Rentabilität von After-Sales-Services in mittelständischen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Dominik Blösch von Mörigen (Bern) Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Christian Belz und Prof. Dr. Sven Reinecke Dissertation Nr. 4580 Difo Druck GmbH, Bamberg 2017 Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 24. Oktober 2016 Der Rektor: Prof. Dr. Thomas Bieger Meinen Eltern VORWORT I Vorwort Die vorliegende Dissertation ist begleitend zu meiner beruflichen Tätigkeit als Unternehmer entstanden. Rückblickend waren die Jahre, in welchen diese Dissertation Form angenommen hat, eine einzigartige Gelegenheit für mich, ein betriebswirtschaftlich herausforderndes Themenfeld sowohl aus einer akademischen als auch aus einer unternehmerischen Perspektive zu betrachten. Aus der Verschmelzung beider Denkweisen habe ich persönlich einen Erkenntnisgewinn erzielen können, welchen ich in dieser Dissertation gleichermassen an Akademiker wie an Praktiker weitergeben möchte. Ich möchte mich an dieser Stelle für die gute Betreuung und Unterstützung bei meinem Referenten, Herrn Prof. Dr. Christian Belz, bedanken. Er hat mich dazu inspiriert, allgemein anerkannte Sichtweisen kritisch zu hinterfragen, mir mit den richtigen Fragen Lösungswege gewiesen und mir gleichzeitig den nötigen Freiraum gelassen, damit ich meine Arbeit nach meinen eigenen Vorstellungen gestalten konnte. Dank gilt auch meinem Co-Referenten, Herrn Prof. Dr. Sven Reinecke, für seine kritischen Fragen und Hinweise, welche zu spannenden fachlichen Diskussionen geführt haben. Zudem gilt mein Dank allen Entscheidungsträgern aus der Privatwirtschaft, welche sich die Zeit genommen haben, mir ihre Sichtweisen auf After-Sales-Services detailliert darzulegen. Die in den Gesprächen gewährten Einblicke in ihre Tätigkeiten und Entscheidungsprozesse waren für mich eine über dieses Dissertationsprojekt hinausgehende Bereicherung. Ein besonderer Dank gilt dabei Herrn Dr. Tibor Cselle für die Vermittlung von zahlreichen interessanten Gesprächspartnern. Letztendlich möchte ich mich bei meiner Familie bedanken, ohne die die Durchführung dieses Dissertationsprojekts nicht möglich gewesen wäre: Bei Allie, für ihre bedingungslose Unterstützung, Geduld und motivierenden Worte, bei Patrick und Pascale, für die fachlichen Diskussionen und die Aufenthalte in den Bergen. Der grösste Dank gilt aber meinen Eltern, Peter und Doris, für ihre grenzenlose Unterstützung meiner akademischen Ausbildung und für alles, was sie mir auf meinen Lebensweg mitgegeben haben. Ihnen widme ich diese Dissertation. Zofingen, den 6. November 2016 Dominik Blösch INHALTSVERZEICHNIS III Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ............................................................................................ IX Tabellenverzeichnis ................................................................................................. XI Abkürzungsverzeichnis.......................................................................................... XII Zusammenfassung................................................................................................ XIII Summary .............................................................................................................. XIV 1 Einführung...........................................................................................................1 1.1 Problemstellung ..............................................................................................1 1.2 Stand der Forschung .......................................................................................3 1.2.1 Promotoren industrieller Dienstleistungen ................................................4 1.2.2 Industrielle Dienstleistungen als Herausforderungen ................................6 1.2.3 Kritische Betrachtung industrieller Dienstleistungen ................................8 1.2.4 Synthese zur vorhandenen Literatur........................................................10 1.3 Zielsetzung, Fragestellung und Relevanz ......................................................13 1.3.1 Ziel und Forschungsfrage .......................................................................13 1.3.2 Praktische und akademische Relevanz ....................................................14 1.4 Forschungsmethodik .....................................................................................15 1.4.1 Forschungsmethodologische Einordnung ...............................................15 1.4.2 Forschungsansatz ...................................................................................17 1.5 1.4.2.1 Forschungsdesign ............................................................................17 1.4.2.2 Verwendung von Zitaten und illustrativen Fallbeispielen .................18 Definitionen und Abgrenzungen ...................................................................18 1.5.1 Industrielle Dienstleistungen und After-Sales-Services...........................18 1.5.2 Mittelständische Maschinen- und Anlagenbauer.....................................22 1.5.3 Werkzeugmaschinen ..............................................................................25 1.5.4 Rentabilität .............................................................................................26 IV 2 INHALTSVERZEICHNIS 1.5.4.1 Buchhalterische Definition der Rentabilität......................................26 1.5.4.2 Abgrenzung der Rentabilität bei After-Sales-Services......................27 1.6 Ansatzpunkte für die Rentabilitätssteigerung ................................................29 1.7 Aufbau der Arbeit .........................................................................................33 Theoretische Grundlagen ..................................................................................34 2.1 Kaufentscheidungsprozesse und Kaufverhalten.............................................34 2.1.1 Kaufentscheidungen als Prozesse ...........................................................34 2.1.2 Kaufentscheidungsprozesse in Organisationen .......................................35 2.2 2.1.2.1 Buying-Center-Modell .....................................................................36 2.1.2.2 Prozessmodell von Choffray & Lilien ..............................................37 Kundennutzen ............................................................................................... 39 2.2.1 Das Konzept des Kundennutzens............................................................39 2.2.2 Wissenschaftstheoretische Einordnung von Kundennutzen ....................41 2.2.3 Entstehung von Kundennutzen ............................................................... 41 2.2.3.1 Bewertung von Nutzen ....................................................................42 2.2.3.2 Bewertung von Kosten .....................................................................43 2.2.3.3 Bewertung von Alternativen ............................................................44 2.2.4 Kundennutzen im Kaufentscheidungsprozess .........................................45 2.2.5 Kundennutzen visualisieren: Value Selling.............................................46 2.2.6 Verbindung von Kundennutzen und Rentabilität ....................................47 2.3 Preismanagement ..........................................................................................48 2.3.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung von Zahlungsbereitschaft ...........49 2.3.2 Zahlungsbereitschaft in der mikroökonomischen Preistheorie ................49 2.3.2.1 Target Pricing ..................................................................................50 2.3.2.2 Kano-Modell ...................................................................................51 2.3.3 Zahlungsbereitschaft aus verhaltenstheoretischer Perspektive ................52 2.3.3.1 Preiswahrnehmung ..........................................................................53 INHALTSVERZEICHNIS 2.3.3.2 Preisfairness ....................................................................................54 2.3.4 Durchsetzung der Preise am Markt .........................................................56 2.3.5 Besonderheiten des Preismanagements bei After-Sales-Services ............57 2.4 3 V Kundennutzengeleiteter Optimierungsprozess ...............................................59 2.4.1 Vom Leistungsbündel zum Leistungssystem ..........................................59 2.4.2 Der Customer-Value-Ansatz ..................................................................61 2.4.3 Der CV-Ansatz als kundennutzengeleiteter Optimierungsprozess ..........63 Kundennutzen von After-Sales-Services ..........................................................64 3.1 Zielsetzung ...................................................................................................64 3.2 Methodik ......................................................................................................65 3.2.1 Design ....................................................................................................65 3.2.2 Strukturierung der Interviews .................................................................65 3.2.3 Auswahl der Untersuchungsobjekte ........................................................67 3.2.4 Datensammlung .....................................................................................69 3.2.4.1 3.2.5 3.3 Berücksichtigung ethischer Konflikte ..............................................70 Datenauswertung ....................................................................................70 3.2.5.1 Begriffsabgrenzungen ......................................................................70 3.2.5.2 Anonymität der Studienteilnehmenden ............................................71 3.2.5.3 Auswertungsmethode.......................................................................72 Resultate .......................................................................................................74 3.3.1 Zusammensetzung der Stichprobe ..........................................................74 3.3.2 Bildung von Kundensegmenten ..............................................................77 3.3.2.1 Technische Innovatoren ...................................................................80 3.3.2.2 Reaktive Service-on-Demand-Bezüger ............................................81 3.3.2.3 Interne Servicedienstleister ..............................................................82 3.3.2.4 Strategische Partner .........................................................................84 3.3.2.5 Risikoaverse Service-Profis .............................................................86 VI INHALTSVERZEICHNIS 3.3.2.6 3.3.3 Grundnutzen von After-Sales-Services ............................................89 3.3.3.2 Ausbildungsniveau der Servicetechniker..........................................90 3.3.3.3 Professionelle Kommunikation ........................................................93 3.3.3.4 Nachvollziehbare Preispolitik ..........................................................94 3.3.3.5 Leistungsvereinbarung zu e-Services ...............................................97 Beobachtungen zum Kaufentscheidungsprozess ................................... 100 3.3.4.1 Vertrauen und Kulanz .................................................................... 100 3.3.4.2 Beurteilungszeitpunkt im Kaufprozess ........................................... 103 3.3.4.3 Entscheider über den Vertragsabschluss ........................................ 105 3.3.4.4 Service als Verhandlungsinstrument .............................................. 106 3.3.5 Zusammenfassung der Resultate........................................................... 107 Diskussion .................................................................................................. 109 3.4.1 Validierung mit der ökonomischen Nutzentheorie ................................ 109 3.4.2 Validierung mit verhaltenswissenschaftlichen Theorien ....................... 110 3.4.3 Validierung durch die Kaufprozesseinordnung ..................................... 112 3.5 4 Kundennutzen und Opportunitäten .........................................................89 3.3.3.1 3.3.4 3.4 Strukturierung der Kundensegmente ................................................87 Implikationen aus der Einnahme der Kundenperspektive ............................ 113 Optimierungsprozess zur Rentabilitätssteigerung ......................................... 114 4.1 Zielkonflikte zwischen Kunden- und Anbieterperspektive .......................... 114 4.1.1 Ziele von After-Sales-Services aus Anbieterperspektive ....................... 115 4.1.2 Spannungsfelder zwischen Kunden und Anbietern ............................... 116 4.2 4.1.2.1 Spannungsfeld 1: Störungsbehebung.............................................. 117 4.1.2.2 Spannungsfeld 2: Preispolitik ........................................................ 118 4.1.2.3 Spannungsfeld 3: Kostenloser Leistungsbezug............................... 118 Lösungskonzepte im Umgang mit den Spannungsfeldern ........................... 119 4.2.1 Expertengespräche und Fallbeispiele .................................................... 119 INHALTSVERZEICHNIS 4.2.2 Fallbeispiele aus der WZM-Branche .................................................... 120 4.2.3 Optimierungen im Leistungssystem ...................................................... 121 4.3 Optimierungsprozess................................................................................... 123 4.3.1 Strategische Ausrichtung des Service-Portfolios................................... 125 4.3.1.1 Festlegung Leistungsumfang im After-Sales-Services-Portfolio .... 125 4.3.1.2 Identifikation der relevanten Kundensegmente .............................. 128 4.3.1.3 Kundensegmentoptimiertes Service-Portfolio ................................ 129 4.3.1.4 Abgrenzung der Abteilung oder eigene Organisationseinheit ......... 134 4.3.2 Kompetenzerweiterung im Service-Team ............................................. 135 4.3.2.1 Technische Kompetenzerweiterung ............................................... 135 4.3.2.2 Verkaufsorientiertes Service-Team ................................................ 138 4.3.2.3 Professionalisierung der Kommunikationsprozesse ........................ 140 4.3.3 Präventive Diagnose ............................................................................. 141 4.3.4 e-Service-Vereinbarungen .................................................................... 144 4.3.4.1 e-Service-Vereinbarungen als unabhängiges Produkt ..................... 145 4.3.4.2 Verrechnung von e-Services über die Kopplung von Leistungen ... 148 4.3.4.3 Nutzenbeurteilung von e-Services nach Kundensegment ............... 148 4.3.5 Visualisierung von Wert und Kosten .................................................... 149 4.3.5.1 Massnahmen zur Visualisierung für einzelne Services ................... 150 4.3.5.2 Einflussnahme im initialen Kaufentscheidungsprozess .................. 155 4.3.6 5 VII Zusammenfassung des Prozessablaufs .................................................. 156 Schlussbetrachtung ......................................................................................... 158 5.1 Zusammenfassung ...................................................................................... 158 5.2 Implikationen .............................................................................................. 159 5.2.1 Implikationen für die Forschung ........................................................... 159 5.2.2 Implikationen für die Praxis ................................................................. 160 5.3 Limitationen ............................................................................................... 161 VIII 5.4 INHALTSVERZEICHNIS Ansatzpunkte für weiterführende Forschung ............................................... 163 Literaturverzeichnis............................................................................................... 165 Anhang 1: Interviewleitfaden Studie Kundenperspektive ................................... 180 Anhang 2: Bewertungsraster fallübergreifende Synthese .................................... 184 Anhang 3: Auswertung fallübergreifende Synthese ............................................. 188 Anhang 4: Interviewleitfaden Expertengespräche ............................................... 189 Lebenslauf von Dominik Blösch ............................................................................ 191 ABBILDUNGSVERZEICHNIS IX Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Forschungsdesign .................................................................................18 Abbildung 2: Definition industrielle Dienstleistung ...................................................20 Abbildung 3: Fertigungsverfahren WZM-Industrie ....................................................26 Abbildung 4: Einflussfaktoren für die Rentabilitätsoptimierung .................................30 Abbildung 5: Bezugsrahmen ......................................................................................32 Abbildung 6: Aufbau der Arbeit .................................................................................33 Abbildung 7: Prozessmodell von Choffray & Lilien...................................................37 Abbildung 8: Response-Modell ..................................................................................38 Abbildung 9: Entstehung des Kundennutzens ............................................................42 Abbildung 10: Customer-Value Map .........................................................................44 Abbildung 11: Wirkungskette Kundennutzen .............................................................48 Abbildung 12: Kano-Modell ......................................................................................52 Abbildung 13: Customer-Value-Modell .....................................................................62 Abbildung 14: Erarbeitungsprozess CV-Modell .........................................................63 Abbildung 15: Strukturierung der Interviews .............................................................66 Abbildung 16: Ablauf Auswertung der Fallstudien ....................................................73 Abbildung 17: Einordnung nach Industrie ..................................................................75 Abbildung 18: Einordnung nach Werkzeugmaschinentyp ..........................................76 Abbildung 19: Funktion der Interviewpartner ............................................................77 Abbildung 20: Darstellung der Kundensegmente als Matrix ......................................88 Abbildung 21: Zusammenfassung der Resultate ....................................................... 108 Abbildung 22: Zielkonflikte Anbieter- und Kundenperspektive ............................... 116 Abbildung 23: Optimierungen im Leistungssystem .................................................. 122 Abbildung 24: Optimierungsprozess ........................................................................ 124 Abbildung 25: After-Sales-Services nach Leistungskategorie .................................. 127 Abbildung 26: Identifikation Kundensegmente ........................................................ 128 X ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 27: Basis-After-Sales-Services-Portfolio ................................................ 129 Abbildung 28: Ergänzungsprodukte Service- und Wartungsvertrag ......................... 132 Abbildung 29: Optimierungsprozess – Mitarbeitersystem ........................................ 135 Abbildung 30: Optimierungsprozess – Leistungssystem: Konfiguration................... 142 Abbildung 31: Optimierungsprozess – Leistungssystem: Kommerzialisierung ......... 145 Abbildung 32: Optimierungsprozess – Kommunikation ........................................... 150 Abbildung 33: Implementierung des Optimierungsprozesses ................................... 157 TABELLENVERZEICHNIS XI Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Literaturübersicht Gruppe 1 .........................................................................5 Tabelle 2: Literaturübersicht Gruppe 2 .........................................................................7 Tabelle 3: Literaturübersicht Gruppe 3 .........................................................................9 Tabelle 4: Abgrenzung Maschinen- und Anlagenbau .................................................24 Tabelle 5: Unterscheidungsmerkmale Leistungssysteme ............................................60 Tabelle 6: Anforderungen an die Untersuchungsobjekte ............................................69 Tabelle 7: Kriterien: Einstellung und Verhalten zu After-Sales-Services ....................78 Tabelle 8: Kategorisierung der Fälle nach wahrgenommenem Kundennutzen ............78 XII ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung B2B Business-to-Business B2C Business-to-Consumer bzw. beziehungsweise CV Customer-Value d.h. das heisst ERP-System Enterprise-Resource-Planning-System f. / ff. folgende / fortfolgende F&E Forschung und Entwicklung IS Kundensegment: Interne Servicedienstleister KMU Kleine(s) und mittelständige(s) Unternehmen MEM Maschinen- Elektro- und Metallbau RA Kundensegment: Risikoaverse Service-Profis RE Kundensegment: Reaktive Service-on-Demand-Bezüger S. Seite(n) SP Kundensegment: Strategische Partner S-R-Modell Stimulus-Response-Modell S-O-R-Modell Stimulus-Organismus-Response-Modell TI Kundensegment: Technische Innovatoren u.a. unter anderem VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer vgl. vergleiche WZM Werkzeugmaschine(n) z.B. zum Beispiel ZUSAMMENFASSUNG XIII Zusammenfassung Viele mittelständische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus können trotz Investitionen in ihre produktbegleitenden Dienstleistungen mit diesen keine befriedigenden Renditen erzielen. Das Ziel dieser Dissertation ist die Entwicklung eines Optimierungsprozesses, welcher von den Entscheidungsträgern dieser Unternehmen zur Rentabilitätssteigerung ihrer After-Sales-Services angewendet werden kann. Den Erkenntnissen der mikroökonomischen und verhaltenswissenschaftlichen Nutzenund Preistheorie folgend wird Rentabilität als Ergebnis eines kundennutzenorientierten Leistungs- und Preismanagements identifiziert. Es werden 23 Fallstudien erhoben, in welchen der Nutzen von After-Sales-Services in industriellen Beschaffungsprozessen von Werkzeugmaschinen aus Kundenperspektive erforscht wird. Die Studie wird mittels einer fallübergreifenden Synthese ausgewertet. Die als Resultat identifizierten Kundensegmente und Opportunitäten werden in Expertengesprächen plausibilisiert und mit Best-Practice-Fallbeispielen aus der Werkzeugmaschinenindustrie ergänzt. Um After-Sales-Services in mittelständischen Unternehmen zu rentabilisieren, ist in einem ersten Schritt auf strategischer Ebene ein modular gestaltetes After-SalesServices-Portfolio zu definieren. Dieses ist auf die in den bedienten Kundensegmenten als relevant betrachteten Leistungen zu fokussieren. Auf operativer Stufe sind nachfolgend im Mitarbeiter- und Leistungssystem vier Optimierungsmassnahmen umzusetzen: Die Erweiterung der fachlichen, kommunikativen und verkaufsorientierten Kompetenzen des Service-Teams, die Verstärkung der präventiven Diagnose, der Abschluss von e-Service-Vereinbarungen sowie die verbesserte Visualisierung von Wert und Kosten von After-Sales-Services. Abschliessend wird festgestellt, dass im untersuchten Kontext After-Sales-Services aus Kundenperspektive den Stellenwert einer Nebenleistung innehaben und mehrheitlich den technischen Kriterien der Maschinen und Anlagen untergeordnet werden. Für Entscheidungsträger in mittelständischen Maschinen- und Anlagenbauunternehmen bleibt die Rentabilisierung der After-Sales-Services deshalb auch zukünftig eine Herausforderung. Um diese erfolgreich zu meistern, kann der entwickelte Optimierungsprozess als ein umsetzungsnahes Hilfsmittel beigezogen werden. XIV ZUSAMMENFASSUNG Summary Despite significant investments in their product-related services, many medium-sized machinery companies fail to achieve satisfactory margins on these services. The goal of this dissertation is to develop an optimization process, which supports decision makers in medium-sized machinery companies in optimizing the profitability of their after-sales-services. Based on the findings of microeconomic and behavioral utility and price theory, profitability is identified as a result of customer-oriented value- and price management. 23 case studies are collected, in which the value of after-sales-services in the industrial purchasing processes of tooling machines is explored from the customers’ point of view. The analysis is performed via a cross-case synthesis. As a result, customer segments and opportunities are identified and confirmed as plausible by expert interviews. These findings are supplemented by best-practice case studies in the machine tool industry. In order to make after-sales-services in medium-sized machinery companies profitable, one should first configure a modular after-sales-services portfolio on a strategic level. The configuration should limit itself to the relevant needs of the selected customer segments. Subsequently, there are four optimizations to be undertaken at the operative level: the augmentation of the service team’s technical, communication, and salesoriented skills, the pushing of preventive diagnoses, the closing of e-service contracts, and the enhanced visualization of the value and costs of services. In conclusion, this thesis finds that customers consider after-sales-services to be supplementary products and secondary to the technical specifications of the machines, in this context. Therefore, turning a profit with after-sales-services remains a future challenge for the decision makers in medium-sized machinery companies. Being an implementation-oriented tool, the proposed optimization process helps these decision makers meet this challenge. EINFÜHRUNG 1 1 Einführung 1.1 Problemstellung Dienstleistungen gewinnen vermehrt an Bedeutung in der Konfiguration von Leistungen in industriellen Unternehmen, insbesondere bei Maschinen- und Anlagenbauern. Dies rührt einerseits daher, dass eine Marktposition, welche die Ansprüche des Kunden erfüllen soll, nicht nur aus einem Produkt, sondern aus einer Kombination von Produkten und Dienstleistungen besteht.1 Andererseits hat die Forschung in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Vorteilen von industriellen Dienstleistungen 2 identifiziert, welche den Ausbau derselben nahelegen. Unter anderem gehört dazu das Versprechen von höheren Margen, stabilen Renditen, Kundenbindungseffekten und Differenzierungsmöglichkeiten.3 Gleichzeitig wird das Volumen des globalen Markts für industrielle Dienstleistungen in der Wirtschaftsgemeinschaft als signifikant gross und wachsend betrachtet, was durch Aussagen prominenter Industrievertreter wie Jack Welch: «The [service] market is bigger than we ever dreamt»4 symbolstark unterstützt wird. Auf Grund des hohen Umsatzpotentials und der propagierten Vorzüge industrieller Dienstleistungen sehen sich Entscheidungsträger in industriellen Unternehmen vermehrt veranlasst, den Wertschöpfungsbeitrag von Dienstleistungen am Umsatz ihres Unternehmens zu erhöhen bzw. den strategischen Fokus vom physischen Kernprodukt auf die begleitenden Dienstleistungen zu verlegen. Damit werden die Unternehmen angehalten, sich vom klassischen Produktgeschäft zu entfernen und sich zu Lösungsanbietern zu entwickeln. Unternehmen versprechen sich dadurch einen zweifach positiven Effekt: eine Umsatzsteigerung, welche, kombiniert mit einer Margenzunahme, zu einem überproportionalen Gewinnwachstum führen soll.5 1 Belz, Schuh, Groos & Reinecke (1997, S. 28) 2 Der Begriff «industrielle Dienstleistungen» wird im Rahmen dieser Dissertation mit den Begriffen «produktbegleitende Dienstleistungen» und «produktbezogene Dienstleistungen» gleichgesetzt. Vgl. zur näheren Definition Kapitel 1.5.1. 3 z.B. Brax (2005, S. 142); Mathieu (2001, S. 458); Oliva & Kallenberg (2003, S. 160); Schuh, Friedli & Gebauer (2004, S. 10–12) 4 Jack Welch, ehemaliger CEO von General Electrics, zitiert in: Slater (1999, S. 183). 5 Gebauer, Fleisch & Friedli (2005, S. 14) 2 EINFÜHRUNG Trotz der in der Managementlehre identifizierten Vorzüge von industriellen Dienstleistungen stossen Entscheidungsträger in der Praxis auf Herausforderungen und Problemfelder bei der Entwicklung und Implementierung einer Service-Strategie. Weit verbreitet unter diesen Herausforderungen sind Probleme bei der Schaffung einer ServiceKultur im Unternehmen, der Implementierung eines Service-Controllings sowie der Verrechenbarkeit von Services.6 Die Vielzahl von Herausforderungen im Umgang mit industriellen Dienstleistungen hat dazu geführt, dass – trotz ihrer propagierten Vorteile – industrielle Dienstleistungen in vielen Unternehmen nur einen kleinen Anteil am Umsatz ausmachen 7 und nur eine gleichwertige oder niedrigere Rentabilität aufweisen.8 Diese Situation wird von Gebauer, Fleisch & Friedli9 als «Service-Paradoxon» bezeichnet, eine Situation, in welcher Unternehmen trotz massiver Investitionen in das Servicegeschäft keine signifikante Steigerung des Serviceanteils am Gesamtumsatz erreichen können bzw. durch die überproportionale Kostensteigerung eine Bruttomargensteigerung ausbleibt. Auch Schuh, Friedli & Gebauer10 beobachten das gleiche Phänomen als Folge eines «Dienstleistungsdschungels». Die Herausforderungen mit Servicedienstleistungen werden indessen nicht geringer: Insbesondere im Mittelstand verlangt die zunehmende Spezialisierung auf Nischenprodukte nach einer Ausschöpfung des globalen Marktpotentials, wodurch die Erbringung von Serviceleistungen kostenintensiver wird. Dies fällt in den Hochpreisländern Mitteleuropas auf Grund des hohen Personalkostenanteils in Services besonders ins Gewicht. Des Weiteren werden Servicedienstleistungen bedingt durch den technischen Fortschritt komplexer und in ihrer möglichen Ausgestaltung vielfältiger. Lösungswege 6 z.B. Mathieu (2001, S. 455, 460); Ojasalo (2007, S. 58 ff.); Trachsler (1996, S. 3–5) 7 Lay, Copani, Jäger & Biege (2010, S. 720) stellen im Mittel 16% Serviceanteil am Umsatz in indust- riellen Unternehmen fest. Gebauer et al. (2005, S. 15 f.) ermitteln, dass in über 65% der industriellen Unternehmen der Serviceanteil am Umsatz unter 20% liegt. 8 Eggert, Hogreve, Ulaga & Muenkhoff (2014, S. 33 f.); Neely (2008, S. 110, 114); VDMA & McKinsey & Co (2014, S. 31 f.) 9 Gebauer et al. (2005, S. 14–16) 10 Schuh et al. (2004, S. 23) EINFÜHRUNG 3 aus dem Rentabilitätsdilemma sind deshalb generell, und insbesondere für den Mittelstand, von Interesse für die Praxis und die Wissenschaft.11 Forschung zu industriellen Dienstleistungen und zu deren direkter und indirekter Auswirkung auf die Bruttomargenentwicklung der Unternehmen wird in der betriebswissenschaftlichen Wissenschaftsgemeinschaft seit Jahrzehnten betrieben. Nachfolgend wird ein Überblick zum Stand der Forschung präsentiert. Zielsetzung und Fragestellung dieser Arbeit werden anschliessend aus der skizzierten Problemstellung aus der Praxis sowie der Synthese des Forschungsstandes abgeleitet. 1.2 Stand der Forschung Industrielle Dienstleistungen haben in den letzten Jahrzehnten hohe Aufmerksamkeit in der Forschung genossen. Einen Überblick über die relevante Literatur liefern sowohl Garbe12 wie auch Baines, Lightfoot, Benedettini & Kay 13. Letztere identifizieren als Ergebnis eines Literaturreviews 58 Artikel zum Thema «Servitization of manufacturing», wobei der älteste Beitrag auf das Jahr 1976 zurückgeht, in welchem Levitt14 erkannte, dass in der Industrialisierung von Serviceleistungen in produzierenden Unternehmen ein unausgeschöpftes Potential liegt. Eine eigene Literaturanalyse zum Thema industrielle Dienstleistungen in deutsch- und englischsprachigen Fachartikeln, Fachbüchern und Dissertationen hat zu einer Erweiterung der von Garbe und Baines et al. identifizierten Werke geführt. Diese Longlist wurde dann auf jene Publikationen, welche sich auf die für diese Dissertation relevanten Teilaspekte industrieller Dienstleistungen fokussieren, reduziert, welche sind: - Chancen und Herausforderungen von industriellen Dienstleistungen - Erfolgsfaktoren im Umgang mit industriellen Dienstleistungen - Rentabilität von industriellen Dienstleistungen. 11 Beyer (2007, S. 256); Jaeger (2000, S. 28); Malleret (2006, S. 109); Raymond, St-Pierre, Uwizeyemungu & Le Dinh (2014, S. 231 f.); Wörwag (1996, S. 26 f.) 12 Garbe (1998, S. 33 ff.) 13 Baines, Lightfoot, Benedettini & Kay (2009, S. 550 ff.) 14 Levitt (1976, S. 63 ff.) 4 EINFÜHRUNG Durch die Setzung dieser Schwerpunkte kann der Stand der Forschung mit 20 Publikationen repräsentativ dargestellt werden. Diese lassen sich auf der Metaebene in drei Gruppen unterteilen, welche mit einigen Überschneidungen chronologisch aufeinander folgen. Sie werden in den folgenden drei Abschnitten zusammengefasst und zeigen die historische Entwicklung der Forschungsmethoden und -erkenntnisse. 1.2.1 Promotoren industrieller Dienstleistungen Die erste Gruppe von Artikeln fasst die Promotoren von industriellen Dienstleistungen zusammen. Die Autoren dieser Gruppe vertreten in ihren Publikationen die Ansicht, dass in Dienstleistungen unerschlossene Potentiale zur Rentabilitätssteigerung in produzierenden Unternehmen liegen. Der Fokus der Beiträge liegt im Aufzeigen und Erklären des Potentials industrieller Dienstleistungen sowie im Visualisieren von Strategien für den Übergang vom Produkt- zum Lösungsgeschäft. Die Artikel sind vorwiegend konzeptioneller Natur, oft mit induktiv gewonnenen Erkenntnissen aus Fallstudien ergänzt. Die folgende Tabelle 1 listet die Beiträge jener Gruppe sowie ihre inhaltlichen Schwerpunkte und ihre Kernaussagen auf. EINFÜHRUNG 5 Tabelle 1: Literaturübersicht Gruppe 1 Autoren und Titel Inhaltliche Schwerpunkte Ausgewählte Kernaussagen Levitt (1976): The industrialization of service - Verständnis von Dienstleistungen in produzierenden Unternehmen - Industrielle Dienstleistungen haben ein hohes unausgeschöpftes Potential Vandermerwe & Rada (1988): Servitization of Business: Adding Value by Adding Services - Einführung Begriff «Servitization» - Strategische Vorteile von Services - Veränderte Perzeption des Verhältnisses von Produkten und Services - Bedeutung von Services steigt an - Leistungen bestehen aus einem Bündel von Produkt, Service, Support, Wissen und Self-Service - Services schaffen Wettbewerbs-, Kundenbindungs- und Differenzierungsvorteile Quinn, Doorley & Paquette (1990): Beyond Products: Services-Based Strategy - Strategische Ausrichtung des Unternehmens auf Grund neuer Opportunitäten im Servicegeschäft - Wert und Marge werden durch den Service, nicht durch das Produkt, generiert - Nicht die Produktion, sondern Humankapital und Know-how schaffen nachhaltige Wettbewerbsvorteile Belz (1991): Erfolgreiche Leistungssysteme – Anleitung und Beispiele - Konzeption von Leistungssystemen in der Industrie - Kritische Erfolgsfaktoren von Leistungssystemen - Leistungssysteme in diversen Branchen, inkl. Fallbeispielen - Kundenspezifische Problemlösungen anzubieten, ist der Schlüssel zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen - Unternehmen können dies mit selektivem Dienstleistungsmanagement oder integriertem Leistungsmanagement erreichen - Für den Erfolg im Dienstleistungsgeschäft sind neue Fähigkeiten und Kompetenzen im Unternehmen aufzubauen Wise & Baumgartner (1999): Go Downstream: The New Profit Imperative in Manufacturing - Strategische Vorteile von Services - Business-Modelle für «going downstream» - Unternehmen geben für Services mehr Geld aus als für Produkte - Services haben höhere Margen, benötigt weniger Kapital, bauen Wettbewerbsbarrieren auf und generieren konstante Einnahmen Mathieu (2001): Service strategies within the manufacturing sector: benefits, costs and partnership - Klassifizierung von Services - Strategische Vorteile von Services - Umgang mit Herausforderungen bei der Umsetzung einer Servicestrategie - Investitionen in Services führen zu Vorteilen auf den Ebenen Finanzen (Marge), Strategie (Wettbewerbsvorteile) und Marketing (Kundenbedürfnis) - Unternehmen, die maximal von Service profitieren wollen, gehen ein hohes (Kosten)Risiko ein Belz, Schuh, Groos & Reinecke (1997): Industrie als Dienstleister 6 EINFÜHRUNG Autoren dieser Gruppe argumentieren, dass Services über eine überdurchschnittliche Rentabilität verfügen. Wie beispielhaft in der Publikation von Wise & Baumgartner15 stammt diese Erkenntnis aus Beobachtungen in ausgewählten Firmen, welche ein gut organisiertes und profitables Servicegeschäft haben. 1.2.2 Industrielle Dienstleistungen als Herausforderungen Einem zweiten Forschungszweig zu industriellen Dienstleistungen wurde seit dem viel beachteten Artikel von Oliva & Kallenberg16 verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt: der Auseinandersetzung mit den Herausforderungen und Problemen, welche industrielle Dienstleistungen in der Praxis mit sich bringen. Anders als bei der vorhergehenden Gruppe haben diese Publikationen die Prämisse, dass in der Praxis eine grosse Zahl von Unternehmen daran scheitert, eine Servicestrategie erfolgreich umzusetzen und ihnen dadurch Gewinne entgehen. Motiviert durch Best-Practice-Fallstudien sowie die Erkenntnisse aus den vorhergehenden konzeptionellen Artikeln versuchen die Autoren zu erklären, wieso einige Firmen bei der Umsetzung einer Dienstleistungsstrategie scheitern und was die Erfolgsfaktoren jener Firmen sind, welche eine erfolgreiche Implementierung trotz dieser Herausforderungen geschafft haben. Auch in dieser Gruppe sind konzeptionelle und qualitative Forschungsarbeiten verbreitet, unterstützend liegen auch quantitative Studien vor. Die von den Autoren identifizierten Erfolgsfaktoren werden vorwiegend als statische Einflussgrössen betrachtet. 15 Wise & Baumgartner (1999, S. 134) 16 Oliva & Kallenberg (2003) EINFÜHRUNG 7 Tabelle 2: Literaturübersicht Gruppe 2 Autoren und Titel Inhaltliche Schwerpunkte Ausgewählte Kernaussagen Anderson & Narus (1995): Capturing the Value of Supplementary Services - Entwicklung eines Konzeptes zur Anpassung von Service auf Kundensegmente - Service wird oft am Bedürfnis des Kunden vorbei und unter Wert angeboten - Standardpakete für breit nachgefragte Services, welche mit Add-on-Optionen ergänzt werden, sind erfolgsversprechend - Erfolg wird wesentlich durch die Selektion von Services beeinflusst Oliva & Kallenberg (2003): Managing the transition from products to services - Strategien zum Übergang vom Produkt- zum Servicegeschäft - Aufzeigen, wie die Hürden zur Implementierung einer Servicestrategie überwunden werden - Servicestrategien sind nur bei ausgewählten Firmen erfolgreich - Erfolgsfaktoren für den Übergang zum Servicegeschäft sind eine eigene Organisationseinheit, Umstellung der Kultur, Betrachtung von Service als Wert sowie die Übernahme von Full-Service Brax (2005): A manufacturer becoming service provider – challenges and a paradox - Aufzeigen von Herausforderungen beim Übergang vom Produkt- zum Servicegeschäft - Es werden fünf Herausforderungen identifiziert: Marketing, Produktion, Produktdesign, Kommunikation und Beziehungsmanagement - Die Umstellung auf eine Servicekultur sollte radikal geschehen Gebauer, Fleisch & Friedli (2005): Overcoming the Service Paradox - Service-Paradoxon - Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren beim Auf- und Ausbau industrieller Dienstleistungen - Trotz Investitionen in Service übersteigen die Kosten oftmals die Erträge: Die erwarteten Margen bleiben aus - Erfolgsfaktoren sind: Kundenfokussierung, Relationship-Marketing, Servicestrategie, eigene Serviceorganisation und eine ausgeprägte Servicekultur Cohen, Agrawal & Agrawal (2006): Winning in the Aftermarket - Aufzeigen, wie Unternehmen im After-Sales-Markt erfolgreich sein können - Erfolg im After-Sales-Markt bedingt strategische Entscheidungen über: Gestaltung des Service-Portfolios, Wahl des Geschäftsmodells, Organisationsstruktur, Gestaltung der Supply Chain und des Controllings Ojasalo (2007): Developing Industrial Services – An Empirical Study - Identifikation von Herausforderungen, mit welchen Unternehmen beim Auf- und Ausbau des Servicegeschäfts konfrontiert sind - Als zentrale Herausforderungen werden identifiziert: Aufbau einer Servicekultur, Implementierung einer Servicestrategie und Umgang mit Kundeninteraktionen Gebauer, Friedli & Fleisch (2006): Success factors for achieving high service revenues in manufacturing companies 8 EINFÜHRUNG Obwohl die Autoren die Herausforderungen im Umgang mit dem Servicegeschäft anerkennen und hervorheben, vertreten sie mehrheitlich den Standpunkt, dass Services im Vergleich zum Primärproduktgeschäft des industriellen Unternehmens eine überdurchschnittliche Marge generieren. Diese These wird einerseits mit Einzelfallstudien begründet17 und andererseits ergänzend mit quantitativen Daten unterstützt, allen voran mit einer vom VDMA18 unter seinen Mitgliedern erhobenen Studie, welche zeigt, dass die Umsatzrendite von Services signifikant höher liegt als jene des Neumaschinengeschäfts, wo negative Renditen erzielt werden.19 1.2.3 Kritische Betrachtung industrieller Dienstleistungen In der letzten Dekade kommen hinsichtlich industrieller Dienstleistungen kritische Stimmen in der Forschung auf. Von den Autoren dieser Gruppe wird hervorgehoben, dass in einer Mehrheit der Unternehmen, welche gezielt in industrielle Dienstleistungen investiert haben, die erwarteten Ertragssteigerungen ausgeblieben sind, da Einnahmen und Kosten in einem Missverhältnis stehen oder der Serviceanteil am Umsatz trotz Investitionen gering geblieben ist. Neben der Analyse industrieller Dienstleistungen mit quantitativen Untersuchungen liegt der Beitrag dieser Publikationen darin, die Überlegenheit von industriellen Dienstleistungen über das Primärproduktgeschäft hinsichtlich der Rentabilität zu relativieren. Es werden Voraussetzungen aufzuzeigen, welche für die Rentabilisierung von industriellen Dienstleistungen benötigt werden. 17 z.B. bei Anderson & Narus (1995, S. 76). Auch Oliva & Kallenberg (2003) begründen ihre These z.B. mit einer Einzelfallstudie aus «The Economist» (2000, S. 69 f.). 18 19 Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer. Luczak (1999, S. 1 f.). Die VDMA-Studie wird als Begründung für überdurchschnittlich rentable Serviceleistungen u.a. auch von Oliva & Kallenberg (2003) und Gebauer et al. (2005) verwendet. Gebauer (2004, S. 4, 130 ff.) unterstützt die vom VDMA aufgestellte These zur erhöhten Dienstleistungsrentabilität unter Verwendung eines eigenen quantitativen Samples. EINFÜHRUNG 9 Tabelle 3: Literaturübersicht Gruppe 3 Autoren und Titel Inhaltliche Schwerpunkte Ausgewählte Kernaussagen Malleret (2006): Value Creation through Service Offers - Analyse der Profitabilität von Services - Fokus auf kleine und mittelständische Industrieunternehmen - Profitabilität von Service hängt mit einer grossen installierten Basis zusammen - Erfolg von Service hängt von dessen Visualisierung und Verrechenbarkeit sowie von der gewählten PricingStrategie ab Fang, Palmatier & Steenkamp (2008): Effect of Service Transition Strategies on Firm Value - Auswirkungen des Übergangs vom Produkt- zum Servicegeschäft auf den Firmenwert - Der Firmenwert ist negativ beeinflusst, bis ein Umsatzanteil von Service von mindestens 20–30% erreicht wird - Mit dem Kernprodukt des Unternehmens verbundene Services wirken sich positiver auf den Firmenwert aus Neely (2008): Exploring the financial consequences of the servitization of manufacturing - Quantitative Untersuchung über die Verbreitung und die finanziellen Konsequenzen von industriellen Dienstleistungen - Firmen mit hohem Anteil industrieller Dienstleistungen haben einen höheren Umsatz, jedoch eine geringere Umsatzrentabilität - Grosse Unternehmen haben einen höheren Anteil industrieller Dienstleistungen als kleine Unternehmen Reinartz & Ulaga (2008): How to Sell Service More Profitably - Profitabilität von Service - Die meisten Firmen haben kein profitables Servicegeschäft - Profitabilität wird erreich über: Realisieren, dass man im Servicegeschäft ist, Industrialisierung des Backoffice, Sensibilisierung des Verkaufs sowie eine Fokussierung auf die Kundenprozesse Lay, Copani, Jäger & Biege (2010): The relevance of service in European manufacturing industries - Quantitative Untersuchung zur Verbreitung von industriellen Dienstleistungen und zu deren Zusammenhängen mit strategischer Orientierung und Position in der Wertkette - Der Umsatzanteil, welcher mit Service generiert wird, ist noch relativ gering - Der Serviceanteil von Firmen ist unabhängig von deren Position in der Wertkette - Die Profitabilität von Services ist noch ungeklärt und verlangt nach weiterer Forschungsarbeit Eggert, Hogreve, Ulaga & Muenkhoff (2014): Revenue and Profit Implications of Industrial Service Strategies - Untersuchung der finanziellen Auswirkungen einer Servicestrategie in Maschinenbauunternehmen in Deutschland - Servicestrategien führen zu erhöhtem Umsatz und Umsatzwachstum, reduzieren jedoch die Umsatzrendite - Die Umsatzrendite steigt wieder an, je länger ein Unternehmen eine Servicestrategie verfolgt 10 EINFÜHRUNG Im Vergleich zu den Publikationen in den beiden vorhergehenden Gruppen steht die Profitabilität von Services in statistisch repräsentativen Durchschnittsunternehmen im Interessensfokus, während ausgewählte Erfolgsbeispiele in den Hintergrund treten. Unter der Prämisse, dass Services vielerorts kein überdurchschnittlich rentables Geschäft sind, suchen die Autoren nach Erklärungs- und Lösungsansätzen für diesen Sachverhalt. 1.2.4 Synthese zur vorhandenen Literatur Eine Synthese der 20 Publikationen lässt sieben generalisierbare Aussagen zu. Erstens besteht ein Konsens darüber, dass Dienstleistungen ein hohes Potential haben, um den Erfolg eines industriellen Unternehmens positiv zu beeinflussen. Zu den meistgenannten Argumenten der Autoren gehören: 1. Im Servicegeschäft können höhere Margen erzielt werden als im Primärproduktgeschäft. 2. Durch den wiederkehrenden Charakter können stabile Renditen erwirtschaftet werden. 3. Service ist eine Quelle für Wettbewerbsvorteile und zur Differenzierung von den Leistungen von Mitbewerbern. 4. Mit industriellen Dienstleistungen kann die Kundenbindung verbessert werden und es finden regelmässige Interaktionen mit den Kunden statt.20 Zweitens hat eine Auswahl von Firmen mit dem Übergang vom Produkt- zum Lösungsgeschäft signifikante Erfolge – wie höhere Marktanteile sowie gesteigerte Umsätze und Margen – erzielen können.21 Drittens stossen Services in produzierenden Unternehmen auf viele Herausforderungen. Zu den von den Autoren meistgenannten Problemfeldern gehören: 1. Es besteht keine Dienstleistungskultur im Unternehmen: Das Topmanagement zeigt kein Interesse am Aufbau des Servicegeschäfts. 20 Unter anderen vertreten durch: Anderson & Narus (1995, S. 76); Brax (2005, S. 142); Gebauer et al. (2005, S. 14 f.); Gebauer et al. (2006, S. 374); Malleret (2006, S. 107); Mathieu (2001, S. 457 f.); Oliva & Kallenberg (2003, S. 160); Quinn, Doorley & Paquette (1990, S. 59); Vandermerwe & Rada (1988, S. 318 f.); Wise & Baumgartner (1999, S. 134) 21 Eine Übersicht zu Best-Practice-Fällen liefern z.B. Baines et al. (2009, S. 560). EINFÜHRUNG 11 2. Die Unternehmen können Services nicht zu dem Preis verrechnen, welcher für die Deckung der dafür anfallenden Kosten benötigt würde. 