiceVereinbarungen
Kommunikation
- Visualisierung von
Wert und Kosten
Kunde
Kontrolle
Quelle: Eigene Darstellung. Strukturierung in Anlehnung an Belz & Bieger (2006, S. 117)
Das Ziel dieser Optimierungsmassnahme liegt darin, einen hohen Anteil der im eService wertstiftend geleisteten Arbeiten an den Kunden verrechnen zu können, ohne
damit einen fortlaufenden Austausch mit dem Kunden über seine Anliegen zu unterbinden und ohne den Kundennutzen wesentlich zu schmälern. In den Kundengesprächen hat sich gezeigt, dass Kunden ein Verständnis für die Notwendigkeit einer Verrechnung von e-Service-Produkten haben, jedoch von den Anbietern eine proaktive
und offene Kommunikation der Spielregeln und der Kostenfolgen fordern (Opportunität 5).345 Es bieten sich zwei Modelle an, wie ein Anbieter die Verrechenbarkeit von eServices umsetzen kann.
4.3.4.1
e-Service-Vereinbarungen als unabhängiges Produkt
Eine erste Strategie liegt im Abschluss von e-Service-Vereinbarungen, in welchen der
Leistungsbezug von e-Services und die für die Kunden anfallenden Kosten geregelt
sind. Die Vereinbarungen haben den Charakter einer Information und Kenntnisnahme
und führen zu keiner Abnahmeverpflichtung für die Kunden, wodurch sie sich vom
345
Untersuchungen zur Rentabilität einzelner After-Sales-Leistungskomponenten zeigen, dass e-
Services zu den unrentabelsten Leistungen gehören (Backhaus et al., 2007, S. 18), obwohl bei den
Kunden für e-Services prinzipiell eine hohe Zahlungsbereitschaft besteht (Körner, 2002, S. 130). Körner stellt fest, dass viele Maschinen- und Anlagenbauer die beim Kunden vorhandene Zahlungsbereitschaft unterschätzen (S. 130).
146
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Servicevertrag abgrenzen. Sie sind deshalb wie eingangs empfohlen als Produktdatenblatt zu gestalten und bedürfen keines Vertrages.346
Durch die Berücksichtigung folgender von den Kunden artikulierter Bedürfnisse kann
von einer erleichterten Durchsetzbarkeit der e-Service-Vereinbarungen bei den Kunden ausgegangen werden:347
1. Die Definition von e-Services mit einem dazugehörigen Leistungskatalog (z.B.
Beratung am Telefon, Remote-Zugriff und Datenanalyse) sollte festgelegt sein.
Auch die zeitliche Verfügbarkeit der Mitarbeitenden ist für den Kunden von Interesse.
2. Der Zeitpunkt, in welchem eine Interaktion für den Kunden zu Kostenfolgen
führt, sollte festgelegt und für den Kunden erkennbar sein. In der Praxis sind
folgende Modelle verbreitet:
a. Bei Anruf auf eine Service-Hotline, welche von übrigen Kommunikationskanälen separiert ist, beginnt eine kostenpflichtige Beratung. In der
Regel wird im Minutentakt abgerechnet, zum Teil erst nach 5 bis 15 Minuten pro Anruf. Es existieren auch Modelle mit einem kostenlosen Monats- oder Jahrespensum an Minuten, welche pro Kunde / pro erworbene
Werkzeugmaschine zur Verfügung stehen.348
b. Ab dem Zeitpunkt, in welchem ein Mitarbeitender des Service-Teams als
Unterstützung zur telefonischen Beratung einen Remote-Zugriff auf die
Maschine oder die Auswertung zugestellter Maschinenprotokolle vornimmt, entstehen für den Kunden Kosten.349
c. Nachdem der Service-Mitarbeitende, in der Regel mit dem schriftlich
mitgeteilten Einverständnis des Kunden, von der Analyse-/Diagnose- auf
die Problemlösungsphase umgestellt hat, werden dem Kunden die Kosten in Rechnung gestellt. Der Ermessensspielraum, welche Tätigkeiten
346
vgl. Kapitel 4.3.1.3
347
vgl. auch Herleitung Opportunität 5
348
z.B. Körner (2002, S. 135 f.)
349
Eine Variante, welche z.B. von Herstellern von Steuerungen in der Robotik angewendet wird
(Kundeninterview: Fall 23).
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
147
unter Analyse und welche unter Problemlösung fallen, liegt beim Servicetechniker bzw. beim Serviceverantwortlichen des Anbieters.350
3. Es ist zu klären, inwiefern eine Verrechnung der Leistung stattfindet, wenn das
Kundenproblem durch den e-Service-Einsatz nicht gelöst werden kann oder
wenn auf einen kostenpflichtigen e-Service-Einsatz folgend trotzdem ein Techniker aufgeboten werden muss.
Die diffizilste Entscheidung betrifft den Zeitpunkt, ab welchem Kostenfolgen für den
Kunden entstehen. Von den Kunden angeführte Argumente geben Hinweise darauf,
dass eine Verrechnung ab dem Wechsel von Analyse zu Problemlösung auf den geringsten Widerstand stösst, da aus Kundenperspektive die Analyse als eine Offertstellung zu verstehen ist, welche sich in kaum einem Tätigkeitsfeld verrechnen lässt. Diesen Ansatz hat auch die ZERSPANUNGSMASCHINEN AG gewählt, wie das unten
aufgeführte Fallbeispiel zeigt:
Fallbeispiel ZERSPANUNGSMASCHINEN AG: e-Service-Verrechnung
Mittels e-Service-Support können bei der ZERSPANUNGSMASCHINEN AG über
20% der eingehenden technischen Störungen behoben werden. Diese wertstiftende
Leistung wird an den Kunden verrechnet. Hierbei gilt die Regelung, dass jegliche
Leistung, welche über die Diagnosephase hinausgeht, in Rechnung gestellt wird. Die
Mitarbeitenden im Service-Team entscheiden selbst, wo sie die Trennlinie zwischen
der Analyse- und der Problemlösungsphase ziehen. Sie sind hierbei angehalten, die
Bedeutung des Kunden für das Unternehmen zu berücksichtigen: Kunden, welche
mehrere Maschinen der ZERSPANUNGSMASCHINEN AG besitzen, wird mit grösserer Kulanz gegenübergetreten.
Die Mitarbeitenden im Service-Team sind bemüht, die Kostenkontrolle über den Bezug der e-Services in die Hand des Kunden zu geben. Dies beginnt nach Abschluss der
Analysephase, wenn eine Kosteneinschätzung an den Kunden abgegeben wird. Im Anschluss werden kostenpflichtige Arbeiten erst auf schriftliche Bestellung des Kunden
ausgeführt. Sollte der angegebene Kostenrahmen nicht eingehalten werden können,
wird der Kunde proaktiv informiert und kann über das weitere Vorgehen entscheiden.
350
z.B. von der ZERSPANUNGSMASCHINEN AG angewendet.
148
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Für die Implementierung der e-Service-Vereinbarungen empfiehlt sich ein Vorgehen
in zwei Schritten. Als Erstes sollte ein Produktdatenblatt erstellt werden, dessen Inhalt
alle vom Kunden als kritisch erachteten Fragen klärt und die Kundenvorteile hervorhebt. Im Anschluss sollte die neue Regelung zu den e-Services erst auf Vorankündigung und nach einem persönlichen Gespräch zwischen dem Kundenbetreuer und dem
Kunden in Kraft gesetzt werden.351
4.3.4.2
Verrechnung von e-Services über die Kopplung von Leistungen
Eine zweite Strategie besteht in der Kopplung der e-Services mit einem anderen verrechenbaren Serviceprodukt. Es bieten sich folgende Modelle an:
1. Bei einer Mehrheit der Maschinen- und Anlagenbauer sind e-Services während
der Garantiezeit der Maschine kostenlos enthalten.352 Dieses Modell kann beim
Abschluss einer Garantieverlängerung beibehalten werden, wodurch für diese
ein zusätzlicher Kaufanreiz besteht. Die durch die e-Services anfallenden Kosten müssen jedoch im Preis einer Garantieverlängerung berücksichtigt werden.