3. Es besteht kein systematisches (Kosten-)Controlling. Es ist grösstenteils unbekannt, welche Kosten die Serviceleistungen verursachen. 4. Service wird am Bedürfnis des Kunden vorbei erbracht und ist mangelhaft auf die Prozesse des Kunden ausgerichtet. 22 Viertens können als Erfolgsfaktoren für den Umgang mit den genannten Herausforderungen von Services folgende Kriterien identifiziert werden: 1. Ein Kulturwandel im Unternehmen, welcher den Fokus der Mitarbeitenden vom Produkt zur Dienstleistung lenkt. 2. Auslagerung der Serviceabteilung in eine eigene Organisationseinheit. 3. Erbringung eines bedarfsgerechten Angebots, welches auf die Prozesse des Kunden ausgerichtet ist. 4. Standardisierung und Industrialisierung im Service-Portfolio sowie bei der Leistungserbringung. 23 Fünftens stellen kontemporäre empirische Untersuchungen in Frage, ob im heutigen Markt- und Wettbewerbsumfeld auf Grund der damit verbundenen Kosten und geringer Zahlungsbereitschaft des Kunden die Rentabilität von industriellen Dienstleistungen wirklich überdurchschnittlich hoch ist oder ob sie mit jener des Primärproduktgeschäft gleichzieht oder sogar unter dieser liegt.24 22 Unter anderen vertreten durch: Anderson & Narus (1995, S. 73–77); Gebauer et al. (2005, S. 16); Levitt (1976, S. 73); Malleret (2006, S. 107 f.); Mathieu (2001, S. 455–462); Neely (2008, S. 112); Ojasalo (2007, S. 61 ff.); Oliva & Kallenberg (2003, S. 161) 23 Unter anderen vertreten durch: Anderson & Narus (1995, S. 79); Cohen, Agrawal & Agrawal (2006, S. 133); Gebauer et al. (2005, S. 17); Gebauer et al. (2006, S. 377 f.); Malleret (2006, S. 107); Mathieu (2001, S. 464); Neely (2008, S. 112); Oliva & Kallenberg (2003, S. 166); Reinartz & Ulaga (2008, S. 92–96) 24 Eggert et al. (2014, S. 33 f.); Fang et al. (2008, S. 12); Lay et al. (2010, S. 723); Neely (2008, S. 110, 114); Reinartz & Ulaga (2008, S. 91) 12 EINFÜHRUNG Sechstens ist das Forschungsfeld methodisch von der Fallstudienforschung dominiert, welche grösstenteils im Kontext von Grosskonzernen durchgeführt wurde.25 Erkenntnisse über die Kundenbedürfnisse wurden indirekt erfragt bei den marktverantwortlichen Personen in den industriellen Unternehmen. Siebtens sind Erfolgsfaktoren für industrielle Dienstleistungen grösstenteils als einzelthemenvertiefende Publikationen oder Erkenntnissammlungen präsentiert. Prozessorientierte Ansätze, welche auf eine Implementierung in der Praxis ausgerichtet sind, stellen eine Minderheit dar.26 Betrachtet man die Erkenntnisse aus der Synthese im Kontext der heutigen Situation im mitteleuropäischen Maschinen- und Anlagenbau, bestätigen sich zwei Sachverhalte: Erstens gibt es auch im heutigen Markt- und Wettbewerbsumfeld Maschinen- und Anlagenbauer, welche industrielle Dienstleistungen mit einem wachsenden Umsatzanteil und überdurchschnittlicher Profitabilität betreiben.27 Zweitens bestätigt ein Perspektivenwechsel vom ausgewählten Best-Practice-Einzelfall zum statistisch repräsentativen Maschinen- und Anlagenbauer in Mitteleuropa, dass die Rentabilität von industriellen Dienstleistungen hinter den Erwartungen zurückbleibt28 und weitere Forschung zur Klärung der Profitabilität von industriellen Dienstleistungen notwendig ist.29 25 Jacob & Ulaga (2008, S. 251 f.) stellt die Dominanz von Fallstudien im Forschungsfeld ebenfalls fest. Die von Baines et al. (2009, S. 560) aufsummierten Fallstudien zeigen die Überrepräsentation von Grosskonzernen. 26 Eine Ausnahme ist z.B. Reinartz & Ulaga (2008). 27 Baines et al. (2009, S. 560); Baumbach (1998, S. 259 ff.) 28 Während der VDMA im Jahr 1998 überdurchschnittliche Umsatzrenditen bei Services feststellt (Luczak, 1999, S. 1 f.), kommt der VDMA (2014, S. 31) im Jahr 2014 zur Erkenntnis, dass ein höherer Serviceanteil im Unternehmen nicht zu einer höheren EBIT-Marge führt. Auch Eggert et al. (2014, S. 33 f.) sehen einen Margenschwund durch Services in deutschen Maschinenbauunternehmen, welcher sich jedoch bei einer langfristigen Verfolgung einer Servicestrategie vermindert. Fang et al. (2008, S. 12) stellen die Schwelle für Rentabilität von Service bei einem Umsatzanteil von 20–30% fest; ein Schwellenwert, welcher im Durchschnitt nicht erreicht wird (Lay et al., 2010, S. 720; Gebauer et al., 2005, S. 16). 29 Evanschitzky, Wangenheim & Woisetschläger (2011, S. 659); Lay et al. (2010). Backhaus, Frohs & Weddeling (2007, S. 18) weisen zudem darauf hin, dass die Rentabilität von produktbegleitenden Dienstleistungen je nach Typ variiert. EINFÜHRUNG 1.3 13 Zielsetzung, Fragestellung und Relevanz 1.3.1 Ziel und Forschungsfrage Diese Dissertation beabsichtigt, einen Forschungsbeitrag zum Verständnis der heute vielerorts mangelnden Rentabilität von industriellen Dienstleistungen im Maschinenund Anlagenbau zu leisten, aus welchem wissenschaftlich fundierte Optimierungsmassnahmen für die Rentabilitätsoptimierung im Dienstleistungsgeschäft in Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus abgeleitet werden können. Der Forschungsbeitrag unterscheidet sich von in der Vergangenheit geförderten Erkenntnissen zu industriellen Dienstleistungen in folgenden vier Aspekten: 1. Fokussierung auf den Kundennutzen: Da Services in einem durchschnittlichen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus nicht über eine höhere Rentabilität verfügen, wird der Serviceumfang nicht als eine zu maximierende Grösse, sondern unter dem Gesichtspunkt eines Optimums betrachtet. Dieses Optimum bemisst sich an dem vom Kunden wahrgenommenen Nutzen.30 2. Datenerhebung beim Kunden: Um den Kundennutzen möglichst unverfälscht zu erforschen und Wahrnehmungsverzerrungen zu minimieren, 31 wird der Kundennutzen direkt bei den Kunden erfasst: Die Nutzenwahrnehmung wird aus ihrer Perspektive ausgeführt. 3. Mittelständische Unternehmen: Um eine hohe Validität der Erkenntnisse für die gesamte Branche des Maschinen- und Anlagenbaus zu erlangen, wählt diese Dissertation mittelständische Unternehmen als Untersuchungsobjekte.32 30 Auch Hildenbrand, Gebauer & Fleisch (2006, S. 83 f.) haben festgestellt, dass der Ansatz von «Je mehr Dienstleistungen, desto besser» (S. 84) eine fehlgeleitete Strategie ist, welche einer Suche nach dem optimalen Dienstleistungsumfang, der die Umsatzrendite maximiert, unterlegen ist. Vergleiche hierzu den Zusammenhang zwischen Kundennutzen und Rentabilität in Kapitel 2.2.6. 31 Belz & Bieger (2006, S. 154); Kasper & Lemmink (1989, S. 202 f.), vgl. auch Kühn, Platte & Wo- ttawa (2006, S. 109 f.) zum Auftreten von Erwartungsfehlern bei der Erhebung von Fallstudien zum Servicegeschäft bei Maschinen- und Anlagenbauern. 32 Die in den Fallstudien überdurchschnittlich repräsentierten Grosskonzerne machen z.B. in der Schweiz einen verhältnismässig kleinen Anteil an der Wirtschaftsleistung aus (Bundesamt für Statistik, 2013b). Die bei Grosskonzernen gewonnenen Erkenntnisse sind nur begrenzt auf den Mittelstand übertragbar (Brauchlin, 2000, S. 689–692, 699; Gebauer, Paiola & Edvardsson, 2010, S. 124). 14 EINFÜHRUNG 4. Optimierungsprozess: Die gewonnenen Erkenntnisse werden in der Form eines praxisorientierten Optimierungsprozesses aufgearbeitet. Dieser beabsichtigt ein für Entscheidungsträger praktisches Hilfsmittel zu sein, welches durch seine Prozesssicht Fragen der zeitlichen Staffelung und Interdependenzen zwischen den einzelnen Massnahmen berücksichtigt. Zugleich wird er flexibel gestaltet, damit Raum für unternehmensspezifische Faktoren vorhanden ist. Zusammenfassend kann das Ziel dieser Dissertation wie folgt formuliert werden: Entwicklung eines Optimierungsprozesses, welcher von Entscheidungsträgern in mittelständischen Maschinen- und Anlagenbauunternehmen zur Steigerung der Rentabilität ihrer After-Sales-Services angewendet werden kann. Die Eingrenzung des Optimierungsprozesses auf die After-Sales-Services ergibt sich daher, da diese – anders als Pre-Sales-Services – im Maschinen- und Anlagenbau über einen längeren Zeitraum währen und sich mit dem Anstieg der installierten Basis vervielfachen. Aus beiden Gründen haben die After-Sales-Services einen bedeutenden Einfluss auf die Rentabilität im Maschinen- und Anlagenbau. 33 Auf Basis dieser Zielsetzung resultiert die übergeordnete Forschungsfrage: Wie können mittelständische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus die Rentabilität ihrer After-Sales-Services steigern? 1.3.2 Praktische und akademische Relevanz Die gewählte Forschungsfrage ist in der Branche des Maschinen- und Anlagenbaus von hoher praktischer Relevanz, da Maschinen- und Anlagenbauer über ein wachsendes After-Sales-Services-Portfolio verfügen, jedoch die zunehmende Spezialisierung und Internationalisierung dessen Marktumsetzung stetig komplexer, teurer und gleichzeitig, bedingt durch den technischen Fortschritt, in der möglichen Ausgestaltung vielfältiger machen.34 Die Rentabilitätsfrage ist damit von hoher Bedeutung. Die akademische Relevanz dieser Dissertation zeigt sich primär in ihrem Beitrag zur Erklärung der Rentabilität aus wissenschaftlicher Perspektive, was auf verschiedene 33 Zur Definition des Mittelstands, des Maschinen- und Anlagenbaus und der After-Sales-Services vgl. Kapitel 1.5. 34 Körner (2002, S. 1) EINFÜHRUNG 15 Arten geschieht. Einerseits wird – anhand der betrachteten Branche des Maschinenund Anlagenbaus – aufgezeigt, wie Erkenntnisse zur Rentabilität von After-SalesServices in der Vergangenheit gewonnen wurden und wie sich die Forschungsperspektive auf dieses Thema über die Jahre entwickelt hat. Diese Übersicht trägt zum Verständnis bei, welche Aspekte von Rentabilität ausreichend bzw. mangelhaft erforscht wurden. Sie kann als Ausgangslage für weiterführende Forschung verwendet werden. Ergänzend wird in dieser Dissertation ein Bezugsrahmen erarbeitet, welcher die wissenschaftlich messbaren und betriebswirtschaftlich beeinflussbaren Treiber von Rentabilität identifiziert. Damit wird ein Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion von Rentabilität geliefert, welcher hilft, diese als Forschungsobjekt für anwendungsorientierte Forschung greifbar zu machen. Schlussendlich wird aus methodischer Sicht ein grundsätzlicher Beitrag zur Marketingforschung geleistet durch die in dieser Dissertation angewendete Forschungsmethodik, welche eine direkte Erforschung der Kundenbedürfnisse beim Kunden vornimmt. Da im gewählten Forschungsfeld von AfterSales-Services im Maschinen- und Anlagenbau eine Vielzahl von Studien mit Erkenntnissen zu Kundenbedürfnissen vorhanden sind,35 welche mittels indirekter Befragung von marktverantwortlichen Personen bei Maschinen- und Anlagenbauern gewonnen wurden, zeigt diese Dissertation auf, inwiefern direkt beim Kunden erfasste Bedürfnisse und Verhaltensweisen mit jenen deckungsgleich sind. Hieraus lassen sich über den gewählten Kontext dieser Dissertation hinaus Erkenntnisse zur Validität von indirekt erforschten Kundenbedürfnissen ableiten, welche in der betriebswirtschaftlichen Forschung relevant sind. 1.4 Forschungsmethodik 1.4.1 Forschungsmethodologische Einordnung Die in dieser Dissertation erforschten Themengebiete sind Teil der Betriebswissenschaftslehre und im Speziellen der Marketingwissenschaften. Die Betriebswirtschaftslehre wird nach dem Verständnis von Ulrich36 als anwendungsorientierte Sozialwissenschaft betrachtet. Dies impliziert, dass diese Arbeit nach der Gewinnung von «praktisch nützlichem Wissen» (S. 5) strebt, für Probleme, welche in der Praxis ent- 35 vgl. Kapitel 1.2 36 Ulrich (1981, S. 3–26) 16 EINFÜHRUNG standen sind. Wie von Ulrich vorgeschlagen, findet nachfolgend eine Auseinandersetzung mit dem «Praxisbegriff» (S. 8) statt, welcher primär von den zwei Aspekten Systemabgrenzung und Komplexität beeinflusst ist. Eine Abgrenzung des Systems wird durch die Festlegung des Kontexts des Bezugsrahmens vorgenommen.37 Dadurch wird anerkannt, dass Erkenntnisse aus anwendungsorientierter Forschung nur unter bestimmten Rahmenbedingungen ihre Gültigkeit haben.38 Die Abgrenzung im Bezugsrahmen findet räumlich (Schweiz), branchenbezogen (Maschinen- und Anlagenbau) sowie auf Stufe Unternehmensgrösse (Mittelstand) statt. Zusätzlich wird das dem Optimierungsprozess zu Grunde liegende AfterSales-Services-Portfolio für Kundensegmente spezifiziert.39 Des Weiteren wird die Komplexität der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anerkannt, in welche das Forschungsobjekt des mittelständischen industriellen Unternehmens als Wirtschaftssubjekt eingebettet ist. Aus diesem Grund ist das Ergebnis dieser Arbeit kein Modell, welches Wirkungszusammenhänge zwischen Input- und Outputgrössen erklärt, sondern ein Problemlösungsverfahren, welches Praktikern Gestaltungsspielraum offenlässt. So erhebt der Optimierungsprozess keinen Anspruch, alle möglichen Massnahmen, welche zur Zielerreichung führen können, abzudecken. Er schliesst die parallele oder sequenzielle Ergreifung weiterer Initiativen seitens des Managements nicht aus. Die Anerkennung der Komplexität des Forschungsobjekts beeinflusst auch die Wahl des theoretischen Zugangs sowie der Forschungsmethoden. Bezüglich Ersterem wird kein eindeutiger theoretischer Zugang gewählt, sondern die Notwendigkeit eines «wissenschaftlichen Pluralismus»40 anerkannt, welcher sich zum Ziel setzt, verschiedene Theorien parallel anzuwenden. In Bezug auf die Forschungsmethoden führt die Anerkennung der Komplexität dazu, dass für die Gewinnung von Primärdaten qualitative Forschungsmethoden angewendet werden, welche es gemäss Dyllick & Tomczak41 erlauben, ein vertieftes «Verständnis der untersuchten Zusammenhänge» (S. 75) zu erlangen, unter Inkaufnahme der Tatsache, dass sich daraus «keine einfachen Verall37 vgl. Kapitel 1.6 38 Raffée & Abel (1979, S. 85 f.) 39 vgl. Kapitel 4.3.1.3 40 Dyllick & Tomczak (2007, S. 70) 41 Dyllick & Tomczak (2007) EINFÜHRUNG 17 gemeinerungen über den Untersuchungskontext hinaus» (S. 75) ableiten lassen. Betreffend den hier vorliegenden Forschungsbereich des Investitionsgütermarketings haben auch andere Autoren festgestellt, dass sich dieser besser mit qualitativen als mit quantitativen Methoden erforschen lässt.42 1.4.2 Forschungsansatz Diese Arbeit wendet einen wissenschaftlichen Pluralismus an, um der Breite und Komplexität des Forschungsgebiets gerecht zu werden. Es werden zwei grundlegende Theorien angewandt: Einerseits die mikroökonomische Nutzen- und Preistheorie, welche unter der Prämisse von rational handelnden Individuen den Nutzen bzw. den Preis als Bestimmungsgrösse zur Erklärung von menschlichem Verhalten herbeizieht, und andererseits ein verhaltensorientierter Ansatz der Marketingforschung, welcher das menschliche Entscheidungsverhalten als ein Resultat angewandter Stimuli versteht. 43 Beide Theorien werden im Kontext des organisationalen Beschaffungswesens, der Preistheorie und des Verkaufsmanagements angewendet.44 1.4.2.1 Forschungsdesign Der Prozess der Erkenntnisgewinnung nimmt seinen Anfang in einem LiteraturReview und der Aufarbeitung der theoretischen Grundlagen. Auf deren Basis folgt die Ausarbeitung der Fragen der semi-strukturierten Interviews für die Diskussion des Kundennutzens und des Entscheidungsverhaltens, welches vor Ort bei Kunden von Maschinen- und Anlagenbauern erhoben und mit einer fallübergreifenden Synthese ausgewertet wird. Nach Durchführung und Auswertung werden die Ergebnisse in Expertengesprächen plausibilisiert. Anschliessend werden Best-Practice-Fallbeispiele in der relevanten Zielgruppe erhoben, welche als Teil einer Synthese von vorhergehenden Erkenntnissen in den Optimierungsprozess einfliessen. Das Forschungsdesign ist in nachfolgender Abbildung 1 dargestellt: 42 Tomczak (1992, S. 82) 43 Foscht & Swoboda (2011, S. 23 f.); Kuss (2013, S. 271 ff.); Simon & Fassnacht (2009, S. 18, 145) 44 Auf die Verwendung einer generellen Marketingtheorie (z.B. Hunt, 2011, S. 72–84) oder der Einnahmen der «Service-Dominant Logic» (vgl. Vargo & Lusch, 2004 / 2008), wird auf Grund der mangelnden Operationalisierbarkeit von derer Erkenntnissen im gewählten Kontext verzichtet. Vgl. dazu auch: Kuss (2013, S. 230) und O’Shaughnessy & O’Shaughnessy (2009, S. 791). 18 EINFÜHRUNG Abbildung 1: Forschungsdesign Prozessschritt Literaturanalyse Methode / Stichprobe Auswertungsmethode Literatur-Review Synthese Theoretische Grundlagen Literatur Studie: Kundennutzen von After-Sales Services Empirisch-induktiv Semi-strukturierte Interviews Stichprobe: 23 Kaufprozesse Fallübergreifende Synthese Expertengespräche Analytisch-deduktiv Semi-strukturierte Interviews Stichprobe: 9 Experten Qualitative Inhaltsanalyse Best-Practice Fallbeispiele Empirisch-induktiv Semi-strukturierte Interviews Stichprobe: 3 Unternehmen Fallbeispiele Erarbeitung Optimierungsprozess Kombination von Literatur sowie Erkenntnissen aus den Kundenbefragungen und den Expertengesprächen / Fallstudien Quelle: Eigene Darstellung. 1.4.2.2 Verwendung von Zitaten und illustrativen Fallbeispielen In Kapitel 3, Kundennutzen von After-Sales-Services, werden Kundenzitate aus der Studie zur Ermittlung des Kundennutzens wiedergegeben. Diese aus den Interviews stammenden, wortgetreuen Zitate geben einen authentischen Einblick in die Perspektive und Denkweise des Kunden, formuliert in seiner Sprache.45 Als zweites Stilmittel werden Best-Practice-Fallbeispiele zu innovativen Problemlösungsverfahren im Umgang mit After-Sales-Services punktuell und thematisch aufgeführt. Damit wird anhand realer Beispiele gezeigt, wie theoriebasierte Konzepte in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden können. 1.5 Definitionen und Abgrenzungen 1.5.1 Industrielle Dienstleistungen und After-Sales-Services 45 Zur Bedeutung schriftlicher Hinweise in qualitativer Forschung vgl. Lamnek (1995, S. 107 f.). EINFÜHRUNG 19 Die Definition des Begriffs der Dienstleistung wurde in der Literatur vielerorts umfassend diskutiert, wie beispielsweise bei Rentner46 und Klostermann.47 Beide Autoren halten fest, dass die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten nicht zu einer einheitlichen Definition des Begriffs der Dienstleistung gefunden hat. Dieser Umstand führt dazu, dass man entweder von der Verwendung des Begriffs absehen oder diesen ohne den Anspruch auf allgemeine Gültigkeit für die jeweilige Arbeit definieren sollte.48 Diese Arbeit folgt letzterer Empfehlung und verwendet für den Begriff der Dienstleistung die Definition von Koch:49 «Dienstleistungen sind entgeltliche oder unentgeltliche, immaterielle Leistungen für den Kunden als externen Faktor.» Aus der Definition gehen drei Abgrenzungsmerkmale von Dienstleistungen hervor: 1. Eine Dienstleistung kann entgeltlich oder unentgeltlich erbracht werden. Sie wird nicht über die Vergütung, sondern über die «Fähigkeit und Bereitschaft zur Erbringung einer Leistung» 50 definiert. 2. Eine Abgrenzung zum Sachgütergeschäft erfolgt über das Kriterium der Immaterialität, aus welchem sich die «Nichtlagerbarkeit und Nichttransportfähigkeit»51 einer Dienstleistung ableitet. 3. Eine Dienstleistung wird für einen bzw. mit einem externen Kunden erbracht, wodurch sie sich von der Eigenleistung abgrenzt.52 Bei dem für diese Dissertation relevanten Teilbereich der industriellen Dienstleistungen handelt es sich um eine Subkategorie von Dienstleistungen, welche sich gemäss der Definition von Backhaus & Kleikamp53 über die in Abbildung 2 dargestellten drei 46 Rentner (2012, S. 15–26) 47 Klostermann (2008, S. 10–12) 48 Rentner (2012, S. 15) 49 Koch (2010, S. 8) 50 Kleinaltenkamp (2001, S. 40) 51 Koch (2010, S. 8) 52 Koch (2010, S. 8) 53 Backhaus & Kleikamp (2001, S. 79) 20 EINFÜHRUNG Ebenen eingrenzen lassen. Die Eingrenzung findet über die Art und die Ausprägung des Nachfragers bzw. des Anbieters statt. Abbildung 2: Definition industrielle Dienstleistung Dienstleistungen Konsumtive Dienstleistungen Nachfrager: Konsument Investive Dienstleistungen Nachfrager: Unternehmen Rein investive Dienstleistungen Anbieter: Dienstleistungsunternehmen Funktionelle Dienstleistungen Anbieter: Produzierendes Unternehmen Performance Contracting Anbieter: Produzierender Dienstleister Produktbegleitende / industrielle Dienstleistungen Anbieter: Dienstleistender Produzent Quelle: In Anlehnung an Backhaus & Kleikamp (2001, S. 97) und Koch (2010, S. 11) Aus Abbildung 2 ergibt sich, dass es sich bei produktbegleitenden Dienstleistungen um Leistungen handelt, welche produzierende Unternehmen als Ergänzung zu ihrem Primärprodukt erbringen, ohne dabei ein Geschäftsmodell zu verfolgen, welches Dienstleistungen in den Mittelpunkt der Unternehmenstätigkeit stellt. Solche Geschäftsmodelle können unter dem Begriff «Performance Contracting» zusammengefasst werden. Anders als beim Performance Contracting werden bei produktbegleitenden Dienstleistungen Zusatz-, Neben- und Folgeleistungen zum Primärprodukt angeboten. Eine Aufstellung von Lay et al.54 zeigt, dass unter diesen die Beratung zur Produktauslegung, die Schulung, die Inbetriebnahme, die Wartung55 sowie das Engineering am weitesten verbreitet sind. Produktbegleitende Dienstleistungen zur Unterstützung des Primärprodukts werden in den allermeisten industriellen Unternehmen ange- 54 Lay & Erceg (2002, S. 8) 55 Der Begriff «Wartung» wird in dieser Dissertation mit dem Begriff «Instandhaltung» gleichgesetzt. EINFÜHRUNG 21 boten, während operationelle und finanzielle Dienstleistungen weniger verbreitet sind.56 Innerhalb der industriellen Dienstleistungen wird eine weitere Unterteilung zwischen den Pre-Sales-Services und den After-Sales-Services vorgenommen. Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung, wie aus der nachfolgenden Definition von After-Sales-Services von Dangelmaier, Emmerich & Gajewski57 hervorgeht: «Alle Dienstleistungen, die einem Konsumenten eines gekauften Produkts in der Nachkaufphase zur Verfügung gestellt werden. After-Sales-Dienstleistungen beinhalten demnach alle Zusatz-, Folge- und Nebenleistungen, die als Unterstützung der Primär- beziehungsweise Hauptleistung zum Einsatz kommen.» Während es sich bei den Pre-Sales-Services um Dienstleistungen vor dem Verkaufsabschluss handelt, wie z.B. Projektierung, Simulationen und Finanzvermittlungen, versteht man unter After-Sales-Services jene Leistungen, welche nach dem Verkauf geleistet werden. Hierzu gehören im Maschinen- und Anlagenbau hauptsächlich Wartungs- und Servicearbeiten, vor Ort oder via e-Services58, sowie das Ersatzteilgeschäft. Installation und Schulung als einmalige Dienstleistungen, welche direkt mit der Investitionsentscheidung verbunden sind und bei Installation bezogen werden, werden in der Regel als zum Produktkauf dazugehörende Leistungen gezählt und gehören nicht zum After-Sales-Geschäft im engeren Sinne, welches sich im Maschinen- und Anlagenbau auf die Sicherstellung und die Wiederherstellung des Gebrauchsnutzens eines Investitionsgutes fokussiert. 59 Im After-Sales-Geschäft sind zwei Schlüsselbegriffe in der Praxis verbreitet, welche für diese Arbeit eine eindeutige Definition verlangen. Dies ist einerseits der Wartungsvertrag, unter welchem ein Vertrag zwischen dem Hersteller bzw. Distributor einer Maschine oder Anlage und seinem Kunden verstanden wird, welcher eine regelmässi- 56 Lay et al. (2010, S. 720); VDMA & McKinsey & Co (2014, S. 32 f.) 57 Dangelmaier, Emmerich & Gajewski (2006, S. 155) 58 In Anlehnung an Körner (2002, S. 20) wird unter e-Services der standortungebundene Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstützung der investiven Sachgüter des Kunden verstanden. 59 Baumbach (1998, S. 22 f.) 22 EINFÜHRUNG ge präventive Wartung des Kaufobjekts vorsieht, inklusive oder exklusive dazugehöriger (Verbrauchs-)Ersatzteile. Andererseits ist es in Abgrenzung dazu der Servicevertrag, welcher Einsätze des Herstellers bzw. Distributors abdeckt, welche auf Grund von Störungen, Einsatzproblemen oder Fragen seitens des Kunden geleistet werden. Oftmals beinhaltet ein Servicevertrag garantierte Reaktionszeiten und legt Preise für Arbeitsstunden und Anfahrt fest. Eine Kombination von Service- und Wartungsverträgen ist möglich.60 Im folgenden Abschnitt werden die als dienstleistende Produzenten klassifizierten Unternehmen näher definiert. 1.5.2 Mittelständische Maschinen- und Anlagenbauer Eine einheitliche Definition des Mittelstands ist in der Theorie nicht vorhanden; je nach Land, Institution oder einzelner Studie verwenden die Autoren unterschiedliche Abgrenzungen für den Mittelstand. 61 Vorhandene Definitionen orientieren sich entweder an quantitativen oder an qualitativen Grössen oder anhand der in empirischen Studien gewählten Kriterien. Aus quantitativer Sicht zählen in der Schweiz und auf EU-Ebene jene Unternehmen zu den «mittleren Unternehmen», welche entweder > 50 Mitarbeitende (max. 250) zählen und einen Jahresumsatz von > EUR 10 Mio. (max. EUR 50 Mio.) erwirtschaften oder über eine Jahresbilanzsumme von > EUR 10 Mio. (max. EUR 43 Mio.) verfügen.62 Auf EU-Ebene kommt des Weiteren das Kriterium der Unabhängigkeit hinzu, welches den Anteil des Kapitals oder der Stimmanteile auf 25% begrenzt, der durch ein fremdes Unternehmen gehalten werden darf, welches den übrigen Anforderungen des Mittelstandes nicht entspricht.63 Kabst64 weist jedoch darauf hin, dass die zuständige EUKommission die Grössendefinition für den Mittelstand im Vergleich zu früher bewusst gesenkt hat, um Förderleistungen gezielt Unternehmen jener Grössenkategorie zuzuführen. Entfernt man sich von der EU-Richtlinie, findet man Definitionen von Mittelstand, welche von 10 bis 1000 Mitarbeitenden im Unternehmen reichen. Die Vermu60 In Anlehnung an Baumbach (1998, S. 142 ff.) 61 Fischl (2006, S. 3); Wolter & Hauser (2001, S. 29) 62 Bundesamt für Statistik (2013a) 63 Fischl (2006, S. 3) 64 Kabst (2008, S. 4) EINFÜHRUNG 23 tung liegt nahe, dass die international unterschiedlichen Strukturen und Grössen der Volkswirtschaften zu dieser Vielfalt geführt haben. Eine einheitliche Definition von Mittelstand auf Grund von quantitativen Kriterien lässt sich folglich nicht feststellen. Komplexer zeigt sich die Begriffsumschreibung, wenn der Mittelstand auf Grund von qualitativen Kriterien definiert werden soll: Fischl65 stellt dazu fest, dass aus qualitativer Sicht der Mittelstand vielerorts sinngleich mit Familienunternehmen und eigentümergeführten Unternehmen verwendet wird. Diese Gleichbedeutung wird dadurch begünstigt, dass es sich bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) fast ausschliesslich um Familienunternehmen handelt, was beispielsweise im Fall von Deutschland auf 95% aller KMU zutrifft.66 Der Mittelstand grenzt sich folglich durch die Art der Führung und die Eigentümerverhältnisse ab.67 In Familienunternehmen sind Führung, Organisation und Kultur wesentlich von der Unternehmerfamilie geprägt. Die Verbindung von Kapital und Führung resultiert in einer anderen Beurteilung von Risiko, da die Erträge die wirtschaftliche Existenz des Inhabers sichern. Das Hinzuziehen des Begriffs des Familienunternehmens zur näheren Definition des Mittelstandes ist jedoch von der Problematik geprägt, dass alleine in Europa 92 unterschiedliche Definitionen von Familienunternehmen vorgefunden werden können. 68 Da sich keine einheitlichen quantitativen und qualitativen Begriffsabgrenzungen vorfinden lassen, schlägt Kabst69 eine Definition des Mittelstandes anhand vorhandener empirischer Studien im deutsch- und im englischsprachigen Forschungsraum vor. Auf Basis eines Literaturreviews stellt er fest, dass sich die Empirie vorwiegend auf die Anzahl Mitarbeitende im Unternehmen stützt, mit einer Spannweite von 100 bis 1000 Mitarbeitenden (S. 4). Die Arbeitsdefinition von Mittelstand orientiert sich sowohl an quantitativen wie auch an qualitativen Kriterien. Quantitativ wird die Anzahl Mitarbeitende im Unternehmen verwendet, welche auf die Spannweite von 50 bis 500 Mitarbeitende begrenzt 65 Fischl (2006, S. 3) 66 Arentz & Münstermann (2013, S. 624) 67 Diese Schlussfolgerung wird auch von Fischer (2012, S. 39 f.) geteilt, ausgehend von Beobachtungen, wie sich ein mittelständisches Unternehmen von der einzelnen Sparte eines Grosskonzernes differenziert. 68 Arentz & Münstermann (2013, S. 623) 69 Kabst (2008, S. 4) 24 EINFÜHRUNG wird. Damit wird die vom Bundesamt für Statistik70 verwendete Spannweite vergrössert und den in der empirischen Forschung verwendeten Grössenkategorien angenähert. Gleichzeitig trägt die Obergrenze von 500 Mitarbeitenden dazu bei, die volkswirtschaftliche Grösse und Struktur der Schweiz zu respektieren, wo die Unternehmen insbesondere im Vergleich zu Deutschland über eine geringere durchschnittliche Grösse verfügen.71 Aus qualitativer Sicht wird die Einschränkung gemacht, dass nur Unternehmen betrachtet werden, welche wirtschaftlich unabhängig sind. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit wird über die Mehrheit der Stimmrechte definiert, welche nicht in der Hand eines Unternehmens sein kann, welches ausserhalb der vorhergehenden Mittelstandsdefinition liegt. Unter Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus werden in dieser Arbeit Produzenten von komplexen Maschinen und Anlagen verstanden, welche als Investitionsgüter72 zur Erfüllung von industriellen Zwecken in Unternehmen eingesetzt werden. Maschinen und Anlagen werden, insbesondere bei hoch spezialisierten Produkten, in der Regel international vertrieben. 73 Der Maschinen- und Anlagenbau kann über folgende Kriterien charakterisiert werden: Tabelle 4: Abgrenzung Maschinen- und Anlagenbau Kriterium Maschinenbau Anlagenbau Aufgabenumfang Teillösung für eine Aufgabe Komplettlösung für eine Aufgabe Komplexität Mittlere bis hohe Komplexität Sehr hohe Komplexität Fertigungsart Klein- bis Grossserien Einmalfertigung bzw. Einzelprojekte Erstellzeit Wochen bis Monate Monate bis Jahre Auftragsvolumen CHF 10 000 bis CHF 1 Mio. Bis zu CHF 100 Mio. Dienstleistungsstruktur Primär segmentiert Individuell Quellen: Baumbach (1998, S. 10); Belz et al. (1997, S. 36 ff); Körner (2002, S. 21) 70 Bundesamt für Statistik (2013a) 71 Fueglistaller, Fust, Brunner & Althaus (2013, S. 4) 72 Investitionsgüter sind, anders als Konsumgüter, Güter, welche zur Produktion anderer Güter im industriellen Fertigungsprozess verwendet werden. Es handelt sich infolgedessen um Produktionsanlagen, welche über einen längeren Zeitraum mit After-Sales-Services funktionstauglich gehalten werden müssen (Meffert, 2000, S. 1215; Meffert, Burmann & Kirchgeorg, 2015, S. 25 f.). 73 Baumbach (1998, S. 9) EINFÜHRUNG 25 Viele Investitionsgüter lassen sich nicht eindeutig einer Maschine oder Anlage zuordnen. Insbesondere in dem in dieser Arbeit näher betrachteten Segment der Werkzeugmaschinen (WZM) befindet man sich oftmals in einer Zwischenstufe, d.h. bei Maschinen mit einer hohen Komplexität, zum Teil auch hochgradig individualisiert, mit einem Investitionsvolumen von rund einer Million Schweizer Franken. 74 1.5.3 Werkzeugmaschinen Die vorliegende Forschungsarbeit gewinnt ihre Erkenntnisse innerhalb der Werkzeugmaschinenindustrie, welche in der Schweiz historisch stark verankert ist. 75 Auch heute gehört die WZM-Industrie als Teilsegment des Maschinen- und Anlagenbaus zu den bedeutendsten Wertschöpfungserbringern: 2014 hat der gesamte Maschinen- und Anlagenbau einen Anteil von 11% des gesamtschweizerischen Warenexportes ausgemacht, womit die Schweiz Rang 13 unter den bedeutendsten Maschinenexportländern der Welt einnimmt. In einer Pro-Kopf-Betrachtung liegt die Schweiz jedoch auf Rang 2, wodurch die Signifikanz dieses Wirtschaftszweiges für die lokale Industrie deutlich wird. Betrachtet man nur die Werkzeugmaschinen, nimmt die Schweiz Rang 5 unter den wichtigsten exportierenden Staaten ein.76 Die isolierte Betrachtung von Werkzeugmaschinen erhöht die Homogenität und dadurch die Aussagekraft der in dieser Dissertation durchgeführten Studie. Die gewonnenen Erkenntnisse können jedoch in vielerlei Hinsicht auch auf andere in der Schweiz bedeutende Maschinenbausegmente übertragen werden. 77 In der metallverarbeitenden Industrie gehören Werkzeugmaschinen zu den wichtigsten Produktionsmitteln. 78 Der Zweck von Werkzeugmaschinen dient der Metallbearbeitung, genauer der «Erzeugung von Werkstücken mittels Werkzeugen.»79 Hierbei kommen im engeren Sinne Urform-, Umform-, Trenn- und Fügeverfahren zur Anwendung (DIN 69651) und im weiteren Sinne ergänzende Fertigungsverfahren der Metallbearbeitung, Beschichtung und Veränderung von Stoffeigenschaften hinzu (Teilbereich 74 vgl. Kapitel 3.3.1 75 Belz, Müller & Walti (1996, S. 1) 76 Swissmem (2015, S. 7, 42 f.) 77 vgl. die Limitationen in Kapitel 5.3 78 Wiechmann (1995, S. 249) 79 Bahmann (2013, S. 1) 26 EINFÜHRUNG von DIN 8580).80 Nachfolgende Abbildung 3 verschafft einen Überblick über die verschiedenen Verfahren und die damit zusammenhängenden Technologien: Abbildung 3: Fertigungsverfahren WZM-Industrie Holzbearbeitung Metallverarbeitung Bearbeitung anderer Werkstoffe Urformen Umformen Trennen Fügen Beschichten Veränd. von Stoffeigensch. unter anderen: unter anderen: unter anderen: unter anderen: unter anderen: unter anderen: Abscheiden Giessen Galvanoplastik Pressen Hämmern Pressen Wälzen Biegen Ziehen Drehen Fräsen Bohren Schleifen Erodieren Füllen Schweissen Löten Kleben PVD-/ CVDBeschichten Galvanisieren Verzinken Wärmebehandeln Sintern Magnetisieren Quellen: In Anlehnung an Walti (1999, S. 11); DIN 69651; DIN 8580 1.5.4 Rentabilität Der in dieser Dissertation entwickelte Optimierungsprozess hat eine Steigerung der Rentabilität der After-Sales-Services zum Ziel. Da die Rentabilität an sich vielen Einflussfaktoren unterliegt, werden in der Folge der Rentabilitätsbegriff und die mit ihm zusammenhängenden Herausforderungen einer korrekten Abgrenzung diskutiert. 1.5.4.1 Buchhalterische Definition der Rentabilität Hinsichtlich der buchhalterischen Definition von Rentabilität werden im Controlling eine Gesamtkapitalrentabilität (Return on Investment), eine Eigenkapitalrentabilität (Return on Equity) und eine Umsatzrentabilität (Return on Sales) unterschieden.81 Im Zusammenhang der skizzierten Problemstellung dieser Dissertation eignet sich die Umsatzrentabilität als Bemessungsgrösse. 82 80 Walti (1999, S. 11) 81 Waibel & Käppeli (2015, S. 119 f.) 82 Die Umsatzrentabilität eignet sich auch für die Betrachtung von Produktgruppen in einem Unternehmen, während die Gesamt- und die Eigenkapitalrendite auf das Gesamtunternehmen fokussiert sind. Vgl. auch Wöltje (2011, S. 197 ff.). EINFÜHRUNG 27 Wöltje83 definiert die Umsatzrentabilität als das Verhältnis des Betriebsergebnisses (Gewinn) zum Umsatz (Ertrag): 𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧𝑟𝑒𝑛𝑡𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡ä𝑡 = 𝐵𝑒𝑡𝑟𝑖𝑒𝑏𝑠𝑒𝑟𝑔𝑒𝑏𝑛𝑖𝑠 𝑈𝑚𝑠𝑎𝑡𝑧 Entfernt man aus dem Betriebsergebnis84 und dem Umsatz den Multiplikator Absatzmenge,85 lässt sich die Rentabilität definieren als: 𝑅𝑒𝑛𝑡𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡ä𝑡 (𝑀𝑎𝑟𝑔𝑒) = 1 − 𝐾𝑜𝑠𝑡𝑒𝑛 𝑑𝑒𝑟 𝐿𝑒𝑖𝑠𝑡𝑢𝑛𝑔𝑠𝑒𝑟𝑏𝑟𝑖𝑛𝑔𝑢𝑛𝑔 𝑉𝑒𝑟𝑟𝑒𝑐ℎ𝑛𝑒𝑡𝑒𝑟 𝑃𝑟𝑒𝑖𝑠 Diese als Marge bezeichnete Führungsgrösse ist in der Praxis verbreitet und wird für Produkt-, Konkurrenz- und Branchenvergleiche angewendet. 86 Sie lässt sich damit auch für die Rentabilitätsbeurteilung verwenden. Diese Dissertation definiert Rentabilität obiger Formel folgend als Marge, d.h. als das Verhältnis der Kosten der Leistungserbringung zu dem für die Erbringung dieser Leistung effektiv an den Kunden verrechneten Preis. 1.5.4.2 Abgrenzung der Rentabilität bei After-Sales-Services Um die Rentabilität von After-Sales-Services betrachten zu können, muss eine Abgrenzung aller Kosten und Erträge stattfinden, welche mit der Erbringung der AfterSales-Services zusammenhängen. Die kosten- und ertragsseitigen Abgrenzungen unterliegen dabei unterschiedlichen Herausforderungen: Die Kosten der Leistungserbringung der After-Sales-Services zu identifizieren, ist mit den klassischen Instrumenten der betriebsbuchhalterischen Kostenrechnung möglich. Der gewählten Definition von After-Sales-Services folgend müssen sämtliche 83 Wöltje (2011, S. 197 f.) 84 Das Betriebsergebnis entspricht dem Umsatz, als Resultat einer Multiplikation von Preis und Absatzmenge, abzüglich der fixen und der mengenabhängigen Kosten (Wöltje, 2011, S. 50 f.). 85 In einer langfristigen Betrachtung können Fixkosten als variable Kosten betrachtet werden (Simon & Fassnacht, 2009, S. 83 f.). Hierdurch lässt sich die Absatzmenge aus der Rentabilitätsformel mathematisch bereinigen. 86 Waibel & Käppeli (2015, S. 120) 28 EINFÜHRUNG Kosten erfasst werden, welche für die Erbringung von Zusatz-, Folge- und Nebenleistungen zum Primärprodukt in der Nachverkaufsphase anfallen. Den für die Erbringung der After-Sales-Services verrechenbaren Preis abzugrenzen, unterliegt indessen in gewissen Fällen einer grösseren Komplexität. Dies liegt daran, dass aus Kundensicht ein Leistungsbündel, d.h. ein Verbund von einer physischen Maschine und damit einhergehenden Services, erworben wird, bei welchem eine Trennlinie zwischen den beiden Bestandteilen nicht immer ersichtlich ist. Es kann zwischen den folgenden Fällen unterschieden werden: 87 1) Die Verrechnung der After-Sales-Services findet separat statt, wie z.B. im Fall des Verkaufs von Ersatzteilen oder eines Einsatzes des Servicetechnikers gegen Rechnungsstellung. Die Abgrenzung des verrechneten Preises ist hier trivial. 2) Service wird über den Preis des Primärprodukts abgegolten, wie dies z.B. innerhalb der Garantiezeit oder bei einem aus Kulanzgründen kostenlosen Einsatz eines Servicetechnikers der Fall ist. Hier haben Hersteller die Herausforderung festzulegen, welcher Anteil des auf dem Primärprodukt erzielten Preises den After-Sales-Services angerechnet wird. Erschwerend kommt hinzu, dass diese interne Zuteilung nicht kongruent sein wird mit der beim Kunden vorhandenen Zahlungsbereitschaft für die einzelnen Leistungsbestandteile.88 Diese Art der indirekten Verrechnung überwiegt bei industriellen Dienstleistungen.89 87 Beyer (2007, S. 256 f.); Simon & Damian (1999, S. 159); Trachsler (1996, S. 31–37) Eine dritte von Beyer (2007, S. 256 f.) und Trachsler (1996, S. 31–37) identifizierte Möglichkeit zum positiven Einfluss von Services auf den Umsatz des Unternehmens ist die Realisierung von Goodwill, welchen der Hersteller durch seine Leistungen im After-Sales-Geschäft kreiert. Die Realisierung von Goodwill bedeutet, dass die Begleichung einer Dienstleistung durch eine Gegenleistung geschieht, z.B. durch einen nachfolgenden Produktkauf oder den Verzicht auf das Erbringen einer Sonderleistung. Da diese Goodwill-Realisierung buchhalterisch nicht gemessen werden kann, wird sie an dieser Stelle nicht in die Rentabilitätsbetrachtung einbezogen. Zudem weist Körner (2002, S. 122) darauf hin, dass die Realisierung von Goodwill mit Unsicherheit behaftet ist und dieser an Bedeutung verliert. 88 89 Belz (1991, S. 94) Lay et al. (2010, S. 720) stellen fest, dass im Mittel 9% vom Umsatz industrieller Unternehmen indirekt über ein Preispremium beim Primärprodukt erzielt werden, während im Mittel 7% als eigenständige Serviceleistungen in Rechnung gestellt werden. EINFÜHRUNG 1.6 29 Ansatzpunkte für die Rentabilitätssteigerung Unabhängig von der exakten internen Zuweisung von Kosten und Erträgen kann man aus der Rentabilitätsdefinition folgern, dass eine Steigerung der Rentabilität von AfterSales-Services über zwei Ansatzpunkte erreicht werden kann: 1. Senkung der Kosten für die Leistungserbringung der After-Sales-Services, durch eine a. Elimination aller Leistungen, welche beim Kunden keinen relevanten Nutzen stiften, b. kosteneffiziente Erbringung der verbleibenden kundenrelevanten Leistungen. 2. Steigerung des auf Grund der After-Sales-Services verrechenbaren Preises – getrennt oder als Teil des Primärgutpreises – durch eine a. Maximierung der Zahlungsbereitschaft über eine kundennutzenorientierte Ausgestaltung der Leistung, b. Durchsetzung der Preise am Markt zur Ausnützung der geschaffenen Zahlungsbereitschaft mit Hilfe geeigneter Massnahmen des Preis- und Verkaufsmanagements. Die Orientierung am Kundennutzen ist sowohl auf Kosten- wie auch auf Preisseite ein Einflusskriterium. Einerseits erlaubt eine kundennutzenorientierte Leistungsausgestaltung die Elimination von Kosten für die aus Kundenperspektive irrelevante Leistungen. Andererseits maximiert die Erbringung von kundennutzenrelevanten Leistungen die Zahlungsbereitschaft.90 Abbildung 4 fasst die vier Einflussgrössen und die damit verbundenen betriebswirtschaftlichen Forschungsfelder zusammen: 90 vgl. auch Kapitel 2.2.6 30 EINFÜHRUNG Abbildung 4: Einflussfaktoren für die Rentabilitätsoptimierung Forschungsfeld Kundennutzen Kostenmanagement Einflussfaktor Elimination von aus Kundensicht irrelevanten Leistungen Kosteneffiziente Leistungserbringung Senkung der Kosten der Leistungserbringung für After-Sales-Services Steigerung der Rentabilität von After- = 1 Sales-Services Steigerung des durch die After-Sales-Services verrechneten Preises Einflussfaktor Maximierung der Zahlungsbereitschaft durch kundennutzenorientierte Leistungsgestaltung Forschungsfeld Durchsetzung der Preise am Markt Kundennutzen / Preismanagement Quelle: Eigene Darstellung Um Optimierungen bei den in Abbildung 4 dargestellten Einflussfaktoren vornehmen zu können, ist die Kenntnis der theoretischen Grundlagen der mit diesen Einflussfaktoren verbundenen Forschungsfelder von Bedeutung. Dies ist einerseits das Forschungsfeld des organisationalen Kaufverhaltens, welches sich mit dem Beschaffungsprozess industrieller Käufer befasst. Es bietet den Rahmen für die Transaktionen, deren Rentabilisierung angestrebt wird. Innerhalb dieses Rahmens ist das Konzept des Kundennutzens relevant, welches sowohl die Kosten- wie auch die Preisseite der Rentabilitätsformel beeinflusst; einerseits hinsichtlich der Selektion von Leistungen und andererseits in Bezug auf deren Ausgestaltung. Als drittes Forschungsfeld wird das Preismanagement, sowohl hinsichtlich der Wahrnehmung und Interpretation von Preisen als auch in Bezug auf deren Durchsetzung, erörtert. Die theoretischen Grundlagen dieser Forschungsfelder werden im nachfolgenden Kapitel 2, Theoretische Grundlagen, untersucht. Das Forschungsfeld des Kostenmanagements wird in dieser Dissertation nicht grundsätzlich diskutiert, da allgemeine Erkenntnisse über eine kosteneffiziente Erbringung von Unternehmensleistungen auch auf After-Sales-Services anwendbar EINFÜHRUNG 31 sind und die hierzu vorhandene Forschung umfassend ist.91 Sämtliche Optimierungsmassnahmen werden jedoch unter dem Gesichtspunkt ihrer Kostenauswirkungen betrachtet. Die Verbindung der Zielsetzung, des Kontexts, der theoretischen Grundlagen und der Einflussfaktoren wird in der nachfolgenden Abbildung 5 in einen Bezugsrahmen gesetzt, wie dies von Tomczak92 als Orientierungshilfe für die forschungsgeleitete Lösung praktischer betriebswirtschaftlicher Probleme empfohlen wird. Die einzelnen Bestandteile des Bezugsrahmens werden in den nachfolgenden Kapiteln ausgeführt. 91 vgl. zum Kostenmanagement z.B. Blocher (2008) oder Plinke, Rese & Utzig (2015), spezifisch für Industrieunternehmen auch Grevener (1994). 92 Tomczak (1992, S. 84) Quelle: Eigene Darstellung Ausgangslage: Ungenügend rentable After-Sales-Services - Visualisierung von Wert und Kosten Kommunikation Umsatzerhöhung durch gesteigerte Zahlungsbereitschaft und konsequente Preisdurchsetzung Kontrolle - Präventive Diagnose - e-ServiceVereinbarungen Leistungssystem: Konfiguration und Kommerzialisierung Strategische Ausrichtung des Service-Portfolios Kostensenkung durch Elimination und kosteneffiziente Leistungserbringung - Kompetenzerweiterung im Service-Team Mitarbeitersystem: Kompetenz Optimierungsprozess Kontext: Mittelständische Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau in der Schweiz Kunde 32 EINFÜHRUNG Abbildung 5: Bezugsrahmen Ergebnis: Nachhaltig rentable After-Sales-Services EINFÜHRUNG 1.7 33 Aufbau der Arbeit Die Dissertation folgt dem dargestellten Ablauf in Abbildung 6. Alle Erkenntnisse aus den Studien sind direkt im Hauptteil der Arbeit integriert. Methodische Hilfsmittel werden im Anhang aufgeführt. Praktiker, welche sich einen Überblick über die Erkenntnisse verschaffen wollen, werden direkt auf die Kapitel 4 und 5 verwiesen. Abbildung 6: Aufbau der Arbeit Kapitel / Inhalt Theorie 1. Einführung Problemstellung Zielsetzung Forschungsmethodik 2. Theoretische Grundlagen Organisationales Kaufverhalten Kundennutzen Preismanagement Optimierungsprozesse 3. Kundennutzen von After-Sales-Services Ziele Methodik Resultate Diskussion Implikationen Forschungsmethode Ergebnis - Literatur-Review - Praxisproblem - Ziel der Arbeit - Forschungsfrage - Fallübergreifende Synthese - Kundensegmente - Themen - Opportunitäten - Beobachtungen - Org. Kaufverhalten - Kundennutzen - Preismanagement - CV-Modell Plausibilisierung 4. Optimierungsprozess zur Rentabilitätssteigerung - Expertengespräche - Spannungsfelder Zielkonflikte Anbieter - Kunden Optimierungsprozess - Fallbeispiele - Optimierungsprozess 5. Zusammenfassung und Schlussfolgerung Zusammenfassung Schlussfolgerung Limitationen Weiterführende Forschung - Implikationen bzgl. der Zielerreichung - Beantwortung der Forschungsfrage Quelle: Eigene Darstellung Nachdem im ersten Kapitel die Problemstellung, die Zielsetzung und die Definitionen festgehalten wurden, werden im zweiten Kapitel die theoretischen Grundlagen diskutiert. Darauf aufbauend wird im dritten Kapitel die Studie zum Kundennutzen von After-Sales-Services präsentiert. Basierend auf den Studienerkenntnissen wird unter Berücksichtigung von Zielkonflikten im vierten Kapitel der Optimierungsprozess ausgeführt, ehe im abschliessenden fünften Kapitel die Implikationen folgen. 34 2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN Theoretische Grundlagen Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die theoretischen Grundlagen, auf deren konzeptioneller Fundierung die Studie und der darauf aufbauende Optimierungsprozess basieren. 2.1 Kaufentscheidungsprozesse und Kaufverhalten 2.1.1 Kaufentscheidungen als Prozesse Als ein Kaufentscheidungsprozess im weiteren Sinne bezeichnet man den Gesamtprozess von der Wahrnehmung eines Produktes durch einen Konsumenten bis zum Produktkauf.93 In den Verhaltenswissenschaften existiert eine Vielzahl von Perspektiven zur Erklärung von Kaufprozessen, wobei sich diese vorwiegend auf Kaufprozesse bei Konsumenten fokussieren.94 Im organisationalen Kaufverhalten geniesst das aus der neobehavioristischen Forschung stammende Stimulus-Organismus-Response-Modell (S-O-R-Modell)95 als Partialerklärungsansatz Beachtung. Das S-O-R-Modell sieht die Kaufentscheidung des Konsumenten (Response) nicht im Kausalzusammenhang mit dem Einsatz von Marketinginstrumenten (Stimuli), sondern durch Konstrukte der individuellen Präferenz- und Nutzenbildung, wie Wahrnehmungen, Emotionen, Bedürfnisse und Motivationen, moderiert. Diese intervenierenden Variablen können nicht direkt beobachtet werden, lassen sich aber durch Rückschlüsse aus dem beobachteten Verhalten hypothetisch erklären. Die damit verbundenen Herausforderungen in der Reliabilität und Validität der beobachtbaren Variablen stellen zugleich den grössten Kritikpunkt an der Güte und Operationalisierbarkeit des S-O-R-Modells dar. Trotz dieser Limitation ist das S-O-R-Modell ein Ansatz, welcher eine inhaltliche Strukturierung für den als sogenannte Black-Box bezeichneten Prozess zwischen Stimulus und Response ermöglicht.96 Die in dieser Arbeit nachfolgend diskutierten verhaltenswis- 93 Kroeber-Riel & Gröppel-Klein (2013, S. 458) 94 Einen Überblick liefern Foscht & Swoboda (2011, S. 24) 95 Im deutschen Sprachraum ist auch die Bezeichnung S-I-R-Modell verbreitet, wobei das I die «intervenierende Variable» bezeichnet, vgl. z.B. Schauenburg (1999, S. 83). 96 Boetsch (2008, S. 53 f.); Foscht & Swoboda (2011, S. 23 f.); Freter (1979, S. 178); Herrmann (1992, S. 189 ff.) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 35 senschaftlichen Modelle zum Kaufentscheidungsprozess basieren auf dem S-O-RParadigma. 2.1.2 Kaufentscheidungsprozesse in Organisationen Kaufentscheidungsprozesse professioneller Käufer werden dem Forschungsfeld des organisationalen Kaufverhaltens zugeordnet, welches den verhaltensorientierten Ansätzen der Marketingforschung angehört. Dadurch ist dieses interdisziplinär gestaltet und verbindet Erkenntnisse aus den Disziplinen Psychologie und Soziologie mit der klassischen ökonomischen Lehre.97 Das organisationale Kaufverhalten setzt sich mit dem gesamten Beschaffungsverhalten von Organisationen auseinander, wobei der Kaufentscheidungsprozess im Zentrum steht. Das Beschaffungsverhalten von Organisationen unterscheidet sich vom Kaufverhalten privater Endabnehmer durch das Auftreten von organisationalen Nachfragern, deren Bedürfnis sich aus einer derivativen Nachfrage ergibt. Die Unternehmen werden durch Repräsentanten vertreten, womit multipersonelle Kaufentscheidungen stattfinden, welche sich durch formalisierte Prozesse mit hoher Komplexität, Rationalität und Interaktivität auszeichnen.98Auf Grund dieser markanten Unterschiede zum Business-to-Consumer-Kaufverhalten (B2CKaufverhalten) grenzt sich das organisationale Kaufverhalten als eigenes Forschungsfeld ab.99 Nach Backhaus & Voeth100 existieren zwei Arten von Modellen, welche als Erklärungsansätze für das Kaufverhalten von Unternehmen herbeigezogen werden können: Partialerklärungsversuche und Totalmodelle, wobei Letztere in Struktur- und Prozessmodelle untergliedert werden. Während die Partialerklärungsversuche sich auf einen Teilaspekt des Kaufverhaltens konzentrieren, wozu insbesondere Forschungsansätze zum Buying Center gehören, suchen die Totalmodelle nach einem Erklärungsansatz, welcher alle Einflussfaktoren des Beschaffungswesens beinhaltet und deren Zusammenwirken beschreibt. Während Strukturmodelle den Schwerpunkt auf die Zusammenstellung der einzelnen Einflussfaktoren legen, stellen die Prozessmodelle den 97 Kuss (2013, S. 217 ff.) 98 Backhaus & Voeth (2014, S. 8–9, 37); Schauenburg (1999, S. 2) 99 Kuss (2013, S. 218 f.) 100 Backhaus & Voeth (2014) 36 THEORETISCHE GRUNDLAGEN Ablauf des Kaufprozesses in den Mittelpunkt.101 Anschliessend wird je ein Partial- und ein Totalmodell vorgestellt, welches für die Erklärung von Wirkungszusammenhängen in dieser Arbeit zur Anwendung kommt. 2.1.2.1 Buying-Center-Modell Als Buying Center werden bestimmte Mitglieder einer Organisation oder Dritte bezeichnet, welche beim Kauf von Industriegütern als kollektives Entscheidungsgremium für die Durchführung der Einkaufsentscheidung verantwortlich sind.102 Die Zusammensetzung des Buying Centers variiert von Unternehmen zu Unternehmen sowie innerhalb des Unternehmens von Kaufentscheidung zu Kaufentscheidung. In einigen Fällen handelt es sich um ein Gremium mit formellem Status, in anderen um informelle Gruppen. Aus diesem Grund ist es aus Sicht des Verkäufers mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, die dem Buying Center angehörenden Personen zu identifizieren und die Machtstrukturen im Entscheidungsgremium zu kennen. Trotz der damit verbundenen Herausforderung ist die Kenntnis über die involvierten Personen, ihr Informations- und Entscheidungsverhalten, die Funktionsweise der Entscheidungsfindung im Gremium sowie den Umgang mit Präferenzkonflikten unerlässlich, da diese Faktoren Auswirkungen auf das Entscheidungsverhalten im Kaufprozess haben – und damit Ansatzpunkte für die Verhaltensbeeinflussung durch den Verkauf sind.103 In einem Buying Center werden gemäss dem Rollenmodell von Webster & Wind104 fünf Rollen unterschieden: Benutzer, Einkäufer, Beeinflusser, Entscheider und Informationsselektierer. 105 Durch die Kenntnis der Rolle der einzelnen Mitglieder im Buying Center ist es möglich, Rückschlüsse auf ihre Informationsbedürfnisse und Verhaltensweisen zu ziehen. 101 Backhaus & Voeth (2014, S. 43, 92) 102 Backhaus & Voeth (2014, S. 45) 103 Meffert et al. (2015, S. 99) 104 Webster & Wind (1972, S. 17) 105 Bei Webster & Wind (1972, S. 17) wird die letzte Rolle als «Gatekeeper» bezeichnet, was Backhaus & Voeth (2014, S. 52) mit dem Deutschen Begriff «Informationsselektierer» wiedergegeben. THEORETISCHE GRUNDLAGEN 2.1.2.2 37 Prozessmodell von Choffray & Lilien Das Prozessmodell von Choffray & Lilien106 folgt dem Kaufentscheidungsprozess in Organisationen. Es untergliedert diesen in drei Hauptphasen: Die erste Phase dreht sich um die Auswahl der realisierbaren Leistungsalternativen, welche durch die Informationsquellen (Kenntnis über die Alternative) sowie die Restriktionen aus der Umwelt und dem Unternehmen selbst moderiert werden. In der zweiten Phase bilden die Mitglieder des Buying Centers ihre individuellen Präferenzen, basierend auf den von ihnen angewandten Bewertungskriterien. In der dritten Phase wird die kollektive Kaufentscheidung gefällt, welche aus den im Buying Center vorhandenen Interaktions- und Machtstrukturen resultiert. Der Prozess ist nachfolgend schematisch abgebildet: Abbildung 7: Prozessmodell von Choffray & Lilien Buying Center OrganisationsErfordernisse 1) technischer Art 2) finanzieller Art Realisierbare Alternativen Bewertungskriterien 1) physischer Art 2) technologischer Art 3) ökonomischer Art 4) sozialer Art Bildung organisationaler Präferenzen Interaktionsstrukturen Bildung individueller Präferenzen Individuelle Entscheidungsträger im Buying Center Umweltrestriktionen Informationsquellen In Betracht gezogene Alternativen Organisationale Entscheidung Quelle: In Anlehnung an Choffray & Lilien (1978, S. 22) und Foscht & Swoboda (2011, S. 317) 106 Choffray & Lilien (1978, S. 20 ff.) 38 THEORETISCHE GRUNDLAGEN Die in Abbildung 7 erkennbaren Hauptphasen werden von Choffray & Lilien107 mit vier Entscheidungsmodellen verknüpft, welche die Autoren in ihrem Response-Modell zusammenfassen: Abbildung 8: Response-Modell Kontrollierbare Variablen Entscheidungsprozess Externe Einflussgrössen Alle verfügbaren Produktalternativen Marketing Support für das Produkt Awareness-Modell Kommunikationsverhalten im Buying Center Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt im Evoked Set ist Akzeptanz-Modell Produktmerkmale Umweltrestriktionen und Organisationserfordernisse Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt als realisierbar betrachtet wird Individuelle Bewertungsmodelle Wahrnehmung und Kriterien der Entscheidungsträger Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt von einem Mitglied des Buying Centers gewählt wird Gruppenentscheidungsmodelle Beteiligte Entscheidungsgruppen, Annahmen über die Beziehungsstrukturen Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt vom Buying Center gewählt wird Quelle: In Anlehnung an Choffray & Lilien (1978, S. 23) und Foscht & Swoboda (2011, S. 318) Im Awareness-Modell berechnen die Autoren auf Grund der Marketingaktivitäten der Produkthersteller und der Kommunikation zwischen den Mitgliedern des Buying Centers die Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt wahrgenommen und als mögliche Alternative berücksichtigt wird. Diese Teilmenge der möglichen Alternativen wird als Evoked Set bezeichnet. Im Akzeptanz-Modell werden die jeweiligen Produkteigenschaften den Umweltrestriktionen und den Organisationserfordernissen gegenübergestellt. Aus der Gegenüberstellung resultiert eine Teilmenge der Produkte, welche alle zwingenden Kriterien erfüllen. Mittels individueller Bewertungsmodelle nehmen die Mitglieder des Buying Centers eine Evaluation der Produkte vor. Hierbei gilt es zu beach- 107 Choffray & Lilien (1978, S. 23 ff.) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 39 ten, dass erhebliche Wahrnehmungsunterschiede beobachtet werden können und das Marketing des Anbieters die individuelle Entscheidungsfindung beeinflusst. Im letzten Gruppenentscheidungsmodell fällen die Mitglieder unter vorherrschenden Machtstrukturen eine kollektive Kaufentscheidung unter jenen Produkten, welche zuvor in der Individualbewertung als gewinnbringende Alternativen bewertet wurden.108 Beim Kaufprozess von After-Sales-Services gilt es zu beachten, dass die Entscheidung über ihren Bezug während des Evaluationsprozesses des Investitionsgutes geschehen kann, wenn z.B. bei Kaufabschluss ein Service- oder ein Wartungsvertrag abgeschlossen wird, oder erst zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. nach Ablauf der Garantiezeit einer Anlage oder beim ersten Ausfall einer Maschine. 2.2 Kundennutzen Wie aus dem Konzept des Buying Centers und aus dem Prozessmodell von Choffray & Lilien hervorgeht, werden individuelle und kollektive Präferenzen über Produktbzw. Serviceeigenschaften als Entscheidungskriterien im Kaufprozess beigezogen. Diese formen den Berührungspunkt zwischen dem organisationalen Kaufverhalten und dem Konzept des Kundennutzens. 2.2.1 Das Konzept des Kundennutzens Der Begriff des Kundennutzens wird in der Literatur nicht eindeutig verwendet:109 Im deutschen Sprachgebrauch wird der Begriff oft als Synonym mit Kundenwert110 und Kundenvorteil111 verwendet, während im englischen Begriff «Customer Value» die Bedeutungen aller deutschen Begriffe enthalten sind. Eine von Woodruff112 geführte Diskussion zum englischen Ausdruck Customer-Value zeigt, dass es eine Reihe von Gemeinsamkeiten gibt, welche mit dem Customer-Value in Verbindung gebracht werden: 108 Choffray & Lilien (1978, S. 24 f.); Foscht & Swoboda (2011, S. 318 f.) 109 Belz & Bieger (2006, S. 85 ff.) 110 z.B. Matzler (2000, S. 289) 111 z.B. Belz & Bieger (2006, S. 85) 112 Woodruff (1997, S. 141) 40 THEORETISCHE GRUNDLAGEN - Customer-Value wird mit der Nutzung eines Produkts in Verbindung gebracht und verfügt über keine wertende Komponente. - Die Perspektive des Customer-Values ist jene des Käufers, nicht jene des Verkäufers. - Customer-Value beinhaltet stets die Abwägung zwischen dem Wertzuwachs beim Kunden und den dafür notwendigen Aufwendungen des Kunden. Sowohl Belz & Bieger113 wie auch Matzler114 weisen jedoch darauf hin, dass der Begriff Customer-Value (Belz et al.) bzw. Kundenwert (Matzler) in der betriebswirtschaftlichen Literatur sowohl aus Unternehmensperspektive, d.h. die Profitabilität des Kunden für das Unternehmen, als auch aus Kundenperspektive, d.h. als den vom Kunden wahrgenommenen Wert einer Leistung des Unternehmens, verstanden werden kann. Während Matzler den Begriff des «Kundenwerts»115 für sich als Letzteres definiert, integrieren Belz et al. in den Begriff «Customer-Value» beide Perspektiven, d.h. den Wert des Kunden für das Unternehmen (Kundenwert) und den wahrgenommenen Wert einer Leistung aus Sicht des Kunden (Kundenvorteil).116 Das Konzept des Kundennutzens grenzt sich von einer isolierten Betrachtung von Kundenzufriedenheit und Qualität ab: Während bei Kundenzufriedenheit das Erwartungs-Diskonfirmations-Paradigma117 vorherrschend ist, betrachtet Kundennutzen die Diskrepanz zwischen dem wahrgenommenen Nutzen einer Unternehmensleistung und den dafür vom Kunden wahrgenommenen Aufwendungen (Kosten) im Vergleich zur Konkurrenz.118 Der Einbezug von Mitbewerbern bei der Evaluation von Nutzen durch den Kunden ist infolgedessen ein wesentlicher Aspekt von Kundennutzen, da der 113 Belz & Bieger (2006, S. 86) 114 Matzler (2000, S. 289, 306) 115 Matzler (2000, S. 306) 116 Belz & Bieger (2006, S. 86) 117 Dies bedeutet, dass Zufriedenheit aus einer Gegenüberstellung des wahrgenommenen Nutzens und der erwarteten Qualität resultiert. Für weitere Ausführungen zum Erwartungs-DiskonfirmationsParadigma vgl. zum Beispiel die Dissertation von Faullant (2007, S. 18 ff.). 118 Matzler (2000, S. 290) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 41 Kunde in einem monopolistischen Marktumfeld keinen Leistungsvergleich anstellen kann. 119 In dieser Dissertation wird das deutsche Wort «Kundennutzen» verwendet und, wie bei Schauenburg,120 als der vom Kunden wahrgenommene Nutzen einer Unternehmensleistung, welcher als Diskrepanz zu den wahrgenommenen Kosten unter Einbezug eines Wettbewerbsvergleiches entsteht, verstanden. Die Definition ist damit inhaltlich deckungsgleich mit dem «Kundenvorteil» (Belz et al.) und dem «Kundenwert» (Matzler). 2.2.2 Wissenschaftstheoretische Einordnung von Kundennutzen Der definierte Begriff des Kundennutzens geht auf die ökonomische Nutzentheorie zurück. Diese betrachtet das menschliche Verhalten als nutzengelenkt; Individuen versuchen mit ihrem Verhalten ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Der Kundennutzen ist dabei eine rationale und eindeutig messbare Beurteilungsgrösse, welche der Nutzenevaluation eines Individuums bzw. eines Käuferkollektivs zu Grunde liegt.121 Eine reine Betrachtung von Kundennutzen aus Sicht der ökonomischen Nutzentheorie wäre aus Sicht der Praxis nicht gewinnbringend, da Menschen in der Realität auf Grund von unvollständigen Informationen und des Einbezugs von subjektiven Kriterien nicht vollkommen rational handeln.122 Als Ergänzung zur ökonomischen Nutzentheorie wird der Kundennutzen als verhaltenswissenschaftliches Konstrukt betrachtet, in welchem die individuelle Wahrnehmung und Beurteilung des Kunden den Nutzen determiniert.123 2.2.3 Entstehung von Kundennutzen Wie eingangs124 diskutiert, ergibt sich der Kundennutzen aus der Diskrepanz zwischen dem wahrgenommenen Nutzen für eine Leistung und den dafür wahrgenommenen 119 Schauenburg (1999, S. 5, 24) 120 Schauenburg (1999, S. 5) 121 Teichert (2001, S. 23) 122 Schauenburg (1999, S. 37) 123 Boetsch (2008, S. 25) 124 vgl. Kapitel 2.2.1 42 THEORETISCHE GRUNDLAGEN Kosten aus Perspektive des Kunden unter Einbezug von Wettbewerbsangeboten. Matzler125 stellt den Zusammenhang der Einflussgrössen, welche die Entstehung von Kundennutzen steuern, wie folgt dar: Abbildung 9: Entstehung des Kundennutzens Zufriedenheit/ wahrgenommener Nutzen der Alternative Erwartungen wahrgenommene materielle Leistung wahrgenommene immaterielle Leistung Diskonfirmation Zufriedenheit/ wahrgenommener Nutzen wahrgenommener Kundennutzen wahrgenommene materielle Kosten wahrgenommene immaterielle Kosten gesamte wahrgenommene Kosten wahrgenommene Kosten der Alternative Quelle: In Anlehnung an Matzler (2000, S. 293) Wie aus Abbildung 9 zu entnehmen ist, wirken vier Einflüsse direkt auf den Kundennutzen: Kosten und Nutzen der vom Unternehmen offerierten Leistung sowie Kosten und Nutzen der offerierten Leistungen des Wettbewerbs. 2.2.3.1 Bewertung von Nutzen Der Begriff Qualität ist eng mit dem Konstrukt des Kundennutzens verbunden, da die Beurteilung der Qualität einer Leistung deren Nutzeneinschätzung mitbestimmt. Die verhaltensorientierte betriebswirtschaftliche Forschung betrachtet Qualität aus Perspektive des Kunden und damit als eine Gegenüberstellung von Erwartungen und wahrgenommener materieller und immaterieller Leistung: Übersteigt die wahrgenommene Leistung die Erwartung, entsteht eine positive Diskonfirmation. Bleibt die Leistung hingegen unter den Erwartungen, entsteht eine negative Diskonfirmation.126 125 Matzler (2000, S. 293) 126 Boetsch (2008, S. 37 f.); Matzler (2000, S. 290 ff.) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 43 Schauenburg127 nimmt eine weitere Untergliederung der Zusammensetzung von Nutzen vor, indem er diesen aufteilt in einen tatsächlichen Produktnutzen, welcher nach expliziten Kriterien bewertet wird, und eine Marktposition des Anbieters, welche nach impliziten Kriterien bewertet wird. Dabei definiert er den - Produktnutzen als die vom Kunden messbaren Kriterien einer Leistung, welche sich weiter in technischen, kommerziellen und operationellen Produktnutzen unterteilen lassen, und die - Marktposition als eine Grösse die dazu dient, die Informationsdefizite eines Kunden zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung zu kompensieren. Schauenburg128 argumentiert, dass der «Wissensstand eines Kunden über die Konsequenzen [von] dessen Kaufentscheidung» (S. 7) das Verhältnis zwischen dem wahrgenommenen Produktnutzen und der Marktposition des Anbieters moderiert. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass in der Realität Situationen eintreten, in welchen Entscheidungsträger auf Grund von unvollständigem Wissen nur beschränkt rationale Entscheidungen treffen können. Je höher die mit der Kaufentscheidung verbundene Unsicherheit auf Grund eines tiefen Wissensstandes ist, umso höher wird der Kunde in seiner Evaluation die Marktposition des Anbieters gewichten – und vice versa (S. 39). Mit dem Einbezug der Marktposition in die Evaluation von Kundennutzen wird in der Regel eine Risikominderungserwartung einkalkuliert. In organisationalen Kaufentscheidungsprozessen, in welchen auf Grund persönlicher Karriereüberlegungen ein risikominimierendes Entscheidungsverhalten vorteilhaft sein kann, nimmt dies eine wichtige Rolle ein (S. 7, 80). 2.2.3.2 Bewertung von Kosten Der Einbezug der Kostenperspektive grenzt den Kundennutzen von der reinen Betrachtung von Qualität und Kundenzufriedenheit ab: Entscheidend ist für den Kunden letztendlich das subjektiv wahrgenommene Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen. Diese Kosten können sowohl materieller Art sein, wie z.B. Geldleistungen, oder immaterieller Art, wie z.B. Zeitaufwand oder psychische Kosten.129 Insbesondere Belz et 127 Schauenburg (1999, S. 7 ff.) 128 Schauenburg (1999) 129 Boetsch (2008, S. 32) 44 THEORETISCHE GRUNDLAGEN al.130 weisen darauf hin, dass umfassende Leistungsangebote aus Kundensicht gleichzeitig mit Kosten und Risiken verbunden sind. So ist z.B. ein umfassendes Angebot an Dienstleistungen, welches vom Kunden nicht vollumfänglich genutzt wird, aus dessen Perspektive eine Subventionierung von Leistungen anderer Kunden; ebenso ist eine massgeschneiderte Dienstleistung in der Regel mit einer intransparenten Preisfindung verbunden. 2.2.3.3 Bewertung von Alternativen Die aus Perspektive des Kunden vorgenommene Bewertung von Kosten und Nutzen misst sich an den Leistungen des Wettbewerbs. Gale & Wood131 stellen diesen Vergleich mit Hilfe der «Customer Value Map» dar, in welcher sie den relativen Preis einer Leistung deren relativem Kundennutzen gegenüberstellen. Die nachfolgende Abbildung 10 zeigt dies schematisch: Relativer Preis Abbildung 10: Customer-Value Map Niedriger wahrgenommener Kundennutzen 3 4 1 Hoher wahrgenommener Kundennutzen 2 Relativer Kundennutzen Quelle: In Anlehnung an Gale & Wood (1994, S. 220) Mit Hilfe der Customer-Value Map lassen sich Produktalternativen von Anbietern hinsichtlich ihres Kundennutzens klassifizieren. Dem ökonomischen Verständnis der 130 Belz & Bieger (2006, S. 93 f.) 131 Gale & Wood (1994, S. 217 ff.) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 45 Nutzenmaximierung folgend wird ein Käufer in der in Abbildung 10 dargestellten Situation in Produkt 2 und 3 einen gleichwertigen Nutzen feststellen, da sich beide auf der Gleichgewichtslinie befinden, und diesen Nutzen über denjenigen von Produkt 1 stellen, welches ein mangelhaftes Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist. Die nutzengeleitete Wahl ist aber Produkt 4, welches zwar nicht über den höchsten Nutzen verfügt, jedoch über das beste wahrgenommene Kosten-Nutzen-Verhältnis.132 Aus den Ausführungen zur Entstehung des Kundennutzens lässt sich festhalten, dass durch den Einbezug von wahrgenommenen Kosten und Alternativen in das Konzept des Kundennutzens ersichtlich wird, dass eine Leistungsmaximierung nicht automatisch einer Nutzenoptimierung entspricht. Vielmehr ist ein Leistungsoptimum zu suchen, bei dessen Bestimmung die Zahlungsbereitschaft des Kunden einbezogen werden muss. 133 2.2.4 Kundennutzen im Kaufentscheidungsprozess Belz et al.134 weisen darauf hin, dass eine prozessorientierte Betrachtung von Kundennutzen wichtig ist, da ein Kunde je nach Phase des Kaufprozesses Produktkriterien unterschiedlich gewichten wird. Generisch betrachtet spielt der Kundennutzen an zwei Orten im Kaufprozess eine wichtige Rolle, was sich mit dem Response-Modell von Choffray & Lilien135 visualisieren lässt. 136 Einerseits sieht man die Verbindung zum Kundennutzen in der Vorkaufphase in den Produktmerkmalen, welche auf das Akzeptanz-Modell und das individuelle Bewertungsmodell wirken. Hier findet der Abgleich der Nutzen- und Kosteneigenschaften mit den Angeboten der einzelnen Wettbewerber statt. Diese werden zuerst an den Erfordernissen von Umwelt und Organisation und im Anschluss an den individuellen Ansprüchen der Buying-Center-Mitglieder gemessen. In der Nachkaufphase bilden sich Präferenzen für den Wiederkauf des Produkts oder den Bezug von After-Sales-Services, welche aus einer Beurteilung des effektiv wahrgenommenen Nutzens während der Nutzungsphase resultieren. Boetsch137 weist darauf 132 Boetsch (2008, S. 44) 133 Hildenbrand et al. (2006, S. 83), vgl. auch Kapitel 2.3 134 Belz & Bieger (2006, S. 94) 135 vgl. Kapitel 2.1.2.2 / Abbildung 7/8 136 Boetsch (2008, S. 55) 137 Boetsch (2008, S. 57) 46 THEORETISCHE GRUNDLAGEN hin, dass die der Bewertung und Gewichtung des Kundennutzens zu Grunde liegenden Kriterien in der Vor- und der Nachkaufphase nicht identisch sind, da der Kunde über unterschiedliche Informationen verfügt. 2.2.5 Kundennutzen visualisieren: Value Selling Da Kundennutzen sich über den wahrgenommenen Wert einer Leistung beim Kunden bemisst, ist dessen Visualisierung durch die vertriebsaktiven Mitarbeitenden des Unternehmens ein Erfolgsfaktor für kundennutzengeleitete Strategien. Ein kundennutzenorientierter Ansatz, welcher vornehmlich bei komplexen Verkaufsprozessen im Business-to-Business-Markt (B2B-Markt) angewendet wird, ist das Konzept des Value Sellings.138 Das Ziel von Value Selling ist es, «die eigenen Leistungen nach ihrem Wert für Kunden zu verkaufen. Dazu gilt es, die Mehrwerte für Kunden sichtbar und wichtig zu machen. Es geht darum, das Werterlebnis des Kunden zu steigern.»139 Value Selling stellt den Anspruch, dass die beim Kunden hervorgehobenen Mehrwerte messbare Erfolgsfaktoren mit positiver Wirkung auf Bilanz und/oder Gewinn beim Kunden sind.140 Value Selling folgt dabei stets einem systematischen Prozess, welcher sich zwischen einer Verkaufsstrategie und operationalisierbaren Verhaltensanweisungen für Vertriebsmitarbeitende positioniert. 141 Die Umsetzung von Value Selling im Unternehmen ist umfassend: Sie betrifft nicht nur den Verkauf, sondern sämtliche Personen mit Kundenkontakt. Thematische Schwerpunkte für Optimierungen liegen beim Value Selling in der Professionalisierung der Verkaufsaktivitäten, der Kundensegmentierung und der Gestaltung der Vorteile für die einzelnen Segmente sowie in der Kundeninteraktion.142 Ein weiteres Instrument zur Visualisierung von Nutzen ist die aus dem Value-Based Pricing stammende Kundennutzenrechnung. Mit diesem Instrument versuchen Anbieter komplexer Lösungen den durch ihre Leistung entstandenen Wert in der Wertschöp138 Artmann (2014, S. 14) 139 Belz (2006, S. 7) 140 Kaschek (2014, S. 4) 141 Artmann (2014, S. 4) 142 Belz (2006, S. 11 ff.) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 47 fung des Kunden abzubilden und monetär zu bewerten. Die Kundennutzenrechnung dient damit sowohl der Wertvisualisierung und der Preisfindung wie auch als ein Argumentarium um Preise am Markt durchzusetzen. Der Nachteil ist der mit ihr verbundene Aufwand, da die Kundennutzenrechnung typischerweise für jedes Projekt neu konfiguriert werden muss und eine Kooperationsbereitschaft des Kunden voraussetzt.143 2.2.6 Verbindung von Kundennutzen und Rentabilität Um langfristig am Markt erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen nachhaltige Wettbewerbsvorteile schaffen können, indem sie für ihre Kunden ein Angebot kreieren, welches aus deren Sicht allen verfügbaren konkurrierenden Alternativen überlegen ist.144 Der Weg zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil führt demnach über eine «Synchronisierung von Unternehmensleistung und Marktbedürfnissen.»145 Anbieter müssen ihre Produkte so ausgestalten, dass sie bestmöglich zu den Bedürfnissen der Kunden passen, oder anders ausgedrückt: Die Unternehmen müssen Kundennutzen generieren.146 Der Zusammenhang zwischen der Generierung von Kundennutzen und dem wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen wurde in verschiedenen Studien direkt und indirekt untersucht. Boetsch147 hat diese zusammengefasst und den Zusammenhang anhand einer Wirkungskette aufgeschlüsselt:148 143 Voeth & Rabe (2004, S. 1032) 144 Porter (1985, S. xv) 145 Schauenburg (1999, S. 1) 146 Narver & Slater (1990, S. 21) 147 Boetsch (2008) 148 vgl. ergänzend auch Hinterhuber & Hinterhuber (2009, S. 39); Hahn (2002, S. 111 ff.) 48 THEORETISCHE GRUNDLAGEN Abbildung 11: Wirkungskette Kundennutzen Belz & Bieger (2004)*, Laitamäki & Kordupleski (1997), Slater (1997)*, Slywotzky (1997)*, Gale (1994) Huber, Herrmann & Morgan (2001)*, Woodruff & Gardial (1996)* 1 Customer Value Kundenloyalität Markterfolg des Unternehmens Wirtschaftlicher Erfolg des Unternehmens Rust & Zahorik (1993)* Buzzell & Gale (1987) Reichheld & Sasser (1990)* 1 Petrick (2002), Kashyap & Bojanic (2000), Cronin, Brady & Hult (2000), Cronin, Brady, et al. (1997), Gale (1994), Bolton & Drew (1991), Zeithaml (1998) * = Studie basiert nicht auf einem empirischen Test Quelle: Boetsch (2008, S. 48) Wie aus Abbildung 11 ersichtlich wird, ist ein kundennutzenoptimiertes Verhalten des Unternehmens ein Treiber für den wirtschaftlichen Erfolg. Dies bedeutet im Kontext der Rentabilisierung von After-Sales-Services, dass die optimale Ausrichtung des After-Sales-Services-Portfolios auf den Kundennutzen letztendlich zu einer Leistungsrentabilisierung führt. 2.3 Preismanagement Eine Diskussion der theoretischen Konzepte des Preismanagements ist aus zweierlei Gründen für eine Optimierung der Rentabilität von After-Sales-Services von Interesse. Einerseits bietet das Preismanagement Ansatzpunkte zur Maximierung der Zahlungsbereitschaft des Kunden: Dort ist es eng mit dem vorgängig diskutierten Konzept des Kundennutzens verbunden. Andererseits findet man im Preismanagement Strategien zur Durchsetzung von Preisen am Markt, mit Hilfe welcher versucht wird, die beim Kunden maximierte Zahlungsbereitschaft bestmöglich abzuschöpfen. Nachfolgend werden als Teil des Preismanagements das Konzept der Zahlungsbereitschaft und seine Verbindung zum Kundennutzen aus Perspektive der Mikroökonomie und der Ver- THEORETISCHE GRUNDLAGEN 49 haltenstheorie diskutiert, ehe im Anschluss spezifische Themen im Preismanagement von After-Sales-Services betrachtet werden. 2.3.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung von Zahlungsbereitschaft Unter der Zahlungsbereitschaft ist gemäss Niederauer149 der «maximale Betrag zu verstehen, den ein Nachfrager in einer Kauf- bzw. Beschaffungssituation gerade noch als Preis für eine bestimmte Leistung akzeptieren würde.» Die Zahlungsbereitschaft ist dieser Definition folgend ein subjektiver Wert, welcher der Käufer einem Produkt bzw. einer Dienstleistung für eine definierte Menge zuweist.150 Anders als bei einem Preis handelt es sich bei der Zahlungsbereitschaft um eine Kundeninformation. Die zwei in dieser Dissertation verwendeten wissenschaftlichen Perspektiven betrachten einen anderen Aspekt der Zahlungsbereitschaft:151 - Aus Perspektive der mikroökonomischen Preistheorie steht das Verhältnis von Kundennutzen und Zahlungsbereitschaft im Mittelpunkt, d.h. es geht um die Frage, wie sich der Preis auf den Absatz auswirkt. - Aus verhaltenstheoretischer Perspektive wird Zahlungsbereitschaft als ein psychologischer Prozess des Preisverhaltens diskutiert, in welchem Aspekte wie Wahrnehmung, Bewertung, Kenntnis und Fairness von Preisen interessieren. Im Folgenden wird Zahlungsbereitschaft einzeln aus beiden Perspektiven betrachtet. 2.3.2 Zahlungsbereitschaft in der mikroökonomischen Preistheorie Aus mikroökonomischer Sicht ist Zahlungsbereitschaft das Resultat von wahrgenommenem Kundennutzen. Die Mikroökonomie bedient sich dabei des StimulusResponse-Modells (S-R-Modell), wobei der Preis als Stimulus zu einer direkten Reaktion beim Absatz (Response) führt. Infolgedessen muss ein Unternehmen, um mit seinen Leistungen am Markt erfolgreich zu sein, in der Phase der Produkt- bzw. Serviceentwicklung ein Leistungsbündel generieren, dessen Preis die vorhandene Zahlungsbe149 Niederauer (2009, S. 1) 150 Wertenbroch & Skiera (2002, S. 228) 151 Simon & Fassnacht (2009, S. 85) 50 THEORETISCHE GRUNDLAGEN reitschaft des Kunden nicht übersteigt. Hierbei gilt zu beachten, dass die einzelnen Bestandteile eines Leistungsbündels mit separaten Zahlungsbereitschaften versehen werden können.152 Simon & Damian153 beschreiben den Zusammenhang wie folgt: «Die Messung des Kundennutzens und der daraus resultierenden Preisbereitschaft bilden die Basis für jede fundierte Preisentscheidung.» Es gibt unterschiedliche Konzepte, welche Zahlungsbereitschaft und Kundennutzen miteinander verbinden. Zwei davon werden hier vorgestellt: 2.3.2.1 Target Pricing Das Target Pricing setzt die Zahlungsbereitschaft an den Beginn jeglicher Produktund Preisgestaltung und richtet diese unbeirrt am Kundenbedürfnis aus. Die Gestaltung des Produkt- bzw. Serviceportfolios beginnt entsprechend bei einem Zielpreis, welcher auf Grund von Marktinformationen festgelegt werden muss. Die Ausgestaltung des Leistungsbündels mit seinen einzelnen Bestandteilen darf somit den Zielpreis nicht überschreiten.154 Da Kunden unterschiedliche Nutzenwerte und Zahlungsbereitschaften haben, lohnt es sich, zu Beginn des Prozesses den Markt in Kundensegmente zu unterteilen, welche mit unterschiedlichen Produkten bzw. Services bedient werden. Wenn ein Anbieter seine Preise nahe an der maximalen Zahlungsbereitschaft positioniert, kann er seine Erträge optimieren. 155 Beim Target Pricing geht man davon aus, dass die Summe der Zahlungsbereitschaften für die einzelnen Bestandteile eines Leistungsbündels einen Zielpreis ergeben, welcher die Zielgrösse für die Durchsetzung eines Preises am Markt vorgibt. Ein Zielpreis kann als Aggregation oder für jeden Produkt- bzw. Servicebestandteil einzeln erhoben werden. Zieht man von ihm die vom Unternehmen angestrebte Marge ab, erreicht man die Zielkosten. Bei der Produkt- bzw. Servicegestaltung wird im Target Pricing darauf geachtet, dass kein Leistungsmerkmal seine Zielkosten übersteigt, weil es dann zu einem Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen kommt. Sollte dies der Fall sein, 152 Siems (2009, S. 88); Simon & Fassnacht (2009, S. 85) 153 Simon & Damian (1999, S. 159) 154 Das «Target Pricing» wird in der Forschung auch als «Target Costing» bezeichnet und nach dem Grundsatz umgesetzt, dass eine Leistung die Zielkosten nicht übersteigen darf. Vgl. z.B. Plinke et al. (2015, S. 249 ff.) oder Siems (2009, S. 71 ff.). 155 Coenenberg, Fischer & Schmitz (1998, S. 373); Simon & Fassnacht (2009, S. 85 f.) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 51 sind solche Produktmerkmale zu eliminieren oder zu modifizieren. Durch die konsequente Anwendung von Target Pricing können sich Unternehmen auf Leistungen konzentrieren, die profitabel erfüllbar sind.156 2.3.2.2 Kano-Modell Das Kano-Modell wurde entwickelt, um den Zusammenhang zwischen Kundennutzen und daraus resultierender Zahlungsbereitschaft zu visualisieren. Das Kano-Modell basiert auf der Hypothese, dass die einzelnen Merkmale einer Leistung nicht immer proportional auf den Kundennutzen wirken. Es wird dabei eine Trennung von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen des Kunden vorgenommen. Während bei Ersteren eine im Konkurrenzvergleich überdurchschnittliche Leistung nicht mit zusätzlicher Zahlungsbereitschaft honoriert wird, geht man bei den Leistungsanforderungen von einem linearen Anstieg der Zahlungsbereitschaft mit zusätzlichem Kundennutzen aus. Von besonderem Interesse sind aber die Begeisterungsanforderungen der Kunden, bei welchen die Zahlungsbereitschaft überproportional zum Leistungsniveau steigt. Sie sind aus Sicht einer Rentabilitätsoptimierung im Leistungsbündel von besonderem Interesse.157 Nachfolgende Abbildung 12 zeigt die Zusammenhänge schematisch auf: 156 Homburg & Daum (1997, S. 107 ff.); Simon & Fassnacht (2009, S. 86) 157 Hinterhuber & Hinterhuber (2009, S. 19–23); Simon & Fassnacht (2009, S. 87 f.) 52 THEORETISCHE GRUNDLAGEN Abbildung 12: Kano-Modell Kunde sehr zufrieden, begeistert Begeisterungsanforderungen Leistungsanforderungen Erwartungen nicht erfüllt Erwartungen übertroffen Basisanforderungen Kunde sehr unzufrieden enttäuscht Quelle: Simon & Fassnacht (2009, S. 87) Die Limitation der kundennutzengeleiteten Preisbestimmung besteht im Wettbewerbsumfeld des Unternehmens. Kommt es beispielsweise zu einer preislichen Unterbietung durch einen Mitbewerber, kann dies den Zielpreis eines Leistungsmerkmals senken, da die Zahlungsbereitschaft des Kunden durch das Wettbewerbsangebot beeinflusst ist. Entsprechend sind neben Kundeninformationen auch Wettbewerbsinformationen eine wichtige Steuerungsgrösse für eine kundennutzengeleitete Preispolitik. 158 2.3.3 Zahlungsbereitschaft aus verhaltenstheoretischer Perspektive Während sich die mikroökonomische Perspektive auf die Wechselwirkungen von Preis und Absatzmenge in einer direkt abhängigen Stimulus-Response-Beziehung beschränkt, existieren in den neobehavioristischen Verhaltenswissenschaften anstelle 158 Simon & Fassnacht (2009, S. 89) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 53 eines geschlossenen Erklärungsmodells mehrere Theorien,159 welche sich des S-O-RParadigmas zur Erklärung der Preistheorie bedienen.160 Die vorhandenen Theorien, Konzepte und Modelle stammen ursprünglich aus dem Konsumgüterbereich, in welchem die Preisforschung stärker verankert ist als im Industriegüterbereich.161 Da aber der B2B-Verkauf immer mehr Elemente des B2C-Verkaufs übernimmt und auch das Buying Center eine Zusammensetzung von Individuen ist, welche auf Stimuli individuell reagieren, leisten einige von ihnen auch im industriellen Kaufprozess einen Erklärungsbeitrag.162 Zusätzlich kommen im industriellen Kaufprozess Aspekte hinzu, welche im Konsumgüterbereich kaum vorhanden sind, wie z.B. die Wirtschaftlichkeitsrechnungen und die Preisverhandlungen.163 Es werden nachfolgend jene Theorien betrachtet, welche einen Erklärungsbeitrag für den B2B-Kaufentscheidungsprozess leisten. Dies sind die Preiswahrnehmung, die Preisfairness sowie Strategien zur Preisdurchsetzung. 2.3.3.1 Preiswahrnehmung Gemäss Diller164 beschäftigt sich die Preiswahrnehmung mit der Aufnahme von Preisinformationen durch den Kunden. Die Preisinformationen setzen sich aus objektiven Preisen und subjektiven Preiseindrücken zusammen. Die zentrale Theorie zur Preiswahrnehmung ist die Adaptionsniveautheorie, welche auf Helson165 zurückgeht und besagt, dass die Käufer einen Stimulus im Verhältnis zu dem bei ihm vorherrschenden Adaptionsniveau beurteilt, wobei das Adaptionsniveau ein Produkt der beim Käufer vorhandenen preisbezogenen Informationen ist.166 Die Adaptionsniveautheorie bildet die Grundlage für die darauf aufbauende Theorie der Referenzpreise. Diese besagt, dass die Preiswahrnehmung des Nachfragers nicht absolut, sondern im Verhältnis zu dem beim Kunden vorhandenen Referenzpreis stattfindet. Dieser Referenzpreis ent159 Eine Übersicht bietet z.B. Simon & Fassnacht (2009, S. 145 ff.) oder Pechtl (2014, S. 31 ff.) 160 Pechtl (2014, S. 31) 161 Simon & Fassnacht (2009, S. 443) 162 Wiechmann (1995, S. 24); Haehnel (2011, S. 13 ff.) 163 Homburg & Jensen (2004, S. 492) 164 Diller (2008, S. 120) 165 Helson (1964) 166 Mazumdar, Raj & Sinha (2005, S. 85) 54 THEORETISCHE GRUNDLAGEN spricht dem vom Kunden subjektiv erwarteten Preis für die Leistung: Weicht ein offerierter Preis vom Referenzpreis ab, wird er entsprechend als zu hoch (Verlust für den Kunden) bzw. zu tief (Gewinn für den Kunden) beurteilt.167 Unterschiedliche Faktoren beeinflussen das Zustandekommen eines Referenzpreises. Zu den bedeutendsten unter ihnen gehören die beim Kunden vorhandenen Erfahrungen, wozu insbesondere in der Vergangenheit wahrgenommene Preise für die Produkte dazugehören. Mazumdar, Raj & Sinha168 stellen jedoch fest, dass der Einbezug vergangener Erfahrungen im Investitionsgüterbereich von geringerer Bedeutung ist und von Kenntnissen des Kunden über Wettbewerbspreise, Preise für unterschiedliche Leistungskonfigurationen von Produkten sowie über Technologien, die in den Produkten einzelner Hersteller verwendet werden, übersteuert wird. Ebenfalls mit der Preiswahrnehmung verbunden ist die Qualität einer Leistung; der Preis kann diese in der Funktion eines Qualitätsindikators unterstützen. 169 Die Qualität und der Preis sind in der subjektiven Wahrnehmung des Kunden unter bestimmten Bedingungen zwei miteinander verbundene Grössen. Die Funktion des Preises als Qualitätsindikator ist dann gegeben, wenn beim Nachfrager wenig Erfahrungen mit dem Produkt bzw. dessen Anwendungsfeld vorhanden sind, eine hohe Komplexität vorliegt oder ein hohes wahrgenommenes Kaufrisiko besteht: In diesen Fällen kann ein hoher Preis als positives Qualitätssignal fungieren und eine positive Wirkung auf die Kaufentscheidung haben.170 2.3.3.2 Preisfairness Eng mit der Preiswahrnehmung und der Preiszufriedenheit verbunden ist die wahrgenommene Preisfairness. Friesen171 definiert deren Entstehung wie folgt: 167 Mazumdar et al. (2005, S. 85); Diller (2008, S. 122 f.); Simon & Fassnacht (2009, S. 155 f.). Die mit der Theorie der Referenzpreise verwandte Prospect-Theory verbindet das theoretische Konzept der Referenzpreise mit der Nutzentheorie, da sich subjektiv wahrgenommene Gewinne und Verluste relativ zum Referenzpreis als Nutzenfunktion darstellen lassen, welche Aufschluss über die absehbare Kaufentscheidung des Konsumenten geben kann (Diller, 2008, S. 141). 168 Mazumdar et al. (2005, S. 87) 169 Diller (2008, S. 114–117); Siems (2009, S. 270) 170 von Gizycki (2000, S. 128) 171 Friesen (2008, S. 43) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 55 «Die wahrgenommene Preisfairness eines Konsumenten entspringt dem fortwährenden Vergleich des tatsächlichen Verkaufspreises und dessen Preissetzungsverfahren mit einem subjektiv fairen Referenzpreis bzw. einer fairen Referenztransaktion.» Zur Erklärung der Funktionsweise der Preisfairness eignet sich die Equity-Theorie, welche erstmals von Adams172 innerhalb seiner Forschungsarbeit zu den Entstehungsprozessen von Motivation aufgestellt wurde. Sie beschäftigt sich mit der wahrgenommenen Fairness, welche unter den Transaktionspartnern (Käufer bzw. Verkäufer) herrscht, wobei deren Vergleichsbasis die direkte Austauschbeziehung selbst sowie indirekte Vergleiche, z.B. zu anderen Kunden, beinhalten kann.173 Der Equity-Theorie folgend besteht wahrgenommene Fairness dann, wenn der Outcome, d.h. die Differenz aller in die Transaktion investierten Ressourcen,174 für beide an der Transaktion beteiligten Parteien gleich ist. Vereinfacht ausgedrückt heisst dies: Wenn der Produktnutzen beim Kunden im gleichen Verhältnis zum Gewinn des Herstellers steht, wird die Transaktion als fair betrachtet. Besteht hingegen eine Ungleichheit, führt diese beim Benachteiligten zu Unzufriedenheit und beim Bevorzugten zu Schuldgefühlen. Individuen tendieren dazu, die aus diesem Spannungsverhältnis entstehende Dissonanz beheben zu wollen, was durch eine Änderung des Outcomes, den Wechsel der Vergleichsbasis oder den Abbruch der Transaktionsbeziehung möglich ist.175 Mit der Anerkennung, dass sowohl der Hersteller wie auch der Kunde einen Anspruch auf einen angemessenen Gewinn aus der Transaktion haben, deckt sich die Equity-Theorie mit dem Dual-Entitlement-Prinzip. Dieses ergänzt den Sachverhalt dahingehend, dass es besagt, dass Referenzpreise herbeigezogen werden um die Outcomes einer Transaktion zu beurteilen.176 Die Erkenntnisse aus der Equity-Theorie und dem Dual-Entitlement-Prinzip sind bei der Durchführung von Preiserhöhungen von Bedeutung. Es besteht die Hypothese, dass Preiserhöhungen auf Grund gestiegener Kosten als fair betrachtet werden; sollten 172 Adams (1966) 173 Simon & Fassnacht (2009, S. 179) 174 Dies sind typischerweise die Herstellungskosten beim Verkäufer und der bezahlte Preis beim Käufer. 175 Siems (2009, S. 246); Simon & Fassnacht (2009, S. 179) 176 Kahnemann, Knetsch & Thaler (1986, S. 285 ff.) 56 THEORETISCHE GRUNDLAGEN diese hingegen nur der Gewinnoptimierung dienen, werden sie vom Kunden abgelehnt.177 Die Herausforderung bei der Preisfairness liegt darin, dass zwischen den an der Transaktion beteiligten Parteien auf Grund von Informationsasymmetrien keine vollkommene Transparenz hinsichtlich des Produktnutzens bzw. des erzielten Gewinns vorliegt. Es besteht daher ein latentes Risiko von Fehleinschätzungen. Deshalb ist der Begriff des Vertrauens eng verbunden mit der Preisfairness. Das Vertrauen innerhalb einer Geschäftsbeziehung oder eine gute allgemeine Reputation des Unternehmens kann dazu beitragen, dass das Urteil über die Preisfairness zu Gunsten des Herstellers ausfällt. Aus diesem Grund gilt: Je höher die Informationsasymmetrie ist, desto wichtiger ist das Vertrauen. Das Vertrauen nimmt in Transaktionsbeziehungen mit einer signifikanten Investitionssumme, welche zu einer langfristigen Bindung an den Hersteller führen, einen überdurchschnittlichen Stellenwert ein.178 2.3.4 Durchsetzung der Preise am Markt Die durch eine kundennutzenoptimierte Leistungsgestaltung und die Anwendung geeigneter Instrumente des Preismanagements maximierte Zahlungsbereitschaft lässt sich erst durch die Durchsetzung des Preises am Markt effektiv rentabilisieren. Autoren wie Anderson & Narus179 haben festgestellt, dass die effektive Verrechenbarkeit von Services zu dem von ihnen erbrachten Wert einer der zentralen Erfolgsfaktoren im Umgang mit allen produktbegleitenden Dienstleistungen ist. Die damit verbundene Problematik ist jedoch ein branchenübergreifendes Problem,180 welches im Investitionsgüterbereich besonders verbreitet ist. 181 Diese zweite Herausforderung hinsichtlich des Preis- bzw. Verkaufsmanagements nimmt damit die gleiche Bedeutung ein wie die 177 Krishna (2009, S. 79). Eine weitere Hypothese, welche besagt, dass Kostensenkungen beim Hersteller bei gleichbleibenden Preisen beim Kunden keine Unzufriedenheit auslösen ist in der Praxis umstritten, da Kunden in der Regel darauf bestehen, an den entstandenen Kostenvorteilen mindestens teilweise in der Form von Preissenkungen zu partizipieren (Simon & Fassnacht, 2009, S. 180). 178 Simon & Fassnacht (2009, S. 178 f.) 179 Anderson & Narus (1995, S. 81) 180 Loss & Belz (1994, S. 16) 181 Trachsler (1996, S. 277) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 57 Schaffung von Zahlungsbereitschaft, da diese ohne Preisdurchsetzung nicht rentabilisiert werden kann.182 Die Durchsetzung eines Preises am Markt findet beim Kauf einer Maschine oder Anlage und den damit verbundenen produktbegleitenden Dienstleistungen in einer Verhandlung statt, bei welcher der Preis eine zentrale Rolle einnimmt.183 Diese Preisverhandlungen sind aus Sicht eines Herstellers von Maschinen und Anlagen vom Dilemma geprägt, dass der Verkäufer einerseits die maximale Zahlungsbereitschaft des Kunden abschöpfen möchte und andererseits den Auftrag nicht an einen konkurrierenden Anbieter verlieren will.184 In dieser Situation der Unsicherheit über das Verhandlungsergebnis ist es einem Hersteller möglich, durch gezielte Schulung und Steuerung der Vertriebsmitarbeitenden Einfluss auf den Verhandlungserfolg zu nehmen.185 Trotz der hohen Bedeutung der Preisverhandlung und ihrer gezielten Beeinflussung durch Vertriebsmitarbeitende wurde dieses Themenfeld seitens der Industriegütermarketing-Forschung in den vergangenen Jahren zurückhaltend bewirtschaftet: Die vorhandenen Ansätze bedienen sich grösstenteils der bekannten Konzepte aus der Psychologie, der Soziologie und der Managementlehre, welche im Zusammenhang mit Endkonsumenten entwickelt wurden.186 Zu ihnen gehören die preispsychologischen Gesprächstechniken, wie z.B. die Aufsplittung eines Gesamtpreises in Teilmengen oder die bewusste Verschiebung der Preisdiskussion auf einen geeigneten Verhandlungszeitpunkt. Der Nutzen dieser Taktiken ist jedoch im professionellen Industriegüterkauf umstritten.187 2.3.5 Besonderheiten des Preismanagements bei After-Sales-Services After-Sales-Services können als gemeinsame Leistungen, als Teil eines Produktbündels oder in getrennter Form an den Kunden verrechnet werden.188 182 Simon & Damian (1999, S. 159) 183 Voeth & Herbst (2011, S. 207 f.) 184 Voeth & Rabe (2004, S. 1018) 185 Siems (2009, S. 312 f.) 186 Voeth & Rabe (2004, S. 1019 f.) 187 Diller (2008, S. 411–413) 188 vgl. Kapitel 1.5.4.2 58 THEORETISCHE GRUNDLAGEN Im Fall eines Preisbündels kombiniert ein Anbieter das Angebot von mindestens zwei Leistungen und bietet diese zu einem Gesamtpreis an, mit dem Ziel, durch das gemeinsame Angebot von Produkten in der Form eines Bündels einen höheren Gesamtpreis abzuschöpfen.189 Im Fall von After-Sales-Services würde dies beispielsweise bedeuten, dass ein Hersteller beim Verkauf einer Werkzeugmaschine einen Preis offeriert, welcher die Nutzung von e-Services ohne zusätzliche Kostenfolgen für den Kunden beinhaltet. Für dienstleistende Produzenten steht als Art der Bündelung die reine Preisbündelung zur Disposition, bei welcher der Hersteller das Produkt ausschliesslich als Bündel anbietet.190 Im obigen Beispiel bedeutet dies, dass der Kauf der Werkzeugmaschine den Zugang zu e-Support für den Kunden beinhaltet – es besteht keine Option, die Werkzeugmaschine verbilligt ohne den e-Support-Zugang zu beziehen. Trachsler191 spricht in diesem Zusammenhang auch von der Erzielung eines Preispremiums auf den Verkauf einer Maschine durch das im Preis enthaltene Dienstleistungsangebot. Neben der Festlegung des Preises für das Preisbündel muss eine Darstellungsart des Preises für das Bündel festgelegt werden.192 Hier bietet sich beim reinen Preisbündel die Wahl zwischen einem Gesamtpreis, welcher keine Rückschlüsse auf den Wertbeitrag des Primärproduktes bzw. der Services zulässt und einer getrennten Auflistung des Wertbeitrags an. Letztere Variante unterscheidet sich von der getrennten Verrechnung dadurch, dass die Option für den Kunden nicht ausschliessbar ist. Im Fall einer getrennten Verrechnung der After-Sales-Services wird dem Kunden die Option geboten, Serviceleistungen gegen ein zusätzliches Entgelt optional zum Kauf einer Werkzeugmaschine zu konsumieren: Im Beispiel heisst dies, dass der Kunde nur auf seinen Wunsch und gegen Bezahlung e-Services nutzen kann. Es steht dem Anbieter dabei frei, innerhalb der einzelnen After-Sales-Services selbst weitere Bündelungen vorzunehmen, z.B. die Kopplung einer Garantieverlängerung an den Abschluss eines Wartungsvertrags.193 189 Siems (2009, S. 211 f., 216) 190 Beyer (2007, S. 256); Bruhn & Meffert (2001, 45 f.); Trachsler (1996, S. 27) 191 Trachsler (1996, S. 31–37) 192 Simon & Fassnacht (2009, S. 306) 193 Trachsler (1996, S. 27 ff.) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 2.4 59 Kundennutzengeleiteter Optimierungsprozess Sämtliche aus der Theorie stammenden Konzepte und Modelle sowie die Erfolgsfaktoren aus Praxisbeobachtungen bedürfen für ihre erfolgreiche Multiplikation in weiteren Unternehmen der Operationalisierung. Diese findet, wenn es um die Gestaltung eines komplexen Produkt-/Service-Portfolios geht, innerhalb des Leistungssystems des Unternehmens statt. Nachfolgend wird das Konzept von Leistungssystemen beschrieben und sein Unterschied zu herkömmlichen Leistungsbündeln aufgezeigt. Im Anschluss wird das Customer-Value-Modell vorgestellt und erläutert, wie dieses als Instrument für einen Optimierungsprozess eingesetzt werden kann. 2.4.1 Vom Leistungsbündel zum Leistungssystem Von einem Leistungsbündel spricht man, wenn Sach- und Dienstleistungen von einem Unternehmen miteinander verbunden werden. Gemäss von Gizycki194 wird unter Leistungsbündeln ein «gleichzeitiges Angebot von mindestens einer Sachleistung und mindestens einer Dienstleistung verstanden, wobei ein komplementäres Verhältnis zwischen den Gütern besteht.» Dabei wird zwischen konsumtiven Güterkombinationen, welche für den Endkonsumenten bestimmt sind, und investiven Leistungsbündeln, welche im B2B-Markt als Unterstützung der Sachleistung zum Einsatz kommen, unterschieden (S. 27). Der Begriff des investiven Leistungsbündels ist eng verwandt mit jenem der industriellen Dienstleistung, welche in Ergänzung zu einem Primärprodukt (Sachleistung) erbracht wird.195 Neben der Unterteilung der Leistungsbündel nach ihren Abnehmern existieren mehrere Systematisierungen, nach welchen Leistungsbündel eingeordnet werden können, wie z.B. nach der Eigenschaft der Teilleistung oder der Form der Bündelung.196 Bei einem «Leistungssystem» handelt es sich ebenfalls um ein Bündel bestehend aus mindestens einer Sach- und Dienstleistung, wobei sich dieses jedoch durch eine Reihe von Unterscheidungsmerkmalen vom klassischen Leistungsbündel abgrenzt. Belz et 194 von Gizycki (2000, S. 26) 195 vgl. Kapitel 1.5.1 196 vgl. von Gizycki (2000, S. 36 ff.) 60 THEORETISCHE GRUNDLAGEN al.197 definieren Leistungssysteme als integrierte Lösungen, welche aus einer Kombination von Produkten und Dienstleistungen bestehen und auf spezifische Kundensegmente ausgerichtet sind. Leistungssysteme lösen dabei die Probleme für ausgewählte Kunden «umfassend und wirtschaftlich» (S. 32). Sie verfolgen das Ziel, das «Kernprodukt zu strukturieren, die vielfältigen Dienstleistungen dem Kunden bewusst zu machen und sich vom Wettbewerb zu differenzieren.»198 Leistungssysteme nehmen damit eine angebotsorientierte Sichtweise ein, welche die Leistungen des Unternehmens für Kunden bzw. Kundensegmente strukturiert. Dabei wird das herkömmliche physische Produkt beibehalten, jedoch mit spezifischem (Dienstleistungs-)Know-how ergänzt. Die Absicht kann dabei sowohl eine verbesserte Kundenbindung wie auch ein Wettbewerbsvorteil oder die Durchsetzung höherer Preise sein.199 Leistungssysteme differenzieren sich gemäss Belz et al.200 infolgedessen über die Anwendung von fünf Prinzipen von einem Leistungsbündel: Tabelle 5: Unterscheidungsmerkmale Leistungssysteme Prinzip Umschreibung Integration Die Leistungen für den Kunden werden integriert betrachtet und hinsichtlich ihres Synergiepotentials bewertet. Verrechnung Durch ein Leistungssystem erbrachte Mehrleistungen werden direkt oder indirekt verrechnet. Partizipation und Dialog Problemlösungen werden zusammen mit Kunden oder Vertriebspartnern erkannt, realisiert und kommuniziert. Evolution Leistungssysteme unterliegend einer fortlaufenden dynamischen Weiterentwicklung, damit sich das Unternehmen von Konkurrenzaktivitäten differenzieren und sich verändernde Kundenansprüche fortlaufend erfüllen kann. Relevanz Leistungssysteme fokussieren sich auf die relevanten Bedürfnisse des Kunden und eliminieren überflüssige Leistungen. 197 Belz & Bieger (2006, S. 32–34) 198 Belz et al. (1997, S. 28) 199 Belz & Bieger (2006, S. 33, 163) 200 Belz & Bieger (2006, S. 33) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 61 Beim Kauf von Investitionsgütern wie Maschinen und Anlagen handelt es sich um den Erwerb von Leistungssystemen, welche sich in ihrem Spezifitätsgrad nach Produkttyp und Kundenanforderung unterscheiden. 201 2.4.2 Der Customer-Value-Ansatz Während sich ein Leistungssystem stets aus Perspektive des Unternehmens definiert und sich an dem beim Kunden aufaddierten Nutzen bemisst, bezieht sich ein Kundensystem auf die Anforderungen, Probleme und Bedürfnisse, welche bei den einzelnen Marktsegmenten, Kundengruppen oder individuellen Käufern entstehen. Erfolgreiche Unternehmen verfügen über die Fähigkeit, Leistungs- und Kundensysteme zu integrieren und über einen Leistungsansatz umzusetzen.202 Der Customer-Value-Ansatz von Belz et al.203 verbindet das strategische Leistungsund Kundenmanagement des Unternehmens und richtet dieses auf den CustomerValue aus. Der Customer-Value ist als vorgelagerte Grösse des Shareholder-Values zu verstehen, welcher sowohl den Kundenvorteil (Kundennutzen) wie auch den Kundenwert (Wert von Kunden für den Anbieter) mit einbezieht, und damit den Unternehmenserfolg treibt.204 Der Customer-Value-Ansatz stellt damit die Verbindung zwischen der Perspektive des Kunden und jener des Anbieters her.205 Für die Umsetzung des Customer-Values in ein strategisches Leistungs- und Kundenmanagement wurde das «Customer-Value-Modell» (CV-Modell) entwickelt, welches ein umfassender Bezugsrahmen mit verschiedenen Bausteinen ist, der Unternehmensaktivitäten auf eine Customer-Value-Maximierung ausrichtet. Abbildung 13 zeigt das CV-Modell im Überblick: 201 Schauenburg (1999, S. 45) 202 Belz & Bieger (2006, S. 21, 33 f.) 203 Belz & Bieger (2006, S. 117 f.) 204 vgl. die Diskussion des Begriffs «Customer-Value» in Kapitel 2.2.1 205 Belz & Bieger (2006, S. 20) 62 THEORETISCHE GRUNDLAGEN Abbildung 13: Customer-Value-Modell Diagnose Umfeld Diagnose Markt und Unternehmen Strategisches Leistungsund Kundenmanagement Leistungserstellungsund Nutzungssystem MitarbeiterSystem: Mitarbeitervorteil und Ressourcen Leistungssystem: Anbietervorteil: Kommunikation Kunde Konfiguration Kommerzialisierung Kompetenz Partnersystem Kooperation Kontrolle Quelle: Belz & Bieger (2006, S. 117) Neben dem strategischen Leistungs- und Kundenmanagement, das die Unternehmensaktivitäten auf den Customer-Value ausrichtet, stehen bei Belz et al.206 die «5 Ks», welche die kritischen Erfolgsvariablen für die Operationalisierung von Leistungs- und Kundensystemen sind, im Modellmittelpunkt. Der Baustein Kompetenz beinhaltet einerseits die für die Leistungserbringung intern benötigten Kompetenzen und andererseits die Fähigkeiten, Kompetenzen von Externen (z.B. Kunden, Partner) zu administrieren, zu delegieren und zu integrieren (S. 311). Die Anwendung geschieht als Teil des Mitarbeitersystems. Innerhalb der Konfiguration wird die Leistung des Unternehmens konkretisiert und auf die spezifischen Kundenprobleme gerichtet, so dass diese gezielt und umfassend gelöst werden. Aus der Konfiguration resultiert die Marktposition des Unternehmens (S. 219). Bei der Kommerzialisierung geht es um die Erarbeitung der Strategie, welche es den Unternehmen erlaubt, die auf Grund von Wettbewerbsdruck erbrachten Mehrleistungen zu ihrem Wert an den Kunden zu verrechnen (S. 283). Die Kooperation befasst sich mit der Frage, welche Leistungen vom 206 Belz & Bieger (2006, S. 138 ff.) THEORETISCHE GRUNDLAGEN 63 Unternehmen selbst und welche von Partnern erbracht werden sollen. Der Kooperation liegt die Hypothese zu Grunde, dass im Verbund von aktiven Kooperationspartnern innovative Lösungen für den Kunden entstehen (S. 344). Im Baustein Kommunikation, welcher als zentrales Bindeglied für Interaktionen innerhalb des Unternehmens sowie zwischen dem Unternehmen externen Parteien eine übergeordnete Rolle im CVModell einnimmt, geht es um die Festlegung der Kommunikationsstrategien des Unternehmens (S. 258). 2.4.3 Der CV-Ansatz als kundennutzengeleiteter Optimierungsprozess Das CV-Modell integriert als Prozessmodell die Arbeitsschritte, welche für einen Optimierungsprozess notwendig sind. Sie sind in nachfolgender Abbildung 14 dargestellt. Abbildung 14: Erarbeitungsprozess CV-Modell Vorgaben Diagnose Der Unternehmensführung Von Umfeld, Markt und Unternehmen, Marktforschung Strategie und operative Umsetzung Kunde Gestaltung Kontrolle Quelle: Belz & Bieger (2006, S. 116) Industrielle Unternehmen können die Prinzipien der Leistungssysteme nutzen, um die historisch gewachsenen Dienstleistungen und Zugeständnisse für den Kunden zu bereinigen und ihre Produkt-/Service-Kombinationen zu strukturieren und zu fokussieren. Die Anwendung der in Tabelle 5 aufgeführten Prinzipien unterstützt sie dabei.207 207 Belz & Bieger (2006, S. 33, 163) 64 3 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Kundennutzen von After-Sales-Services Wie im einleitenden Kapitel dieser Dissertation erörtert,208 steuern die Einflussfaktoren Elimination irrelevanter Leistungen, Maximierung der Zahlungsbereitschaft und Preisdurchsetzung die Rentabilität von After-Sales-Services. Unter Zuhilfenahme von theoretischen Erklärungsmodellen aus der mikroökonomischen Nutzentheorie und den Verhaltenswissenschaften lässt sich ein Zusammenhang zwischen Kundennutzen und Rentabilität herstellen. Die Beeinflussung des Kundennutzens findet innerhalb eines Kaufentscheidungsprozesses statt, bei welchem die Mitglieder des Buying Centers durch eine individuelle Bewertung den wahrgenommenen Nutzen einer Leistung an den wahrgenommenen Kosten messen, wobei kein absoluter, sondern ein wettbewerbsbezogener Vergleich stattfindet. 209 Um Optimierungsmassnahmen für die Rentabilisierung von After-Sales-Services zu entwickeln, muss man infolgedessen verstehen, wie innerhalb eines Kaufentscheidungsprozesses aus Perspektive des Kunden Nutzen und Kosten für After-SalesServices wahrgenommen und bewertet werden. 3.1 Zielsetzung Diese Studie erfasst die Wahrnehmung und Bewertung von Nutzen und Kosten von After-Sales-Services innerhalb von Kaufentscheidungsprozessen bei Investitionen in Werkzeugmaschinen aus Perspektive des Kunden. Die Erkenntnisse werden mit der Absicht gewonnen, Opportunitäten für eine Optimierung des Leistungssystems von WZM-Herstellern zu identifizieren, um dieses mit geeigneten Massnahmen zu rentabilisieren. Um diese übergeordnete Zielsetzung der Studie zu erreichen, werden in einem ersten Schritt Nutzenpräferenzen zu After-Sales-Services bei den Kunden identifiziert. Im Anschluss werden die Kunden gemäss ihren artikulierten Nutzenpräferenzen in Segmente eingeteilt. Die Identifikation von relevanten Kundensegmenten erlaubt deren Marktbearbeitung mit auf sie optimierten Marketinginstrumenten. Im Anschluss werden segmentübergreifend die aus Kundenperspektive relevanten Themen identifiziert und durch eine Reflexion der Argumente und Verhaltensweisen der Kunden nach mit den Themen verbundenen Opportunitäten gesucht, welche aus dem Blickwinkel 208 vgl. Kapitel 1.6 209 vgl. Kapitel 2.2.3 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 65 der Rentabilitätsoptimierung von WZM-Herstellern für die Optimierung ihres Leistungssystems verwendet werden können. 3.2 Methodik Die Methodik folgt einem in fünf Teilbereiche abgrenzbarem Ablauf: Design, Strukturierung der Interviews, Auswahl der Untersuchungsobjekte, Datensammlung und Datenauswertung. 3.2.1 Design Die Studie ist aus forschungsmethodologischer Sicht als empirisch-induktiv einzuordnen, da sie empirische Daten aus Gesprächen mit Mitgliedern des Buying Centers von Kunden von mittelständischen industriellen Unternehmen in einzelnen Fallstudien erfasst, aus welchen anschliessend in einem spezifischen Kontext generalisierbare Resultate abgeleitet werden.210 Die Datensammlung findet mit semi-strukturierten Interviews statt, welche mit einer fallübergreifenden Synthese (engl.: «cross-case synthesis») ausgewertet werden. Es handelt sich um eine qualitative Studie, deren Hauptdatengrundlage eine Befragung von Entscheidungsträgern in Unternehmen ist. Die Studie untersucht Kaufentscheidungsprozesse über Investitionen in Werkzeugmaschinen, welche über eine After-Sales-Komponente verfügen. Pro Unternehmen wird ein Kaufentscheidungsprozess analysiert und punktuell mit anderen Kaufentscheidungen des Unternehmens verglichen. 3.2.2 Strukturierung der Interviews Die Gestaltung der semi-strukturierten Interviews folgt dem Prozess des organisationalen Kaufverhaltens, wie er von Choffray & Lilien211 vorgeschlagen wird, wobei der Gesamtinvestitionsprozess beachtet wird. Vertiefende Fragen konzentrieren sich auf die After-Sales-Services als Teilaspekt der Kaufentscheidung. Die Interviews sind teilstrukturiert, wodurch es zu einem Mix zwischen offenen und geschlossenen Fragen kommt. 212 Der Aufbau der Interviews wird nachfolgend visualisiert: 210 Bortz & Döring (2006, S. 300); Tomczak (1992, S. 77 ff.); Ulrich & Hill (1976, S. 348) 211 Choffray & Lilien (1978), vgl. auch Kapitel 2.1.2.2 212 Buber (2007, S. 421) 66 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Abbildung 15: Strukturierung der Interviews 1. Erfassung der Grundlagendaten des Kunden 2. Kategorisierung der gekauften Werkzeugmaschine 3.1 Awareness 3. Ablauf des Kaufprozesses, beteiligte Personen, Entscheidung über AfterSales- Services 3.2 Akzeptanz 3.3 Individuelle Bewertung 3.4 Gruppenentscheidung 4. Offene Abschlussfrage Quelle: Eigene Darstellung. Zu Beginn der Interviews werden die Makrodaten des Kunden sowie jene des WZMHerstellers und, falls die WZM nicht direkt vom Hersteller bezogen wurde, des Distributors erfasst.213 Des Weiteren wird das Verhältnis zwischen Kunde und Lieferant (Erst- oder Wiederholungskauf) erfasst. Die Makro-Einflussgrössen wurden auf Grund ihres Erklärungscharakters für das organisationale Nachfrageverhalten ausgewählt: Sie basieren auf dem Segmentierungskonzept für Industriemärkte von Wind & Cardozo.214 Im Anschluss wird in einem zweiten Teil die Mikro-Segmentierung anhand zusätzlicher Messgrössen – personenbezogene Daten und charakterisierende Parameter der erworbenen WZM – erfasst und diskutiert. Ebenfalls in Anlehnung an Wind & Cardozo werden die vom Kunden wahrgenommene Bedeutung des Kaufs, bemessen am Kaufpreis und an seiner Einschätzung zur strategischen Bedeutung, sowie seine Einstellung gegenüber dem WZM-Hersteller, bemessen am entgegengebrachten Vertrau213 Kriterien: Unternehmensgrösse (Mitarbeitende, Umsatz), Standort, Eignerstruktur, Branche, Anwendungsbereich der WZM 214 Wind & Cardozo (1974, S. 154), vgl. auch Backhaus & Voeth (2014, S. 124 f.) KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 67 en, erfasst. Des Weiteren wird das interne Know-how des Kunden in Bezug auf die Technologie der erworbenen WZM erfragt.215 Als für die After-Sales-Services spezifische Mikro-Segmentierungskriterien werden des Weiteren die internen Ausfallkosten der WZM216 sowie die wahrgenommene Qualitätsklassifizierung217 erfasst. Anschliessend folgt das Interview dem Prozessablauf des organisationalen Beschaffungswesens von Choffray & Lilien. In einem ersten Themenblock betrifft dies die Bedeutung der After-Sales-Services bei der Entscheidung, ob das gekaufte Investitionsgut in das Evoked Set aufgenommen wird und inwiefern es in der Kauf- und der Nachkaufphase effektiv zum Bezug von After-Sales-Services gekommen ist. Der zweite Themenblock befasst sich mit unternehmensinternen Vorgaben, welche bezüglich der Serviceeigenschaften bestehen. In einem dritten Themenblock wird der Einfluss der einzelnen Bestandteile der After-Sales-Services auf die individuelle Nutzenbewertung erfasst. Neben den entscheidungsrelevanten Faktoren im beobachteten Kaufprozess werden die Idealvorstellungen der Teilnehmenden erfasst und die individuelle Bewertung von erweiterten Servicemodellen diskutiert. Abschliessend wird die Bedeutung der After-Sales-Services im Gruppenentscheidungsprozess beurteilt. Das Gespräch wird mit einer offenen Frage beendet, in welcher die Teilnehmenden sich in allgemeiner Art und Weise zu gutem bzw. schlechtem Service äussern und ihrerseits Vorschläge zur verbesserten Ausgestaltung von After-Sales-Services machen können. Der Gesprächsleitfaden für die semi-strukturierten Interviews ist in Anhang 1 angefügt. 3.2.3 Auswahl der Untersuchungsobjekte Die Untersuchungsobjekte sind die Käufer von Werkzeugmaschinen – der Kaufprozess wird aus ihrer Sicht diskutiert. Sie werden in dieser Studie als «Kunden» bezeichnet. Die Erfragung des Ablaufs des Kaufprozesses direkt beim Kunden bringt den Vorteil mit sich, dass die «markante[n] Unterschiede zwischen der Eigenwahrnehmung der Hersteller und der Kundenwahrnehmung in Bezug auf Bekanntheitsgrad, Qualität 215 Wind & Cardozo (1974, S. 154) 216 Die Relevanz der Ausfallkosten beim Kunden wurde in der Vergangenheit als strategiebestimmen- des Kriterium im After-Sales identifiziert, vgl. Baumbach (1998, S. 27). 217 Die Relevanz der wahrgenommenen Qualität durch den Kunden wird auf Grund des Zusammenhangs zwischen Preis- und Qualitätserwartung aufgenommen. Vgl. dazu Diller (2008, S. 150 f.), von Gizycki (2000, S. 128) sowie Kapitel 2.3.3.1. 68 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES und Kundennutzen angebotener Dienstleistungen» 218 ausreichend berücksichtigt werden. Des Weiteren eröffnet das Gespräch mit den Kunden die Möglichkeit, ein vertieftes Verständnis des Kaufprozesses mittels qualitativer Forschungsmethoden aufzubauen sowie die kognitiven Vorgänge zu erfassen, welche zur Bildung von artikulierten und latenten Präferenzen führen, und festzuhalten, wie und wann sich diese im Kaufprozess herauskristallisieren. Die Grundgesamtheit für diese Studie wird durch den definierten Praxisbegriff nur hinsichtlich der WZM-Hersteller eingeschränkt,219 d.h., während auf Anbieterseite eine Fokussierung auf mittelständische dienstleistende Produzenten im Maschinen- und Anlagenbau vorgenommen wird, sind auf Kundenseite keine Einschränkungen vorgegeben, ausser jenen, welche sich aus der Definition des Maschinen- und Anlagenbaus bzw. dessen Eingrenzung auf die WZM ergeben:220 Sämtliche Kunden müssen über mindestens eine WZM verfügen, welche sie in den letzten Jahren akquiriert haben. Da eine Zufallsauswahl aus der Grundgesamtheit nicht umsetzbar ist, wird eine Selektion der Untersuchungsobjekte nach festgelegten Kriterien vorgenommen. Dieses Vorgehen ist gemäss Eisenhardt221 für fallbezogene qualitative Untersuchungen angebracht, wenn die Auswahl der Fälle begründet wird. In der folgenden Tabelle 6 sind die gewählten Anforderungen an die Fälle zusammengefasst. Alle Kriterien wurden im Hinblick auf ihren Erklärungscharakter für den Kontext dieser Arbeit ausgewählt. 218 Müller (1998, S. 270) 219 vgl. Kapitel 1.4.1 220 vgl. Kapitel 1.5.2 / 1.5.3 221 Eisenhardt (1989, S. 537) KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 69 Tabelle 6: Anforderungen an die Untersuchungsobjekte Kriterium Anforderung Begründung Art der Maschine WZM gemäss DIN Stellt die Homogenität der Stichprobe sicher. 69651 und DIN 8580. Bedeutung der Ma- Die WZM werden aktiv After-Sales-Services sollen die Funktionalität der schinen und Anla- in der Produktion einge- WZM erhalten oder erweitern. Damit der Stellen- gen setzt. wert dieser Anforderung gegeben ist, wurden nur aktiv in der Produktion eingesetzte WZM betrachtet. Übergang von Be- Die betrachteten WZM Nutzen und Gefahr der betrachteten WZM muss- sitz sind im Besitz des Kun- ten durch einen Kaufvorgang in den Besitz des den. Kunden übergegangen sein, um eine Abgrenzung zu produzierenden Dienstleistern / Performance Contracting vorzunehmen (vgl. Kapitel 1.5.1). Internationalität Analyse von nationalen Schweizer Maschinen- und Anlagenbauer expor- und internationalen Kun- tieren eine Mehrheit ihrer Produkte ins Ausland.222 denbedürfnissen. Die Bedürfnisse der ausländischen Kunden sind entsprechend mindestens so wichtig wie jene der Binnenmarktkunden. Diesem Umstand wird damit Rechnung getragen, dass in die Stichprobe sowohl Kunden aus der Schweiz als auch aus Deutschland einbezogen werden.223 Aktuelle und rele- Investition in den letzten Aus Gründen der Aktualität und der Relevanz vante Investition 5 Jahren zu mindestens wurden ausschliesslich Kaufprozesse diskutiert, CHF 100 000.– / welche max. 5 Jahre zurücklagen und eine Investi- EUR 80 000. – tion in eine Werkzeugmaschine zu einem Betrag > CHF 100 000.– (Schweiz) bzw. > EUR 80 000.– (Deutschland) beinhalteten. 3.2.4 Datensammlung Die Daten werden in persönlichen Gesprächen mit den Mitgliedern des Buying Centers der Kunden erhoben. Wo vorhanden, werden firmeninterne Dokumente, wie z.B. vorgegebene konzerninterne Investitionsanträge, in die Analysen mit einbezogen. Pro 222 223 Swissmem (2015, S. 8) Aus Gründen der praktischen Umsetzbarkeit wurden keine weiteren Länder in die Stichprobe einbezogen. Die damit verbundenen Limitationen werden in Kapitel 5.3 diskutiert. 70 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Kunde wird mit zwei bis fünf Mitgliedern des Buying Centers ein Interview geführt. In jedem Fall wird die Anwesenheit der im Kaufprozess federführenden Person verlangt. Ergänzend sind, je nach Kunde, Inhaber, Einkäufer, Techniker, Maschinisten und Entwickler zusätzlich eingeladen am Gespräch teilzunehmen. Durch die Involvierung eines breiten Personenkreises wird das Buying Center repräsentativ wiedergegeben. 3.2.4.1 Berücksichtigung ethischer Konflikte Die ethischen Gesichtspunkte der Forschung und der Schutz der Interessen der an der Studie Teilnehmenden sind insbesondere in der qualitativen Forschung, wo eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Untersuchungsobjekten stattfindet, zu berücksichtigen.224 Das in dieser Studie gewählte Forschungsdesign beinhaltet einen potentiellen ethischen Konflikt, da basierend auf den von den Studienteilnehmenden offengelegten Präferenzen und dem bei ihnen beobachteten Verhalten Erkenntnisse über die Rentabilisierung von Leistungen ihrer potentiellen Lieferanten abgeleitet werden, welche damit, direkt oder indirekt, zu einer Schlechterstellung der Studienteilnehmenden als Wirtschaftssubjekte führen könnten. Um einen ethischen Konflikt zu vermeiden, werden die Studienteilnehmenden im Voraus über die Zielsetzung der Studie informiert und darüber aufgeklärt, in welcher Form und mit welcher Absicht die aus den Interviews gewonnenen Daten verwendet werden. Des Weiteren ist die Anonymität der Studienteilnehmenden sichergestellt.225 3.2.5 Datenauswertung 3.2.5.1 Begriffsabgrenzungen Da in diesem und den nachfolgenden Kapiteln dieser Dissertation verschiedene Perspektiven eingenommen werden, werden nachfolgend zur Übersicht und Verständlichkeit für den Leser zentrale Begriffe für den Kontext dieser Arbeit einheitlich definiert. Unter Anbietern werden mittelständische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus in der Schweiz verstanden. Sie sind die Zielgruppe, für welche der Optimierungsprozess erarbeitet wird. Alle themenspezifischen Fallbeispiele, welche als Teil 224 225 Flick (2011, S. 56 ff.) Das Vorgehen zur Sicherstellung ethischen Handelns in der qualitativen Forschung folgt der Empfehlung von Flick (2011, S. 63–66). KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 71 des Optimierungsprozesses in Kapitel 4 aufgeführt sind,226 wurden bei Unternehmen erhoben, welche sich als «Anbieter» klassifizieren. Als Kunden werden Unternehmen bzw. ihre Entscheidungsträger bezeichnet, welche WZM in einer industriellen Fertigung einsetzen. Alle in den Fallstudien befragten Entscheidungsträger bzw. ihre Unternehmen als Arbeitgeber sind den «Kunden» zugeordnet.227 Die Kunden unterliegen keiner Restriktion in der Unternehmensgrösse: Diese kann von Mikrounternehmen bis Grosskonzerne reichen. Unter Werkzeugmaschinen-Herstellern (WZM-Hersteller) werden sämtliche Hersteller von Werkzeugmaschinen bzw. ihre Distributoren verstanden, unabhängig von ihrer Grösse und ihrem Standort. Die «Anbieter» sind eine Teilmenge aller global existierenden WZM-Hersteller. Als Experten werden Führungskräfte und Fachverantwortliche der Werkzeugmaschinenbranche bezeichnet, welche langjährige Erfahrung im After-Sales-Geschäft haben. Sie sind bei Maschinen- und Anlagenbauern oder bei auf Service und Verkauf spezialisierten Distributoren beschäftigt. Sie können infolgedessen in Unternehmen angestellt sein, welche zu den «Anbietern» gehören.228 3.2.5.2 Anonymität der Studienteilnehmenden Die in der Studie erhobenen Daten werden in anonymisierter Form ausgewertet, was den Unternehmen bei der Anfrage für die Partizipation an der Studie mitgeteilt wird. Eine Anonymisierung ist wichtig, um die Bereitschaft der Unternehmen zu erhöhen, an der Studie teilzunehmen. Da innerhalb der Gespräche interne Prozesse, Unternehmensvorgaben, kritische Feedbacks zu Schlüssellieferanten sowie Zahlungsbereitschaften für Leistungsbestandteile erfragt werden, ist ein unvoreingenommenes Antwortverhalten ohne gewährte Anonymität nicht möglich; die Validität der Studie würde infolgedessen durch die Nennung von Firmen- und Personendaten korrumpiert.229 Des Weiteren mindert die Auswertungsmethode der fallübergreifenden Synthese den Mehrwert einer Nennung von Firmen- und Personendaten, da idealtypische Fälle und 226 Eine Übersicht über die Fallbeispiele findet sich in Kapitel 4.3.2. 227 vgl. auch die Anforderungen an die Werkzeugmaschinen der Kunden in Tabelle 6 228 vgl. dazu die Expertengespräche in Kapitel 4.3.1 229 Bortz & Döring (2006, S. 327); King & Bruner (2000, S. 94) 72 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES nicht Einzelbetrachtungen ausformuliert werden. Dank der gewährten Anonymität können bei der Präsentation der Resultate der Studie Statements von Kunden unverfälscht und authentisch wiedergegeben werden.230 3.2.5.3 Auswertungsmethode Die Auswertung der Befragung erfolgt in der Form einer fallübergreifenden Synthese, auf deren Grundlage allgemein verwendbare Erkenntnisse abgeleitet werden können. Die Auswertung wird direkt als fallübergreifende Synthese dargestellt, auf eine Ausführung der einzelnen Fallstudien wird auf Grund der Grösse der Stichprobe verzichtet.231 Wie von Yin232 empfohlen, werden die im Kaufverhalten identifizierten Unterschiede in den Fällen mittels eines Bewertungsrasters (engl.: «word tables») ausgewertet. Innerhalb dieses Rasters können Gemeinsamkeiten und Kontraste ausgewertet werden, wobei eine argument- und theoriegestützte Interpretation einer numerischen Auswertung von Vorkommnissen vorzuziehen ist. Die Auswertung erfolgt in sechs Teilschritten, welche in der nachfolgenden Abbildung 16 schematisch dargestellt sind: 230 Die Statements wurden um Unternehmensbezeichnungen und Produktmarken bereinigt. Dies ist in den Statements durch Platzhalter zu erkennen. 231 Yin (2014, S. 164–170, 186) 232 Yin (2014, S. 165–167) KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 73 Abbildung 16: Ablauf Auswertung der Fallstudien Buying Center Organisations-Erfordernisse 1) technischer Art 2) finanzieller Art realisierbare Alternativen Bildung individueller Präferenzen Total 27 Kriterien Bildung organisationaler Präferenzen Individuelle Entscheidungsträger im Buying Center Umweltrestriktionen 1) physischer Art 2) technologischer Art 3) ökonomischer Art 4) sozialer Art Unternehmen WZM Kaufprozess Services Interaktionsstrukturen 1. 2. 3. 4. Bewertungskriterien Bewertungsraster Informationsquellen in Betracht gezogene Alternativen organisationale Entscheidung Fall 1 Fall … Fall 23 Segment 1 Fall 7 Fall … Fall n Fall-Beschreibung Segment … Fall 1 Fall … Fall n Fall-Beschreibung Segment 5 Fall 2 Fall n Bewertungsraster Kriterium 1 Kriterium … Fall-Beschreibung Identifikation relevante Themen aus Kundenperspektive und Beobachtungen zum Kaufverhalten Kriterium 27 Themen, Opportunitäten und Beobachtungen Thema 1 Diskussion Thema … Beobachtung 4 Quelle: Eigene Darstellung. In einem ersten Schritt wird, am Prozessmodell von Choffray & Lilien233 orientiert, ein Bewertungsraster erstellt, in welchem 27 Kriterien in vier Kategorien ausgearbeitet werden. In diesen Kriterien lassen sich die verschiedenen Ausprägungen des Kaufentscheidungsprozesses systematisch wiedergeben. 233 Choffray & Lilien (1978) 74 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES In einem zweiten Schritt werden die 27 Kriterien pro Fall bewertet, wobei pro Kriterium zwei bis sechs Ausprägungen möglich sind. Eine vollständige Liste aller Kriterien ist in Anhang 2 und die Bewertung pro Fall ist in Anhang 3 angefügt. In einem dritten Schritt werden die Fälle anhand ihrer Ausprägungen in Kundensegmente zusammengefasst. Es werden fünf Kundensegmente gebildet, welche gleichartige Fälle zusammenfassen. Diese werden im Anschluss beschrieben. In einem vierten Schritt werden die innerhalb der fünf Kundensegmente aus Kundenperspektive relevanten Themen identifiziert und durch eine Reflexion der Argumente und Verhaltensweisen der Kunden nach mit den Themen verbundenen Opportunitäten für Optimierungsmassnahmen des Leistungssystems von WZM-Herstellern gesucht. Ergänzt wird diese Ausführung durch Beobachtungen des Kaufverhaltens. In der anschliessenden Diskussion folgt eine Validierung mit bestehenden Theorien. 3.3 Resultate Die Interviews wurden im Zeitraum von Juli bis Dezember 2015 durchgeführt. Gesamthaft wurden 23 Kaufentscheidungen untersucht. In den dafür durchgeführten Interviews wurden 48 Personen befragt. Wenn mehr als eine Person im Unternehmen beteiligt war, wurden die Interviews als Gruppengespräche geführt. Die Gespräche wurden alle persönlich vor Ort geführt und haben zwischen 40 und 120 Minuten gedauert. Ergänzend zu den Interviews wurde in den meisten Fällen eine Besichtigung des Unternehmens und der betrachteten Werkzeugmaschine vorgenommen. Die Gespräche wurden elektronisch aufgezeichnet, zusätzlich wurden Notizen gemacht. Aus der Nachbearbeitung resultierten 205 Seiten Interviewprotokolle. Nachfolgend werden die Ergebnisse präsentiert und diskutiert. Dazu wird zu Beginn ein Überblick über die Stichprobe gegeben, ehe gemäss dem in Abbildung 16 skizzierten Ablauf die Datenauswertung präsentiert wird. 3.3.1 Zusammensetzung der Stichprobe Die 23 Kunden haben ihren Standort zu zwei Dritteln in der Schweiz (16 Unternehmen) und zu einem Drittel in Deutschland (7 Unternehmen). Sie sind der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) zuzuordnen. In der nachfolgenden Abbildung 17 sind sie nach Industriezweig aufgeschlüsselt: KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 75 Abbildung 17: Einordnung nach Industrie KOMPONENTENFERTIGUNG 12 MASCHINEN- UND ANLAGENBAU 2 NACHSCHLEIFSERVICE 1 WERKZEUGBESCHICHTUNGEN 2 WERKZEUGHERSTELLUNG 6 0 2 4 6 8 10 12 14 Quelle: Eigene Darstellung. Bei der Grösse der Kunden, der Art und Struktur ihrer Anteilseigner und dem Marktumfeld, in welchem sie sich bewegen, wurde nach einer breiten Verteilung gesucht, um möglichst vielfältige Fälle betrachten zu können. Der kleinste Kunde ist ein inhabergeführtes Mikrounternehmen mit einem Jahresumsatz von CHF 2 Mio. mit 7 Mitarbeitenden, der grösste Kunde ein börsennotierter, global agierender Konzern mit einem Jahresumsatz von über CHF 13 Mrd. und 80 000 Mitarbeitenden. Alle in den Kaufprozessen betrachteten WZM waren im Besitz der Kunden und aktiv in der Produktion eingesetzt. Abbildung 18 zeigt die technische Zuordnung der WZM nach ihrem Typ: 76 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Abbildung 18: Einordnung nach Werkzeugmaschinentyp BESCHICHTUNGSANLAGE 3 DREH-, FRÄS- U. SCHLEIFZENTRUM 11 ERODIERMASCHINE 1 FEINSCHNEIDEPRESSE 1 HÄRTEOFEN 2 LASERSCHWEISSMASCHINE 1 SCHLEIFMASCHINE 2 SINTHERANLAGE 1 BÜRSTMASCHINE 1 0 2 4 6 8 10 12 Quelle: Eigene Darstellung. Wie aus Abbildung 18 hervorgeht, sind knapp die Hälfte der betrachteten Werkzeugmaschinen den Dreh-, Fräs- und Schleifzentren zugeordnet. Dies rührt einerseits daher, dass es sich um eine Sammelkategorie handelt, d.h., darin enthalten sind z.B. auch reine Dreh- und Fräszentren. Andererseits sind diese Zentren sehr flexibel, weshalb sie, insbesondere in der Komponentenfertigung, in einem Grossteil der Unternehmen vorhanden sind. In einer technischen Kategorisierung (5er-Skala von Low-End bis HighEnd) wurden alle Maschinen im Vergleich zu evaluierten Konkurrenzprodukte bei mittel bis hoch eingeordnet. Diese Verteilung ist kaum erstaunlich, da sowohl die Schweiz wie auch Deutschland qualitätsorientierte Fertigungsstandorte sind. Dies zeigt sich auch in den Herkunftsländern der WZM, wo Maschinen und Anlagen in den betrachteten Fällen am häufigsten aus Deutschland, der Schweiz und aus Japan kamen: Für den Weltmarkt bedeutende Hersteller aus Taiwan waren in dem Sample nicht vertreten, was ebenfalls mit der Qualitätsorientierung von Mitteleuropa zu erklären ist.234 Die Beschaffungskosten der Maschinen betrugen im Mittel CHF 850 000.–, bei einer Spannweite von CHF 90 000 bis CHF 3,5 Mio. Bei den Kunden wurde stets mit jenen Personen gesprochen, welche im Kaufentscheidungsprozess eine Schlüsselrolle in der Entscheidungsfindung gespielt hatten. Bei 234 Swissmem (2015, S. 42) KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 77 kleineren Kunden (< CHF 20 Mio. Umsatz) war dies in der Regel der CEO, bei grösseren waren Produktions-, Bereichs- und Abteilungsleiter die Hauptansprechpartner, an einigen Stellen mit Unterstützung von Technikern und F&E-Mitarbeitenden. Nachfolgende Abbildung 19 zeigt die Zusammensetzung der Interviewpartner nach Funktion: Abbildung 19: Funktion der Interviewpartner ABTEILUNGSLEITER 11 BEREICHSLEITER 5 CEO 14 EINKAUF 4 F&E / TECHNIKER 9 PRODUKTIONSLEITER 5 0 2 4 6 8 10 12 14 16 Quelle: Eigene Darstellung. 3.3.2 Bildung von Kundensegmenten Segmente fassen Kunden auf Grund ihrer homogenen Marktreaktion in Gruppen zusammen mit dem Ziel, den heterogenen Bedürfnissen der einzelnen Marktteilnehmer mit passenden Marketinginstrumenten zu begegnen und divergierende Preispräferenzen für einzelne Leistungsbestandteile zwischen den Kunden zu respektieren.235 Bei der Bildung der Kundensegmente wurden die Einstellung und das Verhalten der Kunden hinsichtlich von After-Sales-Services als Segmentierungskriterien verwendet. Nachfolgende Tabelle 7 zeigt die darin enthaltenen Kriterien in einer Übersicht.236 235 Meffert et al. (2015, S. 174); Simon & Fassnacht (2009, S. 85 f.) 236 vgl. auch Anhang 2 und 3 78 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Tabelle 7: Kriterien: Einstellung und Verhalten zu After-Sales-Services Kriterium Beschreibung Einstellung zu Service- Beurteilung der allgemeinen Einstellung zu After-Sales-Services auf Basis und Wartungsleistungen getroffener Aussagen und des dokumentierten Entscheidungsverhaltens der Kunden im untersuchten Kaufprozess und in Kaufprozessen für andere WZM im Unternehmen. Zahlungsbereitschaft für Antworten in den Interviews zur Zahlungsbereitschaft für e-Services. e-Services Beschaffungsverhalten Angaben zum Beschaffungsverhalten für Ersatzteile: via Hersteller oder im für Ersatzteile freien Markt. Auswertung der angegebenen Begründungen. Abschluss von Service- Abschluss eines Service- und/oder Wartungsvertrages im untersuchten Fall, und Wartungsverträgen Begründungen für den Abschluss / Nichtabschluss von Service- und Wartungsverträgen. Die Kriterien charakterisieren den – effektiven oder geplanten – Konsum von AfterSales-Services nach dem Kauf der WZM, die Zahlungsbereitschaften für Serviceeinsätze, Ersatzteile und e-Services sowie die generelle Einstellung und Offenheit der Entscheidungsträger hinsichtlich der After-Sales-Services. Sie zeigen damit in ihrer Gesamtheit den vom Kunden wahrgenommenen Nutzen der After-Sales-Services, welcher aus den artikulierten Präferenzen und dem beobachtbaren Verhalten bestimmt werden kann. 237 Unter Berücksichtigung von Kontextfaktoren wurden die einzelnen Fälle gemäss einer Punkteskala bewertet und in Terzile eingeteilt: Tabelle 8: Kategorisierung der Fälle nach wahrgenommenem Kundennutzen Vom Kunden wahrgenommener Punkte aus Bewertung Anzahl Fälle 4–7 Punkte 8 Fälle Mittel 8–11 Punkte 9 Fälle Hoch 13–16 Punkte 6 Fälle Nutzen von After-Sales-Services Tief 237 Die Wahl des Kundennutzens als Segmentierungskriterium leitet sich aus dem Ziel dieser Arbeit sowie der Verbindung zwischen dem Kundennutzen und der Rentabilität ab. Vgl. dazu Kapitel 1.3 und 2.2.6. KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 79 In der Folge wurde die numerische Zuteilung einer qualitativen Analyse für jeden einzelnen Fall durch eine profunde Analyse der Text- und Audioprotokolle mit den fallspezifischen Besonderheiten geprüft, zu deren Beurteilung auch die übrigen 23 Kriterien verwendet wurden. Diese Prüfung hat zwei Sachverhalte ergeben: Erstens hat sie gezeigt, dass Gemeinsamkeiten in den Fällen auf Grund von Unternehmensdaten, wie der Unternehmensgrösse, der Eignerstruktur und der Zusammensetzung des Buying Centers, zustande kommen, während den mit den einzelnen Kaufentscheidungen verbundenen Kriterien der Werkzeugmaschine, wie deren wahrgenommene Ausfallkosten, technische Klassifizierung oder strategische Bedeutung, ein geringer Erklärungscharakter zukommt. Selbst die von den Kunden eingeschätzten Folgekosten beim Ausfall einer Werkzeugmaschine zeigen keinen eindeutigen Zusammenhang mit dem Abschluss von Service- oder Wartungsverträgen auf, welche bei Maschinenausfällen für eine grössere Sicherheit beim Kunden sorgen sollten. Zweitens führt die Untergliederung der Fälle in Terzile auf Grund des wahrgenommenen Kundennutzens von After-Sales-Services für das erste Terzil nicht zu einer homogenen Gruppe, aus deren Zusammenfassung Verhaltensgemeinsamkeiten abgeleitet werden können. Das erste Terzil benötigt eine weitere Unterteilung in Subgruppen. In der ersten Subgruppe, den technischen Innovatoren, wurden zwei Fälle eingeteilt, bei welchen die Kunden in eine neuartige und innovative Technologie investiert haben, welche zum Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes führen sollte. Treiber und Entscheider waren in beiden Fällen die Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Die zweite Subgruppe, die reaktiven Service-on-Demand-Bezüger, fasst jene drei Fälle zusammen, in welchen Kunden sich aus prinzipiellen Gründen gegen den Bezug von externen After-Sales-Services stellen und diese, in der Form eines notwendigen Übels, ausschliesslich reaktiv beziehen. Der dritten Subgruppe, den internen Servicedienstleistern, wurden jene Kunden zugeteilt, welche über ein höchst professionelles Servicemanagement verfügen, dieses jedoch aus Gründen der Kompetenz, der Verfügbarkeit und der Reaktionszeit mit internen Personen besetzen. Entgegen der in den anderen beiden Subgruppen vorherrschenden Skepsis gegenüber After-Sales-Services setzen diese Kunden einen strategischen Fokus auf eben diese Services, befriedigen ihre Bedürfnisse jedoch mittels interner Ressourcen. Nachfolgend wird jedes Kundensegment beschrieben: nicht in der Form eines einzelnen Falls, sondern als Idealtyp, welcher als Synthese aus allen diesem Segment zugeordneten Fällen resultiert. Alle Inhalte stammen aus der fallübergreifenden Synthese. 80 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 3.3.2.1 Technische Innovatoren Das Segment der technischen Innovatoren ist das kleinste identifizierte Segment, ihm wurden zwei Fälle zugeordnet. Die darin enthaltenen Kunden haben den Nutzen von After-Sales-Services als tief wahrgenommen. Bei den technischen Innovatoren handelt es sich um kleine bis mittelgrosse Kunden, welche sich mit technischen Innovationen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Die Erbringung von technischen Spitzenleistungen steht im Zentrum ihrer Strategie, unabhängig von ihrer Branchenzugehörigkeit. Die dafür notwendige technische Kompetenz ist bei den Schlüsselmitarbeitenden vorhanden und zieht sich bis ins Topmanagement. Die beschafften Werkzeugmaschinen sind ausschliesslich Neuheiten im Markt in einem frühen technischen Reifegrad. Entsprechend tief sind zu Beginn die Ausfallkosten, da ein Lernprozess und ein Marktaufbau nach dem Erhalt der Maschine einkalkuliert sind. Der Kaufprozess charakterisiert sich dadurch, dass er von technischen Kriterien dominiert ist und die F&E-Abteilung als (Mit-)Entscheider auftritt. Das Vertrauen in die technische Kompetenz des WZM-Herstellers spielt beim Kauf eine wichtige Rolle, da sich die technischen Innovatoren in der Nutzungsphase der Maschine einen Knowhow-Austausch wünschen. Überlegungen zu den After-Sales-Services sind in den Kaufprozessen weitgehend irrelevant, da die technischen Kriterien stets die Überhand haben. Dies begründet sich mit der Fachkompetenz in diesen Unternehmen, welche ein unabhängiges Agieren des WZM-Herstellers in der Nutzungsphase erlaubt. Eine gute Servicequalität heisst für einen technischen Innovator, dass die Servicetechniker des WZM-Herstellers vor Ort beim Kunden über ein herausragendes Knowhow im Umgang mit den WZM verfügen. Da von diesen Unternehmen nur High-Tech gekauft wird, erwarten sie in den ersten Jahren nach dem Kauf der Maschine überhaupt keine Kosten für Services, da jeder Ausfall einer Enttäuschung gleichkommen würde. Entsprechend wichtig ist die Kulanz seitens des WZM-Herstellers, sollten unvorhergesehene Kosten entstehen. Service- und Wartungsverträge schliessen die technischen Innovatoren kaum ab, da sie selbst über eine gute Fachkompetenz verfügen und die Ausfallkosten in der Regel nicht kritisch sind. Wichtig ist ihnen aber, dass die von ihnen gekauften Maschinen mit Standardkomponenten gefertigt sind, welche qualitativ hochwertig sind und eine langjährige Ersatzteilverfügbarkeit haben: Beides vermittelt diesen Kunden Sicherheit. KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 81 Charakterisierende Statements von Mitarbeitenden aus diesem Kundensegment: «Wir wollen nicht ein Produkt am Ende der Lebensspanne kaufen, so als Trittbrettfahrer, das ist nicht unser Stil.» (Fall 1) «Ziel war das High-End. Damals kamen die [Technologie des Herstellers] auf, das gesamte System war völlig neu am Markt: Das gab es noch nicht. Natürlich war ein gewisses Risiko dabei, wenn man so etwas kauft. Wissen, dass es so in Ordnung war, tut man immer erst danach; das ist bei jeder Investition so. Aber wir haben schon das Ziel verfolgt: Wir wollen da oben mitspielen.» (Fall 15) 3.3.2.2 Reaktive Service-on-Demand-Bezüger Dem Segment der reaktiven Service-on-Demand-Bezüger wurden drei Fälle zugeordnet. Diese Kunden haben den Nutzen von After-Sales-Services als tief wahrgenommen. Die Kunden in dieser Gruppe sind inhabergeführte Betriebe, welche dem Mittelstand zuzuordnen sind. Sie sind geprägt von den Ansichten und dem Verhalten des geschäftsführenden Inhabers. Die von diesen Kunden gekauften Werkzeugmaschinen sind hochwertige Produkte, welche bei regionalen Partnern (WZM-Herstellern oder Distributoren) gekauft werden. Dabei wird ein partnerschaftlicher Umgang mit den WZM-Herstellern angestrebt, dessen Basis langjähriges Vertrauen und Zufriedenheit sind. Dies zeigt sich im Kaufprozess der Investitionsgüter, wo nur wenige – in der Regel altbekannte – WZM-Hersteller in Betracht gezogen werden oder, sollte es zu einem Vertrauensbruch gekommen sein, als Sanktionsmassnahme bewusst nach einer Alternative gesucht wird. Der Selektionsprozess folgt keiner strukturierten Vorgabe, die Präferenzen des geschäftsführenden Inhabers setzen die Leitplanken. After-SalesServices fliessen in die Evaluation ein, jedoch nicht als rational messbare Kriterien, sondern im Unterbewusstsein der involvierten Personen. Dies geschieht zu Beginn des Prozesses und ist ein Argument dafür, warum die Kunden primär die regionalen Partner berücksichtigen, zu welchen ein Vertrauensverhältnis besteht. Infolgedessen werden auch WZM-Hersteller aus asiatischen Ländern – mit der Ausnahme von Japan – nicht berücksichtigt, weil jenen aus Sicht der Entscheidungsträger der reaktiven Service-on-Demand-Bezüger der Ruf anhaftet, qualitativ minderwertige Produkte zu fabrizieren. 82 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Das Verhalten der reaktiven Service-on-Demand-Bezügern ist im Bereich Service und Instandhaltung reaktiv: Probleme werden bei Entstehung angegangen und es gibt kaum Massnahmen, welche auf die Vermeidung der Problementstehung zielen. Die Ersatzteilverfügbarkeit steht als Kriterium für herausragende Servicequalität an erster Stelle, gefolgt von einer schnellen Reaktionszeit, kompetenten Mitarbeitenden und einer offenen und ehrlichen Kommunikation. Trotz der hohen Ansprüche wird erwartet, dass dieses Angebot kostengünstig erbracht wird; die Zahlungsbereitschaft ist für alle Arten von Service niedrig. Die reaktiven Service-on-Demand-Bezüger suchen nach Eigenlösungen, z.B. durch die unabhängige Beschaffung von Ersatzteilen oder den Einsatz interner Techniker. Alle Kosten der After-Sales-Services werden auf eine persönliche Art wahrgenommen, wodurch die Schuldfrage für die Entscheidungsträger im Fokus steht: Liegt sie beim WZM-Hersteller, wird auch mehrere Jahre nach dem Kauf der Maschine eine grosse Kulanz erwartet. Service- und Wartungsverträge sind bei diesen Kunden schwierig zu platzieren, wenn doch, dann nur bei Schlüsseltechnologien in den ersten zwei bis drei Jahren nach dem Kauf. Hauptgrund für die Zurückhaltung ist die Perzeption der Kunden, dass Service- und Wartungsverträge für den WZM-Hersteller ein höchst lukratives Geschäft sind – und man folglich selbst zu hohe Preise bezahlt. Des Weiteren bestehen in diesen Kunden oft interne Ausweichmöglichkeiten in der Produktion, womit Ausfälle abgefedert werden können. Die Kunden möchten jegliche Art von (Fix-)Kosten für den Service minimieren, da bei einem Ausfall Handlungsspielraum besteht. Die Platzierung von erweiterten Servicemodellen, wie z.B. einem Performance Contracting, ist bei diesen Kunden chancenlos. Charakterisierende Statements von Mitarbeitenden aus diesem Kundensegment: «Wir haben ca. 140 Maschinen. Wenn wir für jede Maschine einen Wartungsvertrag hätten, hätten wir ca. 1 Mio. Fixkosten für Wartung, das ist nicht tragbar. Dafür könnten wir fünf Unterhaltsmechaniker anstellen.» (Fall 9) «Ich will die Kosten dann bezahlen, wenn sie anfallen.» (Fall 9) 3.3.2.3 Interne Servicedienstleister Dem Segment der internen Servicedienstleister wurden drei Fälle zugeordnet. Sie haben den Kundennutzen von After-Sales-Services als tief wahrgenommen. KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 83 Die Kunden, welche der Gruppe der internen Servicedienstleister zugeordnet sind, sind börsennotierte Konzerne, welche über eine Vielzahl von Produktionsstandorten im In- und Ausland verfügen. Sie verfügen über Marktmacht im Beschaffungswesen und sind in ihrer Branche als Markt- und/oder Technologieführer bekannt. Die Führungsstrukturen dieser Kunden sind professionell und rational organisiert. Als Zulieferer von Komponenten für die MEM-Industrie und die Automobilindustrie sind sie in internationale Produktionsnetzwerke eingebunden, wo auf Grund der strikten Anwendung von Just-in-time-Prinzipien exakt getimte Produktionsabläufe ein kritischer Erfolgsfaktor sind. Die von diesen Kunden beschafften Werkzeugmaschinen werden von etablierten WZM-Herstellern gefertigt, wobei es sich sowohl um regionale wie auch um internationale Firmen handeln kann. Der Kaufprozess folgt einer internen Vorgabe. Er ist strukturiert und durchläuft mehrere Genehmigungsstufen. Anders als bei vergleichbaren professionell organisierten und international vernetzten Unternehmen spielt das Angebot an After-Sales-Services im Selektionsprozess kaum eine Rolle, da man sich auf interne Ressourcen verlässt. Hauptgrund dafür ist die Reaktionszeit beim Ausfall einer Maschine: Während viele WZM-Hersteller eine 24h-Eingriffszeit als unterstes Limit im Angebot haben, ist ein Ausfall von vier Stunden für diese Unternehmen bereits an der Schmerzensgrenze. Des Weiteren erschweren interne Vorgaben, wie z.B. das Verbot zum Remote-Anschluss von Maschinen aus Sicherheitsgründen, die Erbringung von Serviceleistungen für externe Personen. Da der Maschinenpark dieser Kunden über eine beträchtliche Grösse verfügt, ist die Auslastung qualifizierter interner Servicetechniker möglich, was aus Perspektive dieser Kunden den Kostenvorteil beim internen Personal hat. Spitzenleistungen in der Servicequalität können bei den internen Servicedienstleistern durch eine schnelle Reaktionszeit und kompetente Mitarbeitende des WZM-Herstellers erreicht werden, wobei die Verfügbarkeit dieser Mitarbeitenden am Telefon zur Unterstützung des internen Wartungsteams des Kunden wichtig ist. Die Telefonunterstützung wird als Ergänzung zur internen Kompetenz geschätzt, genauso wie eine gute Schulung nach dem Neuproduktkauf, damit die Mitarbeitenden die Maschine optimal nutzen können und das Wartungsteam anfallende Arbeiten selbst vornehmen kann. Die internen Servicedienstleister sind beim Thema Ersatzteile sehr preissensitiv: Da sie die Ersatzteile grösstenteils selbst verbauen, wollen sie keine hohe Marge bezahlen, die andere Serviceleistungen mitfinanziert, welche sie nicht beziehen. 