2. Einschluss von e-Services in einem Servicevertrag.353
4.3.4.3
Nutzenbeurteilung von e-Services nach Kundensegment
Auf Grund der Unterschiede hinsichtlich Einstellung und Verhalten zu den AfterSales-Services in den Kundensegmenten ist bei der Implementierung von e-ServiceVereinbarungen Folgendes zu beachten:
-
Im Segment der risikoaversen Service-Profis ist eine erfolgsversprechende
Vorgehensweise die Rentabilisierung über den Abschluss von Serviceverträgen,
welche in diesem Segment grundsätzlich auf Anklang stossen. 354
-
In den Segmenten der strategischen Partner sowie der internen Servicedienstleister sollten unabhängige e-Service-Vereinbarungen durch die Hervorhebung
der Kundenvorteile (Geschwindigkeit, keine Anfahrtskosten) sowie die Erklä-
351
Vom Kunden artikuliertes Bedürfnis, vgl. auch Herleitung Opportunität 5
352
Rainfurth et al. (2005, S. 105)
353
vgl. Kapitel 4.3.1.3
354
vgl. Kapitel 4.3.1.3
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
149
rung der mit den e-Services verbundenen Kosten beim Anbieter durchsetzbar
sein.355
-
In den Segmenten der technischen Innovatoren und der reaktiven Service-onDemand-Bezüger ist der grösste Widerstand hinsichtlich der e-ServiceVereinbarungen zu erwarten. Sollten diese Kundensegmente im Fokus des Anbieters stehen, ist bei der Ausgestaltung der e-Service-Vereinbarungen darauf
zu achten, dass für die Kunden nur im Erfolgsfall und bei alleiniger e-ServiceLeistung Kostenfolgen entstehen.356 Es ist zudem empfehlenswert, bei Neuinvestitionen den Abschluss einer Garantieverlängerung zu forcieren, um eine gesonderte Verrechnung von e-Services möglichst lange zu vermeiden.
Massnahmen zum Umgang mit einem potentiellen Nutzenverlust beim Kunden durch
die Implementierung von e-Service-Vereinbarungen werden unter anderem im nachfolgenden Unterkapitel vorgestellt.
4.3.5 Visualisierung von Wert und Kosten
Für das Spannungsfeld Preispolitik wird eine Optimierungsmassnahme in der Gestaltungsdimension Kommunikation des Customer-Value-Modells empfohlen.357 Sie wirkt
unterstützend für die Realisierung der e-Service-Vereinbarungen. Das Ziel dieser Optimierungsmassnahme ist es, den Kundenwert und die für die Schaffung dieses Kundenwerts entstehenden Leistungen und Kosten transparent und sichtbar zu machen, da
dies die Verrechenbarkeit von sämtlichen After-Sales-Services erleichtert (Opportunität 4) sowie Situationen zu deeskalieren, in welchen die Verrechnung einer Leistung
als ungerechtfertigt betrachtet wird und zu einem Vertrauensbruch führt (Kaufverhalten 1).
355
vgl. auch Kapitel 4.3.5. Auch Dauner (2012, S. 252 f.) stellt fest, dass die Geschwindigkeit von eServices und die dadurch entstehenden Kostenvorteile für den Kunden ein zentrales Argument für eine
Zahlungsbereitschaft für e-Services sind.
356
Diese Kundensegmente legen Wert auf Preistransparenz und -fairness (vgl. Kapitel 3.3.3.4).
357
vgl. Kapitel 2.4.2
150
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Abbildung 32: Optimierungsprozess – Kommunikation
Strategische Ausrichtung des
Service-Portfolios
Mitarbeitersystem:
Kompetenz
- Kompetenzerweiterung
im Service-Team
Leistungssystem:
Konfiguration und
Kommerzialisierung
- Präventive Diagnose
- e-ServiceVereinbarungen
Kommunikation
- Visualisierung von
Wert und Kosten
Kunde
Kontrolle
Quelle: Eigene Darstellung. Strukturierung in Anlehnung an Belz & Bieger (2006, S. 117)
4.3.5.1
Massnahmen zur Visualisierung für einzelne Services
In den Kundengesprächen konnten die nachfolgend ausgeführten Kundenbedürfnisse
zu den After-Sales-Services als problematisch hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft
und der Preisdurchsetzung identifiziert werden. Für sie werden die folgenden Optimierungsmassnahmen vorgeschlagen:
Ersatzteile mit geringem Eigenfertigungsanteil: Wechsel des Referenzpreises
Ersatzteile, welche vom Anbieter zugekauft werden und damit über keinen oder nur
einen sehr geringen Eigenfertigungsanteil verfügen, werden von den Kunden als zu
teuer betrachtet. Der Kunde kann einen Margenzuschlag von 20 bis 40% auf solche
Teile nachvollziehen, einen höheren Zuschlag ist aus seiner Sicht für eine rein koordinative Leistung nicht verständlich (Kundennutzen 4).
Hintergrund des Preisurteils der Kunden ist eine Beurteilung anhand eines beim Kunden vorhandenen Referenzpreises.358 Der Referenzpreis kommt bei Ersatzteilen, welcher durch ihren geringen Eigenfertigungsanteil am Markt identisch oder ähnlich erhältlich sind, durch einen direkten Preisvergleich zustande. Kunden verwenden als
Benchmark auf den Handel spezialisierte Onlineshops, die in vielen Fällen über tiefere
358
vgl. Theorie der Referenzpreise: Kapitel 2.3.3.1
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
151
Preisangebote verfügen. 359 Die Abweichung vom Referenzpreis zu ihren Ungunsten
mindert in der Folge den von Kunden wahrgenommenen Nutzen, da sie die Abweichung mit einer überdurchschnittlichen Marge des Anbieters erklären. Von den Kunden wird dabei nur ungenügend berücksichtigt, dass bei einem Anbieter, welcher als
mittelständischer Werkzeugmaschinenbauer nicht auf den Vertrieb von Handelswaren
spezialisiert ist, andere Kostenstrukturen bestehen. Anbieter müssen Zuschläge auf
Grund der Lagerverfügbarkeit, des Administrationsaufwands sowie des Risikos (Garantieübernahme, Wertverfall im Lager) in ausreichendem Mass in den Preis einkalkulieren.360
Anbieter können dieser Situation begegnen, indem sie ihre Preise aufschlüsseln und
die darin enthaltenen Wertkomponenten für den Kunden sichtbar machen. Es bietet
sich an, mindestens einen Zuschlag für die sofortige Lagerverfügbarkeit sowie eine
Bearbeitungsgebühr pro Ersatzteil separiert darzustellen. Da Letztere unabhängig vom
Preis des Ersatzteils einmalig anfällt, ist ein Fixkostenbetrag pro Ersatzteil oder Bestellung empfehlenswert. Dieses als «Preiszerlegung» bezeichnete Verfahren hilft, die
Kosten zu visualisieren und dem Kunden mehrere separierte Beträge als Referenzpreise vorzugeben. 361
Anfahrtspauschalen: Setzung von Planungsanreizen
Wenn der Kunde glaubt, dass Servicetechniker bei der Anfahrt mittels Terminkombinationen einen geringeren Zeitbedarf für die Anfahrt hatten, als sie ihm mittels Pauschale in Rechnung stellen, wird diese von den Kunden als unfair betrachtet (Kundennutzen 4).362
Der Kritikpunkt der Kunden hinsichtlich der Anfahrtspauschalen kann durch eine
Leistungsvisualisierung nicht abgewendet werden, da das Wesen einer «Pauschale»
impliziert, dass sie eine auf Mittelwerten beruhende Kalkulation ist, bei welcher der
Kunde bei geschickter Terminkombination des Technikers einen Preis bezahlen wird,
359
Vorgehensbeschreibungen aus den Kundeninterviews (z.B. Fall 1, 13).
360
vgl. z.B. Cohen & Lee (1990, S. 58)
361
In den Kundengesprächen wurde auf die bei günstigen Teilen überdurchschnittlich hohen Margen
hingewiesen. Durch den Aufschlag eines separiert ausgewiesenen Zuschlags für Administration als
Fixpreis pro Bestellung kann dieser Missstand korrigiert werden, vgl. auch Bänsch (1996, S. 84).
362
Als erklärende Theorie kann die Equity-Theorie beigezogen werden, vgl. Kapitel 2.3.3.2.
152
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
welcher über einem fairen Ansatz für die effektiv verrechneten Stunden liegt. Als einfach zu handhabende Lösung bietet sich an, dass man dem Kunden die Anfahrtspauschale teilweise erlässt, wenn der Termin nicht spontan angesetzt, sondern im Voraus
geplant wurde. Dies ist dem Kunden gegenüber damit zu begründen, dass damit Terminkombinationen möglich sind und der daraus entstehende Preisvorteil weitergegeben wird.363 Obwohl diese Massnahme den Ertrag des Anbieters leicht mindert, erhöht
sie die Kaufanreize für die präventive Diagnose und die Wartung, welche auf Grund
ihrer Beschaffenheit für den Anbieter attraktiv sind.364 Das nachfolgende Fallbeispiel
der PRÄZISIONSMASCHINEN AG illustriert den Sachverhalt.
Fallbeispiel PRÄZISIONSMASCHINEN AG: Anfahrtspauschale
Die Kunden der PRÄZISIONSMASCHINEN AG schätzen es im Fall einer Maschinenstörung, von einem für die Behebung ihrer Problemsituation qualifizierten Servicetechniker bedient zu werden. Dafür sind Kunden oftmals bereit, ein bis zwei Tage zu
warten. Insbesondere preissensitive Kunden nehmen gerne einige Tage Wartezeit in
Kauf, wenn sich dafür Kostenoptimierungen bei den Anfahrtspauschalen erzielen lassen. Die PRÄZISIONSMASCHINEN AG offeriert für Serviceeinsätze mit planbarer
Vorlaufzeit die Anfahrtspauschalen zum halben Preis: ein Konzept, welches beim
Kunden positiv aufgenommen wird. Auch das Service-Team profitiert von diesem
Vorgehen, da seine Einsätze damit besser planbar werden.