84 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Hinsichtlich Service- und Wartungsverträgen haben WZM-Hersteller einen schwierigen Stand bei den internen Servicedienstleistern. Solche Verträge werden nur für Maschinen abgeschlossen, welche einerseits eine hohe technische Komplexität haben und andererseits nicht zum Standardportfolio im Maschinenpark des Kunden gehören. In diesem Fall können interne Techniker diese Maschinen nicht selbst unterhalten und ein Service- oder Wartungsvertrag wird in Betracht gezogen. Ansonsten ist es schwierig, bei diesen Kunden im Kaufprozess mit Serviceleistungen zu punkten. Beliebt sind aber vertragliche Konditionen zum Ersatzteilgeschäft und zu Reaktionszeiten, jedoch ohne Fixkostenanteil. Interne Servicedienstleister nutzen ihre Marktmacht aktiv, um solche für den WZM-Hersteller nachteilhaften Verträge durchzusetzen. Charakterisierende Statements von Mitarbeitenden aus diesem Kundensegment: «Das Problem bei unseren Produktionsmaschinen ist der Stillstand. Wenn wir 48 Stunden warten müssen, bis eine Reaktion erfolgt, dann sind schon wieder 100 000 Teile nicht gefertigt worden, also können wir uns dies gar nicht leisten. Wir brauchen sehr schnelle Reaktionszeiten und wir haben festgestellt, dass wir selber Personal bereitstellen müssen, um diese Stillstandzeiten so weit wie möglich gegen null zu bringen.» (Fall 8) «Bei Werkzeugmaschinen haben wir nirgends einen Servicevertrag, man nimmt heute an, dass das auch so funktioniert.» (Fall 23) 3.3.2.4 Strategische Partner Das Segment der strategischen Partner ist das grösste und heterogenste Kundensegment, welchem neun Fälle zugeordnet wurden. Die Kunden dieses Segments haben eine durchschnittlich hohe Wahrnehmung des Nutzens von After-Sales-Services. Die den strategischen Partnern zugeordneten Kunden setzen sich aus Mikro-, Kleinund Mittelstandsunternehmen zusammen. Diese sind teilweise vom Inhaber geführt, teilweise mit externen Geschäftsführern besetzt. Sie sind in verschiedenen Branchen vorzufinden und bewirtschaften ein Spektrum von rein regionalen Zulieferbetrieben bis hin zu internationalen Partnern, welche in die Wertschöpfungskette von Grosskonzernen eingebunden sind. Die von den strategischen Partnern akquirierten Werkzeugmaschinen sind vielfältig, sowohl hinsichtlich technischer Kriterien wie auch in Bezug auf die Ausfallkosten. Es werden WZM von einem Hersteller bzw. Distributor in der Region gekauft, da die Nä- KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 85 he zum WZM-Hersteller geschätzt wird und man qualitativ hochwertige Produkte im Haus haben möchte. Die Unternehmen suchen sich gerne mittelständische WZMHersteller, mit deren Strategie sie sich identifizieren können. Der Kaufprozess findet in diesen Unternehmen nicht nach einer strukturierten Vorgabe statt, vereinfachte Formen der Wirtschaftlichkeitsrechnung vor dem Kaufentscheid sind aber üblich. Die Qualität und die Verfügbarkeit von After-Sales-Services spielen für diese Kunden im Kaufprozess formell und informell eine wichtige Rolle. Die Antizipation über die Serviceleistung eines potentiellen WZM-Herstellers auf Grund von persönlicher Erfahrung, Mund-zu-Mund-Propaganda oder mit dem Herstellerland in Verbindung gebrachten Assoziationen spielt bei der Vorselektion der WZM-Hersteller eine Schlüsselrolle. Die Kosten für Services werden vor dem Kauf nicht systematisch verglichen oder bewertet – der Evaluationsprozess dreht sich vermehrt um die technischen Kriterien und die Leistungskriterien der Services. Aus Sicht der strategischen Partner ist eine herausragende Servicequalität nur in einem partnerschaftlichen Umgang zwischen Kunde und WZM-Hersteller möglich: Ist dieser gegeben, spielen die Kosten eine untergeordnete Rolle – sowohl bei Technikern des WZM-Herstellers beim Vor-Ort-Einsatz wie auch bei e-Services, für welche durchaus eine Zahlungsbereitschaft besteht. Die Anforderungen an das Qualitätsniveau des WZM-Herstellers sind hoch, sowohl bei der Kompetenz der Mitarbeitenden wie auch bei der Reaktionszeit und der Ersatzteilverfügbarkeit. Die Soft-Faktoren, d.h. eine gute Kommunikation, ernst genommen zu werden, Proaktivität und Kulanz des Lieferanten, spielen im Gesamtpaket der Zufriedenheit eine übergeordnete Rolle. Das auch auf persönlicher Ebene partnerschaftliche Verhältnis zu den WZM-Herstellern lässt sich daran erkennen, dass aus den Interviews mit den strategischen Partnern die umfassendsten Empfehlungen an den Service der WZM-Hersteller gekommen sind.238 Service- und Wartungsverträge werden je nach Risikoüberlegung abgeschlossen, v.a. auch bei neuen WZM-Herstellern, in vielen Fällen steht aber das gegenseitige Vertrauen im Vordergrund, welches keines Vertrags bedarf. Für die Unternehmen dieser Gruppe steht die strategische Partnerschaft im Fokus; sie sehen sich selbst als strategische Partner des Herstellers, wenn es um die Optimierung der WZM geht, und be- 238 z.B. die Empfehlung, Service im Organigramm hoch oben anzusiedeln, Verkaufsschulung bei Servicetechnikern durchzuführen oder den Aufbau eines Netzwerkes unter den Kunden zu fördern. 86 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES trachten den WZM-Hersteller als ihren strategischen Partner, wenn es zur Implementierung hochwertiger Technologien in der eigenen Produktion kommt. Charakterisierende Statements von Mitarbeitenden aus diesem Kundensegment: «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man zu Firmen, welche ähnlich strukturiert sind wie wir, das heisst, welche ähnlich ticken, einfacher einen konstruktiven Draht findet.» (Fall 12) «Ich sehe [den WZM-Hersteller] sicherlich mehr als Partner an als er mich, denn ich mache damit Werbung, ich stehe da dahinter. Es war immer schon der Traum für mich, irgendwann eine [WZM-Hersteller]-Anlage zu kaufen. Auch früher schon, als ich noch Angestellter war, habe ich immer von sowas geträumt.» (Fall 20) 3.3.2.5 Risikoaverse Service-Profis Dem Segment der risikoaversen Service-Profis wurden sechs Unternehmen zugeordnet. Sie haben den Kundennutzen von After-Sales-Services als hoch wahrgenommen. Wie bei den internen Servicedienstleistern handelt es sich auch bei den risikoaversen Service-Profis um grosse bis sehr grosse (> 500 Mitarbeitende) Kunden, welche über globale Produktions- und Vertriebsnetzwerke verfügen. Sie unterliegen einer professionellen externen Führung und sind typischerweise an der Börse kotiert. Zur Beschaffung ihrer Werkzeugmaschinen bedienen sich die risikoaversen ServiceProfis auf dem globalen Markt, wobei weder Standort noch Kulturkreis des WZMHerstellers eine signifikante Rolle spielen. Etablierte Hersteller werden geschätzt. Der Kaufprozess ist strukturiert, in den grössten Unternehmen auch fragmentiert und auf mehrere Personen und Abteilungen aufgeteilt. Maschinen und WZM-Hersteller durchlaufen nur einmalig den gesamten Kaufprozess – Folgebestellungen, z.B. auf Grund eines Kapazitätsausbaus, sind vereinfacht möglich. Die After-Sales-Services sind im Kaufprozess ein fester Bestandteil eines Pflichtenheftes, welches nach Akzeptanz durch den WZM-Hersteller zu einem Lastenheft wird. Sie fliessen damit in die Evaluation ein. Dennoch sind die After-Sales-Services selbst bei den risikoaversen Service-Profis nicht gleichwertig mit der WZM, sondern eher ein Hygienefaktor, d.h. eine unverhandelbare Voraussetzung, und/oder ein letzter kaufentscheidender Faktor bei zwei technisch und preislich vergleichbaren Alternativen. Eine ausgezeichnete Servicequalität heisst für risikoaverse Service-Profis, dass die Maschinenverfügbarkeit maximal ist. Wie dies vom WZM-Hersteller erreicht wird, KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 87 spielt eine untergeordnete Rolle, implizit erwarten sie jedoch den Verbau von hochwertigen Komponenten, eine schnellstmögliche Reaktionszeit mit kompetentem Personal sowie eine hohe Ersatzteilverfügbarkeit. Die Kunden erwarten, dass dieses Servicepaket an allen global bedeutenden Produktionsstandorten erbracht werden kann. Die risikoaversen Service-Profis schliessen für viele Maschinen einen Service- und Wartungsvertrag ab und verlagern die Verantwortung für die Funktionalität der Maschinen zum WZM-Hersteller. Die Verfügbarkeit einer Maschine ist ihnen wichtig, jedoch haben sie in der Regel interne Ausweichmöglichkeiten. Da ihr Fokus auf dem Kerngeschäft liegt, tendieren sie dazu, die Service- und Wartungsarbeiten auszulagern. Die Preise werden im Gesamtkontext betrachtet und rational abgewogen, wodurch z.B. Offenheit gegenüber zahlungspflichtigen e-Services besteht. Charakterisierende Statements von Mitarbeitenden aus diesem Kundensegment: «Total Cost of Ownership ist, was uns am Ende interessiert. Klar verhandeln wir Servicepakete hinsichtlich des Gesamtpakets – wie viele Anlagen wir abnehmen –, aber das sind Details. […]. Die Ausfallzeiten und die Zuverlässigkeit der Anlagen sind wichtig, wenn sie eine hohe Wertschöpfung zum Produkt beitragen. Fällt die Anlage aus und wir können die Teile verschrotten, dann ist dies für uns deutlich teurer […].» (Fall 18) «Mir geht es beim Service immer um die Verfügbarkeit: Wie schnell ist der Service hier, wenn ich Probleme habe mit meiner Maschine?» (Fall 19) 3.3.2.6 Strukturierung der Kundensegmente Als Synthese von den festgestellten Gemeinsamkeiten und Unterschiede in bzw. zwischen den Kundensegmenten, lassen sich diese anhand von zwei Achsen strukturieren: Einerseits bestehen signifikante Unterschiede in der Verfügbarkeit von internen Ressourcen beim Kunden für das Erbringen von After-Sales-Services. Sind die internen Ressourcen hoch, bedeutet dies, dass sowohl die technische Kompetenz wie auch die Zeitressourcen von Mitarbeitenden vorhanden sind, um After-Sales-Services zu einem Grossteil selbst erbringen zu können. Die zweite Achse kann als die beim Kunden ausgeübte Professionalität im Umgang mit After-Sales-Services zusammengefasst werden. Sie beinhaltet die Bedeutung, welche die Entscheidungsträger des Kunden den After-Sales-Services zuschreiben, und die Stufe der Professionalität, mit der diese mit ihnen umgehen, was sich z.B. über Wartungspläne und die Anwendung von 88 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES rationalen Kostenkalkulationen unter Einbezug von Opportunitätskosten zeigt. Eine Einordnung der fünf Segmente auf diesen Achsen zeigt die nachfolgende Matrix:239 Interne Ressourcenverfügbarkeit Abbildung 20: Darstellung der Kundensegmente als Matrix Technische Innovatoren Interne Servicedienstleister Strat. Partner Reaktive Serviceon-Demand-Bezüger Risikoaverse Service-Profis Professionalität im Umgang mit After-Sales Services Quelle: Eigene Darstellung. Zusammenfassend lässt sich aus der Beurteilung der Kundensegmente Folgendes festhalten: Risikoaverse Service-Profis beurteilen den Kundennutzen von After-SalesServices als hoch, weshalb sie sowohl über eine positive Einstellung wie auch über ein ausgeprägtes Nutzenverhalten verfügen. Ähnlich ist dies bei den strategischen Partnern, wobei diese eine selektivere Herangehensweise haben und das Vertrauen in den WZM-Hersteller, die Technologie und die Ausfallkosten von Fall zu Fall neu beurteilen. Eine tiefe Nutzenbeurteilung für die am Markt verfügbaren After-Sales-Services nehmen die reaktiven Service-on-Demand-Bezüger, die internen Servicedienstleister sowie die technischen Innovatoren vor: Während die reaktiven Service-on-DemandBezüger die After-Sales-Services prinzipiell als zu teuer erachten, betrachten die internen Servicedienstleister die Angebote kritisch, welche nicht ihren Bedürfnissen entsprechen, v.a. hinsichtlich der Reaktionszeit und der Kompetenz der Servicemitarbeitenden. Im letzteren Fall, bei den technischen Innovatoren, ist es der mangelnde Be239 Sowohl Baumbach (1998, S. 106 ff.) wie Zollikofer-Schwarz (1999, S. 33) verwenden als Segmentierungskriterien mit der «Technischen Kompetenz und Ressourcen» und der «OutsourcingBereitschaft» ähnliche Kriterien zur Segmentierung. KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 89 darf an After-Sales-Services, welcher einen Kundennutzen nicht ersichtlich macht, da die von ihnen bezogenen Maschinen einen experimentellen Charakter haben. Die bei den technischen Innovatoren vorhandene hohe Fachkompetenz in Kombination mit geringen Ausfallkosten schmälert den Nutzen der After-Sales-Services generell. 3.3.3 Kundennutzen und Opportunitäten Aus der fallübergreifenden Synthese lassen sich fünf Themen identifizieren, welche aus Perspektive des Kunden einen signifikanten Einfluss auf die Stiftung bzw. die Minderung des Kundennutzens haben und aus welchen sich zugleich Opportunitäten für die Rentabilitätsoptimierung im Leistungssystem von Anbietern ergeben. 240 3.3.3.1 Grundnutzen von After-Sales-Services Betrachtet man den After-Sales als isolierten Leistungskatalog, sehen die Kunden den Grundnutzen als erfüllt an, wenn ein WZM-Hersteller in der Lage ist, im Fall eines ungeplanten Ausfalls der Werkzeugmaschine, typischerweise im Fall des Bruchs einer Komponente oder einer Störung, diese innert kurzer Zeit funktionsfähig zu machen, also den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. In den Worten der Kunden wurde dies wie folgt formuliert: «Im Endeffekt muss die Maschine wieder gleich funktionieren wie vorher, das ist das Wichtigste.» (Fall 21) «Letztendlich muss ich sagen: Da habe ich eine Störung, und du musst wissen, was hier Sache ist.» (Fall 13) «Ich würde [für die Gestaltung von gutem Service] den Fokus auf die Kompetenz der Servicemitarbeiter und die Schnelligkeit setzen; wie schnell sie bei Störungen vor Ort sind.» (Fall 14) Aus Kundensicht bedingt dies, dass der WZM-Hersteller über einen ausreichend grossen Pool an Mitarbeitenden im Service verfügt (e-Service, Techniker im Feld), welche im Bedarfsfall zeitliche Ressourcen besitzen und über ein ausreichendes Kompetenzniveau verfügen, um den Ausfall zu beheben. In vielen Fällen ist zusätzlich die Verfügbarkeit des passenden Ersatzteils in der gleichen Zeitspanne notwendig. 240 Um die Leserlichkeit zu vereinfachen, werden die Opportunitäten direkt bei den zugehörigen Resultaten diskutiert, obwohl sie aus methodischer Sicht auf die Diskussion vorgreifen. 90 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Zusammenfassend lässt sich zum Kundennutzen festhalten: Kundennutzen 1: Die zeitnahe Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschine stiftet aus Kundenperspektive relevanten Nutzen. In den Gesprächen mit den Kunden wurde ersichtlich, dass die Erfüllung des Grundnutzens der After-Sales-Services ausreicht, um dem WZM-Hersteller im After-SalesBereich ein sehr gutes Leistungszeugnis auszustellen: Wird der Grundnutzen überzeugend erfüllt, treten übrige Leistungsmerkmale sowie Preisdiskussionen in den Hintergrund. Dies zeigt sich darin, dass umfassendere Service-Integrationsmodelle, wie z.B. Performance Contracting oder die Übernahme der Funktionalitätsverantwortung für eine Werkzeugmaschine durch den Hersteller, bei den Kunden nicht verbreitet sind und deren Praxistauglichkeit von den Kunden angezweifelt wird. Für WZM-Hersteller liegt in der Konzentration auf die zeitnahe Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschine die Opportunität, sein Leistungssystem durch eine Fokussierung auf diese Anforderung zu verschlanken und dadurch Kostenvorteile durch Elimination irrelevanter Services zu realisieren. Zusammenfassend lässt sich die Opportunität ableiten: Opportunität 1: Kostenvorteile in der Leistungserbringung lassen sich durch ein auf die zeitnahe Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschinen beim Kunden fokussiertes Leistungssystem erreichen. In den fünf Kundensegmenten findet die formulierte Erkenntnis gleichermassen ihre Gültigkeit: Die Wiederherstellung der Produktionsfähigkeit ist für alle Kunden von hoher Relevanz. 3.3.3.2 Ausbildungsniveau der Servicetechniker Die Servicetechniker sind, neben den Verkäufern, nach dem Kauf einer Werkzeugmaschine jene Personen, welche den WZM-Hersteller beim Kunden vor Ort und/oder telefonisch vertreten. Das Verhalten der Techniker im Fall einer Anlagenstörung ist der vom Kunden meistgenannte Treiber für die Zufriedenheit mit den After-SalesServices des WZM-Herstellers. Aus Perspektive der Kunden werden seitens der WZM-Herstellers nicht genügend Ressourcen in die Ausbildung dieser Techniker investiert. Diese Tendenz hat aus Kundenperspektive in den letzten Jahren zugenommen. Kunden nehmen die technische Kompetenz bei reinen Servicefirmen, welche Dienst- KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 91 leistungen für verschiedene Hersteller erbringen, als tiefer wahr als bei betriebseigenem Personal des WZM-Herstellers. Eine Auswahl an Aussagen von Kunden zu diesem Thema: «Der Hersteller bringt Unmengen Neuerungen auf den Markt. […]. Wenn ich einen Servicetechniker habe von dieser Firma, kann es sein, er steht vor der Maschine und sagt: ‹Den Typ habe ich jetzt noch nie gesehen.› Dies ist dann nicht sehr vertrauenserweckend, wenn man bedenkt, dass dieser Mann die Maschine zum Laufen bringen sollte.» (Fall 13) «Bei Serviceverträgen ist wichtig, dass die Reaktionszeiten eingehalten werden und dass das Servicepersonal nicht alibimässig vorbeikommt; derjenige, der vorbeikommt, hat die Ausbildung zu haben, dass er reagieren kann.» (Fall 6) «Es gibt einen Maschinenpartner wo wir sagen, wir wollen diesen oder diesen Servicemonteur, aber diesen sicher nicht.» (Fall 5) «Für uns ist es wichtig, dass wenn wir anrufen, jemand Kompetentes am Telefon ist.» (Fall 10) «Das Schlimmste ist, es kommen ein oder zwei Monteure und nach drei Tagen wissen sie immer noch nicht, wo der Fehler ist. Das ist das Schlimmste, was man haben kann.» (Fall 9) Die Begründungen für die hohe Bedeutung kompetenter Servicetechniker sind vielfältig: Erstens stehen die Kosten im Vordergrund: Da ein Servicetechniker in der Regel im Stundensatz bezahlt wird, hat der Kunde Interesse an einer zielgerichteten Problemlösung. Zweitens hat der Kunde das Bedürfnis zu spüren, dass sein Lieferant für sein eigenes Produkt eine hohe Kompetenz hat, was ihm ein Gefühl der Sicherheit vermittelt. Drittens sind für einen Kunden die Folgekosten eines Ausfalls, seien es Lieferverzögerungen oder der interne Koordinationsaufwand, hoch und er hat ein Interesse, mit einem kompetenten Mann vor Ort bzw. am Telefon das Problem effizient zu lösen.241 Zusammenfassend lässt sich zum Kundennutzen festhalten: Kundennutzen 2: Ein überdurchschnittliches Kompetenzniveau der Servicetechniker erhöht den Kundennutzen. 241 vgl. Kundennutzen 1 92 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Betrachtet man diese Nutzenpräferenz des Kunden aus dem Blickwinkel einer Opportunität für eine Rentabilitätsoptimierung im Leistungssystem des WZM-Herstellers, lässt sich feststellen, dass aus Kundensicht die einer Serviceleistung entgegengebrachte Zahlungsbereitschaft von der Qualität der Dienstleistung beeinflusst ist: Selbst in Unternehmen des Segments der reaktive Service-on-Demand-Bezüger, welche unter allen Käufertypen die kritischste Haltung gegenüber Serviceleistungen einnehmen, besteht die Ansicht, dass professionelle Servicekompetenz ihren Preis haben darf – mindestens dann, wenn sie vor Ort erbracht wird. In den Gesprächen wurde dies wie folgt von den Entscheidungsträgern formuliert: «Ich finde diese Firma ein Paradebeispiel: So muss ein Service sein und dann darf er auch etwas mehr kosten. Die kann man anrufen und am nächsten Tag geht die Maschine wieder – auch wenn sie in zwei Teile zerbrochen ist. […] Wir hatten einmal den Fall, wo wir nicht wussten, wo der Ursprung des Fehlers war. Am nächsten Morgen hatten wir drei Paletten von Material angeliefert bekommen – sie hätten alles austauschen können. Das ist Qualität und das schätzt man auch.» (Fall 9) «Auch ein schlechter Servicemonteur kostet 130 Franken pro Stunde, die Kosten sind nicht entscheidend.» (Fall 3) «Ich bezahle gerne einen Hunderter mehr, wenn die Maschine dafür einen Tag früher wieder läuft. Diesen Hunderter hat man dadurch locker wieder gespart.» (Fall 10) Zusammenfassend lässt sich die Opportunität ableiten: Opportunität 2: Ein überdurchschnittliches Kompetenzniveau der Servicetechniker erhöht die Zahlungsbereitschaft für Serviceeinsätze beim Kunden. Ein Zugewinn von Kundennutzen durch ein überdurchschnittliches Kompetenzniveau des Servicetechnikers ist in allen Kundensegmenten vorhanden, die Verknüpfung dieses Zugewinns mit einer erhöhten Zahlungsbereitschaft ist jedoch bei den risikoaversen Service-Profis weniger ausgeprägt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Unternehmensstruktur und -kultur bei den risikoaversen Service-Profis ein weniger ausgeprägtes Kostenbewusstsein hervorbringt und weil Serviceeinsätze öfters durch Wartungs- und Serviceverträge abgegolten werden. KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 3.3.3.3 93 Professionelle Kommunikation Ein weiteres aus Kundenperspektive wichtiges Thema im Zusammenhang mit dem Nutzen von After-Sales-Services ist die Kommunikation mit dem WZM-Hersteller im Falle eines ungeplanten Ausfalls einer Werkzeugmaschine. Die Kunden bemängeln, dass die Kommunikation unprofessionell ablaufe. Sie beschreiben die Situation beim Ausfall einer Maschine als stressbehaftet, da eine Unsicherheit herrscht, wann die Produktionsanlage wieder funktionsfähig ist und welche Konsequenzen daraus für ihre Kundenaufträge sowie für vor- und nachgelagerte Produktionsschritte entstehen. In dieser Situation ist es dem Kunden wichtig, dass er mit seinen Problemen beim WZMHersteller ernst genommen wird und Planungssicherheit wiederhergestellt werden kann. Folgende Zitate von Kunden illustrieren dies: «Kurze und unbürokratische Wege wo man sagt: ‹Alles ist organisiert, Montagmorgen sitzt einer da.› Mehr brauche ich gar nicht zu wissen.» (Fall 20) «Wichtig ist, dass der Maschinenhersteller offen kommuniziert. Es kann immer mal sein, dass er nur vier Servicemonteure hat, aber acht grosse Kunden, welche gleichzeitig ein Problem haben. Dann erwarten wir, dass er uns sagt: ‹Hört zu, Leute, es wird nächste Woche am Dienstag› – und nicht: ‹Wir schauen dann mal morgen.› – Und morgen heisst es dann, dass es nicht gehe, sondern übermorgen werde.» (Fall 5) «Stellen Sie sich vor, Sie rufen bei der Feuerwehr an und da geht niemand ran. Sobald Sie dort sind, wissen Sie, Sie sind versorgt […] – jetzt haben Sie jemanden an der Strippe und der hat ihnen die ganze Last abgenommen.» (Fall 20) Wie aus den Statements ersichtlich ist, wird nicht nur die schnellstmögliche Reaktion, sondern auch das professionelle Management der Kommunikation als nutzenstiftend erachtet. Ein Idealprozess sollte aus Kundensicht über die folgenden Schritte ablaufen: Entgegennahme des Anrufes, schneller Rückruf mit einem Aktionsplan, verlässliche Termine für Technikereinsätze, fortlaufende Information des Kunden bei relevanten Neuigkeiten und kein Abschluss des Vorfalls, bevor der Kunde artikuliert, dass das Problem vollständig gelöst ist. Mit einem solchen Betreuungspaket fühlt sich der Kunde wohl, kann Stress reduzieren und die internen Abläufe auf den Aktionsplan optimieren. Zusammenfassend lässt sich zum Kundennutzen festhalten: 94 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Kundennutzen 3: Ein professionelles Kommunikations- und Informationsmanagement des WZM-Herstellers erhöht den Kundennutzen. Aus den mit der Position der Kunden verbundenen Argumenten lassen sich keine direkten Rückschlüsse über eine Erhöhung der Zahlungsbereitschaft für die Ausübung eines professionellen Kommunikations- und Informationsmanagements ziehen. Jedoch haben die Kundengespräche gezeigt, dass der WZM-Hersteller mit einer ehrlichen, proaktiven und professionellen Kommunikation die mit dem Grundnutzen242 von After-Sales-Services verbundenen Leistungsanforderungen an Reaktionszeit und Ersatzteilverfügbarkeit unter gleichbleibender Nutzenwahrnehmung mindern kann. Zusammenfassend lässt sich die Opportunität ableiten: Opportunität 3: Ein professionelles Kommunikations- und Informationsmanagement des WZM-Herstellers mindert die Leistungsansprüche des Kunden hinsichtlich Reaktionszeit und Ersatzteilverfügbarkeit. Die Bedeutung einer guten Kommunikation korreliert nur indirekt mit der Zuordnung der Fälle zu den fünf Segmenten: Vielmehr ist die Eignerstruktur des Unternehmens von Bedeutung. Eine professionelle Kommunikation wird vor allem in inhabergeführten Unternehmen geschätzt, in welchen der Inhaber persönlich viel Verantwortung trägt und im Alltagsgeschäft involviert ist, wie dies in Mikro-, Klein- und Mittelstandsunternehmen beobachtet werden konnte. Inhabergeführte Unternehmen sind in den Segmenten reaktive Service-on-Demand-Bezüger und strategische Partner am weitesten verbreitet. 3.3.3.4 Nachvollziehbare Preispolitik Die Diskussion von Preisen für After-Sales-Services, seien dies Ersatzteile, Anfahrtspauschalen oder Technikereinsätze vor Ort, hat bei den Interviewteilnehmenden emotionale Reaktionen ausgelöst. Es lässt sich feststellen, dass unter den Kunden die Meinung vorherrscht, dass After-Sales-Services für den WZM-Hersteller ein höchst lukratives Geschäft sind. Jene Entscheidungsträger, welche seit längerem in Kaufprozesse für WZM involviert sind, haben auch eine zunehmende Verschärfung dieses Problems festgestellt: Während aus Perspektive des Kunden die Leistung tendenziell abnimmt, 242 vgl. Kundennutzen 1 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 95 werden die Preise für Services konstant erhöht, da diese, im Vergleich zu früher, einen wesentlichen Beitrag zur Unternehmensfinanzierung des WZM-Herstellers leisten müssen. Folgende Aussagen illustrieren diese Ansichten repräsentativ: «Wenn ich Maschinenverkäufer wäre, würde ich Wartungsverträge anpreisen, viel lieber als eine Maschine zu verkaufen, weil es eine sichere Sache ist: Wenn die Maschine kaputt ist, dann kommt man halt wieder und sonst macht man die jährlichen Inspektionen.» (Fall 9) «Mit den Jahren ist das Problem Service generell schlimmer geworden. Service war früher eine völlig bezahlbare und vernünftige Sache. […] Heute treibt es einem die Tränen in die Augen, was da für Angebote kommen. Da kann ich zwei Nullen wegstreichen und dann machen wir es selber und haben noch einen Riesengewinn gemacht. Da hat man manchmal schon den Eindruck, die Firmen müssen sich ausschliesslich über Service finanzieren. Dies ist ein Eindruck, der generell da ist und damals, vor 15 Jahren, noch nicht da war.» (Fall 15) Am meisten wurde das Thema Preise im Bereich der Ersatzteile diskutiert. Die Kunden unterschieden hier zwischen jenen Teilen, welche vom WZM-Hersteller selbst gefertigt sind, und Komponenten, bei welchen der WZM-Hersteller bzw. seine Serviceniederlassung nur als Zwischenhändler fungieren. In ersterer Kategorie tritt der WZM-Hersteller in einer monopolistischen Stellung auf: Bis auf einen Einzelfall wurde in allen Kaufprozessen angegeben, dass Ersatzteile dieser Art nur beim WZMHersteller bezogen werden und die Preise selten ein Thema sind. In letzterer Kategorie stossen hohe Margen der WZM-Hersteller weitgehend auf Unverständnis, da die Kunden nicht einsehen, welchen Wertschöpfungsanteil der WZM-Hersteller einbringt. Des Weiteren bemängeln die Kunden, dass die WZM-Hersteller aktiv versuchen, den Markt mit Ersatzteilen zu kontrollieren und die Preise hoch zu halten. Beides führt aus Sicht der Kunden zu einer unfairen Preispolitik. Nachfolgende Kundenaussagen illustrieren dies: 96 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES «Wenn der Maschinenhersteller es nicht schafft, seine eigenen Ersatzteile zu verkaufen, macht er irgendwo grobe Fehler.» (Fall 11) «Im Bearbeitungszentrumsbereich bei Fräsmaschinen haben wir schon sehr schlechte Erfahrungen gemacht, wir bekommen ein Teil, welches der Hersteller auch einkauft, zum dreifachen Preis. Dort macht es dann schon Sinn, wenn man das Teil selbst beschafft.» (Fall 13) «Der freie Markt spielt bei den Ersatzteilen nicht, wie er sollte.» (Fall 22) «Die Ersatzteile, das weiss man, sind das, womit [der WZM-Hersteller] das Geld verdient. […] Diese Pille muss man einfach schlucken, dagegen kann man nichts machen.» (Fall 10) Die Kunden haben artikuliert, dass sie sich grundsätzlich einen Bezug von Ersatzteilen via den WZM-Hersteller wünschen, da damit der interne Koordinationsaufwand minimiert wird und die Passgenauigkeit des Ersatzteils sicherstellt ist. Dass der WZMHersteller auf Fremdteile einen Zuschlag von 20 bis 40% legt, wird vom Kunden als gerecht betrachtet, wobei die relative Marge mit der absoluten Preishöhe abzunehmen hat. Eine aus Kundensicht faire Preispolitik bei Ersatzteilen würde deren Bezug via WZM-Hersteller fördern. «Ob eine Pumpe CHF 3000.– oder CHF 3300.– kostet, das ist nicht entscheidend. Für mich ist entscheidend, ob die Pumpe innert zehn Minuten gewechselt ist oder ob man noch irgendeinen Plastikschlauch verlängern muss.» (Fall 12) Zusammenfassend lässt sich zum Kundennutzen festhalten: Kundennutzen 4: Eine aus Kundenperspektive unfaire Preispolitik mindert den vom Kunden wahrgenommenen Nutzen von After-Sales-Services. Betrachtet man das vom Kunden verwendete Argumentarium, welches die Nutzenminderung durch die angewandte Preispolitik erklärt, lässt sich eine Opportunität für WZM-Hersteller erkennen: Kunden stören sich nicht primär an der absoluten Preishöhe, sondern an dem für sie nicht ersichtlichen Zusammenhang zwischen der Wertschöpfung des Herstellers und dem Preis. Kunden unterlassen dabei eine kritische Reflexion über die Kosten, welche beim WZM-Hersteller auch bei gehandelten Ersatzteilen auf Grund von Lagerung, Garantieleistungen, Logistik und Administration entstehen, oder darüber, dass es die damit erzielten Gewinne sind, welche kostenlose e- KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 97 Support-Leistungen ermöglichen. Da seitens des WZM-Herstellers keine Transparenz über die Entstehung der Preise und der dahinterliegenden Kosten besteht, vertreten Kunden die Auffassung, dass im Ersatzteilgeschäft auf ihre Kosten übermässige Gewinne erwirtschaftet werden. Zudem empfinden sie es als störend, dass dort, wo kein Wertschöpfungsanteil vorhanden ist, hohe Margen erzielt werden. Auch bei den Anfahrtspauschalen, dem zweiten Streitpunkt in der Preispolitik, zeigt sich dieses Verhaltensmuster: Der Nutzen des Kunden ist beeinträchtigt, wenn eine vollwertige Anfahrtspauschale zu bezahlen ist, obwohl Kunden Kenntnis davon haben, dass der Servicetechniker den Termin mit anderen Einsätzen in der Region verbinden konnte. Erkennen Kunden jedoch eine Verhältnismässigkeit zwischen der verrechneten Anfahrtspauschale und der effektiven Anfahrtszeit, sind diese Kosten für sie in Ordnung. Zusammenfassend lässt sich die Opportunität ableiten: Opportunität 4: Es besteht eine positive Korrelation zwischen der Preisakzeptanz von After-Sales-Services durch den Kunden und den durch ihn wahrgenommenen Kosten für ihre Leistungserbringung. Die Visualisierung des Zusammenhangs von Kosten und Leistung ist im Segment der reaktiven Service-on-Demand-Bezüger sowie bei den technischen Innovatoren von besonderer Bedeutung. Die geringste Aussagekraft besteht bei den risikoaversen Service-Profis, wo die totalen Kosten als Teil einer Wirtschaftlichkeitsrechnung unabhängig von der mit ihnen verbundenen Marge oder der wahrgenommenen Preisfairness eine Rolle spielen. 3.3.3.5 Leistungsvereinbarung zu e-Services Der e-Support, welcher im Gespräch mit den Kunden als die Gesamtheit der Services über Kommunikationsmedien wie Telefon, Videokonferenz, die Auswertung von elektronischen Fehlerprotokollen und den Remote-Zugriff auf eine Werkzeugmaschine definiert wurde, gewinnt aus Sicht des Kunden an Bedeutung, da er einen schnellen und komfortablen Weg bietet, Maschinenstörungen zeitnah zu beheben. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass zum Zeitpunkt der Durchführung der Studie die Verfügbarkeit von Remote-Zugriff auf WZM vielerorts nicht gegeben war (bei Erodier-, Schleifund CNC-Maschinen z.B. ist Remote-Zugriff kaum verbreitet), auf ausgewählten 98 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES technisch komplexen Maschinen (z.B. Beschichtungsmaschinen, automatisierten Bearbeitungszentren) jedoch seit Jahren zum Standard gehört. Im Zentrum der Diskussion steht aus Kundenperspektive nicht der unbestrittene Nutzen dieser modernen Zugriffsmöglichkeiten, sondern die Bezahlung für die Nutzung dieser Services. Die Erwartungshaltung vieler Kunden lässt sich aus den folgenden Statements erkennen: «Man hat die Erwartung, dass Telefonsupport kostenlos ist, weil es seit Jahrzehnten so ist in dieser Branche. In der EDV-Branche ist es hingegen seit Jahrzehnten den anderen Weg herum und dort gibt es keinen Widerstand.» (Fall 11) «Wenn ich da jetzt eine Rechnung kriegen würde, wäre ich schon überrascht. Wobei man sich die Frage nie stellt, wenn ein Monteur hier vor Ort ist – dann gibt es eine Rechnung. Aber ich gehe davon aus, dass die Firmen dies auch wissen und in ihren Gemeinkosten ein bis zwei Leute miteinplanen.» (Fall 19) Die Tatsache, dass e-Services in der Vergangenheit kostenlos waren, ist die meistgenannte Begründung für die mangelnde Bereitschaft zur Bezahlung. Kunden erwarten, dass dieser Umstand auch dem WZM-Hersteller bekannt ist, weshalb er für e-Services anfallende Kosten in die Marge der Werkzeugmaschine einrechnet. Zusammenfassend lässt sich zum Kundennutzen festhalten: Kundennutzen 5: Eine separate Verrechnung von e-Services mindert deren vom Kunden wahrgenommenen Nutzen. Es sind jedoch Unterschiede in der Erwartungshaltung in den einzelnen Kundensegmenten zu erkennen. Während für reaktive Service-on-Demand-Bezüger, technische Innovatoren und interne Servicedienstleister eine Bezahlung für e-Services tendenziell auf Widerstand stösst, zeigen sich strategische Partner und vor allem die risikoaversen Service-Profis aufgeschlossener bezüglich der Verrechnung dieser Dienste. Zudem lässt sich feststellen, dass die Verrechnung von e-Services für Kunden aller Segmente in anderen Geschäftsbereichen auf Akzeptanz stösst, wie z.B. im Bereich Steuerungen und Software: Dort ist eine Begleichung von e-Support normal und wird von den Kunden nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Entfernt man sich in der Diskussion mit dem Kunden von der historischen Trennung zwischen kostenlosen e-Services und kostenpflichtigen Vor-Ort-Einsätzen von Ser- KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 99 vicetechnikern, findet man den gemeinsamen Nenner im Ziel dieser Leistungen: der Wiederherstellung der Produktionsfähigkeit. Insbesondere jene Kundensegmente mit höherer Professionalität im Umgang mit After-Sales-Services erkennen, dass dieses Ziel unabhängig von der Art der Supportleistung im Fokus steht und sich die Bezahlung an der Zielerreichung orientieren muss. Kunden haben dies wie folgt formuliert: «Wenn die Gegenleistung stimmt und es etwas gebracht hat, dann sind die Kosten gerechtfertigt und dann ist die Verrechnung in Ordnung.» (Fall 12) «Ein guter Service heisst, die Stillstandzeit der Maschine minim zu halten. Wie sie das hinbekommen, spielt für uns keine Rolle.» (Fall 3) «Wenn es telefonisch, per E-Mail oder Internet geht, dann ist uns dies sogar lieber: Dann sparen wir die Fahrkosten, die sind manchmal höher als die Stunden, die der Techniker hier verbringt.» (Fall 12) Um eine Umstellung auf ein Bezahlmodell herbeizuführen, in welchem e-Services gleichermassen verrechnet werden können wie Vor-Ort-Einsätze, ist aus Kundenperspektive ein proaktives Vorgehen des WZM-Herstellers gefragt. Kunden erwarten eine Kontaktaufnahme zur Besprechung und schriftlichen Vereinbarung der Konditionen oder sie erwarten, bereits vor der Investition in die Werkzeugmaschine darüber informiert zu werden. Wichtig ist die Klärung der Frage, welcher Leistungsbezug im eSupport Kostenfolgen hat. Kunden wollen sicherstellen, dass WZM-Hersteller nicht für Beratungsleistungen ohne Erfolgsergebnis oder die Erstellung von Offerten, welche später durch die Verrechnung eines Technikereinsatzes oder eines Ersatzteils abgegolten sind, bezahlt werden. Kunden erwarten von den WZM-Herstellern eine kundennutzenoptimierte Preisgestaltung als Voraussetzung für die Verrechnung von eServices, bei welcher sie die Kostenkontrolle behalten. Repräsentativ dafür ist folgendes Statement aus der Praxis: «Ohne Vorinformation würde man eine Rechnung über telefonischen Support nicht akzeptieren. Man müsste im Voraus, bereits beim Kauf der Maschine, Kenntnis darüber haben, was es kostet.» (Fall 11) 100 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Zusammenfassend lässt sich die Opportunität ableiten: Opportunität 5: Die Akzeptanz für die Verrechnung von e-Services steigt durch den Abschluss einer kundennutzenoptimierten Leistungsvereinbarung zu eServices. Die erhöhte Akzeptanz für die Verrechnung von e-Services durch den Abschluss von kundennutzenoptimierten Leistungsvereinbarungen trifft auf Kunden in allen Segmenten zu, wird jedoch mindestens bei den reaktiven Service-on-Demand-Bezügern und den technischen Innovatoren immer noch auf Widerstand stossen. 3.3.4 Beobachtungen zum Kaufentscheidungsprozess Neben den aus der Kundenperspektive relevanten Themen mit einem signifikanten Einfluss auf die Stiftung bzw. die Minderung des Kundennutzens hat die fallübergreifende Synthese vier Beobachtungen zum Kaufverhalten beim Investitionsprozess für eine WZM ersichtlich gemacht, welche mit den After-Sales-Services zusammenhängen. Aus ihnen lassen sich weder Aussagen über den Kundennutzen noch Opportunitäten ableiten, sie leisten jedoch einen Erklärungsbeitrag zum Kaufverhalten und eröffnen Ansatzpunkte für eine Einflussnahme des Service- und Verkaufsteams im Kaufentscheidungsprozess. 3.3.4.1 Vertrauen und Kulanz Vertrauen hat sich in den Kaufprozessen zu einem Schlüsselthema entwickelt, sobald Fragen angesprochen wurden, welche sich um das Thema Garantie und Verträge zu den After-Sales-Services drehten. Aus Kundenperspektive sind Verträge zwar ein Mittel, um interne und externe Absicherungen vorzunehmen, eine Durchsetzungsmöglichkeit gegenüber dem WZM-Hersteller zu haben und schriftlich festgehaltene, klare Verhältnisse über einen Sachverhalt zu schaffen. Nach Vertragsabschluss verlieren die Verträge aber in den meisten Fällen für den Kunden an Bedeutung, da im Alltagsgeschäft gemeinsam mit dem WZM-Hersteller nach Lösungen gesucht werden muss – und dies geschieht weitgehend unabhängig von den vertraglich vereinbarten Konditionen. Aus Kundensicht wird der Sachverhalt von Entscheidungsträgern wie folgt beschrieben: KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 101 «Wenn eine Maschine steht, dann bringt es auch nichts, wenn man vorher alles verhandelt hat, sondern dann ist es einfach das Wichtigste, dass die Maschine so schnell wie möglich wieder läuft.» (Fall 10) «Man kann alles Mögliche vertraglich regeln. Wenn es dann nicht geht, dann geht es nicht. Was nützt es dann, wenn es geregelt wurde?» (Fall 3) «Letzten Endes ist es Vertrauen. Man schaut nie in den Vertrag rein.» (Fall 16) Der Nutzen eines Vertrages wird dem Vertrauen in den WZM-Hersteller untergeordnet. Der Grund für die hohe Gewichtung von Vertrauen liegt in der Art des AfterSales-Geschäfts: Dieses lässt sich nur erschwert mit rational messbaren Kriterien definieren, welche für den Kunden einen garantierten Nutzen bringen. So sind z.B. in vielen Serviceverträgen garantierte Reaktionszeiten enthalten, jedoch keine garantierte Wiederherstellung der Funktionalität. Folgende Aussage aus der Praxis erläutert die Problematik: «Der Hersteller garantiert 24h-Service. Rechtlich sieht dies so aus: Der muss halt jemanden schicken nach 24 Stunden. Der wird auch jemanden schicken nach 24 Stunden. Nur was dann passieren kann ist, dass da halt einer kommt, der hat zwei Hände und zwei Beine und steht an der Maschine und ist halt da. Wie kann ich jetzt gewährleisten, dass der Mann sich auskennt?» (Fall 16) Servicemitarbeitende haben aus Sicht des Kunden deshalb die Chance, das geforderte Vertrauen durch gute Leistungen herzustellen – und geniessen ihrerseits gleichzeitig ein hohes Ansehen bei den Kunden: Empfehlungen, welche sie abgeben, sind mit einer höheren Glaubwürdigkeit versehen. Sie werden, anders als der Verkauf, als neutral und sachlich betrachtet. «Die Bindung zum Servicemitarbeiter ist enger. Er weiss meistens vor dem Verkäufer, was im Betrieb vor sich geht: ob andere Produkte evaluiert werden und was für Probleme vorhanden sind.» (Fall 11) Wenn Kunden wiederholt unzufrieden mit den After-Sales-Services eines WZMHerstellers sind, findet eine Sanktionierung nicht über die Einklagung auf Basis eines Vertragswerks statt – ausser vielleicht bei den internen Servicedienstleistern –, sondern mit dem Ausschluss des WZM-Herstellers für zukünftige Investitionen. Diesen Sachverhalt kann man bei einer separaten Betrachtung all jener Fälle beobachten, in 102 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES welchen eine WZM von einem bestehenden Lieferanten gekauft wurde: In all jenen Fällen war die Einschätzung des Vertrauens hoch, während beim Erstkauf tiefere Vertrauensverhältnisse akzeptiert wurden. Hinzu kommt, dass Entscheidungsträger negative Empfehlungen an andere Kunden erteilen, welche selbst im Beschaffungsprozess sind. Diese Negativempfehlungen haben ein grosses Gewicht, wenn man beachtet, dass als Hauptgrund für den Aufbau von Vertrauen beim Erstkauf Referenzbesuche genannt wurden: «Wenn man über drei Länder hinweg fragen gehen kann und von niemandem hört, dass der Service stimmt, dann sagt man irgendeinmal: ‹Da hat man keine Lust darauf.›» (Fall 9) «Es geht extrem schnell, dass man sich den Namen kaputt macht, wenn man den Service nicht bieten kann, welchen man leisten müsste. Es spricht sich sehr schnell auf dem Markt herum.» (Fall 7) Das Thema Vertrauen hängt aus Kundensicht eng mit dem Umgang von Kosten im Schadensfall zusammen. Eine Diskussion von vereinbarten und gewünschten Konditionen, wie z.B. der Garantiezeit, hat gezeigt, dass Kunden die Leistung des WZMHerstellers nicht an den vertraglich vereinbarten Konditionen bemessen, sondern nach einer Art «Verursacherprinzip» bewerten. Dies bedeutet, dass Kunden eine eigene Vorstellung von der Funktionsfähigkeit einer Maschine haben, welche sie als genügend erachten. Erfährt eine Kernkomponente der WZM kurz nach Ablauf der Garantiezeit einen Defekt, wird dieser Vorfall von den Kunden wie folgt bewertet: Ist er auf Grund eines Bedienfehlers eingetreten, so wird – mindestens moralisch – keine Zahlung des WZM-Herstellers verlangt; weder innerhalb noch ausserhalb der Garantiezeit. Wird jedoch als Schadensverursacher der WZM-Hersteller betrachtet, z.B. auf Grund des Einsatzes von qualitativ minderwertigen Komponenten, wird – unabhängig von der Garantiezeit – ein kostenloser Ersatz gefordert. Jeder Kunde hat dabei eine individuelle Vorstellung davon, in welchem Fall der WZM-Hersteller als Verursacher betrachtet werden muss und für welchen Zeitraum der kulante Umgang mit daraus entstehenden Kosten erwartet werden kann. Wird die Erwartung an die Kulanz nicht erfüllt, kommt es zum Bruch des Vertrauens in den WZM-Hersteller. KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 103 «Wir schauen uns erstmal an, wie so etwas passiert sein kann: War es ein MaschinenBedienfehler? Wenn es offensichtlich ein Bedienfehler ist, was auch vorkommt, dann muss ich sagen, dann versucht man da nicht etwas auszuhandeln, weil im Endeffekt müssen Sie ja mit den Lieferanten auf Dauer auskommen. […]. Wenn wir jetzt der Meinung sind, dass es wirklich auf einen Konstruktionsfehler zurückzuführen ist, was wir auch schon gehabt haben, da versucht man dann schon, dies irgendwie nachzuweisen und da einigt man sich dann meistens irgendwie auf: ‹Der Monteureinsatz ist bezahlt, aber das Ersatzteil wird kostenfrei geliefert.›» (Fall 16) «Die Erwartung an eine gewisse Kulanz ist vorhanden, zumal wir routinierte Anwender haben an den Maschinen. Nicht sachgerechter Gebrauch kann man bei uns eigentlich ausschliessen: Dies ist oft ein Vorbehalt wegen Kulanzablehnung.» (Fall 12) «Je nachdem, wie ein Hersteller sich zu Fabrikationsfehlern stellt, hat er am Schluss eher eine positive oder eine negative Nachrede. Die positive merkt man sich vielleicht, die negative aber hundertprozentig.» (Fall 5) Zusammenfassend ist folgendes Kaufverhalten beobachtbar: Kaufverhalten 1: Kunden betrachten After-Sales-Services als ein Vertrauensgeschäft. Sie beurteilen die Interaktionen mit den Herstellern anhand eines subjektiven Fairness-Standards, welcher losgelöst von vertraglichen Vereinbarungen ist. Ein vom Kunden wahrgenommener Vertrauensmissbrauch führt zu einer Sanktionierung des Herstellers bei zukünftigen Investitionsentscheidungen. Die Bedeutung von Vertrauen für nachfolgende Investitionsentscheidungen trifft für alle Kundensegmente zu. Am wichtigsten ist das Thema aber für die strategischen Partner, wo ein hohes Vertrauen eine zwingende Kaufvoraussetzung ist. Auch eine Sanktionierung des Herstellers auf Grund mangelnder Kulanz ausserhalb von Garantiezeiten wird in allen Kundensegmenten angewendet, ist bei den risikoaversen Service-Profis jedoch weniger ausgeprägt, weil bei ihnen Sachverhalte am rationalsten beurteilt werden. 