Kulanzzahlungen: Forcierung der Garantieverlängerungen
Eine weitere problematische Situation hinsichtlich des vom Kunden wahrgenommenen
Nutzens entsteht bei Kosten für Einsätze von Technikern und für Ersatzteile, welche
nach Ablauf der Garantiezeit entstehen, deren Verschulden aus Sicht des Kunden jedoch beim Anbieter liegt (Kaufverhalten 1).365
Anbieter sind auf Grund möglicher Sanktionierungen gut beraten, nach Ablauf der
Garantiezeit Forderungen des Kunden sorgfältig auf ein Eigenverschulden zu prüfen
363
Dieses Verfahren wird beispielsweise von der PRÄZISIONSMASCHINEN AG angewendet.
364
vgl. Kapitel 4.3.3
365
Trachsler (1996, S. 280) stellt den gleichen Zusammenhang als Kriterium «Verantwortung der
Fehlerursache» fest. Als erklärende Theorie kann erneut die Equity-Theorie beigezogen werden, vgl.
Kapitel 2.3.3.2.
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
153
und gemeinsam mit dem Kunden nach Kompromisslösungen zu suchen. Um zum Erhalt der Kundenzufriedenheit im Schadensfall nicht mit Kulanzzahlungen die Rentabilität von After-Sales-Services zu mindern, bietet sich eine aktive Vermarktung der Garantieverlängerung beim Kaufabschluss an: Schliesst der Kunde eine solche ab, kann
die Konfliktsituation von Beginn an vermieden werden. 366 Tut der Kunde dies aus einer bewussten Entscheidung heraus nicht, was mit einem Hinweis im Kaufvertrag verdeutlicht werden kann, ist das Einfordern einer Kulanzzahlung nach Ablauf der Garantiefrist für ihn schwieriger zu rechtfertigen.367
Fallbeispiel OBERFLÄCHENMASCHINEN AG: Einsatz der Garantieverlängerung
Für die OBERFLÄCHENMASCHINEN AG als globalen Qualitätsführer ist die
Durchsetzung der Garantielaufzeit von nur einem Jahr eine Herausforderung. Insbesondere im Folgejahr nach Ende der Garantiezeit bestehen Kunden nicht selten auf die
Erbringung kostenloser Leistungen, selbst wenn es hierfür keine vertragliche Grundlage gibt. Da Kundenzufriedenheit und ein guter Ruf im Servicegeschäft für die OBERFLÄCHENMASCHINEN AG ein strategisches Ziel sind, übernimmt sie in vielen Fällen aus Kulanzgründen im ersten Jahr nach Ablauf der Garantie die Kosten für Ersatzteile und Serviceeinsätze.
Als Reaktion auf diesen Sachverhalt hat das Management beschlossen, jenen Kunden,
welche beim Kauf einer Maschine einen Wartungsvertrag über zwei Jahre abschliessen, eine kostenlose Garantieverlängerung von 12 auf 24 Monate zu gewähren. Damit
wurde bezweckt, dass der Wartungsvertrag aus Kundenperspektive an Attraktivität
gewinnt, was sich positiv auf die Vertragsabschlüsse ausgewirkt hat. Aus Sicht der
OBERFLÄCHENMASCHINEN AG hat diese Massnahme zur Rentabilisierung ihrer
After-Sales-Services beigetragen. Einerseits hat man die Kulanzforderungen der Kunden reduziert, da man auf Grund einer professionellen präventiven Wartung durch die
eigenen Servicetechniker die Entstehung von Schäden minimieren konnte. Andererseits entstanden durch die Zunahme an Wartungsverträgen neue profitable Erträge.
366
In der fallübergreifenden Synthese konnte festgestellt werden, dass Kunden das absolute Alter von
Komponenten als Faktor für die Beurteilung von deren Funktionalität beiziehen. Je weiter der Kaufzeitpunkt zurückliegt, desto geringer ist die Chance, dass Kunden Kulanzforderungen stellen.
367
Die Rechtfertigung ist für die Kunden erschwert, da in diesem Fall kein konformes Verhalten mit
ihren früheren Entscheidungen besteht, vgl. hierzu die Theorie zur kognitiven Dissonanz (Festinger,
1957, S. 1 ff.).
154
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
Geschenke im Service: Value-Selling anwenden
Kunden treten in die Vertragsverhandlungen über die Investition in Werkzeugmaschinen mit der Erwartung, dass sie als Ergebnis der Verhandlungen After-Sales-Services
als preisreduzierte oder sogar kostenlose «Geschenke» zur Minderung der Investitionssumme beziehen können (Kaufverhalten 4).
Da eine rückwirkende Korrektur der in den Verhandlungen angewendeten Rabattpolitik nicht möglich ist, empfiehlt sich eine Zukunftsbetrachtung, deren Wirkung mittelbis langfristig eintreten sollte. Es bietet sich an, dem Verkauf die Kompetenz über die
kostenlose Vergabe von Serviceleistungen zu entziehen. Diese Regel ist insbesondere
bei Neukunden anzuwenden, damit diese den Service nicht von Beginn der Kundenbeziehung an als eine kostenlose – und damit implizit wertlose – Leistung betrachten.
Zusätzlich ist der Verkauf mit einem Argumentarium auszustatten, welches ihm erlaubt, die After-Sales-Services beim Kunden zu vermarkten. Hierzu kann das für die
Erweiterung der Verkaufs- und Interaktionskompetenzen vorgestellte Verfahren angewendet werden.368
Forderung nach kostenlosen e-Services: Visualisierung der Leistungen
Die Bezahlung für Leistungen, welche in der Vergangenheit kostenlos waren – typischerweise sind dies die e-Services369 – führt beim Kunden zu einem verminderten
wahrgenommenen Nutzen (Kundennutzen 5). Der im letzten Unterkapitel vorgeschlagene Abschluss von e-Service-Vereinbarungen birgt infolgedessen ein Risiko, trotz
kundenorientierter Ausgestaltung den Nutzen des Kunden zu mindern.
Die Zahlungsbereitschaft für Einsätze von Technikern vor Ort ist im Vergleich zu eServices höher. Dies lässt sich mit der Immaterialität und der Intangibilität der Services erklären sowie mit der unzureichenden Art und Weise, wie diese durch Unternehmen präsentiert werden.370 Auf Grund der Unterschiede zu den Primärprodukten
müssen für die Wertvisualisierung andere Darstellungselemente gewählt werden.371
368
vgl. Kapitel 4.3.2.2 und das Konzept des «Value Selling» in Kapitel 2.2.5 als Grundlage.
369
Rainfurth et al. (2005, S. 105)
370
Wildemann (2006, S. 57)
371
Körner (2002, S. 138 f.)
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
155
Um die Intangibilität und die Immaterialität der e-Services zu kompensieren, bieten
sich die Visualisierung und die Kommunikation der mit den e-Services verbundenen
Sachmitteln und des entsprechenden Arbeitseinsatzes an. Unter anderen sind folgende
konkrete Massnahmen möglich: 372
-
Anstelle des Telefons sollte vermehrt auf Videotelefonie gesetzt werden. So erhält der Servicetechniker ein Gesicht und eine Persönlichkeit.
-
Die Arbeitsleistung kann bei der Verrechnung der e-Services visualisiert werden, indem Name, Qualifikation sowie ein Bild des ausführenden Servicetechnikers als Teil eines ansprechenden Rechnungsdesigns enthalten sind.
-
Alle vom e-Service ausgeführten Leistungen sollten dokumentiert und für den
Kunden einsehbar sein, damit dieser ein Mittel zur Leistungsüberprüfung hat.
-
Abbildung der Servicezentrale im Produktdatenblatt zu e-Services. 373
Bei der Ausarbeitung dieser Kommunikationsinstrumente ist auf deren Abstimmung
und Stimmigkeit in einem Gesamtkonzept zu achten. 374
4.3.5.2
Einflussnahme im initialen Kaufentscheidungsprozess
Auch im Kaufentscheidungsprozess hinsichtlich der Investition in eine Werkzeugmaschine kann eine Wertvermittlung der After-Sales-Services vom Verkauf vorgenommen werden. Die Beobachtungen des Entscheidungsverhaltens haben gezeigt, dass
After-Sales-Services vorwiegend zu Beginn und am Ende des Kaufprozesses die Aufmerksamkeit des Buying Centers haben (Kaufverhalten 2), wobei die Entscheidung
über den Abschluss von Garantieverlängerungen, Wartungs- und Serviceverträgen von
einem kleinen Personenkreis getroffen wird, welcher sich je nach Kundensegment und
Inhaberstruktur unterschiedlich zusammensetzt (Kaufverhalten 3).
Die Einflussnahme auf die Vorselektion der Anbieter für die engere Auswahl ist seitens des Verkaufs nur begrenzt beeinflussbar. Vorwiegend wird die Vorselektion auf
Grund von Reputation, Standort und Nationalität des WZM-Herstellers durchgeführt
oder findet auf Grund eines Pflichtenhefts statt, dessen Kriterien der Kunde auf strate372
vgl. auch Dauner (2012, S. 252 ff.); Körner (2002, S. 139 ff.); Trachsler (1996, S. 126 ff.)
373
vgl. Kapitel 4.3.1.3
374
Körner (2002, S. 139)
156
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
gischer Ebene festgelegt hat.375 In beiden Fällen hat der Verkauf kaum die Möglichkeit
zur Einflussnahme.
Ein erweiterter Spielraum besteht am Ende des Selektionsprozesses, wenn After-SalesServices bei vergleichbaren Alternativen zum zweiten Mal diskutiert werden und ein
kaufentscheidendes Kriterium sein können. Hier hat es sich gezeigt, dass bei jenen
Kunden, bei denen kein strukturierter Selektionsprozess stattfindet,376 die für den Prozess hauptverantwortliche Person der Entscheidungsträger ist: In Mikro- bis Kleinunternehmen ist dies in der Regel der CEO, in mittelständischen Unternehmen ein Produktions-, ein Abteilungs- oder ein Bereichsleiter. Da diese Person der Ansprechpartner für den Verkauf und der Verhandlungsführer ist, ist ihre Identifikation zu bewerkstelligen.377 Nach Identifikation von Person und Kundensegment kann sich der Verkauf am Ende des Selektionsprozesses an folgenden Grundsätzen orientieren:
1. Bei risikoaversen Service-Profis oder internen Servicedienstleistern ist die Entscheidung über den Service von der Firmenpolitik vorgegeben. Die Funktion
des Verkaufs beschränkt sich auf die Erklärung der Serviceangebote.
2. Bei strategischen Partnern ist bei inhabergeführten Unternehmen der Fokus auf
die Vermarktung der Garantieverlängerung zu legen, bei Unternehmen mit externem Geschäftsleiter besteht zusätzlich das Potential für den Abschluss von
Wartungs- und Serviceverträgen.
3. Bei reaktiven Service-on-Demand-Bezügern und technischen Innovatoren können Garantieverlängerungen auf Anklang stossen, der Verkauf sollte sich jedoch frühzeitig auf die Platzierung von e-Service-Vereinbarungen und präventiven Diagnosen fokussieren.
4.3.6 Zusammenfassung des Prozessablaufs
Nachfolgende Abbildung 33 fasst den Prozessablauf zusammen und gliedert diesen
nach dem Vorgehen für die Implementierung:
375
Zu diesen Kriterien gehören gemäss Aussagen von Kunden z.B. die Unternehmensgrösse des
WZM-Herstellers, das Vorhandensein einer Serviceniederlassung in geografischer Nähe oder ob beim
Ausfall einer Maschine Reaktionszeiten von 24h/48h eingehalten werden können.
376
Dies ist typischerweise bei reaktiven Service-on-Demand-Bezügern, technischen Innovatoren und
strategischen Partnern der Fall.
377
Herleitung für Kaufverhalten 2/3
OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG
157
Abbildung 33: Implementierung des Optimierungsprozesses
Strategie
Geschäftsleitung
Projektmanagement festlegen
Kundensegmente selektionieren
After-Sales-Services-Portfolio festlegen
Erstellung der externen Kommunikationsinstrumente:
- Service-Konzept
- Produktdatenblätter
- Preislisten
- Verträge / Vertragszusätze
Erstellung der internen Kommunikationsinstrumente:
- Leitfaden, Checkliste und
Dienstleistungsargumentarium
Systeme
CRM-System mit Zugang für den
Verkauf und das Service-Team
etablieren
Qualitätsmanagementsystem für die
Erfassung von Störungen etablieren
und Zugänge für Produktion und
Service-Team sicherstellen
Ticket-System für Innendienst
einrichten
Fakturation anpassen bzgl. Preisdarstellung Ersatzteile sowie
Wertvisualisierung und
Dokumentation e-Services
Schulungen
Personalwesen / Bereichsleitung
Kommunikationsschulung Innendienst
Schulung Service-Team / Verkauf hinsichtlich Service-Konzept,
Produktdatenblättern, Preisen und dem Dienstleistungsargumentarium
Schulung Verkauf: Kompetenzen bzgl. Rabattpolitik für After-Sales-Services
Implementierung
Verkauf / Service-Team
Service-Team / Verkauf / Produktion
Einsatz der erweiterten Kompetenzen
am Markt
Fortlaufender Austausch via CRMund Qualitätsmanagementsystem
Anwendung des neuen After-SalesServices-Portfolios
Fortlaufender formeller und
informeller Know-how Austausch
zwischen Produktion und ServiceTeam
Abschluss von e-ServiceVereinbarungen durch den Verkauf
Platzierung von präventiven
Diagnosen durch das Service-Team
und den Verkauf
Quelle: Eigene Darstellung
Fortlaufende Vermittlung von Knowhow von erfahrenen zu unerfahrenen
Servicetechnikern
Erfolgskontrolle
Umsetzung
Marketing
158
5
SCHLUSSBETRACHTUNG
Schlussbetrachtung
In diesem Kapitel werden die Erkenntnisse zusammengefasst und Implikationen für
die Forschung und die Praxis abgeleitet. Anschliessend werden die Limitationen dieser
Forschungsarbeit aufgeführt und Hinweise für weiterführende Forschung präsentiert.
5.1
Zusammenfassung
Das Ziel dieser Dissertation ist die Entwicklung eines Optimierungsprozesses, welcher
von Entscheidungsträgern in mittelständischen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus zur Steigerung der Rentabilität ihrer After-Sales-Services angewendet werden kann. Das Forschungsziel leitet sich von der praktischen Problemstellung ab, dass
mittelständische Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau trotz Investitionen in
produktbegleitende Dienstleistungen mit diesen keine befriedigenden Margen erzielen
können. Diese Forschungsarbeit differenziert sich durch eine auf den vom Kunden
wahrgenommenen Nutzen fokussierte Erkenntnisgewinnung, deren Datengrundlage
direkt bei den Kunden erhoben wird. Des Weiteren werden die Optimierungsmassnahmen auf mittelständische Unternehmen ausgelegt und sind in einer praxisorientierten Prozessdarstellung aufgearbeitet.
Die Beschaffenheit von Rentabilität von After-Sales-Services führt zur Identifikation
der Forschungsfelder organisationales Kaufverhalten, Kundennutzen und Preismanagement. Innerhalb dieser Felder werden die theoretischen Grundlagen aus ökonomischer und verhaltenswissenschaftlicher Perspektive erarbeitet. Vorhandene Theorien
begründen den Zusammenhang, dass durch eine Kundennutzenoptimierung sowohl auf
der Leistungs- wie auch auf der Kostenseite der Rentabilität Wirkung erzielt werden
kann. Aus diesem Grund ist das Verständnis über das Zustandekommen von Kundennutzen bei After-Sales-Services von Bedeutung.
Der Kundennutzen wird darauffolgend mit Fallstudienforschung vertieft, innerhalb
welcher Daten zu vergangenen Kaufentscheidungsprozessen direkt beim Kunden erhoben werden. Aus der Kundenperspektive werden relevante Themen und daraus abgeleitete Opportunitäten für WZM-Hersteller identifiziert, welche durch Beobachtungen des Entscheidungsverhaltens betreffend After-Sales-Services bei Investitionen in
Werkzeugmaschinen ergänzt werden. Die Erkenntnisse werden innerhalb von fünf
identifizierten Kundensegmenten diskutiert, welche für das Marketing relevante Verhaltensunterschiede zeigen. Eine Gegenüberstellung der Nutzenpräferenzen des Kun-
SCHLUSSBETRACHTUNG
159
den mit den Zielen der Anbieter im Bereich After-Sales-Services führt zur Identifikation dreier Spannungsfelder, in welchen Anbieter Lösungsansätze für den erfolgreichen Umgang mit After-Sales-Services finden müssen.
Der abschliessend erarbeitete Optimierungsprozess folgt dem Customer-Value-Modell
und nimmt Optimierungen auf strategischer Dimension, beim Mitarbeiter- und Leistungssystem sowie beim Kommunikationsmanagement der Anbieter vor. Auf strategischer Ebene zeigt er, wie das After-Sales-Services-Portfolio für die relevanten Kunden
selektioniert und ausgestaltet wird. Anschliessend werden die Optimierungen bei der
Kompetenz des Service-Teams, die Verstärkung der präventiven Diagnose, der Abschluss von e-Service-Vereinbarungen sowie Massnahmen zur verbesserten Visualisierung von Wert und Kosten von After-Sales-Services ausgeführt. Abschliessend wird
der Prozess mit einem Implementierungsvorschlag ergänzt.