3.3.4.2 Beurteilungszeitpunkt im Kaufprozess After-Sales-Services lenken im Kaufprozess für eine WZM einen geringen Teil der Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger auf sich: In der Hälfte aller in dieser Studie 104 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES betrachteten Kaufentscheidungsprozesse wurde After-Sales-Services während des ganzen Prozesses im Buying Center nie formell zur Sprache gebracht. Betrachtet man jene Fälle, wo ein echter Evaluationsprozess zwischen verschiedenen Produktalternativen stattgefunden hat, erhöht sich der Stellenwert der After-SalesServices. Findet eine Evaluation statt, wird in aller Regel zu Beginn des Kaufprozesses eine Selektion der möglichen WZM-Hersteller auf Grund einer Beurteilung von deren After-Sales-Kompetenz vorgenommen. Diese kann auf Grund eines Pflichtenhefts, rationaler Kriterien (z.B. Sprache der Techniker, Distanz zur Servicestelle) oder weicher Kriterien (z.B. Nationalität, ethische Überlegungen) zustande kommen. Im letzteren Fall ist die Beurteilung von Subjektivität geprägt. Ein zweites Mal kommt eine Leistungs- und Kostenbeurteilung der After-SalesServices im Prozess der Investition in eine WZM kurz vor Vertragsunterzeichnung zur Sprache, wenn alle technischen Kriterien geklärt sind. Dies geschieht dann, wenn noch zwei Alternativen zur Auswahl stehen und vergleichbare Produkt-/Preisofferten vorliegen: In diesem Fall kann eine Differenzierung über After-Sales-Services einen Entscheidungsvorteil bringen. «Die technischen Kriterien sind an erster Stelle, danach kommt der Service. Eine umgekehrte Reihenfolge wäre unlogisch.» (Fall 4) «Es werden ethische Regeln angewendet: Aus gewissen Ländern, wo gewisse Grundgesetzgebungen nicht eingehalten werden, werden keine Maschinen gekauft.» (Fall 11) «Der Preis für Service ist eigentlich ein höchst relevanter Punkt nach dem Kaufentscheid, doch wir haben nicht einmal einen Preisvergleich gemacht.» (Fall 14) «Meistens passiert das Gespräch zum Servicevertrag im letzten Gespräch des Kaufvertrages. Bevor einer unterschreibt sagt er: ‹Oh Moment, Service.›» (Fall 17) «Wenn du zuletzt zwei Maschinen hast und dir überlegst, welche du nehmen sollst, dann fragst du dich, wer bietet den besseren Service an.» (Fall 23) «Die Soft Facts darf man nicht unterschätzen. Die Soft Facts spielen mit hinein, auch wenn alle sagen, dies stimmt nicht, doch dies ist die Realität.» (Fall 4) KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 105 Zusammenfassend ist folgendes Kaufverhalten beobachtbar: Kaufverhalten 2: Wenn eine Evaluation der After-Sales-Services bei der Investition in eine Werkzeugmaschine stattfindet, findet diese zu Beginn und, im Fall vergleichbarer Produkt-/Preisofferten, erneut am Ende des Kaufentscheidungsprozesses statt. In den Kundensegmenten der internen Servicedienstleister und der risikoaversen Service-Profis, bei welchen ein strukturierter Evaluationsprozess unter Zuhilfenahme eines Pflichtenhefts erfolgt, findet eine Vorselektion durch die WZM-Hersteller selbst statt: Stellen sie eine Offerte, akzeptieren sie das Pflichtenheft und die darin formulierten Anforderungen an die After-Sales-Services. Bei dieser Art des Kaufprozesses können die After-Sales-Services kaum einen Beitrag zur Leistungsdifferenzierung beitragen, fliessen jedoch in die Wirtschaftlichkeitsrechnung des Kunden ein. In den übrigen drei Kundensegmenten findet eine Vorselektion auf Grund von rationalen oder weichen Faktoren statt. Die Subjektivität der Entscheidungsträger befindet darüber, ob ein WZM-Hersteller in die engere Auswahl kommt. Auch in diesen Kundensegmenten ordnen sich After-Sales-Services den technischen Kriterien in der Bedeutung unter. 3.3.4.3 Entscheider über den Vertragsabschluss Industrielle Kaufentscheidungen finden in einem Buying Center statt und sind klassische Mehrpersonenentscheidungen, welche sich über einen längeren Zeitraum hinwegziehen.243 Die Kaufprozessanalyse in den vorliegenden Fallstudien konnte diese Aussagen bestätigen: Bis auf Firmen in der Grössenkategorie der Mikrounternehmen waren in allen Kaufprozessen mehrere Personen bzw. Institutionen beteiligt und die Kaufprozesse hatten im Mittel eine Dauer von eineinhalb Jahren, gemessen von der Artikulierung des Bedürfnisses bis zum Kaufabschluss. Isoliert man den involvierten Personenkreis, wenn es um die Entscheidung geht, ob für eine Maschine beim Kaufabschluss oder nach Ablauf der Garantiezeit ein Vertrag zu After-Sales-Services abgeschlossen wird,244 verkleinert sich der Kreis der involvierten 243 244 Backhaus & Voeth (2004, S. 328 ff.) Dies können ein Service- und/oder Wartungsvertrag sowie fixierte Konditionen für den späteren Bezug von Service in Regie sein. 106 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Personen. In knapp der Hälfte aller Fälle hat eine einzelne Person über Service entschieden: der CEO des Unternehmens – ausser in börsennotierten Gesellschaften, in welchen Abteilungsleiter diese Funktion innehatten. Im Gegensatz dazu waren bei Mehrpersonenentscheidungen die Bereichs-, die Abteilungs- und die Produktionsleiter die federführenden Entscheidungsträger, nur in einzelnen Fällen waren Techniker und F&E-Mitarbeitende beteiligt. In allen Fällen war der Hauptentscheider über einen Vertrag zu After-Sales-Services die für den Gesamtevaluationsprozess der Investition verantwortliche Person. Keine Relevanz hat in der Frage der After-Sales-Services der Einkäufer, welcher nur in jenen Firmen überhaupt eine Funktion einnimmt, wo die Entscheidung über die After-Sales-Services auf Grund der Firmenpolitik von Anfang an vorgegeben ist und der Einkäufer diese gemäss den vorhandenen Richtlinien umzusetzen hat. Zusammenfassend ist folgendes Kaufverhalten beobachtbar: Kaufverhalten 3: Die Entscheidung über den Abschluss einer After-SalesService-Vereinbarung als Teil des Kaufentscheidungsprozesses bei Investitionen in Werkzeugmaschinen wird vom Hauptverantwortlichen für den Kaufprozess weitgehend alleine gefällt. Bei risikoaversen Service-Profis und internen Servicedienstleistern ist die Frage über den Abschluss einer After-Sales-Service-Vereinbarung zum Kaufentscheidungszeitpunkt oftmals durch die Firmenpolitik vorbestimmt. In den übrigen Kundensegmenten konzentriert sich die Entscheidung auf den Hauptverantwortlichen für den Kaufprozess. In Mikro- und Kleinunternehmen ist dies in der Regel der CEO, in mittelständischen Unternehmen ist es der Produktions-, der Abteilungs- oder der Bereichsleiter. In inhabergeführten mittelständischen Unternehmen entscheidet der geschäftsführende Inhaber über den Abschluss einer Service-Vereinbarung. 3.3.4.4 Service als Verhandlungsinstrument Da After-Sales-Services als produktbegleitende Dienstleistungen den Charakter einer Nebensächlichkeit haben,245 erwarten Kunden, dass sie für die Realisierung von Preisnachlässen verwendet werden können. Dies betrifft vor allem die vom WZMHersteller veranschlagen Kosten für Installation und Schulung. Des Weiteren erwarten 245 vgl. auch Kundennutzen 1 und Kapitel 3.3.4.2 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 107 Kunden, dass sie die Garantie als Verhandlungsergebnis um sechs bis zwölf Monate verlängern können – ohne Kostenfolgen für sie. Die Kunden haben dies wie folgt beschrieben: «Die meisten Hersteller tun sich schwer, preislich etwas nachzugeben, aber bei solchen Serviceleistungen oder Schulungen sind für sie Brutto- und Nettowert immer sehr unterschiedlich. […] Zudem hat der Verhandlungsführer die Kompetenz, direkt darüber zu entscheiden. Wenn es um monetäre Nachlässe geht, läuft es über die Geschäftsleitung.» (Fall 19) «Die Geschenke im Service sind das, was das Gesamtangebot am Ende abrundet.» (Fall 16) Zusammenfassend ist folgendes Kaufverhalten beobachtbar: Kaufverhalten 4: Kunden erwarten, dass sie beim Kauf einer Werkzeugmaschine Preisnachlässe durch reduzierte oder wegfallende Kosten für After-SalesServices realisieren können. Die Erwartung über die «Geschenke im Service» sind bei Entscheidungsträgern in allen fünf Segmenten beobachtbar. 3.3.5 Zusammenfassung der Resultate Nachfolgende Abbildung 21 fasst die Resultate der Studie zusammen: 108 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES Abbildung 21: Zusammenfassung der Resultate Nutzen aus Kundenperspektive Opportunitäten für WZM-Hersteller 1: Die zeitnahe Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschine stiftet aus Kundenperspektive relevanten Nutzen. 1: Kostenvorteile in der Leistungserbringung lassen sich durch ein auf die zeitnahe Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschinen beim Kunden fokussiertes Leistungssystem erreichen. 2: Ein überdurchschnittliches Kompetenzniveau der Servicetechniker erhöht den Kundennutzen. 2: Ein überdurchschnittliches Kompetenzniveau der Servicetechniker erhöht die Zahlungsbereitschaft für Serviceeinsätze beim Kunden. 3: Ein professionelles Kommunikations- und Informationsmanagement des WZMHerstellers erhöht den Kundennutzen. 3: Ein professionelles Kommunikations- und Informationsmanagement des WZMHerstellers mindert die Leistungsansprüche des Kunden hinsichtlich Reaktionszeit und Ersatzteilverfügbarkeit. 4: Eine aus Kundenperspektive unfaire Preispolitik mindert den vom Kunden wahrgenommenen Nutzen von After-SalesServices. 5: Eine separate Verrechnung von eServices mindert deren vom Kunden wahrgenommenen Nutzen. 4: Es besteht eine positive Korrelation zwischen der Preisakzeptanz von After-SalesServices durch den Kunden und den durch ihn wahrgenommenen Kosten für ihre Leistungserbringung. 5: Die Akzeptanz für die Verrechnung von eServices steigt durch den Abschluss einer kundennutzenoptimierten Leistungsvereinbarung zu e-Services. Beobachtungen zum Kaufverhalten 1: Kunden betrachten After-Sales-Services als ein Vertrauensgeschäft. Sie beurteilen die Interaktionen mit den Herstellern anhand eines subjektiven Fairness-Standards, welcher losgelöst von vertraglichen Vereinbarungen ist. Ein vom Kunden wahrgenommener Vertrauensmissbrauch führt zu einer Sanktionierung des Herstellers bei zukünftigen Investitionsentscheidungen 2: Wenn eine Evaluation der After-Sales-Services bei der Investition in eine Werkzeugmaschine stattfindet, findet diese zu Beginn und, im Fall vergleichbarer Produkt-/Preisofferten, erneut am Ende des Kaufentscheidungsprozesses statt. 3: Die Entscheidung über den Abschluss einer After-Sales-Service-Vereinbarung als Teil des Kaufentscheidungsprozesses bei Investitionen in Werkzeugmaschinen wird vom Hauptverantwortlichen für den Kaufprozess weitgehend alleine gefällt. 4: Kunden erwarten, dass sie beim Kauf einer Werkzeugmaschine Preisnachlässe durch reduzierte oder wegfallende Kosten für After-Sales-Services realisieren können. Quelle: Eigene Darstellung. KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 3.4 109 Diskussion Eine Gegenüberstellung der aus der fallübergreifenden Synthese gewonnenen Resultate mit vorhandenen theoretischen Erklärungsansätzen aus der Marketingforschung erhöht die Validität dieser qualitativen Studie.246 Als Theorien eignen sich sowohl die mikroökonomische Nutzentheorie wie auch verhaltenswissenschaftliche Ansätze und die Modelle des organisationalen Kaufverhaltens. 3.4.1 Validierung mit der ökonomischen Nutzentheorie Sowohl in der mikroökonomischen Nutzentheorie wie auch in den Verhaltenswissenschaften wird eine Trennung zwischen Grund- und Zusatznutzen eines Gutes vorgenommen.247 Während die After-Sales-Services als produktbegleitende Dienstleistungen an sich als ein Zusatznutzen der Investition in eine Werkzeugmaschine betrachtet werden können, zeigt die vom Kunden artikulierte Nutzenpräferenz (Kundennutzen 1), dass bei einer isolierten Betrachtung von After-Sales-Services deren Grundnutzen in der zeitnahen Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschine gesehen wird. Dies bedeutet für den Kunden letztendlich den Erhalt seiner Produktionsfähigkeit. Die Erfüllung dieser Anforderung an den Grundnutzen ist für den Kunden ein zwingendes Erfordernis. Dass sich daraus eine Opportunität zur Elimination von Leistungen ergibt (Opportunität 1), ist für den Kunden nicht nur nutzenneutral, sondern kann nutzensteigernd sein, wenn der Kunde weiss, dass er nur für die von ihm bezogenen Leistungen bezahlt und nicht indirekt Dienstleistungen mitfinanziert, welche andere Kunden des WZM-Herstellers, möglicherweise seine Konkurrenten, beziehen.248 Die aus der Kompetenzsteigerung der Techniker erhöhte Zahlungsbereitschaft für Serviceeinsätze (Opportunität 2) ist in Verbindung mit der mikroökonomischen Nutzentheorie wie folgt zu betrachten: Gut ausgebildete Techniker stiften bei den Kunden einen relativen Nutzenvorteil, da sie Störungen effizient und effektiv beheben. Dies führt zu einer tieferen Anzahl verrechneter Stunden und zu internen Kostenvorteilen. Letztere zeigen sich durch eine geringere Bindung der Mitarbeitenden des Kunden sowie durch kürzere Produktionsausfälle. Für die Erzielung dieses Nutzenvorteils sind die Kunden bereit, einen überdurchschnittlichen Preis zu bezahlen. Unter Anwendung 246 Bortz & Döring (2006, S. 328); Yin (2014, S. 165–167) 247 Herrmann (1998, S. 163) 248 Belz & Bieger (2006, S. 93) 110 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES des Target-Pricing-Modells gilt es für WZM-Hersteller abzuwägen, wie ein ideales Verhältnis zwischen Mitarbeiterkompetenz – und damit verbundenen Personal- und Ausbildungskosten – und Zahlungsbereitschaft für Serviceeinsätze kompetenter Personen auszugestalten ist.249 Eine Einordnung der vom Kunden formulierten Nutzenpräferenz hinsichtlich des Grundnutzens von After-Sales-Services (Opportunität 1) und des Ausbildungsniveaus der Servicetechniker (Opportunität 2) in das Kano-Modell250 lässt auf Grund der Aussagen der Kunden die Hypothese zu, dass es sich bei der zeitnahen Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschine – je nach Kundensegment – um eine Leistungsanforderung handelt, wobei die Geschwindigkeit der Störungsbehebung das Leistungskriterium ist. Dessen Erfüllung hängt mit dem Ausbildungsniveau der Techniker zusammen, welches den Charakter einer Leistungs- oder Begeisterungsanforderung hat und bei den Kunden eine proportionale bis überproportionale Zahlungsbereitschaft auslöst.251 Da die in der Studie angewandte qualitative Fallstudienforschung nicht dem Forschungsideal zur Ergründung dieses Zusammenhangs entspricht, ist an dieser Stelle keine in Geldwert quantifizierbare Aussage über dessen Ausprägung möglich. 252 3.4.2 Validierung mit verhaltenswissenschaftlichen Theorien Unter den verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen leisten die Equity-Theorie, das Erwartungs-Diskonfirmations-Paradigma, die Theorie der Referenzpreise sowie das Dual-Entitlement-Prinzip einen Erklärungsbeitrag. Die verminderten Leistungsansprüche des Kunden hinsichtlich der Reaktionszeit und der Ersatzteilverfügbarkeit durch ein professionelles Kommunikations- und Informationsmanagement (Opportunität 3) sind partiell mit dem Erwartungs-DiskonfirmationsParadigma und der Nutzentheorie zu erklären: Kunden haben beim Ausfall eine Erwartung an die Geschwindigkeit der Störungsbehebung. Wird diese Erwartung früh- 249 vgl. Kapitel 2.2 250 vgl. Kapitel 2.3.2.2 251 Simon & Fassnacht (2009, S. 88) 252 Für die Gewinnung von Informationen über den Zusammenhang der Zahlungsbereitschaft mit den Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen wird als Forschungsmethode ConjointMeasurement empfohlen. Vgl. dazu Simon (1993, S. 88). KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 111 zeitig mit professionellen und proaktiven Informationen bewirtschaftet, kann sie durch den WZM-Hersteller gelenkt werden, wodurch sich der Kunde auf die neue Situation einstellen kann und Unzufriedenheit minimiert wird: Dadurch bestehen mehr Handlungsspielräume für den WZM-Hersteller. Des Weiteren hat eine verbesserte Planbarkeit beim Kunden auch positive Kostenfolgen, wodurch der Nutzen einer zeitnahen Funktionalitätswiederherstellung gemindert wird. Zur Erklärung des Kundenverhaltens in den Bereichen Preisakzeptanz (Opportunität 4) und e-Service-Vereinbarungen (Opportunität 5) eignet sich ein Mix aller obengenannten verhaltenswissenschaftlichen Ansätze, welche im Zusammenspiel auftreten. Im ersten Fall, der Preisakzeptanz, beurteilt der Kunde auf Grund einer Preisvorstellung, welchen insbesondere bei am Markt erhältlichen Ersatzteilen ein konkreter Referenzpreis zu Grunde liegt, die Preise für After-Sales-Services. Wenn die Abweichung zum Referenzpreis zu gross ist, stösst dies auf Ablehnung beim Kunden.253 Als Auslöser der Unzufriedenheit, welche durch eine nicht nachvollziehbare Preispolitik entstehen kann, wird von den Kunden das Argument einer ungleichmässigen Margenverteilung genannt, da die Kunden – als Folge einer intransparenten Preispolitik – die Differenz zum Referenzpreis mit einem Margengewinn beim WZM-Hersteller erklären und andere Faktoren, wie z.B. Lager- und Administrationskosten sowie Risikozuschläge, ausser Acht lassen. Die von den Kunden wahrgenommene Marge übersteigt infolgedessen die Marge, welche sie bei ihren eigenen Produkten aufschlagen können, wodurch sie ein Ungleichgewicht in der Transaktionsbeziehung zu ihren Lieferanten wahrnehmen. Der Equity-Theorie folgend führt dies zu Unzufriedenheit bzw. gemindertem wahrgenommenem Kundennutzen. 254 Das gleiche Zusammenspiel der Theorien kann im zweiten Fall zur Begründung einer Steigerung der Verrechnungsquote durch e-Services-Vereinbarungen beigezogen werden: Werden die Leistungen kundennutzengerecht ausgestaltet und visualisiert und die dafür entstehenden Kosten transparent gemacht, tendieren nach der Equity-Theorie die Kunden dazu, dem WZM-Hersteller einen fairen Gewinnanteil zuzugestehen. 255 In umgekehrter Richtung wirkt die Equity-Theorie im Fall der Forderung nach einem Vertrauensverhältnis und nach Kulanz (Kaufverhalten 1). Dort liegt aus Perspektive 253 Simon & Damian (1999, S. 155 f.) 254 Simon & Fassnacht (2009, S. 179) 255 Simon & Fassnacht (2009, S. 179) 112 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES des Kunden ein Ungleichgewicht zu seinen Ungunsten vor, falls der Kunde das Verschulden des Schadens beim WZM-Hersteller sieht und dieser nicht für den Schaden aufkommt. Unabhängig von obigen Theorien, aber ebenfalls mit verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen erklärbar sind die vom Kunden erwarteten Preisnachlässe durch reduzierte oder wegfallende Kosten für After-Sales-Services beim Entscheid über die Investition in eine WZM (Kaufverhalten 4). Diese Kundenerwartung lässt sich mit der in der Vergangenheit von Maschinen- und Anlagenbauern angewandten Preisdurchsetzungsstrategie im Verkauf erklären: Wie Diller256 festhält, waren früher Preisspreizungen verbreitet und die Kunden waren es gewohnt, grosszügige Rabatte in Preisverhandlungen abzuholen, welche auch in der Form von Zusatzleistungen gegeben werden konnten. Es ist auch davon auszugehen, dass Verkäufer in der Vergangenheit ihrerseits Services unter Ausnutzung des psychologischen Effekts des «Silver Lining Principle»257 bewusst als für sie kostengünstigere Alternative zu Rabatten auf das Primärprodukt positioniert haben. 3.4.3 Validierung durch die Kaufprozesseinordnung Ordnet man die Beobachtungen zum Zeitpunkt der Beurteilung der After-SalesServices (Kaufverhalten 2) und der entscheidungsrelevanten Person im Buying Center (Kaufverhalten 3) bei Investitionen in Werkzeugmaschinen in das Prozesserklärungsmodell des organisationalen Kaufverhaltens von Choffray & Lilien258 ein, wird ersichtlich, dass After-Sales-Services in den Kundensegmenten der risikoaversen Service-Profis und der internen Servicedienstleister an den Organisationserfordernissen gemessen werden, während sie bei den übrigen Kundensegmenten zu Beginn der individuellen Nutzenbewertung an den persönlichen, oft subjektiven Präferenzen der Entscheidungsträger selektioniert werden. Innerhalb der vertiefenden individuellen Nutzenbewertung spielen die After-Sales-Services als Leistungskriterien nachfolgend eine untergeordnete Rolle. Diese bestätigt sich ebenfalls durch Kaufverhalten 3: Die Ent256 Diller (2008, S. 412) 257 Das «Silver Lining Principle» besagt, dass die Segregation von kleinen Zugewinnen (z.B. ein kos- tenloses Schulungsmodul nach Installation einer Maschine) bei einem gleichzeitig grossen Verlust (Kosten für die Maschine) vom Kunden in seinem Wert höher betrachtet wird, als wenn der gleiche Kostenbetrag als Rabatt gewährt würde (Thaler, 2008, S. 21). 258 vgl. Kapitel 2.1.2.2 KUNDENNUTZEN VON AFTER-SALES-SERVICES 113 scheidung über den Abschluss von Service-Vereinbarungen wird von einem kleinen Personenkreis gefällt, da sie nicht im Interessensmittelpunkt steht.259 3.5 Implikationen aus der Einnahme der Kundenperspektive Die Einnahme der Kundenperspektive bei der Nutzenbeurteilung und die Beobachtung des Kaufentscheidungsverhaltens haben zur Abgrenzung von fünf Kundensegmenten und zur Identifikation von fünf Opportunitäten für Optimierungen im Leistungssystem geführt, welche durch vier relevante Beobachtungen zum Kaufentscheidungsverhalten bei Investitionen in Werkzeugmaschinen ergänzt werden. Die Generalisierbarkeit der Resultate ist auf Grund der Anzahl betrachteter Kaufentscheidungsprozesse und der vertieften Auseinandersetzung mit dem Argumentarium der Kunden möglich. Dennoch gilt es zu beachten, dass die Resultate von den Kunden der fünf Segmente, wie bei den einzelnen Opportunitäten und Beobachtungen ausgeführt, unterschiedlich gewichtet werden; diese Limitation wird im Fall der Opportunitäten auch auf die auf ihnen basierenden Optimierungsmassnahmen übertragen. 259 vgl. auch Anhang 3 – Kriterium: Bedeutung der After-Sales-Services für die Gesamtentscheidung 114 4 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Optimierungsprozess zur Rentabilitätssteigerung In diesem Kapitel werden in einem ersten Teil die von den Kunden artikulierten nutzenstiftenden Themen den Zielen im After-Sales-Geschäft der Anbieter von Maschinen und Anlagen gegenübergestellt. Daraus werden Zielkonflikte identifiziert, zu deren Umgang die fünf identifizierten Opportunitäten einen Lösungsbeitrag leisten. Anschliessend wird unter deren Berücksichtigung der Optimierungsprozess für die Rentabilisierung der After-Sales-Services präsentiert. 4.1 Zielkonflikte zwischen Kunden- und Anbieterperspektive Die Beziehung zwischen «Kunden» und «Anbietern»260 unterliegt einem fortlaufenden Spannungsverhältnis, welches von widersprüchlichen und deckungsgleichen Zielen geprägt ist. Während der Kunde das Ziel verfolgt, eine Leistung zu konsumieren, welche über einen für ihn maximalen Kundennutzen verfügt, ist der Anbieter an der langfristigen Sicherstellung einer profitablen Kundenbeziehung interessiert, welche sich sowohl am aktuellen wie auch am zukünftigen Ertragspotential des Kunden bemisst.261 Stellt man den Kundennutzen als Treiber sowohl der Kundenbindung wie auch des Unternehmenserfolgs ins Zentrum der Beziehung,262 zeigt sich, dass die Ziele von Kunden und Anbietern hinsichtlich der Erfüllung eines Kundennutzens deckungsgleich sind. Beide Parteien haben ein Interesse daran, dass der Kundennutzen der erbrachten Leistung jenem des Konkurrenzangebots überlegen ist.263 Ein Zielkonflikt zwischen den Kunden und den Anbietern entsteht jedoch in der Verteilung der Gewinne, welche bei der Transaktion entstehen. In der ökonomischen Theorie wird dieses Spannungsfeld mit der Konsumenten- und der Produzentenrente erklärt: Während eine Konsumentenrente durch eine den Marktpreis übersteigende Zahlungsbereitschaft für eine Leistung entsteht, bildet sich eine Produzentenrente durch die Differenz, um welche die Produktionskosten einer Leistung unter dem Marktpreis liegen. Setzt man Nutzenmaximierung beim Konsumenten und Gewinnmaximierung beim Produzenten voraus, zeigt sich der Zielkonflikt darin, 260 vgl. die Begriffsabgrenzungen zu Kunden und Anbietern in Kapitel 3.2.5.1 261 Hinterhuber & Hinterhuber (2009, S. 38) 262 vgl. Kapitel 2.2.6 263 Boetsch (2008, S. 44) OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 115 dass der Anbieter versuchen wird, seine Produzentenrente zu maximieren, was – in der Regel auf Kosten des Kundennutzens – einerseits durch Preismaximierung und andererseits durch Kostenminimierung erreicht werden kann.264 Während die ökonomische Theorie den Zielkonflikt zwischen Konsument und Produzent in seinen Grundsätzen verständlich macht, bedarf es in der betriebswirtschaftlichen Praxis unter realen Marktbedingungen einer differenzierten Betrachtung der Ziele, welche die Anbieter mit ihrem After-Sales-Services-Portfolio verfolgen. Diese Ziele werden im nachfolgenden Unterkapitel aufgeschlüsselt. Im Anschluss werden die Spannungsfelder aufgezeigt, welche sich zwischen den Zielen der Anbieter und den aus der Untersuchung des Kundennutzens resultierenden Nutzenpräferenzen der Kunden ergeben. 4.1.1 Ziele von After-Sales-Services aus Anbieterperspektive Das aus der Problemstellung abgeleitete Ziel von Anbietern im Bereich der AfterSales-Services ist deren Rentabilisierung. Es gilt jedoch zu beachten, dass neben diesem Ziel die positiven Auswirkungen von After-Sales-Services auf den Absatz von WZM sowohl auf strategischer Ebene wie auch für das Marketing und den Verkauf eine hohe Signifikanz haben.265 Die Nutzung von After-Sales-Services als Verkaufsförderungsinstrument für das Primärproduktgeschäft ist denn auch der Hauptgrund für deren Einsatz.266 Das Akquisitionspotential der After-Sales-Services entfaltet sich dabei primär in Verbindung mit der Kundenbindung: Sind Kunden dank dem kundenorientierten Einsatz von After-Sales-Services über den Nutzungszyklus der Werkzeugmaschine mit den Leistungen des Anbieters zufrieden, entsteht eine Kundenbindung und daraus ergeben sich Akquisitionschancen. Durch den nachweislichen Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und Rentabilität ergänzen sich die Zielsetzungen.267 264 Böhmann, Warg & Weiss (2013, S. 76); Pechtl (2014, S. 16). Kuarta & Nam (2010, S. 144) liefern empirische Daten für den Zielkonflikt und stellen fest, dass eine gewinnmaximierende Strategie für den Hersteller nicht zu einer für den Kunden maximalen Nutzensituation führt. 265 Eine Zusammenfassung der wichtigsten neun Ziele, welche Maschinen- und Anlagenbauer mit After-Sales-Services verfolgen, findet sich bei Sanche (2002, S. 29 ff.). 266 Sanche (2002, S. 29 f.) 267 Sanche (2002, S. 37 ff.), vgl. auch Abbildung 11 116 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Während auf Stufe der Geschäftsleitung und des Marketings eine Zielkongruenz hinsichtlich der After-Sales-Services besteht, sind in den Unternehmen auf Stufe Verkauf Zieldivergenzen festzustellen. 268 Diese zeigen sich dadurch, dass für den Verkauf in vielen Unternehmen kein Anreiz besteht, After-Sales-Services gewinnbringend zu vermarkten, da die Provisionssysteme auf den Absatz von Maschinen und Anlagen ausgelegt sind. Die Integration von After-Sales-Services in das Anreizsystem sowie die Verankerung des Service als gewinnbringende Abteilung in der Unternehmenskultur wurden deshalb als Erfolgsfaktoren für Service identifiziert. 269 4.1.2 Spannungsfelder zwischen Kunden und Anbietern Stellt man die Ziele, welche sich aus der Herleitung der nutzenstiftenden bzw. der nutzenmindernden Themen aus Kundenperspektive ergeben, den Zielen der Anbieter gegenüber, so lassen sich drei Spannungsfelder identifizieren. Sie sind in Abbildung 22 aufgeführt und werden in den nachfolgenden Abschnitten begründet. Abbildung 22: Zielkonflikte Anbieter- und Kundenperspektive Gemeinsames Ziel: Kundennutzen Spannungsfelder bei der Zielerreichung Kundenperspektive Schnelle und professionelle Störungsbehebung Nachvollziehbare Preispolitik Kostenloser Leistungsbezug von Services Anbieterperspektive Gleichmässige Auslastung der Mitarbeiterkapazitäten, hoher Lagerumschlag Hohe Margen, geringe Vergleichbarkeit Hohe Verrechnungsquote nach dem WZM-Verkauf Quelle: Eigene Darstellung. 268 Schmidt (2008, S. 237 f.) 269 Anderson & Narus (1995, S. 82 f.); Reinartz & Ulaga (2008, S. 94 f.) OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 4.1.2.1 117 Spannungsfeld 1: Störungsbehebung Aus der Diskussion des Grundnutzens von After-Sales-Services im WZM-Markt hat sich bei den Kunden herauskristallisiert, dass sie diesen in einer schnellen Problemlösung seitens des WZM-Herstellers sehen, primär beim Ausfall einer Produktionsmaschine. Durch die Erfüllung dieses Bedürfnisses, wird Nutzen gestiftet (Kundennutzen 1). Um dieser Leistungsanforderung zu entsprechen, sehen die Kunden beim WZMHersteller den Bedarf an qualifiziertem Personal (Kundennutzen 2), welches bei einem Ausfall über freie Ressourcen verfügt. Zusätzlich ist die Lagerverfügbarkeit passender Ersatzteile ein notwendiges Anforderungskriterium. Des Weiteren erwarten die Kunden vom WZM-Hersteller, dass er das Informationsmanagement im Fall einer Störung professionell ausführt (Kundennutzen 3). Die Ansprüche des Kunden sind aus Sicht des Anbieters mit Herausforderungen verbunden und stehen unterschiedlich stark im Widerspruch zu seinen Zielen. Während für den Kunden die Verfügbarkeit von Personal entscheidend ist, besteht beim Anbieter der Wunsch, die Servicetechniker fortlaufend auf einem konstanten Auslastungsniveau zu halten: Er strebt einen Personalbestand an, welcher auf eine über das Jahr geglättete Auslastung ausgelegt ist und nicht auf den Spitzenbedarf, welcher auf einen parallelen Ausfall von Maschinen bei mehreren Kunden ausgelegt ist.270 Ein zweiter Konflikt besteht bei der Ersatzteilverfügbarkeit: Die vom Kunden gewünschte Lagerverfügbarkeit von Ersatzteilen bedingt beim Anbieter Kapitalbindungskosten sowie das Risiko, dass ein zu hoher Bestand an Ersatzteilen vom Kunden möglicherweise niemals abgerufen wird, was Abschreibungsverluste auf dem Warenlager nach sich zieht.271 Ein geringerer Konflikt besteht hinsichtlich des Ausbildungsniveaus der Techniker und des professionellen Informationsmanagements: Beide Aspekte werden auch von Anbietern favorisiert, stossen aber in der Operationalisierung an Herausforderungen, wie die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal, das Lohnniveau sowie die Zeit, welche für die Aus- und Weiterbildung von Technikern investiert werden kann. 270 Wildemann (2006, S. 57 f.) 271 Baumbach (1998, S. 163) 118 4.1.2.2 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Spannungsfeld 2: Preispolitik Das zweite Spannungsfeld besteht in der vom WZM-Hersteller angewandten Preispolitik. Der Kunde hat den Anspruch, dass die Preispolitik des WZM-Herstellers in seiner Wahrnehmung fair und nachvollziehbar ist (Kundennutzen 4). Fairness ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn für den Kunden nur ein bedingter Wertschöpfungsanteil ersichtlich ist. Aus Sicht des Anbieters ist Transparenz im Preissystem bzw. bei seinen Leistungskosten mit Risiken verbunden. Transparenz erlaubt die Identifikation jener Produkte mit überdurchschnittlicher Marge durch den Kunden – wodurch diese Produkte umgehend zum Objekt von Preisverhandlungen werden. Des Weiteren erlaubt Transparenz auch Vergleichbarkeit im Wettbewerb und wird bei Verfügbarkeit eines direkten Wettbewerbsangebots zu einem intensivierten Preiskampf führen. 272 4.1.2.3 Spannungsfeld 3: Kostenloser Leistungsbezug Kunden sind es gewohnt, dass ihnen e-Services und Beratungsleistungen in der Nachkaufphase als über den Kaufpreis der WZM abgegoltene Leistungen zur Nutzung ohne Kostenfolgen zur Verfügung stehen. Historisch gesehen waren solche Leistungen im WZM-Markt stets ohne Kostenfolgen, was auch die Argumentationsgrundlage dafür ist, dass sich dies in Zukunft nicht ändern soll (Kundennutzen 5). Für Anbieter sind kostenlose e-Services und Beratungsleistungen ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sind sie eine Möglichkeit, den Kontakt zum Kunden aufrechtzuerhalten, Opportunitäten für Investitionen in Neuprodukte oder Upgrades frühzeitig zu erkennen und direkte Feedbacks über die eigenen Produkte zu erhalten,273 andererseits binden sie Ressourcen von kompetenten Mitarbeitenden, deren Arbeitseinsatz keinen unmittelbaren Umsatz generiert. Eine für den Anbieter ideale Lösung entspricht einer Situation, in welcher sich die aufgewendeten Arbeitsstunden für Supportleistungen am Telefon oder per Remote-Zugriff verrechnen lassen, ohne dass dies zu einer reduzierten Frequenz des Kundenkontakts führt. Ob diese Verrechnung mit einem Rahmenvertrag oder auf Grund der Nutzung entsteht, ist sekundär: Wichtig ist aus Perspektive des 272 Diller (2008, S. 114–117) 273 Sanche (2002, S. 30) OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 119 Anbieters, dass während des gesamten Lebenszyklus einer Maschine fortlaufend eine Rendite erzielt werden kann.274 4.2 Lösungskonzepte im Umgang mit den Spannungsfeldern Um After-Sales-Services zu rentabilisieren, müssen Anbieter einen erfolgreichen Umgang für die Zieldivergenzen finden und diese in der Form von Optimierungsmassnahmen in ihr Leistungssystem einfliessen lassen. Für die Identifikation von Optimierungsmassnahmen innerhalb der drei Spannungsfelder wird in der vorhandenen Literatur über Kundennutzen sowie über Preis- und Verkaufsmanagement nach erklärenden Theorien und innovativen Ansätzen gesucht, welche erfolgreiche Lösungskonzepte bieten. Diese werden mit den in der Studie zum Kundennutzen von After-Sales-Services identifizierten Opportunitäten und Beobachtungen ergänzt, welche zuvor in Expertengesprächen mit Führungspersonen in Unternehmen des Werkzeugmaschinenbaus plausibilisiert wurden. Ergänzt wird der Optimierungsprozess mit ausgewählten thematischen Fallbeispielen, innerhalb deren innovative und erfolgreiche Lösungskonzepte aus mittelständischen Unternehmen der Werkzeugmaschinenbranche vorgestellt werden. 4.2.1 Expertengespräche und Fallbeispiele Die Expertengespräche haben mit neun Führungspersonen aus vier Unternehmen in der Werkzeugmaschinenbranche im Juni und im Juli 2016 stattgefunden. Als Experten wurden Entscheidungsträger mit langjähriger Berufserfahrung im Maschinen- und Anlagenbau in der Werkzeugmaschinenbranche sowie Fachspezialisten für den Bereich Kundendienst und After-Sales-Services identifiziert. Die Selektion der Experten fand nicht nach einer Zufallsauswahl, sondern nach gezielten Kriterien statt, wie dies für qualitative Untersuchungen empfohlen wird.275 Für die Selektion der Experten stand nicht deren Person im Vordergrund, sondern die Unternehmen, in welchen sie beruflich tätig waren. Es wurden Unternehmen ausgesucht, welche in der Studie zum Kundennutzen von den Kunden als leistungsstarke und innovative Akteure im After-Sales-Geschäft bezeichnet worden waren. 274 Brax (2005, S. 142); Wise & Baumgartner (1999, S. 134) 275 Eisenhardt (1989, S. 537) 120 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Die Expertengespräche haben drei Ziele verfolgt: Erstens wurden die in der Studie zum Kundennutzen identifizierten Opportunitäten und Beobachtungen mit den Experten plausibilisiert. Zweitens wurde mit den Experten erörtert, inwiefern die von den Kunden artikulierten Bedürfnisse den Zielsetzungen in ihren Unternehmen widersprechen. Drittens wurden in jenen Fällen, in welchen Experten in mittelständischen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus tätig waren,276 erfolgreiche und innovative Lösungsansätze für einzelne Praxisprobleme im Umgang mit After-Sales-Services diskutiert. Diese wurden im Anschluss unter Einbezug von zusätzlichem Informationsmaterial zu thematischen Fallbeispielen aufgearbeitet. Wie auch bei der Studie zum Kundennutzen wurde den Gesprächsteilnehmenden Anonymität zugesichert, um vertrauliche Themen, wie z.B. Produktmargen und Massnahmen zur Beeinflussung des Kundenentscheidungsverhaltens, offen diskutieren zu können. Die betroffenen Unternehmen werden deshalb nicht namentlich genannt, sondern als OBERFLÄCHENMASCHINEN AG, ZERSPANUNGSMASCHINEN AG und PRÄZISIONSMASCHINEN AG bezeichnet. Die Gespräche mit den Experten, welche je nach Fall als Gruppen- oder Einzelgespräche stattgefunden haben, sind dem in Anhang 4 abgebildeten Leitfaden gefolgt. Sie sind aus forschungsmethodologischer Sicht hinsichtlich der Ergebnisplausibilisierung analytisch-deduktiv und hinsichtlich der Fallbeispiele empirisch-induktiv, da dort vom erfolgreichen Einzelfall ausgehend nach generalisierbaren Lösungsansätzen für Praxisprobleme gesucht wird.277 Alle Gespräche haben zwischen 90 und 120 Minuten gedauert. Sie wurden aufgezeichnet und schriftlich protokolliert. 4.2.2 Fallbeispiele aus der WZM-Branche Die Fallbeispiele wurden mit folgenden drei Maschinen- und Anlagenbauern geführt, welche die für die Zielgruppe gültigen Einschränkungen erfüllen. 278 276 Unternehmen, welche sich als «Anbieter» klassifizieren: vgl. Kapitel 2.3.5.1 277 Popper (2002, S. 7 f.) 278 Mittelständische Maschinen- und Anlagenbauer in der Werkzeugmaschinenbranche, welche sich als dienstleistende Produzenten klassifizieren (vgl. Kapitel 1.5.1 / 1.5.2). OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 121 Die OBERFLÄCHENMASCHINEN AG ist ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz in der Westschweiz. Das Unternehmen stellt High-End-Maschinen für die Oberflächenveredlung von metallischen Bau- und Werkteilen her. Seine Kunden verteilen sich auf Europa, Nord- und Südamerika sowie Asien. Die ZERSPANUNGSMASCHINEN AG gehört zu einer inhabergeführten mittelständischen Industriegruppe mit Sitz in der Schweiz. Sie produziert hochpräzise Zerspanungsmaschinen für die Feinbearbeitung. Mit einer installierten Basis von über 1000 Maschinen weltweit gehört sie zu den Marktführern in ihrer Technologie. Die PRÄZISIONSMASCHINEN AG ist ein dem Mittelstand angehörendes Unternehmen, welches Präzisionsmaschinen für Fräs- und Bohrapplikationen herstellt. Das inhabergeführte Unternehmen hat über 10 000 Werkzeugmaschinen bei Kunden im europäischen Markt installiert. 4.2.3 Optimierungen im Leistungssystem Als Ergebnis der Triangulation zwischen Literatur, Opportunitäten und Beobachtungen aus der Studie zum Kundennutzen sowie den Fallbeispielen werden vier operative Optimierungsmassnahmen formuliert, welche durch die strategische Ausrichtung des Service-Portfolios als vorausgehende Massnahme ergänzt werden. Die nachfolgende Abbildung 23 zeigt im Überblick, welche Optimierungen für die drei Spannungsfelder identifiziert werden konnten und wie sich diese innerhalb der Gestaltungsdimensionen des Customer-Value-Modells einordnen lassen. 122 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Abbildung 23: Optimierungen im Leistungssystem Dimension im Leistungssystem Lösungsansätze in den Spannungsfeldern Schnelle und professionelle Störungsbehebung Strategie Mitarbeitersystem: Kompetenz Leistungssystem: Konfiguration und Kommerzialisierung Kommunikation Nachvollziehbare Preispolitik Kostenloser Leistungsbezug von Services Strategische Ausrichtung des Service-Portfolios Kompetenzerweiterung im Service-Team Präventive Diagnose e-ServiceVereinbarungen Visualisierung von Wert und Kosten Quelle: Eigene Darstellung. Dem ersten Spannungsfeld «Störungsbehebung» wird mit zwei Massnahmen begegnet. Erstens mit der Erweiterung der Kompetenz im Service-Team, 279 welche sowohl technische wie auch kommunikative und verkaufsorientierte Kompetenzen der Techniker und der Innendienstmitarbeitenden umfasst. Die Erkenntnisgrundlage bilden die Opportunitäten 1, 2 und 3. Zweitens wird die Implementierung des Serviceprodukts der präventiven Diagnose vorgeschlagen. Mit beiden Massnahmen werden zwei Wirkungspfade verfolgt: Einerseits sollen durch verstärkte Prävention die Störungen auf ein Minimum reduziert werden, andererseits sollen, falls trotzdem eine Störung auftritt, die erweiterten Kompetenzen der Servicemitarbeitenden zur schnellen Störungsbehebung beitragen.280 279 Das Service-Team fasst alle im After-Sales-Service aktiven Personen des Anbieters zusammen, insbesondere den Innendienst, e-Service-Mitarbeitende und Servicetechniker im Aussendienst. 280 Die beiden Massnahmen werden in den Kapiteln 4.3.2 und 4.3.3 ausgeführt. OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 123 Der im zweiten Spannungsfeld «Preispolitik» vom Kunden wahrgenommenen Nutzenminderung durch die Preispolitik des Anbieters kann mit der Visualisierung von Wert und Kosten von Services entgegengetreten werden. Die Erkenntnisgrundlage bildet Opportunität 4. Es werden Mittel aufgezeigt, wie der Verkauf und das ServiceTeam Wert und Kosten verbessert an den Kunden kommunizieren können – und damit sowohl die Preisdurchsetzung verbessern wie auch den Nutzen erhöhen.281 Dem dritten Spannungsfeld: «Kostenloser Leistungsbezug» kann mit der Massnahme e-Service-Vereinbarungen begegnet werden, welche, basierend auf der Erkenntnis in Opportunität 5, eine Akzeptanz von e-Service-Verrechnungen ohne signifikante Nutzenverluste beim Kunden herbeiführen kann.282 4.3 Optimierungsprozess Nachfolgend wird der Optimierungsprozess vorgestellt, welcher für die Rentabilisierung der After-Sales-Services in mittelständischen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus als Synthese dieser Dissertation vom Autor vorgeschlagen wird. Die Darstellung der aus dieser wissenschaftlichen Arbeit gewonnenen Erkenntnisse in der Form eines Optimierungsprozesses erhöht deren Praxisorientierung, da die Massnahmen von Entscheidungsträgern Schritt für Schritt umgesetzt werden können. Es gilt dabei zu beachten, dass die vorgeschlagenen Optimierungen nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da Rentabilität ein Ergebnis vieler direkt und indirekt wirkender Einflussfaktoren ist. Vielmehr ist der Optimierungsprozess als ein pragmatischer Ansatz zur Zielerreichung zu verstehen, welcher konkrete Massnahmen vorschlägt, welche mit vertretbarem Aufwand unter kalkulierbarem Risiko umsetzbar sind. Nachfolgende Abbildung 24 zeigt den Optimierungsprozess grafisch: 281 Die Massnahme wird in Kapitel 4.3.5 ausgeführt. 282 Die Massnahme wird in Kapitel 4.3.4 ausgeführt. 124 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Abbildung 24: Optimierungsprozess Strategische Ausrichtung des Service-Portfolios Mitarbeitersystem: Kompetenz - Kompetenzerweiterung im Service-Team Leistungssystem: Konfiguration und Kommerzialisierung - Präventive Diagnose - e-ServiceVereinbarungen Kommunikation - Visualisierung von Wert und Kosten Kunde Kontrolle Quelle: Eigene Darstellung. Strukturierung in Anlehnung an Belz & Bieger (2006, S. 117) Für die Darstellung der Ergebnisse wird als konzeptionelle Grundlage das CustomerValue-Modell in vereinfachter Form verwendet, dessen Strukturierung sich eignet, um die verschiedenen in der Praxis bei den Maschinen- und Anlagenbauern vorhandenen Leistungssysteme abzubilden und die einzelnen Bestandteile thematisch zuzuordnen.283 Wie in Abbildung 24 ersichtlich ist, beinhaltet der Optimierungsprozess neben der strategischen Ausrichtung des Service-Portfolios auf operativer Stufe vier Massnahmen, welche sich auf das Mitarbeiter- und Leistungssystem sowie die Kommunikation aufteilen. Ergänzt werden die Massnahmen durch eine Erfolgskontrolle, welche fortlaufend, aber spätestens am Ende des Prozesses, durchzuführen ist und auf Grund von deren Ergebnissen es zu Neuausführungen oder Anpassungen der einzelnen Massnahmen kommen kann. 284 Entscheidungsträger können die Massnahmen in der aufgeführten Reihenfolge erarbeiten. Zusätzlich ist am Ende des Kapitels ein ergänzender Vorschlag für das Implementierungsvorgehen enthalten. 283 Belz & Bieger (2006, S. 33, 163). Vgl. auch Kapitel 2.4.3 284 Zur Erfolgskontrolle des Marketings vgl. Reinecke & Janz (2007, S. 139 ff.) OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 125 4.3.1 Strategische Ausrichtung des Service-Portfolios Bevor Optimierungen im Mitarbeiter- und Leistungssystem vorgenommen werden können, sind auf der strategischen Dimension die Leitplanken des Optimierungsprozesses vorzugeben. Hierzu gehören die Festlegung des im After-Sales-ServicesPortfolio enthaltenen Leistungsumfangs sowie die Klärung der Frage, auf welche Kundensegmente das Portfolio ausgelegt werden soll. Anschliessend ist die Serviceorganisation festzulegen, welche die definierten Leistungen am Markt umsetzt. 4.3.1.1 Festlegung Leistungsumfang im After-Sales-Services-Portfolio Die Festlegung des Leistungsumfangs im After-Sales-Services-Portfolio gibt die strategische Ausrichtung für die Serviceabteilung und das Produktmanagement vor: Sie hat infolgedessen weitreichende Implikationen für die Kosten- und Ertragssituation. Die Wahl eines fokussierten After-Sales-Services-Portfolios ist für die Rentabilisierung von After-Sales-Services empfehlenswert: Einerseits lassen sich dadurch Kostenreduktionen durch Leistungselimination erzielen285 und andererseits entspricht es dem vom Kunden artikulierten Bedürfnis, dass bei After-Sales-Services eine schnelle Störungsbehebung durch den Einsatz kompetenter Mitarbeitender und verfügbarer Ersatzteile im Vordergrund steht (Kundennutzen 1). Des Weiteren bietet ein fokussiertes Portfolio die Möglichkeit, After-Sales-Services zu standardisieren und dadurch weitere Kostenvorteile zu erzielen.286 285 Kostenreduktionen lassen sich durch die Elimination von Leistungen realisieren, welche einen für den Kunden geringfügigen Nutzen haben. Vgl. hierzu Kapitel 1.6 und Opportunität 1. 286 Anderson & Narus (1995, S. 79); Cohen et al. (2006, S. 133); Reinartz & Ulaga (2008, S. 94). Vgl. zu den Vorteilen der Standardisierung und den damit verbundenen Herausforderungen auch Haedrich (1997, S. 22 ff.). 126 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Fallbeispiel OBERFLÄCHENMASCHINEN AG: Kostenoptimierungen durch Standardisierung Wartungsleistungen an den Werkzeugmaschinen gehören zu den Haupttätigkeiten der Servicetechniker der OBERFLÄCHENMASCHINEN AG, welche beim Kunden vor Ort erbracht werden. Dies ist beim internationalen Kundenstamm des Unternehmens nicht selten mit Reisetätigkeiten verbunden. Vor der Standardisierung des ServicePortfolios folgten die Wartungseinsätze keinem festen Ablauf. Die Wahl der vom Techniker mitgeführten Ersatzteile beruhte auf seiner persönlichen Einschätzung und die Einzigartigkeit jedes Serviceeinsatzes führte zu hohen internen Logistikkosten. Diese unbefriedigende Situation hat das Management dazu veranlasst, im Bereich der Wartung eine Standardisierung der Leistung vorzunehmen. Die Standardisierung wurde mittels der Schaffung des einheitlichen Serviceprodukts «Wartungsvertrag» umgesetzt. Die OBERFLÄCHENMASCHINEN AG hat davon mehrfach profitieren können: Erstens wurde durch eine detaillierte interne Prozessvorgabe über die Ausführung der Wartungsleistungen die Qualität der Wartungsarbeiten einheitlich, effizient und hochstehend. Zweitens wurde die Logistik der Ersatzteile vereinfacht, indem ein vordefiniertes Paket an Ersatzteilen zum Kunden mitgenommen und dort verbaut wird. Die dadurch erleichterte Handhabung im ERP-System hat nicht nur zu erheblichen Kostenvorteilen geführt, sondern stellt auch sicher, dass ein Techniker alle benötigten Ersatzteile mitführt. Der Kunde profitiert seinerseits von einem attraktiven Paketpreis und einer höheren Maschinenverfügbarkeit dank präventivem Unterhalt. Wandelt man die vom Kunden artikulierten Bedürfnisse bezüglich der After-SalesServices in Leistungen um, bietet sich eine Strukturierung nach den Dimensionen Prävention, Reaktion, Risikoabsicherung und Material an. Nachfolgende Abbildung 25 zeigt die Services nach Leistungskategorie.287 287 Sowohl die Schulung nach Inbetriebnahme wie auch die Anwendungsberatung, welche unabhängig von Störungen oder Komplikationen stattfinden, werden nicht als Teil des After-Sales-Portfolios betrachtet, da sie in der Regel einmalig und mit einer Investitionsentscheidung verbunden sind. Kunden haben diese Themen kaum je als Teil des After-Sales-Leistungsspektrums betrachtet und es gab keine von Kunden artikulierten nutzenstiftenden oder nutzenmindernden Leistungsaspekte. OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 127 Abbildung 25: After-Sales-Services nach Leistungskategorie Prävention Reaktion Risikoabsicherung Material Präventive Diagnose Störungsbehebung vor Ort Reaktionszeit Ersatzteile Wartung Preise Störungsbehebung mit e-Services Verfügbarkeit von Ersatzteilen Garantieverlängerung Quelle: Eigene Darstellung. In die Prävention fallen jene Leistungen, welche vor dem Aufkommen einer Störung der WZM ausgeführt werden. Die Prävention vermindert das Aufkommen von Maschinenausfällen und daraus entstehenden Folgekosten beim Kunden.288 In die Sparte Reaktion fallen spontane Einsätze von Technikern vor Ort oder per eService, welche sich auf Grund von technischen Fragen oder Maschinenstörungen ergeben können. Sie erbringen, zusammen mit dem Ersatzteilgeschäft, die Kernleistung für den vom Kunden geforderten Grundnutzen von After-Sales-Services (Kundennutzen 1).289 Die Risikoabsicherung umfasst eine vertragliche Garantie über Reaktionszeiten bei Störungen, Preise für Ersatzteile, Anfahrt und Arbeitsstunden sowie Garantien über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen für vordefinierte Zeiträume. Des Weiteren sind Garantieverlängerungen mögliche Risikoabsicherungen.290 Der in Abbildung 25 aufgeführte maximale Leistungsumfang ist in einem nächsten Schritt auf die vom Anbieter bedienten Kundensegmente anzupassen und damit weiter zu fokussieren. 