5.2
Implikationen
Der im vorhergehenden Kapitel formulierte Optimierungsprozess ist ein Lösungsvorschlag als Antwort auf die Forschungsfrage, wie mittelständische Unternehmen des
Maschinen- und Anlagenbaus mit der Herausforderung der Rentabilität von AfterSales-Services umgehen können. Er zeigt auf strategischer und operativer Ebene umsetzungsnahe Massnahmen, welche von Entscheidungsträgern in ihren Unternehmen
implementiert werden können, und gibt Hinweise, welche diese bei der Ausgestaltung
und Implementierung unterstützen.
Aus dem Optimierungsprozess und den Arbeitsschritten, welche zu diesem geführt
haben, können folgende Implikationen für die Forschung und die Praxis gezogen werden.
5.2.1 Implikationen für die Forschung
Das Forschungsfeld der industriellen Dienstleistungen wird seit mehreren Jahrzehnten
bewirtschaftet. In dieser Zeit haben sich Theorien und Erkenntnisse mit allgemein anerkannter Gültigkeit gebildet, wie dies auch auf den Zusammenhang von industriellen
Dienstleistungen und Rentabilität sowie Erfolgsfaktoren bei deren Implementierung
zutrifft. In dieser Dissertation wurden diese als gefestigte Erkenntnisse gehandelten
Zusammenhänge bezüglich ihrer Validität unter geänderten technischen und marktseitigen Rahmenbedingungen diskutiert und auf ihre Gültigkeit in einem spezifischen
Kontext sowie mittels der Einnahme einer Kundenperspektive geprüft.
160
SCHLUSSBETRACHTUNG
Eine zentrale Erkenntnis, welche sich aus dieser Validitätsprüfung ergeben hat, betrifft
den Stellenwert von After-Sales-Services bei den Entscheidungsträgern in industriellen
Unternehmen, welche als Käufer von Werkzeugmaschinen auftreten: After-SalesServices bleiben in den Augen der Kunden ein Ergänzungsprodukt, während die technischen Differenzierungsmerkmale der Maschinen und Anlagen im Zentrum stehen.
Service ins Zentrum der Unternehmensstrategie zu stellen, wie dies an einigen Stellen
in der Forschung empfohlen wird, würde für einen Grossteil der Kunden in der Werkzeugmaschinenbranche keiner kundennutzenorientierten Handlungsweise entsprechen.
Die Erklärung für diese kontrahierende Aussage ist im Untersuchungsdesign der Studie zu suchen, welche einerseits direkt beim Kunden ansetzt und andererseits mikro-,
klein- und mittelständische (Kunden-)Unternehmen in für deren Anteil an der Wirtschaftsleistung angemessener Form vertritt. Ein Forschungsdesign, welches auf direkte
Kundenbefragungen setzt, hat mindestens im gewählten Kontext dieser Dissertation zu
unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Dies lässt vermuten, dass auch in anderen
Themenfeldern des Industriegütermarketings, in welchen Kundenpräferenzen nur indirekt erforscht wurden, durch eine direkte Interaktion der Forscher mit den Kunden abweichende Erkenntnisse gefördert werden könnten.
Eine weitere Implikation für die Forschung betrifft das Zusammenspiel von Erkenntnissen aus der Kaufverhaltensforschung der B2B- und B2C-Domänen. Die in dieser
Dissertation untersuchten B2B-Kaufentscheidungen nahmen dort, wo die Käufer kleine
bis
mittelständische
Unternehmen
waren,
den
Charakter
von
B2C-
Kaufentscheidungen an. Die in den B2B-Kaufprozessen vorausgesetzte Ratio im
Buying Center konnte nicht beobachtet werden, vielmehr haben emotionale Entscheidungen, an vielen Orten von einem Gerechtigkeitsgedanken angetrieben, die Entscheidungsfindung geprägt. Diese Feststellung unterstützt jene Ansätze, welche einen verstärkten B2C-Fokus in B2B-Kaufprozessen propagieren.
5.2.2 Implikationen für die Praxis
Für die Adressaten aus der Praxis, die Entscheidungsträger in mittelständischen Maschinen- und Anlagenbauunternehmen, bietet der in dieser Dissertation entwickelte
Optimierungsprozess ein umsetzungsnahes Instrument, welches unterstützend zu unternehmens-, branchen- und situationsspezifischen Instrumenten als Hilfsmittel für den
zukunftsorientierten Umgang mit After-Sales-Services beigezogen werden kann. Die
im Prozess enthaltenen Massnahmen sind vielfältig, einige Gemeinsamkeiten lassen
sich jedoch erkennen, die als Schlussfolgerungen für Praktiker relevant sind.
SCHLUSSBETRACHTUNG
161
Eine erste Implikation ist, dass die Identifikation der relevanten Kundensegmente eine
signifikante Entscheidungshilfe bei der Servicegestaltung ist, da grosse Unterschiede
in den artikulierten und beobachteten Nutzenpräferenzen hinsichtlich der After-SalesServices über Kundensegmente hinweg bestehen. Praktiker können diese Erkenntnis
auch nutzen, um sich zu überlegen, in welche Richtung sie den Kundenstamm mit weiterführenden Massnahmen entwickeln möchten.
Eine weitere Implikation betrifft den Pragmatismus des Kunden, mit welchem er die
After-Sales-Services als Mittel zum Erhalt seiner Produktionsfähigkeit beachtet. Den
Fokus auf die Kernleistungen zu konzentrieren, diese aber herausragend zu erfüllen,
bietet sich als eine strategisch gewinnbringende Option an. Diese Erkenntnis erlaubt
zugleich festzustellen, dass beim Kernprodukt des Leistungsbündels, der Werkzeugmaschine selbst, technische Vorreiterschaft, Preisvorteile und begleitende Umstände
wie Bedienerfreundlichkeit, Sicherheit und Langlebigkeit im Gesamtevaluationsprozess einen sehr hohen Stellenwert haben: Investitionen in diesen Bereichen sollten
nicht zu Gunsten eines Serviceausbaus reduziert werden.
Als letzte Implikation ist die Bedeutung der Verrechenbarkeit von Services hervorzuheben: Die Verrechnung von Leistungen, welche bis anhin kostenlos erbracht wurden,
hat den grössten Einfluss auf die Rentabilität; sie betrifft in den meisten Fällen die eServices. Im Zug der rasanten Verbreitung der Informationstechnologie, der Vernetzung von Maschine, Software und Mensch sowie der fortlaufenden Automatisierung
der Produktion ist absehbar, dass e-Services in Zukunft einen wichtigeren Stellenwert
einnehmen werden – und ihr Anteil an den After-Sales-Services auch bei den traditionell mechaniklastigen Werkzeugmaschinen zunehmen wird. Eine Forcierung der Verrechnung von e-Services als Ergebnis eines transparenten und fairen Findungs- und
Erklärungsprozesses mit und beim Kunden ist deshalb in Betracht zu ziehen.
5.3
Limitationen
Die in dieser Dissertation gewonnenen Erkenntnisse unterliegen einer Auswahl von
Limitationen, welche bei deren Interpretation zu berücksichtigen sind. Die erste Limitation ergibt sich durch die Wahl und die Ausgestaltung des Untersuchungsdesigns der
Studie zum Kundennutzen von After-Sales-Services. Einerseits wurden in dieser Studie nur Kunden mit Standort Schweiz und Deutschland untersucht, obwohl mittelständische Schweizer Unternehmen ihre Produkte global vermarkten. Es ist davon auszugehen, dass auf Grund kultureller Unterschiede die Ergebnisse ausserhalb des mittel-
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SCHLUSSBETRACHTUNG
europäischen Markts nur eine bedingte Gültigkeit haben. Dies wurde auch in den Expertengesprächen bemängelt. Die Limitation relativiert sich jedoch, wenn man beachtet, dass Deutschland mit einem Anteil von über 25% das weitaus wichtigste Exportland für die Schweizer Maschinenindustrie ist.378 Als weitere Folge des Marktfokus
Schweiz und Deutschland wurde eine internationale, strategische Sicht bei der Rentabilitätssteigerung weitgehend ausgelassen und stattdessen ein Schwerpunkt auf die
einzelne Serviceabteilung gelegt. Für diejenigen Unternehmen, welche globale Servicenetzwerke unterhalten, sind diesbezüglich weitere Optimierungspotentiale zu vermuten, wobei jedoch der Anteil mittelständischer Unternehmen, welche solche Strukturen unterhalten, gering sein dürfte.
Alle Untersuchungsergebnisse wurden in der Werkzeugmaschinenindustrie erhoben,
was eine zweite Limitation darstellt. Werkzeugmaschinen sind im Vergleich zu anderen Maschinenkategorien von mechanischen Komponenten geprägt und historisch als
unabhängige Fertigungsinseln konstruiert, haben sich jedoch durch technische Innovationen in den letzten Jahren auch verstärkt digitalisiert und in Produktionsflüsse integriert.379 Die Ergebnisse können folglich für den Maschinen- und Anlagenbau im Allgemeinen als gültig betrachtet werden, eine Prüfung des Kontexts ist aber empfehlenswert, vor allem wenn es um die Umsetzung konkreter Handlungsempfehlungen
hinsichtlich des After-Sales-Service-Portfolios geht.380
Die dritte Limitation ergibt sich aus der Auswahl der Themenfelder im Optimierungsprozess, welche weitgehend durch den vom Kunden wahrgenommenen Nutzen bestimmt war. Während der Kundennutzen für die Ausgestaltung der Marketinginstrumente eine geeignete Vorlage bietet, lassen sich daraus nur begrenzt Rückschlüsse auf
andere für die Rentabilität von Leistungen relevante Aspekte ziehen, wie z.B. die Ausgestaltungen der Prozesse im Back-Office oder die strategische Auswahl von Zielmärkten. Die in dieser Dissertation vorgeschlagenen Optimierungen zur Rentabilitätssteigerung fokussieren sich damit weitgehend auf jene Aspekte, welche mittels des
optimalen Einsatzes von Marketinginstrumenten zu erreichen sind. Grundlegende
Neuerungen in der Ausgestaltung des Leistungssystems bzw. der darin enthaltenen
378
Swissmem (2015, S. 13)
379
Da die analysierten Kaufentscheidungsprozesse sich auf in den letzten fünf Jahren erworbene
Werkzeugmaschinen konzentriert haben, sind diese neuartigen Maschinen in den ausgewählten Fällen
ausreichend vertreten. Vgl. auch Kapitel 3.2.3.
380
vgl. Dyllick & Tomczak (2007, S. 70 ff.)
SCHLUSSBETRACHTUNG
163
Marketinginstrumente konnten im Rahmen dieser Arbeit nicht identifiziert werden, da
zwar sowohl auf Kunden- wie Anbieterseite nach innovativen Lösungsansätzen gesucht wurde, die bestehenden Branchenstrukturen jedoch nicht überwunden wurden.
Ein Forschungsansatz, welcher sich verstärkt an Technologien in frühen Entwicklungsstadien und zukunftsorientierten Geschäftsmodellen aus anderen Branchen orientiert, hätte das Potential, innovativere und damit radikalere Optimierungsmassnahmen
vorzuschlagen. Es ist jedoch fragwürdig, ob solche Massnahmen im Umfeld von mittelständischen Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau die für eine erfolgreiche
Akzeptanz und Implementierung nötige Umsetzungsnähe aufweisen würden.
Viertens gilt es kritisch zu reflektieren, inwiefern der erarbeitete Optimierungsprozess
die Rentabilität von After-Sales-Services beeinflussen kann. Der Optimierungsprozess
basiert auf einem theoretisch abgestützten Fundament und ist auf qualitativen empirischen Erkenntnissen basierend, wurde jedoch in der Unternehmenspraxis nicht auf
seinen Wirkungsgrad untersucht, da hierzu eine über mehrere Jahre dauernde Studie
notwendig wäre, was im Rahmen dieser Dissertation nicht umsetzbar war. Des Weiteren konnte nicht geklärt werden, inwiefern allgemeine Massnahmen des Kostenmanagements, deren nähere Betrachtung in dieser Dissertation ausgeschlossen wurde, zur
Rentabilisierung von After-Sales-Services beitragen. Die sich letztendlich daraus ergebende Limitation, dass die Rentabilität einer Leistung von einer Vielzahl abhängiger
und unabhängiger Einflussgrössen bestimmt wird, relativiert aus wissenschaftlicher
Sicht die Validität des Optimierungsprozesses.
5.4
Ansatzpunkte für weiterführende Forschung
Nimmt man die in der Studie zum Kaufverhalten mit den Kunden diskutierten Werkzeugmaschinen als Referenz, waren zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Dissertation
Werkzeugmaschinen kaum von dem globalen Trend Industrie 4.0 betroffen. Eine verstärkte Interaktion zwischen Bauteilen, Maschinen, Mitarbeitenden und WZMHerstellern eröffnet neue Potentiale für rentable Serviceleistungen, insbesondere in
Kombination mit neuen Opportunitäten für Leistungen im Bereich e-Services. Die Ergänzung der Erkenntnisgewinnung mit diesen Aspekten bietet zukünftig einen Ansatzpunkt für praxisorientierte vertiefende Forschungsarbeiten.
Des Weiteren besteht bei der Ergründung des Zusammenhangs zwischen den einzelnen Leistungen des in dieser Dissertation vorgeschlagenen After-Sales-ServicesPortfolios und der entsprechenden Zahlungsbereitschaft beim Kunden ein Forschungs-
164
SCHLUSSBETRACHTUNG
bedarf. Die Zahlungsbereitschaften konnten mit der hier gewählten Forschungsmethode nicht quantifiziert werden. Eine quantitative Untersuchung, z.B. mittels ConjointAnalyse, würde diesen Sachverhalt aufschlüsseln, wodurch präzisere Aussagen zum
Preismanagement und zum Einsatz von Preisbündelungen möglich wären.
Ein drittes Forschungsfeld bietet sich in der Anwendung der aus der Konsumentenforschung stammenden Theorien und Erkenntnisse zum Preismanagement im B2BKaufverhalten von mittelständischen Unternehmen an. Die Erkenntnisse in dieser Dissertation lassen vermuten, dass die industriellen Kaufentscheidungsprozesse im Mittelstand den Charakter von B2C-Kaufentscheidungen annehmen. Eine kontextbezogene
Validitätsprüfung von Instrumenten aus der Konsumentenforschung würde diesen
Sachverhalt erörtern.
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180
ANHANG
Anhang 1: Interviewleitfaden Studie Kundenperspektive
Teil 1: Grundlagendaten zum Unternehmen und der befragten Person
1.1 Können Sie Auskunft zu folgenden Kenngrössen Ihres Unternehmens geben?
Ort und Datum
Firma
Standort
Branche
Umsatz
Anzahl MA
Eignerstruktur
1.2 Welche Position / Funktion bekleiden Sie im Unternehmen? Was ist Ihre Rolle im
Buying Center (pro Person)?
Name, Vorname
Kontaktdaten
Position / Funktion
Teil 2: Grundlagendaten zum erworbenen Investitionsgut
2.1 Können Sie folgende Auskünfte zur erworbenen Werkzeugmaschine geben?
Typ / Anwendung
Bezugsquelle
Beschaffungskosten
Strat. Bedeutung
Sehr gering – gering – mittel – hoch – sehr hoch
Begründung:
Ausfallkosten
Sehr gering – gering – mittel – hoch – sehr hoch
Begründung:
Internes Know-how
Sehr gering – gering – mittel – hoch – sehr hoch
Begründung:
Qualitäts-
Low-Cost – Low/Middle – Middle-Class – Middle/High –
Klassifizierung
High-End
Begründung:
Und zum Hersteller der Werkzeugmaschine:
ANHANG
181
Name / Standort
Geschäftsbeziehung
Erstkauf – bestehende Geschäftsbeziehung
Vertrauen / wie er-
Sehr gering – gering – mittel – hoch – sehr hoch
worben
Begründung:
Teil 3: Entscheidungsprozess beim Kauf von After-Sales Leistungen
3.1 Welche Personen waren an der Kaufentscheidung beteiligt? Was waren Ihre Rollen? Waren Sie an der Entscheidung zu After-Sales-Services beteiligt?
Person (Funktion)
Rolle
After-Sales-Services Beteiligung
3.2 Wie ist der Kaufentscheidungsprozess abgelaufen?
3.3 Wurde beim Kauf der Maschine oder Anlage ein Vertrag über After-Sales-Services
abgeschlossen?
Ja: Konditionen?
Nein: Warum nicht?
3.4 Wurde zu einem Zeitpunkt im Kaufprozess seitens des Verkäufers aktiv der Abschluss eines After-Sales Vertrags angeboten?
Teil 4: Ausprägungen im Kaufentscheidungsprozess
Awareness
4.1 Waren After-Sales-Services in irgendeiner Form relevant bei der ersten Auslegung
möglicher Produkte? Hat es dem Bedürfnis entsprochen?
Akzeptanz
182
ANHANG
4.2 Gibt es seitens des Unternehmens Erfordernisse bezüglich der After-SalesServices, welche den Einbezug eines Produktes in die engere Auswahl verhindert hätten? Wenn ja, warum?
Produktbezogene Faktoren
(z.B. bzgl. Wartung)
Anbieterbezogene Faktoren
(z.B. Niederlassung)
Ökonomische Faktoren
(z.B. Kosten)
Andere Faktoren
Individuelle Bewertungsmodelle
4.3 Welches waren die Hauptkriterien bei der individuellen Bewertung des Produktes?
4.4 Wurde das Angebot an After-Sales-Services sowie die Kosten dafür evaluiert?
Wenn ja, wie? Wem war welche After-Sales Leistung besonders wichtig und warum?
4.5 Wie ist Ihre Nutzenbewertung und Zahlungsbereitschaft für die nachfolgenden
Services?