288 Baumbach (1998, S. 88 f.) 289 vgl. z.B. Rainfurth, Tegtmeyer & Lay (2005, S. 105) 290 Baumbach (1998, S. 144 ff.) 128 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 4.3.1.2 Identifikation der relevanten Kundensegmente Die fallübergreifende Synthese hat die individuellen Nutzenpräferenzen bei den AfterSales-Services nach Kundensegmenten gezeigt.291 Anbieter sollten deshalb entscheiden, welchen Segmenten sie die strategisch höchste Bedeutung zuordnen. Bei der Selektion der Kundensegmente bieten sich der Einbezug des aktuellen Kundenstamms sowie die zukünftig beabsichtigte Entwicklung des Kundenstamms an. Nachfolgende Abbildung 26 fasst die fünf identifizierten Kundensegmente und ihre Erkennungsmerkmale zusammen: Interne Ressourcenverfügbarkeit Abbildung 26: Identifikation Kundensegmente Technische Innovatoren KMU High-End-Produkte F&E-Orientierung Reaktive Serviceon-Demand-Bezüger Interne Servicedienstleister Strategische Partner KMU Partnerschaftlich Qualitätsorientiert Mittelstand Inhabergeführt Regionale Partner bevorzugt Grosskonzerne Just-in-Time Lieferketten Risikoaverse Service-Profis Mittelstand bis Grosskonzern Hoher Spezialisierungsgrad Professionalität im Umgang mit After-Sales Services Quelle: Eigene Darstellung. Weitere Details zu den Kundensegmenten in Kapitel 3.3.2 Für die Identifikation der relevanten Kundensegmente bietet sich ein pragmatisches Vorgehen an, da sich einzelne Bestandskunden möglicherweise in allen fünf Segmenten finden lassen. Eine Fokussierung auf die Mehrheit der Bestandskunden oder auf das strategische Kundensegment der Zukunft ist deshalb empfehlenswert. 291 vgl. ergänzend die Ausführungen in Kapitel 3.3.2 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 4.3.1.3 129 Kundensegmentoptimiertes Service-Portfolio Nach der Identifikation der für den Anbieter relevanten Kundensegmente kann aus der Gegenüberstellung der einzelnen After-Sales-Services mit ihrem wahrgenommenen Nutzen in den Kundensegmenten ein fokussiertes und standardisiertes After-SalesServices-Portfolio zusammengestellt werden, welches im Einklang mit den Bedürfnissen des Kundensegments ist.292 Es bietet sich ein modularer Aufbau des Portfolios an.293 Die Ausgangslage bildet das nachfolgend ausgeführte Basis-After-SalesServices-Portfolio mit den dazugehörigen Marketinginstrumenten. Dieses Portfolio eignet sich für den Einsatz in allen Kundensegmenten. Abbildung 27: Basis-After-Sales-Services-Portfolio Marketing-Instrument Bedientes Segment Inhalt Konzept Alle Service-Konzept Organisation des Service ProduktDatenblatt Alle Präventive Diagnose e-Services Preisliste Alle Ersatzteile Kostensätze Techniker Präventive Diagnose Vertrag / Zusatz im Kaufvertrag Alle Garantieverlängerung Garantien: Ersatzteile Quelle: Eigene Darstellung. 292 Cohen et al. (2006, S. 133); Gebauer et al. (2006, S. 377), vgl. auch Opportunität 1 sowie die Ausführung zum Value Selling in Kapitel 2.2.5 293 Anderson & Narus (1995, S. 79) 130 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Um eine Strukturierung im Service-Portfolio vorzunehmen, ist das Konzept des AfterSales-Service mit seinen Leistungsbestandteilen übersichtlich zu gestalten und schriftlich festzuhalten. Das Konzept sollte mindestens für eine interne Kommunikation ausgelegt sein; es bietet sich jedoch ein polyvalent nutzbares Dokument für Mitarbeitende und Kunden an. Durch das Niederschreiben des Servicekonzepts wird dieses greifbar gemacht, Produkte werden eindeutig benannt und mit Leistungsmerkmalen ausgestaltet.294 Als Teil des Servicekonzepts ist die Definition der garantierten zeitlichen Verfügbarkeit von Ersatzteilen empfehlenswert: In der Regel sind dies zehn Jahre nach Verkauf einer Maschine. Es bietet sich an, dies auf Anfrage des Kunden schriftlich zu gewährleisten, eventuell in Verbindung mit Preisgarantien.295 Bei der präventiven Diagnose wird ein Servicetechniker des Anbieters zur Inspektion der Werkzeugmaschine zum Kunden geschickt. Der Techniker inspiziert die Maschine und stellt Schwachstellen und Probleme frühzeitig fest. Im Gegensatz zur Wartung umfasst die präventive Diagnose keine Unterhaltsarbeiten und impliziert keinen Ersatzteilkonsum. Es handelt sich infolgedessen um ein auf minimalen Preis und maximale Kostenkontrolle durch den Kunden ausgelegtes Serviceprodukt.296 Für die Vermarktung der präventiven Diagnose wird als Marketinginstrument die Erstellung eines Produktdatenblatts empfohlen, welches für die externe Kommunikation optimiert ist. Inhalt des Produktdatenblatts sollte eine Beschreibung des Leistungsumfangs sein, welcher in einer präventiven Diagnose enthalten ist. Ein gleiches Vorgehen ist für die e-Services zu wählen: Auch hier empfiehlt sich die Ausarbeitung eines für die externe Kommunikation geeigneten Produktdatenblatts. Dieses benötigt eine Beschreibung der e-Services-Leistungen sowie eine Regelung über deren Verrechnung. 297 294 Neely (2008, S. 112); Reinartz & Ulaga (2008, S. 94) 295 Eine vertraglich festgelegte Mindestdauer für die Verfügbarkeit von Ersatzteilen wird von jenen Unternehmen, welche dem Lieferanten ein Pflichtenheft auferlegen, oftmals verlangt: Die Gewährleistungspflicht kann dort durch die Annahme des Pflichtenhefts geschehen (z.B. Fall 6). Anders als bei garantierten Reaktionszeiten ist nach den Aussagen der Kunden weder die Verrechnung von Preisnoch von Verfügbarkeitsgarantien für Ersatzteile realistisch. 296 Die präventive Diagnose als Optimierung in der Leistungskonfiguration wird in Kapitel 4.3.3 ausgeführt. 297 Die Leistungskonfiguration der e-Services wird als Teil der Optimierungsmassnahme: e-ServiceVereinbarungen in Kapitel 4.3.4 beschrieben. OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 131 Für die Bedienung der Nachfrage nach Ersatzteilen sowie für den Einsatz von Servicetechnikern298 ist eine mit einem Gültigkeitsdatum versehene Preisliste als Minimalanforderung ausreichend, um dieses Serviceprodukt mit Marketinginstrumenten zu unterstützen.299 Ergänzend wird für die präventive Diagnose eine Preisliste benötigt, welche den Preis für die Diagnose pro Maschinentyp angibt. Für die Einsätze von Technikern zur Störungsbehebung und die Wartung von Maschinen wird im Basis-AfterSales-Service-Portfolio ausschliesslich von einer Leistung nach Aufwand ausgegangen, deren Umfang im Einzelfall variiert. 300 Auf Grund der allgemeinen Vertrautheit der Kunden mit Service- und Wartungsleistungen in Regie muss ein Produktdatenblatt nicht zwingend vorhanden sein. Als Zusatz zum Kaufvertrag wird eine Regelung für die Preisfestlegung zur Garantieverlängerung benötigt. Diese kann als Festpreis, als Festpreis pro Maschinenkategorie oder als prozentualer Zuschlag auf die Kaufsumme festgelegt werden. Als Zeitperiode für eine Verlängerung bietet sich ein Jahr an. Eine Garantieverlängerung als Produkt im Portfolio zu führen, bietet sich aus Überlegungen der Preisdurchsetzung an.301 Das Basis-After-Sales-Services-Portfolio ist auf Kunden ausgerichtet, welche den Nutzen von After-Sales-Services generell kritisch betrachten. Es ist damit angemessen für die Bedienung der Kundensegmente der reaktiven Service-on-Demand-Bezüger, der technischen Innovatoren und der internen Servicedienstleister. Wenn die vom Anbieter produzierten Werkzeugmaschinen einen geringen Service- und Wartungsaufwand haben, kann es für die Bedienung von strategischen Partnern ausreichend sein. Den Anbietern, welche risikoaverse Service-Profis und strategische Partner zu ihren Kunden zählen, können zusätzlich folgende Services als bedarfsgerechte Ergänzung im Portfolio empfohlen werden: 298 Servicetechniker-Einsätze können auf Grund von Störungsbehebungen, Wartungsarbeiten oder eServices notwendig sein. Möglich sind sowohl identische Stundensätze wie auch die Diskriminierung zwischen diesen Leistungen, wie dies z.B. bei der ZERSPANUNGSMASCHINEN AG gemacht wird, wo erfahrene Servicetechniker im e-Service zu höheren Ansätzen verrechnet werden. 299 Hinweise zur nutzenvermittelnden Visualisierung von Preisen finden sich in der Optimierungsmassnahme: Visualisierung von Wert und Kosten in Kapitel 4.3.5. 300 Wie aus der fallübergreifenden Synthese ersichtlich ist, kommt der Abschluss von Wartungs- und Serviceverträgen in einigen Kundensegmenten prinzipiell nicht in Frage (vgl. Anhang 2/3). Ihre Aufnahme ins After-Sales-Services-Portfolio eignet sich daher nicht für alle Anbieter. 301 Auf die Garantieverlängerung wird in Kapitel 4.3.5 näher eingegangen. 132 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Abbildung 28: Ergänzungsprodukte Service- und Wartungsvertrag Marketing-Instrument Bedientes Segment Inhalt ProduktDatenblatt Risikoaverse Wartungsvertrag Service-Profis Servicevertrag Strategische Partner Vertrag Risikoaverse Wartungsvertrag Service-Profis Servicevertrag Strategische Partner Quelle: Eigene Darstellung. Anders als bei den gleichartigen Leistungen in Regie verpflichtet sich der Kunde beim Abschluss eines Wartungs- und Servicevertrages zum wiederkehrenden Leistungsbezug. Dadurch geht der Kunde eine finanzielle Verpflichtung ein, verfügt aber im Gegenzug über eine höhere Planungs- und Kostensicherheit.302 Dieses Bedürfnis konnte in den Segmenten der risikoaversen Service-Profis und der strategischen Partner festgestellt werden, 303 weshalb Wartungs- und Serviceverträge jenen Anbietern empfohlen werden, welche Kunden in diesen Segmenten bedienen.304 Sowohl für Service- wie auch für Wartungsverträge ist die Ausarbeitung eines Produktdatenblatts empfehlenswert, in welchem die in diesen Services enthaltenen Leistungen und Kundenmehrwerte kommuniziert werden. Zusätzlich wird für den Abschluss ein Vertrag benötigt. 302 Baumbach (1998, S. 145) 303 vgl. Anhang 2/3 304 Mindestens im Fall der risikoaversen Service-Profis liegt die Erklärung für die Nachfrage nach Wartungs- und Serviceverträgen auch in der firmeninternen Absicherung der Entscheidungsträger. Vgl. hierzu Kapitel 2.2.3.1 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 133 Die Möglichkeiten der Ausgestaltung der Wartungs- und Serviceverträge sind vielfältig. Zunächst ist eine Abgrenzung zur präventiven Diagnose wichtig. Der Wartungsvertrag sollte neben der Inspektion auch Reinigungsarbeiten und mindestens den Wechsel von Verbrauchsersatzteilen umfassen. Ein Wartungsvertrag sieht eine wiederkehrende Tätigkeit vor: Verbreitet sind halbjährliche oder jährliche Intervalle.305 Beim Servicevertrag ist eine Mehrleistung gegenüber der Aufbietung von Technikern in Regie hervorzuheben. Diese Mehrleistung kann eine garantierte Reaktionszeit sein und/oder Arbeitsleistungen zum Pauschalpreis enthalten, welche sich auf alle Einsätze von Technikern beziehen oder auf den Bereich e-Services beschränken können.306 Die von den Kunden in den Segmenten risikoaverse Service-Profis und strategische Partner artikulierten Bedürfnisse lassen ein Nutzenoptimum beim Kunden mit folgender Ausgestaltung vermuten: - Ein Wartungsvertrag zum Pauschalpreis mit jährlichen Inspektions- und Instandhaltungsarbeiten inklusive aller Verbrauchsersatzteile, welche eines regelmässigen Wechsels bedürfen. - Ein Servicevertrag zum Pauschalpreis, in welchem sich der Anbieter zu garantierte Reaktionszeiten von 24 Stunden im e-Service und 48 Stunden für VorOrt-Einsätze verpflichtet und in welchem e-Service-Leistungen unabhängig von der Intensität ihrer Nutzung abgegolten sind. 307 Sowohl der Wartungs- wie auch der Servicevertrag sollten auf einen Abschluss zum Kaufzeitpunkt der Werkzeugmaschine ausgerichtet sein und für den Nutzungszeitraum der ersten fünf Jahre der Maschine ausgelegt werden.308 Die beiden Verträge können einzeln oder in Ergänzung abgeschlossen werden. Aus dem Leistungsspektrum der Verträge ergibt sich, dass bei Abschluss eines Wartungsvertrags der Bezug von prä- 305 Bei der OBERFLÄCHENMASCHINEN AG beinhaltet ein Wartungsvertrag z.B. in den ersten zwei Jahren nach dem Erwerb einer Maschine durch den Kunden alle sechs Monate eine Wartung. 306 Von den Kunden in den Interviews genannte Ausgestaltungen von Serviceverträgen. Vgl. auch Baumbach (1998, S. 145). 307 Einsätze von Technikern beim Kunden inklusive Anfahrt werden auch bei einem Servicevertrag als Regieleistungen empfohlen. 308 Kunden in allen Segmenten stimmen überein, dass für sie Service- und Wartungsverträge für einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nach der Investition in eine Werkzeugmaschine den Hauptnutzen haben. Für ältere Maschinen werden Leistungen in Regie bevorzugt. 134 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG ventiven Diagnosen bzw. bei Abschluss eines Servicevertrags die e-ServiceVereinbarungen hinfällig werden. Nachdem die strategische Ausrichtung des After-Sales-Services-Portfolios festgelegt worden ist, ist über die Service-Organisation zu befinden, welche die definierten Leistungen am Markt umsetzt. 4.3.1.4 Abgrenzung der Abteilung oder eigene Organisationseinheit Die Messbarkeit der aktuellen Rentabilität von Service und eine Erfolgskontrolle des Optimierungsprozesses verlangen nach einer Abgrenzung der mit Services erwirtschafteten Umsätze und der dafür anfallenden Kosten.309 Die Abgrenzung kann rein buchhalterisch oder zusätzlich durch die Schaffung einer eigenständigen Serviceabteilung als Organisationseinheit geschehen. Für das im vorhergehenden Unterkapitel fokussierte After-Sales-Service-Portfolio bietet sich in der Regel eine eigenständige Serviceabteilung an, damit sich die AfterSales-Services als eigenes Geschäftsfeld entwickeln können.310 Die Gründung einer eigenständigen Organisationseinheit erhöht den Stellenwert von Service im Unternehmen, da Services damit sowohl in der Aufbauorganisation wie auch in der Ertragsrechnung sichtbar werden. Dies erleichtert dem Service-Team die Durchsetzung seiner Ansprüche, insbesondere gegenüber dem Verkauf, und mindert intrapersonelle Zielkonflikte zwischen den Produktions- und Dienstleistungstätigkeiten der Mitarbeitenden.311 Eine eigene Serviceabteilung trägt auch auf kultureller Ebene zur Wahrnehmung des Stellenwerts von Services im Unternehmen bei. Sie ist nachweislich ein Erfolgsfaktor für das Servicegeschäft.312 Ob als eigene Organisationseinheit oder rein buchhalterisch abgegrenzt – es gilt zu beachten, dass ein Teil des Verkaufsumsatzes bei Neu- oder Ersatzverkäufen der Serviceabteilung angerechnet werden sollte, weil diese in der Garantiezeit – und möglicherweise darüber hinaus – nicht separat in Rechnung gestellte Leistungen für den Kun- 309 vgl. Kapitel 1.5.4.2 und Kapitel 2.3.5 310 Cohen et al. (2006, S. 133); Gebauer et al. (2006, S. 378); Oliva & Kallenberg (2003, S. 166) 311 Rainfurth (2003, S. 143); Rainfurth et al. (2005, S. 106) 312 Gebauer et al. (2005, S. 17); Mathieu (2001, S. 464); Reinartz & Ulaga (2008, S. 92 f.) OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 135 den erbringt. Die interne Verrechnung steigert das Wert- und Kostenbewusstsein hinsichtlich von Services im Unternehmen. 313 4.3.2 Kompetenzerweiterung im Service-Team Eine Kompetenzerweiterung im Service-Team ist als Massnahme zur Optimierung des Spannungsfelds «Störungsbehebung» vorgesehen, hat aber auch eine Wirkung auf die übrigen beiden Spannungsfelder. Im Customer-Value-Modell eingeordnet findet die Optimierung im Mitarbeitersystem statt, welches der Gestaltungsdimension Kompetenzen zuzuordnen ist.314 Ausgehend davon, dass die Kompetenz eines Mitarbeitenden seine Leistung wesentlich beeinflusst,315 ist es das Ziel dieses Optimierungsschritts, das Service-Team mit verbesserten technischen, kommunikativen und verkaufsorientierten Kompetenzen auszustatten. Abbildung 29: Optimierungsprozess – Mitarbeitersystem Strategische Ausrichtung des Service-Portfolios Mitarbeitersystem: Kompetenz - Kompetenzerweiterung im Service-Team Leistungssystem: Konfiguration und Kommerzialisierung - Präventive Diagnose - e-ServiceVereinbarungen Kommunikation - Visualisierung von Wert und Kosten Kunde Kontrolle Quelle: Eigene Darstellung. Strukturierung in Anlehnung an Belz & Bieger (2006, S. 117) 4.3.2.1 Technische Kompetenzerweiterung Die Bedeutung der technischen Kompetenz des Service-Teams wurde von Kunden in allen Segmenten als nutzenstiftende Anforderung definiert (Kundennutzen 2). Ist die 313 Körner (2002, S. 121) 314 vgl. Kapitel 2.4.3 315 Varca (2004, S. 459) 136 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG technische Kompetenz überzeugend, ist der Kunde mit der Serviceleistung zufrieden – die Kosten für den Serviceeinsatz treten dann in den Hintergrund (Opportunität 2). Die Erweiterung der technischen Kompetenz im Service-Team ist infolgedessen eine zweckmässige Investition, welche sich in Verbindung mit den passenden kommunikativen und verkaufsorientierten Fähigkeiten über die konsequente Verrechnung von Leistungen rentabilisieren lässt. Das nachfolgende Fallbeispiel der PRÄZISIONSMASCHINEN AG illustriert ein Erfolgsmodell der technischen Kompetenzerweiterung: 316 Fallbeispiel PRÄZISIONSMASCHINEN AG: Kompetenz im Service-Team Die technische Kompetenz der Service-Mitarbeitenden wird bei der PRÄZISIONSMASCHINEN AG als zentraler Erfolgsfaktor für das Servicegeschäft betrachtet. Der Schlüssel zur Kompetenz des Service-Teams liegt aus Perspektive des Managements in den folgenden Aspekten: Erstens verfügt die PRÄZISIONSMASCHINEN AG über einen hohen Eigenfertigungsgrad mit der Konzentration auf einen Produktionsstandort, welcher auch die Servicezentrale beherbergt. Durch diese kompakte Aufstellung findet ein fortlaufender informeller Know-how-Austausch zwischen dem Engineering, der Produktion und dem Service-Team statt. Zweitens finden als Teil des Kompetenzmanagements der PRÄZISIONSMASCHINEN AG formalisierte technische Meetings zwischen Produktion und Service statt. Diese werden durch interne Weiterbildungen für das Service-Team, in der Regel zwei bis drei Wochen pro Jahr, ergänzt. Drittens wird der Know-how-Transfer zwischen erfahrenen und unerfahrenen Mitarbeitenden im Service-Team gefördert, nach Möglichkeit durch gemeinsame Arbeitsausführungen beim Kunden, wobei der Kunde von einem reduzierten Preis profitiert. Viertens verfügt die PRÄZISIONSMASCHINEN AG über ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem. Dieses sieht die Protokollierung jeder durch das Service-Team erfassten Maschinenstörung beim Kunden vor und verlangt für jede dieser Störungen eine Massnahme seitens der Produktion oder des Engineerings, welche wiederum in den Knowhow-Pool des Service-Teams einfliesst. 316 Die Kompetenz des Service-Teams der PRÄZISIONSMASCHINEN AG wurde in den Kundeninterviews mehrfach als gutes Beispiel für kompetenten Service genannt. OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 137 Aus dem Fallbeispiel der PRÄZISIONSMASCHINEN AG können folgende generalisierbare Erkenntnisse für die Erweiterung der technischen Kompetenz des ServiceTeams abgeleitet werden: 1. Die technische Weiterbildung des Service-Teams ist mit einem Einsatz finanzieller Ressourcen des Anbieters verbunden, da Mitarbeitende einen Teil ihrer Arbeitszeit in die Weiterbildung investieren müssen.317 2. Die Erweiterung der technischen Kompetenz ist durch betriebsinterne Massnahmen realisierbar. 3. Der formelle und der informelle Austausch im Service-Team sowie zwischen diesem und der Produktion fördern die technische Kompetenz. Der Transfer von Know-how von den erfahrenen Mitarbeitenden an die weniger kundigen Kollegen fördert dies zusätzlich.318 4. Ein Qualitätsmanagementsystem kann zur Erweiterung der technischen Kompetenz im Service-Team beitragen, da es den Prozess von der Problemaufnahme bis zur Problemlösung formalisiert und visualisiert.319 Die hier aufgezeigten Massnahmen stellen ein Weg zum Ausbau der technischen Kompetenz im Service-Team dar, welcher durch weitere Massnahmen der Personalentwicklung, wie z.B. interne Schulungen oder Coachings, ergänzt werden kann.320 Die für die Erweiterung der technischen Kompetenz vorgeschlagenen Massnahmen lassen sich im Bereich Know-how-Austausch mit der Schulung von Verkaufs- und Interaktionskompetenzen verbinden. Diese werden nachfolgend ausgeführt. 317 Homburg, Günther & Fassnacht (2000, S. 74 ff.) weisen darauf hin, dass Unternehmen, welche Ressourcen in die Personalausbildung im Dienstleistungsgeschäft investieren, mit produktbegleitenden Dienstleistungen erfolgreicher sind. 318 Der Austausch zwischen den Teams und innerhalb des Service-Teams wird auch von Koch (2010, S. 208, 203 f.) als Erfolgsfaktor für die Kompetenzerweiterung im Service von produktbegleitenden Dienstleistungen identifiziert. 319 Auch Molina, Montes & Fuentes (2004, S. 1011) stellen den Zusammenhang zwischen einem Qualitätsmanagementsystem und dem Know-how-Transfer fest. 320 vgl. dazu z.B. Gülpen (2004) 138 4.3.2.2 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Verkaufsorientiertes Service-Team Die Mehrkosten, welche durch Investitionen in die technische Kompetenz der Mitarbeitenden im Service-Team entstehen, müssen mit überproportionalen Umsatzsteigerungen kompensiert werden, um einen positiven Rentabilitätseffekt zu erzielen. Ein Weg, um dieses Ziel zu erreichen, ist der Ausbau der Verkaufs- und Interaktionskompetenz des Service-Teams, welche für die Erbringung produktbegleitender Dienstleistungen neben den technischen Kompetenzen ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist.321 Servicetechniker können dabei von einer Vertrauensposition beim Kunden profitieren, welche ihnen eine höhere Glaubwürdigkeit gibt.322 Die positiven Effekte durch den Einsatz von Verkaufs- und Interaktionskompetenzen im Service-Team können sich direkt über die zusätzliche Vermarktung von AfterSales-Services, wie z.B. den Verkauf von präventiven Diagnosen, zeigen. 323 Alternativ sind indirekte Auswirkungen auf den Ertrag möglich, wie z.B. durch die Wahrnehmung einer Informationsfunktion durch das Service-Team, welche dem Verkauf Ansatzpunkte für die Platzierung von Neu- und Ersatzinvestitionen oder Upgrades gibt.324 Während im letzteren Fall die Etablierung eines Austauschs zwischen Verkauf und Service, die durch die gemeinsame Nutzung eines Customer-RelationshipManagement-Tools erleichtert werden kann,325 die nötigen Impulse setzt, benötigt das Service-Team für die direkte Vermarktung von Serviceprodukten erweiterte Verkaufsund Interaktionskompetenzen. Die Schaffung dieser Kompetenzen im Service-Team kann mit umfassenden organisatorischen Massnahmen verbunden sein, welche in die Bereiche Rekrutierung, Weiterbildung, Beurteilung und Vergütung hineinreichen können.326 Einen pragmatischen Ansatz zur Kompetenzerweiterung wählen Dickhardt, Dickhardt & Erceg327 mit einem Massnahmenpaket, welches für mittelständische Industrieunter- 321 Erceg (2005, S. 155 ff.); Koch (2010, S. 211) 322 vgl. die Herleitung von Kaufverhalten 1 323 vgl. auch die Massnahmen: «Präventive Diagnose» und «Visualisierung von Wert und Kosten». 324 Sanche (2002, S. 29 f., 42 f.) 325 vgl. z.B. Perna & Baraldi (2014, S. 210) 326 Koch (2010, S. 212) 327 Dickhardt, Dickhardt & Erceg (2005) OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 139 nehmen geeignet ist. Mit diesem Massnahmenpaket wird das Ziel verfolgt, dass Mitarbeitende mit Kundenkontakt den Nutzen von produktbegleitenden Dienstleistungen den Kunden vermitteln und diese mit treffenden Verkaufsargumenten überzeugen können. Folgendes Vorgehen kann auf Basis des Prozesses von Dickhardt et al. 328 zur Zielerreichung angewendet werden: 1. Erstellung eines Leitfadens zur Dienstleistungsvermittlung: Pro After-SalesService empfiehlt sich die Erstellung eines Dokuments, in welchem ein Leistungsbeschrieb und die Kundenvorteile der Serviceleistung enthalten sind. Das After-Sales-Services-Portfolio definiert das Leistungsspektrum. Die im Zuge seiner Festlegung erstellten Produktdatenblätter können als Informationsgrundlage verwendet werden.329 Es bietet sich ein tabellarischer Zusammenzug aller Leistungen und Kundenvorteile an. 2. Aufbau einer Checkliste mit den dienstleistungsrelevanten Kriterien: Diese betreffen einerseits die Kunden- und andererseits die Dienstleistungsaspekte. a. Die Kundenkriterien betreffen die Bedürfnisse der einzelnen Kunden: Diese wurden innerhalb der fünf Kundensegmente identifiziert.330 In den Beschreibungen der Kundensegmente lassen sich ihre Dienstleistungspräferenzen wiederfinden. b. Die dienstleistungsrelevanten Kriterien lassen sich für After-SalesServices von den beim Kunden eingesetzten WZM ableiten. Es bietet sich an, eine tabellarische Übersicht über die verfügbaren After-SalesServices pro Werkzeugmaschine zu erstellen. Hierbei sind folgende Aspekte einzubeziehen: Art der WZM,331 Kaufzeitpunkt332 und vom Kunden bezogene After-Sales-Services.333 328 Dickhardt et al. (2005, S. 196 ff.) 329 vgl. Kapitel 4.3.1.3 330 Wie in Kapitel 3.3.2 ausgeführt, wurden die identifizierten Kundensegmente auf Grund ihrer Ho- mogenität hinsichtlich Einstellung und Verhalten zu After-Sales-Services gebildet, womit das Vorgehen deckungsgleich mit jenem von Dickhardt et al. (2005, S. 199) ist. 331 Der Typ bestimmt die Einsatzmöglichkeiten von Services, z.B. ob die Maschine einen Fernzugriff durch den e-Support zulässt. 140 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 3. Erstellung eines Dienstleistungsargumentariums: Aus der Synthese von Kundenvorteilen pro After-Sales-Service, den Bedürfnissen in den einzelnen Kundensegmenten und dem möglichen Leistungsspektrum pro WZM lässt sich ein Dienstleistungsargumentatrium zusammenstellen, welches vom ServiceTeam verwendet werden kann. Zur initialen Implementierung der Verkaufs- und Interaktionskompetenzen im ServiceTeam sind nach Dickenhardt et al.334 regelmässige Workshops empfehlenswert. Diese können mittel- und langfristig im Rahmen weiterer Ausbildungsmodule mit Knowhow-Transfer von erfahrenen Mitarbeitenden zu weniger erfahrenen Kollegen ergänzt werden.335 4.3.2.3 Professionalisierung der Kommunikationsprozesse Neben einer schnellen Problemlösung im Störungsfall einer Werkzeugmaschine ist dem Kunden eine professionelle Kommunikation ein Anliegen: Professionelle Kommunikation trägt zur Entspannung der Situation bei, bildet gegenseitiges Vertrauen und erlaubt dem Kunden, seine Produktionsplanung auf die neuen Umstände auszurichten, um negative Folgen in der Form von Kosten sowie Umsatz- und Reputationsschäden zu minimieren (Kundennutzen 3). Sie ist eine Verbesserungsmassnahme, welche beim Innendienst ansetzt und zwei übergeordnete Ziele erfüllen soll: Erhalt oder Wiederherstellung der Kundenzufriedenheit auf der Beziehungsebene sowie die Sicherstellung der Planungssicherheit beim Kunden. Diese Ziele können aus Perspektive des Kunden erreicht werden, wenn die internen Kommunikationsprozesse folgende Grundsätze befolgen:336 332 Der Kaufzeitpunkt moderiert die Angebotsverfügbarkeit einiger After-Sales-Services, z.B. der Garantieverlängerung oder die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wartungs- oder Servicevertrag abgeschlossen wird. 333 Das Service-Team braucht Kenntnis darüber, ob der Kunde z.B. eine Garantieverlängerung, einen Wartungs- oder einen Servicevertrag abgeschlossen hat. Basierend auf den noch nicht konsumierten Leistungen kann eine Verkaufsstrategie zurechtgelegt werden. 334 Dickhardt et al. (2005, S. 201) 335 vgl. dazu Kapitel 4.3.2.1 336 Artikulierte Kundenbedürfnisse in der fallübergreifenden Synthese, vgl. Herleitung Kundennutzen 3. OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 141 1. Der Kunde ist bis zum Zeitpunkt der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit seiner Werkzeugmaschine darüber informiert, welches der nächste Schritt im Problemlösungsverfahren ist und wann dieser Schritt erfolgt. 2. Der Kunde wird frühzeitig und proaktiv informiert, sollte eine vom Anbieter kommunizierte Information über den nächsten Schritt im Problemlösungsverfahren oder über dessen Zeitpunkt nicht wie kommuniziert eintreffen. 3. Der Kunde wird proaktiv informiert, sollte der Anbieter im Problemlösungsprozess zu einer Erkenntnis kommen, deren Informationsgehalt dem Kunden zusätzliche Planungssicherheit verschafft. Zur Umsetzung dieser kundenorientierten Kommunikationspolitik eignen sich Schulungen, Prozessvorgaben und die Unterstützung mit geeigneten Softwarelösungen, wie z.B. Ticket-Systemen.337 4.3.3 Präventive Diagnose Die präventive Diagnose zielt auf das Spannungsfeld mit den Polen eines kostenlosen Leistungsbezugs (Kunde) bzw. einer konsequenten Verrechnung aller e-ServiceLeistungen (Anbieter) ab. Sie ist im Customer-Value-Modell dem Leistungssystem im Bereich Konfiguration zuzuordnen.338 337 vgl. Bertam, Voida, Greenberg & Walker (2010) 338 vgl. Kapitel 2.4.2 142 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Abbildung 30: Optimierungsprozess – Leistungssystem: Konfiguration Strategische Ausrichtung des Service-Portfolios Mitarbeitersystem: Kompetenz - Kompetenzerweiterung im Service-Team Leistungssystem: Konfiguration und Kommerzialisierung - Präventive Diagnose - e-ServiceVereinbarungen Kommunikation - Visualisierung von Wert und Kosten Kunde Kontrolle Quelle: Eigene Darstellung. Strukturierung in Anlehnung an Belz & Bieger (2006, S. 117) Die präventive Diagnose ist ein Serviceprodukt, welches den Ursprung der beim Kunden negativ behafteten Maschinenausfälle und der beim Lieferanten schwierig planbaren Serviceeinsätze bekämpft. Bei einer präventiven Diagnose beurteilt ein Techniker des Anbieters, je nach Technologie und Maschinentypus ausschliesslich vor Ort oder in Ergänzung mit elektronischem Datenmaterial, die Funktionsfähigkeit der Werkzeugmaschine und identifiziert Schwachstellen im Bereich Soft- und Hardware, welche den zukünftigen Betrieb stören könnten. Das Leistungsspektrum einer präventiven Diagnose beschränkt sich im Gegensatz zu Wartungstätigkeiten auf Analyseaufgaben.339 Die präventive Diagnose grenzt sich zu einem Wartungsauftrag über folgende Aspekte ab: Erstens muss es sich um ein verhältnismässig kostengünstiges Produkt handeln, da nur die Arbeitsleistung eines Technikers bezahlt werden muss. Zweitens darf mit der präventiven Diagnose keine Verpflichtung verbunden sein, im Anschluss Arbeiten vornehmen zu lassen. Drittens muss nach Abschluss der Diagnose ein Dialog mit dem Kunden stattfinden, in welchem die Empfehlungen des Technikers diskutiert werden, einzelne vorgeschlagene Massnahmen mit Kostenfolgen transparent aufgezeigt werden 339 Baumbach (1998, S. 142 f.) OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 143 und der Kunde entscheidet, ob, wann und in welchem Umfang Wartungsarbeiten vorgenommen werden.340 Die präventive Diagnose führt zu einem Nutzengewinn beim Kunden und beim Anbieter. Ersterer profitiert von einer kostengünstigen und frühzeitigen Erkennung von Schwachstellen seiner Produktionseinheit, wodurch sich Folgekosten vermeiden lassen. Er behält aber gleichzeitig die Kostenkontrolle. Beim Anbieter sind die entstehenden Gewinne vielschichtig. Erstens lassen sich Kapazitätsauslastungen der Servicemitarbeitenden glätten, was langfristig betrachtet die Personalkosten im Service optimiert. 341 Zweitens kann das Geschäft mit Ersatzteilen intensiviert werden, da Teile nicht am Ende ihrer Lebenszeit, sondern kurz zuvor gewechselt werden. Drittens findet eine regelmässige Interaktion mit dem Kunden statt, welche stets Opportunitäten für Neu- und Ersatzinvestitionen eröffnet.342 Viertens erhöht sich beim Kunden die Maschinenverfügbarkeit, wodurch der Ruf des Anbieters als Qualitätslieferant profitiert und die allgemeine Zufriedenheit des Kunden zunimmt.343 Sollte die Maschine trotz regelmässiger präventiver Diagnosen einen Ausfall haben auf Grund einer Komponente, welche in der Diagnose als Schwachstelle identifiziert, jedoch vom Kunden nicht behoben wurde, ist der Verschuldungsgrad des Anbieters für die mit dem Ausfall verbundenen Unannehmlichkeiten geringer. Fünftens profitiert der Anbieter in der Folge von einem höheren Vertrauensverhältnis in der Kunden-Lieferanten-Beziehung, was für zukünftige Investitionsentscheidungen von hoher Bedeutung ist (Kaufverhalten 1). Auf Grund der umfassenden Vorteile des Einsatzes der präventiven Diagnose ist deren preisliche Positionierung defensiv, aber mindestens kostendeckend zu wählen, um die Eintrittsbarriere beim Kunden tief zu halten. 340 Best-Practice aus der ZERSPANUNGSMASCHINEN AG: Diese Differenzierungsmerkmale erklären, warum die präventive Diagnose im Vergleich zum klassischen Wartungsvertrag am Markt ohne Hindernisse durchgesetzt werden kann. Siehe auch Fallbeispiel Präventive Diagnose. 341 Wildemann (2006, S. 57 f.) 342 Brax (2005, S. 142) 343 Sanche (2002, S. 43 f.) 144 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Fallbeispiel ZERSPANUNGSMASCHINEN AG: Präventive Diagnose Bei der ZERSPANUNGSMASCHINEN AG wurden nur für eine Handvoll der über tausend weltweit in Betrieb stehenden Maschinen ein Service- oder ein Wartungsvertrag abgeschlossen. Diese bieten aus Sicht des Managements einen zu geringen Nutzen für den Kunden. Anders verhält es sich bei der präventiven Diagnose, welche als schlankes Serviceprodukt zum Festpreis angeboten wird: Dieses lässt sich in regelmässigen Abständen, in der Regel auf Anfrage durch das Service-Team und ohne vertragliche Bindung, bei einer Mehrheit der Kunden platzieren. Die ZERSPANUNGSMASCHINEN AG sieht die Gründe hierfür in der Transparenz und der Kostenkontrolle, welche vollständig in der Hand des Kunden verweilt. Die ZERSPANUNGSMASCHINEN AG beabsichtigt, die präventive Diagnose in Zukunft weiter zu verstärken, und bildet zu diesem Zweck zusätzliches Servicepersonal aus. 4.3.4 e-Service-Vereinbarungen Die e-Service-Vereinbarungen sind neben der präventiven Diagnose die zweite Massnahme im Spannungsfeld «kostenloser Leistungsbezug». Sie ist im Customer-ValueModell dem Leistungssystem im Bereich Kommerzialisierung zuzuordnen. 344 Als Ausgangslage für diese Optimierungsmassnahme wird von einer Situation ausgegangen, in welcher Anbieter die e-Service-Leistungen gar nicht oder nur im geringen Ausmass verrechnen können. Folglich hat die Verrechnung von e-Services einen signifikanten Einfluss auf die Steigerung der Rentabilität von After-Sales-Services, da ein Umsatzzuwachs bei einer gleichbleibenden Kostensituation herbeigeführt wird. 344 vgl. Kapitel 2.4.2 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 145 Abbildung 31: Optimierungsprozess – Leistungssystem: Kommerzialisierung Strategische Ausrichtung des Service-Portfolios Mitarbeitersystem: Kompetenz - Kompetenzerweiterung im Service-Team Leistungssystem: Konfiguration und Kommerzialisierung - Präventive Diagnose - e-ServiceVereinbarungen Kommunikation - Visualisierung von Wert und Kosten Kunde Kontrolle Quelle: Eigene Darstellung. Strukturierung in Anlehnung an Belz & Bieger (2006, S. 117) Das Ziel dieser Optimierungsmassnahme liegt darin, einen hohen Anteil der im eService wertstiftend geleisteten Arbeiten an den Kunden verrechnen zu können, ohne damit einen fortlaufenden Austausch mit dem Kunden über seine Anliegen zu unterbinden und ohne den Kundennutzen wesentlich zu schmälern. In den Kundengesprächen hat sich gezeigt, dass Kunden ein Verständnis für die Notwendigkeit einer Verrechnung von e-Service-Produkten haben, jedoch von den Anbietern eine proaktive und offene Kommunikation der Spielregeln und der Kostenfolgen fordern (Opportunität 5).345 Es bieten sich zwei Modelle an, wie ein Anbieter die Verrechenbarkeit von eServices umsetzen kann. 4.3.4.1 e-Service-Vereinbarungen als unabhängiges Produkt Eine erste Strategie liegt im Abschluss von e-Service-Vereinbarungen, in welchen der Leistungsbezug von e-Services und die für die Kunden anfallenden Kosten geregelt sind. Die Vereinbarungen haben den Charakter einer Information und Kenntnisnahme und führen zu keiner Abnahmeverpflichtung für die Kunden, wodurch sie sich vom 345 Untersuchungen zur Rentabilität einzelner After-Sales-Leistungskomponenten zeigen, dass e- Services zu den unrentabelsten Leistungen gehören (Backhaus et al., 2007, S. 18), obwohl bei den Kunden für e-Services prinzipiell eine hohe Zahlungsbereitschaft besteht (Körner, 2002, S. 130). Körner stellt fest, dass viele Maschinen- und Anlagenbauer die beim Kunden vorhandene Zahlungsbereitschaft unterschätzen (S. 130). 146 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Servicevertrag abgrenzen. Sie sind deshalb wie eingangs empfohlen als Produktdatenblatt zu gestalten und bedürfen keines Vertrages.346 Durch die Berücksichtigung folgender von den Kunden artikulierter Bedürfnisse kann von einer erleichterten Durchsetzbarkeit der e-Service-Vereinbarungen bei den Kunden ausgegangen werden:347 1. Die Definition von e-Services mit einem dazugehörigen Leistungskatalog (z.B. Beratung am Telefon, Remote-Zugriff und Datenanalyse) sollte festgelegt sein. Auch die zeitliche Verfügbarkeit der Mitarbeitenden ist für den Kunden von Interesse. 2. Der Zeitpunkt, in welchem eine Interaktion für den Kunden zu Kostenfolgen führt, sollte festgelegt und für den Kunden erkennbar sein. In der Praxis sind folgende Modelle verbreitet: a. Bei Anruf auf eine Service-Hotline, welche von übrigen Kommunikationskanälen separiert ist, beginnt eine kostenpflichtige Beratung. In der Regel wird im Minutentakt abgerechnet, zum Teil erst nach 5 bis 15 Minuten pro Anruf. Es existieren auch Modelle mit einem kostenlosen Monats- oder Jahrespensum an Minuten, welche pro Kunde / pro erworbene Werkzeugmaschine zur Verfügung stehen.348 b. Ab dem Zeitpunkt, in welchem ein Mitarbeitender des Service-Teams als Unterstützung zur telefonischen Beratung einen Remote-Zugriff auf die Maschine oder die Auswertung zugestellter Maschinenprotokolle vornimmt, entstehen für den Kunden Kosten.349 c. Nachdem der Service-Mitarbeitende, in der Regel mit dem schriftlich mitgeteilten Einverständnis des Kunden, von der Analyse-/Diagnose- auf die Problemlösungsphase umgestellt hat, werden dem Kunden die Kosten in Rechnung gestellt. Der Ermessensspielraum, welche Tätigkeiten 346 vgl. Kapitel 4.3.1.3 347 vgl. auch Herleitung Opportunität 5 348 z.B. Körner (2002, S. 135 f.) 349 Eine Variante, welche z.B. von Herstellern von Steuerungen in der Robotik angewendet wird (Kundeninterview: Fall 23). OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 147 unter Analyse und welche unter Problemlösung fallen, liegt beim Servicetechniker bzw. beim Serviceverantwortlichen des Anbieters.350 3. Es ist zu klären, inwiefern eine Verrechnung der Leistung stattfindet, wenn das Kundenproblem durch den e-Service-Einsatz nicht gelöst werden kann oder wenn auf einen kostenpflichtigen e-Service-Einsatz folgend trotzdem ein Techniker aufgeboten werden muss. Die diffizilste Entscheidung betrifft den Zeitpunkt, ab welchem Kostenfolgen für den Kunden entstehen. Von den Kunden angeführte Argumente geben Hinweise darauf, dass eine Verrechnung ab dem Wechsel von Analyse zu Problemlösung auf den geringsten Widerstand stösst, da aus Kundenperspektive die Analyse als eine Offertstellung zu verstehen ist, welche sich in kaum einem Tätigkeitsfeld verrechnen lässt. Diesen Ansatz hat auch die ZERSPANUNGSMASCHINEN AG gewählt, wie das unten aufgeführte Fallbeispiel zeigt: Fallbeispiel ZERSPANUNGSMASCHINEN AG: e-Service-Verrechnung Mittels e-Service-Support können bei der ZERSPANUNGSMASCHINEN AG über 20% der eingehenden technischen Störungen behoben werden. Diese wertstiftende Leistung wird an den Kunden verrechnet. Hierbei gilt die Regelung, dass jegliche Leistung, welche über die Diagnosephase hinausgeht, in Rechnung gestellt wird. Die Mitarbeitenden im Service-Team entscheiden selbst, wo sie die Trennlinie zwischen der Analyse- und der Problemlösungsphase ziehen. Sie sind hierbei angehalten, die Bedeutung des Kunden für das Unternehmen zu berücksichtigen: Kunden, welche mehrere Maschinen der ZERSPANUNGSMASCHINEN AG besitzen, wird mit grösserer Kulanz gegenübergetreten. Die Mitarbeitenden im Service-Team sind bemüht, die Kostenkontrolle über den Bezug der e-Services in die Hand des Kunden zu geben. Dies beginnt nach Abschluss der Analysephase, wenn eine Kosteneinschätzung an den Kunden abgegeben wird. Im Anschluss werden kostenpflichtige Arbeiten erst auf schriftliche Bestellung des Kunden ausgeführt. Sollte der angegebene Kostenrahmen nicht eingehalten werden können, wird der Kunde proaktiv informiert und kann über das weitere Vorgehen entscheiden. 350 z.B. von der ZERSPANUNGSMASCHINEN AG angewendet. 148 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Für die Implementierung der e-Service-Vereinbarungen empfiehlt sich ein Vorgehen in zwei Schritten. Als Erstes sollte ein Produktdatenblatt erstellt werden, dessen Inhalt alle vom Kunden als kritisch erachteten Fragen klärt und die Kundenvorteile hervorhebt. Im Anschluss sollte die neue Regelung zu den e-Services erst auf Vorankündigung und nach einem persönlichen Gespräch zwischen dem Kundenbetreuer und dem Kunden in Kraft gesetzt werden.351 4.3.4.2 Verrechnung von e-Services über die Kopplung von Leistungen Eine zweite Strategie besteht in der Kopplung der e-Services mit einem anderen verrechenbaren Serviceprodukt. Es bieten sich folgende Modelle an: 1. Bei einer Mehrheit der Maschinen- und Anlagenbauer sind e-Services während der Garantiezeit der Maschine kostenlos enthalten.352 Dieses Modell kann beim Abschluss einer Garantieverlängerung beibehalten werden, wodurch für diese ein zusätzlicher Kaufanreiz besteht. Die durch die e-Services anfallenden Kosten müssen jedoch im Preis einer Garantieverlängerung berücksichtigt werden. 2. Einschluss von e-Services in einem Servicevertrag.353 4.3.4.3 Nutzenbeurteilung von e-Services nach Kundensegment Auf Grund der Unterschiede hinsichtlich Einstellung und Verhalten zu den AfterSales-Services in den Kundensegmenten ist bei der Implementierung von e-ServiceVereinbarungen Folgendes zu beachten: - Im Segment der risikoaversen Service-Profis ist eine erfolgsversprechende Vorgehensweise die Rentabilisierung über den Abschluss von Serviceverträgen, welche in diesem Segment grundsätzlich auf Anklang stossen. 354 - In den Segmenten der strategischen Partner sowie der internen Servicedienstleister sollten unabhängige e-Service-Vereinbarungen durch die Hervorhebung der Kundenvorteile (Geschwindigkeit, keine Anfahrtskosten) sowie die Erklä- 351 Vom Kunden artikuliertes Bedürfnis, vgl. auch Herleitung Opportunität 5 352 Rainfurth et al. (2005, S. 105) 353 vgl. Kapitel 4.3.1.3 354 vgl. Kapitel 4.3.1.3 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 149 rung der mit den e-Services verbundenen Kosten beim Anbieter durchsetzbar sein.355 - In den Segmenten der technischen Innovatoren und der reaktiven Service-onDemand-Bezüger ist der grösste Widerstand hinsichtlich der e-ServiceVereinbarungen zu erwarten. Sollten diese Kundensegmente im Fokus des Anbieters stehen, ist bei der Ausgestaltung der e-Service-Vereinbarungen darauf zu achten, dass für die Kunden nur im Erfolgsfall und bei alleiniger e-ServiceLeistung Kostenfolgen entstehen.356 Es ist zudem empfehlenswert, bei Neuinvestitionen den Abschluss einer Garantieverlängerung zu forcieren, um eine gesonderte Verrechnung von e-Services möglichst lange zu vermeiden. Massnahmen zum Umgang mit einem potentiellen Nutzenverlust beim Kunden durch die Implementierung von e-Service-Vereinbarungen werden unter anderem im nachfolgenden Unterkapitel vorgestellt. 4.3.5 Visualisierung von Wert und Kosten Für das Spannungsfeld Preispolitik wird eine Optimierungsmassnahme in der Gestaltungsdimension Kommunikation des Customer-Value-Modells empfohlen.357 Sie wirkt unterstützend für die Realisierung der e-Service-Vereinbarungen. Das Ziel dieser Optimierungsmassnahme ist es, den Kundenwert und die für die Schaffung dieses Kundenwerts entstehenden Leistungen und Kosten transparent und sichtbar zu machen, da dies die Verrechenbarkeit von sämtlichen After-Sales-Services erleichtert (Opportunität 4) sowie Situationen zu deeskalieren, in welchen die Verrechnung einer Leistung als ungerechtfertigt betrachtet wird und zu einem Vertrauensbruch führt (Kaufverhalten 1). 355 vgl. auch Kapitel 4.3.5. Auch Dauner (2012, S. 252 f.) stellt fest, dass die Geschwindigkeit von eServices und die dadurch entstehenden Kostenvorteile für den Kunden ein zentrales Argument für eine Zahlungsbereitschaft für e-Services sind. 356 Diese Kundensegmente legen Wert auf Preistransparenz und -fairness (vgl. Kapitel 3.3.3.4). 357 vgl. Kapitel 2.4.2 150 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Abbildung 32: Optimierungsprozess – Kommunikation Strategische Ausrichtung des Service-Portfolios Mitarbeitersystem: Kompetenz - Kompetenzerweiterung im Service-Team Leistungssystem: Konfiguration und Kommerzialisierung - Präventive Diagnose - e-ServiceVereinbarungen Kommunikation - Visualisierung von Wert und Kosten Kunde Kontrolle Quelle: Eigene Darstellung. Strukturierung in Anlehnung an Belz & Bieger (2006, S. 117) 4.3.5.1 Massnahmen zur Visualisierung für einzelne Services In den Kundengesprächen konnten die nachfolgend ausgeführten Kundenbedürfnisse zu den After-Sales-Services als problematisch hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft und der Preisdurchsetzung identifiziert werden. Für sie werden die folgenden Optimierungsmassnahmen vorgeschlagen: Ersatzteile mit geringem Eigenfertigungsanteil: Wechsel des Referenzpreises Ersatzteile, welche vom Anbieter zugekauft werden und damit über keinen oder nur einen sehr geringen Eigenfertigungsanteil verfügen, werden von den Kunden als zu teuer betrachtet. Der Kunde kann einen Margenzuschlag von 20 bis 40% auf solche Teile nachvollziehen, einen höheren Zuschlag ist aus seiner Sicht für eine rein koordinative Leistung nicht verständlich (Kundennutzen 4). Hintergrund des Preisurteils der Kunden ist eine Beurteilung anhand eines beim Kunden vorhandenen Referenzpreises.358 Der Referenzpreis kommt bei Ersatzteilen, welcher durch ihren geringen Eigenfertigungsanteil am Markt identisch oder ähnlich erhältlich sind, durch einen direkten Preisvergleich zustande. Kunden verwenden als Benchmark auf den Handel spezialisierte Onlineshops, die in vielen Fällen über tiefere 358 vgl. Theorie der Referenzpreise: Kapitel 2.3.3.1 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 151 Preisangebote verfügen. 