Kriterium
Nutzenbewertung / Zahlungsbereitschaft
Garantie
Inbetriebnahme
Schulung
Support-Arbeiten vor Ort
E-Support
Ersatzteile
4.6 Sind Sie in der Vergangenheit mit erweiterten Service-Levels konfrontiert worden,
und wie beurteilen Sie diese grundsätzlich?
ANHANG
Kriterium
183
Kommentare
Garantierte Funktionalität (max. zeitliche Downtime). Verantwortung beim Hersteller.
Garantierter Support (Störungsbehebung, Ersatzteile) in einem festgelegten Zeitraum, Bezahlung
(mindestens teilweise) über einen Servicevertrag.
Haben Sie andere Maschinen oder Anlagen im Unternehmen, bei denen Sie zu einer
anderen Einschätzung über den Service-Level kommen würden?
Gruppenentscheidungsmodell
4.7 Waren die After-Sales-Services ein Diskussionsbestandteil in der finalen Entscheidung über den Kauf des Investitionsgutes?
4.8 Hatten Sie im Kaufprozess genügend Informationen zu den After-Sales Leistungen
des Herstellers / Distributors?
Abschluss Haben Sie weitere Anregungen an die Produzenten von Investitionsgütern,
wie diese ihre Leistungspakete / After-Sales Dienstleistungen optimieren sollten? Was
würden Sie selbst anders machen im After-Sales Geschäft?
184
ANHANG
Anhang 2: Bewertungsraster fallübergreifende Synthese
Daten zum Unternehmen
Kriterium
Skala
Beschreibung
Grösse des Unterneh-
1 = bis CHF 3 Mio. /
10 MA
Einstufung der Unternehmen auf Basis
mens
2 = bis CHF 15 Mio. /
50 MA
der Anzahl Mitarbeitenden und Um-
3 = bis CHF 150 Mio. /
500 MA
satz.
4 = bis CHF 600 Mio. / 2'000 MA
5 = > CHF 600 Mio. / 2'000 MA
Eignerstruktur
1 = Börsennotiert
Eignerstruktur des Unternehmens.
2 = Inhabergeführt
3 = Privatbesitz, externer CEO
4 = Stiftung
Branche
1 = Werkzeugherstellung
Haupttätigkeitsfeld des Unternehmens.
2 = Beschichtungszentrum
3 = Nachschleifservice
4 = Maschinen- und Anlagenbau
5 = Komponentenfertigung
Land
1 = Schweiz
Standort des Unternehmens.
2 = Deutschland
Daten zur WZM und dem Hersteller / Distributor
Kriterium
Skala
Beschreibung
Technische Klassifi-
1= Low-End
Technische Klassifizierung der WZM
zierung der WZM
2 = Middle/Low
im Vergleich zu Konkurrenzprodukten.
3 = Middle-Class
4 = Middle/High
5 = High-End
Distanz zum Herstel-
1 = National
Die physische Distanz des Käufers zum
ler
2 = Kontinental
Hersteller der Maschine.
3 = Interkontinental
Distanz zur Bezugs-
1 = National
Die physische Distanz des Käufers zur
quelle
2 = Kontinental
Bezugsquelle (Hersteller, Filiale Her-
3 = Interkontinental
steller, Distributor) der WZM.
ANHANG
Internes Know-how
185
1 = Sehr gering
Internes Know-how des Käufers hin-
2 = Gering
sichtlich der Technologie der WZM vor
3 = Mittel
dem Kauf.
4 = Hoch
5 = Sehr hoch
Strategische Bedeu-
1 = Sehr gering
Einschätzung der strategischen Bedeu-
tung der WZM
2 = Gering
tung der WZM vor dem Kauf für das
3 = Mittel
Käuferunternehmen.
4 = Hoch
5 = Sehr hoch
Ausfallkosten
1 = Sehr gering
Folgekosten eines Ausfalls der WZM
2 = Gering
für den Käufer.
3 = Mittel
4 = Hoch
5 = Sehr hoch
Investitionsvolumen
1 = Bis CHF 250'000.-
Komplettpreis der WZM (inkl. Liefe-
2 = Bis CHF 500'000.-
rung, Installation und i.d.R. Schulung).
3 = Bis CHF 750'000.4 = Bis CHF 1'000'000.5=
> CHF 1'000'000.-
Vertrauen in den Her-
1 = Sehr gering
Wahrgenommenes Vertrauen in den
steller / Distributor
2 = Gering
Hersteller / Distributor durch den Käu-
3 = Mittel
fer vor dem Kaufabschluss.
4 = Hoch
5 = Sehr hoch
Art der Geschäftsbe-
1 = Erstkauf
Verhältnis der Geschäftsbeziehung vor
ziehung
2 = Best. Geschäftsbeziehung
dem Kaufabschluss.
Ausgestaltung des Kaufprozesses
Kriterium
Skala
Beschreibung
Auslöser des Kauf-
1 = Ersatzinvestition
Auslöser der Kaufentscheidung im
prozesses
2 = Kapazitätserweiterung
Unternehmen.
3 = Neues GF / Produkt / Markt
4 = Tech. Update u/o Automatisierung
5 = Risikominimierung
186
ANHANG
Anzahl Anbieter in
1 = 1 Anbieter / keine Evaluation
Anzahl Anbieter, welche in die engere
der Evaluation
2 = 2-3 Anbieter
Evaluation einbezogen wurden.
3 = 4-5 Anbieter
Zeitpunkt Evaluation
1 = Zu Beginn
Zeitpunkt im Kaufprozess, wo eine
der After-Sales-
2 = In der Hauptevaluationsphase
formelle oder informelle Evaluation der
Services im Kaufpro-
3 = Am Ende der Evaluation
After-Sales Leistungen durch den Käu-
zess
4 = Nach dem Kaufentscheid
fer vorgenommen wurde.
5 = After-Sales-Services wurden
nie besprochen
Ausschluss von Her-
1 = Ja: Auf Grund von messbaren
Einstufung, inwiefern die After-Sales-
stellern auf Grund von
Hard-Facts
Services als Ausschlusskriterium im
After-Sales-Services
2 = Ja: Auf Grund von Soft-Facts
Selektionsprozess gedient haben.
3 = Nein
4 = Service war eine Einstiegshürde für die Selektion
5 = Nicht anwendbar, da keine
Selektion
Zu den messbaren Hard-Facts gehören
z.B. Distanz, Reaktionszeit, Grösse des
After-Sales-Netzwerkes oder der Preis,
zu den Soft-Facts gehören Faktoren wie
Nationalität, WoM oder ethische Überlegungen.
Strukturierung des
1 = Strukturiert
Art des Evaluationsprozesses hinsicht-
Evaluationsprozesses
2 = Unstrukturiert
lich seiner formellen Strukturierung im
Unternehmen.
Kriterium mit stärks-
1 = Technische Kriterien
Das von den Käufern als kaufentschei-
tem Einfluss auf die
2 = Preisliche Kriterien
dender Faktor genannte Kriterium.
Produktwahl
3 = After-Sales-Services
4 = Strategische Entscheidung
Funktion des Ent-
Spezialauswertung, da auf Grund
Identifikation der Person, welche
scheiders über Service
der Optionenvielfalt nicht katego-
hauptsächlich über den Abschluss einer
risierbar
Garantieverlängerung, eines Serviceoder Wartungsvertrags entschieden hat.
Evaluation der After-
1 = Nein
Evaluation der After-Sales-Kosten vor
Sales-Kosten
2 = Ja / teilweise ja
dem Kaufentscheid durch den Käufer.
Bedeutung der After-
1 = Sehr tief
Bedeutung der After-Sales-Services für
Sales-Services für die
2 = Tief
die Gesamtentscheidung über den Kauf
Gesamtentscheidung
3 = Mittel
der WZM.
4 = Hoch
5 = Sehr hoch
6 = N.A., da keine Evaluation
ANHANG
187
Aktiver Verkauf eines
1 = Ja
Aktivitäten im Verkauf für einen After-
Service- und/oder
2 = Nein
Sales-Vertrag (Service u/o Wartung)
Wartungsvertrages
seitens des Verkäufers.
Gruppendiskussion zu
1 = Ja
Gruppendiskussion im Buying Center
After-Sales-Services
2 = Nein
bzgl. den After-Sales-Services vor dem
Kauf.
Einstellung und Verhalten zu After-Sales-Services
Kriterium
Skala
Beschreibung
Einstellung zu Ser-
1 = Negativ
Beurteilung der allgemeinen Einstel-
vice- und Wartungs-
2 = Eher negativ
lung zu After-Sales-Services auf Basis
leistungen
3 = Neutral
getroffener Aussagen in den Interviews
4 = Eher positiv
und dem dokumentierten Entschei-
5 = Positiv
dungsverhalten der Unternehmen im
untersuchten Kaufprozess und in Kaufprozessen für andere WZM im Unternehmen.