359 Die Abweichung vom Referenzpreis zu ihren Ungunsten mindert in der Folge den von Kunden wahrgenommenen Nutzen, da sie die Abweichung mit einer überdurchschnittlichen Marge des Anbieters erklären. Von den Kunden wird dabei nur ungenügend berücksichtigt, dass bei einem Anbieter, welcher als mittelständischer Werkzeugmaschinenbauer nicht auf den Vertrieb von Handelswaren spezialisiert ist, andere Kostenstrukturen bestehen. Anbieter müssen Zuschläge auf Grund der Lagerverfügbarkeit, des Administrationsaufwands sowie des Risikos (Garantieübernahme, Wertverfall im Lager) in ausreichendem Mass in den Preis einkalkulieren.360 Anbieter können dieser Situation begegnen, indem sie ihre Preise aufschlüsseln und die darin enthaltenen Wertkomponenten für den Kunden sichtbar machen. Es bietet sich an, mindestens einen Zuschlag für die sofortige Lagerverfügbarkeit sowie eine Bearbeitungsgebühr pro Ersatzteil separiert darzustellen. Da Letztere unabhängig vom Preis des Ersatzteils einmalig anfällt, ist ein Fixkostenbetrag pro Ersatzteil oder Bestellung empfehlenswert. Dieses als «Preiszerlegung» bezeichnete Verfahren hilft, die Kosten zu visualisieren und dem Kunden mehrere separierte Beträge als Referenzpreise vorzugeben. 361 Anfahrtspauschalen: Setzung von Planungsanreizen Wenn der Kunde glaubt, dass Servicetechniker bei der Anfahrt mittels Terminkombinationen einen geringeren Zeitbedarf für die Anfahrt hatten, als sie ihm mittels Pauschale in Rechnung stellen, wird diese von den Kunden als unfair betrachtet (Kundennutzen 4).362 Der Kritikpunkt der Kunden hinsichtlich der Anfahrtspauschalen kann durch eine Leistungsvisualisierung nicht abgewendet werden, da das Wesen einer «Pauschale» impliziert, dass sie eine auf Mittelwerten beruhende Kalkulation ist, bei welcher der Kunde bei geschickter Terminkombination des Technikers einen Preis bezahlen wird, 359 Vorgehensbeschreibungen aus den Kundeninterviews (z.B. Fall 1, 13). 360 vgl. z.B. Cohen & Lee (1990, S. 58) 361 In den Kundengesprächen wurde auf die bei günstigen Teilen überdurchschnittlich hohen Margen hingewiesen. Durch den Aufschlag eines separiert ausgewiesenen Zuschlags für Administration als Fixpreis pro Bestellung kann dieser Missstand korrigiert werden, vgl. auch Bänsch (1996, S. 84). 362 Als erklärende Theorie kann die Equity-Theorie beigezogen werden, vgl. Kapitel 2.3.3.2. 152 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG welcher über einem fairen Ansatz für die effektiv verrechneten Stunden liegt. Als einfach zu handhabende Lösung bietet sich an, dass man dem Kunden die Anfahrtspauschale teilweise erlässt, wenn der Termin nicht spontan angesetzt, sondern im Voraus geplant wurde. Dies ist dem Kunden gegenüber damit zu begründen, dass damit Terminkombinationen möglich sind und der daraus entstehende Preisvorteil weitergegeben wird.363 Obwohl diese Massnahme den Ertrag des Anbieters leicht mindert, erhöht sie die Kaufanreize für die präventive Diagnose und die Wartung, welche auf Grund ihrer Beschaffenheit für den Anbieter attraktiv sind.364 Das nachfolgende Fallbeispiel der PRÄZISIONSMASCHINEN AG illustriert den Sachverhalt. Fallbeispiel PRÄZISIONSMASCHINEN AG: Anfahrtspauschale Die Kunden der PRÄZISIONSMASCHINEN AG schätzen es im Fall einer Maschinenstörung, von einem für die Behebung ihrer Problemsituation qualifizierten Servicetechniker bedient zu werden. Dafür sind Kunden oftmals bereit, ein bis zwei Tage zu warten. Insbesondere preissensitive Kunden nehmen gerne einige Tage Wartezeit in Kauf, wenn sich dafür Kostenoptimierungen bei den Anfahrtspauschalen erzielen lassen. Die PRÄZISIONSMASCHINEN AG offeriert für Serviceeinsätze mit planbarer Vorlaufzeit die Anfahrtspauschalen zum halben Preis: ein Konzept, welches beim Kunden positiv aufgenommen wird. Auch das Service-Team profitiert von diesem Vorgehen, da seine Einsätze damit besser planbar werden. Kulanzzahlungen: Forcierung der Garantieverlängerungen Eine weitere problematische Situation hinsichtlich des vom Kunden wahrgenommenen Nutzens entsteht bei Kosten für Einsätze von Technikern und für Ersatzteile, welche nach Ablauf der Garantiezeit entstehen, deren Verschulden aus Sicht des Kunden jedoch beim Anbieter liegt (Kaufverhalten 1).365 Anbieter sind auf Grund möglicher Sanktionierungen gut beraten, nach Ablauf der Garantiezeit Forderungen des Kunden sorgfältig auf ein Eigenverschulden zu prüfen 363 Dieses Verfahren wird beispielsweise von der PRÄZISIONSMASCHINEN AG angewendet. 364 vgl. Kapitel 4.3.3 365 Trachsler (1996, S. 280) stellt den gleichen Zusammenhang als Kriterium «Verantwortung der Fehlerursache» fest. Als erklärende Theorie kann erneut die Equity-Theorie beigezogen werden, vgl. Kapitel 2.3.3.2. OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 153 und gemeinsam mit dem Kunden nach Kompromisslösungen zu suchen. Um zum Erhalt der Kundenzufriedenheit im Schadensfall nicht mit Kulanzzahlungen die Rentabilität von After-Sales-Services zu mindern, bietet sich eine aktive Vermarktung der Garantieverlängerung beim Kaufabschluss an: Schliesst der Kunde eine solche ab, kann die Konfliktsituation von Beginn an vermieden werden. 366 Tut der Kunde dies aus einer bewussten Entscheidung heraus nicht, was mit einem Hinweis im Kaufvertrag verdeutlicht werden kann, ist das Einfordern einer Kulanzzahlung nach Ablauf der Garantiefrist für ihn schwieriger zu rechtfertigen.367 Fallbeispiel OBERFLÄCHENMASCHINEN AG: Einsatz der Garantieverlängerung Für die OBERFLÄCHENMASCHINEN AG als globalen Qualitätsführer ist die Durchsetzung der Garantielaufzeit von nur einem Jahr eine Herausforderung. Insbesondere im Folgejahr nach Ende der Garantiezeit bestehen Kunden nicht selten auf die Erbringung kostenloser Leistungen, selbst wenn es hierfür keine vertragliche Grundlage gibt. Da Kundenzufriedenheit und ein guter Ruf im Servicegeschäft für die OBERFLÄCHENMASCHINEN AG ein strategisches Ziel sind, übernimmt sie in vielen Fällen aus Kulanzgründen im ersten Jahr nach Ablauf der Garantie die Kosten für Ersatzteile und Serviceeinsätze. Als Reaktion auf diesen Sachverhalt hat das Management beschlossen, jenen Kunden, welche beim Kauf einer Maschine einen Wartungsvertrag über zwei Jahre abschliessen, eine kostenlose Garantieverlängerung von 12 auf 24 Monate zu gewähren. Damit wurde bezweckt, dass der Wartungsvertrag aus Kundenperspektive an Attraktivität gewinnt, was sich positiv auf die Vertragsabschlüsse ausgewirkt hat. Aus Sicht der OBERFLÄCHENMASCHINEN AG hat diese Massnahme zur Rentabilisierung ihrer After-Sales-Services beigetragen. Einerseits hat man die Kulanzforderungen der Kunden reduziert, da man auf Grund einer professionellen präventiven Wartung durch die eigenen Servicetechniker die Entstehung von Schäden minimieren konnte. Andererseits entstanden durch die Zunahme an Wartungsverträgen neue profitable Erträge. 366 In der fallübergreifenden Synthese konnte festgestellt werden, dass Kunden das absolute Alter von Komponenten als Faktor für die Beurteilung von deren Funktionalität beiziehen. Je weiter der Kaufzeitpunkt zurückliegt, desto geringer ist die Chance, dass Kunden Kulanzforderungen stellen. 367 Die Rechtfertigung ist für die Kunden erschwert, da in diesem Fall kein konformes Verhalten mit ihren früheren Entscheidungen besteht, vgl. hierzu die Theorie zur kognitiven Dissonanz (Festinger, 1957, S. 1 ff.). 154 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG Geschenke im Service: Value-Selling anwenden Kunden treten in die Vertragsverhandlungen über die Investition in Werkzeugmaschinen mit der Erwartung, dass sie als Ergebnis der Verhandlungen After-Sales-Services als preisreduzierte oder sogar kostenlose «Geschenke» zur Minderung der Investitionssumme beziehen können (Kaufverhalten 4). Da eine rückwirkende Korrektur der in den Verhandlungen angewendeten Rabattpolitik nicht möglich ist, empfiehlt sich eine Zukunftsbetrachtung, deren Wirkung mittelbis langfristig eintreten sollte. Es bietet sich an, dem Verkauf die Kompetenz über die kostenlose Vergabe von Serviceleistungen zu entziehen. Diese Regel ist insbesondere bei Neukunden anzuwenden, damit diese den Service nicht von Beginn der Kundenbeziehung an als eine kostenlose – und damit implizit wertlose – Leistung betrachten. Zusätzlich ist der Verkauf mit einem Argumentarium auszustatten, welches ihm erlaubt, die After-Sales-Services beim Kunden zu vermarkten. Hierzu kann das für die Erweiterung der Verkaufs- und Interaktionskompetenzen vorgestellte Verfahren angewendet werden.368 Forderung nach kostenlosen e-Services: Visualisierung der Leistungen Die Bezahlung für Leistungen, welche in der Vergangenheit kostenlos waren – typischerweise sind dies die e-Services369 – führt beim Kunden zu einem verminderten wahrgenommenen Nutzen (Kundennutzen 5). Der im letzten Unterkapitel vorgeschlagene Abschluss von e-Service-Vereinbarungen birgt infolgedessen ein Risiko, trotz kundenorientierter Ausgestaltung den Nutzen des Kunden zu mindern. Die Zahlungsbereitschaft für Einsätze von Technikern vor Ort ist im Vergleich zu eServices höher. Dies lässt sich mit der Immaterialität und der Intangibilität der Services erklären sowie mit der unzureichenden Art und Weise, wie diese durch Unternehmen präsentiert werden.370 Auf Grund der Unterschiede zu den Primärprodukten müssen für die Wertvisualisierung andere Darstellungselemente gewählt werden.371 368 vgl. Kapitel 4.3.2.2 und das Konzept des «Value Selling» in Kapitel 2.2.5 als Grundlage. 369 Rainfurth et al. (2005, S. 105) 370 Wildemann (2006, S. 57) 371 Körner (2002, S. 138 f.) OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 155 Um die Intangibilität und die Immaterialität der e-Services zu kompensieren, bieten sich die Visualisierung und die Kommunikation der mit den e-Services verbundenen Sachmitteln und des entsprechenden Arbeitseinsatzes an. Unter anderen sind folgende konkrete Massnahmen möglich: 372 - Anstelle des Telefons sollte vermehrt auf Videotelefonie gesetzt werden. So erhält der Servicetechniker ein Gesicht und eine Persönlichkeit. - Die Arbeitsleistung kann bei der Verrechnung der e-Services visualisiert werden, indem Name, Qualifikation sowie ein Bild des ausführenden Servicetechnikers als Teil eines ansprechenden Rechnungsdesigns enthalten sind. - Alle vom e-Service ausgeführten Leistungen sollten dokumentiert und für den Kunden einsehbar sein, damit dieser ein Mittel zur Leistungsüberprüfung hat. - Abbildung der Servicezentrale im Produktdatenblatt zu e-Services. 373 Bei der Ausarbeitung dieser Kommunikationsinstrumente ist auf deren Abstimmung und Stimmigkeit in einem Gesamtkonzept zu achten. 374 4.3.5.2 Einflussnahme im initialen Kaufentscheidungsprozess Auch im Kaufentscheidungsprozess hinsichtlich der Investition in eine Werkzeugmaschine kann eine Wertvermittlung der After-Sales-Services vom Verkauf vorgenommen werden. Die Beobachtungen des Entscheidungsverhaltens haben gezeigt, dass After-Sales-Services vorwiegend zu Beginn und am Ende des Kaufprozesses die Aufmerksamkeit des Buying Centers haben (Kaufverhalten 2), wobei die Entscheidung über den Abschluss von Garantieverlängerungen, Wartungs- und Serviceverträgen von einem kleinen Personenkreis getroffen wird, welcher sich je nach Kundensegment und Inhaberstruktur unterschiedlich zusammensetzt (Kaufverhalten 3). Die Einflussnahme auf die Vorselektion der Anbieter für die engere Auswahl ist seitens des Verkaufs nur begrenzt beeinflussbar. Vorwiegend wird die Vorselektion auf Grund von Reputation, Standort und Nationalität des WZM-Herstellers durchgeführt oder findet auf Grund eines Pflichtenhefts statt, dessen Kriterien der Kunde auf strate372 vgl. auch Dauner (2012, S. 252 ff.); Körner (2002, S. 139 ff.); Trachsler (1996, S. 126 ff.) 373 vgl. Kapitel 4.3.1.3 374 Körner (2002, S. 139) 156 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG gischer Ebene festgelegt hat.375 In beiden Fällen hat der Verkauf kaum die Möglichkeit zur Einflussnahme. Ein erweiterter Spielraum besteht am Ende des Selektionsprozesses, wenn After-SalesServices bei vergleichbaren Alternativen zum zweiten Mal diskutiert werden und ein kaufentscheidendes Kriterium sein können. Hier hat es sich gezeigt, dass bei jenen Kunden, bei denen kein strukturierter Selektionsprozess stattfindet,376 die für den Prozess hauptverantwortliche Person der Entscheidungsträger ist: In Mikro- bis Kleinunternehmen ist dies in der Regel der CEO, in mittelständischen Unternehmen ein Produktions-, ein Abteilungs- oder ein Bereichsleiter. Da diese Person der Ansprechpartner für den Verkauf und der Verhandlungsführer ist, ist ihre Identifikation zu bewerkstelligen.377 Nach Identifikation von Person und Kundensegment kann sich der Verkauf am Ende des Selektionsprozesses an folgenden Grundsätzen orientieren: 1. Bei risikoaversen Service-Profis oder internen Servicedienstleistern ist die Entscheidung über den Service von der Firmenpolitik vorgegeben. Die Funktion des Verkaufs beschränkt sich auf die Erklärung der Serviceangebote. 2. Bei strategischen Partnern ist bei inhabergeführten Unternehmen der Fokus auf die Vermarktung der Garantieverlängerung zu legen, bei Unternehmen mit externem Geschäftsleiter besteht zusätzlich das Potential für den Abschluss von Wartungs- und Serviceverträgen. 3. Bei reaktiven Service-on-Demand-Bezügern und technischen Innovatoren können Garantieverlängerungen auf Anklang stossen, der Verkauf sollte sich jedoch frühzeitig auf die Platzierung von e-Service-Vereinbarungen und präventiven Diagnosen fokussieren. 4.3.6 Zusammenfassung des Prozessablaufs Nachfolgende Abbildung 33 fasst den Prozessablauf zusammen und gliedert diesen nach dem Vorgehen für die Implementierung: 375 Zu diesen Kriterien gehören gemäss Aussagen von Kunden z.B. die Unternehmensgrösse des WZM-Herstellers, das Vorhandensein einer Serviceniederlassung in geografischer Nähe oder ob beim Ausfall einer Maschine Reaktionszeiten von 24h/48h eingehalten werden können. 376 Dies ist typischerweise bei reaktiven Service-on-Demand-Bezügern, technischen Innovatoren und strategischen Partnern der Fall. 377 Herleitung für Kaufverhalten 2/3 OPTIMIERUNGSPROZESS ZUR RENTABILITÄTSSTEIGERUNG 157 Abbildung 33: Implementierung des Optimierungsprozesses Strategie Geschäftsleitung Projektmanagement festlegen Kundensegmente selektionieren After-Sales-Services-Portfolio festlegen Erstellung der externen Kommunikationsinstrumente: - Service-Konzept - Produktdatenblätter - Preislisten - Verträge / Vertragszusätze Erstellung der internen Kommunikationsinstrumente: - Leitfaden, Checkliste und Dienstleistungsargumentarium Systeme CRM-System mit Zugang für den Verkauf und das Service-Team etablieren Qualitätsmanagementsystem für die Erfassung von Störungen etablieren und Zugänge für Produktion und Service-Team sicherstellen Ticket-System für Innendienst einrichten Fakturation anpassen bzgl. Preisdarstellung Ersatzteile sowie Wertvisualisierung und Dokumentation e-Services Schulungen Personalwesen / Bereichsleitung Kommunikationsschulung Innendienst Schulung Service-Team / Verkauf hinsichtlich Service-Konzept, Produktdatenblättern, Preisen und dem Dienstleistungsargumentarium Schulung Verkauf: Kompetenzen bzgl. Rabattpolitik für After-Sales-Services Implementierung Verkauf / Service-Team Service-Team / Verkauf / Produktion Einsatz der erweiterten Kompetenzen am Markt Fortlaufender Austausch via CRMund Qualitätsmanagementsystem Anwendung des neuen After-SalesServices-Portfolios Fortlaufender formeller und informeller Know-how Austausch zwischen Produktion und ServiceTeam Abschluss von e-ServiceVereinbarungen durch den Verkauf Platzierung von präventiven Diagnosen durch das Service-Team und den Verkauf Quelle: Eigene Darstellung Fortlaufende Vermittlung von Knowhow von erfahrenen zu unerfahrenen Servicetechnikern Erfolgskontrolle Umsetzung Marketing 158 5 SCHLUSSBETRACHTUNG Schlussbetrachtung In diesem Kapitel werden die Erkenntnisse zusammengefasst und Implikationen für die Forschung und die Praxis abgeleitet. Anschliessend werden die Limitationen dieser Forschungsarbeit aufgeführt und Hinweise für weiterführende Forschung präsentiert. 5.1 Zusammenfassung Das Ziel dieser Dissertation ist die Entwicklung eines Optimierungsprozesses, welcher von Entscheidungsträgern in mittelständischen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus zur Steigerung der Rentabilität ihrer After-Sales-Services angewendet werden kann. Das Forschungsziel leitet sich von der praktischen Problemstellung ab, dass mittelständische Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau trotz Investitionen in produktbegleitende Dienstleistungen mit diesen keine befriedigenden Margen erzielen können. Diese Forschungsarbeit differenziert sich durch eine auf den vom Kunden wahrgenommenen Nutzen fokussierte Erkenntnisgewinnung, deren Datengrundlage direkt bei den Kunden erhoben wird. Des Weiteren werden die Optimierungsmassnahmen auf mittelständische Unternehmen ausgelegt und sind in einer praxisorientierten Prozessdarstellung aufgearbeitet. Die Beschaffenheit von Rentabilität von After-Sales-Services führt zur Identifikation der Forschungsfelder organisationales Kaufverhalten, Kundennutzen und Preismanagement. Innerhalb dieser Felder werden die theoretischen Grundlagen aus ökonomischer und verhaltenswissenschaftlicher Perspektive erarbeitet. Vorhandene Theorien begründen den Zusammenhang, dass durch eine Kundennutzenoptimierung sowohl auf der Leistungs- wie auch auf der Kostenseite der Rentabilität Wirkung erzielt werden kann. Aus diesem Grund ist das Verständnis über das Zustandekommen von Kundennutzen bei After-Sales-Services von Bedeutung. Der Kundennutzen wird darauffolgend mit Fallstudienforschung vertieft, innerhalb welcher Daten zu vergangenen Kaufentscheidungsprozessen direkt beim Kunden erhoben werden. Aus der Kundenperspektive werden relevante Themen und daraus abgeleitete Opportunitäten für WZM-Hersteller identifiziert, welche durch Beobachtungen des Entscheidungsverhaltens betreffend After-Sales-Services bei Investitionen in Werkzeugmaschinen ergänzt werden. Die Erkenntnisse werden innerhalb von fünf identifizierten Kundensegmenten diskutiert, welche für das Marketing relevante Verhaltensunterschiede zeigen. Eine Gegenüberstellung der Nutzenpräferenzen des Kun- SCHLUSSBETRACHTUNG 159 den mit den Zielen der Anbieter im Bereich After-Sales-Services führt zur Identifikation dreier Spannungsfelder, in welchen Anbieter Lösungsansätze für den erfolgreichen Umgang mit After-Sales-Services finden müssen. Der abschliessend erarbeitete Optimierungsprozess folgt dem Customer-Value-Modell und nimmt Optimierungen auf strategischer Dimension, beim Mitarbeiter- und Leistungssystem sowie beim Kommunikationsmanagement der Anbieter vor. Auf strategischer Ebene zeigt er, wie das After-Sales-Services-Portfolio für die relevanten Kunden selektioniert und ausgestaltet wird. Anschliessend werden die Optimierungen bei der Kompetenz des Service-Teams, die Verstärkung der präventiven Diagnose, der Abschluss von e-Service-Vereinbarungen sowie Massnahmen zur verbesserten Visualisierung von Wert und Kosten von After-Sales-Services ausgeführt. Abschliessend wird der Prozess mit einem Implementierungsvorschlag ergänzt. 5.2 Implikationen Der im vorhergehenden Kapitel formulierte Optimierungsprozess ist ein Lösungsvorschlag als Antwort auf die Forschungsfrage, wie mittelständische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus mit der Herausforderung der Rentabilität von AfterSales-Services umgehen können. Er zeigt auf strategischer und operativer Ebene umsetzungsnahe Massnahmen, welche von Entscheidungsträgern in ihren Unternehmen implementiert werden können, und gibt Hinweise, welche diese bei der Ausgestaltung und Implementierung unterstützen. Aus dem Optimierungsprozess und den Arbeitsschritten, welche zu diesem geführt haben, können folgende Implikationen für die Forschung und die Praxis gezogen werden. 5.2.1 Implikationen für die Forschung Das Forschungsfeld der industriellen Dienstleistungen wird seit mehreren Jahrzehnten bewirtschaftet. In dieser Zeit haben sich Theorien und Erkenntnisse mit allgemein anerkannter Gültigkeit gebildet, wie dies auch auf den Zusammenhang von industriellen Dienstleistungen und Rentabilität sowie Erfolgsfaktoren bei deren Implementierung zutrifft. In dieser Dissertation wurden diese als gefestigte Erkenntnisse gehandelten Zusammenhänge bezüglich ihrer Validität unter geänderten technischen und marktseitigen Rahmenbedingungen diskutiert und auf ihre Gültigkeit in einem spezifischen Kontext sowie mittels der Einnahme einer Kundenperspektive geprüft. 160 SCHLUSSBETRACHTUNG Eine zentrale Erkenntnis, welche sich aus dieser Validitätsprüfung ergeben hat, betrifft den Stellenwert von After-Sales-Services bei den Entscheidungsträgern in industriellen Unternehmen, welche als Käufer von Werkzeugmaschinen auftreten: After-SalesServices bleiben in den Augen der Kunden ein Ergänzungsprodukt, während die technischen Differenzierungsmerkmale der Maschinen und Anlagen im Zentrum stehen. Service ins Zentrum der Unternehmensstrategie zu stellen, wie dies an einigen Stellen in der Forschung empfohlen wird, würde für einen Grossteil der Kunden in der Werkzeugmaschinenbranche keiner kundennutzenorientierten Handlungsweise entsprechen. Die Erklärung für diese kontrahierende Aussage ist im Untersuchungsdesign der Studie zu suchen, welche einerseits direkt beim Kunden ansetzt und andererseits mikro-, klein- und mittelständische (Kunden-)Unternehmen in für deren Anteil an der Wirtschaftsleistung angemessener Form vertritt. Ein Forschungsdesign, welches auf direkte Kundenbefragungen setzt, hat mindestens im gewählten Kontext dieser Dissertation zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Dies lässt vermuten, dass auch in anderen Themenfeldern des Industriegütermarketings, in welchen Kundenpräferenzen nur indirekt erforscht wurden, durch eine direkte Interaktion der Forscher mit den Kunden abweichende Erkenntnisse gefördert werden könnten. Eine weitere Implikation für die Forschung betrifft das Zusammenspiel von Erkenntnissen aus der Kaufverhaltensforschung der B2B- und B2C-Domänen. Die in dieser Dissertation untersuchten B2B-Kaufentscheidungen nahmen dort, wo die Käufer kleine bis mittelständische Unternehmen waren, den Charakter von B2C- Kaufentscheidungen an. Die in den B2B-Kaufprozessen vorausgesetzte Ratio im Buying Center konnte nicht beobachtet werden, vielmehr haben emotionale Entscheidungen, an vielen Orten von einem Gerechtigkeitsgedanken angetrieben, die Entscheidungsfindung geprägt. Diese Feststellung unterstützt jene Ansätze, welche einen verstärkten B2C-Fokus in B2B-Kaufprozessen propagieren. 5.2.2 Implikationen für die Praxis Für die Adressaten aus der Praxis, die Entscheidungsträger in mittelständischen Maschinen- und Anlagenbauunternehmen, bietet der in dieser Dissertation entwickelte Optimierungsprozess ein umsetzungsnahes Instrument, welches unterstützend zu unternehmens-, branchen- und situationsspezifischen Instrumenten als Hilfsmittel für den zukunftsorientierten Umgang mit After-Sales-Services beigezogen werden kann. Die im Prozess enthaltenen Massnahmen sind vielfältig, einige Gemeinsamkeiten lassen sich jedoch erkennen, die als Schlussfolgerungen für Praktiker relevant sind. SCHLUSSBETRACHTUNG 161 Eine erste Implikation ist, dass die Identifikation der relevanten Kundensegmente eine signifikante Entscheidungshilfe bei der Servicegestaltung ist, da grosse Unterschiede in den artikulierten und beobachteten Nutzenpräferenzen hinsichtlich der After-SalesServices über Kundensegmente hinweg bestehen. Praktiker können diese Erkenntnis auch nutzen, um sich zu überlegen, in welche Richtung sie den Kundenstamm mit weiterführenden Massnahmen entwickeln möchten. Eine weitere Implikation betrifft den Pragmatismus des Kunden, mit welchem er die After-Sales-Services als Mittel zum Erhalt seiner Produktionsfähigkeit beachtet. Den Fokus auf die Kernleistungen zu konzentrieren, diese aber herausragend zu erfüllen, bietet sich als eine strategisch gewinnbringende Option an. Diese Erkenntnis erlaubt zugleich festzustellen, dass beim Kernprodukt des Leistungsbündels, der Werkzeugmaschine selbst, technische Vorreiterschaft, Preisvorteile und begleitende Umstände wie Bedienerfreundlichkeit, Sicherheit und Langlebigkeit im Gesamtevaluationsprozess einen sehr hohen Stellenwert haben: Investitionen in diesen Bereichen sollten nicht zu Gunsten eines Serviceausbaus reduziert werden. Als letzte Implikation ist die Bedeutung der Verrechenbarkeit von Services hervorzuheben: Die Verrechnung von Leistungen, welche bis anhin kostenlos erbracht wurden, hat den grössten Einfluss auf die Rentabilität; sie betrifft in den meisten Fällen die eServices. Im Zug der rasanten Verbreitung der Informationstechnologie, der Vernetzung von Maschine, Software und Mensch sowie der fortlaufenden Automatisierung der Produktion ist absehbar, dass e-Services in Zukunft einen wichtigeren Stellenwert einnehmen werden – und ihr Anteil an den After-Sales-Services auch bei den traditionell mechaniklastigen Werkzeugmaschinen zunehmen wird. Eine Forcierung der Verrechnung von e-Services als Ergebnis eines transparenten und fairen Findungs- und Erklärungsprozesses mit und beim Kunden ist deshalb in Betracht zu ziehen. 5.3 Limitationen Die in dieser Dissertation gewonnenen Erkenntnisse unterliegen einer Auswahl von Limitationen, welche bei deren Interpretation zu berücksichtigen sind. Die erste Limitation ergibt sich durch die Wahl und die Ausgestaltung des Untersuchungsdesigns der Studie zum Kundennutzen von After-Sales-Services. Einerseits wurden in dieser Studie nur Kunden mit Standort Schweiz und Deutschland untersucht, obwohl mittelständische Schweizer Unternehmen ihre Produkte global vermarkten. Es ist davon auszugehen, dass auf Grund kultureller Unterschiede die Ergebnisse ausserhalb des mittel- 162 SCHLUSSBETRACHTUNG europäischen Markts nur eine bedingte Gültigkeit haben. Dies wurde auch in den Expertengesprächen bemängelt. Die Limitation relativiert sich jedoch, wenn man beachtet, dass Deutschland mit einem Anteil von über 25% das weitaus wichtigste Exportland für die Schweizer Maschinenindustrie ist.378 Als weitere Folge des Marktfokus Schweiz und Deutschland wurde eine internationale, strategische Sicht bei der Rentabilitätssteigerung weitgehend ausgelassen und stattdessen ein Schwerpunkt auf die einzelne Serviceabteilung gelegt. Für diejenigen Unternehmen, welche globale Servicenetzwerke unterhalten, sind diesbezüglich weitere Optimierungspotentiale zu vermuten, wobei jedoch der Anteil mittelständischer Unternehmen, welche solche Strukturen unterhalten, gering sein dürfte. Alle Untersuchungsergebnisse wurden in der Werkzeugmaschinenindustrie erhoben, was eine zweite Limitation darstellt. Werkzeugmaschinen sind im Vergleich zu anderen Maschinenkategorien von mechanischen Komponenten geprägt und historisch als unabhängige Fertigungsinseln konstruiert, haben sich jedoch durch technische Innovationen in den letzten Jahren auch verstärkt digitalisiert und in Produktionsflüsse integriert.379 Die Ergebnisse können folglich für den Maschinen- und Anlagenbau im Allgemeinen als gültig betrachtet werden, eine Prüfung des Kontexts ist aber empfehlenswert, vor allem wenn es um die Umsetzung konkreter Handlungsempfehlungen hinsichtlich des After-Sales-Service-Portfolios geht.380 Die dritte Limitation ergibt sich aus der Auswahl der Themenfelder im Optimierungsprozess, welche weitgehend durch den vom Kunden wahrgenommenen Nutzen bestimmt war. Während der Kundennutzen für die Ausgestaltung der Marketinginstrumente eine geeignete Vorlage bietet, lassen sich daraus nur begrenzt Rückschlüsse auf andere für die Rentabilität von Leistungen relevante Aspekte ziehen, wie z.B. die Ausgestaltungen der Prozesse im Back-Office oder die strategische Auswahl von Zielmärkten. Die in dieser Dissertation vorgeschlagenen Optimierungen zur Rentabilitätssteigerung fokussieren sich damit weitgehend auf jene Aspekte, welche mittels des optimalen Einsatzes von Marketinginstrumenten zu erreichen sind. Grundlegende Neuerungen in der Ausgestaltung des Leistungssystems bzw. der darin enthaltenen 378 Swissmem (2015, S. 13) 379 Da die analysierten Kaufentscheidungsprozesse sich auf in den letzten fünf Jahren erworbene Werkzeugmaschinen konzentriert haben, sind diese neuartigen Maschinen in den ausgewählten Fällen ausreichend vertreten. Vgl. auch Kapitel 3.2.3. 380 vgl. Dyllick & Tomczak (2007, S. 70 ff.) SCHLUSSBETRACHTUNG 163 Marketinginstrumente konnten im Rahmen dieser Arbeit nicht identifiziert werden, da zwar sowohl auf Kunden- wie Anbieterseite nach innovativen Lösungsansätzen gesucht wurde, die bestehenden Branchenstrukturen jedoch nicht überwunden wurden. Ein Forschungsansatz, welcher sich verstärkt an Technologien in frühen Entwicklungsstadien und zukunftsorientierten Geschäftsmodellen aus anderen Branchen orientiert, hätte das Potential, innovativere und damit radikalere Optimierungsmassnahmen vorzuschlagen. Es ist jedoch fragwürdig, ob solche Massnahmen im Umfeld von mittelständischen Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau die für eine erfolgreiche Akzeptanz und Implementierung nötige Umsetzungsnähe aufweisen würden. Viertens gilt es kritisch zu reflektieren, inwiefern der erarbeitete Optimierungsprozess die Rentabilität von After-Sales-Services beeinflussen kann. Der Optimierungsprozess basiert auf einem theoretisch abgestützten Fundament und ist auf qualitativen empirischen Erkenntnissen basierend, wurde jedoch in der Unternehmenspraxis nicht auf seinen Wirkungsgrad untersucht, da hierzu eine über mehrere Jahre dauernde Studie notwendig wäre, was im Rahmen dieser Dissertation nicht umsetzbar war. Des Weiteren konnte nicht geklärt werden, inwiefern allgemeine Massnahmen des Kostenmanagements, deren nähere Betrachtung in dieser Dissertation ausgeschlossen wurde, zur Rentabilisierung von After-Sales-Services beitragen. Die sich letztendlich daraus ergebende Limitation, dass die Rentabilität einer Leistung von einer Vielzahl abhängiger und unabhängiger Einflussgrössen bestimmt wird, relativiert aus wissenschaftlicher Sicht die Validität des Optimierungsprozesses. 5.4 Ansatzpunkte für weiterführende Forschung Nimmt man die in der Studie zum Kaufverhalten mit den Kunden diskutierten Werkzeugmaschinen als Referenz, waren zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Dissertation Werkzeugmaschinen kaum von dem globalen Trend Industrie 4.0 betroffen. Eine verstärkte Interaktion zwischen Bauteilen, Maschinen, Mitarbeitenden und WZMHerstellern eröffnet neue Potentiale für rentable Serviceleistungen, insbesondere in Kombination mit neuen Opportunitäten für Leistungen im Bereich e-Services. Die Ergänzung der Erkenntnisgewinnung mit diesen Aspekten bietet zukünftig einen Ansatzpunkt für praxisorientierte vertiefende Forschungsarbeiten. Des Weiteren besteht bei der Ergründung des Zusammenhangs zwischen den einzelnen Leistungen des in dieser Dissertation vorgeschlagenen After-Sales-ServicesPortfolios und der entsprechenden Zahlungsbereitschaft beim Kunden ein Forschungs- 164 SCHLUSSBETRACHTUNG bedarf. Die Zahlungsbereitschaften konnten mit der hier gewählten Forschungsmethode nicht quantifiziert werden. Eine quantitative Untersuchung, z.B. mittels ConjointAnalyse, würde diesen Sachverhalt aufschlüsseln, wodurch präzisere Aussagen zum Preismanagement und zum Einsatz von Preisbündelungen möglich wären. Ein drittes Forschungsfeld bietet sich in der Anwendung der aus der Konsumentenforschung stammenden Theorien und Erkenntnisse zum Preismanagement im B2BKaufverhalten von mittelständischen Unternehmen an. Die Erkenntnisse in dieser Dissertation lassen vermuten, dass die industriellen Kaufentscheidungsprozesse im Mittelstand den Charakter von B2C-Kaufentscheidungen annehmen. Eine kontextbezogene Validitätsprüfung von Instrumenten aus der Konsumentenforschung würde diesen Sachverhalt erörtern. LITERATURVERZEICHNIS 165 Literaturverzeichnis Adams, J. (1966). Inequity in social exchange. Advances in Experimental Social Psychology, (2), 267–299. Anderson, J., & Narus, J. (1995). Capturing the Value of Supplementary Services. Harvard Business Review, 73(1), 75–83. Arentz, O., & Münstermann, L. (2013). Wo liegt der Kern des deutschen Mittelstands? Wirtschaftsdienst, 93(9), 622–628. Artmann, C. (2014). Critical Success Factors and Roadmap for the Internationalization of Value Selling (Dissertation). Universität St. Gallen, St. Gallen. Backhaus, K., Frohs, K., & Weddeling, M. (2007). Produktbegleitende Dienstleistungen zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Arbeitspapier Nr. 2 in der Reihe «ServPay – Zahlungsbereitschaft für Geschäftsmodelle produktbegleitender Dienstleistungen», Münster. Backhaus, K., & Kleikamp, C. (2001). Marketing von investiven Dienstleistungen. 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Name, Vorname Kontaktdaten Position / Funktion Teil 2: Grundlagendaten zum erworbenen Investitionsgut 2.1 Können Sie folgende Auskünfte zur erworbenen Werkzeugmaschine geben? Typ / Anwendung Bezugsquelle Beschaffungskosten Strat. Bedeutung Sehr gering – gering – mittel – hoch – sehr hoch Begründung: Ausfallkosten Sehr gering – gering – mittel – hoch – sehr hoch Begründung: Internes Know-how Sehr gering – gering – mittel – hoch – sehr hoch Begründung: Qualitäts- Low-Cost – Low/Middle – Middle-Class – Middle/High – Klassifizierung High-End Begründung: Und zum Hersteller der Werkzeugmaschine: ANHANG 181 Name / Standort Geschäftsbeziehung Erstkauf – bestehende Geschäftsbeziehung Vertrauen / wie er- Sehr gering – gering – mittel – hoch – sehr hoch worben Begründung: Teil 3: Entscheidungsprozess beim Kauf von After-Sales Leistungen 3.1 Welche Personen waren an der Kaufentscheidung beteiligt? Was waren Ihre Rollen? Waren Sie an der Entscheidung zu After-Sales-Services beteiligt? Person (Funktion) Rolle After-Sales-Services Beteiligung 3.2 Wie ist der Kaufentscheidungsprozess abgelaufen? 3.3 Wurde beim Kauf der Maschine oder Anlage ein Vertrag über After-Sales-Services abgeschlossen? Ja: Konditionen? Nein: Warum nicht? 3.4 Wurde zu einem Zeitpunkt im Kaufprozess seitens des Verkäufers aktiv der Abschluss eines After-Sales Vertrags angeboten? Teil 4: Ausprägungen im Kaufentscheidungsprozess Awareness 4.1 Waren After-Sales-Services in irgendeiner Form relevant bei der ersten Auslegung möglicher Produkte? Hat es dem Bedürfnis entsprochen? Akzeptanz 182 ANHANG 4.2 Gibt es seitens des Unternehmens Erfordernisse bezüglich der After-SalesServices, welche den Einbezug eines Produktes in die engere Auswahl verhindert hätten? Wenn ja, warum? Produktbezogene Faktoren (z.B. bzgl. Wartung) Anbieterbezogene Faktoren (z.B. Niederlassung) Ökonomische Faktoren (z.B. Kosten) Andere Faktoren Individuelle Bewertungsmodelle 4.3 Welches waren die Hauptkriterien bei der individuellen Bewertung des Produktes? 4.4 Wurde das Angebot an After-Sales-Services sowie die Kosten dafür evaluiert? Wenn ja, wie? Wem war welche After-Sales Leistung besonders wichtig und warum? 4.5 Wie ist Ihre Nutzenbewertung und Zahlungsbereitschaft für die nachfolgenden Services? Kriterium Nutzenbewertung / Zahlungsbereitschaft Garantie Inbetriebnahme Schulung Support-Arbeiten vor Ort E-Support Ersatzteile 4.6 Sind Sie in der Vergangenheit mit erweiterten Service-Levels konfrontiert worden, und wie beurteilen Sie diese grundsätzlich? ANHANG Kriterium 183 Kommentare Garantierte Funktionalität (max. zeitliche Downtime). Verantwortung beim Hersteller. Garantierter Support (Störungsbehebung, Ersatzteile) in einem festgelegten Zeitraum, Bezahlung (mindestens teilweise) über einen Servicevertrag. Haben Sie andere Maschinen oder Anlagen im Unternehmen, bei denen Sie zu einer anderen Einschätzung über den Service-Level kommen würden? Gruppenentscheidungsmodell 4.7 Waren die After-Sales-Services ein Diskussionsbestandteil in der finalen Entscheidung über den Kauf des Investitionsgutes? 4.8 Hatten Sie im Kaufprozess genügend Informationen zu den After-Sales Leistungen des Herstellers / Distributors? Abschluss Haben Sie weitere Anregungen an die Produzenten von Investitionsgütern, wie diese ihre Leistungspakete / After-Sales Dienstleistungen optimieren sollten? Was würden Sie selbst anders machen im After-Sales Geschäft? 184 ANHANG Anhang 2: Bewertungsraster fallübergreifende Synthese Daten zum Unternehmen Kriterium Skala Beschreibung Grösse des Unterneh- 1 = bis CHF 3 Mio. / 10 MA Einstufung der Unternehmen auf Basis mens 2 = bis CHF 15 Mio. / 50 MA der Anzahl Mitarbeitenden und Um- 3 = bis CHF 150 Mio. / 500 MA satz. 4 = bis CHF 600 Mio. / 2'000 MA 5 = > CHF 600 Mio. / 2'000 MA Eignerstruktur 1 = Börsennotiert Eignerstruktur des Unternehmens. 2 = Inhabergeführt 3 = Privatbesitz, externer CEO 4 = Stiftung Branche 1 = Werkzeugherstellung Haupttätigkeitsfeld des Unternehmens. 2 = Beschichtungszentrum 3 = Nachschleifservice 4 = Maschinen- und Anlagenbau 5 = Komponentenfertigung Land 1 = Schweiz Standort des Unternehmens. 2 = Deutschland Daten zur WZM und dem Hersteller / Distributor Kriterium Skala Beschreibung Technische Klassifi- 1= Low-End Technische Klassifizierung der WZM zierung der WZM 2 = Middle/Low im Vergleich zu Konkurrenzprodukten. 3 = Middle-Class 4 = Middle/High 5 = High-End Distanz zum Herstel- 1 = National Die physische Distanz des Käufers zum ler 2 = Kontinental Hersteller der Maschine. 3 = Interkontinental Distanz zur Bezugs- 1 = National Die physische Distanz des Käufers zur quelle 2 = Kontinental Bezugsquelle (Hersteller, Filiale Her- 3 = Interkontinental steller, Distributor) der WZM. ANHANG Internes Know-how 185 1 = Sehr gering Internes Know-how des Käufers hin- 2 = Gering sichtlich der Technologie der WZM vor 3 = Mittel dem Kauf. 4 = Hoch 5 = Sehr hoch Strategische Bedeu- 1 = Sehr gering Einschätzung der strategischen Bedeu- tung der WZM 2 = Gering tung der WZM vor dem Kauf für das 3 = Mittel Käuferunternehmen. 4 = Hoch 5 = Sehr hoch Ausfallkosten 1 = Sehr gering Folgekosten eines Ausfalls der WZM 2 = Gering für den Käufer. 3 = Mittel 4 = Hoch 5 = Sehr hoch Investitionsvolumen 1 = Bis CHF 250'000.- Komplettpreis der WZM (inkl. Liefe- 2 = Bis CHF 500'000.- rung, Installation und i.d.R. Schulung). 3 = Bis CHF 750'000.4 = Bis CHF 1'000'000.5= > CHF 1'000'000.- Vertrauen in den Her- 1 = Sehr gering Wahrgenommenes Vertrauen in den steller / Distributor 2 = Gering Hersteller / Distributor durch den Käu- 3 = Mittel fer vor dem Kaufabschluss. 4 = Hoch 5 = Sehr hoch Art der Geschäftsbe- 1 = Erstkauf Verhältnis der Geschäftsbeziehung vor ziehung 2 = Best. Geschäftsbeziehung dem Kaufabschluss. Ausgestaltung des Kaufprozesses Kriterium Skala Beschreibung Auslöser des Kauf- 1 = Ersatzinvestition Auslöser der Kaufentscheidung im prozesses 2 = Kapazitätserweiterung Unternehmen. 3 = Neues GF / Produkt / Markt 4 = Tech. Update u/o Automatisierung 5 = Risikominimierung 186 ANHANG Anzahl Anbieter in 1 = 1 Anbieter / keine Evaluation Anzahl Anbieter, welche in die engere der Evaluation 2 = 2-3 Anbieter Evaluation einbezogen wurden. 3 = 4-5 Anbieter Zeitpunkt Evaluation 1 = Zu Beginn Zeitpunkt im Kaufprozess, wo eine der After-Sales- 2 = In der Hauptevaluationsphase formelle oder informelle Evaluation der Services im Kaufpro- 3 = Am Ende der Evaluation After-Sales Leistungen durch den Käu- zess 4 = Nach dem Kaufentscheid fer vorgenommen wurde. 5 = After-Sales-Services wurden nie besprochen Ausschluss von Her- 1 = Ja: Auf Grund von messbaren Einstufung, inwiefern die After-Sales- stellern auf Grund von Hard-Facts Services als Ausschlusskriterium im After-Sales-Services 2 = Ja: Auf Grund von Soft-Facts Selektionsprozess gedient haben. 3 = Nein 4 = Service war eine Einstiegshürde für die Selektion 5 = Nicht anwendbar, da keine Selektion Zu den messbaren Hard-Facts gehören z.B. Distanz, Reaktionszeit, Grösse des After-Sales-Netzwerkes oder der Preis, zu den Soft-Facts gehören Faktoren wie Nationalität, WoM oder ethische Überlegungen. Strukturierung des 1 = Strukturiert Art des Evaluationsprozesses hinsicht- Evaluationsprozesses 2 = Unstrukturiert lich seiner formellen Strukturierung im Unternehmen. Kriterium mit stärks- 1 = Technische Kriterien Das von den Käufern als kaufentschei- tem Einfluss auf die 2 = Preisliche Kriterien dender Faktor genannte Kriterium. Produktwahl 3 = After-Sales-Services 4 = Strategische Entscheidung Funktion des Ent- Spezialauswertung, da auf Grund Identifikation der Person, welche scheiders über Service der Optionenvielfalt nicht katego- hauptsächlich über den Abschluss einer risierbar Garantieverlängerung, eines Serviceoder Wartungsvertrags entschieden hat. Evaluation der After- 1 = Nein Evaluation der After-Sales-Kosten vor Sales-Kosten 2 = Ja / teilweise ja dem Kaufentscheid durch den Käufer. Bedeutung der After- 1 = Sehr tief Bedeutung der After-Sales-Services für Sales-Services für die 2 = Tief die Gesamtentscheidung über den Kauf Gesamtentscheidung 3 = Mittel der WZM. 4 = Hoch 5 = Sehr hoch 6 = N.A., da keine Evaluation ANHANG 187 Aktiver Verkauf eines 1 = Ja Aktivitäten im Verkauf für einen After- Service- und/oder 2 = Nein Sales-Vertrag (Service u/o Wartung) Wartungsvertrages seitens des Verkäufers. Gruppendiskussion zu 1 = Ja Gruppendiskussion im Buying Center After-Sales-Services 2 = Nein bzgl. den After-Sales-Services vor dem Kauf. Einstellung und Verhalten zu After-Sales-Services Kriterium Skala Beschreibung Einstellung zu Ser- 1 = Negativ Beurteilung der allgemeinen Einstel- vice- und Wartungs- 2 = Eher negativ lung zu After-Sales-Services auf Basis leistungen 3 = Neutral getroffener Aussagen in den Interviews 4 = Eher positiv und dem dokumentierten Entschei- 5 = Positiv dungsverhalten der Unternehmen im untersuchten Kaufprozess und in Kaufprozessen für andere WZM im Unternehmen. Zahlungsbereitschaft 1 = Nicht vorhanden Antworten in den Interviews zu der für e-Services 2 = Vorhanden, wenn vertraglich Zahlungsbereitschaft für e-Services geregelt (Remote-Services, Support via E-Mail / 3 = Vorhanden Telefon o.ä.). Beschaffungsverhalten 1 = Ja Angaben zum Beschaffungsverhalten für Ersatzteile 2 = Teilweise für Ersatzteile: Via Hersteller oder im 3 = Nein freien Markt. Auswertung der angegebenen Begründungen. Abschluss von Ser- 1 = Kein Abschluss Abschluss eines Service- und/oder vice- und Wartungs- 2 = Vertraglich fixierte Konditio- Wartungsvertrages im untersuchten verträgen nen (ohne Fixkostenfolgen) Fall, Begründungen für den Abschluss / 3 = Wartungsvertrag nicht-Abschluss von Service- und War- 4 = Servicevertrag tungsverträgen. 5 = Service- und Wartungsvertrag 3 1 5 3 2 1 1 1 2 2 3 1 2 1 Ausgestaltung des Kaufprozesses Auslöser des Prozesses Anzahl Anbieter in der Evaluation Zeitpunkt Evaluation des ASS im Kaufprozess Ausschluss von Herstellern auf Grund von After-Sales-Services Strukturierung des Evaluationsprozesses Kriterium mit stärkstem Einfluss auf die Produktwahl Evaluation der After-Sales-Service Kosten Bedeutung der After-Sales-Services für die Gesamtentscheidung Aktiver Verkauf eines Service- und/oder Wartungsvertrages Gruppendiskussion zu After-Sales-Services Einstellung und Verhalten zu After-Sales Services Einstellung zu Service- und Wartungsleistungen Zahlungsbereitschaft für e-Services Beschaffungsverhalten für Ersatzteile Abschluss von Service- und Wartungsverträgen Fall 2 1 1 1 1 1 2 5 1 2 1 1 1 1 2 4 2 1 4 5 4 3 4 2 3 2 5 1 Fall 3 4 3 1 1 1 3 1 1 2 3 1 5 1 1 5 1 1 4 5 4 3 5 2 2 3 5 1 Fall 4 5 2 3 4 1 3 1 2 1 2 2 5 1 2 3 2 2 5 5 4 2 3 1 4 1 4 1 Fall 5 2 1 2 1 1 2 2 2 2 1 2 3 1 1 4 3 1 5 5 4 4 5 1 3 2 1 1 Fall 6 5 3 3 5 4 3 1 4 1 1 2 3 1 1 5 1 1 2 5 3 4 4 2 4 3 1 2 Fall 7 3 2 1 5 2 1 4 5 2 4 1 6 1 1 5 1 1 5 5 5 5 5 2 3 3 5 1 Fall 8 2 1 1 3 1 1 5 5 1 4 1 6 1 2 5 1 1 5 4 3 3 5 1 5 1 5 1 Fall 9 1 1 3 2 4 2 5 1 2 1 2 4 2 2 4 3 1 4 3 2 5 4 1 3 2 5 1 Fall 10 4 1 3 2 3 1 5 5 2 1 1 6 2 2 5 2 1 4 5 4 2 5 2 1 2 5 1 Fall 11 3 2 3 1 5 2 5 2 2 1 1 2 2 2 3 2 2 5 3 2 1 5 2 1 2 1 1 Fall 12 5 3 2 1 2 1 5 5 2 4 1 2 2 2 4 1 1 5 4 2 2 5 2 3 3 1 1 Fall 13 3 2 2 2 4 3 1 2 2 1 2 4 2 1 4 2 2 3 4 3 2 4 1 3 2 5 1 Fall 14 3 2 3 3 3 3 3 1 2 1 1 3 2 1 4 2 1 5 5 3 3 5 1 2 2 5 1 Fall 15 1 1 3 1 3 3 5 3 1 1 1 1 2 2 5 2 2 1 3 3 3 5 1 2 4 2 2 Fall 16 5 2 2 4 3 3 4 1 1 1 1 3 2 1 4 1 1 2 4 1 5 5 2 5 1 5 2 Fall 17 5 2 3 4 5 2 3 3 1 1 1 2 2 2 3 3 2 5 4 2 2 2 1 4 1 1 1 Fall 18 5 3 3 5 2 1 5 5 1 4 1 6 2 2 5 3 3 5 5 4 5 5 2 5 1 5 2 Fall 19 5 1 2 5 3 2 1 1 1 1 1 4 2 1 3 1 1 5 5 4 2 4 1 5 1 1 2 Fall 20 3 2 3 1 1 1 5 5 2 4 1 6 2 2 5 2 1 5 5 3 4 5 2 2 2 2 2 Fall 21 3 1 3 3 3 2 5 1 2 1 1 1 1 2 4 1 1 1 3 4 3 5 1 2 2 3 2 Fall 22 2 1 2 1 4 1 5 3 1 1 1 1 1 2 5 3 1 4 5 5 4 4 2 4 1 5 1 2 1 2 2 1 3 3 4 1 1 2 2 2 2 4 2 2 5 5 2 5 3 1 5 1 5 1 Fall 23 TI RE SP RA RE RA SP IS RE SP SP SP SP SP TI RA RA RA RA SP SP IS IS 4 3 3 3 3 1 1 3 1 Daten zur Werkzeugmaschine und dem Hersteller Technische Klassifizierung der WZM Distanz zum Hersteller Distanz zur Bezugsquelle Internes Know-How Strategische Bedeutung der WZM Ausfallkosten Investitionsvolumen Vertrauen in den Hersteller / Distributor Art der Geschäftsbeziehung Gruppenzuteilung 3 3 4 1 Fall 1 Daten zum Kunden Grösse des Unternehmens Eignerstruktur Branche Land 188 ANHANG Anhang 3: Auswertung fallübergreifende Synthese ANHANG 189 Anhang 4: Interviewleitfaden Expertengespräche Teil 1: Grundlagendaten zum Unternehmen und der befragten Person 1.1 Können Sie Auskunft zu folgenden Kenngrössen Ihres Unternehmens geben? Ort und Datum Firma Standort Branche Umsatz Anzahl MA Eignerstruktur 1.2 Welche Position / Funktion bekleiden Sie im Unternehmen (pro Person)? Name, Vorname Kontaktdaten Position / Funktion Teil 2: Vorstellung der Ergebnisse der Studie zum Kaufverhalten Präsentation der Themen zum Kundennutzen, den Opportunitäten und den Beobachtungen zum Kaufverhalten gemäss Kapitel 3 der Dissertation. Aufnahme von Feedbacks zu den einzelnen Sachverhalten. Teil 3: Offene Diskussion und Reflektion der Ergebnisse: Praxislösungen 3.1 Sind die in den Interviews identifizierten Punkte für Sie plausibel? Fehlen zentrale Aspekte? Wie beurteilen Sie die Opportunitäten? 3.2 Welche Ziele verfolgen Sie mit den After-Sales-Services? Welche strategische Bedeutung kommt Ihrer Meinung nach den After-Sales-Services im Vergleich zum Verkauf von Maschinen zu? 190 ANHANG 3.3 Wie ist der Service im Unternehmen organisiert? 3.4 Wie ist Ihr Service-Portfolio? Haben Sie standardisierte Leistungen? 3.5 Welche Verkaufsanreize für Service bestehen für Ihre Verkäufer? Wie vermitteln Sie den Nutzen von After-Sales-Services an den Kunden? 3.6 Wie sorgen Sie für ein hohes Kompetenzniveau Ihrer Techniker? 3.7 Wie gehen Sie mit dem Thema Margen für Ersatzteile/Anfahrt/Techniker um? 3.8 Wie handhaben Sie die Verrechnung von e-Services? LEBENSLAUF 191 Lebenslauf von Dominik Blösch Persönliche Angaben E-Mail: [email protected] Geburtsdatum: 09.03.1987 Nationalität: Schweiz Ausbildung 2013 – 2016 Universität St. Gallen (HSG), Schweiz Doktorandenstudium der Betriebswirtschaft am Institut für Marketing (IfM) 2012 HEC Montréal, Kanada Auslandsemester als Teil des Masterstudiums 2011 – 2012 Universität St. Gallen (HSG), Schweiz Masterstudium in Marketing, Services and Commuication Management 2009 Hawaii Pacific University, USA Auslandsemester als Teil des Bachelorstudiums 2007 – 2010 Universität St. Gallen (HSG), Schweiz Bachelorstudium in Betriebswirtschaftslehre Berufliche Erfahrung 2015 – Blösch AG, Schweiz Bereichsleiter Hartstoffbeschichtungen 2014 – 2015 Woodcut Coatings AG, Schweiz CEO 2010 – 2014 BHP – Hanser und Partner AG, Schweiz Unternehmensberater