Zahlungsbereitschaft
1 = Nicht vorhanden
Antworten in den Interviews zu der
für e-Services
2 = Vorhanden, wenn vertraglich
Zahlungsbereitschaft für e-Services
geregelt
(Remote-Services, Support via E-Mail /
3 = Vorhanden
Telefon o.ä.).
Beschaffungsverhalten 1 = Ja
Angaben zum Beschaffungsverhalten
für Ersatzteile
2 = Teilweise
für Ersatzteile: Via Hersteller oder im
3 = Nein
freien Markt. Auswertung der angegebenen Begründungen.
Abschluss von Ser-
1 = Kein Abschluss
Abschluss eines Service- und/oder
vice- und Wartungs-
2 = Vertraglich fixierte Konditio-
Wartungsvertrages im untersuchten
verträgen
nen (ohne Fixkostenfolgen)
Fall, Begründungen für den Abschluss /
3 = Wartungsvertrag
nicht-Abschluss von Service- und War-
4 = Servicevertrag
tungsverträgen.
5 = Service- und Wartungsvertrag
3
1
5
3
2
1
1
1
2
2
3
1
2
1
Ausgestaltung des Kaufprozesses
Auslöser des Prozesses
Anzahl Anbieter in der Evaluation
Zeitpunkt Evaluation des ASS im Kaufprozess
Ausschluss von Herstellern auf Grund von After-Sales-Services
Strukturierung des Evaluationsprozesses
Kriterium mit stärkstem Einfluss auf die Produktwahl
Evaluation der After-Sales-Service Kosten
Bedeutung der After-Sales-Services für die Gesamtentscheidung
Aktiver Verkauf eines Service- und/oder Wartungsvertrages
Gruppendiskussion zu After-Sales-Services
Einstellung und Verhalten zu After-Sales Services
Einstellung zu Service- und Wartungsleistungen
Zahlungsbereitschaft für e-Services
Beschaffungsverhalten für Ersatzteile
Abschluss von Service- und Wartungsverträgen
Fall 2
1
1
1
1
1
2
5
1
2
1
1
1
1
2
4
2
1
4
5
4
3
4
2
3
2
5
1
Fall 3
4
3
1
1
1
3
1
1
2
3
1
5
1
1
5
1
1
4
5
4
3
5
2
2
3
5
1
Fall 4
5
2
3
4
1
3
1
2
1
2
2
5
1
2
3
2
2
5
5
4
2
3
1
4
1
4
1
Fall 5
2
1
2
1
1
2
2
2
2
1
2
3
1
1
4
3
1
5
5
4
4
5
1
3
2
1
1
Fall 6
5
3
3
5
4
3
1
4
1
1
2
3
1
1
5
1
1
2
5
3
4
4
2
4
3
1
2
Fall 7
3
2
1
5
2
1
4
5
2
4
1
6
1
1
5
1
1
5
5
5
5
5
2
3
3
5
1
Fall 8
2
1
1
3
1
1
5
5
1
4
1
6
1
2
5
1
1
5
4
3
3
5
1
5
1
5
1
Fall 9
1
1
3
2
4
2
5
1
2
1
2
4
2
2
4
3
1
4
3
2
5
4
1
3
2
5
1
Fall 10
4
1
3
2
3
1
5
5
2
1
1
6
2
2
5
2
1
4
5
4
2
5
2
1
2
5
1
Fall 11
3
2
3
1
5
2
5
2
2
1
1
2
2
2
3
2
2
5
3
2
1
5
2
1
2
1
1
Fall 12
5
3
2
1
2
1
5
5
2
4
1
2
2
2
4
1
1
5
4
2
2
5
2
3
3
1
1
Fall 13
3
2
2
2
4
3
1
2
2
1
2
4
2
1
4
2
2
3
4
3
2
4
1
3
2
5
1
Fall 14
3
2
3
3
3
3
3
1
2
1
1
3
2
1
4
2
1
5
5
3
3
5
1
2
2
5
1
Fall 15
1
1
3
1
3
3
5
3
1
1
1
1
2
2
5
2
2
1
3
3
3
5
1
2
4
2
2
Fall 16
5
2
2
4
3
3
4
1
1
1
1
3
2
1
4
1
1
2
4
1
5
5
2
5
1
5
2
Fall 17
5
2
3
4
5
2
3
3
1
1
1
2
2
2
3
3
2
5
4
2
2
2
1
4
1
1
1
Fall 18
5
3
3
5
2
1
5
5
1
4
1
6
2
2
5
3
3
5
5
4
5
5
2
5
1
5
2
Fall 19
5
1
2
5
3
2
1
1
1
1
1
4
2
1
3
1
1
5
5
4
2
4
1
5
1
1
2
Fall 20
3
2
3
1
1
1
5
5
2
4
1
6
2
2
5
2
1
5
5
3
4
5
2
2
2
2
2
Fall 21
3
1
3
3
3
2
5
1
2
1
1
1
1
2
4
1
1
1
3
4
3
5
1
2
2
3
2
Fall 22
2
1
2
1
4
1
5
3
1
1
1
1
1
2
5
3
1
4
5
5
4
4
2
4
1
5
1
2
1
2
2
1
3
3
4
1
1
2
2
2
2
4
2
2
5
5
2
5
3
1
5
1
5
1
Fall 23
TI RE SP RA RE RA SP IS RE SP SP SP SP SP TI RA RA RA RA SP SP IS IS
4
3
3
3
3
1
1
3
1
Daten zur Werkzeugmaschine und dem Hersteller
Technische Klassifizierung der WZM
Distanz zum Hersteller
Distanz zur Bezugsquelle
Internes Know-How
Strategische Bedeutung der WZM
Ausfallkosten
Investitionsvolumen
Vertrauen in den Hersteller / Distributor
Art der Geschäftsbeziehung
Gruppenzuteilung
3
3
4
1
Fall 1
Daten zum Kunden
Grösse des Unternehmens
Eignerstruktur
Branche
Land
188
ANHANG
Anhang 3: Auswertung fallübergreifende Synthese
ANHANG
189
Anhang 4: Interviewleitfaden Expertengespräche
Teil 1: Grundlagendaten zum Unternehmen und der befragten Person
1.1 Können Sie Auskunft zu folgenden Kenngrössen Ihres Unternehmens geben?
Ort und Datum
Firma
Standort
Branche
Umsatz
Anzahl MA
Eignerstruktur
1.2 Welche Position / Funktion bekleiden Sie im Unternehmen (pro Person)?
Name, Vorname
Kontaktdaten
Position / Funktion
Teil 2: Vorstellung der Ergebnisse der Studie zum Kaufverhalten
Präsentation der Themen zum Kundennutzen, den Opportunitäten und den Beobachtungen zum Kaufverhalten gemäss Kapitel 3 der Dissertation. Aufnahme von Feedbacks zu den einzelnen Sachverhalten.
Teil 3: Offene Diskussion und Reflektion der Ergebnisse: Praxislösungen
3.1 Sind die in den Interviews identifizierten Punkte für Sie plausibel? Fehlen zentrale
Aspekte? Wie beurteilen Sie die Opportunitäten?
3.2 Welche Ziele verfolgen Sie mit den After-Sales-Services? Welche strategische Bedeutung kommt Ihrer Meinung nach den After-Sales-Services im Vergleich zum Verkauf von Maschinen zu?
190
ANHANG
3.3 Wie ist der Service im Unternehmen organisiert?
3.4 Wie ist Ihr Service-Portfolio? Haben Sie standardisierte Leistungen?
3.5 Welche Verkaufsanreize für Service bestehen für Ihre Verkäufer? Wie vermitteln
Sie den Nutzen von After-Sales-Services an den Kunden?
3.6 Wie sorgen Sie für ein hohes Kompetenzniveau Ihrer Techniker?
3.7 Wie gehen Sie mit dem Thema Margen für Ersatzteile/Anfahrt/Techniker um?
3.8 Wie handhaben Sie die Verrechnung von e-Services?
LEBENSLAUF
191
Lebenslauf von Dominik Blösch
Persönliche Angaben
E-Mail:
[email protected]
Geburtsdatum:
09.03.1987
Nationalität:
Schweiz
Ausbildung
2013 – 2016
Universität St. Gallen (HSG), Schweiz
Doktorandenstudium der Betriebswirtschaft am Institut für Marketing (IfM)
2012
HEC Montréal, Kanada
Auslandsemester als Teil des Masterstudiums
2011 – 2012
Universität St. Gallen (HSG), Schweiz
Masterstudium in Marketing, Services and Commuication Management
2009
Hawaii Pacific University, USA
Auslandsemester als Teil des Bachelorstudiums
2007 – 2010
Universität St. Gallen (HSG), Schweiz
Bachelorstudium in Betriebswirtschaftslehre
Berufliche Erfahrung
2015 –
Blösch AG, Schweiz
Bereichsleiter Hartstoffbeschichtungen
2014 – 2015
Woodcut Coatings AG, Schweiz
CEO
2010 – 2014
BHP – Hanser und Partner AG, Schweiz
Unternehmensberater
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